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Walther von der Vogelweide Under der linden 1 )Under der linden an der heide, di unser zweier bette was, di mugt ir vinden schone beide 5 gebrochen bluomen unde gras. vor dem walde in einem tal tandaradei, schone sanc diu nahtegal. 2 Ich kam gegangen zuo der ouwe: do was min friedel komen e. di wart ich enpfangen, herefrowe, 5 daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet also riche von bluomen eine bettestat des wirt noch gelachet innecliche, 5 kumt iemen an das selbe pfat. bi den rosen er wol mac tandaradei, merken wi min houbet lac. 4 Daz er bi mir laege, wessez iemen nu enwelle got! so schamt ich mich. wes er mit mir ptlaege, niemer niemen 5 bevinde daz, wan er unt ich, und ein kleinez vogellin: tandaradei, daz mac wol getriuwe sin.

e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

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Page 1: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Walther von der Vogelweide Under der linden

1 )Under der linden an der heide di unser zweier bette was di mugt ir vinden schone beide 5 gebrochen bluomen unde gras vor dem walde in einem tal tandaradei schone sanc diu nahtegal

2 Ich kam gegangen zuo der ouwe do was min friedel komen e di wart ich enpfangen herefrowe 5 daz ich bin saeHc iemer me kust er mich wol tusentstunt tandaradei seht wie rot ist mir der muntlt

3 Do het er gemachet also riche von bluomen eine bettestat des wirt noch gelachet innecliche 5 kumt iemen an das selbe pfat bi den rosen er wol mac tandaradei merken wi min houbet lac

4 Daz er bi mir laege wessez iemen nu enwelle got so schamt ich mich wes er mit mir ptlaege niemer niemen 5 bevinde daz wan er unt ich und ein kleinez vogellin tandaradei daz mac wol getriuwe sin

1 Unter der Linde I auf der Heide I wo unser beider Lager war Ida konnt ihr entdecken I [5] gleichmiDig gebrochen I Blumen und Gras I vor dem Wald in einem Tall tandarashydei -I schon sang die NachtigaU

2 Ich kam gegangen I zu der Wiese I da war mein Liebster schon vor mir dort1 Da wurde ich so begriiBt 1[5] - heilige Jungfrau I daB ich fir immer gliicklich sein werde I Ob er mich kiiBte Wohl tausendmal I tandaradei -I seht wie rot mein Mund ist

3 Er hatte schon vorbereitet I so wunderschon I aus Blumen eine Lagerstatt I Dariiber freut sich noch I [5] von He zen I wer dort voriiberkommt I Bei den Rosen kann er I tandaradei - I sehen wo mein Kopf lag

4 DaB er mit mir schlief I wiiBte es jemand I das verhiite Gott so schimte ich mich1 Was er mit mir tat I [5] soli niemals jemand I wissen auDer ihm und mir lund dem kleinen VOglein I tandaradei - I das wird sicher verschwiegen sein

Text nach Die Gedichte Walthers von der Vogelweide Hrsg von Karl Lachmann 13 aufgrund der 10 von Carl von Kraus bearb Ausg neu hrsg von Hugo Kuhn Berlin 1965 L 3911

Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott

(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg

Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I

Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I

Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben

Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I

Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I

Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten

Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20

So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I

Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen

Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I

Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I

Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben

Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen

Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten

Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen

Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben

Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)

Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967

Paul Fleming

Wie Er wolle gekusset seyn

Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen

Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise

5

Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I

10

Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle

15

Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20

Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen

wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab

Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965

April Bornhoeft

Verganglichkeit der Schonheit

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht

Wortschatz

bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist

corall = Korall

kraffte = Krafte

kann = kann

theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

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Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

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So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

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Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 2: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

1 Unter der Linde I auf der Heide I wo unser beider Lager war Ida konnt ihr entdecken I [5] gleichmiDig gebrochen I Blumen und Gras I vor dem Wald in einem Tall tandarashydei -I schon sang die NachtigaU

2 Ich kam gegangen I zu der Wiese I da war mein Liebster schon vor mir dort1 Da wurde ich so begriiBt 1[5] - heilige Jungfrau I daB ich fir immer gliicklich sein werde I Ob er mich kiiBte Wohl tausendmal I tandaradei -I seht wie rot mein Mund ist

3 Er hatte schon vorbereitet I so wunderschon I aus Blumen eine Lagerstatt I Dariiber freut sich noch I [5] von He zen I wer dort voriiberkommt I Bei den Rosen kann er I tandaradei - I sehen wo mein Kopf lag

4 DaB er mit mir schlief I wiiBte es jemand I das verhiite Gott so schimte ich mich1 Was er mit mir tat I [5] soli niemals jemand I wissen auDer ihm und mir lund dem kleinen VOglein I tandaradei - I das wird sicher verschwiegen sein

Text nach Die Gedichte Walthers von der Vogelweide Hrsg von Karl Lachmann 13 aufgrund der 10 von Carl von Kraus bearb Ausg neu hrsg von Hugo Kuhn Berlin 1965 L 3911

Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott

(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg

Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I

Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I

Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben

Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I

Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I

Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten

Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20

So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I

Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen

Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I

Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I

Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben

Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen

Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten

Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen

Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben

Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)

Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967

Paul Fleming

Wie Er wolle gekusset seyn

Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen

Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise

5

Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I

10

Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle

15

Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20

Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen

wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab

Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965

April Bornhoeft

Verganglichkeit der Schonheit

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht

Wortschatz

bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist

corall = Korall

kraffte = Krafte

kann = kann

theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 3: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott

(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg

Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I

Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I

Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben

Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I

Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I

Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten

Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20

So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I

Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen

Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I

Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I

Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben

Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen

Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten

Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen

Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben

Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)

Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967

Paul Fleming

Wie Er wolle gekusset seyn

Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen

Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise

5

Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I

10

Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle

15

Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20

Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen

wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab

Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965

April Bornhoeft

Verganglichkeit der Schonheit

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht

Wortschatz

bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist

corall = Korall

kraffte = Krafte

kann = kann

theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

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Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 4: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Paul Fleming

Wie Er wolle gekusset seyn

Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen

Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise

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Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I

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Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle

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Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20

Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen

wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab

Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965

April Bornhoeft

Verganglichkeit der Schonheit

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht

Wortschatz

bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist

corall = Korall

kraffte = Krafte

kann = kann

theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 5: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

April Bornhoeft

Verganglichkeit der Schonheit

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht

Wortschatz

bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist

corall = Korall

kraffte = Krafte

kann = kann

theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 6: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Simon Dach

Perstet amicitiae semper venerabile faedus

Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen

Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand

Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat

Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt

Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod

Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold

Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special

erzeigen to show

wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave

Red (Rede) - speech

a1lein vor uns alone

sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering

verhehlt - hide duppelt double

nagt - gnaw at

Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain

wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness

hold like or love someone

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

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25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

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EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 7: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS

xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~

cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden

Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden

( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten

eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten

Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)

(Bsp) Andreas Gryphius

Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _

Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen

middotbull

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

5

Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

10

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

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i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 8: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Ludwig Christoph Heinrich Hotty

Friihlingslied

Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter

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Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe

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lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 9: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

lrlkoen (1 ~

Ert King

Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind

er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm

Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht

Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif

Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir

manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand

Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy

Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind

WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon

meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein

Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort

Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau

eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy

Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-

Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot

[ Johann Wolfgang von Goethe]

Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child

He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm

son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear

The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain

Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you

011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold

My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear

Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow

Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly

In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep

Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place

My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear

I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm

Elf-king has done me a cruel harm

Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child

Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead

[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]

trallslation bF Ellain leydel 1955

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 10: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Johann Wolfgang Goethe

Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah

Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth

Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht

Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck

Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 11: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

FAUST Goethes Lebenswerk

FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 12: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb

MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag

Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei

MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 13: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Den Vereinigten Staaten

Johann Wolfgang von Goethe

Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 14: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

An den Friihling

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon

Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn

Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch

Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch

Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -

Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir

Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur

Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur

Fried-e ~d sc~ ~ eeer-

Jiingling =youngling Wonne =delight bliss

Flur =Wiese Erde

Und s und das

erbat requested

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 15: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

An die Freude I Friedrich Schiller

Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium

Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum

Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt

Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt

Chor Seid umschlungen Millionen

Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt

MuB ein lieber Vater wobnen

Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein

Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein

la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund

Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund

Chor Was den groBen Ring bewohnet

Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie

Wo der Dnbekannte thronet

Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur

AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur

Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod

Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott

Chor Ihr sturzt nieder Millionen

Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt

Uber Stemen muB er wobnen

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 16: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur

Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr

Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament

Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt

Chor Frob wie seine Sonnen fliegen

Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn

Freudig wie ein Held Zl1 Siegen

Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an

Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn

Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn

Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn

Chor Duldet muthig Millionen

Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt

Wird ein groBer Gott belohnen

Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein

Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun

Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn

Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn

Char Unser Schuldbuch sei vernichtet

Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt

Richtet Gott wie wir gerichtet

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 17: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy

Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist

LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist

Char Den der Sterne Wirbelloben

Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist

Ubenn Sternenzelt dort oben

Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint

Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind

Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -

Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut

Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter

Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein

Schwort es bei dem Sternenrichter

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

20

25

30

35

Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 18: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Nel Nelson

Friedrich Schiller HOFFNUNG

Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung

Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung

Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein

Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den

mueden Lauf

Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an

Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht

bessern=better kuenftigen=future

rennen=run jagen=chase

hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement

ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man

Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run

pflanzen=plant

schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it

proclaims

innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

10

So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

15

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 19: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Clemens Brentano

Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren

Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en

5

Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren

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So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen

15

Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20

Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen

Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r

5

10

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 20: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

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Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)

Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm

Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht

Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall

Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind

War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol

Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still

ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848

barren = wait hope for

S =Es

Einsam = lonesome forlorn

Sturmesfittigen = wings of a storm

verhauchen = disolve in breath

Odem =breath

Docht = wick

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

~

EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

bull

An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

1

i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 21: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD

Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious

Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um

Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851

1 t

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EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

bull

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An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

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i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

Page 22: e. · daz ich bin saeHc iemer me. kust er mich? wol tusentstunt, tandaradei, seht wie rot ist mir der munt< 3 Do het er gemachet ; also riche von bluomen eine bettestat

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EDUARD M01HKE

Denk es 0 Seele

Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen

Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel

ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort

-Eichendorff

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An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

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iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen

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An die Musik

fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik

Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt

Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr

HEJNIlCH HEINE

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i ~ tCJgtl~ LortJi

iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin

In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~

l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt

1m Abendsonnenschein

Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet

Sie kiirnmt ihr goldenes Haar

Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei

hat eine wundersarne Melodei

Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn

mit ihrem Singen