Upload
phunganh
View
213
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Walther von der Vogelweide Under der linden
1 )Under der linden an der heide di unser zweier bette was di mugt ir vinden schone beide 5 gebrochen bluomen unde gras vor dem walde in einem tal tandaradei schone sanc diu nahtegal
2 Ich kam gegangen zuo der ouwe do was min friedel komen e di wart ich enpfangen herefrowe 5 daz ich bin saeHc iemer me kust er mich wol tusentstunt tandaradei seht wie rot ist mir der muntlt
3 Do het er gemachet also riche von bluomen eine bettestat des wirt noch gelachet innecliche 5 kumt iemen an das selbe pfat bi den rosen er wol mac tandaradei merken wi min houbet lac
4 Daz er bi mir laege wessez iemen nu enwelle got so schamt ich mich wes er mit mir ptlaege niemer niemen 5 bevinde daz wan er unt ich und ein kleinez vogellin tandaradei daz mac wol getriuwe sin
1 Unter der Linde I auf der Heide I wo unser beider Lager war Ida konnt ihr entdecken I [5] gleichmiDig gebrochen I Blumen und Gras I vor dem Wald in einem Tall tandarashydei -I schon sang die NachtigaU
2 Ich kam gegangen I zu der Wiese I da war mein Liebster schon vor mir dort1 Da wurde ich so begriiBt 1[5] - heilige Jungfrau I daB ich fir immer gliicklich sein werde I Ob er mich kiiBte Wohl tausendmal I tandaradei -I seht wie rot mein Mund ist
3 Er hatte schon vorbereitet I so wunderschon I aus Blumen eine Lagerstatt I Dariiber freut sich noch I [5] von He zen I wer dort voriiberkommt I Bei den Rosen kann er I tandaradei - I sehen wo mein Kopf lag
4 DaB er mit mir schlief I wiiBte es jemand I das verhiite Gott so schimte ich mich1 Was er mit mir tat I [5] soli niemals jemand I wissen auDer ihm und mir lund dem kleinen VOglein I tandaradei - I das wird sicher verschwiegen sein
Text nach Die Gedichte Walthers von der Vogelweide Hrsg von Karl Lachmann 13 aufgrund der 10 von Carl von Kraus bearb Ausg neu hrsg von Hugo Kuhn Berlin 1965 L 3911
Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott
(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg
Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I
Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I
Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben
Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I
Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I
Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten
Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20
So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I
Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen
Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I
Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I
Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben
Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen
Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten
Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen
Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben
Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)
Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967
Paul Fleming
Wie Er wolle gekusset seyn
Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen
Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise
5
Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I
10
Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle
15
Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20
Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen
wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab
Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965
April Bornhoeft
Verganglichkeit der Schonheit
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht
Wortschatz
bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist
corall = Korall
kraffte = Krafte
kann = kann
theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
1 Unter der Linde I auf der Heide I wo unser beider Lager war Ida konnt ihr entdecken I [5] gleichmiDig gebrochen I Blumen und Gras I vor dem Wald in einem Tall tandarashydei -I schon sang die NachtigaU
2 Ich kam gegangen I zu der Wiese I da war mein Liebster schon vor mir dort1 Da wurde ich so begriiBt 1[5] - heilige Jungfrau I daB ich fir immer gliicklich sein werde I Ob er mich kiiBte Wohl tausendmal I tandaradei -I seht wie rot mein Mund ist
3 Er hatte schon vorbereitet I so wunderschon I aus Blumen eine Lagerstatt I Dariiber freut sich noch I [5] von He zen I wer dort voriiberkommt I Bei den Rosen kann er I tandaradei - I sehen wo mein Kopf lag
4 DaB er mit mir schlief I wiiBte es jemand I das verhiite Gott so schimte ich mich1 Was er mit mir tat I [5] soli niemals jemand I wissen auDer ihm und mir lund dem kleinen VOglein I tandaradei - I das wird sicher verschwiegen sein
Text nach Die Gedichte Walthers von der Vogelweide Hrsg von Karl Lachmann 13 aufgrund der 10 von Carl von Kraus bearb Ausg neu hrsg von Hugo Kuhn Berlin 1965 L 3911
Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott
(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg
Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I
Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I
Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben
Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I
Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I
Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten
Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20
So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I
Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen
Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I
Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I
Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben
Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen
Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten
Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen
Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben
Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)
Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967
Paul Fleming
Wie Er wolle gekusset seyn
Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen
Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise
5
Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I
10
Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle
15
Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20
Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen
wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab
Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965
April Bornhoeft
Verganglichkeit der Schonheit
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht
Wortschatz
bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist
corall = Korall
kraffte = Krafte
kann = kann
theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Martin Lutber MARTIN LUTHEREin feste burg ist vnser Gott
(Der XLVL Psalm I Deus noster refugium et virtus etc) Ein feste Burg
Ein feste burg ist vnser Gott I ein gute webr vnd waffen I
Er bilfft vns frey aus aller not I die vns itzt bat betroffen I
Der a1t bOse feind I 5 mit ernst en itzt meint I gros macbt vnd viellist I sein grausam riistung ist I auff erd ist nieht seins gieicben
Mit VBser macbt ist Dicbts getban I 10 wir sind gar bald verloren I
Es streit filr VBS der recbte man I den Gott bat selbs erkoren I
Fragstu wer der ist er beisst Jbesus Christ I 15 der HERR Zebaotb I vnd ist kein ander Gott I das felt mus er bebalten
Vnd weon die welt vol Tenffel wer I vnd wolt vn gar verscbHngen I 20
So filrcbten wir vns Diebt so sebr I es sol VBS docb gelingen I
Der Filrst dieser welt I wie sawr er icb stelt I tbut er vns docb nicbt I 25 das macbt I er ist gericbt I einwlirtlin kan jn feDen
Das wort lie lillen lassen stan I vnd kein danck dam baben I
Er ist bey vns wol auff dem plan I 30 mit seinem Geist VBd gaben I
Nemen sie den leib I gut I ebr I kind vnd weib I las faren dabin I sie babens kein gewin I 35 das Reicb mus VBS docb bleiben
Ein feste Burg ist unser Gott Ein gute Wehr und Waffen Er hilft uns frei aus alier Not Die uns jetzt hat betroffen Der alt bose Feind Mit Ernst ers jetzt meint GroB Macht und viel List Sein grausam Rlistung ist Auf Erd ist nicht seinsgleichen
Mit unsrer Macht ist nichts getan Wir sind gar bald verloren Es streitt fiir uns der rechte Mann Den Gott hat selbst erkoren Fragst du wer der ist Er heiJ3t Jesus Christ Der Herr Zebaoth Und ist kein andrer Gott Das Feld muJ3 er behalten
Und wenn die Welt voll Teufel war Und wollt uns gar verschlingen So fiirchten wir uns nicht so sehr Es soIl uns doch gelingen Der Furst dieser Welt Wie saur er sich stellt Tut er uns doch nicht Das macht er ist gerichtt Ein Wortlein kann ihn fiillen
Das Wort sie sollen lassen stahn Und kein Dank dazu haben Er ist bei uns wohl auf dem Plan Mit seinem Geist und Gaben Nehmen sie den Leib Gut Ehr Kind und Weib LaB fahren dahin Sie hahens kein Gewinn Das Reich muB uns doch bleiben
Text nacb Geystlicbe Ueder Mit einer newen vorrbede D Mart Luth Leipzig Valentin Babst 1545~ Nr XXIV Repr Das Babstsehe Gesangbucb von 1545 Hrsg von Konrad Amelo Kassel Birenreiter~ 1929 21966 Erstdrucke Form vnd ordnung Gaystlieher Gesang VBd Psalmen Augsburg Pbilipp mba~ 1529 -Encbiridion geistlicber gesenge vnd Psalmen fur die lden Leipzig Micbael Blum 0 J [zwiscben 1528 und 1530)
Weitere wicbtige Drucke D Martin Luthen Werke Krit Gesamtausg (Weimarer Ausg) Bd 35 Weimar BlibIan 1923 - Martin Luther Die deutscben geistlichen Lieder Hng von Gerbard ampabn Tibingen Niemeyer 1967
Paul Fleming
Wie Er wolle gekusset seyn
Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen
Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise
5
Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I
10
Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle
15
Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20
Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen
wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab
Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965
April Bornhoeft
Verganglichkeit der Schonheit
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht
Wortschatz
bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist
corall = Korall
kraffte = Krafte
kann = kann
theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Paul Fleming
Wie Er wolle gekusset seyn
Nirgends hin I als aulT den Mund I da sinckts in deB Hertzen grund Nicht zu frey I nicht zu gezwungen I nicht mit gar zu fauler Zungen
Nicht zu wenig nicht zu viel Beydes wird sonst Kinder-spiel Nicht zu laut lund nicht zu leise I Bey der MaD ist rechte weise
5
Nicht zu nahe I nicht zu weit DiD macht Kummer I jenes Leid Nicht zu trucken I nicht zu feuchte I wie Adonis Venus reichte I
10
Nicht zu harte I nicht zu weich Bald zugleich I bald nicht zugleich Nicht zu langsam I nicht zu schnelle Nicht ohn Unterscheid der Stelle
15
Halb gebissen I halb gehaucht Halb die Lippen eingetaucht Nicht ohn Unterscheid der Zeiten Mehr alleine I denn bey Leuten 20
Kusse nun ein federmann wie er weiB I willI soli und bn fch nur I und die Liebste wissen I wie wir uns recht sollen kussen
wie Adonis Venus reichte dh wie ihn [den KuB] die Liebesgottin Venus ihrem schonen GeJiebten Adonis gab
Text nach Gedichte des Barnek Hrsg von Ulrich Mache und Volker Meid Stuttgart Reclam 1980 S 62 f [Text nach der Ausgabe von 1646] Erstdruck Paul Flemings Teutsche Poemata Lubeck Jauch [1646] Repr Hildesheim Olms 1969 [Der Titel des Gedichts ist bereits erwihnt in einem Einzeldruck des Jahres 1635 (vgl die Angaben bei Lappenberg)] Weiterer wichtiger Druck Paul Flemings Deutsche Gedichte Hrsg von J M Lappenberg 2 Bde Stuttgart Literarischer Verein 1865 (Bibliothek des Literarischen Vereins 82 83) Repr Darmstadt Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965
April Bornhoeft
Verganglichkeit der Schonheit
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht
Wortschatz
bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist
corall = Korall
kraffte = Krafte
kann = kann
theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
April Bornhoeft
Verganglichkeit der Schonheit
Christian Hofmann von Hofmannswaldau
l)Es wird der bleiche tod mit seiner kalten hand 2)Dir endlich mit der zeit um deine bruste streichen 3)Der liebliche coral der lippen wird verbleichen 4)Der schultern warmer schnee wird werden kalter sand S)Der augen susser blitz die kraffte deiner hand 6)Fur welchen solches fallt die werden zeitlich weichen 7)Das haar das itzund kan des goldes glantz erreichen 8)Tilgt endlich tag und jahr als ein gemeines band 9)Der wohlgesetzte fuB die lieblichen gebarden 10)Die werden theils zu staub theils nichts und nichtig werden ll)Denn opffert keiner mehr der gottheit deiner pracht 12)DiB und noch mehr als diB muS endlich untergehen 13)Dein hertze kan allein zu aller zeit bestehen 14)Dieweil es die natur aus diamant gemacht
Wortschatz
bleich pale verbleichen to fade weichen to give way die Gebarden looks bestehen exist
corall = Korall
kraffte = Krafte
kann = kann
theils == teils opffert = opfert diS = dies hertze = Herze
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Simon Dach
Perstet amicitiae semper venerabile faedus
Oer Mensch hat nichts so eigen So wohl steht ihm nichts an Ais dall er Treu erzeigen lind Freundschaft halten kann Wann er mit s~inesgleichen
Soll treten in ein Band Verspricht sich nicht zu weichen Mit Herzen Mund und Hand
Die Red ist uns gegeben Oamit wir rucht allein Vor uns nur sollen leben lind fern von Leuten seinj Wir sollen uns befragen lind sehn auf guten Rat Oas Leid einander ldagen So uns betreten hat
Was kann die Freude machen Die Einsamkeit verhehlt Oas gibt ein duppelt Lachen Was Freunden wird erzahlt Oer kann sein Leid vergessen Oer es von Herzen sagtj Oer mull sich selbst auffressen Oer in geheim sich nagt
Gott stehet mir vor allen Die meine Seele liebt Oann soIl mir auch gefaIlen Oer mir sich herzlich gibt Mit diesen Bundsgesellen Verlach ich Pein und Not Geh auf den Grund der Hellen lind breche durch den Tod
Ich hab ich habe Herzen So treue wie gebiihrt Die Heuchelei und Scherzen Nie wissentlich beriihrt Ich bin auch ihnen wieder Von Grund der Seelen hold Ich lieb euch mehr ihr Bruder Als aller Erden Gold
Perstet amicitiae semper venerabile faedus -Bestehen soll der Feundschaft immer ehrenwerter Bund eigen - here special
erzeigen to show
wann - here when seinesgleichen his peers in ein Band treten - forge bonds of friendship weichen to leave
Red (Rede) - speech
a1lein vor uns alone
sehn auf guten Rat askfollow someones good advice das Leid so uns betreten hat - the pain that we are suffering
verhehlt - hide duppelt double
nagt - gnaw at
Bundsgesellen friends fraternity brothers Pein - pain
wie gebiihrt with due care Heuchelei hypocrisy falseness
hold like or love someone
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
poundL UJlLl ~ tl l IL( ~ ANDR~S GRYPHIUS
xIi ILl t1Es ist ales eitl 1 I I - ~
cL Du siehst wohin du siehst nur Eitclkeit auf Erden bGWas dieser heute baut reWt jener morgen ein 9 Wo etzund Stadte stehn wird eine Wiese sein - Auf der ein Schaferskind wird spielen mit den Herden
Was etzund prachtig bliiht soil bald 1ertreten werden h Was jet1t so pocht und trot1t ist morgen Asch und Bein ~ Nichts ist das ewig sei kein En kein Marmorstein - Jet1t lacht das Gluck uns an bald donnern die Beschwerden
( Der hohen Taten Ruhm mull wie ein Traum vergehn l SOU denn das Spiel der Zeit der leichte Mensch bestehn l Ach was ist alles dies was wir fur kostlich achten
eAls schlechte Nichtigkeit als Schatten Staub und Wind t Als eine Wiesenblum die man nicht wiederfindt l Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten
Alexandriner der (nach seiner Verwendung in der altjranz Alexanderepik benannt) Verszeile aus 6 Jamben (Jambus in der deutschen Nachbildung des antiam VersfufJes 1 unbetonte + 1 betonte Silbe Bsp raquoGesanglaquo) mit obligater ZSsur (durch ein Wortende markierter Einschnitt) nach der 3 Hebung (betonte Silbe) Nicht selten folgt aufdie letzte Hebung noch eine unbetonte 13 Silbe (s Bsp)
(Bsp) Andreas Gryphius
Was sind wir Menschen doch ein WohnhaufJ grimmer Schmertzen _
Metrisches Schema (far jede unbetonte Silbe steht x fur jede betonte x die Zlisur ist durch Imarkiert) x xx xx x Ix xx xx xx Je nach Anordnung des Reims (Reim Gleichklang von Wortern ab dem letzten betonten Vokal am Zeilenende) wird unterschieden zwischen heroischem Alexandriner (Reimfolge aa bb) und elegischem Alexandriner (Reimfoige ab ab) Aufgrund seiner zasurbedingten raquozweischenkligen Naturlaquo (Schiller) ist der Alexandriner in der deutschen Lyrik und Dramatik des 17 und fiiihen 18 Jhs sehr beliebt der Moog mit rhetorischen Mitteln arbeitende Dichter des Barock kann im Alexandriner Gedanken innerhalb einer Verszeile besonders gut antithetisch gegeniiberste11en (Bsp raquoWas dieser heute baut reifJt jener morgen einlaquo Andreas Gryphius) oder reihen
middotbull
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Ludwig Christoph Heinrich Hotty
Friihlingslied
Die Luft ist blau das Thai ist griin Die ldeinen Mayenglocken blUhn Und SchlUsselblumen drunter Der Wiesengrund 1st schon so bunt Und mahlt sich tiglich bunter
5
Drum komme wem der May gemlt Und freue sich der schonen Welt U nd Gottes Vatergiite Die diese Pracht Hervorgebracht Den Baum und seine BlUthe
10
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
lrlkoen (1 ~
Ert King
Wer reitet so spiit durch Nacht und Wind Es ist der Vater mit seinem Kind
er hat den Knaben wahl in dem Arm er fasst ihn sicher er halt ihn warm
Mein Sohn was birgst du so bangdein Gesicht Siehst Vater du den ErikOnig nicht
Den ErienkOnig mit Kron und Schweij shyMein Sohn es ist ein Nebelstreif
Du liebes Kind komm geh mit mir Gar schone Spiele spiel ich mit dir
manch bunte Blumen sind an dem Strand meine Mutter hat manch gillden Gewand
Mein Vater mein Vater und horest du nicht was Erlenkonig mir leise versprichtshy
Sei ruhig bleibe ruhig mein Kind In darren Bliittern sauselt der Wind
WillstJeiner Knabe du mit mir gehn Meine Tochter sollen dich warten schon
meine Tiichter fohren den nachtlichen Reihn und wiegen und tanzen und singen dich ein
Mein Vater mein Vater und siehst du Ilicht dort ErikOnigs Tochter am dastern Ort
Mein Sohn mein Sohn ich seh es genau es scheinen die alten Weiden so grau
eh fiebe dich mich reizt deine schOlle Gestalt Und bist du nicht willig so brauch iclz Gewaltshy
Mein Vater mein Vaterjetztfasst er mich all ErlkOnig hat mir ein Leids getanf-
Dem Vater grausets er reitet gesclzwind er halt in Armen das achzende Kind erreicht den Hofmit Mah und Not in seinen Annen das Kind war tot
[ Johann Wolfgang von Goethe]
Wh()~ riding so late where winds blow wild It is the father grasping his child
He holds tlte boy embraced in his arm He clasps him snugly he keeps him warm
son why COller your face ill suchear You see the elf-killgJather Hes lIear
The king ofthe elves with crown alld train My son the mist is 011 the plain
Sweet lad 0 come andjoin me do Such pretty games I will play with you
011 the shore gay flowers their color unfold Mv mother has mallY garments ofgold
My father my father and can you not hear The promise the elf-king breathes ill my ear
Be calm stay calm my child lie low III withered leaves the night-winds blow
Will you sweet lad come alollg with me My daughters shall carefor you tenderly
In the night my daughters their revelry keep Theyll rockYOII and dallce you alld sing you to sleep
Myfather myather 0 call YOll1l0t traCt The e(-kings daughters in that gloomy place
My SOil Illy SOli see it clear How grey the allcient willows appear
I love you yOlr comelilless charms me III) boy Alld ifyoure not willing nllfiJrce Ill employ Nowlather nowalher hes seizing my arm
Elf-king has done me a cruel harm
Thelather shudders tis ride is wild III his arllls hes holding tlte groalling child
Reaches the COllrt with loil and dread shyThe child he held in his arms was dead
[ 1782 JOhUIIII WoJ(gallg POll Goethe]
trallslation bF Ellain leydel 1955
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Johann Wolfgang Goethe
Mir schlug das Herz geschwind zu Plerde Und fort wild wie ein Held zur Schlacht Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hieng die Nacht Schon stund im Nebelkleid die Eiche 5 Ein aufgethiirmter Riese da Wo FinstemiD aus dem Gestrliuche Mit hundert schwarzen Augen sah
Der Mond von seinem Wolken hugel Schien kliglich aus dem Duft hervor 10 Die Winde schwangen leise FIBgel Umsausten schauerlich mein Ohr Die Nacht schul tausend Ungeheuer -Doch tausendfacher war mein Muth Mein Geist war ein verzehrend Feuer 15 Mein ganzes Herz zertloD in Gluth
Ich sah dich und die milde Freude FloD aus dem sODen Blick auf Mich Ganz war mein Herz an deiner Seite Und ieder Athemzug mr dich 20 Ein rosenfarbes Friihlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht Und Zirtlichkeit mr mich ihr Gotter Ich hoft es ich verdient es nicht
Der Abschied wie bedrlingt wie triibe 25 Aus deinen Blicken sprach dein Herz In deinen KODen welche Liebe o welche Wonne welcher Schmerz Du giengst ich stund und sah zur Erden Und sah dir nach mit naDem Blick 30 Und doch welch Gluck geliebt zu werden Und lieben Gotter welch ein GlUck
Text nach Iris Des Zweyten Bandes drittes Stuck DBsseldorf Mirz 1775 S244 r Weitere Fassungen H Kruse kopierte 1835 zehn Lieder nach einem Manuskript im Besitz von Friederikes Schwester Sophie Brion Dieses Originalmanuskript ist verloren Nr 10 enthllt die ersten zehn Zeilen unseres Gedichts mit Varianten und dem spiter von Goethe bevorzugten neuen Anfang raquoEs schlug mein Herzlaquo die wohl im Frilhjahr 1771 entstanden sind Die Fassung in den Schriften (Bd 8 Leipzig 1790) geht aufdie von H Kruse kopierte Fassung zuriick und erhllt die Uberschrift raquoWillkomm und Abschiedlaquo - Die in den Werken (Bd 1 TObingen 1806) abgedruckte Fassung hat die Uberschrift WiUkommen und Abschied
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
FAUST Goethes Lebenswerk
FAUST Habe nun ach Philosophie Juristerei und Medizin 355 Und leider auch Theologie Durchaus studiert mit heiDem Hemiihn Da steh ich nun ich armer Tor Und bin so kJug als wie zuvor HeiDe Magister heiRe Doktor gar 360 Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf herab und quer und krumm Meine Schiiler an der Nase herum -Und sehe daD wir nichts wisstm konnen Das will mir schier das Hen verbrennen 365 Zwar bin ich gescheiter als aile die Laffen Doktoren Magister Schreiber und Pfaffen Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel Fiirchte mich weder vor Holle noch TeufelshyDafiir ist mir auch aile Freud entrissen 370 Hilde mir nicht ein was Rechts zu wissen Hilde mir nicht ein ich konnte was lehren Die Menschen zu bessern und zu bekehren Auch hab ich weder Gut noch Geld Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt 375 Es mochte kein Hund so langer leben Drum hab ich mich der Magie ergeben Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis wiirde kund DaD ich nicht mehr mit sauerm SchweiR 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiR DaD ich erkenne was die Welt 1m Innersten zusammenhalt Schau aile Wirkenskraft und Samen Und tu nicht mehr in Worten kramen 385
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
FAUST Werd ieb berubigt je mieb auf ein Faulbett legen So sei es gleieb um mieb getan Kannst du mieb sebmeiebelnd je beliigen DaB icb mir selbst gefallen mag 1695 Kannst du micb mit GenuB betriigen -Das sei fiir micb der letzte Tag Die Wette biet icb
MEPHISTOPHELES Topp FAUST Und Scblag aufScblag
Werd icb zum Augenblicke sagen Verweile docb du bist so scbon 1700 Dann magst du micb in Fesseln scblagen Dann will icb gern zugrunde gebn Dann mag die Totenglocke scballen Dann bist du deines Dienstes frei Die Ubr mag stebn der Zeiger fallen 1705 Es sei die Zeit fiir micb vorbei
MEPHISTOPHELES Bedenk es wobl wir werdens nicbt vergessen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Den Vereinigten Staaten
Johann Wolfgang von Goethe
Amerika du hast es besser Ais unser Kontinent der alte Hast keine verfallene Schlosser Und keine Basalte Dich stort nicht im Innem Zu lebendiger Zeit Unnutzes Erinnem Und vergeblicher Streit Benutzt die Gegenwart mit Gluck Und wenn nun eure Kinder dichten Bewahre sie ein gut Geschick Vor Ritter- Riiuber- qnd Gespenstergeschichten
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
An den Friihling
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Ei ei da bist ja wieder Und bist so lieb und schon
Und freun wir uns so herzlich Entgegen dir zu gehn
Denkst auch noch an mein Madchen Ei Lieber denke doch
Dort liebte mich das Madchen Und s Madchen liebt mich noch
Fiirs Madchen manches Bliimchen Erbat ich mir von dir -
Ich komm und bitte wieder Und du - du gibst es mir
Willkommen schaner Jiingling Du Wonne der Natur
Mit deinem Blumenkorbchen Willkommen auf der Flur
Fried-e ~d sc~ ~ eeer-
Jiingling =youngling Wonne =delight bliss
Flur =Wiese Erde
Und s und das
erbat requested
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
An die Freude I Friedrich Schiller
Freude schoner Gotterfunken Tochter aus Elysium
Wir betreten feuertrunken Himmlische dein Heiligthum
Deine Zauber binden wieder Was die Mode streng getheilt
Alle Menschen werden Briider Wo dein sanfter Flugel weilt
Chor Seid umschlungen Millionen
Diesen KuB der ganzen Welt Briider - uberm Stemenzelt
MuB ein lieber Vater wobnen
Wem der groBe Wurf gelungen Eines Freundes Freund zu sein
Wer ein hoIdes Weib errungen Mische seinen lube) ein
la - wer auch nur eine Seele Sein nennt aufdem Erdenrund
Dnd wers me gekonnt der stehle Weinend sich aus diesem Bund
Chor Was den groBen Ring bewohnet
Huldige der Sympathie Zu den Stemen leitet sie
Wo der Dnbekannte thronet
Freude trinken alle Wesen An den Briisten der Natur
AIle Guten alle Bosen Folgen ihrer Rosenspur
Kusse gab sie uns und Reben Einen Freund gepriift im Tod
Wollust ward dem Wurm gegeben Dnd der Cherub steht vor Gott
Chor Ihr sturzt nieder Millionen
Ahnest du den Schopfer Welt Such ibn uberm Stemenzelt
Uber Stemen muB er wobnen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Freude heiBt die starke Feder In der ewigen Natur
Freude Freude treibt die Rader In der groBen Weltenuhr
Blumen lockt sie aus den Keimen Sonnen aus dem Firmament
Sphiren rollt sie in den Riiumen Die des Sehers Rohr nicht kennt
Chor Frob wie seine Sonnen fliegen
Durch des Himmel prAchtgen Plan Wandelt Bruder eure Bahn
Freudig wie ein Held Zl1 Siegen
Aus der Wahrheit Feuerspiegel Uchelt sie den Forscher an
Zu der Tugend steilem Hugel Leitet sie des Dulders Bahn
Auf des Glaubens Sonnenberge Sieht man ihre Fahnen wehn
Durch den RiB gesprengter Sarge Sie im Chor der Engel stehn
Chor Duldet muthig Millionen
Duldet fur die beBre Welt Droben uberm Stemenzelt
Wird ein groBer Gott belohnen
Gottem kann man nicht vergelten Schon ists ihnen gleich Zl1 sein
Gram und Armuth soli sich melden Mit den Frohen sich erfreun
Groll und Rache sei vergessen Unserm Todfeind sei verziehn
Keine Thrane soli ihn pressen Keine Reue nage ihn
Char Unser Schuldbuch sei vernichtet
Ausgesohnt die ganze Weltl Bruder - uberm Stemenzelt
Richtet Gott wie wir gerichtet
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Freude sprudelt in Pokalen In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmuth Kannibalen Die Verzweiflung Heldenmuth -shy
Bruder fliegt von euren Sitzen Wenn der volle Romer kreist
LaBt den Schaum zum Himmel spritzen Dieses Glas dem guten Geist
Char Den der Sterne Wirbelloben
Den des Seraphs Hymne preist Dieses Gas dem guten Geist
Ubenn Sternenzelt dort oben
Festen Muth in schwerem Leiden Hilfe wo die Unschuld weint
Ewigkeit geschwornen Eiden Wahrheit gegen Freund und Feind
Mannerstolz vor Konigsthronen -Bruder gaIt es Gut und Blut -
Dem Verdienste seine Kronen Untergang der LOgenbrut
Char SchlieBt den heilgen Zirkel dichter
Schwort bei diesem goldnen Wein Dem GeIObde treu zu sein
Schwort es bei dem Sternenrichter
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Nel Nelson
Friedrich Schiller HOFFNUNG
Es reden und traeumen die Menschen viel Von bessern und kuenftigen Tagen Nach elnem gluecklichen goldenen Ziel Sleht man sle rennen und jagen Ole Welt wird alt und wird wieder jung
Doch der Mensch hofft Immer Verbesserung
Die Hoffnung fuehrt ihn ins Leben ein Sie umflattert den froehlichen Knaben Den Juengling begeistert ihr Zauberschein
Sie wird mit dem Greis nicht begraben Denn beschliesst er 1m Grabe den
mueden Lauf
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf
Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn Erzeugt 1m Gehirne des Toren 1m Herzen kuendet es laut sich an
Zu was Bessern sind wir geborenl Und was die Innere Stlmme sprlcht Das taeuscht die hoffende Seele nicht
bessern=better kuenftigen=future
rennen=run jagen=chase
hoffen (auf) Verbesserung=hope for improvement
ins Leben einfuehren=leads man into life umflattert=flutters Knaben=boy Juengling=young man
Zauberschein=magic shine Greis=gray-haired old man den mueden Lauf=the weary run
pflanzen=plant
schmeichelnd=flattering Wahn=delusion erzeugt=generated der Tor=the fool kuendigt sich anankuendigen=it
proclaims
innere Stimme=lnner voice taeuschtltaeuschen=mislead
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Clemens Brentano
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall Das war wohl suBer Schall Da wir zusammen waren
Ich sing und bnn nicht weinen Und spinne so aHein Den Faden ldar und rein So lang der Mond wird schein en
5
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall Nun mahnet mich ihr Schall DaB du von mir gefahren
10
So oft der Mond mag scheinen Gedenk ich dein allein Mein Herz ist klar und rein Gott wolle uns vereinen
15
Seit du von mir gefahren Singt stets die Naehtigall Ieh denk bei ihrem Schall Wie wir zusammen waren 20
Gott wolle uns vereinen Hier spinn ieh so allein Der Mond scheint klar und rein Ieh sing und mochte weinen
Text nach Clemens Brentano Aus der Chronika eines fahrenden Sehulers In Die Singerfahrt Eine Neujahrsgabe fiir Freunde der Diehtkunst und Mahlerei [ bullbullJ Ges von Friedrich Forster Berlin Maurer 1818 S 244 r
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
5
10
15
20
25
30
35
Annette von Droste-HiilshofT Am letzten Tage des Jahres (Sylvester)
Das Jahr geht um Der Faden rollt sich sausend abo Ein Stiindcben noch das letzte heut Und stiubend rieselt in sein Grab Was einstens war lebendge Zeit Ich harre stumm
Sf ist tiefe Nacht Ob wohl ein Auge ofTen noch In diesen Mauern riittelt dein Verrinnen Zeit Mir schaudert doch Es will die letzte Stunde sein Einsam durchwacht
Gesehen all Was ich begangen und gedacht Was mir aus Haupt und Herzen stieg Das steht nun eine emste Wacbt Am Himmelsthor 0 halber Sieg o schwerer Fall
Wie reiDt derWind Am Fensterkreuze ja es will Auf Sturmesfittigen das Jahr Zerstiuben nicht ein Schatten still Verhauchen unterm Sternenklar Du Siindenkind
War nicht ein hohl Und heimlich Sausen jeder Tag In der vermorschten Brust VerlieB Wo langsam Stein an Stein zerbrach Wenn es den kalten Odem stieB Yom starren Pol
Mein Limpchen will VerlOschen und begierig saugt Der Docht den letzten Tropfen OeL 1st so mein Leben aucb verraucht ErofTnet sich des Grabes Hijhl Mir schwarz und still
ANNITTE VON lgtROSTE-HIlLmOFF (1197-1848
barren = wait hope for
S =Es
Einsam = lonesome forlorn
Sturmesfittigen = wings of a storm
verhauchen = disolve in breath
Odem =breath
Docht = wick
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
Wohl in dem Kreis Den dieses Jahres Lauf umzieht Mein Leben bricht fch wuBt es lang Und dennoch hat dies Hen gegliiht 40 In eitler Leidenschaften Drang Mir briiht der SchweiD
Der tiefsten Angst Auf Stim und Hand - Wie dimmert feucht Ein Stem dort durch die Wolken nicht 45 Wir es der Liebe Stern vielleicht Dich scheltend mit dem triiben Licht scheltend = scoldingly DaB du so bangst bangst = makes fearful anxious
Horch welch Gesumm U nd wieder Sterbemelodie 50 Die Glocke regt den ehmen Mund ehrnen = respectful o Herr ich falle aufdas Knie Sey gnidig meiner letzten Stund Das Jahr ist um
Text nach Annette von Droste-Hiilshoff Werke Briefwechsel Hist-krit Ausg Brsg von Win fried Woesler Bd 41 Geistliche Dichtung Text Bearb von Winfried Woosler Tiibingen Niemeyer 1980 S 165 f Entstanden Januar 1840 Erstdruck Das geistliche Jahr Nebst einem Anhang religiOser Gedichte von Annette von Droste-Hiilshoft [Hrsg von Christoph Bernhard SchlUter in Zusarb mit Wilhelm Junkmann) Stuttgartrriibingen Cotta 1851
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
1 t
~
EDUARD M01HKE
Denk es 0 Seele
Ein Tannlein griinet wo Wer weiB im Walde Ein Rosenstrauch wer sagt In welchem Garten Sie sind erlesen schon Denk es 0 Seele Auf deinem Grab zu wurzeln Dnd zu wachsen
Zwei schwarze RoBlein weiden Auf der Wiese Sie kehren heim zur Stadt In muntem Spriingen Sie werden schrittweis gehn Mit deiner Leiche Vielleicht vielleicht noch eh An ihren Hufen Das Eisen los wird Das ich blitzen sehel
ScWiift ein Lied in allen Dingen Die da traumen fort und fort Und die Welt hebt an Z1I singen Triffst du nur das Zauberwort
-Eichendorff
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen
bull
bull
An die Musik
fgtby Franz von SchSber (1798-1882) An die Musik
Du holde Kunst in wieviel grauen Stunden Wo mich des Lebens wilder Kreis umstrickt Hast du mein Herz zu warmer Lieb entzunden Hast mich in eine beBre Welt entrUckt
Oft hat ein Seufzer deiner Harf entflossen Ein sUBer heiliger Akkord von dir Den Himmel beBrer Zeiten mir erschlossen Du holde Kunst ich danke dir dafUr
HEJNIlCH HEINE
1
i ~ tCJgtl~ LortJi
iIi weill nicht was solI es bedeuten ich so traurig bin
In Marchen aus alten Zeiten Dils kommt mir nicht aus dem Sinn ~ d~
l~~pie Luft ist kiihl und es dunkelt ~~ilUnd ruhig flieBt der Rhein CDer Gipfel des Berges funkelt
1m Abendsonnenschein
Die schonste Jungfrau sitzet Dort aben wunderbar Ihr galdnes Geschmeide blitzet
Sie kiirnmt ihr goldenes Haar
Sie kiirnmt es mit goldenem Kamme Und singt ein Lied dabei
hat eine wundersarne Melodei
Wellen verschlingen 1e1)chipoundfer und Kahn
mit ihrem Singen