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a k t u e l l LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68548 • www. laboklin.com Ein Blick ins Reich der Exoten – Hämatologie bei Reptilien In den letzten Jahren erfreut sich die Reptilien- haltung immer größerer Beliebtheit. Das spiegelt sich in der Veranstaltung zahlreicher Exoten- Messen und dem Verkauf von Reptilien in jeder größeren Zoohandlung wider. Die Tiere werden preisgünstig und zu „all-inclusive Set-Preisen“ angeboten und von ahnungslosen Tierliebhabern gekauft. Oft folgt das böse Erwachen schon nach kurzer Zeit – die Tiere erkranken und werden in steigender Anzahl beim Tierarzt vorgestellt. Dies sorgt für eine sicher häufig willkommene Ab- wechslung im Praxisalltag, stellt aber auch eine neue Herausforderung dar. Nicht nur die Physiologie der ektothermen Rep- tilien und beispielsweise ihre Reaktion auf Me- dikamente unterscheidet sich markant von Säugetieren, auch die labortechnischen Unter- suchungsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, und die Morphologie der Blutzellen sind sehr verschieden. Schildkröten • Jugularvene • Subcarapacialvene • Dorsale u. ventrale Schwanz- vene • (Sinus occipitalis, Femoral- u. Brachialvene) Echsen • Ventrale Schwanzvene • Ventrale Abdominalvene • (Brachialplexus) Schlangen • Ventrale Schwanzvene • (Herz) • (Vena palatina) Seite 1 von 4 Info 4/2012 Abb.1: Grüner Leguan in seinem natürlichen Habitat Abb.2: Erythrozyten, Thrombozyt (mitte) und Lymphozyt (re.) Probenentnahme Die Blutentnahmetechnik richtet sich stark nach der Patienten-Spezies (Tab. 1). Methoden wie das Kappen von Zehennägeln oder Schwanzspitzen werden als obsolet betrachtet und sind keine Alternative zur fachmännischen Venenpunktion. Als allgemeine Richtlinien gelten: - 0.5 bis 0.8% des Körpergewichtes können von einem gesunden, nicht dehydrierten Tier entnom- men werden. - bevorzugtes Antikoagulans ist Li-Heparin, da EDTA v.a. bei Schildkröten zur Hämolyse führen kann Analytik Der grundlegende Unterschied der Blutzellen von Reptilien im Vergleich zu Säugern ist, dass nicht nur Leukozyten und Erythrozytenvorstufen kernhaltig sind, sondern auch reife Erythrozyten und Thrombozyten (Abb.2). Die automatisierte Zellzahlbestimmung im Blut beruht im Allgemeinen darauf, dass nach Messung und Lyse der Erythrozyten die Leukozyten ge- zählt werden. Da sich die Kerne der Reptilien- erythrozyten und -thrombozyten nicht auflösen, ist eine zuverlässige und exakte Abgrenzung der verschiedenen Zelllinien nicht möglich und somit die Messung von Reptilienblut in Hämatologie- Analyse-Geräten nicht sinnvoll. Tab.1: Lokalisationen für die Blutentnahme bei Reptilien - sofortige Anfertigung eines Blutausstriches um mögliche präanalytische Fehler zu vermeiden (Zellalterung, Zellverklumpung).

Ein Blick ins Reich der Exoten – Hämatologie bei ... · PDF file- bevorzugtes Antikoagulans ist Li-Heparin, da EDTA v.a. bei Schildkröten zur Hämolyse führen kann Analytik Der

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Ein Blick ins Reich der Exoten – Hämatologie bei Reptilien

In den letzten Jahren erfreut sich die Reptilien-haltung immer größerer Beliebtheit. Das spiegelt sich in der Veranstaltung zahlreicher Exoten-Messen und dem Verkauf von Reptilien in jeder größeren Zoohandlung wider. Die Tiere werden preisgünstig und zu „all-inclusive Set-Preisen“ angeboten und von ahnungslosen Tierliebhabern gekauft. Oft folgt das böse Erwachen schon nach kurzer Zeit – die Tiere erkranken und werden in steigender Anzahl beim Tierarzt vorgestellt.

Dies sorgt für eine sicher häufig willkommene Ab-wechslung im Praxisalltag, stellt aber auch eine neue Herausforderung dar.

Nicht nur die Physiologie der ektothermen Rep-tilien und beispielsweise ihre Reaktion auf Me-dikamente unterscheidet sich markant von Säugetieren, auch die labortechnischen Unter-suchungsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, und die Morphologie der Blutzellen sind sehr verschieden.

Schildkröten • Jugularvene• Subcarapacialvene• Dorsale u. ventrale Schwanz- vene • (Sinus occipitalis, Femoral- u. Brachialvene)

Echsen • Ventrale Schwanzvene• Ventrale Abdominalvene• (Brachialplexus)

Schlangen • Ventrale Schwanzvene• (Herz)• (Vena palatina)

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Info 4/2012

Abb.1: Grüner Leguan in seinem natürlichen Habitat

Abb.2: Erythrozyten, Thrombozyt (mitte) und Lymphozyt (re.)

Probenentnahme

Die Blutentnahmetechnik richtet sich stark nach der Patienten-Spezies (Tab. 1). Methoden wie das Kappen von Zehennägeln oder Schwanzspitzen werden als obsolet betrachtet und sind keineAlternative zur fachmännischen Venenpunktion.

Als allgemeine Richtlinien gelten:

- 0.5 bis 0.8% des Körpergewichtes können von einem gesunden, nicht dehydrierten Tier entnom-men werden.- bevorzugtes Antikoagulans ist Li-Heparin, da EDTA v.a. bei Schildkröten zur Hämolyse führen kann

Analytik

Der grundlegende Unterschied der Blutzellen von Reptilien im Vergleich zu Säugern ist, dass nicht nur Leukozyten und Erythrozytenvorstufen kernhaltig sind, sondern auch reife Erythrozyten und Thrombozyten (Abb.2).

Die automatisierte Zellzahlbestimmung im Blut beruht im Allgemeinen darauf, dass nach Messung und Lyse der Erythrozyten die Leukozyten ge-zählt werden. Da sich die Kerne der Reptilien- erythrozyten und -thrombozyten nicht auflösen, ist eine zuverlässige und exakte Abgrenzung der verschiedenen Zelllinien nicht möglich und somit die Messung von Reptilienblut in Hämatologie-Analyse-Geräten nicht sinnvoll.

Eosinophile Granulozyten weisen bei den meisten Reptilien leuchtend-rote bzw. orange, runde Granula auf. Bei einigen Eidechsen zeigen sich kleine, ebenfalls runde, jedoch blaugraue Granula (z.B. grüner Leguan, Bartagame). Die Eosinophilenanzahl variiert sehr stark zwischen den Spezies (Schildköten zeigen oft sehr hohe Werte) und ist auch von Faktoren wie der Jahres-zeit und von Parasitenbefall abhängig.

Abb.9: eosinophile Granulozyten; links: Rotwangen-schmuck-Schildkröte, rechts: Leguan

Abb.11: Monozyten; links: Rotwangenschmuckschildkröte, rechts: Boa constrictor

Basophile Granulozyten haben dunkelviolette Granula, oft in so großer Menge, dass der ex-zentrisch gelegene Zellkern nicht mehr sichtbar ist. Bei der Verwendung von Schnellfärbungen lässt sich die Granula häufig nur teilweise oder gar nicht anfärben, im Extremfall sind nur noch klare zytoplasmatische Vakuolen zu erkennen (Abb. 10).

Abb.10: basophile Granulozyten; rechts ist die Granula nicht gefärbt, man erkennt nur klare Vakuolen

Monozyten können wie auch beim Säuger sehr vielgestaltige Kerne aufweisen, zeichnen sich aber immer durch blaugraues Zytoplasma in großer Menge aus, das bei Aktivierung klare Vakuolen enthalten kann. Monozytosen werden bei vielen Entzündungen (v.a. granulomatösen) gesehen.

Eine Besonderheit bei Reptilien sind Makrophagen, die Melaningranula phagozytiert haben, soge-nannte Melanomakrophagen. Diese werden be-sonders oft bei Dermatitiden gesehen, aber auch bei verschiedenen anderen entzündlichen Pro-zessen (Abb. 12).

Abb.12: Melanomakrophagen, links mit wenig, rechts mit reichlich Melaningranula von einem grünen Leguan mit massiver Dermatitis

Die Herkunft der Azurophilen ist ein heftig dis-kutiertes Thema. Morphologisch erscheinen die Zellen wie Monozyten, die feine, staubartige eosinophile Granula im Zytoplasma enthalten (Abb. 13). Daher werden sie von vielen Auto-ren als Untergruppe der Monozyten klassifiziert, andere Forscher sehen sie als eigene Zellart. Die klinische Bedeutung der Azurophilen ist ebenfalls noch unklar.

Abb.13: Azurophile beim Jemenchamäleon

Tab.1: Lokalisationen für die Blutentnahme bei Reptilien

- sofortige Anfertigung eines Blutausstriches um mögliche präanalytische Fehler zu vermeiden (Zellalterung, Zellverklumpung).

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Für die Zellzahlbestimmung ist man somit auf manuelle Methoden angewiesen:Eine Möglichkeit ist die Zellzählung in Zählkam-mern (z.B. Unopette System, Natt and Herrick’s Solution). Die Methodik ist teilweise aufwendig und trotzdem mit einer höheren Variabilität der Ergebnisse behaftet als automatisierte Verfahren.

Die zweite Möglichkeit ist die Zellzahlschätzung von Leukozyten und Thrombozyten auf gefärbten Blutausstrichen. Auch diese Methode ist von einer höheren Ungenauigkeit gezeichnet, sie ist jedoch mit etwas Übung einfach und rasch durchzufüh-ren. Mit dem 40x Objektiv (400x Vergrößerung, ev. auch 100x Objektiv/ 1000x Vergrößerung) werden mindestens 10 Gesichtsfelder im Mono-layer ausgezählt, die durchschnittliche Leuko-zytenzahl pro Gesichtsfeld errechnet und diese Zahl mit dem Quadrat der Objektiv-Vergrößerung multipliziert (d.h. bei 40x Objektiv mit Faktor 1600, bei 100x mit Faktor 10000). Das Ergebnis ist die Zellzahl pro µl Blut.

Ein kleines Rechenbeispiel:

7 Leukozyten/400x Gesichtsfeld7x1600=11200

Die Gesamtleukozytenzahl ist 11200/µl

Thrombozyten werden analog den Leukozyten in der 1000x Vergrößerung gezählt, aber mit dem Faktor 15000 multipliziert.

Außerdem wird mittels Blutausstrich das Diffe-rentialblutbild erstellt und die Morphologie der Zellen beurteilt.

Die Erythrozytenzahl kann nicht geschätzt wer-den, aber die Bestimmung des Hämatokrits er-folgt wie beim Säuger in der Hk-Zentrifuge.

Die Hämoglobinkonzentration kann mit Hämato-logieanalysegeräten ermittelt werden.

Zellmorphologie

Erythrozyten von Reptilien sind oval mit einem zentral gelegenen Zellkern. Das Zytoplasma ist je nach Färbung orange bis rosa oder hellviolett und homogen strukturiert. Häufig sind punktför-mige basophile oder unregelmäßige, klare Ein-schlüsse zu sehen (Abb. 3). Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um Artefakte, die während des Färbevorgangs oder aufgrund einer zu lan-gen Trocknungszeit entstehen.

In seltenen Fällen von regenerativer Anämie, aber auch im Zuge von massiven Entzündungen oder posthibernal können dysplastische Erythro-zytenvorstufen (Abb. 4) vorhanden sein. Diese stellen bei Reptilien im Gegensatz zum Säuger nicht unbedingt einen Hinweis auf eine Knochen-markserkrankung/Erythroleukämie dar.

Abb.3: links: normale Erythrozyten und ein Thrombozyt, rechts: Erythrozyten mit Trocknungsartefakten

Abb.4:dysplastische Erythrozytenvorstufen (links) und ein Erythrozyt in Mitose (rechts) eines Chamäleons mit massiver Entzündung aufgrund eines Fremdkörpers in der Kloake

Thrombozyten sind auf Blutausstrichen sehr häufig aggregiert, was die Schätzung der Ge-samtzahl erschwert. Allerdings kann bei Vor-handensein von mehreren Aggregaten (Abb. 5) davon ausgegangen werden, dass die Thrombo-zytenzahl im Normbereich liegt.Morphologisch können Reptilienthrombozyten sehr unterschiedlich aussehen, sie sind aber im-mer kernhaltig und meistens oval (Abb. 5). Das Zytoplasma ist meist farblos, in manchen Fällen kann es sich auch blassblau oder blassviolett darstellen. Wenn die Thrombozyten zusätzlich abgerundet sind (z.B. durch Aktivierung), ist eine Verwechslung mit kleinen Lymphozyten leicht möglich (Abb. 6).

Abb.5: links: Thrombozytenaggregat (Gr. Landschildkröte), rechts: unterschiedliche Thrombozytenmorphologie (oben Bartagame, unten Boa constrictor)

Die Leukozyten der Reptilien werden in hetero-phile, eosinophile und basophile Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten und Azurophile einge-teilt. Die Klassifizierung ist oft schwierig, weil die Morphologie zwischen den einzelnen Spezies, aber auch zwischen Subspezies einer Art sehr stark variiert.

Das Differentialblutbild zeigt physiologischer-weise große Schwankungen, einerseits individuell je nach Jahreszeit, Außentemperatur, teilweise auch dem Geschlecht, andererseits zwischen den verschiedenen Spezies. Einige Reptilienarten zeigen ein lymphozytäres Blutbild, d.h. Lympho -zyten stellen den Haupanteil der Leukozyten dar (z.B. Bartagame, grüner Leguan, Schildkröten), während bei anderen die Granulozyten dominieren.

Lymphozyten ähneln jenen der Säuger sehr und sind im Allgemeinen leicht von den anderen weißen Blutzellen zu unterscheiden. Sie haben einen runden Kern mit kondensiertem Chromatin und wenig basophiles Zytoplasma.

Abb.6: links: kleiner Lymphozyt, rechts: Thrombozyt

Abb.8: links: stabkerniger Heterophiler mit toxischer Granu-lation, rechts: stabkerniger Heterophiler (gr. Leguan)

Lymphozytosen werden im Zuge von Entzündungen und Virusinfektionen beobachtet.

Die heterophilen Granulozyten entsprechen funktionell den Neutrophilen der Säugetiere. Die Granula ist auf mit Schnellfärbungen gefärbten Ausstrichen meist orange bis rosa. In manchen

Abb.7: Heterophile Granulozyten: oben li: Boa constrictor, oben re: Gelbwangenschmuckschildkröte, unten li: Breitrandschildkröte, unten rechts: grüner Leguan

Eine geringgradige Anisozytose und Polychroma-sie ist bei den meisten Reptilien physiologisch.

Eine erhöhte Anzahl von polychromatischen (juvenilen) Erythrozyten findet sich bei regene-rativen Anämien, während der Häutung und bei Jungtieren.

Fällen kann sie sich auch auflösen und dem Zytoplasma eine eosinophile Farbe verleihen (Abb. 7, links unten). Die Unterscheidung von heterophiler und eosinophiler Granula ist allein anhand der Farbe oft nicht möglich. Allerdings sind Heterophile zumeist größer als Eosinophile und die Granula weist eine längliche Form auf, während eosinophile Granula fast immer rund ist.

Die Heterophilen einiger Spezies haben runde Kerne (z.B. Schildkröten, Krokodile, Schlan-gen), bei anderen (z.B. Leguane, Chamäleons, Agamen) ist der Kern reifer Zellen segmentiert.

Eine erhöhte Zahl an Heterophilen wird in erster Linie bei Entzündungen (oft zusammen mit einer Monozytose) gefunden, aber auch bei Streß, pa-raneoplastisch und bei Leukämien (selten). Im Fall von schweren, akuten Entzündungen sind bei Tieren, die normalerweise segmentierte He-terophile besitzen, auch Stabkernige zu finden (Linksverschiebung). In Extremfällen sind toxi-sche Veränderungen zu sehen: Verlust der phy-siologischen Granula, basophiles und/oder vaku-olisiertes Zytoplasma und toxische Granulation (Abb. 8).

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Für die Zellzahlbestimmung ist man somit auf manuelle Methoden angewiesen:Eine Möglichkeit ist die Zellzählung in Zählkam-mern (z.B. Unopette System, Natt and Herrick’s Solution). Die Methodik ist teilweise aufwendig und trotzdem mit einer höheren Variabilität der Ergebnisse behaftet als automatisierte Verfahren.

Die zweite Möglichkeit ist die Zellzahlschätzung von Leukozyten und Thrombozyten auf gefärbten Blutausstrichen. Auch diese Methode ist von einer höheren Ungenauigkeit gezeichnet, sie ist jedoch mit etwas Übung einfach und rasch durchzufüh-ren. Mit dem 40x Objektiv (400x Vergrößerung, ev. auch 100x Objektiv/ 1000x Vergrößerung) werden mindestens 10 Gesichtsfelder im Mono-layer ausgezählt, die durchschnittliche Leuko-zytenzahl pro Gesichtsfeld errechnet und diese Zahl mit dem Quadrat der Objektiv-Vergrößerung multipliziert (d.h. bei 40x Objektiv mit Faktor 1600, bei 100x mit Faktor 10000). Das Ergebnis ist die Zellzahl pro µl Blut.

Ein kleines Rechenbeispiel:

7 Leukozyten/400x Gesichtsfeld7x1600=11200

Die Gesamtleukozytenzahl ist 11200/µl

Thrombozyten werden analog den Leukozyten in der 1000x Vergrößerung gezählt, aber mit dem Faktor 15000 multipliziert.

Außerdem wird mittels Blutausstrich das Diffe-rentialblutbild erstellt und die Morphologie der Zellen beurteilt.

Die Erythrozytenzahl kann nicht geschätzt wer-den, aber die Bestimmung des Hämatokrits er-folgt wie beim Säuger in der Hk-Zentrifuge.

Die Hämoglobinkonzentration kann mit Hämato-logieanalysegeräten ermittelt werden.

Zellmorphologie

Erythrozyten von Reptilien sind oval mit einem zentral gelegenen Zellkern. Das Zytoplasma ist je nach Färbung orange bis rosa oder hellviolett und homogen strukturiert. Häufig sind punktför-mige basophile oder unregelmäßige, klare Ein-schlüsse zu sehen (Abb. 3). Hierbei handelt es sich im Allgemeinen um Artefakte, die während des Färbevorgangs oder aufgrund einer zu lan-gen Trocknungszeit entstehen.

In seltenen Fällen von regenerativer Anämie, aber auch im Zuge von massiven Entzündungen oder posthibernal können dysplastische Erythro-zytenvorstufen (Abb. 4) vorhanden sein. Diese stellen bei Reptilien im Gegensatz zum Säuger nicht unbedingt einen Hinweis auf eine Knochen-markserkrankung/Erythroleukämie dar.

Abb.3: links: normale Erythrozyten und ein Thrombozyt, rechts: Erythrozyten mit Trocknungsartefakten

Abb.4:dysplastische Erythrozytenvorstufen (links) und ein Erythrozyt in Mitose (rechts) eines Chamäleons mit massiver Entzündung aufgrund eines Fremdkörpers in der Kloake

Thrombozyten sind auf Blutausstrichen sehr häufig aggregiert, was die Schätzung der Ge-samtzahl erschwert. Allerdings kann bei Vor-handensein von mehreren Aggregaten (Abb. 5) davon ausgegangen werden, dass die Thrombo-zytenzahl im Normbereich liegt.Morphologisch können Reptilienthrombozyten sehr unterschiedlich aussehen, sie sind aber im-mer kernhaltig und meistens oval (Abb. 5). Das Zytoplasma ist meist farblos, in manchen Fällen kann es sich auch blassblau oder blassviolett darstellen. Wenn die Thrombozyten zusätzlich abgerundet sind (z.B. durch Aktivierung), ist eine Verwechslung mit kleinen Lymphozyten leicht möglich (Abb. 6).

Abb.5: links: Thrombozytenaggregat (Gr. Landschildkröte), rechts: unterschiedliche Thrombozytenmorphologie (oben Bartagame, unten Boa constrictor)

Die Leukozyten der Reptilien werden in hetero-phile, eosinophile und basophile Granulozyten, Lymphozyten, Monozyten und Azurophile einge-teilt. Die Klassifizierung ist oft schwierig, weil die Morphologie zwischen den einzelnen Spezies, aber auch zwischen Subspezies einer Art sehr stark variiert.

Das Differentialblutbild zeigt physiologischer-weise große Schwankungen, einerseits individuell je nach Jahreszeit, Außentemperatur, teilweise auch dem Geschlecht, andererseits zwischen den verschiedenen Spezies. Einige Reptilienarten zeigen ein lymphozytäres Blutbild, d.h. Lympho -zyten stellen den Haupanteil der Leukozyten dar (z.B. Bartagame, grüner Leguan, Schildkröten), während bei anderen die Granulozyten dominieren.

Lymphozyten ähneln jenen der Säuger sehr und sind im Allgemeinen leicht von den anderen weißen Blutzellen zu unterscheiden. Sie haben einen runden Kern mit kondensiertem Chromatin und wenig basophiles Zytoplasma.

Abb.6: links: kleiner Lymphozyt, rechts: Thrombozyt

Abb.8: links: stabkerniger Heterophiler mit toxischer Granu-lation, rechts: stabkerniger Heterophiler (gr. Leguan)

Lymphozytosen werden im Zuge von Entzündungen und Virusinfektionen beobachtet.

Die heterophilen Granulozyten entsprechen funktionell den Neutrophilen der Säugetiere. Die Granula ist auf mit Schnellfärbungen gefärbten Ausstrichen meist orange bis rosa. In manchen

Abb.7: Heterophile Granulozyten: oben li: Boa constrictor, oben re: Gelbwangenschmuckschildkröte, unten li: Breitrandschildkröte, unten rechts: grüner Leguan

Eine geringgradige Anisozytose und Polychroma-sie ist bei den meisten Reptilien physiologisch.

Eine erhöhte Anzahl von polychromatischen (juvenilen) Erythrozyten findet sich bei regene-rativen Anämien, während der Häutung und bei Jungtieren.

Fällen kann sie sich auch auflösen und dem Zytoplasma eine eosinophile Farbe verleihen (Abb. 7, links unten). Die Unterscheidung von heterophiler und eosinophiler Granula ist allein anhand der Farbe oft nicht möglich. Allerdings sind Heterophile zumeist größer als Eosinophile und die Granula weist eine längliche Form auf, während eosinophile Granula fast immer rund ist.

Die Heterophilen einiger Spezies haben runde Kerne (z.B. Schildkröten, Krokodile, Schlan-gen), bei anderen (z.B. Leguane, Chamäleons, Agamen) ist der Kern reifer Zellen segmentiert.

Eine erhöhte Zahl an Heterophilen wird in erster Linie bei Entzündungen (oft zusammen mit einer Monozytose) gefunden, aber auch bei Streß, pa-raneoplastisch und bei Leukämien (selten). Im Fall von schweren, akuten Entzündungen sind bei Tieren, die normalerweise segmentierte He-terophile besitzen, auch Stabkernige zu finden (Linksverschiebung). In Extremfällen sind toxi-sche Veränderungen zu sehen: Verlust der phy-siologischen Granula, basophiles und/oder vaku-olisiertes Zytoplasma und toxische Granulation (Abb. 8).

Page 4: Ein Blick ins Reich der Exoten – Hämatologie bei ... · PDF file- bevorzugtes Antikoagulans ist Li-Heparin, da EDTA v.a. bei Schildkröten zur Hämolyse führen kann Analytik Der

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Ein Blick ins Reich der Exoten – Hämatologie bei Reptilien

In den letzten Jahren erfreut sich die Reptilien-haltung immer größerer Beliebtheit. Das spiegelt sich in der Veranstaltung zahlreicher Exoten-Messen und dem Verkauf von Reptilien in jeder größeren Zoohandlung wider. Die Tiere werden preisgünstig und zu „all-inclusive Set-Preisen“ angeboten und von ahnungslosen Tierliebhabern gekauft. Oft folgt das böse Erwachen schon nach kurzer Zeit – die Tiere erkranken und werden in steigender Anzahl beim Tierarzt vorgestellt.

Dies sorgt für eine sicher häufig willkommene Ab-wechslung im Praxisalltag, stellt aber auch eine neue Herausforderung dar.

Nicht nur die Physiologie der ektothermen Rep-tilien und beispielsweise ihre Reaktion auf Me-dikamente unterscheidet sich markant von Säugetieren, auch die labortechnischen Unter-suchungsmöglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, und die Morphologie der Blutzellen sind sehr verschieden.

Schildkröten • Jugularvene• Subcarapacialvene• Dorsale u. ventrale Schwanz- vene • (Sinus occipitalis, Femoral- u. Brachialvene)

Echsen • Ventrale Schwanzvene• Ventrale Abdominalvene• (Brachialplexus)

Schlangen • Ventrale Schwanzvene• (Herz)• (Vena palatina)

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Abb.1: Grüner Leguan in seinem natürlichen Habitat

Abb.2: Erythrozyten, Thrombozyt (mitte) und Lymphozyt (re.)

Probenentnahme

Die Blutentnahmetechnik richtet sich stark nach der Patienten-Spezies (Tab. 1). Methoden wie das Kappen von Zehennägeln oder Schwanzspitzen werden als obsolet betrachtet und sind keineAlternative zur fachmännischen Venenpunktion.

Als allgemeine Richtlinien gelten:

- 0.5 bis 0.8% des Körpergewichtes können von einem gesunden, nicht dehydrierten Tier entnom-men werden.- bevorzugtes Antikoagulans ist Li-Heparin, da EDTA v.a. bei Schildkröten zur Hämolyse führen kann

Analytik

Der grundlegende Unterschied der Blutzellen von Reptilien im Vergleich zu Säugern ist, dass nicht nur Leukozyten und Erythrozytenvorstufen kernhaltig sind, sondern auch reife Erythrozyten und Thrombozyten (Abb.2).

Die automatisierte Zellzahlbestimmung im Blut beruht im Allgemeinen darauf, dass nach Messung und Lyse der Erythrozyten die Leukozyten ge-zählt werden. Da sich die Kerne der Reptilien- erythrozyten und -thrombozyten nicht auflösen, ist eine zuverlässige und exakte Abgrenzung der verschiedenen Zelllinien nicht möglich und somit die Messung von Reptilienblut in Hämatologie-Analyse-Geräten nicht sinnvoll.

Eosinophile Granulozyten weisen bei den meisten Reptilien leuchtend-rote bzw. orange, runde Granula auf. Bei einigen Eidechsen zeigen sich kleine, ebenfalls runde, jedoch blaugraue Granula (z.B. grüner Leguan, Bartagame). Die Eosinophilenanzahl variiert sehr stark zwischen den Spezies (Schildköten zeigen oft sehr hohe Werte) und ist auch von Faktoren wie der Jahres-zeit und von Parasitenbefall abhängig.

Abb.9: eosinophile Granulozyten; links: Rotwangen-schmuck-Schildkröte, rechts: Leguan

Abb.11: Monozyten; links: Rotwangenschmuckschildkröte, rechts: Boa constrictor

Basophile Granulozyten haben dunkelviolette Granula, oft in so großer Menge, dass der ex-zentrisch gelegene Zellkern nicht mehr sichtbar ist. Bei der Verwendung von Schnellfärbungen lässt sich die Granula häufig nur teilweise oder gar nicht anfärben, im Extremfall sind nur noch klare zytoplasmatische Vakuolen zu erkennen (Abb. 10).

Abb.10: basophile Granulozyten; rechts ist die Granula nicht gefärbt, man erkennt nur klare Vakuolen

Monozyten können wie auch beim Säuger sehr vielgestaltige Kerne aufweisen, zeichnen sich aber immer durch blaugraues Zytoplasma in großer Menge aus, das bei Aktivierung klare Vakuolen enthalten kann. Monozytosen werden bei vielen Entzündungen (v.a. granulomatösen) gesehen.

Eine Besonderheit bei Reptilien sind Makrophagen, die Melaningranula phagozytiert haben, soge-nannte Melanomakrophagen. Diese werden be-sonders oft bei Dermatitiden gesehen, aber auch bei verschiedenen anderen entzündlichen Pro-zessen (Abb. 12).

Abb.12: Melanomakrophagen, links mit wenig, rechts mit reichlich Melaningranula von einem grünen Leguan mit massiver Dermatitis

Die Herkunft der Azurophilen ist ein heftig dis-kutiertes Thema. Morphologisch erscheinen die Zellen wie Monozyten, die feine, staubartige eosinophile Granula im Zytoplasma enthalten (Abb. 13). Daher werden sie von vielen Auto-ren als Untergruppe der Monozyten klassifiziert, andere Forscher sehen sie als eigene Zellart. Die klinische Bedeutung der Azurophilen ist ebenfalls noch unklar.

Abb.13: Azurophile beim Jemenchamäleon

Tab.1: Lokalisationen für die Blutentnahme bei Reptilien

- sofortige Anfertigung eines Blutausstriches um mögliche präanalytische Fehler zu vermeiden (Zellalterung, Zellverklumpung).