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Ein (Nicht-) Raucher tagebuch

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Buch von Stefanie Fuchs

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Kapitel 1

Heute könnte der erste Tag sein. Die Betonung liegt auf KÖNNTE, da er es nicht ist. Wieder einmal habe ich es geschafft – wie schon hunderte Male vorher – mich mit meinen eigenen Ausreden zu übertölpeln. Der beliebteste aller Vorwände ist: „eine noch – eine geht noch, aber das ist dann gaaaaaanz sicher die Letzte“. Und ehe man sich’s versieht, steckt wieder eines dieser fiesen weißen Röllchen zwischen den Lippen und qualmt fröhlich vor sich hin. Es ist aber auch faszinierend dem Rauch zu zusehen, wie er seine Bahnen und Kreise zieht. So frei, so unabhängig – keiner der ihm sagt: ´jetzt lass das sein…das ist ungesund…heutzutage ist das out´. Nein, es interessiert ihn überhaupt nicht, wohl auch dann nicht, wenn es ihm tatsächlich jemand sagen würde, was natür-lich keiner tut, da er weder Ohren noch Augen hat. Er wabert einfach so vor sich hin. Da ich nun schon mal die erste „intus“ habe und somit mein mir selbst gegebenes Versprechen innerhalb von zehn Minuten nach dem Aufstehen gebrochen habe, ist es sowieso schon egal und ehe ich mich’s versehe, wandert schon der zweite Glimmstengel an diesem Tag zwischen meine Finger. Woran das liegt, kann ich bei bestem Willen nicht erklären. Denn eigentlich habe ich es mir ja schon so lange vorgenommen damit aufzuhören! Und ich be-nutze wohlbedacht das Wort aufhören und nicht den Ausdruck aufgeben. Denn jeder Raucher kann ja nur gewinnen, wenn er seine nach Erleichterung heischenden Finger (die leichte Ironie bitte ich zu entschuldigen) von den Zigaretten lässt. Also so steht es auf jeden Fall in den unzähligen Büchern, die ich schon seit Jahren lese, um von der Qualmerei wegzukommen. Somit denke ich immer schön brav ans AUFHÖREN, damit ich meinem Unter-bewusstsein in keinster Weise suggeriere, dass ich etwas verliere, wenn ich es eines Tages tatsächlich lassen kann.Ganz ehrlich gesagt, warte ich immer noch darauf, dass ich eines Tages aufwache und mir der Gedanke in den Kopf schießt: „Weißt Du was Mädchen, heute hörst mit dem Rauchen auf“ und, dass ich diesen Gedanken auch noch toll finde!! Leider ist das bisher nicht so gewesen.

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Da ich jedoch schon diverse Versuche gestartet habe, mich von dem rauchenden Elend zu erlösen, gab es schon einige Morgen an denen ich aufgewacht bin und der Gedanke ´Rauchen` mein erster war. Allerdings in dem Zusammenhang: „Oh Schande, ab heute hast Du Dir ja vorgenommen nicht mehr zu rauchen“. Im gleichen Atemzug versuche ich mir dann auf Biegen und Brechen einzureden, wie toll das ist und dass ich jetzt endlich frei bin. Dass ich mich keiner, mir selbst auferlegten Sklaverei mehr unterwerfen muss. Hinzu kommt dann noch der gute Zuruf, wie viel besser ich bald atmen kann und auch die Geruchsbelästigung – welche ich ja als Raucher selbst nur im extremen Ausmaß wahrnehme – end-lich der Vergangenheit angehört. Tja und dann nach zehn minüti-gem guten Zureden werfe ich die Bettdecke von mir, schwinge voll Elan und eingeredeter Vorfreude meine Beine aus dem Bett und bin gespannt, was mir dieser Tag und in diesem Zusammenhang auch mein neues Leben als ehemaliger Raucher zu bieten hat. Die euphorische Stimmung des „endlich frei seins“ – wie es umgangs-sprachlich so schön genannt wird – hält bei mir ganze fünf Minu-ten an. Das ist der Weg vom Schlafzimmer in die Küche, um die Kaffeemaschine anzuwerfen – ich habe so einen ganz tollen Vollau-tomaten, über den ich mich jedes Mal aufs neue freue – anschlie-ßend gehe aufs Klo und dann wieder in Küche, um aufs Knöpfchen zu drücken, damit ich meinen „guten Morgen Kaffee“ bekomme. Tja und dann geht die Problematik mit meiner neu gewonnenen Freiheit schon los. Als Raucher würde ich mich jetzt raus auf die Terrasse setzen, meinen Kaffee schlürfen und ein bis zwei Zigaret-ten „zwitschern“, um richtig wach zu werden und in den Tag zu starten. Und was mache ich jetzt? Ich stehe unentschlossen mit meinem Kaffeebecher in der Küche und sehe mich um. Einfach nur so raussetzen, finde ich doof. Schließlich weiß ich ja dann nicht, wie lange ich schon dort sitze. Trinke ich nur meinen Becher aus, dauert das vielleicht zwei Minuten, schließlich muss ich ja als Ausgleich zur Zigarette, alle fünf bis zehn Sekunden nippen.

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Oder, wenn ich nicht vorhabe einen Rekord im Schnelltrinken aufzustellen, muss ich mir eine Uhr mitnehmen, auf die ich vo-raussichtlich im selben Rhythmus schauen werde. Dies würde wiederum nicht sonderlich zum entspannten Aufwachen beitra-gen, sondern sich vielmehr zu innerer grundloser Hektik auswei-ten. Was für mich bedeutet, dass ich schon am frühen morgen unter „Zeitdruck“ stehe, weil ich meinen „natürlichen“ Timer – die ein bis zwei Zigaretten - nicht mehr habe, an denen ich messen kann, ab wann ich mich in Richtung Bad bewegen muss.Alternativ habe ich beschlossen, gleich nach dem Aufstehen und Kaffee holen ins Bad zu gehen, mich zu waschen und für die Ar-beit herzurichten! Aber das hat zwei große Mankos. Erstens bin ich dann wie ferngesteuert – mich wundert es heute noch, dass ich unfallfrei zur Arbeit gekommen bin, bei dem Blödsinn den ich gefahren bin. Zweitens habe ich dann viel zu viel Zeit!!! Es war für mich sehr erstaunlich, dass ich um kurz vor sieben „abrei-sebereit“ war und das, obwohl es im Normalfall für mich etwas schwierig ist, pünktlich um fünf nach halb acht das Haus zu ver-lassen. Was also tun mit einer zusätzlichen halben Stunde?? Als gewohnter Nichtraucher würde ich vermutlich frühstücken oder Zeitung lesen. Da ich aber als frischgebackener „Ex-Raucher“ morgens so kurz nach dem Aufstehen noch keinen Hunger habe, versuchte ich das Zeitung lesen. Mit mäßigem Erfolg, denn meine Augen schwirrten von rechts nach links und wieder zurück, nicht fähig sich auf ein Wort, geschweige denn auf eine Zeile zu fixie-ren. Vermutlich ist mein Sehsinn so viel Sauerstoffzufuhr nicht gewöhnt- schließlich hat sich ja der Sauerstoffgehalt im Blut über Nacht auf den Stand eines Nichtrauchers normalisiert! Und das ist schon ein Schock, wenn gewisse Organe, Sinne und Zellen es gewohnt sind nur auf Halbmast zu fahren. Somit habe ich mei-ne Lektüre auf die Seite gelegt und bin wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung gerannt, habe hier ein bisschen ge-putzt und dort ein bisschen abgestaubt und mir die ganze Zeit versucht einzureden, wie toll es doch ist frei zu sein.

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Irgendwann war es endlich zwanzig nach sieben – es ist schier er-schreckend, wie lange sich 25 Minuten hinziehen können. Somit habe ich mir meine Schlüssel gepackt und bin zur Arbeit gefah-ren, sofern das als fahren bezeichnet werden kann. Hätte mich die Polizei aufgehalten, hätte ich mich sicherlich einer Blutprobe – auf Grund der Vermutung zu hohen Alkoholkonsums am Vortag – unterziehen müssen. Es war jedoch kein Gesetzeshüter zu se-hen, irgendwie waren auch sonst kaum Autos auf der Straße. Ganz sicher saßen alle noch friedlich rauchend mit einem Becher Kaffee in der Hand zu Hause auf dem Balkon.Da sich kaum eine Menschen Seele auf der Straße herumtrieb, war ich zu allem Übel innerhalb von 15 Minuten im Büro. Als Erste…um 7.40 Uhr! Das bedeutet noch zwanzig Minuten allein mit mei-nen Gedanken und dem Trieb der unaufhörlich unter der Ober-fläche bohrt. Ganz ehrlich, als frisch gebackener „Nichtraucher“ kann ich alles brauchen, aber was ich nicht brauche, ist Zeit und vor allem keine Zeit ALLEIN! Und somit nahm das Schicksal seinen Lauf. Ich, als Königin der Ausreden in Bezug auf das Nichtrauchen, habe mir noch EINE, aber gaaaanz sicher die letzte…zugestanden. Schließlich ist ja morgen auch noch ein Tag, an dem ich ins neue Leben starten und es ganz ohne schaffen kann.Leider birgt dieses „morgen“ die gleichen Tücken – wenn nicht noch größere – wie die Aussage, ´nur eine noch´. Denn „morgen“ gibt es ja jeden Tag aufs Neue. Und somit habe ich bisher jedes morgen, wie soll es anders sein, auf morgen verschoben. Was wiederum zur Folge hat, dass ich bis heute mit meinem „guten Freund“ in der Handtasche herum laufe. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich es vielleicht noch gar nicht wirklich versucht?? Wie oft ich die Entscheidung gefällt habe, das Rauchen sein zu lassen, kann ich mittlerweile nicht mehr an zwei Händen abzählen. Allerdings muss ich ehrlich gestehen, habe ich es nie wirklich Ernst gemeint, glau-be ich. Ich habe leider wirklich das Problem, dass ich nicht unter-scheiden kann, ob ich nicht aufhören will oder ob es die Sucht ist, die mich verhält. Glücklicher Weise bin ja mittlerweile soweit ein-zusehen und mir auch einzugestehen, dass ich in der Tat abhängig bin.

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Und solche Aussagen wie: „ist ganz leicht mit dem Rauchen auf-zuhören, Du musst Dir nur einfach keine anzünden“, halte ich persönlich für absolut dämlich. Es ist nämlich ganz und gar nicht einfach sich keine anzustecken. Gut es bedarf keines sonderlich großen Kraftakts, die Schachtel zu öffnen, ein weißes Röllchen he-raus zu nehmen, das Feuerzeug in Mundhöhe in Startposition zu bringen und letztendlich das Rädchen zu drehen damit die Flam-me rauskommt. Ja, das gebe ich zu, in Anbetracht des körperli-chen Kraftaufwandes ist es schon leicht, sich keine anzustecken. Aber es ist ja nicht so, dass ich Angst hätte mir einen Bruch zu heben. Das Knifflige an der Sache ist, keine Lust darauf zu haben, die ganze Prozedur zu durchlaufen. Und ich habe leider den Drang danach das zu tun. Oder auch nicht leider, denn im Grunde rau-che ich gerne. Vor allem dann, wenn ich nicht weiß was ich alter-nativ machen soll. Wenn es Zeiten von zehn oder zwanzig Minuten zu überbrücken gibt. Was mache ich denn dann wenn ich nicht rauche?? Und das ist eine Ernst gemeinte Frage!! Ich habe keine Alternative. Ich brauch doch wegen zehn Minuten nicht anfangen irgendetwas zu lesen. Bis ich überhaupt eine Zeitschrift gefunden und mich hingesetzt habe ist ja schon mehr als die Hälfte der Zeit vergangen. Und in der anderen Hälfte schaffe ich es dann nicht mehr einen Artikel zu finden, den ich auch noch lesen möchte. Also, was soll ich sonst machen. Ich habe schon gehört, trink ein-fach ein Glas Wasser, wenn Du den Drang nach einer Zigarette hast. Ja ist der guten Dame denn nicht bewusst, dass ich dann mit einem ganzen Wasserfass rumrennen muss?? Es ist nicht so, dass ich alle fünf Minuten eine durchziehen muss und möchte, aber wenn ich mir vornehme das Rauchen sein zu lassen, habe ich die ganze Zeit das Verlangen eine zu rauchen. Und bei aller Liebe, so viel kann nicht einmal der größte Gesundheitsfanatiker süffeln. Gut ich könnte mich einfach nur hinsetzen und warten, was bei mir wiederum zur Folge hat wie bereits rwähnt, dass ich alle paar Sekunden auf die Uhr sehen muss, da ich abschätzen kann, wie lange es noch dauert!!

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Seit ich einen meiner letzten „ich lass es ab heute sein“-Versuche gestartet habe, ist mir überhaupt erst mal bewusst geworden, wie viel Zeit wir Menschen durch das Warten vertrödeln müssen. Wir warten auf einen Anruf, wir warten auf einen Bus, wir warten auf ein Vorstellungsgespräch, wir warten auf einen Freund, wir warten und warten und warten. Ich als Raucher oder Noch-Raucher habe dann wenigstens etwas zu tun, aber was machen denn die armen Nichtraucher so lange??Naja, früher oder später wird es mir auf jeden Fall blühen, dass ich das Rauchen sein lassen werde! Mittlerweile sind es ja nun schon – und das hat mich selber schockiert – elf Jahre, in denen ich mein Geld mit Hilfe von Qualm in die Luft puste.

Fortsetzung folgt …

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