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Frederick Forsyth Ein pflichtbewusster Bürger Die Heimreise mochte er am liebsten. In den mehr als dreißig Jahren, die er für British Airways riesige Aluminiumröhren um den Globus steuerte, hatte er über siebzig Metropolen gesehen, die meisten von ihnen Hauptstädte. Der ursprüngliche Reiz des Neuen war schon lang verflogen. Vor dreißig Jahren jedoch, als die beiden Streifen des Offiziersanwärters frisch auf den Ärmeln seiner Uniformjacke prangten, war er noch jung und unternehmungslustig gewesen und hatte die Chance, ferne und fremde Länder kennenzulernen, gern wahrgenommen. Während der großzügig bemessenen Zwischenaufenthalte hatte er das Nachtleben in Europa und in den USA genossen und sich die Tempel und Schreine des Fernen Ostens angesehen. Jetzt aber träumte er nur noch von seinem Haus in der Nähe von Dorking. Damals hatte er sich in kurze, aber stürmische Affären mit den schönsten Stewardessen gestürzt, doch seit sie verheiratet waren, hatte Susan solchen Eskapaden den Riegel vorgeschoben. Nach über fünftausend Nächten in Hotelbetten wollte er nur noch eins: in die eigenen Federn sinken und den leichten Lavendelduft von Susan einatmen, die neben ihm lag. Ein Sohn und eine Tochter gaben seinem Leben Stabilität und einen weiteren Grund, gern heimzukommen. Charles, das Flitterwochenbaby, war jetzt dreiundzwanzig und programmierte Computer. Die achtzehnjährige Jennifer studierte an der Universität von York Kunstgeschichte. In zwei Jahren würde er in Pension gehen. Schon jetzt 1

Ein pflichtbewusster Bürger

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Frederick Forsyth

Ein pflichtbewusster Bürger

Die Heimreise mochte er am liebsten. In den mehr als dreißig Jahren, die er für British

Airways riesige Aluminiumröhren um den Globus steuerte, hatte er über siebzig

Metropolen gesehen, die meisten von ihnen Hauptstädte. Der ursprüngliche Reiz des

Neuen war schon lang verflogen.

Vor dreißig Jahren jedoch, als die beiden Streifen des Offiziersanwärters frisch

auf den Ärmeln seiner Uniformjacke prangten, war er noch jung und

unternehmungslustig gewesen und hatte die Chance, ferne und fremde Länder

kennenzulernen, gern wahrgenommen. Während der großzügig bemessenen

Zwischenaufenthalte hatte er das Nachtleben in Europa und in den USA genossen und

sich die Tempel und Schreine des Fernen Ostens angesehen. Jetzt aber träumte er nur

noch von seinem Haus in der Nähe von Dorking.

Damals hatte er sich in kurze, aber stürmische Affären mit den schönsten

Stewardessen gestürzt, doch seit sie verheiratet waren, hatte Susan solchen Eskapaden

den Riegel vorgeschoben. Nach über fünftausend Nächten in Hotelbetten wollte er nur

noch eins: in die eigenen Federn sinken und den leichten Lavendelduft von Susan

einatmen, die neben ihm lag.

Ein Sohn und eine Tochter gaben seinem Leben Stabilität und einen weiteren

Grund, gern heimzukommen. Charles, das Flitterwochenbaby, war jetzt dreiundzwanzig

und programmierte Computer. Die achtzehnjährige Jennifer studierte an der Universität

von York Kunstgeschichte. In zwei Jahren würde er in Pension gehen. Schon jetzt

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bedeutete ihm der Anblick von Susan, die wartend in der Tür stand, wenn er mit seinem

Kombi in die Einfahrt von Watermill Lane bog, mehr als jedes noch so exotische Land.

Auf dem Autositz neben ihm blickte der zweite Kapitän auf den Hinterkopf des

Fahrers. Links von ihm starrten die beiden Ersten Offiziere mit noch immer

ungesättigter Neugier auf das Neonlichtermeer von Bangkok, das immer mehr in der

Ferne verblasste. Im hinteren Teil des Mannschaftsbusses saß die Kabinenbesetzung:

der Chefsteward, vier Stewards und elf Stewardessen. Die Klimaanlage des Busses

schützte sie vor der schwülen Hitze draußen. Vor zwei Tagen war er mit derselben

Besatzung von Heathrow hergeflogen, und er wusste, dass der Chefsteward von der

Cockpittür bis zur Schwanzflosse alles im Griff hatte. Das war schließlich sein Job, und

auch er war ein alter Veteran.

Der Job von Captain Adrian Fallon war es, einen weiteren Jumbojet, eine

Boeing 747-400 mit über vierhundert Passagieren, von Bangkok nach London

Heathrow zu fliegen. Oder, wie bald in seinem Logbuch stehen würde, von BKK nach

LHR.

Zwei Stunden vor Abflug bog der Mannschaftsbus in das Flughafengelände ein,

wurde vom Wachposten am Tor durchgewinkt und fuhr weiter zum Büro von British

Airways. Zwei Stunden waren eine lange Vorlaufzeit, doch Captain Fallon war ein

Pedant. Laut Information des BA-Büros würde der Speedbird One Zero aus Sydney, der

um fünfzehn Uhr dreißig Ortszeit gestartet war, pünktlich um einundzwanzig Uhr

fünfundvierzig in Bangkok landen. Was hieß, dass er sich bereits im Landeanflug

befand.

Eine Meile hinter dem Mannschaftsbus fuhr eine schwarze Limousine. Hinter

dem livrierten Chauffeur hatte es sich ein einziger Fahrgast auf dem Rücksitz bequem

gemacht. Wagen und Chauffeur gehörten zum exklusiven Hotel Oriental, in dem der

tadellos gekleidete Geschäftsmann für drei Tage abgestiegen war. Im Kofferraum der

Limousine befand sich ein Lederkoffer mit soliden Kupferverschlüssen. Er verriet einen

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Besitzer, der mit leichtem Gepäck, aber nicht billig reiste. Neben dem Mann lag ein

Diplomatenkoffer aus echtem Krokodilleder.

In der Innentasche seines elegant geschnittenen, cremefarbenen Seidenanzugs

steckte ein britischer Pass auf den Namen Hugo Seymour und ein Rückflugticket von

Bangkok nach London. Erster Klasse, natürlich. Während der Speedbird One Zero von

der Lande- auf die Rollbahn bog und langsam auf die Abflughalle von BA zufuhr, hielt

die Limousine vor dem Abfertigungsgebäude.

Mr. Seymour schob den Gepäckwagen mit seinem Koffer nicht selbst. Er hob

eine manikürte Hand, und ein kleiner Thai-Kuli eilte herbei. Der Geschäftsmann gab

dem Chauffeur ein Trinkgeld, wies mit einer Kopfbewegung auf sein Gepäckstück im

offenen Kofferraum und folgte dem Kuli ins Abfertigungsgebäude, wo er auf den Erste-

Klasse-Schalter von British Airways deutete. Der schwülen Hitze der Tropennacht war

er nicht länger als dreißig Sekunden ausgesetzt gewesen.

Für ein Einchecken in der ersten Klasse braucht man normalerweise keine

Stunde und fünfundvierzig Minuten. Der junge Angestellte hinter dem Schalter hatte

noch nichts zu tun. Innerhalb von zehn Minuten war der Lederkoffer auf dem Weg in

den Gepäckraum, wo er anhand der Aufkleber eindeutig dem Londonflug von BA

zugeordnet wurde. Mr. Seymour bekam seine Bordkarte und wurde in die

Wartelounge der ersten Klasse geschickt, die jenseits der Passkontrolle lag.

Der uniformierte thailändische Passbeamte schaute in den weinroten

Reisepass, auf die Bordkarte und schließlich in das Gesicht auf der anderen Seite der

Glasscheibe. Ein Mann mittleren Alters blickte ihn an, leicht gebräunt, glatt rasiert,

das eisgraue Haar frisch gewaschen und geföhnt. Der Passbeamte registrierte ein

faltenfreies weißes Seidenhemd ohne jede Schweißspur, eine Seidenkrawatte von Jim

Thompson und den oberen Teil eines cremefarbenen Seidenanzugs von einem der

besseren Herrenausstatter Bangkoks, die innerhalb von dreißig Stunden die perfekte

Kopie eines Anzugs aus der Savile Row anfertigen konnten. Er schob den Pass unter

der Glasscheibe zurück.

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“Sawat-di, krab”, murmelte der Engländer. Der thailändische Beamte sah auf

und lächelte anerkennend, weil man ihm in seiner Muttersprache dankte, was für

einen Ausländer ungewöhnlich war.

Irgendwo außer Sichtweite stiegen die Fahrgäste, die von Sydney nach

Bangkok geflogen waren, aus der Boeing und schlängelten sich durch die langen

Korridore zur Passkontrolle. Ihnen folgten die Transitpassagiere. Als das Flugzeug

endlich leer war, konnte sich die Reinigungsmannschaft der neunundfünfzig

Sitzreihen annehmen. Später würden sie vierzehn Säcke sortierten Müll aus dem

Flugzeug tragen.

Mr. Seymour ging mit seinem Diplomatenkoffer in der Hand gemessenen

Schrittes zur Lounge der ersten Klasse, wo ihm zwei atemberaubend schöne

Thaimädchen einen Sitzplatz zuwiesen und ihn mit einem Glas gut gekühlten,

trockenen Weißwein begrüßten. Schweigend nahm er zwischen den zwanzig anderen

Passagieren Platz, die in der großen klimatisierten Luxuslounge warteten, und vergrub

sich in einen Artikel der Zeitschrift Forbes.

Der Abfertigungsschalter der ersten Klasse hatte sich nur wenige Schritte von

dem der Clubklasse entfernt befunden. Doch das hatte den Geschäftsmann nicht

weiter interessiert, deshalb hatte er es auch nicht wahrgenommen. In der Ausführung

von British Airways hat die Boeing 747-400 vierzehn Plätze in der ersten Klasse, von

denen zehn besetzt sein würden, vier davon waren es bereits seit Sydney. Von den

sechs in Bangkok zusteigenden Passagieren hatte sich Mr. Seymour als erster

eingecheckt. Die dreiundzwanzig Plätze der Clubklasse waren alle belegt. Achtzehn

der Passagiere dort stiegen in der thailändischen Hauptstadt zu. Sie hatten in der

Abfertigungshalle nur wenige Schritte neben Mr. Seymour in der Schlange gestanden.

Jenseits von ihnen befanden sich die Warteschlangen der Touristenklasse, von

der man bei British Airways dezent als der World Traveller Class sprach. Hier drängte

sich eine schwitzende Menschenmenge. An zehn Schaltern versuchte man der fast

vierhundert Passagiere Herr zu werden. Zu den Wartenden in diesen Schlangen

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gehörte auch die Familie Higgins. Sie hatte ihr Gepäck selbst schleppen müssen und

war mit dem Bus zum Flughafen gefahren, in dem die dicht gedrängt stehenden

Mitreisenden und die Hitze schließlich den Sieg über die Klimaanlage davongetragen

hatten. Die Kleider der Reisenden in der Touristenklasse waren verknittert und

schweißnass. Die Higgins brauchten fast eine Stunde, bis sie in die Abflugslounge

entlassen wurden. Zunächst statteten sie dem Duty Free Shop noch einen kurzen

Besuch ab, dann ließen sie sich im Nichtraucherteil der Lounge nieder. In dreißig

Minuten würden sie in das Flugzeug steigen können. Captain Fallon und seine

Mannschaft befanden sich schon lange an Bord, doch vor ihnen war bereits die

Kabinenmannschaft da gewesen.

Der Flugkapitän und seine Crew hatten die üblichen fünfzehn Minuten im

Büro verbracht, wo sie den notwendigen Papierkram erledigten. Dazu gehörte vor

allem der Flugplan, dem er entnehmen konnte, wie lange der Flug dauern würde und

wie viel Kerosin sie mindestens tanken mussten. Dann folgten mehrere Seiten mit

Details über die Route, die er in dieser Nacht fliegen würde. Diese Informationen

waren von den verschiedenen Luftkontrollbehörden zwischen Bangkok und London

zusammengetragen worden. Ein genauer Blick auf die Wettervorhersage versprach

eine ruhige Nacht. Schnell und mit routinierter Leichtigkeit blätterte er durch die

NOTAMs (Notices to Airmen – den Nachrichten für die Flugmannschaft), entnahm

ihnen die wenigen Informationen, die für ihn wichtig waren, und ignorierte den

irrelevanten Rest.

Nachdem sie die letzten Bögen Papierkram entweder behalten oder ausgefüllt

hatten, waren die vier Piloten bereit, das Flugzeug zu besteigen. Sie waren ihren

Passagieren weit voraus, und die Fahrgäste aus Sydney hatten den Jumbo schon längst

verlassen. Die Reinigungsmannschaft befand sich noch an Bord, doch das war das

Problem des Chefstewards, Mr. Harry Palfrey. Wie immer würde er alles mit der

üblichen unerschütterlichen Professionalität überwachen.

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Als Chefsteward musste Harry Palfrey nicht nur die thailändische

Reinigungsmannschaft beaufsichtigen. Alle Toiletten mussten gelüftet, geputzt und

dann inspiziert werden. Speisen und Getränke für vierhundert Passagiere wurden an

Bord gebracht, und er hatte sogar eine Auswahl der aktuellsten Zeitungen aus London

besorgt, die gerade mit einem anderen Jet aus London eingetroffen waren. Als sein

Captain und die Mannschaft an Bord kamen, war Mr. Palfrey mit seinen

Flugvorbereitungen noch nicht einmal halb fertig.

Im Sommer wäre Captain Fallon nur von zwei ersten Offizieren begleitet

worden, doch jetzt war es Ende Januar, und die Gegenwinde des Winters dehnten die

Flugzeit auf bis zu dreizehn Stunden aus, weshalb ein zweiter Kapitän zur Ablösung

erforderlich war.

Adrian Fallon selbst hielt dies eigentlich für überflüssig. Im hinteren linken

Teil der Flugkanzel befand sich ein kleiner Raum mit zwei Schlafkojen, und es war

völlig normal für den Kapitän, die Maschine auf Autopilot zu stellen und den beiden

anderen Piloten zu überlassen, während er sich vier oder fünf Stunden Schlaf gönnte.

Trotzdem: Vorschriften waren Vorschriften, und deshalb waren sie jetzt zu viert statt

zu dritt.

Als das Quartett sich durch den langen Tunnel der Fluggastbrücke dem leeren

Flugzeug näherte, nickte Fallon dem jüngeren der beiden ersten Offiziere zu.

“Tut mir leid, Jim. Die Rundwanderung.”

Der junge Mann, der durch das Fenster des Mannschaftsbusses den Freuden

des dahinschwindenden Bangkoks nachgetrauert hatte, nickte. Er öffnete die Tür am

Ende der Brücke und trat in die schwüle Nacht hinaus. Niemand von ihnen mochte

diese Aufgabe, doch sie war Pflicht und blieb in der Regel am Jüngsten hängen.

Würde man den Jumbojet in eine rechteckige Schachtel packen, würde diese vom Bug

bis zum Schwanzende und von einer Flügelspitze zur anderen eine Fläche von über

viertausend Quadratmetern bedecken. Das war die Strecke, die der mit der

Rundwanderung beauftragte Mann abgehen musste, um nachzusehen, ob sich alle

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Teile des Flugzeug auch an ihrem Platz befanden. Ein Verkleidungsstreifen am

Flugzeugrumpf könnte sich gelöst haben oder eine kleine Pfütze ein Leck verraten,

das der Bodenmannschaft entgangen war. Den letzten Check lassen die Fluglinien am

liebsten von einem eigenen Mitarbeiter vornehmen.

Manchmal betrug die Außentemperatur weit unter null, oder es ging gerade

ein tropischer Monsunregen nieder. Das war dann Pech. In diesem Fall kehrte der

beflissene Kollege mit den drei Streifen am Uniformärmel nach zwanzig Minuten

zurück. Schweißgebadet und mit mehreren Mückenstichen, aber sonst ganz intakt.

Captain Fallon betrat sein Reich über die Treppe, die vom Eingangsbereich

zum oberen Passagierraum führte, und ging dann weiter zur Cockpittür. Innerhalb

weniger Minuten hatten die beiden Flugkapitäne und der andere Erste Offizier ihre

Uniformjacken ausgezogen und hinter die Tür des Ruheraums gehängt, um sich dann

auf ihren Plätzen niederzulassen. Fallon nahm natürlich den linken Platz ein, während

der ältere Erste Offizier sich rechts von ihm hinsetzte. Seine Vertretung hatte sich in

den Ruheraum zurückgezogen, wo er die Aktienkurse studierte.

Zu Beginn seiner Karriere, als er von den gemütlichen Flügen nach Belfast

zur Langstrecke wechselte, war Fallon noch mit Navigator und Bordingenieur

geflogen. Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Sein Ingenieur war jetzt eine

Technologieleiste über seinem Kopf und an den Wänden um ihn herum - genügend

Schalter, Hebel, Uhren und Knöpfe, um alle Aufgaben eines Bordingenieurs

wahrzunehmen. Und mehr. Das System der automatischen Flugzeugsteuerung ersetzte

den Navigator. Es war schneller, besser und genauer, als ein Mensch es jemals sein

konnte.

Während der Erste Offizier das erste der fünf Testprogramme durchlief, die

vor dem Start vorgeschrieben waren, blickte Fallon auf das Gepäckformular, das er

unterzeichnen musste, sobald alles an Bord war und die Passagierliste mit Mr.

Palfreys Kopfzählung überein stimmte. Der Albtraum eines jeden Flugkapitäns war

nicht so sehr der Passagier ohne Gepäck – das konnte auch später nachkommen -,

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sondern ein Gepäckstück an Bord, dessen Besitzer nicht erschienen war. In so einem

Fall musste der gesamte Gepäckraum wieder entladen werden, bis die betreffenden

Koffer gefunden und aussortiert waren. Schließlich konnte in ihnen alles enthalten

sein.

Im Moment wurde das Flugzeug noch über den APU – den Auxiliary Power

Unit -, versorgt, einem fünften Triebwerk, von dem nur die wenigsten Passagiere

wussten. Die Hilfsturbine dieses Riesenvogels war stark genug, um einen kleinen

Jäger anzutreiben, und garantierte, dass im Flugzeug alles – von Licht, Lüftung bis zu

der Energie, die zum Start notwendig war - unabhängig von äußeren Quellen

funktionierte.

In der Abflugslounge der Touristenklasse wurden Mr. und Mrs Higgins und

ihre Tochter Julie langsam müde. Das Kind begann zu quengeln. Vor vier Stunden

hatten sie ihr Zwei-Sterne-Hotel verlassen, und wie bei Pauschaltouristen üblich, hatte

sich alles ewig hingezogen. Das Gepäck im Bus verstauen, aufpassen, dass nichts

verloren geht, Schlange stehen und warten, dann auf einem schmalen Bussitz Platz

nehmen, ein Verkehrsstau, die Angst, zu spät zu kommen, noch ein Verkehrsstau.

Beim Flughafen dann aussteigen, das Gepäck suchen, gleichzeitig auf Kind und

Gepäckwagen aufpassen, vor der Abfertigung wieder in einer dichten

Menschenmenge Schlange stehen, die Durchleuchtungsmaschinen der Sicherheit

passieren, eine Körperdurchsuchung, weil die Gürtelschnalle einen Alarm ausgelöst

hatte, ein weinendes Kind, weil es von der Puppe getrennt wurde, die durch die

Röntgenmaschine musste, wieder Schlange stehen, warten und schließlich die harten

Plastikstühle der letzten Station vor dem Einstieg ins Flugzeug.

Julie umklammerte ihre thailändische Puppe, die sie in Phuket geschenkt

bekommen hatte. Das Warten war langweilig, und sie begann umherzulaufen. Wenige

Schritte von ihren Eltern entfernt rief ein Mann ihr zu: “Hallo, Kleine, eine hübsche

Puppe hast du da.”

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Sie blieb stehen und starrte den Fremden an. Er sah ganz anders aus als ihr

Vater und trug Cowboystiefel mit schrägen Absätzen, eine schmutzige,

ausgewaschene Jeans, ein Jeanshemd und eine Kette aus bunten Holzperlen. Neben

ihm stand ein kleiner Rucksack. Sein Haar war strähnig, wahrscheinlich hatte er es

schon lange nicht mehr gewaschen, und von seinem Kinn wuchs ein dünner,

struppiger Bart.

Was Julie Higgins mit ihren acht Jahren nicht wissen konnte, war, dass es in

Südostasien von westlichen Rucksacktouristen nur so wimmelte. Zu dieser Klasse

gehörte der Mann, der sie gerade angesprochen hatte. Südostasien zog sie an wie ein

Magnet, zum einen, weil das Leben dort einfach und billig war, aber auch wegen des

unkomplizierten Zugangs zu Drogen, die viele von ihnen nahmen.

“Sie ist neu”, sagte Julie. “Ich habe sie Pooky getauft.”

“Toller Name. Warum heißt sie so?”, fragte der Hippie.

“Weil Daddy sie in Poo-Ket gekauft hat.”

“Das kenne ich. Klasse Strände. Habt ihr dort Urlaub gemacht?”

“Ja. Ich bin mit Daddy schwimmen gegangen, und wir haben die Fische

gesehen.”

In diesem Moment stupste Mrs. Higgins ihren Mann mit dem Zeh gegen den

Fuß und deutete mit einem Kopfnicken auf ihre Tochter.

“Julie, Schatz, komm her!”, rief Mr. Higgins in einem Ton, den seine Tochter

verstand. Er drückte Missbilligung aus. Julie trottete zu ihren Eltern zurück. Higgins

funkelte den Hippie böse an. Er verabscheute solche Typen: ungebunden, ungepflegt

und mit ziemlicher Sicherheit drogenabhängig. Wirklich niemand, mit dem seine

Tochter sich unterhalten sollte. Der Hippie begriff schnell. Er zuckte mit den

Schultern, kramte eine Zigarettenschachtel hervor, bemerkte das Nichtraucherschild

über seinem Kopf und schlenderte in den Raucherteil der Lounge, wo er sich eine

Zigarette ansteckte. Mrs. Higgins rümpfte die Nase. Aus dem Lautsprecher wurden sie

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jetzt zum Einsteigen aufgefordert. Die Reihen vierunddreißig bis siebenundfünfzig

sollten beginnen.

Mr. Higgins warf einen Blick auf seine Bordkarte. Reihe vierunddreißig, Sitz

D, E und F. Er versammelte seine Familie um sich, überprüfte, ob sie ihr gesamtes

Handgepäck dabei hatten, und stellte sich ein letztes Mal in einer Schlange an.

Die geplante Startzeit von dreiundzwanzig Uhr fünfundvierzig würden sie

zwar nicht schaffen, doch die stand sowieso nur auf dem offiziellen Zeitplan, der

mehr oder weniger fiktiv war. Für Captain Fallon zählte nur, dass der Tower in

Bangkok ihm für fünf nach Mitternacht eine Startbahn zugewiesen hatte, und die Zeit

wollte er schaffen. In der modernen Zivilluftfahrt ging es einzig und allein darum,

eine Start- und eine Landebahn zu bekommen. Wenn man in Westeuropa oder

Nordamerika die zugewiesene Zeit nicht einhielt, konnte es einem passieren, dass man

über eine Stunde in der Luft auf eine neue Genehmigung warten musste.

Die zwanzig Minuten Verspätung machten allerdings nichts. Er wusste, dass

er die Zeit wieder einholen würde. Wegen starker Gegenwinde über Pakistan und dem

Süden Afghanistans nannte sein Flugplan eine Reisezeit von dreizehn Stunden und

zwanzig Minuten. Da in London in Greenwich Time gemessen wurde, betrug die

Zeitverschiebung sieben Stunden. Er würde ungefähr um zwanzig nach sechs an

einem bitterkalten Januarmorgen in London landen. Die Temperatur dort betrug um

die null Grad, während das Thermometer in Bangkok auch um Mitternacht noch

sechsundzwanzig Grad Celsius anzeigte, bei einer Luftfeuchtigkeit von über neunzig

Prozent.

Es klopfte an der Cockpittür. Der Chefsteward trat mit der Passagierliste ein.

Er und seine Mannschaft waren mit der Kopfzählung fertig.

“Vierhundertfünf, Skipper.”

Das passte. Fallon unterzeichnete das Gepäckformular und überreichte es

Palfrey, der damit zur letzten offenen Tür ging und es einem Mitglied der

Bodenmannschaft von BA aushändigte. Außerhalb des Riesenvogels beendete das

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Bodenpersonal die ihm zugewiesenen Aufgaben. Der Frachtraum wurde verschlossen,

Schläuche wurden abgehängt, und alle Fahrzeuge setzten auf einen respektvollen

Sicherheitsabstand zurück. Der Riesenvogel würde seine vier gigantischen Rolls-

Royce-Motoren anwerfen und zu rollen beginnen.

In der ersten Klasse hatte sich Mr. Seymour sein schönes Seidenjackett

abnehmen lassen, das jetzt in der vorderen Garderobe hing. Die Krawatte lockerte er

zwar, behielt sie aber an. Auf dem Tischchen perlte ein Glas Champagner, und der

Chefsteward hatte ihn mit einer neuen Financial Times und einem Daily Telegraph

ausgestattet. Mr. Palfrey war vom Scheitel bis zur Sohle ein Snob und schätzte das,

was er “Klasse” nannte. In Zeiten, wo selbst Hollywoodstars wie Pennerinnen

aussahen, war es ihm eine besondere Freude, sich um Menschen “mit Klasse” zu

kümmern.

Im Cockpit überwachte Fallon die letzten Startvorbereitungen. Er blickte aus

dem Fenster nach unten und sah den Flugzeugschlepper und hinter dessen Steuer den

anonymen, aber enorm wichtigen Mann, den manche den “Schlepperjoe” nannten.

Ohne ihn würde der Speedbird One Zero nirgendwo hinfliegen, denn seine Nase

zeigte zum Flughafengebäude, und ohne fremde Hilfe konnte er nicht wenden.

Von der Bodenkontrolle Bangkok kam die Starterlaubnis. Gleichzeitig begann

das kleine, aber enorm zugkräftige Fahrzeug von Schlepperjoe die 747-400

zurückzuschieben. Die vier 524er Rolls-Royce-Motoren erwachten zum Leben. Dazu

brauchte Fallon keine Energiequelle von außen, er hatte ja sein APU.

Auf Fallons Anweisung hin griff sein Copilot ans obere Instrumentenbrett und

betätigte den Startschalter für Triebwerk Nummer vier, während er mit der anderen

Hand die Kraftstoffanzeige mit der gleichen Nummer anschaltete. Diese beiden

Handgriffe wiederholte er noch dreimal und fuhr dabei die Motoren hoch. Erst die

Nummer vier, dann drei, dann zwei, dann eins. Die automatische Kraftstoffkontrolle

stellte die Triebwerke auf Leerlauf.

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Schlepperjoe drehte den Speedbird One Zero um neunzig Grad, so dass seine

Nase jetzt zur Rollbahn wies. Als er fertig war, gab er über den Sprechfunk seines

Kopfhörers im Cockpit Bescheid. Das Kabel seines Kopfhörers war noch immer in

der Nähe des Bugfahrwerks eingesteckt, weshalb er darum bat, die Feststellbremse

einzulegen.

Dazu hatte er guten Grund, denn schließlich wollte er noch länger leben. Um

das Kabel abzuziehen, musste er vom Schlepper steigen, zum Bug des Jumbos gehen

und den Stecker aus der Dose ziehen. Ein Schlepperjoe, der bei diesem Akt unter das

Bugfahrwerk des Jumbos geriet, würde als Hackfleisch enden. Fallon legte die

Feststellbremse ein und gab ihm Bescheid. Fünfzehn Meter unter ihm zog der Thai

das Kabel ab, trat zurück und hielt die Flagge hoch, die er wie immer der Halterung

entnommen hatte. Fallon winkte ihm dankend zu, und der Schlepper fuhr davon. Von

der Bodenkontrolle erhielt Fallon die Erlaubnis loszurollen; sie wurde auch an den

Tower weitergegeben.

In Reihe 34 hatte die Familie Higgins endlich Platz genommen. Sitz G war

zum Glück frei geblieben, so dass sie die ganze Reihe für sich hatten. John Higgins

nahm Platz D, der an den Gang grenzte, seine Frau Platz G am gegenüberliegenden

Ende der Mittelreihe, der an den anderen Gang grenzte. Julie saß zwischen ihnen und

beschäftigte sich mit Pooky, damit diese es bequem und eine ruhige Nacht hatte.

Der Speedbird One Zero rollte auf die Startbahn zu. Der riesige Vogel wurde

nur über das Bugfahrwerk gelenkt, das Fallon mit dem Handrad steuerte. Der

Flugkapitän war ständig in Funkkontakt mit dem Tower. Als er das hintere Ende der

Hauptstartbahn erreicht hatte, bat er um die Starterlaubnis, die ihm sofort gewährt

wurde. Er konnte also ohne anzuhalten von der Rollbahn auf die Startbahn

schwenken.

Dort richtete der Jumbo seine Nase am Mittelstreifen aus. Hoch über dem

Asphalt legte der Kapitän die Schubhebel um und streckte seine Hand dann nach den

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TOGA-Schaltern (Take-Off/Go Around)aus. Alle vier Motoren drehten zu der fest

eingestellten Startgeschwindigkeit hoch.

Die Passagiere nahmen nur ein leises Grollen wahr, während der Jumbo

beschleunigte. Weder sie noch die Mannschaft in der isolierten Ruhe des Cockpits

konnten das ohrenbetäubende Geheul der vier Düsenmotoren außen hören, doch die

Kraft, die von ihnen ausging, war deutlich zu spüren. Auf einer Seite huschten in der

Ferne die Lichter des Flughafengebäudes vorbei. Fallon betätigte einen weiteren

Schalter, und das Bugfahrwerk erhob sich vom Asphalt. Die Passagiere in der ersten

Klasse hörten unter ihren Füßen ein dumpfes Geräusch, doch dies stammte nur vom

Gasdruckstoßdämpfer des Bugfahrwerks, der jetzt vom Gewicht entlastet wurde und

sich ausdehnte. Zehn Sekunden später hob auch das Hauptfahrwerk ab, und der Vogel

war in der Luft.

Nachdem sie abgehoben hatten, fuhr der Copilot auf Fallons Kommando hin

sämtliche Fahrwerke ein, was nochmals dumpfe Geräusche zur Folge hatte. Dann

ebbten Lärm und Vibrationen ab. Mit einer Geschwindigkeit von vierhundert Metern

pro Minute stieg der Jumbo auf eine Höhe von vierhundertfünfzig Metern und nahm

dann das Steigtempo zurück. Während er die Maschine weiter beschleunigte, ließ

Fallon die Landeklappen nacheinander einfahren. Erst von zwanzig auf zehn Grad,

dann auf fünf, auf eins und schließlich auf null.

Auf Sitz 34 D löste John Higgins den festen Griff, mit dem er die beiden

Armlehnen umklammert hielt. Er flog nicht besonders gern, und am meisten hasste er

den Start. Aber natürlich versuchte er, sich seiner Familie gegenüber nichts anmerken

zu lassen. Jetzt blickte er in den Gang hinaus und stellte fest, dass der Hippie ihm nur

vier Reihen weiter auf Platz 30 C schräg gegenüber saß. Vor ihm streckte sich der

lange Gang bis zu der Zwischenwand, die die Touristenklasse von der Club Klasse

trennte. In diesem Bereich gab es eine vollständige Bordküche und vier Toiletten.

Vier oder fünf Stewardessen waren bereits wieder auf den Beinen und bereiteten ein

spätes Abendessen vor. Seit dem letzten Imbiss im Hotel waren sechs Stunden

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vergangen, und er war hungrig. Er drehte sich um und half Julie, sich mit der

Videoeinrichtung des Flugzeugs zurechtzufinden, und suchte für sie den

Trickfilmkanal.

Von Bangkok startet man in der Regel in Richtung Norden. Fallon entfernte

sich mit dem aufsteigenden Jumbo langsam vom Flughafen und sah nach unten. Es

war eine klare Nacht. Hinter ihm befand sich der Golf von Thailand, an dem Bangkok

lag, und vor ihm, auf der anderen Seite der Landzunge, das Andamanische Meer.

Dazwischen lag Thailand. Im Mondschein blitzten so viele überflutete Reisfelder auf,

dass das ganze Land unter Wasser zu stehen schien. Der Speedbird One Zero stieg auf

neuntausenddreihundert Meter und pendelte sich dort auf die Flughöhe ein. Der Kurs

auf London führte diesmal über Kalkutta, Delhi, Kabul, Teheran, die Osttürkei, den

Balkan und Deutschland. Fallon stellte den Speedbird One Zero auf Autopilot,

streckte sich - und wie auf ein Stichwort hin brachte eine der Stewardessen des

Oberdecks den Kaffee.

Auf Platz 30 C blickte der Hippie auf die kleine Karte mit den Auswahlmenüs

für das späte Abendessen. Hunger hatte er nicht besonders viel, doch er sehnte sich

nach einer Zigarette. Noch dreizehn Stunden und dann noch eine Stunde am

Gepäckband in Heathrow, wo er auf seinen großen Rucksack warten musste, erst dann

konnte er nach draußen eilen und sich eine anstecken. Bis es dann so weit war, um

sich einen anständigen Joint zu genehmigen, würde es noch einmal zwei Stunden

dauern.

“Das Fleischgericht”, sagte er zu der lächelnden Stewardess, die vor ihm

stand. Sein Akzent schien amerikanisch zu sein, doch sein Pass wies ihn als einen

Kanadier namens Donovan aus.

In einem Büro im Westen Londons, dessen genaue Adresse ein ziemlich gut

gehütetes Geheimnis ist, klingelte ein Telefon. Der Mann am Schreibtisch blickte auf

seine Uhr. Halb sechs, und draußen war es bereits dunkel.

“Ja.”

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“Boss, BA Null-Eins-Null von Bangkok ist gestartet.”

“Danke.”

Er legte auf. Am Telefon pflegte sich William “Bill” Butler kurz zu fassen.

Generell war er dafür bekannt, nicht viel zu reden. Außerdem galt er als ein Mann, für

den es sich gut arbeiten ließ, den man aber besser nicht enttäuschte. Keiner seiner

Untergebenen wusste jedoch, dass er einmal eine Tochter hatte, die er sehr liebte. Sie

war sein ganzer Stolz gewesen, hatte ein Stipendium für ein Universitätsstudium

erhalten und war dann an einer Überdosis Heroin gestorben. Bill Butler hatte etwas

gegen Heroin. Und noch mehr hatte er gegen die Männer, die damit handelten. Das

machte ihn zu einem gefährlichen Feind. Es war geradezu furchteinflößend, wie er in

seiner Arbeit aufging. Als Teil der Zoll- und Steuerbehörde Ihrer Majestät kämpfte

seine Abteilung einen endlosen Krieg gegen harte Drogen. Sie wurden meist kurz “die

Schlagtruppe” genannt, und Bill Butler hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht,

härter zuzuschlagen als irgend-jemand sonst.

Fünf Stunden verstrichen. Hunderte von aufgewärmten Fertigmahlzeiten

waren serviert und verschlungen oder stehen gelassen worden. Die Plastiktabletts

hatte man wieder eingesammelt. Der Billigwein in den Viertelliterflaschen war

ausgetrunken und abserviert worden. Manche hatten die unberührten Flaschen auch in

die Rücksitztasche vor ihren Knien geklemmt. Jenseits der Trennwand war die

wogende Menschenmasse der Touristenklasse endlich zur Ruhe gekommen.

In dem kleinen Elektronikraum unterhalb der ersten Klasse unterhielten sich

die beiden Bordcomputer miteinander, während sie Informationen der automatischen

Flugzeugsteuerung verarbeiteten, Funk- und Satellitensignale empfingen, die Position

des Flugzeugs bestimmten und über Korrektursignale den Autopilot auf dem

einprogrammierten Kurs steuerten.

Weit unter ihnen lag das zerklüftete Gebiet zwischen Kabul und Kandahar. In

den weiter nördlich gelegenen Bergen Pamirs führten fanatische Talibanrebellen ihren

Krieg gegen Schah Masood, der ihnen als Letzter erbittert Widerstand leistete. In

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ihrem Riesenkokon hoch über Afghanistan merkten die Reisenden nichts von der

Schwärze der Nacht, der tödlichen Kälte, dem Lärm der Motoren, der kargen

Landschaft und den Kriegshandlungen.

Überall waren die Rollos herabgezogen. Dünne Decken wurden verteilt, und

die Lichter waren herabgedimmt. Die meisten Passagiere versuchten ein wenig zu

schlafen. Einige schauten sich den Bordfilm an, andere hörten Musik.

Auf Platz 34 G schlief Mrs. Higgins tief und fest. Sie hatte sich die Decke bis

unters Kinn gezogen und atmete regelmäßig mit halb geöffneten Mund. Durch das

Zurückklappen der Armlehne hatten sie aus den Sitzen E und F eine durchgehende

Fläche gemacht, auf der sich Julie der Länge nach ausstreckte. Unter der warmen

Decke war sie, an ihre Puppe gekuschelt, ebenfalls eingeschlafen.

John Higgins konnte nicht schlafen. Im Flugzeug war ihm das noch nie

gelungen. Obwohl auch er müde war, ließ er den Urlaub in Südostasien noch einmal

Revue passieren. Es war natürlich eine Pauschalreise gewesen. Für einen

Versicherungsangestellten gab es keine andere Möglichkeit, nach Thailand zu

kommen. Selbst für diese Reise hatten sie eisern sparen müssen. Doch sie war jeden

einzelnen Penny wert gewesen.

Sie hatten im Hotel Pansea auf der Insel Phuket gewohnt, weit entfernt vom

lauten Getümmel Pattayas. Beim Buchen der Reise hatte er eigens darauf geachtet,

dass seine Familie mit solchen Dingen nicht in Berührung käme. Es war für alle ein

traumhafter Urlaub gewesen. Sie hatten Fahrräder gemietet und waren durch

Gummiplantagen und die Thaidörfer im Landesinneren geradelt. Vor den

rotgestrichenen buddhistischen Tempeln mit den goldenen Dächern waren sie

staunend abgestiegen und hatten den Mönchen in den safranfarbenen Roben bei ihren

Zeremonien zugesehen.

Im Hotel hatten er und Julie sich Schnorchel, Flossen und Tauchbrillen

ausgeliehen. Mrs. Higgins war keine große Schwimmerin und wagte sich höchstens in

den ruhigen Hotel-Swimmingpool. Doch mit Julie, die ihre Schwimmflügel und eine

16

Page 17: Ein pflichtbewusster Bürger

Schwimmweste trug, war er zum Korallenriff hinausgeschwommen. Unter Wasser

hatten sie die Fische vorbeihuschen sehen: Engels- und Clownfische, Vieraugen und

Gelbklingendoktorfische.

Julie war so begeistert gewesen, dass sie den Kopf hoch reckte und zu rufen

versuchte, weil sie dachte, ihr Vater habe die Fische vielleicht nicht bemerkt. Aber er

hatte sie natürlich bemerkt. Er machte Zeichen, dass sie ihr Mundstück wieder

einstecken sollte, doch da hatte sie schon Wasser geschluckt und hustete und prustete.

Er musste mit ihr an den Strand zurück.

Am Hotelpool würden auch Tauchstunden angeboten, doch davon hatte er

keinen Gebrauch gemacht. Er hatte gelesen, dass es weiter draußen Haie gab, was

Mrs. Higgins einen Entsetzensschrei ausstoßen ließ. Sie waren eine Familie, die ein

schönes, harmloses Abenteuer wollte, mehr jedoch nicht.

Im Hotelladen hatte Julie die Puppe entdeckt, die wie ein kleines

Thaimädchen aussah, und er hatte sie ihr gekauft. Nach zehn Tagen im Hotel Pansea,

das direkt unter dem horrend teuren Amanpuri lag, hatten sie die Reise mit einem

Dreitageaufenthalt in Bangkok abgeschlossen. Dort nahmen sie an Führungen teil,

besichtigten den Jade- und den riesigen schlafenden Buddha. Sie hatten die Nasen

über den Gestank gerümpft, der vom Chao Praya aufstieg und sich mit den Abgasen

vermischte. Doch sie hatten es in Kauf genommen, denn es war ein einzigartiger

Urlaub gewesen, der sich so schnell nicht wiederholen würde.

In der Rückenlehne vor ihm befand sich ein kleiner Bildschirm, auf dem man

den Flug genau verfolgen konnte. Gelangweilt schaute er eine Weile zu. Endlose

Zahlen flimmerten auf: Wie weit sie von Bangkok entfernt waren, wie weit es noch

zum Ziel war, die verbleibende Flugzeit, die Außentemperatur (erschreckende

sechsundsiebzig Grad unter null) und die Windgeschwindigkeit.

Zwischen den Zahlen war eine Karte zu sehen, über der ein kleines weißes

Flugzeug sich langsam in Richtung Nordwesten auf Europa und seine Heimat

zubewegte. Er fragte sich, ob das kleine Flugzeug vielleicht eine hypnotische

17

Page 18: Ein pflichtbewusster Bürger

Wirkung auf ihn ausüben würde, wie etwa das Schäfchenzählen, und er darüber

einschlief. Doch in dem Moment geriet das Flugzeug in eine kleine Turbulenz, und

sofort war er hellwach und in Alarmbereitschaft. Mr. Higgins umklammerte die

Armlehnen und suchte nach etwas, um sich abzulenken. So wurde er Zeuge folgender

Szene.

Vier Reihen vor ihm auf der anderen Seite des Gangs war der Hippie

ebenfalls wach. Er sah auf seine Armbanduhr, schlug die Decke zurück und erhob

sich.

Nachdem er sich umgeblickt hatte, um sicher zu gehen, dass niemand ihn

beobachtete, ging er langsam durch den Gang auf die Trennwand zu. Im Durchgang

befand sich ein Vorhang, der jedoch nur halb zugezogen war. Ein Lichtstreifen aus

der Bordküche beleuchtete ein Stück Teppich und zwei Toilettentüren. Als der Hippie

bei den Türen angekommen war, schaute er beide an, machte aber keine Anstalten,

eine davon zu öffnen. Wahrscheinlich waren beide besetzt, obwohl Higgins

niemanden sonst durch den Gang hatte gehen sehen. Der Hippie lehnte sich gegen

eine der Türen und wartete.

Dreißig Sekunden später gesellte sich noch ein Mann zu ihm. Dieser Passagier

sah völlig anders aus. Er war von lässiger Eleganz und schien recht wohlhabend zu

sein. Offensichtlich war er aus dem vorderen Flugzeugteil gekommen, der Club- oder

vielleicht sogar der ersten Klasse. Aber warum?

Im Licht aus der Bordküche war zu erkennen, dass er die Hose eines

cremefarbenen Seidenanzugs trug, ein Seidenhemd und eine gelockerte

Seidenkrawatte. Seine ganze Erscheinung verriet sofort die “Erste Klasse”. War er im

Flugzeug so weit nach hinten gegangen, nur um sich zu erleichtern?

Dann begannen Mr. Elegant und der Hippie miteinander zu reden. Es war eine

leise, ernsthafte Unterhaltung. Die meiste Zeit sprach der Mann aus dem vorderen

Teil des Flugzeugs. Er beugte sich zu dem Hippie, der mehrmals bestätigend nickte.

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Page 19: Ein pflichtbewusster Bürger

Die Körpersprache der beiden verriet, dass der elegante Mann Instruktionen gab,

während der Hippie sich mit allem einverstanden erklärte.

John Higgins war der Typ Mann, der ein wachsames Auge auf seine

Nachbarn hatte. Seine Neugierde war geweckt. Wenn Mr. Elegant eine Toilette

aufsuchen wollte, hätte er es in der ersten und in der Club-Klasse fünf oder sechs

gegeben. Zu dieser späten Stunde konnten sie nicht alle besetzt sein. Und ihre

Unterhaltung war nicht das oberflächliche Geplauder von zwei Männern, die sich

zufällig beim Anstehen getroffen hatten.

Sie trennten sich. Der Mann in der Seidenkleidung verschwand aus Higgins

Blickfeld und kehrte in den vorderen Flugzeugteil zurück. Der Hippie versuchte erst

gar nicht, eine der beiden Toiletten aufzusuchen, sondern ging wieder zu seinem

Platz. John Higgins Gedanken überschlugen sich. Er wusste, dass er etwas

Eigenartiges erlebt hatte. Es musste irgendeine Bedeutung haben, doch welche? Als

der Hippie sich im Dämmerlicht der Kabine umblickte, um herauszufinden, ob ihn

jemand gesehen hatte, schloss Higgins die Augen und stellte sich schlafend.

Zehn Minuten später hatte John Higgins eine Erklärung für das gefunden, was

er beobachtet hatte. Die beiden Männer hatten sich nicht zufällig getroffen. Doch

wann hatten sie ihr Rendezvous verabredet? Higgins war sich sicher, dass sich der

elegante Geschäftsmann nicht in der Abflugslounge der Touristenklasse befunden

hatte. Er wäre ihm sofort aufgefallen. Seit sie eingestiegen waren und ihre Plätze

eingenommen hatten, hatte der Hippie sich nicht mehr von der Stelle bewegt.

Vielleicht war ihm von einer Stewardess eine handgeschriebene Notiz überbracht

worden, aber Higgins hatte nichts dergleichen gesehen, was aber nichts bewies.

Wenn diese Theorie nicht zutraf, gab es nur noch eine Erklärung. Das

Rendezvous an der Grenze zwischen Touristen- und Club-Klasse musste schon in

Thailand geplant worden sein. Aber warum? Um etwas zu besprechen? Um

Informationen auszutauschen? Oder hatte der elegante Herr neue Instruktionen

erteilen wollen? War der Hippie ein persönlicher Assistent des Geschäftsmanns?

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Page 20: Ein pflichtbewusster Bürger

Sicher nicht. In dem Aufzug? Sie waren verschieden wie Tag und Nacht. Higgins

begann sich Sorgen zu machen. Mehr noch, er schöpfte Verdacht.

In London war es elf Uhr nachts. Bill Butler warf einen Blick auf seine

schlafende Frau, seufzte und löschte das Licht. Er hatte sich den Wecker auf halb fünf

gestellt. Zu dieser Tageszeit reichte das, um sich zu waschen, anzuziehen, ins Auto zu

steigen und um Viertel nach fünf in Heathrow zu sein, eine ganze Stunde vor der

Landung. Alles Weitere war unkalkulierbar.

Es war ein langer Tag gewesen. Wie eigentlich immer. Er fühlte sich müde,

konnte aber nicht einschlafen. Seine Gedanken rasten, und er stellte sich stets dieselbe

Frage. Hätte er noch mehr tun können?

Alles hatte mit einem Tipp eines Kollegen aus der U.S. Drug Enforcement

Agency, der gefürchteten DEA auf der anderen Seite des Großen Teichs, begonnen.

Dann war die wilde Jagd losgegangen.

Neunzig Prozent des Heroins, das von Abhängigen auf den Britischen Inseln

und mehr oder weniger ganz Westeuropas konsumiert wurde, kam aus der Türkei und

war braun. Der Handel damit wurde von einer skrupellosen türkischen Mafia

kontrolliert, die zu den brutalsten Verbrechersyndikaten der Welt zählte, unter der

britischen Bevölkerung aber fast völlig unbekannt war.

Ihr Produkt stammte von den Mohnfeldern Anatoliens. Es sah aus wie brauner

Rohrzucker und wurde meist geraucht oder auf einem Stück Alufolie über einer Kerze

erhitzt und dann inhaliert. Im Unterschied zu den Amerikanern hielten britische

Junkies nicht viel von Injektionen.

Die türkische Ware unterschied sich deutlich von den Produkten aus dem

Goldenen Dreieck im Fernen Osten. Das “Thai White” sah aus wie Backpulver und

war in der Regel mit ähnlich aussehendem weißen Puder im Verhältnis eins zu

zwanzig verschnitten. Dies war der Stoff, hinter dem die Amerikaner her waren.

Sollte es einer britischen Bande gelingen, regelmäßig vernünftige Mengen

davon zu beschaffen, würde die Cosa Nostra sicher aufmerksam werden. Sie würden

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Page 21: Ein pflichtbewusster Bürger

nicht kaufen wollen, sondern tauschen, und zwar gegen feinstes kolumbianisches

Kokain im Verhältnis drei zu eins: sechs Kilo Kokain gegen zwei Kilo “Thai White”.

Der Tipp vom DEA war aus der Niederlassung in Miami gekommen. Eine

ihrer Quellen aus der Unterwelt hatte durchsickern lassen, dass die Familie

Trafficante in den letzten sechs Monaten dreimal einen Boten oder “Maulwurf” mit

sechs Kilogramm reinem kolumbianischen Kokain nach Großbritannien geschickt

hatte. Jedes Mal war er mit zwei Kilogramm “Thai White” zurückgekommen.

Nicht viel, aber regelmäßig. Dem Organisator auf der britischen Seite musste

jede Reise zweihunderttausend Pfund wert gewesen sein. Die transportierten Mengen

legten für Bill Butler nahe, dass sie nicht per Schiff oder Lkw angeliefert, sondern auf

dem Luftweg befördert wurden - im Gepäck eines Passagiers. Unruhig wälzte er sich

im Bett herum und versuchte, wenigstens noch vier Stunden Schlaf zu kriegen.

Auch John Higgins konnte nicht schlafen. Er wusste von der dunklen Seite

des thailändischen Urlaubsparadieses. Vor einiger Zeit hatte er einen Zeitungsartikel

über das Goldene Dreieck gelesen, eine Hügellandschaft, in der Papaver somniferum

gezüchtet wurde, der Opiummohn. In dem Artikel stand, dass es tief im Dschungel der

Grenzgebiete moderne Labore gebe, die für die thailändische Armee unerreichbar

waren. Dort wurde aus den Mohnpflanzen erst der Grundstoff Morphium und daraus

dann das puderweiße Heroin gewonnen.

Während die meisten Passagiere schliefen, rutschte John Higgins

unentschlossen auf seinem Platz hin und her. Sicher gab es mehrere harmlose

Erklärungen für die ungewöhnliche Begegnung vor der Toilettentür, nur fiel ihm

selbst gerade keine ein.

Als John Higgins leise den Sicherheitsgurt öffnete, aufstand und seinen

Diplomatenkoffer aus der Gepäckablage über den Sitzen zog, bewegte sich das kleine

weiße Flugzeug auf dem Bildschirm ruckartig auf Anatolien und die Osttürkei zu. Im

Flugzeug rührte sich niemand, noch nicht einmal der Hippie.

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Page 22: Ein pflichtbewusster Bürger

Er setzte sich wieder und suchte in seiner Tasche nach Papier und einem

Kugelschreiber. Letzteren fand er sofort, und schließlich kramte er auch vier Bogen

des Hotelbriefpapiers hervor, das er aus seinem Zimmer im Hotel Pansea

mitgenommen hatte. Sorgfältig trennte er den oberen Teil mit dem Briefkopf ab und

kam so zu dem Blankopapier, das er brauchte. Er benutzte seinen Koffer als Unterlage

und begann einen Brief in sorgfältig gemalten großen Blockbuchstaben aufzusetzen.

Dazu brauchte er eine halbe Stunde.

Als er fertig war, flog das kleine weiße Flugzeug gerade auf Ankara zu. Er

faltete die Bögen und steckte sie in einen der Unicef-Umschläge, die von BA in den

Flugzeugen bereitgestellt wurden. Auf den Umschlag schrieb er in dicken Lettern:

FÜR DEN KAPITÄN. EILT.

Dann erhob er sich, schlich leise zum Vorhang bei den Toilettentüren und

spähte in die Bordküche. Ein junger Steward stand mit dem Rücken zu ihm und

bereitete das Frühstück vor. Higgins zog sich unbemerkt zurück. Ein Signal erklang.

Er hörte, wie der Steward die Bordküche verließ und in den vorderen Flugzeugteil

verschwand. Higgins glitt am Vorhang vorbei in die leere Bordküche, stellte den

Umschlag senkrecht zwischen zwei Kaffeetassen auf die Anrichte und ging an seinen

Platz zurück.

Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis der Steward, der sich wieder an die

Vorbereitung des Frühstücks gemacht hatte, ihn entdeckte. Anfangs dachte er, es

handle sich um eine Spende für die Unicef, doch als er sich die Handschrift genauer

ansah, runzelte er die Stirn, dachte einen Moment lang nach und machte sich

schließlich auf die Suche nach dem Chefsteward.

“Er steckte zwischen zwei Kaffeetassen, Harry. Ich dachte, ich zeige ihn

lieber erst dir, statt gleich damit ins Cockpit zu rennen.”

Harry Palfrey zwinkerte ihm wohlwollend zu.

“Richtig, Simon. Gut gemacht. Wahrscheinlich irgendein Verrückter.

Überlass das nur mir. Also, zurück an die Frühstücksabletts ...”

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Page 23: Ein pflichtbewusster Bürger

Während er dem jungen Mann nachblickte, registrierte Palfrey die kräftigen

Schenkel unter dessen Uniformhose. Er hatte schon mit vielen Stewards

zusammengearbeitet, und mit mehr als genug von ihnen war er ins Bett gegangen,

aber dieser hier war besonders hinreißend. In Heathrow könnte er vielleicht ... Er sah

sich den Umschlag an, legte die Stirn in Falten und wollte ihn schon öffnen, überlegte

es sich dann aber anders, stieg die Treppe hoch und klopfte an die Cockpittür.

Eine reine Formalität. Der Chefsteward durfte das Cockpit jederzeit betreten

und deshalb öffnete Palfrey nach dem Klopfen auch gleich die Tür. Auf dem linken

Pilotenplatz saß der zweite Kapitän und starrte auf die Lichter einer näher

kommenden Küste. Captain Fallon war nirgendwo zu sehen. Der Chefsteward klopfte

an die Tür des Ruheraums. Diesmal wartete er.

Dreißig Sekunden später öffnete Adrian Fallon die Tür und fuhr sich dabei

mit den Fingern durchs ergrauende Haar.

“Harry?”

“Eine seltsame Geschichte, Skipper. Irgendjemand hat das hier zwischen zwei

Kaffeetassen in der mittleren Bordküche hinterlassen. Wollte vermutlich anonym

bleiben.”

Er hielt ihm den Umschlag hin.

Adrian Fallon spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. In den dreißig Jahren

bei der Fluggesellschaft hatte er nie eine Flugzeugentführung oder Bombendrohung

erlebt, doch er kannte mehrere Kollegen, die diese Erfahrung gemacht hatten. Es war

der Albtraum, den er immer gefürchtet hatte. Jetzt sah es so aus, als würde er in der

einen oder anderen Form damit konfrontiert werden. Er riss den Umschlag auf, hockte

sich auf den Rand der Koje und las den Brief:

“Ich bedaure, Captain, dass ich diese Zeilen nicht unterzeichnen kann, aber

ich möchte in nichts hineingezogen werden. Als pflichtbewusster Bürger jedoch kann

ich nicht umhin, Ihnen mitzuteilen, was ich beobachtet habe. Zwei Ihrer Passagiere

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Page 24: Ein pflichtbewusster Bürger

haben sich ausgesprochen eigenartig verhalten. Für ihr Benehmen gibt es keine

logische Erklärung, deshalb ...”

Der Brief fuhr fort, bis ins Detail zu erläutern, was sein Verfasser gesehen

hatte und warum es ihm so seltsam vorgekommen war, dass er Verdacht schöpfte.

Dann beschrieb er die Verdächtigen.

“Einer der beiden Passagiere sieht aus wie ein Hippie: schmutzig, ungepflegt,

der Typ, dem wahrscheinlich gewisse exotische Substanzen nicht fremde sind. Sein

Platz ist 30 C. Wo der andere Mann sitzt, weiß ich nicht, aber vermutlich kam er aus

der ersten oder der Club Class.”

Jetzt folgte noch eine Beschreibung des eleganten Mannes, und dann endete

der Brief mit den Worten:

“Ich hoffe, Ihnen hiermit keine Unannehmlichkeiten zu bereiten, doch wenn

diese beiden Männer irgendwie unter einer Decke stecken, hecken sie vielleicht etwas

aus, für das sich die Obrigkeiten interessieren könnten.”

Aufgeblasenes Arschloch! Mit den Obrigkeiten meinte er wahrscheinlich die

Zoll- und Steuerbehörde Ihrer Majestät. Das Ausspionieren von Passagieren war

etwas, das Fallon gegen den Strich ging. Er reichte den Brief an Harry Palfrey weiter.

Der Chefsteward las ihn und pfiff dabei leise durch die Zähne.

“Ein mitternächtliches Rendezvous?”

Fallon wusste über Harry Palfrey Bescheid, und Palfrey wusste, dass er es

wusste. Deshalb wählte der Captain seine Worte sorgfältig.

“Eigentlich weist nichts darauf hin, dass sie was zusammen hatten. Wenn

überhaupt, müssen sie sich schon in Bangkok kennen gelernt haben. Warum haben sie

sich dann nicht in Heathrow verabredet, statt sich vor einer Toilettentür zu treffen?

Und reingegangen sind sie auch nicht. Verdammt und zugenäht, Harry! Bitte holen

Sie mir die Passagierliste.”

Während der Chefsteward seiner Bitte nachkam, kämmte Fallon sich das Haar

und strich sein Hemd glatt.

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Page 25: Ein pflichtbewusster Bürger

“Unsere Position?”, fragte er dann den zweiten Kapitän.

“Kurz vor der griechischen Küste. Stimmt was nicht, Adrian?”

“Ich hoffe nicht.”

Palfrey kam mit der Liste zurück. Laut dieser saß auf Platz 30 C ein Kevin

Donovan.

“Was ist mit dem anderen Mann? Dem Eleganten.”

“Ich glaube, den habe ich gesehen”, erwiderte Palfrey. “Erste Klasse, Platz 2

K.” Er blätterte durch die Passagierliste. “Eingetragen unter dem Namen Hugo

Seymour.”

“Lassen Sie uns auf Nummer Sicher gehen und nichts überstürzen”, meinte

der Captain. “Bitte gehen Sie unauffällig durch die erste und die Club-Klasse. Halten

Sie unter den Decken nach cremefarbenen Seidenhosen Ausschau. Und suchen Sie in

den Garderoben nach der dazu passenden cremefarbenen Anzugjacke.”

Palfrey nickte und ging leise nach unten. Fallon ließ sich einen starken

schwarzen Kaffee bringen und überprüfte die Flugdaten.

Der Bordcomputer, in den vor dem Abflug vor neun Stunden die geplante

Route eingegeben worden war, hatte dafür gesorgt, dass der Speedbird One Zero

genau und pünktlich Kurs hielt. Vier Stunden vor der Landung flogen sie über

Griechenland. In London war es zwei Uhr zwanzig, nach griechischer Zeit drei Uhr

zwanzig morgens. Draußen war es noch stockdunkel. Weit unter ihnen sah man eine

lockere Wolkendecke, durch die manchmal Lichter blitzten. Über ihnen leuchteten

hell die Sterne.

Adrian Fallon nahm seine Bürgerpflichten ernster als manch anderer und ganz

bestimmt so ernst wie der anonyme Schwätzer aus der Touristenklasse, aber jetzt

befand er sich in einem Dilemma. In dem Brief deutete nichts darauf hin, dass der

Flug in irgendeiner Weise gefährdet war, deshalb neigte er dazu, das Schreiben

einfach zu ignorieren.

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Page 26: Ein pflichtbewusster Bürger

Es gab nur ein Problem: In der Organisation britischer Flugpiloten, der

BALPA – British Airline Pilots‘ Association -, gab es ein Sicherheitskomitee, dessen

stellvertretender Vorsitzender er war. Wenn Seymour und Donovan in Heathrow

wegen eines schweren Delikts mit der Polizei oder den Zollbehörden in Konflikt

gerieten und dann herauskam, dass er vor beiden Passagieren gewarnt worden war,

aber nichts unternommen hatte, stünde er dumm da. Er steckte in der Zwickmühle.

Als Griechenland in den Balkan überging, traf er eine Entscheidung. Harry Palfrey

hatte den Brief gesehen, und dann gab es vor allem noch den “pflichtbewussten

Bürger”, der ihn geschrieben hatte. Er konnte nicht damit rechnen, dass sie

schwiegen, wenn in Heathrow etwas aufflog. Also ging er besser auf Nummer Sicher.

Statt den Zollbehörden würde er nur dem diensthabenden Beamten seiner

Fluggesellschaft, der sich in Heathrow durch die Nachtschicht quälte, eine knappe,

neutrale Vorwarnung übermitteln.

Wenn er dazu den offiziellen Funkverkehr nutzte, würden es fast alle Piloten,

die gerade auf Heathrow zuflogen, mitbekommen. Sicher waren es mehr als zwanzig,

er hätte also gleich einen Artikel in die Times setzen können. Doch zum Glück gab es

in den BA-Flugzeugen eine Vorrichtung namens ACARS – das Aircraft

Communications, Addressing and Reporting System.

Über dieses System konnte er dem Bodenpersonal von BA in Heathrow eine

vertrauliche Mitteilung zukommen lassen. Damit hätte er die Verantwortung

weitergeschoben.

Der Chefsteward kam zurück. Er bestätigte, dass es sich bei dem

beschriebenen Mann eindeutig um Hugo Seymour handelte. Daraufhin schickte Fallon

seine kurze Botschaft los. Sie befanden sich gerade über Belgrad.

Bill Butler kam nicht mehr dazu, sich um halb fünf wecken zu lassen. Um

zehn vor vier klingelte sein Telefon. Es war einer seiner Mitarbeiter, ein

Flughafenbeamter, der im Terminal 4 von Heathrow Nachtschicht hatte. Während er

zuhörte, schob Butler die Daunendecke zur Seite, setzte sich auf und war sofort

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Page 27: Ein pflichtbewusster Bürger

hellwach. Zwanzig Minuten später saß er im Auto und dachte beim Fahren weiter

nach.

Mit Ködern, falschen Fährten und anonymen Denunziationen kannte er sich

aus. Das waren uralte Tricks. Als Erstes hatten sie den anonymen Anruf aus einer

Telefonzelle irgendwo in der Stadt erhalten, der einen der Passagiere in einem

eintreffenden Flugzeug als Schmuggler denunzierte.

Die Zollbehörde durfte den Anruf nicht ignorieren, obwohl es sich bei dem

beschriebenen Mann mit neunzigprozentiger Sicherheit um einen unschuldigen

Touristen handelte, der beim Abflug gesichtet und als Köder ausgewählt worden war.

Bei dem Anrufer hatte es sich wahrscheinlich um ein in London stationiertes

Bandenmitglied gehandelt.

Während der beschriebene Tourist am Flughafen abgefangen und untersucht

wurde, konnte der eigentliche Täter in der Menschenmenge untertauchen und

unbemerkt durch den Zoll entkommen.

Doch jetzt war noch eine Warnung vom Kapitän des Flugzeugs eingetroffen –

ein Novum. Er hatte einen Hinweis von einem Passagier erhalten, in dem gleich zwei

Fahrgäste als verdächtig denunziert wurden. Hinter allem musste ein Hintermann

stecken, der Kopf der Bande, und es war Butlers Aufgabe, sein ganzes Können gegen

diesen Mann aufzubieten und ihn zu besiegen. Möglicherweise handelte es sich bei

dem Passagier im Flugzeug aber auch nur um einen übereifrigen Menschen, der sich

in alles einmischen musste und damit die Dinge noch mehr komplizierte.

Er parkte vor dem Terminal 4 und ging in das fast leere Flughafengebäude. Es

war jetzt halb fünf, und ein Dutzend Jumbos in den Farben von British Airways, die

das Terminal 4 fast allein besetzte, näherten sich dem Flughafen aus Afrika, dem

Orient sowie Nord- und Südamerika. In zwei Stunden würde es hier wieder wie in

einem Irrenhaus zugehen.

Die Maschinen, die um sechs Uhr abends in New York, Washington, Boston

und Miami gestartet und sieben Stunden unterwegs waren, plus fünf Stunden

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Page 28: Ein pflichtbewusster Bürger

Zeitverschiebung, würden auf die Flugzeuge aus Asien treffen, die sich dreizehn

Stunden in der Luft befanden und sieben Stunden Zeitverschiebung abziehen konnten.

Irgendwann zwischen sechs Uhr und zwanzig vor sieben würden die ersten

übernächtigten Passagiere aus den Maschinen steigen und sich innerhalb von Minuten

zu einer Flutwelle anwachsen. Zehn Mitglieder seiner “Schlagtruppe” fuhren über die

dunklen Straßen ihrer Heimatkreise ebenfalls auf das Terminal 4 zu.

Butler wollte seine Männer unauffällig an allen entscheidenden Stellen der

Abfertigung, den Pass- und Zollkontrollen positionieren, einen Aufruhr aber auf jeden

Fall vermeiden.

Es hatte schon ähnliche Fälle gegeben. Der Bote, der genau wusste, was sich

in seinem Hauptgepäckstück verbarg, hatte kalte Füße bekommen und seinen Koffer

einfach nicht abgeholt. Unter den Augen der Zollbeamten hatte sich das Gepäckband

immer weiter gedreht, bis es schließlich nur noch einen Koffer gab, den niemand

wollte. Wie der Bote seinem wütenden Boss gegenübertreten wollte, war seine Sache.

Manche von ihnen hatten diese Erfahrung bestimmt nicht überlebt. Doch Butler

wollte mehr als einen einsamen Koffer. Er wollte den Boten und die Ware –

mindestens.

Den Mitteilungen aus West Drayton zufolge bewegte sich der Speedbird One

Zero gerade über den Kanal auf Suffolk zu. Der Kurs führte den Jumbo in den Norden

des Flughafens, von wo er eine lange Schleife in Richtung Westen fliegen würde, um

dann auf die Hauptlandebahn einzuschwenken.

Adrian Fallon hatte wieder den linken Platz im Cockpit eingenommen und

hörte sich die Anweisungen aus West Drayton an. Sein Flugzeug war pünktlich und

hatte genau Kurs gehalten. Die 747 befand sich jetzt auf viertausendfünfhundert

Meter Flughöhe, und Fallon sah bereits die Lichter von Ipswich auf sich zukommen.

Einer seiner beiden Offiziere überreichte ihm eine Nachricht, die über ACAR

eingetroffen war. Darin wurde er höflich darum gebeten, den mysteriösen Brief über

den Chefsteward sofort nach Öffnen der ersten Tür nach draußen zu reichen. Fallon

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grunzte verärgert, zog die beiden zusammengefalteten Papierbogen aus der

Brusttasche seines Hemdes und gab sie mit den entsprechenden Anweisungen für

Harry Palfrey dem Ersten Offizier. Jetzt hatten sie die Küste erreicht. Es war fünf

nach sechs.

In den drei Passagierkabinen herrschte die erwartungsvolle Unruhe, die jeder

Landung vorausgeht. Die Lichter waren schon lange an, die Frühstücktabletts

abgeräumt und verstaut und auch das Videoprogramm war ausgeschaltet worden. Das

Bordpersonal hatte die Jacketts angezogen, und den Passagieren in der Ersten und der

Club Class überreichte man die abgelegte Garderobe. Die Fluggäste an den

Fensterplätzen blinzelten müde auf die Lichterketten unter ihnen.

Mr. Hugo Seymour trat aus der Toilette der ersten Klasse. Er hatte sich frisch

gemacht, rasiert und gekämmt und roch nach einem teuren Aftershave. Wieder auf

seinem Platz rückte er die Krawatte zurecht, knöpfte die Weste zu und nahm seine

cremefarbene Anzugjacke entgegen, die er sich über den Schoß legte. Der

Diplomatenkoffer aus Krokodilleder stand zwischen seinen Füßen.

Der kanadische Hippie in der Touristenklasse streckte sich müde und sehnte

sich nach einer Zigarette. Da er einen Gangplatz hatte, konnte er nicht durch das

Fenster sehen und versuchte es auch gar nicht.

Vier Reihen hinter ihm war die Familie Higgins hellwach und bereits fertig

zum Ausstieg. Julie saß zwischen ihren Eltern und erzählte ihrer Puppe Pooky von all

den Wundern, die sie in ihrer neuen Heimat sehen würde. Mrs. Higgins packte die

letzten Kleinigkeiten in ihre Handtasche. Der ordentliche Mr. Higgins hielt seinen

Diplomatenkoffer aus Plastik auf den Knien, die Hände darauf verschränkt. Er hatte

seine Pflicht getan, und das gab ihm ein gutes Gefühl.

Das kleine weiße Flugzeug an der Rücklehne vor ihm flog eine Kurve, bis

seine Nase auf Heathrow zeigte. Den Ziffern entnahm er, dass es noch zwanzig

Meilen bis zur Landung waren. Es war zwölf nach sechs.

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Die Mannschaft im Cockpit konnte die noch dunklen Felder von Berkshire

unter sich sehen und die Lichter von Windsor Castle. Die Fahrwerke wurden

ausgefahren und die Landeklappen nacheinander auf den erforderlichen Winkel von

fünfundzwanzig Grad gestellt. Für einen Beobachter vom Boden schien der Jumbo

fast bewegungslos über den letzten Asphaltmeilen zu schweben, dabei flog er immer

noch mit hundertsiebzig Knoten Geschwindigkeit, die allerdings langsam gedrosselt

wurde, während sie an Höhe verloren.

Zehn Minuten später brachte Adrian Fallon den Riesenvogel neben einer

fahrbaren Passagierbrücke endgültig zum Stehen, legte die Feststellbremse ein und

ließ den Ersten Offizier die abschließenden Arbeiten erledigen. Die Stromversorgung

wurde wieder auf die Hilfsturbine umgestellt, weshalb die Kabinenlichter einmal kurz

aufflackerten, um sofort wieder hell zu leuchten. Unter ihm sah das Bordpersonal des

vorderen Flugzeugteils das klaffende Maul der Passagierbrücke auf sich zukommen.

In dem Moment, als sie mit einem dumpfen Geräusch auf den Flugzeugrumpf traf,

wurde die Tür aufgerissen.

Draußen stand ein junger Mann im Overall des technischen Bodenpersonals.

Als er Harry Palfrey erblickte, zog er eine Augenbraue hoch.

“Chefsteward?”

“Der Brief?”

Der junge Mann nickte. Palfrey drückte ihm zwei zusammengefaltete Bogen

Papier in die Hand, und der Mann verschwand. Der Chefsteward drehte sich mit

einem routinierten Lächeln zu den Passagieren der ersten Klasse um, die hinter ihm

warteten.

“Auf Wiedersehen, Sir, ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.”

Sie begannen einzeln an ihm vorbeizugehen. Der Achte in der Reihe war der

untadelig gekleidete Mr. Hugo Seymour, der sich zu dieser frühen Morgenstunde

schon durch sein perfektes Äußeres als ein Mann “von Klasse” auszeichnete. Harry

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Page 31: Ein pflichtbewusster Bürger

Palfrey hoffte aufrichtig, dass der dumme Mensch im hinteren Teil der Maschine ihm

keine Unannehmlichkeiten bereiten würde.

Nach der ersten Klasse kamen die Passagiere der Club Class. Einige von

ihnen stolperten aus den hinteren Reihen herbei, andere stiegen die Treppen von oben

hinunter. Dahinter standen dicht an dicht die Reisenden der Touristenklasse. Obwohl

sie noch zehn Minuten warten mussten, drängten sie wie eine Viehherde dem

Ausgang entgegen.

Zu dieser frühen Stunde wirkte die Ankunftshalle wie eine riesige dunkle

Höhle. Eine lange Reihe Passbeamte wartete hinter den Schaltern auf die

Menschenmenge, die bald auf sie zurollen würde. Über den Schaltern befand sich auf

einer Seite eine Spiegelwand. Es handelte sich um einen Doppelspiegel, hinter dem

sich ein Raum befand. Dort stand Bill Butler und schaute nach unten.

An den Schaltern unter ihm saßen zehn Passbeamte. Zwei von ihnen waren

für die Pässe von Briten und Reisenden aus der Europäischen Union zuständig, die

übrigen acht für den Rest der Welt. Einer seiner Assistenten hatte alle instruiert. Die

Zusammenarbeit zwischen den Einwanderungsbehörden und dem Zoll lief seit jeher

gut, außerdem hatten diese ungewohnten Instruktionen der langweilige Morgenroutine

ein wenig Würze verliehen. Nur vier Passagiere der ersten Klasse kamen aus

Großbritannien, die anderen waren Thailänder oder Australier. Die vier britischen

Bürger brauchten nur Sekunden, um die für sie zuständige Kontrolle zu passieren. Als

der dritte von ihnen seinen Pass zurückbekam, hob der Beamte kaum merklich den

Kopf und nickte in Richtung Spiegel. Bill Butler hielt den anonymen Brief in der

Hand. Es gab nur einen Passagier in einem cremefarbenen Seidenzug: Hugo Seymour.

Butler sprach hastig etwas in ein kleines Funkgerät.

“Er kommt jetzt raus. Cremefarbener Seidenanzug. Diplomatenkoffer aus

Krokodilleder.”

Ranjit Gul Singh war ein Sikh. Außerdem hatte er ein

geisteswissenschaftliches Universitätsstudium in Manchester absolviert und eine

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Ausbildung bei der Zollbehörde gemacht. Jetzt arbeitete er in der “Schlagtruppe” mit.

Einem unbeteiligten Beobachter wären die beiden letzten Eigenschaften an diesem

Morgen nicht aufgefallen. Er stand mit Kehrblech und Besen bewaffnet im langen

Gang hinter der Passkontrolle. Über einen winzigen Kopfhörer in seinem rechten Ohr

erhielt er Butlers Anweisungen. Wenige Sekunden später huschte ein cremefarbener

Seidenanzug an seinem gesenkten Kopf vorüber.

Singh sah den Geschäftsmann in der Herrentoilette, die sich ungefähr in der

Mitte des Gangs befand, verschwinden. Leise murmelte er etwas in seinen linken

Ärmel.

“Er ist direkt auf die Herrentoilette zugesteuert.”

“Folgen Sie ihm, und sehen Sie nach, was er dort macht.”

Der Sikh betrat die Herrentoilette und fegte etwas Müll auf sein Kehrblech.

Der Mann im cremefarbenen Seidenanzug hatte keine der Toilettenkabinen betreten,

sondern wusch sich die Hände. Gul Singh zog einen Lappen hervor und begann die

Waschbecken zu putzen. Der andere Mann beachtete ihn nicht weiter. Während der

Sikh eifrig seiner niedrigen Aufgabe nachging, überprüfte er, ob sich jemand in einer

Toilettenkabine versteckt hatte. War dies eine vereinbarte Zusammenkunft, eine

Übergabe? Er polierte noch immer die Waschbecken, als der Geschäftsmann sich die

Hände abtrocknete, seinen Koffer nahm und ging. Es war zu keinen Treffen

gekommen. Singh berichtete es Bill Butler.

In dem Moment winkte einer der Passbeamten an den Schaltern für

Nichtengländer einen abgerissenen Hippie weiter und warf einen vielsagenden Blick

in Richtung Spiegelwand. Butler verstand das Signal und sprach wieder in sein

Funkgerät. Im Gang zur Zollabfertigung stand eine junge Frau, die ebenfalls aus dem

Flugzeug zu kommen schien, was aber nicht stimmte. Sie machte sich gerade an ihrem

Schuh zu schaffen, richtete sich dann auf und sah die Jeans und das Jeanshemd vor

sich. Sie folgte dem Hippie.

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Als Hugo Seymour wieder in den Flughafengang trat, war er dort nicht mehr

allein, sondern mitten unter den Passagieren der Touristenklasse. Er versucht Zeit zu

schinden, dachte Bill Butler, um in der Menge unterzutauchen. Aber warum trug er

dann einen Anzug, mit dem er aus jeder Menschenmasse hervorstach? In dem

Moment ging ein weiterer anonymer Anruf ein. Butler erhielt die Nachricht über sein

Funkgerät.

“Die Stimme klang amerikanisch”, teilte man ihm aus der Telefonzentrale

mit. “Der Anrufer behauptete, ein kanadischer Hippie in Jeans und Jeanshemd mit

ungepflegten langen Haaren und dünnem Bart habe eine besondere Fracht in seinem

Rucksack. Dann hängte er auf.”

“Wir sind schon hinter ihm her”, sagte Butler.

“Das war schnell, Boss”, erwiderte der Mann aus der Telefonzentrale

bewundernd. Butler eilte durch Gänge, die der Öffentlichkeit verschlossen blieben,

um hinter einem anderen Doppelspiegel Position zu beziehen, der sich diesmal in der

Zollabfertigung befand, und zwar in der Nähe der grün markierten Schleuse unter dem

Schild “Nichts zu verzollen”. Es wäre mehr als überraschend, wenn einer der

Verdächtigen auf den rot markierten Ausgang zugehen würde.

Butler freute sich über den zweiten anonymen Anruf. Er passte genau ins

Muster. Der Hippie war tatsächlich ein typischer Köder, während der ehrbare

Geschäftsmann die Ware hatte. Kein schlechter Trick, doch diesmal würde es nicht

funktionieren. Das verdankten sie einem pflichtbewussten Bürger mit wachem Blick

und einem Hang zum Schnüffeln.

Das Gepäck aus Bangkok lief über Band Nummer 6, um das sich bereits über

zweihundert Personen geschart hatten. Die meisten hatten sich Gepäckwagen aus dem

hinteren Teil der Halle besorgt. Auch Mr. Seymour stand unter ihnen. Sein schwerer

Lederkoffer war als einer der ersten auf dem Band erschienen, doch da war er noch

nicht in der Halle gewesen. Die anderen Passagiere der ersten Klasse waren bereits

verschwunden. Der Lederkoffer hatte schon zwanzigmal die Runde gemacht, doch er

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vermied es, ihn anzublicken, und starrte statt dessen auf die Öffnung, die das Gepäck

ausspuckte.

Keine zehn Schritte von ihm entfernt stand der Hippie Donovan und wartete

noch immer auf seinen großen schwarzen Rucksack. In dem Moment trat Mr. Higgins

mit Frau und Tochter auf das Band zu. Er schob nicht einen, sondern gleich zwei

Gepäckwagen. Julie, die das erste Mal eine Fernreise gemacht hatte, bestand darauf,

für ihren kleinen Koffer und Pooky einen eigenen Wagen zu haben.

Die kreisenden Gepäckstücke wurden eines nach dem anderen von ihren

Besitzern identifiziert, ergriffen und vom Band auf den Gepäckwagen gehoben. Vor

der grünen Schleuse hatte sich bereits eine Schlange gebildet, die jetzt, nachdem auch

die Reisenden aus zwei weiteren Jumbos eingetroffen waren, immer länger wurde. Es

handelte sich hauptsächlich um Amerikaner und ein paar Briten, die über Miami aus

ihrem Karibikurlaub zurückkehrten. Ein Dutzend uniformierter Zollbeamter

beobachtete sie mit gespielt gelangweilter Mine. Einige waren am Gepäckband

postiert, andere in der Schleuse.

“Da ist er, Daddy.”

Mehrere Passagiere blickten auf und lächelten nachsichtig. Julie Higgins

Koffer war nicht zu verwechseln. Es war ein mittelgroßes Gepäckstück der Marke

Samsonite, das aber über und über mit Stickern ihrer Lieblingshelden aus

verschiedenen Trickfilmserien beklebt war. Fast im selben Augenblick erschienen die

beiden großen Reisetaschen ihrer Eltern. Der ordentliche John Higgins türmte sie so

auf den Wagen, dass sie nicht herunterrutschen konnten.

Der Hippie entdeckte seinen Rucksack, schwang ihn sich über die Schultern

und ging auf die grüne Schleuse zu. Jetzt holte sich auch Mr. Seymour seinen

Lederkoffer, legte ihn auf einen Gepäckwagen und folgte dem Hippie. Bill Butler

stand hinter dem Spiegel bei der grünen Schleuse und beobachtete, wie die

morgenmüde Menschenkarawane an ihm vorüberzog.

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In der Halle sprach ein herumstehender Gepäckträger kurz etwas in seinen

Ärmel.

“Sie kommen. Zuerst der Hippie, zehn Schritte hinter ihm der Seidenanzug.”

Der Hippie kam nicht weit. Er hatte den halben Weg zum Schleuseneingang

zurückgelegt und sah in der Ferne bereits den ersehnten Flughafenausgang, als zwei

uniformierte Zollbeamten ihm den Weg verstellten. Sie waren natürlich höflich.

Ausgesprochen höflich.

“Entschuldigen Sie, Sir, könnten Sie uns bitte begleiten?”

Der Kanadier explodierte.

“Was zum Teufel soll das heißen?”

“Bitte kommen Sie einfach mit uns, Sir.”

Der Kanadier begann zu schreien.

“Jetzt reicht es aber, verdammt noch mal. Nach dreizehn Stunden in diesem

gottverdammten Flieger kann ich solchen Scheiß nicht brauchen, kapiert!”

Die Schlange hinter ihm kam einen Moment lang ins Stocken. Dann versuchte

jeder woandershin zu blicken und so zu tun, als sei nichts passiert, eine typisch

britische Reaktion, wenn jemand eine Szene macht. Die Schlange bewegte sich weiter

vorwärts und mit ihr Hugo Seymour.

Dem Kanadier wurden der kleine und der große Rucksack abgenommen. Als

man ihn durch eine Tür in eines der Durchsuchungszimmer schob, schrie und

protestierte er noch immer. Die Schlange blieb jetzt in Bewegung. Der Geschäftsmann

im cremefarbenen Seidenanzug hatte schon fast die Schleuse passiert, als er ebenfalls

angehalten wurde. Zwei Beamten stellten sich ihm in den Weg, zwei weitere traten

hinter ihn.

Anfangs schien Mr. Hugo Seymour gar nicht zu begreifen, was geschah. Dann

wurde er blass, seine Sonnenbräune wechselte ins Aschfahle.

“Ich verstehe nicht ganz. Gibt es ein Problem?”

“Wenn Sie bitte so freundlich wären, uns zu folgen, Sir.”

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Auch er wurde weggeführt. Hinter dem Spiegel seufzte Bill Butler laut auf.

Jetzt hatten sie einen dicken Fisch an der Angel – und den Koffer samt Inhalt. Das

Ende der Jagd.

Sie brauchten drei Stunden. Butler wechselte ständig zwischen den beiden

Räumen hin und her und wurde immer frustrierter. Wenn der Zoll ein Gepäckstück

auseinander nimmt, finden sie wirklich alles. Wenn es etwas zu finden gibt. Beide

Rucksäcke waren geleert und das Innerste nach außen gekehrt worden. Bis auf

mehrere Päckchen Lucky Strikes hatten sie nichts gefunden. Bill Butler überraschte

das nicht. Köder hatten nie etwas dabei.

Wer ihn verblüffte, war Hugo Seymour. Ein Dutzendmal hatten sie den

Lederkoffer durch die Röntgenmaschine geschoben und erfolglos nach verborgenen

Fächern gesucht. Nichts. Dann war der Krokodilkoffer derselben Prozedur unterzogen

worden. Ihr einziger Fund war ein Röhrchen mit Magentabletten der Marke Bisodol

gewesen. Zwei von ihnen wurden zerdrückt, um das Pulver chemisch untersuchen zu

können. Seymour musste sich ausziehen und einen Plastikoverall überstreifen,

während seine Kleidung geröntgt wurde. Dann wurde auch er geröntgt, um

sicherzugehen, dass er nichts im Körper transportierte. Nur Fehlanzeigen.

Gegen zehn Uhr mussten sie die beiden Männer im Abstand von fünfzehn

Minuten gehen lassen. Seymour drohte ihnen mittlerweile lautstark mit seinem

Anwalt, wodurch Butler sich aber nicht beeindrucken ließ. Das taten sie alle.

Schließlich hatte niemand eine Vorstellung davon, wie weitreichend der Einfluss

seiner Behörde war.

“Sollen wir sie verfolgen, Boss?”, fragte sein düster dreinblickender

Stellvertreter. Butler dachte einen Moment lang nach, schüttelte dann aber den Kopf.

“Ich glaube, es war eine Falschinformation. Wenn sie zu Unrecht denunziert

wurden und unschuldig sind, verfolgen wir sie umsonst. Wenn sie aber doch Dreck

am Stecken haben, werden ihre Hintermänner jetzt so schnell keinen Kontakt zu ihnen

aufnehmen. Lassen wir es. Nächstes Mal.”

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Der Kanadier, der als erster freigelassen wurde, fuhr mit dem Flughafenbus

nach London und checkte sich in einer schmutzigen Absteige in der Nähe des

Bahnhofs Paddington ein. Mr. Hugo Seymour fuhr mit dem Taxi zu einem wesentlich

teureren Hotel.

Um kurz nach zwei erhielten drei Männer in verschiedenen Straßen Londons

einen Anruf. Jeder von ihnen stand wie verabredet in einer öffentlichen Telefonzelle.

Jeder bekam den Auftrag, sich unter einer bestimmten Adresse zu melden. Einer von

ihnen erledigte selbst einen Anruf, bevor er sich wie die anderen auf den Weg zu

seiner Verabredung machte.

Um vier Uhr saß Bill Butler allein in seinem Auto vor einem teuren

Apartmentblock. Es waren Wohnungen, die man für eine Woche oder sogar nur für

einen Tag mieten konnte.

Um fünf nach vier hielt hinter ihm der neutral aussehende Transportwagen,

auf den er gewartet hatte. Er spuckte zehn Männer seiner Schlagtruppe aus. Sie hatten

keine Zeit mehr für Instruktionen. Vielleicht hatte die Bande einen Wachposten

aufgestellt. In den dreißig Minuten, die er jetzt vor dem Haus stand, hatte sich

allerdings kein einziger Vorhang bewegt. Im Eingang gab es eine Rezeption, an der

aber niemand saß. Butler postierte zwei enttäuschte Männer vor den Lifttüren und

ging mit den anderen die Treppe hinauf. Die Wohnung befand sich im dritten Stock.

Die Schlagtruppe hielt nicht viel von Formalitäten. Mit einem einzigen Stoß

zertrümmerte der Rammbock das Türschloss, und sie waren drinnen. Junge,

durchtrainierte Einsatzkräfte – hoch motiviert, aber ohne Waffen.

Die fünf Männer in dem angemieteten Wohnzimmer versuchten erst gar nicht,

sich zu wehren. Das plötzliche und unerwartete Eindringen der Männer hatte sie

völlig überrascht. Butler trat als Letzter ein. Er hatte die Situation völlig im Griff und

ließ seine Leute die Innentaschen der Männer nach Papieren durchsuchen. Als Erstes

nahm er sich den finster dreinblickenden Amerikaner vor.

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Stimmproben sollten später ergeben, dass er der Mann war, der in einem

anonymen Anruf den kanadischen Hippie bei der Zollbehörde in Heathrow denunziert

hatte. In der Tasche neben ihm befanden sich sechs Kilo Stoff, den sie als feinstes

kolumbianisches Kokain identifizieren würden.

“Mr. Salvatore Bruno, ich verhafte Sie wegen des dringenden Verdachts, in

konspirativer Zusammenarbeit mit anderen eine verbotene Substanz in dieses Land

eingeführt zu haben ...”

Nachdem die Formalitäten geregelt waren, wurde der Mann aus Miami in

Handschellen abgeführt. Als Nächstes nahm sich Butler den Hippie vor, der als Köder

gedient hatte. Als der mürrische Kanadier aus der Wohnung geführt wurde, rief Butler

seinen Kollegen nach: “In mein Auto. Mit dem will ich mich noch unterhalten.”

Mr. Hugo Seymour hatte sich umgezogen und trug jetzt statt des

Seidenanzugs ein Tweedjackett und Hosen, die besser für das englische Wetter im

späten Januar geeignet waren. Der zweite Köder. Er wurde um einen Stapel

Fünfzigpfundnoten erleichtert, der sich auf zehntausend Pfund belief. Sein Lohn für

die Mitarbeit in dieser Operation. Auch er wurde widerstandslos abgeführt. Butler

wandte sich an die letzten beiden Männer.

Die Ware lag zwischen ihnen auf dem Tisch und befand sich noch immer in

dem Gepäckstück, in dem sie durch den Zoll gekommen war. Der falsche Boden war

herausgerissen worden und gab das Fach darunter frei. Darin lagen Plastiktüten mit

zwei Kilogramm weißem Pulver: Heroin der Marke Thai White, wie später bestätigt

wurde. Die Sticker mit den Comicfiguren waren noch immer deutlich zu sehen.

“Mr. John Higgins, ich verhafte Sie wegen des dringenden Verdachts, in

konspirativer Zusammenarbeit mit anderen eine verbotene Substanz in dieses Land

eingeführt zu haben ...”

Man musste den pflichtbewussten Bürger ins Badezimmer begleiten, wo er

sich übergab. Als auch er abgeführt worden war, wandte sich Butler an den letzten

Mann, der den Bangkok-Drogendeal organisiert hatte. Er saß am Fenster und starrte

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düster in den Londoner Himmel - ein Anblick, der ihm in Zukunft wohl eine Weile

versagt bleiben würde.

“Hinter dir war ich schon lange her, mein Freund.”

Er erhielt keine Antwort.

“Eine raffinierte Masche. Nicht ein Köder, sondern zwei. Und hinter den

beiden trottete der unschuldige Mr. Higgins mit seiner molligen Frau und der

entzückenden Tochter, die dem Aufruhr in der grünen Schleuse aus dem Weg

gingen.”

“Bringen Sie’s hinter sich”, herrschte der Mann den Polizisten an.

“In Ordnung. Mr. Harry Palfrey, ich verhafte sie wegen des ...”

Von seinen letzten beiden Männern ließ Butler die Mietwohnung auf

Beweismittel durchsuchen. Vielleicht hatten die Männer in den Sekunden, als die Tür

aufgebrochen wurde, noch etwas weggeworfen. Butler selbst stieg die Treppe

hinunter und ging zu seinem Auto. Vor ihm lag noch eine lange Nacht mit viel Arbeit,

aber es war eine Arbeit, die er gern machte. Seine Vertretung saß am Steuer des

Wagens, deshalb stieg er hinten ein und nahm neben dem schweigenden Kanadier

Platz.

“Wir haben noch ein paar Dinge zu klären”, begann Butler, als das Auto

losfuhr. “Wann haben Sie erfahren, dass Seymour in diesem Doppelbluff ihr Partner

war?”

“Erst gerade in der Wohnung”, antwortete der Hippie.

Butler war wie vom Blitz getroffen.

“Und was ist mit der Unterhaltung, die Sie mitten in der Nacht vor der

Toilettentür führten?”

“Was für eine Unterhaltung? Welche Toilette? Ich habe ihn noch nie zuvor

gesehen.”

Butler lachte, was selten genug vorkam.

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“Natürlich. Ich entschuldige mich für das, was wir Ihnen in Heathrow

zugemutet haben, aber Sie kennen ja die Regeln. Ich konnte Ihre Identität dort noch

nicht lüften. Und danke auch für den Anruf. Gute Arbeit, Sean. Heute Abend geht das

Bier auf meine Rechnung.”

Aus dem Englischen von Karl Laurenz

First published 2001 by Online Originals, London and Bordeaux Copyright © Frederick Forsyth, 2001 Copyright © der deutschen Ausgabe 2001 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH

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