10
,(Aus der I. )Iedizinischen Abteilung des Krankenhauses Wieden in Wien [Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Maximilian Sternberg] und dcm Zcntralgewerbeinspektorate im Bundesministerium ffir soziale Verwaltung in Wien.) Einige bemerkenswerte F~ille yon Silikose. Von Dr. Jenny Adler-Herzmark und Dr. Alfred Selinger. Mit 3 Textabbildungen. (Eingeganffen am 19. Dezember 193A) Heute gilt es allgemein als feststehend, dal~ es die freie Kiesels/~ure ist, welche die eigentliche Staublungenerkrankung hervorruft. Wit hatten Gelegenheit, eine Reihe yon Arbeitern aus Staubbetrieben zu untersuchen, die einerseits mit einem Materiale arbeiteten, dessen Quarzgehalt bis zu 96% betrug, andererseits einem Staube yon be- sonderer Feinheit ausgesetzt waren. ])as Zusammentreffen dieser beiden Umst~nde l/lilt es uns berechtigt erscheinen, die Untersuchungsbeftmde Zugleich mit einer kurzen Schilderung der Arbeitsverh/iltnisse mit- zuteilen. Der Quarzgehalt der in Betracht kommenden Staubarten wurde jeweils yore Mineralogischen Institute der Technischen Hoch- schule in Wien festgcstellt, wofiir wir dem Institute unseren besten Dank aussprechen. Der gr613ere Teil der untersuehten Arbeiter, darunter die schwersten iFiille, stammen aus einem Quarzbergbau. Es handelt sieh um einen .Untertagbau, der ira allgemeinen gut bewettert ist. In den blinden Stollen, an den eigentliehen Arbeitspl/~tzen tier H/s ist aber die Luftbewegung gering. Die Arbeit erfolgt in einer Schicht; nach Be- iendigung der Schicht werden die Sprengungen durchgeffihrt, so da{] eine besondere Staubsch~idigung yon der Sprengung fiir die am n~ichsten :]V[orgen antretenden Arbeiter nicht zu gew/s ist. Die Bohrung erfolgt durch Prel~luftbohrer, die mit einem Drueke yon 6 Atmosph/iren betrieben werden. I)a das Gestein laut Angabe des Betriebes 96 % Quarz enth/ilt, mithin den tt~rtegrad 7 aufweist, ist es verstSndlich, dab bei der Bohrung unter dem oben erw~ihnten hohen I)ruck ein besonders feiner Staub entsteht. Zur Entfernung des hinderlichen Bohrstaubes werden 3 verschiedene Methoden angcwendet: 1. solide Bohrer mit Schnecke, 2. Bohrer mit zentraler Luftspiilung, 3. Bohrer mit zentra!er

Einige bemerkenswerte Fälle von Silikose

Embed Size (px)

Citation preview

,(Aus der I. )Iedizinischen Abteilung des Krankenhauses Wieden in Wien [Vorstand: Hofrat Prof. Dr. Maximilian Sternberg] und dcm Zcntralgewerbeinspektorate im

Bundesministerium ffir soziale Verwaltung in Wien.)

Einige bemerkenswerte F~ille yon Silikose.

Von Dr. Jenny Adler-Herzmark und Dr. Alfred Selinger.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingeganffen am 19. Dezember 193A)

Heute gilt es allgemein als feststehend, dal~ es die freie Kiesels/~ure �9 ist, welche die eigentliche Staublungenerkrankung hervorruft . Wit ha t ten Gelegenheit, eine Reihe yon Arbeitern aus Staubbetrieben zu untersuchen, die einerseits mit einem Materiale arbeiteten, dessen Quarzgehalt bis zu 96% betrug, andererseits einem Staube yon be-

sonderer Feinheit ausgesetzt waren. ])as Zusammentreffen dieser beiden Umst~nde l/lilt es uns berechtigt erscheinen, die Untersuchungsbeftmde Zugleich mi t einer kurzen Schilderung der Arbeitsverh/iltnisse mit- zuteilen. Der Quarzgehalt der in Betracht kommenden Staubar ten wurde jeweils yore Mineralogischen Inst i tu te der Technischen Hoch- schule in Wien festgcstellt, wofiir wir dem I n s t i t u t e unseren besten D a n k aussprechen.

Der gr613ere Teil der untersuehten Arbeiter, darunter die schwersten iFiille, s tammen aus einem Quarzbergbau. Es handelt sieh um einen .Untertagbau, der ira allgemeinen gut bewettert ist. In den blinden �9 Stollen, an den eigentliehen Arbeitspl/~tzen tier H/s ist aber die Luf tbewegung gering. Die Arbeit erfolgt in einer Schicht; nach Be- iendigung der Schicht werden die Sprengungen durchgeffihrt, so da{] eine besondere Staubsch~idigung yon der Sprengung fiir die am n~ichsten :]V[orgen antretenden Arbeiter nicht zu gew/s ist. Die Bohrung erfolgt durch Prel~luftbohrer, die mit einem Drueke yon 6 Atmosph/iren betrieben werden. I)a das Gestein laut Angabe des Betriebes 96 % Quarz enth/ilt, mithin den t t~r tegrad 7 aufweist, ist es verstSndlich, dab bei der Bohrung unter dem oben erw~ihnten hohen I)ruck ein besonders feiner Staub entsteht. Zur Entfernung des hinderlichen Bohrstaubes werden 3 verschiedene Methoden angcwendet: 1. solide Bohrer mit Schnecke, 2. Bohrer mit zentraler Luftspiilung, 3. Bohrer mit zentra!er

J. Adler-Herzmark und A. Selinger : Einige bemerkenswerte F/~lle yon Silikose. 59

Wasserspiilung. Die Bohrer mit Wasserspfilung wurden wegen der umstttndlicheren }tandhabung in diesem Betriebe bisher nur wenig verwendet. Beim Bohren nach aufw/irts wurden vorwiegend Bohrer mit Luftspiilung, beim Bohren ,,ins Gesenke" haupts~ichlich Schnecken- bohrer verwendet, ein Umstand, der die Verstaubung bei Luftspiilung besonders erh6ht. Die FSrderer verbringen nur einen geringen Teil ihrer Arbeitszeit ,,vor Ort" (in der N/the der Bohrstelle). Wir erw/ihnen dies, weil die untersuchten Bergarbeiter 1/~ngere Zeit als F6rderer und :dann relativ kurze Zeit als }I~uer t/~tig waren. Die Temperatur in der Grube wird yon den Arbeitern als angenehm empfunden. Atemschiitzer ~ 'erden nicht ge~ragen.

U m ein ungefis Urteil fiber den relativen Verstaubungsgrad der in Betracht gezogenen Betriebe zu haben, wurden Staubw@ungen yon Proben vorgenommen, welehe wir mit dem Bursteinschen Konimeter (Gigiena t ruda 1926, Hef t 1) nach der Inhalat ionsmethode gewonnen hatten. Es handelt sieh um einen kleinen Nasenatmungsappara t aus Glas, wobei die Einatmungsluf t der Versuchsperson durch eine Vorlage yon Glaswolle streicht. Die W/~gungen erfolgten in der Sozialhygienischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Reichel) des Hygienisehen Inst i tutes der Wiener Universitat . Wir wurden bei tier Zusammenstellung des Apparates und bei der Ausffihrung der Untersuchungen dutch Herrn Assistenten Dr. Schiinzel auf das freundliehste unterstiitzt, wofiir wir ihm, wie aueh seinem Vertreter, Herrn Dr. Pilz, auch an dieser Stelle herzlichst danken. Die Staubinhalationsprobe, in dieser Weise gemessen, ergab bei den soliden Bohrern mit Sehneeke in einem Meter Entfernung vom Bohr- loeh 3,4 mg in 30 Minuten, bei Bohrern mit zentraler LuftspSlung in MundhShe des Arbeiters 230,8 mg in 30 Minuten, bei Bohrern mit zen- traler Wasserspiilung in MundhShe 1,32 mg in 30 Minuten.

Zur Zeit unserer Erhebungen waren 12 Personen unter Tag be- sch~ftigt, tells als H/~uer, teils als FSrderer; yon dieser Belegschaft wurden 11" untersueht. AuBerdem waren 4 Bergarbeiter wegen Lungen. erkrankung seit Monaten arbeitsunf/~hig und im Krankenstande, 3 der- selben konnten wit untersuchen. Auch den Betriebsleiter, der sieh t~glieh 2- -3 Stunden in der Grube aufhielt, haben wir in unsere Reihe einbezogen. Ffir die Beurteilung yon Lungenerkrankungen ist die .R6ntgenphotographie unerlSIMieh. Sie wurde daher in jedem einzelnen Falle im ROntgeninstitute des Krankenhauses Wieden vorgenommen. Wit sind dem Vorstand dieses Insti tutes, Herrn Dozenten Dr. Fritz Eisler, und dem Assistenten, Herrn Dr. Erwin Klein, zu besonderem Dank verpflichtet.

Es wurden demnach aus dem geschilderten Quarzbergbau 15 Personen untersucht . Der Betriebsleiter und 8 Arbeiter wiesen einen negativen ~Lungenbefund auf. Von diesen Arbeitern hat ten 3 ungef/~hr 3 Monate

60 J. Adler-Herzmark und A. Selinger:

als H~uer , die res t l iche Arbe i t sze i t , d ie sich in den me i s t en F~l len auf mehre re J a h r e e rs t reckte , als F6 rde re r gearbe i t e t . Al le diese A r b e i t e r w a r e n vor ihrer E ins te l lung in den Qua rzbe rgbau im K o h l e n b e r g b a u besch~f t ig t gewesen, zum Teile bei re iner Ges te insarbe i t .

Von den res t l ichen 6 Arbe i t e rn h a t t e n 4 reine Silikose, e iner Sil ikoso kompl i z i e r t du rch Tuberku lose und e iner ausgebre i t e t e Tuberku lose ohne deu t l i che Zeichen yon Silikose. Auch diese A r b e i t e r h a t t e n vo rhe r zum Teile Ges te insa rbe i t ve r r i ch te t . I m fo lgenden br ingen wi t e inen Aus- zug aus den Un te r suchungsp ro toko l l en dieser 6 pos i t iv be fundenen F~ l l e :

.Fall 1. A.L. , 4~ Jahre alt, durch 12 Jahre bei Gesteins/6rderung im Tagbau, na~hher dutch 38 Mvnate als Hduer im Quarzbergbau beim Bohren mi~ Luf~spiilung, wie oben geschildert, besch~ftigt.

Abb. 1.

Untersuch$ am 18. IV. 1931. Seit l~ngercr Zelg Husten, wenig Auswurf, nie Bluthusten. Seit 10 Monaten auBer Arbeit. Vor 5 Monaten Auftreten von schwerer Atenmot. Kein Fieber, keine NachtschweiBe bis auf die allerletzte Zeit, wo sowohl NachtschwciBc als auch Temperatursteigerungen bis 37,6 ~ auftreten. Die Atem- not wird unertr~glich.

KSrperlt~nge 167 cm, KSrpergewicht 58 kg, abgemagert, muskelarm, bla6. Cyanose des Gesichtes und der Mundschleimhaut. Staxke Pulsation der Hals-

Einige bemerkenswerte F~tlle yon Silikose. 61

venen. An beiden Halsseiten zahlreiche erbsengrofle Lymphome. Brustumfang 86/84, Atmungsfrequenz 34, Spirometrie 1000 ccm. Lunge: Schallverkfirzung in beiden Supraclaviculargruben, beide unteren Lungengrenzen etwas tiefer stehend, die respiratorische Versehieblichkeit Iehlt vorne v611ig und ist hinten beiderseits gering. Von der Mitte der Scapula abw/irts beiderseits Schallverkfirzung. Ltber beiden Lungen vcrsch/~rftes A~men, vom Angulus scapulae abw/~rts beiderseits feuchte nicht klingende Rasselger~usche. Herz: Spitzenstol~ im 5. Intercostalraum etwas aul3erhalb der Mamillarlinie, geringc Verbrciterung des Herzens nach rechts, starke Akzentuation des 2. Pulmonaltones. Puls 88, systolischer Blutdruck 105 mm Hg. Der untere Leberrand fiberragt um einen Querfinger den Rippenbogen. An- deutung yon Trommelschlegelfingern. Leichtes 0dem beider Unterschenkel. Harn o.B. Im Sputum keine Tuberkelbacillen. (Abb. 1.)

R6ntgenbefund: Beide Lungenfelder zeigen ann~hernd symmetrisehe Ver- ~nderungen, sic sind diffus durchsetzt von zahlrcichen bis linsengrol~en, ziemlich scharf begrenzten KnOtchen; dieselben stehen dicbt gedriingt im Bereiche der Mittel- und Unterfelder, konfluieren im Bereiche des rechten Unterfeldes zu grSBeren Herden und nehmen spitzenwi~rts an Zahl ab. In den Spitzen finden sieh nur ganz vereinzelte Kn6tchen. Am Zwerchfcll beiderseits Zeltbildung. Sinus beiderseiLs durch Pleuranarben obliteriert.

Der Un~ersuchtr starb am 7. VII. 1931. Die Obduktion ergab schwere Silikose ohne Zeichen yon Tuberkulose. Wie uns vom Vorstande des Pathologisch-anato- misehen Institutes des Landeskrankenhauses in Graz mitgeteilt wurde, wird dcr bei diesem und einigen anderen an Silikose Verstorbenen erhobene pathologisch- anatomische Befund Gegenstand einer VerSffentlichung aus diesem Institute sein.

t'all 2. I .S. , 21 Jahre alt, 33/a Jahre als F6rderer, 3 Monate als Hduer beim Bohren (Wasserspfilung abwechselnd mit Luftspfilung). Vorher Landwirtschaft. Untersucht am 22. III. 1931. Auller Grippe keine wesentlichen Erkrankungen. Klagt fiber Atemnot und Husten, viel Auswurf, NachtschweiBe, Steehen im Rficken. Keine Gewiehtsabnahme.

Kfrperlange 164cm, KSrpcrgewicht 59kg. Magcr, Haut und sichtbare Sehleimhiiute blaB. Venenerweiterung an der vorderen Brustwand, ]3rustkorb normal gebaut, Brustumfang 86/78, Spirometrie 3300 ccm. Lunge: Grenzen an normaler Stelle, gut verschieblich, hypersonorer Perkussionsschall, etwas ver- sch~rftes Vesicu|/iratmen mit verl/~ngertem Exspirium, keine Nebcnger/~usche. Herz o.B. Puls 60, systolischer Blutdruck 125 mm ]-Ig. Im Sputum keine Tu- berkelbacillen, Ham o. B.

R(intgefibefund: Beide Ober- und Mittelfelder diffus fibersat yon zahlreichen bis steeknadelgrol3en harten KnStchen. Das Maximum der Ver/~nderungen in den Mittelfeldern. Hilusschatten verbreitert (rechts Driisen ?). Sinus frei. Herz o.]3.

Fall 3. A.K. , 3I Jahre alt. 46 Monate im Quarzbergbau, davon 1 Jahr als ~6rderer, die iibrige Zeit als H~tuer beim Bohren mit Luftspfilung und Schnecken- bohrern. Vorher bei Tiefbohrung (staubfreie Arbeit).

Untersueht am 22. III. 1931. Familienanamnese belanglos, hatte vor 11 Jahren Lungenentziindung. Klag$ fiber Husten, hie und da 5IaehtschweiBe, kcine auf- fallende Gewiehtsabnahme.

Kfrperl/~nge 165 cm, Kfrpergewicht 67 kg. Blafl, leichte Cyanose der Lippen. ]3rustumfang 92/86, Spirometrie 3000 ccm. Lungengrenzen normal, gut ver- sehieblich, normaler Perkussionsschall, Vesicul/iratmen ohne Nebengcr/iusche, Herz o.B. Puls 60, systolischer Blutdruck 130 mm Hg. Im Sputum keine Tu- berkelbacillen, ttarn o.B. (Abb. 2.)

62 J. Adler-Herzmark und A. Selinger:

R6ntgenbefund- Beide Lungelffelder ganz ausgedehnt diffus durehsetzt von harten his stecknadelkopfgroBen, im Bereiche des rechten Mittelfeldes auch gr61~eren Kn6tchen. Hilusschatten verbreitert. Herz o. B.

Abb. 2.

Fall 4. F . P . , 40 Jahre alt, hat mit ](~hrlicken Unterbrechungen yon 3 - -4 Mo- naten seit 5 Jahren al~s Hi~uer mit Luftspiilung im Quarzbergbau gearbeitet. H a t vorher seit dem Jahre 1911 in Steinbriiehen, bei Tunnelbauten und zuletzt als Kesse]monteur gearbeitet.

Untersucht am 2. V. 1931. Familienanamnese belanglos. Bisher nie krank gewesen, gelegentlich Schmerzen in der Brust.

K6rpergr6Be 172 em, kraftig. Leiehte Cyanose der Lippen. Narbe naeh Strumektomie. Brustumfang 95/88, Atmungsfrequenz 22, Spirometrie 3600 ecm. Lunge o .B . Herz: Systolisehes Ger/~usch am lautesten im 5. linken Intercostal- raum. Puls 72, systolischer Blutdruck 145 mm Hg. Kein Sputum, Harn o. B.

RSntgenbefund: Im hilusnahen Teile der Unterfelder beiderseits netzfSrmige Streifenbildung, links deutlicher als reehts; links auI~erdem mehrere vorwiegend hart~ Herdsehatten; links subapika| mehrere harte hiluswarts ziehende Strange. Sonst Emphysem. Sinus beiderseits nicht spitz entfaltbar. Herz und Aorta o. B.

Fall 6. I. H., 45 Jahre alt, 15 Mona te als H~uer im Quarzbergbau beim Bohren mit .Lu]tsl~iilung, vorher durch 7 Jahre im Kohlenbergbau, dann 5 Jab_re beim Bohren im Kalksteinbruch.

Untersucht am 11. VI. 1931. Familienanamnese belanglos. Seit einem Jahre nicht in Arbeit. Bereits 4 Monate naeh Beginn der Arbeit im Quarzbergbau Husten mit viel Auswurf, kein Bluthusten. Naeh weiteren 3 Monaten Atemnot,

Einige bemerkenswerte F~lle yon Silikose. 63

bald danach Nachtsehweil3e und Temperaturen bis 38 ~ Seither unverminderte Beschwerdeu und auffallende Gewichtsabnahme.

KSrperl~nge 175 cm, kraftig. Leichte Kyphose der Brustwirbels~ule, Brust- umfang 97/92, Spirometrie 2100 ccm. Lunge: Untere Lungengrenzen gleich hoch, an norma]er Stelle, gut verschieblich. Normales Vesicul~ratmen. Herz o.B. Puls 106, sytolischer Blutdruck 125 mm Hg. An der Haut des Thorax Pityriasis versicolor. In der rechten Supraclaviculargrube Drtisen yon Linsen- bis Walnul~- grT[3e. Narben nach Appendektomie und Leistenbruchoperation. Im Harne Urobilinogen vermehrt, im Sputum keine Tuberkelbacillen.

RSntgenbefund: Beide Lungenfelder diffus iibers~t yon zahlreichen, dicht gedr~agt stehenden kleinsten bis fiber hirsekorngrol]en KnStchen; inl Bereiche des linken Unteffeldes konfluieren dieselben an einzelnen Stellen zu mehr um- schriebenen Herden. Im hilusnahen Bereiche des rechten Unterfeldes finden sich in umschriebener Ausdehnung zahlreiehe kleine Ringschatten (Peribronehitis? Bronchiektasien?). Zwerchfellwinkel links nicbt spitz entfaltbar. Leichte Sehrumpfung der linken Thoraxseite mit m~Biger Verziehung yon Mediastinum und Trachea naeh links. Hem verplumpt, sonst o. B.

Dieser Untersuchte starb am 22. IX. 1931. Die Obduktion ergab Silikose kom- biniert mit k~siger Pneumonie beider Lungen.

Fall6. I .B. , 31 gahre alt, 37 Monate im Quarzbergbau, in der ersten Zeit als F6rderer, dann als Hduer beim Bohren mit Lu[tspidung. Vortmr in der Landwirt- schaft besch~ftigt.

Untersucht am 11. VI. 1931. Vor der Quarzarbeit immer gesund gewesen, vor einem Jahre Rippenfellentziindung. Im Sommer 1928 begann er zu busten, naehdem er ein Jahr als FSrderer gearbeitet hatte. Damals wenig Auswurf, kein Fieber. Seit einem Jahre Gewichtsabnahme und Temperatursteigerung. Vor 7 Mona~en stell~e sieh Atemnot ein. In der Familie keine Tuberkulose.

K5rperl~nge 177 cm, Haut und sichtbare Sehleimh~ute blaB, Thorax flach, schmal. Brustumfang 95/91. Spirometrie 2100 ccm. Die physikalische Unter- suehung der Lunge ergibt den Befund einer beiderseitigen schweren chronischen Tuberkulose, mit Kavernen beiderseits. Im Sputum Tuberkelbaeillen. Herz o. B. Im Harne Urobilinogen vermehrt. Blutbefund: Erythroeyten 2600000, Sahli 50, Leukoeyten 12400, Anisoeytose. Systoliseher Blutdruck 120 mm Hg.

RSntgenbefund: Lunge: Rechts ausgedehnte infiltrative Verschattung des Ober- und Mittelfeldes und der hilusnahen Anteile des Unterfeldes; w~hrend die Verschattung im Bereiche des Oberfeldes mehr homogen, teils mehr fleckig er- scheint, ist sie im fibrigen Mittel- und Unterfeld mehr massiv und 1/iBt hier nur in den RandpaTtien einen fleekigen Chaxakter erkennen. DaM Spitzenfeld yon einem fiber g/~nseeigroBen Cavum eingenommen. Im axillarem Bereiehe des Mittelfeldes ein etwa marillengrol]es Cavum. Links dam Unterfeld ziemlich ausgedehnt zart- fleekig verdiehtet, l~l~t in seinem axillaren Bereiche ein etwa nul3groges Cavum mit horizontalem Niveau und dariiber noch ein zweites kleineres Cavum erkennen. Im iibrigen Lungenfeld (Ober- und Mittelfeld) verstreut vereinzelte zarte Fleck- sehatten. Zwercb_fellwinkel beiderseits nieht spitz entfaltbar. Herz o.B.

Tod am 19. VIII. 1931. Bei der Obduktion land sich eine beiderseitige kaver- nSse Lungentuberkulose.

Die F~l le 1---4, yon denen F a l l 1 zur O b d u k t i o n k a m , erweisen sich als reine Silikose, es e rgaben sich weder kl inisch noch rSntgenologisch

Anha l t spunk t e fiir das gleichzeit ige Bes tehen einer Tuberkulose. Man

s ieht wieder, dab es schwere tSdlich ver laufende F~lle yon Silikose

ohne Tuberkulose gibt . Auch in dem 5. Fa l l hande l te es sich um das

64 J. Adler-Herzmark und A. Selinger:

klinische Bild einer schweren Silikose. Bei der Untersuchung, die ungef~hr 3 Monate vor seinem Tode effolgte, wurden weder klinisch noch rSntgenologiseh sichere Zeiehen einer komplizierenden Tuberkulose gefunden. Mit Riicksicht auf die zum Tode fiihrende k~sige Pneumonie muB allerdings angenommen werden, dab vereinzelte tuberkulSse Herde bereits zum Zeitpunkte unserer Untersuchung bestanden haben. Die Abgrenzung soleher Herde bei gleichzeitig bestehender ausgebreiteter Silikose stSl~t bekanntlich auf uniiberwindliehe Schwierigkeiten.

Aui~er diesen yon uns untersuchten Arbeitern dieses Betriebes kamen uns 2 wei~ere, tSdlich verlaufene Fs yon Lungenerkrankungen aus diesem Bergbau zur Kenntnis. Der eine betraf einen im 44. Lebens- jahre verstorbenen Bergarbeiter, der 11 Jahre als Bohrer gearbeitet hat te , jedoch gr6fltenteils yon Hand, und erst in den letzten Jahren mit Prefllu/tbohrern. Ein fach~rztlicher Befund mit RSntgenunter- suchung, 4 Monate vor seinem Tode erhoben~ ergab offene Lungen- tuberkulose mit Verdacht auf gleichzeitig bestehende Silikose. Keine Obduktion. Der zweite Arbeiter war durch 8 Jahre als Handbohrer, dann nach 7j/~hriger Unterbreehung dureh 3 Jahre als Hdiuer beim JBohren mit Luftspiilung beschaftigt gewesen. Er ha t te seit Jahren gehustet und li t t seit mehr als einem Jahre an Atemnot. Er starb im Alter yon 51 Jahren am 29. V. 1931. Die Obduktion ergab ausgebreitete Silikose kombinier t mi t schwerer Tuberkulose.

AuBer diesen Bergleuten kamen noch einzelne Arbeiter aus mehreren anderen Betrieben zur Untersuchung. Der im folgenden wiedergegebene Befund betrifft einen Arbeiter aus einer Kieselffurgewinnung. Diese spielt sich folgendermaBen ab: Es wird im Tagbau die feuchte Kiesel- gurmasse gebrochen, deren Gehalt an Kiesels~ure im lufttrockenen Zustande mit 70,28 % befunden wurde. ])as Material wird getrocknet, dann zu verschiedenen Feinheitsgraden gemahlen und abgesaekt. ])as feinste Pulver kann als Puder fiir kosmetische Zwecke verwendet werden. Gr6~tenteils wird das Produkt als t~iltermaterial fiir ~lfilter in der Industr ie verwendet. Eine Inhalat ionsprobe mi t dem oben erw~hnten Appara t ergab am Arbeitsplatze des untersuchten Arbeiters wahrend der Absackung 33,4 mg in 30 Minuten. Der Arbeiter ha t te durch 8 Jahre in dem Raume gearbeitet, in dem sowohl die Offnung fiir das Beschieken der Miihle sich befindet, als auch die Absackung der fertigen Ware vor sieh geht. Diese erfolgt ohne besondere technische Schutzvorkehrungen gegen Verstaubung.

d. M., 41 Jahre alt. W/ihrend des Krieges und vor 3 Jahren Lungenspitzen- katarrh. 0fters Husten, nie Atemnot.

Untersucht am 22. VII. 1931. K6rperl~nge 161 cm, krikftig, Haut und sicht- bare Schleimhi~ute gut gefi~rbt, keine Cyunose. Pharyngitis. Brustkorb gut ge- forint. Umfang 94/87, Spirometrie 3200 com. Lunge und Herz o.B. Puls 68, systolischer Blutdruek 120 mm Hg. Kein Sputum. (Abb. 3.)

Einige bemerkenswerte F~tlle von Silikose. 65

RSntgenbefund. Lunge: Beiderseits symmetrisch in den hilusnahen Anteilen der Unterfelder, beinahe in Ausdehnung eines Handtellers, die Lungenzeichnung betr~chtlieh vermehrt, mit angedeutet wabiger Struktur und mit zahlreichen ein- gestreuten harten KnStehen, besonders links (Sehmetterlingsbild). Sonst Lungen- felder frei. Zarte Verdickung der Interlob~trpleura zwischen Ober- und Mittel- lappen reehts. Am linken Zwerchfell Zeltbildung. Links basal Pleuranarbe, reehter Zwerchfellwinkel Irei. Herz verplumpt, Aorta o. B.

Abb. 3.

E i n wei te re r F a l l be t r i f f t e inen Kol l e rgangarbe i t e r , de r sei t 8a/~ J a h r e n be im Zerkleinern yon Ckamotte, Ton und Magnesit besch/~ftigt ist . Von diesen Stof fen is t C h a m o t t e bekann t l i eh quarzh/ i l t ig . W i t h a b e n in d iesem Fa l l e keine q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g der Kiesels i iure gemaeh t , well es sich u m Mischungen mi t Ton und Magnes i t hande l t , d ie jeweils verseh ieden zusammengese t z t sind. Der Ko l l e rgang war n i ch t abgedeck t , dahe r war d ie V e r s t a u b u n g ziemlich s t a rk .

L .H. , 48 Jab.re alt. Unter~ueht am 21. IV. 1931. 1923 l~ippenfellentziindung, seit 2gahren

Husten und Heiserkeit, kcine ~achtschweiIle; in der Familie keine Tuberkulose. K6rperl~nge 165 era, hoehgradige Magerkeit. BlaB, subikterisehes Kolorit, leichte Cyanose der Lippen. W/~hrend der Aufnahme der Anamnese gerat Patient in st~rkere Atemnot. Zunge belegt, Raehen ger6tet~ troeken. Alte Recurrensl~hmung ]inks, Fixation der linken Larynxseite. Thorax lang, schmal, mi~flige rechtskonvexe Skoliose, linke Thoraxh~lfte abgeflaeht, bleibt bei der Atmung zurfiek, die Inter-

Archly f. Gewerbepa~h. u. Gewerbehyg. Bd. 3. 5

66 J. Adler-Herzmark und A. Selinger:

costalr&ume werden bei der Atmung tier eingezogen. Brustumfang 78/75, Respira- tion 32, Spirometrie 1400 ccm. Untere Lungengrenzen beiderseits etwas tiefer- stehend und wenig verschieblich, D/inlpfung in der linken Fossa supraclavicularis und hinten bis zur Spina scapulae. Sehallverkfirzung fiber der ganzen tibrigen linken Lunge. Rechts vorne hypersonorer Schall, hinten Dampfungsbezirk zwi- schen der Wirbels/~ule und dem Margo medialis scapulae in der HShe des 3. his 6. Bnlstwirbeldornes. In der linken Fossa supra- und infraclavicularis, sowie in der Fossa infraelavicularis rechts versch/ia'ftes Atmen mit verl/ingertem Exspirium und vereinzelten bronchitischen Ger/~uschen, sonst fiber beiden Lungen abge- schw/~chtes Atemger~tusch, basal beiderseits feinblaslges nicht klingendes l~asseln, tterzt~tigkeit sehr erregt (Puls 102), Herzgrenzen normal. Unreiner 1. Ton, stark akzentuierter 2. Pulmonalton. Systolischer Blutdruck 125 mm tIg. H/s kalt, cyanotisch, kcine Trommelschlegelfinger. Kein Sputum. Im ttarne nichts Ab- normes.

RSntgenbefund. Lunge: Ann/~hernd symmetrisch angeordnete Verdichtung, beinahe in der GrOl~e eines Handtellers, in den infraelavicul/tren Partien beiderseits. Links setzt sich die Verdichtung bis ins Spitzcnfeld fort, daselbst vereinzelte harte KnStchen. In den hilusnahen Partien des linken Oberfeldes zahlreiehe harte Strange und_ einzelne KnStchen. Im rechten Spitzenfeld einzelne Str/~nge. Die Lungen- zeichnung in beiden Lungelffeldern versti~rkt. Emphyscm. Am Zwerchfell beider- seits Zeltbildung, links ausgedehnter als rechts. Sehrumpfimg der linken Thorax- h~lfte mit betr/tehtlicher Verziehung des Mediastinums und der Trachea nach links. Herz o. t~.

SchlieBlich un~ersuchten wir 2 A r b e i t e r aus e inem Sandsteinbruch, von denen der eine 39 J a h r e als FSrdere r , de r andere 7 J a h r e be im Bohren mi t Luf t sp i i lung bei 6 Atmosph / i r en D r u c k gea rbe i t e t ha t t e . Die V e r s t a u b u n g in de r N~ihe der Bohrs te l le be t rug 22,5 mg in 30 Min. Der QuarzgehMt dieses Sands te ines be t r / ig t 70 %. Beide Arbe i t e r l iel]en Zeichen e iner Sil ikose vermissen.

Unsere Un te r suchungsbe funde , die an e inem kle inen, jedoch wegen des hohen Quarzgeha l tes und der Arbe i t svorg~nge be me rke nsw e r t e n Menschenmate r i a le gewonnen wurden , bes tS t igen die heu te a l lgemein a n e r k a n n t e n Anschauungen fiber die E n t s t e h u n g der Sil ikose. Der Quarzgeha l t yon 96% in dem y o n uns geschilder~en Be rgba u 1/s es beg re i f l i ehe r sehe inen , dab nach r e l a t i v kurze r A r b e i t s d a u e r so i iberaus sehwere zum Teil tSdl iche Si l ikosen en t s t anden sind.

Unsere E r f a h r u n g e n g e s t a t t e n uns auch eine S t e l l ungnahme zur F r a g e der ZweekmgBigkei t de r Wasserspiilung bei der .Bohrarbeit im Bergbau . Auffa l lend ungfinst ige Ergebnisse ze i t ig ten die U n te r suc hun - gen yon Teleky und seinen Mitarbeitern fiber das NaBschleifen. E r k l ~ r t werden diese ungi ins t igen Ergebnisse dami t , d a b das v e r s p r a y t e Wasse r ein gutes Vehikel fi ir die S t aub te i l chen abg ib t , V e r s t a u b u n g also nich~ ve rh inde r t . Dazu k o m m t noch, d a b der durch t r ockenen S t a u b hervor - gerufene Hus ten re i z wegf/~llt, dahe r schlieBlieh mehr S t a u b in die Lunge ge lang t als ohne Befeuchtung . Von e inem a nde re n Gedankengange ausgehend h a b e n auch die siida[rikanischen Arzte, welche die Arbe i t e r in den go ldf i ih renden Quarz lagern zu i ibe rwaehen haben , die abso lu te

Einige bemerkenswerte F/ille von Silikose. 67

Niitzliehkeit der Wasserspiilung in den letzten Jahren energiseh an- gefoehten. Wenn aueh die Zahl der Staublungenerkrankungen betr/ieht- lieh zuriiekgegangen sei, so stehe doeh die erschreekende Ausbrei~ung der Tuberkulose unter den Bergarbeitern mit der iibergrol~en Feuehtig- keit in den Gruben im Zusammenhang.

Demgegenfiber spreehen unsero Untersuehungen in eindeutiger Weise ffir die ~Votwendigkeit der Verwendung von Wasserspiilung beim Bohren im quarzhMtigen Gestein, denn der Unterschied in der Verstaubung zwisehen Luftspfilung und Wasserspiilung ist nach unseren Staub- w~igungen eklatant. Die Versprayung staubffihrender und eventuell bacillen~fihrender WassertrGpfchen ist beim Bohren mit Wasserspfilung viel weniger zu befiirchten als beim Nal3sehleifen, wo die tangentiale Abschleuderung in Betracht kommt. Die Verwendung yon Schnecken- bohrern kann wegen der geringeren Leistung derselben technisch keine grol]e l~olle spielen. Wir verweisen im tibrigen auf den in der Zeitschr. f. das Berg-, Hfitten- und Salinenwesen 79 (1931), erschienenen Bericht fiber das Ergebnis des Preisausschreibens fiir Bohrstaubbeki~mpfung, veranstaltet vom preul~isehen Minister fiir Handel und Gewerbe. Unter den Vorschl~gen ist besonders bemerkenswert die Verwendung yon Schaum zur Staubbek~mpfung.

DaB andererseits die Arbeit in der Grube in den blind endigenden G~ngen, in denen die Wetterfiihrung nicht vollkommen ausreichend ist, die Verbreitung der Tuberkulose unter der Belegschaft begiinstigen mul3, wenn auch nur ein bacillenhustender Arbeiter darunter ist, leuchtet ein.

Wir mfissen daher bei Arbeiten mit quarzh~iltigen Staub vom gewerbehygienischen Standpunkte verlangen:

1. Der Grad der Verstaubung und der Quarzgehalt des Staubes ist jeweils festzustellen.

2. Durch teehnische Mal3nahmen ist die Verstaubung soweit als mSglich zu verhindern.

3. Untersuchung der Arbeiter vor der Einstellung in den Betrieb mit obligatem RSntgenbefund, damit aueh LeichttuberkulSse aus- gesehieden werden.

4. Halbj~thrliche Kontrolle der eingestellten Staubarbeiter mit gleieh- zeitiger Wiederholung der RSntgenuntersuchung zur Ausscheidung so- wohl der an Tuberkulose als auch der an Silikose Erkrankten.

5. SchlieBlich ist zu verlangen, dal~ die Staublungenerkrankung, deren Charakter als Berufskrankheit wissensehaftlich einwandfrei fest- steht, in jenen L~ndern, in denen es noch nicht der Fall ist, in die Liste der entsch~digungspflichtigen Berufskrankheiten aufgenommen werde, und zwar entsprechend ihrer Entstehungsweise bei allen Arbeiten, bei denen Quarzstaub in gr61~erem Ausmal~e in Frage kommt.

5*