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138 Ludwig, Ehwirkung verdunnter S8uren auf eine Reihe von Bitterstoffen ; yon Prof. Dr. Hermann Ludwig in Jena. - Die Arbeiten Liebig’s und Wiihler’s lehrten im Amygdalin einen stickstoffhaltigen neutralen bittern Kor- per kcnnen, welcher durch Einwirkung des als Qalirungs- erreger wirkenden Einulsins (der Synaptase) in Bitter- mandelol, Blausadre und Zucker zerfiillt. Spater zeigte P i r i a die Spaltung des Salicins in Saliretin und lirumelzucker durcli Einwirkung verdiinn- ter Sauren auf diesen stickstofffreien neutralen Bitterstoff, bald auch die Trennung desselben Salicins in Saligenin und Kriiinelzucker unter dem Einfluss des Emulsins (Syn- sptns) der sussen Mandeln. Seit jener Zeit hat sich die Menge der durch Ein- wirkung von verdiinnten Sauren oder eiweissartigen Kor- peq in Zucker und atherisch-olige oder harzige Kiirper zerlegbaren Bitterstoffe ansehnlich vermehrt und man hat angefangen, diese zuckerliefernden Bitterstoffe als Qluco- side zu einer besonderen Gruppe von eigenthiimlichen Pflanzensubstanzen zusaminenzustellen. Als Picrogluco- side kennen wir ausser den beiden genannten Hauptre- prasentanten Arnygdalin und Salicin auch das Aesculin, das Arbutin, das Pliillyrin, Phloridzin, Populin und das Rubian (oder die Ruberythrinsiiure). Zu dieser Zahl fiige ich noch zwei Bitterstoffe Iiinzu, deren Spaltung in Zucker, so vie1 ich weiss, noch niclit bekannt gewesen ist, niimlich das Cocculin (Picrotoxinj und Digitalin. Koclit nian namlich das Cocculin niit ver- dunnter Salzsaure etwa 10 Minuten lang, so bleibt zwar die Liisung klar und farblos, entwickelt auch beim Ueber- sattigen mit Aetzkali nichts Riechendes ; allein auf Zusatz von einigen Tropfen Iiupfervitriol entsteht nach einigem Koclien eine Absoheidung \-on hellrothem Kupferoxydul,

Einwirkung verdünnter Säuren auf eine Reihe von Bitterstoffen

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138 Ludwig,

Ehwirkung verdunnter S8uren auf eine Reihe von Bitterstoffen ;

yon Prof. Dr. H e r m a n n L u d w i g in Jena.

- Die Arbeiten Liebig’s und Wiihler’s lehrten im

Amygdalin einen stickstoffhaltigen neutralen bittern Kor- per kcnnen, welcher durch Einwirkung des als Qalirungs- erreger wirkenden Einulsins (der Synaptase) in Bitter- mandelol, Blausadre und Zucker zerfiillt.

Spater zeigte P i r i a die Spaltung des Salicins in Saliretin und lirumelzucker durcli Einwirkung verdiinn- ter Sauren auf diesen stickstofffreien neutralen Bitterstoff, bald auch die Trennung desselben Salicins in Saligenin und Kriiinelzucker unter dem Einfluss des Emulsins (Syn- sptns) der sussen Mandeln.

Seit jener Zeit hat sich die Menge der durch Ein- wirkung von verdiinnten Sauren oder eiweissartigen Kor- p e q in Zucker und atherisch-olige oder harzige Kiirper zerlegbaren Bitterstoffe ansehnlich vermehrt und man hat angefangen, diese zuckerliefernden Bitterstoffe als Qluco- side zu einer besonderen Gruppe von eigenthiimlichen Pflanzensubstanzen zusaminenzustellen. Als Picrogluco- side kennen wir ausser den beiden genannten Hauptre- prasentanten Arnygdalin und Salicin auch das Aesculin, das Arbutin, das Pliillyrin, Phloridzin, Populin und das Rubian (oder die Ruberythrinsiiure).

Zu dieser Zahl fiige ich noch zwei Bitterstoffe Iiinzu, deren Spaltung in Zucker, so vie1 ich weiss, noch niclit bekannt gewesen ist, niimlich das Cocculin (Picrotoxinj und Digitalin. Koclit nian namlich das Cocculin niit ver- dunnter Salzsaure etwa 10 Minuten lang, so bleibt zwar die Liisung klar und farblos, entwickelt auch beim Ueber- sattigen mit Aetzkali nichts Riechendes ; allein auf Zusatz von einigen Tropfen Iiupfervitriol entsteht nach einigem Koclien eine Absoheidung \-on hellrothem Kupferoxydul,

Einwirkung verdiinntev Sauven auf Bitterstofe. 139

als Beweis der Gegcnwart von Kriimelzucker. Welches Spaltungsproduct dabei neben dern Kriimelzucker sich fin- det, lasse ich vorlaufig uncntschieden.

Digitalin, vom Hrn. Dr. W a l z in Speyer im Sep- tember 1848 dem chemisch-pharmaceutischen Institute zu Jena verehrt, kaum etwas gelblich gefarbt, von stark bit- tersm, lange anhaltendem und ein Gefihl von Lahmung der Zunge hinterlassendem Gesclmack, gab mit verdiinn- ter Salzsaure gekocht eine griinlich-gelbe, ins Briiunliche eiehende Flussigkeit, die sich bald durch ausgeschiedene graue Flocken triibte. Diese verbrannten auf dem Pl* tinblech ahnlich dem Saliretin. Im Filtrate liess sich durch Kochen mit Kupferoxyd und Kali aufs deutlichste die Gegenwart von Kfimelzucker nachweisen.

Ails den im Jahre 18s I veroffentlichten Arbeiten des Hrn. Dr. W a l z iiber die Bitterstoffe des Digitalins geht hervor, dass jenes Digitalin von 1848 ein Gemenge von drei verschiedenen Stoffen sei, niimlich von einem in Aether laslichen Stoffe, dem Digitalicrin, einer in Wasser leichter loslichen Substanz, dem Digitalosin, und einem darin etwas schwerer loslichen Korper, dern eigentlichen Digitalin. Die von W a l z gegebenen Formeln fir diese Korper sind: fiir Digitalin = CloH904, fur Digitalosin = C19Hl609 und fur Digitalicrin = C11HlOO3. Mit der Annahme, dass Digitalicrin das zuckerfreie Spaltungs- product des eigentlichen Bitterstoffs der Digitalis pur- puvea, Digitalin und Digitalosin hingegen Glucoside die- ses Spaltungsproductes seien, lassen sich jene Formeln in die folgenden umschreibon : Digitalicrin = ClGH1404, Digitalin = ClzH12012 -/- 3 (C16H1404) und Digitalosin = C12H120*2+ I*/z (C16H1404). Docli sol1 damit der weitcren Untersuchung nicht vorgegriffen werden.

Endlicli kann ich diesen beiden Spaltungen noch eine dritte hinztlfiigen, die sich zwar ebenfalls voraussehen liess, abcr bis jetzt unsern Chemikern nicht gelingen wollte, ich mcine die Zerlegung des Amygdalins in Bittermandel- 01, Blausaure und Kriimelzucker durch Kochen mit Siiu-

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ren. W o h 1 e r erhielt bei Behandlung des Aniygdalins mit rauchender Salzsaure eine Losung, die beini Erwar- men sich anfangs gelb, dann braun farbte und bei wei- terem Erhitzen eine grosse Menge einer schwarzbrauneii Huminsubstanz fallen liess, wahrend in der Auflosung nur Mandelsiiure, Huminsaura und Salmiak anfznfinden waren. Anstatt Zucker erhielt also W o hler nur Zersetzungspro- ducte des Zuckers. Auch bei der Einwirknng des Chlor- wasserstoffsauregases auf das in Alkohol aufgeloste Amyg- dalin wurde nicht Zucker abgeschieden, sondern amyg- ddinsaures Aethyloxyd gebildet (Amygdalinsaure = HO, C40H26N024, Amygdalin = C40H27N022).

Als ich eine wasserige Losung des reinen Bmyg- dalins mit verdunnter Salzsaure 10- 15 Minuten lang kochte, beobachtete ich weder Frirbung der Fliissigkeit, noch Entwickelung eines Geruches von Bittermandelol ; allein beim Zusatz von ubersuhiissiger Aetzkalilauge ent- wiclrelte sich ein kriiftiger Bittermandeliilgeruch, und bei Zusatz einiger Tropfen Kupfervitriollosung und Erhitzen zum Sieden zeigte sich eine starke Reduction des Kupfer- oxyds zu hellrothem Kupferoxydul, als Beweis fur die Gegenwa1.t des Kriimelzuckers. Es gehort deshalb auch die Umwandlung des Amygdalins in blausliurehaltiges Bittermandelol und Zucker vie1 mehr zu den Spaltungs- als zu den Gahrungsprocessen.