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[email protected] www.ejo.c h Stephan Russ-Mohl Stephan Russ-Mohl Forum Wissenschaftsjournalismus, Wien 2007 Journalismus über die Journalismus über die Wissenschaft– Wissenschaft– Journalismus für die Journalismus für die Öffentlichkeit Öffentlichkeit

[email protected] Stephan Russ-Mohl Forum Wissenschaftsjournalismus, Wien 2007 Journalismus über die Wissenschaft– Journalismus für die Öffentlichkeit

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  • [email protected] Stephan Russ-Mohl Forum Wissenschaftsjournalismus, Wien 2007 Journalismus ber die Wissenschaft Journalismus fr die ffentlichkeit
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  • www.ejo.ch Gliederung I) Normative vs. konomische Analyse des (Wissenschafts-) Journalismus II) Anknpfungspunkte, zentrale Annahmen und Prmissen einer konomik des Wissenschaftsjournalismus III) Analysefeld Wissenschaftsberichterstattung: - Voodoo Economics und mangelnde Zahlungsbereitschaft der ffentlichkeit - Wissenschaftler, Journalisten, Publika: Herdentrieb-Phnomene IV) Ausblick
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  • www.ejo.ch I) Normative Erwartungen an Wissenschaftsjournalismus und PR: Tradition der Aufklrung Journalist als unabhngige Instanz Anwalt des Gemeinwohls Konkurrenz um Information, Konkurrenz um ffentliche Aufmerksamkeit Wettbewerb erzeugt Vielfalt der Blickwinkel und Qualtitt: Marktplatz der Ideen, herrschaftsfreier Diskurs Wissenschaftsberichterstattung funktioniert verlsslich dank - unabhngigem, fachkompetentem und treuhnderischem Journalismus sowie - vielfltiger und sich wechselseitig kontrollierender PR- Quellen
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  • [email protected] Desillusionierungen Beispiele aus der Gesundheits-und Risikokommunikation BSE SARS im Vergleich zu Aids, Tbc, Malaria, Influenza und anderen Gesundheitsrisiken Unterschiedliche Verschuldungs-Zuschreibungen am Beispiel bergewicht * Persnliches Gesprch v. 21.11.2006
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  • [email protected] Hysterie statt Frhwarnung: Beispiel BSE Kein nachgewiesener Todesfall, aber hchst reale Kein nachgewiesener Todesfall, aber hchst reale Auswirkung der Medien: Sinkender Rindfleischkonsum Quelle: Roland Schatz, Medien Tenor: Von der Konjunktur- zur Strukurkrise? Prsentation beim 20. Sinclair-Haus-Gesprch, Bad Homburg 9./10.5.2003
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  • www.ejo.ch Hysterie statt Frhwarnung: SARS im Vergleich Flle weltweit (2001) Aids5 Mio Tuberculosis 8 Mio Malaria 300 Mio Influenza 3-5 Mio Sars (2003)7760 Todesflle (2001) 3,1 Mio 1,6 Mio Mind. 1 Mio 0,5 Mio bis Mai ca. 620 Quelle: Wall Street Journal Europe, May 20, 2003
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  • [email protected] Risiken im Vergleich Zahl der publizierten Beitrge QueQue Quelle: Eigene Auszhlung www.nzz.ch www.nzz.ch
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  • [email protected] Grafico - Tipi di determinanti negli anni (1996-2006) Berichterstattung zum bergewicht im Tessin Stark variierende Determinanten 1996- 2006 Quelle: Branchi, Antonella: Obesit: Content analysis di un probleme di salute pubblica nella stampa ticinese, Memoria di licenza, USI 2006, 127
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  • [email protected]
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  • [email protected] Quelle: Bild, 12.5.2007
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  • [email protected] Zwischenbilanz Die Erwartungen an aufklrerischen Wissenschaftsjournalismus werden enttuscht: Die Logik des Journalismus ist Beliebigkeit (Vinzenz Wyss*) Wissenschaftsthemen, die mediale Eigendynamik entfalten, entgleiten den um Seriositt bemhten Wissenschaftsredaktionen.
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  • www.ejo.ch Wirtschaftswissenschaften vs. konomik konomie als Gegenstandsbereich: Wirtschaft als Untersuchungsfeld konomik als Methode: Frage nach den Eigeninteressen der Akteure/Stakeholder II) konomik des Wissenschaftsjournalismus
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  • www.ejo.ch Anknpfungspunkte
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  • Journalisten lassen sich von - begrenzter Rationalitt leiten ( rational choice/homo oeconomicus maturus ) und handeln unter Bedingungen unvollstndiger Information. Losgelst von Kultur und Organisationskontexten, in die der einzelne eingebunden ist, gibt es kein rationales Handeln. Je nach Wertorientierung knnen sehr komplexe Zielsysteme journalistisches Handeln anleiten:...die Nutzenfunktion des homo oeconomicus ist prinzipiell offen (Kirchgssner) - auch fr altruistische und gemeinntzige Ziele. Der moderne homo oeconomicus versucht, sich wertvolle Kooperationspotenziale zu erhalten. Er ist kein rational fool. Prmissen einer konomik des (Wissenschafts-) Journalismus (1)
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  • www.ejo.ch Trotz alledem
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  • www.ejo.ch Der konomisch disponierte Wissenschaftsjournalist das Schne am Wissenschaftsjournalismus ist, dass man sich nicht wie die Forscher selbst nur mit einem Thema befassen kann: Die Sahne abzuschpfen, sich die jeweils interessantesten Forscher und besten Institute anzuschauen, das ist doch genial. Gretchen Vogel, erste Deutschland-Korrespondentin von Science [1] [1] Zit. n. Schwgerl, Christian: Genau das will ich machen, in: FAZ v. 13.5.2002, 47.
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  • www.ejo.ch Der Informations- Aufmerksamkeits-Markt (Wissenschafts-) Journalist Seeks to maximize his own profits PR Experte/ Wissen- schaftler Information Aufmerksamkeit Transaktionen zwischen Journalismus und PR
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  • www.ejo.ch III) Wissenschaftsjournalismus in der Aufmerksamkeitskonomie Voodoo-Economics, Herdentrieb und Markets for Lemons: Nachrichtenauswahl, Nachrichtenverarbeitung, Recherchekonomie und Media frenzies Vom ressort- zum themenbezogenen Wissenschaftsjournalismus Zusammenspiel zwischen Wissenschaftsjournalisten und Informanten
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  • www.ejo.ch Geringe Zahlungsbereitschaft fr Information, hohe Zahlungsbereitschaft fr Aufmerksamkeit Beitrag, vom Leser bezahlt Beitrag, von freiem Mitarbeiter fr Redaktion erstellt Beitrag in der Redaktion erstellt PR-Beitrag, von Agentur erstellt PR-Beitrag, nach Ad value berechnet Markt- preise Voodoo Economics
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  • www.ejo.ch Recherchekonomie: Fachzeitschriften als einzige Quelle Source: Winfried Gpfert, ffentliche Wissenschaft Ist der Wissenschaftsjournalismus dasSprachrohr der Wissenschaft?
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  • www.ejo.ch MangelndeQuellentransparenz Source: Winfried Gpfert, ffentliche Wissenschaft Ist der Wissenschaftsjournalismus dasSprachrohr der Wissenschaft?
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  • www.ejo.ch Herdentrieb (1) Normative Erwartung: Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt an die Quelle. Stanislav Lem
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  • www.ejo.ch Herdentrieb (2) konomisches Verhalten: Leitmedien- und Agenturglubigkeit - Mit dem Strom Schwimmen, aber: kollektiven Selbstmord vermeiden
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  • www.ejo.ch Herdentrieb: Tragik der Allmende Kuh frisst Gras auf privater Weide Viele Khe fressen Gras auf der Allmende Kein Gras mehr, Khe tot
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  • www.ejo.ch Analytisch zu unterscheiden sind zwei Arten der Information: 1.Markt-Informationen: Zeitfaktor ist entscheidend; sie verlieren mit Verbreitung an Wert. 2. Missionar-Informationen: Sie gewinnen an Wert, wenn sie sich epidemisch ausbreiten. Voodoo Economics Quelle: Hans Peter Biland, 1997
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  • www.ejo.ch Wert von Informationen Missionar-Informationen: Z.B. PR-Meldungen Markt-/Insiderinformationen, z. B. investigativer (Wissenschafts-)Journalismus, Scoops Verbreitung (Anzahl der Informationsempfnger) Wert der Information geringgro gering hoch Quelle: Hans Peter Biland: Rappenspalterei im Internet, Neue Zrcher Zeitung 21.02.97
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  • www.ejo.ch Voodoo Economics: Grabner-Paradox: Zielgruppengrsse, Produktionskosten und Recherchekonomie Quelle: Michael Grabner (Holtzbrinck-Gruppe) Produktionskosten Gerchte & Infotainment (News & Gossip aus dem Buckingham Palast) Anspruchsvoller (Wissenschafts-) journalismus Leserschaft
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  • www.ejo.ch Voodoo-Economics: Markets for Lemons GeringeZahlungsbereitschaft, Click & paste- Journalismus
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  • www.ejo.ch 2007 1980 2007 PR-Sektor als Wachstums- branche......und lsst Redaktionen schrumpfen (lean management)...liefert Pressemeldungen als Gratis-Nachrichten... PR in der Aufrstungs-, Redaktionen in der Abrstungsspirale
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  • www.ejo.ch Voodoo Economics: Die nchste Bedrohung fr den (Wissenschafts-) Journalismus? Umschichtung der Kommunikations-Budgets: Mehr PR, weniger Werbung
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  • www.ejo.ch Wissenschafts- vs. Wissenschafts- journalismus journalismus Source: Winfried Gpfert, ffentliche Wissenschaft Ist der Wissenschaftsjournalismus dasSprachrohr der Wissenschaft? Vom ressort- zum themen- bezogenen Wissenschaftsjournalismus
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  • www.ejo.ch Themenspektrum des Wissenschaftsjournalismus Source: Winfried Gpfert, ffentliche Wissenschaft Ist der Wissenschaftsjournalismus dasSprachrohr der Wissenschaft?
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  • www.ejo.ch Angebots- und Abdruckprofil Source: Winfried Gpfert, ffentliche Wissenschaft Ist der Wissenschaftsjournalismus dasSprachrohr der Wissenschaft?
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  • www.ejo.ch Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.5.02 Recherchekonomie: An ihnen kommt keiner vorbei. Fachkompetenz oder Medienkompetenz? Die Medien prsentieren immer dieselben Forscher...und damit die falschen Experten Herdentrieb: Selektivitt des Wissenschaftsjournalismus
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  • www.ejo.ch Tyrannei der kleinen Entscheidungen Bahn: niedriger Ticketpreis, gnstiger Fahrplan Auto: freie Fahrt Bahn: hoher Ticketpreis, ungnstiger Fahrplan Auto: Schlangen
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  • www.ejo.ch Tyrannei der kleinen Entscheidungen NZZ, Wissenschafts- journalismus, Zeitungszustellung: exzellente Qualitt dank hoher Nachfrage Gratiszeitung NZZ, Wissenschafts- Journalismus, Zeitungszustellung: berlebenskampf
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  • www.ejo.ch Informationsasymmetrien Prinzipal-Agenten-Beziehungen Der Prinzipal ist Auftraggeber. Er engagiert einen Agenten, um eine bestimmte Ttigkeit, die er selbst nicht oder nur schlecht ausfhren kann, auszufhren. Die soziale Beziehung ist ein Tauschakt; beide Akteure gehen ihn freiwillig und nutzenmaximierend ein. Hufig, aber nicht zwangslufig besteht ein Autorittsgeflle. Der Agent verfgt nicht ber vergleichbare Sanktionsmglichkeiten wie der Prinzipal. Das eigentliche Abhngigkeitsverhltnis des Prinzipals vom Agenten begrndet sich jedoch meist durch einen Wissensvorsprung. (Vgl. Braun 1999: 162 f. m.w.N.)
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  • www.ejo.ch Prinzipal-Agenten-Theorie Prinzipal Agent Informations- Asymmetrien zwischen den Transaktions- Partnern
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  • www.ejo.ch Prinzipal-Agenten-Theorie: auf PR und Journalismus bezogen (Wissen- schafts-) Journalisten: Prinzipale PR-Experten/ Wissenschaftler: Agenten Informations- Asymmetrie zwischen den Transaktions- Partnern
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  • www.ejo.ch Prinzipal-Agenten-Theorie: angewandt auf das Verhltnis Journalist-Publikum Publikum als Prinzipale (Wissenschafts-) Journalisten als Agenten Informations- Asymmetrie: Rollentausch des Journalisten im Verhltnis zum Publikum
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  • www.ejo.ch Prinzipal-Agenten-Beziehungen Forschungs -leiter Prinzipal PublikaPrinzipale VerlegerPrinzipal Quelle (organisations- intern) Agent Chefredakteur Prinzipal Agent Journalist in Nachrichten- agentur Journalist in Newsroom Prinzipal Wissenschafts- Redakteur Agent Agent Prinzipal LeiterPressestelle Prinzipal Agent Freelancer Prinzipal Agent PR - Mitarbeiter Agent
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  • www.ejo.ch Zwischenbilanz Infolge der vielfltigen und kaskadenartig hintereinander geschalteten Prinzipal-Agenten-Beziehungen kommen Informationen verzerrt beim Endnutzer an (Stille Post-Spiel) Insbesondere die Berichterstattungsbedingungen bleiben intransparent. Wenn aber Quellentransparenz und -kritik unterbleiben, wird es frs Publikum schwierig, die Validitt von Wissenschaftsberichterstattung einzuschtzen.
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  • www.ejo.ch IV) Ausblick und Schlussfolgerungen Wissenschaftsbetrieb: Wissenschafts-PR verstrken, kontinuierliche und glaubwrdige ffentlichkeits- und Pressearbeit betreiben Journalismus: Auf Quellenvielfalt und Expertise der Forscher achten; Expertenwissen in der Redaktion nutzen; externe Experten gegenlesen lassen Wissenschaftsjournalismus-Forschung konomische Analyse verstrken: Tragik der Allmende, Tyrannei der kleinen Entscheidungen, Gefangenen-Dilemma