103
Hans J¨ urgen L¨ udde Elektrodynamik [email protected]

Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Hans Jurgen Ludde

Elektrodynamik

[email protected]

Page 2: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

ii

Umschlagbild:

Charles Augustine de Coulomb ∗ 14.6.1736 Angouleme, † 23.8.1806 Paris

Andre-Marie Ampere ∗ 20.1.1775 Lyon, † 10.6.1836 Marseille

Michael Faraday ∗ 22.9.1791 Newington Butts, Surrey, † 25.8.1867 Hampton Court

James Clerk Maxwell ∗ 13.6.1831 Edinburgh, † 5.11.1879 Cambridge

Page 3: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Vorwort

Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar. LangeZeit galten elektrische und magnetische Felder als unterschiedliche Naturphanomene, her-vorgerufen durch Ladungen bzw naturlich vorkommendes Magnetit. Die Erkenntnis, dassMagnetfelder durch elektrische Strome erzeugt werden und andererseits zeitlich verander-liche Magnetfelder ihrerseits elektrische Strome und somit elektrische Felder induzieren,hat Maxwell zu einer vereinheitlichten Theorie des Elektromagnetismus gefuhrt. Nebender Newton’schen Mechanik, welche die terrestrische Mechanik des Galilei und die Kep-ler’sche Himmelmechanik vereinigt, ist die Maxwll’sche Elektrodynamik ein weiteres Bei-spiel dafur, wie die Theoretische Physik durch Abstraktion (Modellbildung) scheinbarunabhangige Naturphanomene auf gemeinsame Naturgesetze zuruckfuhrt.

Dieser Text gibt eine Einfuhrung in die klassische Elektrodynamik und einen kleinen Aus-blick auf ihre Anwendungen. Mathematische Grundkenntnisse der Vektoralgebra und Vek-toranalysis werden vorausgesetzt. Methoden zur Losung partieller Differentialgleichungenwerden, sofern benotigt, besprochen.

Hans Jurgen LuddeAugust 2012

iii

Page 4: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

iv

Page 5: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Inhaltsverzeichnis

1 Elektrostatik 31.1 Ladungen im materiefreien Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.1.1 Elektrisches Feld, Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.1.2 Das Gesetz von Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.1.3 Poisson Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.1.4 Multipolentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.1.5 Energie des elektrostatischen Feldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1.2 Geladene Metallkorper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.2.1 Oberflachenladungen – Unstetigkeiten im ~E-Feld . . . . . . . . . . 181.2.2 Randbedingungen des Feldes bei endlichen Randflachen . . . . . . . 221.2.3 Green’sche Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241.2.4 Green Funktionen und die Methode der Spiegelladungen . . . . . . 251.2.5 Die Laplace Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281.2.6 Zusammenfassung und Losungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . 37

1.3 Dielektrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.3.1 Polarisation von Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.3.2 Poisson Gleichung im Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411.3.3 Dielektrische Verschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

2 Magnetostatik 452.1 Experimentelle Beobachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452.2 Feldgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.3 Vektorpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492.4 Magnetostatik im Medium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502.5 Losungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

2.5.1 Vektorpotential fur lineare Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522.5.2 Falle mit ~ = 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532.5.3 Harte Ferromagnetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2.6 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

3 Die Maxwell Gleichungen 593.1 Das Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.2 Der Maxwell’sche Verschiebestrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.3 Potentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643.4 Green Funktionen (G. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

v

Page 6: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

vi Inhaltsverzeichnis

3.5 Erhaltungssatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673.5.1 Ladungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683.5.2 Energiesatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683.5.3 Impulssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4 Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik 734.1 Ausbreitung elektromagnetischer Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 734.2 Reflexion und Brechung em-Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774.3 Grundlagen der Festkorper Optik: Dispersion in Dielektrika und Leitern . . 82

4.3.1 Oszillatormodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824.3.2 Resonanzabsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834.3.3 Freie Elektronen im Medium – elektrische Leitfahigkeit . . . . . . . 84

4.4 Das em-Feld einer lokalen Quelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884.5 Streuung von em-Wellen bei großen Wellenlangen (Rayleigh-Streuung) . . . 92

Page 7: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1

Elektrodynamik

In der Elektrodynamik lernen wir eine neue elementare Wechselwirkung kennen, die, wiewir spater sehen werden, wesentlich fur den Aufbau komplexer Materie (Atome, Molekule,Cluster, Nanostrukturen, Biomolekule, Festkorper) verantwortlich ist: die elektromagneti-sche Wechselwirkung. Ihre Entdeckung begann 1785 mit dem durch Charles Augustine deCoulomb (∗ 14.6.1736 Angouleme, † 23.8.1806 Paris) empirisch ermittelten Grundgesetzder Elektrostatik uber die Kraft zwischen zwei ruhenden Punktladungen (Coulombgesetz).35 Jahre spater (1820/21) entwickelte sich mit dem Gesetz von Biot-Savart (Jean-BaptisteBiot: ∗ 21.4.1774 Paris, † 3.2.1862 Paris; Felix Savart: ∗ 30.6.1791 Mezieres, † 16.3.1841Paris) ein quantitatives Verstandnis der sehr viel schwieriger zuganglichen Magnetostatik.Obwohl man schon sehr fruh qualitative Kenntnisse uber die Wechselwirkung zwischenPermanentmagneten hatte und diese auch anwandt (Navigation mit Magnetkompass),benotigte es den Begriff des stationaren Stromes als Erzeuger eines Magnetfeldes, umeinen quantitativen Zugang zu erhalten. Wir werden sehen, dass Magnete eine Folgevon Eigenschaften bestimmter Materialien sind (Ferromagnetika: z. B. Eisen), die erstdurch ein außeres Magnetfeld hervorgerufen werden. Um 1831 entdeckte Michael Faraday(∗ 22.9.1791 Newington Butts, Grafschaft Surrey, † 25.8.1867 Hampton Court, Middlesex)mit seinem Induktionsgesetz den Zusammenhang zwischen elektrischer und magnetischerWechselwirkung. Damit waren die Schlusselexperimente zum Verstandnis der elektroma-gnetischen Wechselwirkung bekannt. Es dauerte jedoch nochmals 30 Jahre bis zwischen1861 und 1864 James Clerk Maxwell (∗ 13.6.1831 Edinburgh, † 5.11.1879 Cambridge)mit der Einfuhrung des Verschiebestromes eine widerspruchsfreie mathematische Formu-lierung der Elektrodynamik gelang (Maxwell Gleichungen). Sie ist der Ausgangspunkt furalle makroskopischen Eigenschaften des Elektromagnetismus und der Optik.

Einheiten:Die Wahl des optimalen Einheitensystems ist in der Elektrodynamik ein immer noch kon-troverses Thema. Selbstverstandlich gelten die aus der Mechanik bekannten SI Einheitenmit den elementaren Großen Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere (MKSA). Wir werdenaber sehen, dass sich viele der physikalischen Gesetzmaßigkeiten sehr viel ubersichtlicherim Gauß’schen Maßsystem formulieren lassen. Deshalb mochte ich mit den folgenden Ta-bellen einen Leitfaden fur die Umrechnung zwischen den Einheitensystemen bereitstellen,auch wenn wir diese Großen erst spater kennen lernen werden.

Page 8: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2 Inhaltsverzeichnis

Physikalische Große Symbol SI (MKSA) Gauss System

Lange l 1 Meter (m) 102 Centimeter (cm)Masse m 1 Kilogramm (kg) 103 Gramm (gm)Zeit t 1 Sekunde (sec) 1 Sekunde (sec)Frequenz ν 1 Hertz (Hz) 1 Hertz (Hz)

Kraft ~F 1 Newton (N) 105 DynArbeit W 1 Joule (J) 107 ErgEnergie E 1 Joule (J) 107 ErgLeistung P 1 Watt (W) 107 Erg sec−1

Ladung q 1 Coulomb (C) 3× 109 statcoulombLadungsdichte ρ 1 C m−3 3× 103 statcoul cm−3

Strom I 1 Ampere (A) 3× 109 statamperes

Stromdichte ~j 1 A m−2 3× 105 statamp cm−2

Elektrisches Feld ~E 1 V m−1 13 × 10−4 statvolt cm−1

Potential Φ, V 1 Volt (V) 1300 statvolt

Polarisation ~P 1 C m−2 3× 105 Dipolmoment cm−3

Dielektrische Verschiebung ~D 1 C m−2 12π × 105 statvolt cm−1 (statcoul cm−2)Leitfahigkeit σ 1 Ω m−1 9× 109 sec−1

Widerstand R 1 Ohm (Ω) 19 × 10−11 sec cm−1

Kapazitat C 1 Farad (F) 9× 1011 cmMagnetischer Fluss φ, F 1 Weber (W) 108 gauss cm2 oder maxwell

Magnetische Induktion ~B 1 Tesla (T) 104 gauss

Magnetisches Feld ~H 1 A m−1 4π × 10−3 oersted

Magnetisierung ~M 1 A m−1 10−3 magnetisches Moment cm−3

Induktivitat L 1 Henry (H) 19 × 10−11

Große Gauss System SI (MKSA)

Lichtgeschwindigkeit c (µ0ǫ0)− 1

2

Elektrisches Feld (Potential, Spannung) ~E(Φ, V )√4πǫ0 ~E (Φ, V )

Dielektrische Verschiebung ~D√

4πǫ0

~D

Ladungsdichte (Ladung, Stromdichte, Strom, Polarisation) ρ(q, ~J , I, ~P ) 1√4πǫ0

ρ(q, ~J , I, ~P )

Magnetische Induktion ~B√

4πµ0

~B

Magnetisches Feld ~H√4πµ0

~H

Magnetisierung ~M√

µ04π

~M

Leitfahigkeit σ σ4πǫ0

Dielektrizitatskonstante ǫ ǫǫ0

Permeabilitat µ µµ0

Widerstand (Impedanz) R(Z) 4πǫ0R(Z)

Induktivitat L 4πǫ0L

Kapazitat C 14πǫ0

C

Page 9: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Kapitel 1

Elektrostatik

Dass Krafte zwischen geladenen Kugeln wirken, war schon bekannt lange bevor Coulombseine ersten Experimente machte. So kann man durch Reibung eines Glasstabes (Hart-gummistabes) mit einem Seidentuch (Katzenfell) positive (negative) Ladungen erzeugenund findet qualitativ, dass

• Objekte mit gleichnamiger Ladung sich abstoßen, wahrend Objekte mit ungleich-namiger Ladung sich anziehen

• die Starke der Kraft zwischen zwei Punktladungen proportional zur Ladung zu-nimmt, aber mit wachsendem Abstand abnimmt.

Quantitativ genauer hat C. A. de Coulomb 1785 die nach ihm benannte Kraft mit Hilfeeines Torsionspendels bestimmt.

Er fand fur die Kraft zwischen zwei Punktladungen

~F12 =q1 q2

|~r1 − ~r2|2~r1 − ~r2|~r1 − ~r2|

Die Einheit der Kraft ist im Gaußsystem [F ] = 1 dyn = 1 g cms2. Daraus leitet sich die

Einheit der Ladung ab

[ q1q2 ] = dyn · cm2 = gcm3

s2

; [ q ] =g

1

2 cm3

2

s= 1 esu

Im Gauß’schen Maßsystem nennt man die Einheit der Ladung elektrostatische Einheit(esu), und erhalt in Relation zum Systeme Internationale (SI)

1 esu =1

3· 10−9Coulomb

Betrachtet man den Vektorcharakter der Coulombkraft, ergeben sich sofort einige wichtigeKonsequenzen:

3

Page 10: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4 1. Elektrostatik

x

y

z

r r

r − r21

21

q1

q2

Abb. 1.1: Zum Vektorcharakter der Cou-lombkraft

r1 r2

q1

q2

r1

q2

q1

F21

F12

F12

21F

q q > 01 2

1 2q q < 0

r2

Abb. 1.2: Die Coulombkraft kann repul-siv oder attraktiv sein

(i) Die Coulombkraft ist wie die Gravitationskraft eine Zweikorper Wechselwirkung.Damit gilt das Superpositionsprinzip, d. h. die Kraft eines Systems von Ladungenauf eine bestimmte Punktladung ist gleich der Vektorsumme der entsprechendenZweikorperkrafte.

(ii) Die Coulombkraft ist eine Zentralkraft. Sie wirkt entlang der Verbindungslinie zweier

Ladungen und es gilt ~F12 = −~F21.

(iii) Als Zentralkraft ist die Coulombkraft konservativ. D. h. sie lasst sich als Gradienteiner Potentialfunktion darstellen.

(iv) |~F | ist proportional zum Betrag der Ladungen. Die Coulombkraft ist attraktiv, falls

q1 · q2 < 0, sonst repulsiv. Anschaulich bedeutet dies fur ~F21 (die Kraft von Ladung

q1 auf q2), dass ~F21 bei gleichnamigen Ladungen parallel und bei ungleichnamigenantiparallel zu (~r1 − ~r2) gerichtet ist.

Das Coulomb Gesetz ist die Grundlage fur alle weiteren Uberlegungen. Zunachst be-trachten wir die Elektrostatik isolierter Raumladungen im Vakuum (Kap. 1.1), bevor wiruns mit den Phanomenen geladener Metallkorper (Kap. 1.2) und Dielektrika (Kap. 1.3)beschaftigen.

Page 11: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 5

1.1 Ladungen im materiefreien Raum

1.1.1 Elektrisches Feld, Potential

Die Kraft zwischen zwei Ladungen ist durch das Coulomb Gesetz gegeben und, da essich um eine Zentralkraft handelt, somit symmetrisch in der Starke der beiden Ladun-gen. Um jedoch die Wirkung eines Systems von Ladungen oder einer kontinuierlichenLadungsverteilung auf den umgebenden Raum zu beschreiben, benotigt man eine Nor-mierungsvorschrift. Die fuhrt uns auf den Begriff des Feldes: Das elektrische Feld einerLadung q am Ort ~r ′ ist definiert als diejenige Coulombkraft, die pro Ladungseinheit amOrt eines Beobachters ~r wirkt

~E = q~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3

r

q < 0

E

’r − r

r ’

<)

Abb. 1.3: Das Feld, wie es ein Beobachter am Ort ~r sieht

Man kann sich also den abstrakten Begriff des Feldes so vorstellen, indem man die Kraftauf eine kleine, das Feld nicht beeinflussende Probeladung misst. Da die Probeladung q′

das Feld nicht verandern darf, muss ∂ ~E∂q′

= 0 sein. Das Feld entspricht dann der Kraft

pro Probeladung, also ~E = ∂ ~F∂q′

. Alle Eigenschaften des Coulomb Gesetzes ubertragen sichsomit auf das elektrostatische Feld.Aus dem Superpositionsprinzip folgt fur das Feld einer Punktladungsverteilung (N Punkt-ladungen qj an den Orten ~rj) am Ort ~r

~E(~r) =N∑

j=1

qj~r − ~rj|~r − ~rj|3

bzw fur eine kontinuierliche Ladungsverteilung (~r ′) begrenzt auf das Volumen V

E(~r) =

∫∫∫

V

(~r ′)~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 d3r′.

Page 12: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

6 1. Elektrostatik

Dabei ist die Gesamtladung q dieser Ladungsverteilung gegeben durch

q =

∫∫∫

V

(~r ′) d3r′.

Mit Hilfe der δ-Funktion kann man ~E(~r ) einheitlich auch fur punktformige, lineare oderflachenformige Ladungsverteilungen angeben

• punktformig: (~r ) = q · δ (~r − r′)→ Punktladung am Ort ~r ′

• linear: (~r ) = λ (x) δ (z) δ (y − y (x))→ lineare Ladungsverteilung entlang

der Kurve y (x) in der xy Ebene

• flachenformig: (~r ) = σ (xy) δ (z − z (xy))→ z. B. Flachenladung auf der Oberflache z (xy)

Daruber hinaus haben wir gesehen, dass die Coulomb Kraft und somit das elektrostatischeFeld konservativ sind. Man kann also das Feld als Gradient einer Potentialfunktion φschreiben

~E = −∇φ .Damit ergibt sich fur dieses elektrostatische Potential

φ(~r) =

∑Nj=1 qj · 1

|~r−~rj |

∫∫∫

V(~r ′)|~r−~r ′| d

3r′

Offenbar ist das ~E Feld wirbelfrei

rot ~E = − rot gradφ = 0,

da es ein Gradientenfeld ist.

Die graphische Darstellung eines Potentials ist i. a. recht schwierig: man benotigt einvierdimensionales Koordinatensystem, um φ an jedem Raumpunkt ~r abzubilden. Deshalbbegnugt man sich in der Regel mit einem Hohenlinienbild des Potentials, so genanntenAquipotentialflachen (-linien). Das elektrische Feld ist als Gradientenfeld immer senkrechtzu diesen Aquipotentiallinien gerichtet und lasst sich in einem Feldlinienbild veranschauli-chen. Feldlinien sind so definiert, dass die Feldvektoren ~E(~r) in jedem Punkt ~r Tangentenan die Feldlinien bilden.Analog zum Gravitationsfeld kann man die Arbeit berechnen, die man aufwenden muss,um eine Ladung q zwischen zwei Punkten A und B in einem Feld ~E zu bewegen. Da~F = q · ~E ist, gilt fur die Arbeit im Feld

Page 13: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 7

x

y

φ = konst.

ρ( r ) mit ρ ( r ) = q > 0

Abb. 1.4: Aquipotentiallinien und Feldlinien

W = −∫

C(A,B)

~F · d~l = −q∫

C(A,B)

~E · d~l

= q

C(A,B)

∇φ · d~l = q

∫ B

A

dφ = q (φB − φA)

(Das Symbol∫

C(A,B)bezeichnet ein Linienintegral: Summation uber alle Skalarprodukte

~F · d~l entlang einer Raumkurve C zwischen den Punkten A und B. ∇φ · d~l ist das totaleDifferential der Funktion φ.)

Offenbar ist die Arbeit unabhangig vom Weg zwischen A und B, was aquivalent ist zuunserer vorherigen Aussage, dass ~E wirbelfrei ist. Diese Aquivalenz folgt aus dem Sto-kes’schen Theorem

0 =

C

~E · d~l =∫

S(C)

rot ~E · d~s,

dabei ist S(C) die von der Kurve C eingeschlossene Flache.

Da die Arbeit entlang einer geschlossenen Kurve C verschwindet, muss rot ~E = 0 sein.

Als ein Beispiel fur das Superpositionsprinzip berechnen wir das Feld eines elektrischenDipols.

Zwei entgegengesetzt gleich große Ladungen vom Betrag q befinden sich an den Orten

±~b2. Das Potential ergibt sich wegen des Superpositionsprinzips zu

φ(~r) =q

|~r − 12~b |

+−q

|~r + 12~b |

Page 14: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

8 1. Elektrostatik

+q

−q

b_2

2b_+

y

x

Abb. 1.5: Geometrie eines Dipols aus zwei Punktladungen

Ist der Aufpunkt ~r (Ort des Beobachters) hinreichend weit entfernt von den Orten derLadungen, kann man die Abstandsfunktion entwickeln. Fur |x| < 1 gilt (siehe auch S. 12)

1

[ 1± x ] 12= 1∓ 1

2x+

1 · 32 · 4 x

2 ∓ 1 · 3 · 52 · 4 · 6 x

3 + · · ·

;1

|~r ± 12~b |

=1

[ r2 + 14b2 ± ~r~b ] 12

=1

r· 1

[ 1± ~r~br2

+ b2

4r2]1

2

=1

r

(

1∓ 1

2

~r ·~br2

+ . . .

)

Damit erhalt man fur das Dipolpotential in der Ferne (r > b)

φ(~r ) ∼= q ·~b · ~rr3

≡~d · ~rr3

; ~d = q ·~b heißt Dipolmoment

=d · r · cos (~d, ~r )

r3=d cos (~d, ~r )

r2

Alle Terme hoherer Ordnung fallen schneller ab. Charakteristisch fur ein Dipolpotentialist

(i) in der Ferne fallt das Potential mit ∼ 1r2

ab (die beiden Monopolanteile liegen ausder Ferne betrachtet ubereinander und kompensieren sich somit)

(ii) das Potential des Dipols hat einen starken Richtungscharakter: fur alle Richtungen

~r senkrecht zu ~b (Ebene in der Mitte zwischen den Ladungen) verschwindet das

Potential (cos (~d, ~r ) = 0), wahrend es fur ~r kolinear zu ~b maximal ist.

Page 15: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 9

1.1.2 Das Gesetz von Gauß

Die direkte Berechnung des elektrischen Feldes einer Ladungsverteilung in integraler Formist in der Regel nur bei einfachen Geometrien moglich. Wir wollen in diesem Kapiteleinen anderen Weg gehen, indem wir die Divergenz des Feldes berechnen und somit eineDifferentialgleichung (DGL) fur das elektrostatische Feld erhalten.

div ~E(~r ) = ∇~r · ~E(~r ) =∫∫∫

V

(~r ′) ∇~r~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 d3r′

Zur Berechnung von ∇~r ~r−~r ′

|~r−~r ′|3 d3r′ wahlt man ein Koordinatensystem, in dem ~r ′ den

Ursprung definiert. Dann gilt fur ~r 6= 0

∇~r~r

r3=∇~r · ~rr3

+ ~r · ∇ 1

r3=

3

r3− 3~r · 1

r4~r

r

=3

r3− 3

r3= 0

Fur ~r = 0 ist der Ausdruck nicht definiert. In diesem Fall betrachtet man ein Modellfeld

~Ea(~r) =

∫∫∫

(~r ′)~r − ~r ′

[|~r − ~r ′|+ a2 ]3

2

d3r′,

das im Grenzfall a→ 0 in das wahre Feld ubergeht. Man erhalt

div ~Ea(~r ) =

∫∫∫

(~r ′)3 a2

[|~r − ~r ′|2 + a2 ]5

2

d3r′

= 3 a2(~r )

∫∫∫1

[|~r − ~r ′|2 + a2 ]5

2

d3r′

~r−~r ′ ≡ ~x= 3 a2(~r )

∫∫∫1

[ x2 + a2 ]5

2

d3x

Kugelkoord.= 3 a2(~r )

∫ ∞

0

x2dx

[ x2 + a2 ]5

2

= 12 π a2(~r )

∫ ∞

0

x2dx

[ x2 + a2 ]5

2

= 12 π a2(~r )

∫ ∞

0

x2

a2a2dx

a5[x2

a2+ 1

] 5

2

Subst.:x

a= y 7→ dx = a dy

= 12 π a2(~r )

∫ ∞

0

y2a3dy

a5 [ y2 + 1 ]5

2

= 12 π (~r )

∫ ∞

0

y2dy

(y2 + 1)5

2

= 4π(~r ).

Page 16: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

10 1. Elektrostatik

Damit hat man gezeigt, dass

div ~E =

∫∫∫

V

(~r ′)∇r~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3d3r′ = 4 π (~r ) .

(Offenbar kann man dieses Ergebnis auch erhalten, wenn man annimmt, dass

∇~r~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 = 4π δ(~r − ~r ′)

gilt.)

Dies ist die Form des Gauß’schen Gesetzes, das besagt, dass das ~E Feld ein Quellfeld ist.Positive Ladungsverteilungen sind Quellen des Feldes, negative Ladungen Senken. DasFeld ist von den positiven zu den negativen Ladungen gerichtet.

q > 0 div E > 0 q < 0 div E < 0

Abb. 1.6: Die Divergenz eines Vektorfeldes ist das Maß fur die Starke einer Feldquelleoder Senke

Die entsprechende integrale Form erhalt man durch die Berechnung des Flusses mit Hilfedes Gauß’schen Integralsatzes

∫∫∫

V

div ~E(r′) d3r′ =

∫∫

©S(V )

~E · d~s = 4 π

∫∫∫

V

(~r ′) d3r′ = 4 π q

;

∫∫

©S(V )

~E · ~n ds = 4 π q ,

wobei q die von der Oberflache S im Volumen V eingeschlossene Ladung ist. D. h. derFluss des Feldes durch eine geschlossene Flache S(V ) wird einzig bestimmt durch die inV eingeschlossene Ladung.

Page 17: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 11

1.1.3 Poisson Gleichung

Wir haben nun ein System von Differentialgleichungen 1. Ordnung fur das elektrostatischeFeld gefunden

rot ~E = 0

div ~E = 4 π

Die erste besagt, dass das ~E Feld wirbelfrei ist und somit als Gradientenfeld dargestelltwerden kann – ~E = −∇φ. Wenn wir diesen Losungsansatz in die zweite DGL einsetzen,erhalten wir eine DGL 2. Ordnung fur das elektrostatische Potential

− div ~E = ∇ · ∇φ = φ = −4 π ,

die Poisson Gleichung. Eine spezielle Losung der Poisson Gleichung kennen wir bereits

φ =

∫(~r ′)

|~r − ~r ′ | d3r′

wie man durch Einsetzen verifizieren kann.

~rφ =

(~r ′) 1

|~r − ~r ′| d3r′ = −

(~r ′) ∇~r~r − ~r ′

|~r − ~r ′ |3 d3r′

= −4 π (~r ).

Diese Losung beschreibt das Potential einer beliebigen Raumladungsverteilung im freienunbegrenzten Raum.Die Poisson Gleichung

φ = −4 π ist die Grundgleichung der Elektrostatik. Technisch handelt es sich um eine partielle DGL2. Ordnung, die unter der Vorgabe von Randbedingungen zu losen ist.

1.1.4 Multipolentwicklung

Solange wir uns, wie in diesem Kapitel, auf die Beschreibung von Potentialen von Raum-ladungen im unbegrenzten Raum beschranken, ist die Randbedingung einfach zu formu-lieren

lim|~r→∞|

φ(~r ) = 0

Unter diesen Bedingungen ist die Losung

φ(~r ) =

∫(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

Page 18: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

12 1. Elektrostatik

αr

r ’

(>

Abb. 1.7: Geometrie, die sich aus den Positionen ~r des Beobachters und ~r ′ der Ladungergibt.

gultig und wir mussen fur beliebige Ladungsverteilungen dieses Volumenintegral ausfuhren.Der Standardweg zur Losung diese Integrals ist die Multipolentwicklung.

Dazu betrachten wir1

|~r − ~r ′| =[r2 − 2 rr′ cosα + r′2

]− 1

2

und nahern die Wurzel in einer binomischen Reihe.Fur |x| < 1 gilt

1

[ 1− x ]1

2

= 1 +1

2x+

1 · 32 · 4 x

2 +1 · 3 · 52 · 4 · 6 x

3 + . . .

Die Bedingung |x| < 1 fur die Entwicklung konnen wir erfullen, wenn wir den großerender beiden Abstande r bzw. r′ aus der Wurzel ziehen und schreiben

1

|~r − ~r ′| =1

r>

[

1− 2r<r>

cosα +

(r<r>

)2]− 1

2

r< =

r , r < r′

r′ , r > r′r> =

r , r > r′

r′ , r < r′

Fasst man gleiche Ordnungen im Kleinheitsparameter r<r>

zusammen, so erhalt man

1

|~r − ~r ′| =1

r>

[

1 + cosαr<r>

+1

2

(3 cos2 α− 1

)(r<r>

)2

+ ...

]

=∞∑

l=0

rl<rl+1>

Pl (cosα),

da die Koeffizienten der Potenzreihe gerade den Legendre Polynomen entsprechen. Ausdiesem Grund nennt man die Abstandsfunktion 1

|~r−~r ′| auch die Erzeugende der LegendrePolynome. Zwei wichtige Eigenschaften der Legendre Polynome sind

Page 19: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 13

• Formel von Rodriguez zur rekursiven Berechnung der Pl

Pl(x) =1

2l l !

dl

dxl(x2 − 1)l ; x = cosα

• Orthogonalitatsrelation∫ 1

−1

Pl(x) Pm(x) dx =2

2l + 1δlm.

α

r

y

z

x

r

ϑ

ϑ ’’

ϕ ’ϕ

Abb. 1.8: Kugelkoordinaten

Im nachsten Schritt wollen wir die gefundene Entwicklung nach dem Zwischenwinkel α inKugelkoordinaten ausdrucken. Dazu verwendet man unter Bezug auf die Definition derKugelkoordinaten

x = r sinϑ cosϕ

y = r sinϑ sinϕ

z = r cosϑ

~r · ~r′ = r · r′ cosα = xx′ + yy′ + zz′

= r · r′sinϑ sinϑ′ cos (ϕ− ϕ′) + cos ϑ cosϑ′⇒ cosα = sinϑ sinϑ′ cos (ϕ− ϕ′) + cos ϑ cosϑ′.

Page 20: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

14 1. Elektrostatik

Die gefundenen Relationen zwischen cosα und den Kugelkoordinaten konnen wir bezuglichKugelflachenfunktionen ylm umschreiben

P1 (cosα) ≡ cosα = sinϑ sinϑ′ cos (ϕ− ϕ′) + cos ϑ cosϑ′

=4 π

3

1∑

m=−1

y∗1m (θ′ϕ′) y1m (θϕ).

Mit Hilfe der Rekursionsformel fur Legendrepolynome zeigt man fur beliebige l das Ad-ditionstheorem der Kugelflachenfunktionen Ω→ θ, ϕ

Pl (cosα) =4 π

2 l + 1

l∑

m=−ly∗lm (Ω′) ylm (Ω)

Somit ergibt sich als Darstellung der inversen Abstandsfunktion in Kugelkoordinaten

1

|~r − ~r ′| = 4 π∞∑

l=0

1

2 l + 1

rl<rl+1>

l∑

m=−ly∗lm (Ω′) ylm (Ω)

Mit der Entwicklung der Abstandsfunktion ist nun das Potential bestimmt. Fur Beobach-tungspunkte außerhalb der Ladungsverteilung (r > r′ ⇒ r> = r und r< = r′) erhalt manz.B.

φ(~r ) =∞∑

l=0

l∑

m=−l

4 π

2 l + 1

1

rl+1ylm (Ω)

V

(~r ′) r′l y∗lm (Ω′) d3r′.

(Beobachtungspunkte ~r innerhalb der Ladungsverteilung sind komplizierter zu behandeln.Man muss das Volumenintegral in ein Integral uber die Kugel ~r = const und den Restraumzerlegen. Nach Ausfuhrung der Winkelintegration bleiben zwei Radialintegrale

1

rl+1

∫ r

0

f(r′)r′l r′2 dr′ + rl∫ ∞

r

f(r′)1

r′l+1r′2 dr′

zu losen)Die verbleibenden Integrale uber die gewichtete Dichte nennt man Multipolmomente

qlm ≡∫

V

(~r ′) r′l y∗lm (Ω′) d3r′

Deren wichtigste Vertreter Monopol (l = 0), Dipol (l = 1) und Quadrupol (l = 2) sind in

der folgenden Tabelle zusammengefasst (q : Ladung, ~d : Dipolmoment, Q : Quadrupolten-

sor)

Page 21: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 15

Monopol q00 =1√4π

∫ρ (~x ′) d3x′ = 1√

4πq

Dipol q11 = −√

38π

∫(x′ − iy′) ρ (~x ′) d3x′ = −

√38π

(dx − idy)

q10 =√

34π

∫z′ρ (~x ′) d3x′ =

√34πdz

Quadrupol q22 =14

√152π

∫(x′ − iy′)2 ρ(~x ′) d3x′ = 1

12

√152π

(Q11 − 2 i Q12 −Q22)

q21 = −√

158π

∫z′ (x′ − iy′) ρ(~x ′)d3x′ = −1

3

√158π

(Q13 − iQ23)

q20 =12

√54π

∫(3z′2 − r′2) ρ (~x ′) = 1

2

√54πQ33

Man sieht, dass sich das Potential dann einfach berechnen lasst, wenn die Ladungsdichtenur wenig von der Kugelsymmetrie abweicht. Die Entwicklung wird nur langsam konver-gieren, wenn die Symmetrie von stark von der Kugelsymmetrie abweicht. In solchenFallen ist es gunstiger, die Abstandsfunktion in anderen, der Symmetrie von besserangepassten Koordinaten zu entwickeln.

Beispiel:Berechne das Potential einer homogen geladenen Kugel mit Radius R und (~r ′) =0 r′ < R0 sonst.

a) Außenbereich: Position des Beobachters r > R

qlm = ρ0

∫ R

0

r′l r′2 dr′∫

dΩ′ y∗lm(Ω′)

Um die Winkelintegration durchzufuhren nutzt man mit einem Trick die Orthogonalitats-relation der Kugelflachenfunktion

ylm(Ω) yl′m′(Ω) dΩ = δll′ δmm′ , dΩ = sinϑ dϑ dϕ

aus. y00 ist eine Konstante

Page 22: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

16 1. Elektrostatik

y00 =1√4 π⇒√4 π y00 = 1

; qlm = 0

∫ R

0

r′l+2 dr′∫ √

4 π y00 · y∗lm︸ ︷︷ ︸√

4π δl0 δm0

dΩ′

q00 = 0

∫ R

0

r′2 dr′√4 π

q00 =

√4 π

30R

3 qlm = 0 fur l 6= 0

→ φa (r > R) =4

3π R3 0 ·

1

r=Q

r; Q : Gesamtladung der Kugel

b) Innenbereich: r < R

φi(r) =∞∑

l=0

l∑

m=−l

4 π

2 l + 1ylm(Ω) 0

∫√4π δl0 δm0

︷ ︸︸ ︷

y∗lm(Ω′) dΩ′ ·

1

rl+1

∫ r

o

r′l r′2 dr′ + rl∫ R

r

1

r′l+1r′2 dr′

= 4 π1√4 π

0√4 π

1

r

1

3r3 +

1

2(R2 − r2)

= 4 π 0

1

2R2 − 1

6r2

R R

E(r)

r r

φ (r)

3 Q2 R

Q

Qr

4

R

π 0 12 R² 1

6 r²

32 r

0π E = − φ

Qr²

Abb. 1.9: Potential und Feld einer homogen geladenen Kugel

Auf der Kugeloberflache passen sich φi und φa stetig an:

φi(R) = 4 π 01

3R2 φa(R) =

Q

R=

4

3π 0R

2

Page 23: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.1 Ladungen im materiefreien Raum 17

1.1.5 Energie des elektrostatischen Feldes

In Kapitel 1.1.1 haben wir die Arbeit definiert, die man aufwenden muss, um eine Ladungvon A nach B zu bringen:

W = q (φB − φA)Liegt der Punkt A im Unendlichen und befindet sich eine bestimmte Ladung qk am Ort~rk, so gilt fur die Arbeit

Wk = qk φ(~rk)

Das Potential gegenuber dem Arbeit aufgewandt wurde, konnte z. B. durch N − 1 andereLadungen hervorgerufen werden

φ(~rk) =N∑

j=1j 6=k

qj|~rk − ~rj |

,

so dass die potentielle Energie der Ladung qk im Feld der N − 1 Ladungen

Wk = qk

N∑

j=1j 6=k

qj|~rk − ~rj |

betragt. Die totale potentielle Energie aller Ladungen ist dann (k < j vermeidet Dop-pelzahlungen)

W =N∑

j=1

N∑

k<j

qk qj|~rk − ~rj|

=1

2

N∑

k,j=1k 6=j

qk qj|~rk − ~rj |

.

Fur eine kontinuierliche Ladungsverteilung erhalt man entsprechend

W =1

2

∫∫ (~r ) (~r ′)

|~r − ~r ′ | d3r d3r′ =1

2

(~r ) φ (~r ) d3r.

Man kann diese potentielle Energie interpretieren als diejenige Energie, die im elektrischenFeld gespeichert ist. Dazu eliminiert man uber die Poisson Gleichung

W = − 1

8 π

φ∇2 φ d3r

und integriert partiell

W =1

8 π

| ∇φ |2 d3r = 1

8 π

| ~E |2 d3r.

Da man den Integrand eines Volumenintegrals gewohnlich als Dichte auffasst, erhalt manals Energiedichte des elektrostatischen Feldes

w =1

8 π| ~E |2.

Page 24: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

18 1. Elektrostatik

1.2 Geladene Metallkorper

1.2.1 Oberflachenladungen – Unstetigkeiten im ~E-Feld

In Leitern konnen sich Ladungen frei bewegen. Ein Leiter mit der Gesamtladung 0, dersich in einem feldfreien Raum befindet, besitzt uberall die Ladungsdichte 0, da anderen-falls zwischen Gebieten verschiedener Ladungsdichte elektrische Felder entstunden, dieeinen Ladungsausgleich zur Folge hatten. Bringt man jedoch einen neutralen Leiter in einelektrisches Feld, so werden seine Ladungen unter der Wirkung des Feldes so verschoben,dass an der Oberflache des Leiters Flachenladungen auftreten, die das ursprungliche Feldverandern. Ein statischer Zustand ist dann erreicht, wenn die Komponenten der elektri-schen Feldstarke tangential zur Metalloberflache 0 sind (dann konnen sich die Ladungenim Leiter nicht mehr verschieben). Die elektrische Feldstarke steht dann uberall senkrechtauf der Oberflache, die somit selbst zur Aquipotentialflache wird. Man sagt, das elektri-sche Feld influenziert Ladungsdichte auf Leiteroberflachen und nennt dieses PhanomenInfluenz.

Gaußdose

d

a

x

y

E = E ex

Abb. 1.10: Plattenkondensator

Als einfachstes Beispiel fur die Influenz von Oberflachenladungen betrachten wir einenebenen Plattenkondensator. Die Flache der Platten ist a, der Abstand zwischen den Plat-ten ist d. Auf der linken Metallplatte bringen wir mit einem geriebenen Glasstab positiveLadungen auf. Durch das entstehende Feld werden auf der zunachst ungeladenen rechtenPlatte die Leitungselektronen so verschoben, dass sie sich auf der Innenflache der Kon-densatorplatte konzentrieren. Zwischen den Innenflachen der beiden Platten entsteht so

Page 25: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 19

ein elektrisches Feld. Mit Hilfe des Gauß’schen Gesetzes konnen wir das Feld mit deraufgebrachten Oberflachenladung σ = Q

ain Relation bringen

∫∫

©S

~E · ~n ds = E · a = 4 π Q ⇒ E = 4 π σ.

nn

n

n

1

2

3

4

a’

a

E

Abb. 1.11: Zur Berechnung des Flussintegrals

Bemerkung:

∫∫

©S

~E · ~n ds = a ( ~E · ~n4 + ~E · ~n2) + a′ ( ~E · ~n1 + ~E · ~n3)

Da ~E konstant ist, kann es aus dem Integral gezogen werden. ~E ist senkrecht zu~n1 und ~n3, so dass der zweite Term verschwindet. Da ~E nur nach rechts aus derDose fließt, ist ~E · ~n4 = 0 und somit

∫∫

©S

~E · ~n ds = E · a.

Da das Feld zwischen den Kondensatorplatten konstant ist, konnen wir auch leicht diePotentialdifferenz (Spannung) zwischen den Platten berechnen. Wir erhalten

U ≡ |φ (d)− φ (0) | =∫

C(0,d)

~E · d~l = E · d = 4 π σ · d

= 4 π Qd

a.

Page 26: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

20 1. Elektrostatik

Die Geratekonstante 14π

ad≡ C bezeichnet man als die Kapazitat des Kondensators und

erhalt somit

Q = C · UDie Kapazitat wird im SI in Farad und im Gauß-System in cm gemessen. Es gilt fur dieUmrechnung 1Farad = 9 · 1011 cm.Kondensatoren sind wichtige Schaltelemente, die man in verschiedener Weise kombinierenkann:

a) b)C

CC C1 2

2

1

Abb. 1.12: Parallel- und Reihenschaltung von Kondensatoren

a) Parallelschaltung: Die Spannung an beiden Kondensatoren ist gleich, d. h. Q1 =C1 U, Q2 = C2 U . Fur die Gesamtladung erhalt man dann Q = Q1 + Q2 = (C1 +C2)U ≡ C · U also C = C1 + C2

b) Reihenschaltung: die Gesamtspannung setzt sich aus den Teilspannungen U1 und U2

zusammen, so dass U = U1 + U2 = Q ( 1C1

+ 1C2

) ≡ QC(Die Ladungen von C1 und C2

sind durch die Reihenschaltung gleich). Daraus erhalt man 1C= 1

C1

+ 1C2

.

Fassen wir noch einmal zusammen: Bringt man einen Leiter in ein elektrisches Feld, sowerden an seiner Oberflache Influenzladungen erzeugt, die ihrerseits das Feld beeinflussen.Dadurch dass diese Ladungen frei verschiebbar sind, stellt sich dann ein statisches Feldein, wenn die Tangentialkomponenten entlang der Leiterflache verschwinden, das Feldsomit senkrecht auf der Leiterflache steht. Das Feld auf beiden Seiten des Leiters istunterschiedlich proportional zur Dichte der Oberflachenladung.Verallgemeinert man dieses Konzept, bringt man eine beliebige Oberflachenladung in

r

z

x

y

E2( r )σ

E1

n

Abb. 1.13: Unstetigkeit des ~E-Feldes bei beliebiger Oberflachenladung

Page 27: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 21

ein bereits bestehendes ~E-Feld. Diese Oberflachenladung σ(~r) sei ortsabhangig und nichtmehr (wie in einem Leiter) frei verschiebbar entlang der vorgegebenen Oberflache. Nachdem Gauß’schen Gesetz gilt dann fur eine infinitesimal flache Gaußdose der Grundflachea

G

a

E1

E2

Abb. 1.14: Zum Nachweis der Unstetigkeit der Normalkomponente

1

a

∫∫

© ~E · ~n ds = ~E1 · (−~n ) + ~E2 · ~n

= ( ~E2 − ~E1) · ~n = 4 π σ ← (σ =Q

a)

Das bedeutet, dass durch eine Oberflachenladung die Normalkomponente des elektrischenFeldes unstetig wird

E2n = E1n + 4 π σ

Dagegen bleibt die Tangentialkomponente des Feldes beim Durchgang durch die Flache

E1

E2

dl

E1t

E1t

E2t

Abb. 1.15: Zum Nachweis der Stetigkeit der Tangentialkomponente

unverandert, da das ~E Feld wirbelfrei ist. Man findet fur eine infinitesimale Schleife

0 =

~E · d~l = (E1t − E2t) · dl ⇒ E1t = E2t

(Im Unterschied zu einem Leiter ist die verallgemeinerte Oberflachenladung nicht freiverschiebbar, so dass eine Tangentialkomponente entlang der Oberflache durch die Orts-abhangigkeit von σ = σ(~r ) bleibt).

Page 28: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

22 1. Elektrostatik

Die Gegenwart von Oberflachenladungen verandert also die Eigenschaften elektrostati-scher Felder. Man berucksichtigt solche Grenzflachen in Form von Randbedingungen furdie Poisson Gleichung.

1.2.2 Randbedingungen des Feldes bei endlichen Randflachen

Wir haben gesehen, wie sich die Grundgleichungen der Elektrostatik aus einigen wenigenexperimentellen Erkenntnissen ableiten lassen und konnten alle Eigenschaften elektrosta-tischer Felder im Vakuum in einer DGL – der Poisson Gleichung zusammenfassen

φ = −4 π (~r ).

Wir haben ebenfalls gesehen, dass eine spezielle Losung der Poisson Gleichung durch

φ(~r) =

V

(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

gegeben ist, was man durch Einsetzen leicht verifiziert

r φ(~r) =

V

(~r ′)r1

|~r − ~r ′| d3r′

= −4 π∫

(~r ′) δ (~r − ~r ′) d3r′

= −4 π (~r ) .

Damit stellt sich naturlich die Frage, wie eine allgemeine Losung der Poisson Gleichung,insbesondere in Gegenwart von Grenzflachen, aussehen mag. Dazu betrachten wir dasGreen’sche Theorem, das man als ein Spezialfall des Gauß’schen Integralsatzes fur zweiskalare Funktionen φ, ψ und dem aus ihnen konstruierten Vektorfeld ~A = φ∇ψ − ψ∇φerhalt. Aus ∫∫∫

V

div ~Ad3r′ =

∫∫

©S(V )

~Ad~s

folgt dann mit

div ~A = ∇φ∇ψ + φψ −∇ψ∇φ− ψφ= φψ − ψφ

∫∫∫

V

(φψ − ψφ) d3r′ =

∫∫

©S(V )

(φ∇ψ − ψ∇φ) d~s.

Page 29: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 23

Dabei bedeutet S(V ) die V umrandende Oberflache. Definieren wir ~n als Normalenvektordes Flachenelementes d~s, so konnen wir die rechte Seite entsprechend

∇ψ d~s = ∇ψ · ~n · ds = ∂ ψ

∂ ~nds

umformulieren, wobei ∂ψ∂~n

gerade die Richtungsableitung des Skalarfeldes ψ in Richtungder Flachennormalen bedeutet. Somit haben wir

∫∫∫

V

(φψ − ψφ) d3r′ =∫∫

©S(V )

(

φ∂ ψ

∂ ~n− ψ ∂ φ

∂ ~n

)

ds′.

Was hat das alles mit Physik zu tun?Nehmen wir an, φ sei unser gesuchtes elektrostatisches Potential und ψ ein Skalarfeld derForm ψ = 1

|~r−~r ′| , so findet man unter Ausnutzung der beiden DGL’n fur die Skalarfelder

φ = −4 π , ψ = −4 π δ (~r − ~r ′)

;

∫∫∫

V

−4 π φ(~r ′) δ(~r − ~r ′) +4 π

|~r − ~r ′| (~r′)

=

∫∫

©S(V )

φ(~r ′)∂

∂ ~n ′1

|~r − ~r ′| −1

|~r − ~r ′|∂ φ

∂ ~n ′

ds′.

Unter der Voraussetzung, dass der Beobachtungspunkt ~r im Volumen V liegt, in demauch die Raumladungsverteilung (~r ′) angenommen wird, ergibt sich

φ(~r ) =

∫∫∫

V

(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ∂

∂ ~n ′1

|~r − ~r ′| −1

|~r − ~r ′|∂ φ

∂ ~n ′

ds′

Offenbar ist unsere im vorigen Kapitel behandelte Losung tatsachlich ein Spezialfall dieserallgemeinen Losung, namlich fur den Fall einer ins Unendliche verschobenen OberflacheS(V ). Unter der Voraussetzung, dass das Feld schneller als 1

|~r−~r ′| abfallt gilt dann

∫∫

©∞

. . . = 0 ⇒ φ(~r ) =

∫∫∫

V

(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′.

Das Volumenintegral enthalt die Informationen uber die felderzeugenden Raumladungen,wahrend das Oberflachenintegral samtliche Randbedingungen (Potential φ, bzw. Feld ∂ φ

∂ ~n ′

auf der V begrenzenden Oberflache S) berucksichtigt. In diesem Sinne ist φ (~r ) eine all-gemeine Losung der Poisson Gleichung. Man kann zeigen, dass nur eine der moglichenTypen von Randbedingungen

φ = φ (~r )∣∣~r∈S Dirichlet’sches Randwertproblem

∂ φ (~r )∂ ~n

∣∣~r∈S Neumann’sches Randwertproblem

erforderlich ist, um eine spezielle Losung eindeutig festzulegen.

Page 30: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

24 1. Elektrostatik

1.2.3 Green’sche Funktionen

Man definiert eine Klasse von Funktionen G(~r, ~r ′) uber die DGL

G (~r, ~r ′) = −4 π δ(~r − ~r ′) .

G (~r, ~r ′) heißt Green’sche Funktion. Offenbar ist das Potential einer Punktladung 1|~r−~r ′|

eine spezielle Green Funktion, denn es erfullt die DGL. Eine allgemeine Form der GreenFunktion erhalt man durch den Ansatz

G(~r, ~r ′) =1

|~r − ~r ′| + F (~r, ~r ′)

F (~r, ~r ′) = 0 , inV

→ Damit beschreibt G (~r, ~r ′) das elektrostatische Potential einer Punktladung im Vo-lumen V (Beobachtungspunkt ~r ) und einer das Potential F erzeugenden Ladungs-verteilung außerhalb von V .

Wir konnen fur unsere allgemeine Losung φ (~r ) anstatt 1|~r−~r ′| die allgemeinere Form

G (~r, ~r ′) in das Green’sche Theorem einsetzen, also

φ (~r) =

∫∫∫

V

(~r ′)G (~r, ~r ′) d3r′ − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ (~r ′)∂ G (~r, ~r ′)

∂ ~n ′ −G (~r ~r ′)∂ φ (~r ′)

∂ ~n ′

ds′

• Dirichlet’sche Randbedingungen realisiert man durch die Forderung

GD(~r, ~r′)

∣∣∣∣~r ′∈S

= 0

→ φ (~r ) =

∫∫∫

V

(~r ′)GD(~r, ~r′) d3r′ − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ (~r ′)∂ GD (~r, ~r ′)

∂ ~n ′ ds′

weil fur diese Wahl der Green Funktion die Randbedingung durch Vorgabe des Potentialsauf der Oberflache festgelegt wird.

• Neumann’sche Randbedingungen werden realisiert durch

∂ GN(~r, ~r′)

∂ ~n ′ = − 4 π

< S >, < S > ist die Große der Randflache

Diese Wahl ist konsistent mit dem Gauß’schen Integralsatz

∫∫∫

V

div (−∇G ) d3r′ = −∫∫

©S(V )

∇Gd~s = −∫∫

©S(V )

∂ G

∂ ~nds

=4 π

< S >

∫∫

©S(V )

ds = 4 π

Page 31: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 25

; φ (~r ) =

∫∫∫

V

(~r ′)GN(~r, ~r′) d3r′ − 1

∫∫

©S(V )

(

−4 π

S

)

φ (~r ′)

︸ ︷︷ ︸

(∗)

−GN(~r, ~r′)∂ φ (~r ′)

∂ ~n ′

ds

(∗) < φ >← Konstante: uber die Randflache gemitteltes Potential

GN erfordert die Angabe der Normalkomponente des Feldes auf der Oberflache S. Diesist aquivalent zur Angabe der Oberflachenladungsdichte σ(~r )|~r∈S.

Wozu ist das gut?

(i) Wir haben nun eine formale Losung der Poisson Gleichung unter Einbeziehung derRandbedingungen

(ii) In der Darstellung von G(~r, ~r ′) wurde F (~r, ~r ′) als das Potential derjenigen Ladungs-verteilung außerhalb von V interpretiert, die zusammen mit einer Punktladung in-nerhalb von V das Potential G(~r, ~r ′) erzeugt. Um nur die Green Funktion einesProblems zu bestimmen, mussten wir F (~r ~r ′) so einrichten, dass die Randbedin-

gung GD(~r, ~r′)|~r ′∈S = 0 bzw. ∂ GN (~r,~r ′)

∂ ~n ′ |~r ′∈S = − 4π<S>

erfullt werden.Wir erzeugen also außerhalb des von uns betrachteten Volumens eine kunstlicheLadungsverteilung (Spiegelladung), die Potential bzw. Feld der Punktladung im In-neren des Volumens auf der Randflache S (V ) kompensiert. G(~r, ~r ′) enthalt also dieGeometrie des speziellen Problems, vorgegeben durch die Symmetrien der Rand-flachen.

(iii) G(~r, ~r ′) ist fur eine vorgegebene Geometrie der Randflache universell und unabhangigvon der speziellen Ladungsverteilung im Inneren von V .

1.2.4 Green Funktionen und die Methode der Spiegelladungen

Wir stehen also vor folgender Aufgabenstellung: die allgemeine Losung der Poisson Glei-chung.

φ = −4 π

fur Dirichlet’sche Randbedingungen (also Vorgaben des Potentials auf endlichen Rand-flachen) ist

φ(~r ) =

V

(~r ′) GD (~r ~r ′) d3r′ − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ (~r ′)∂ GD(~r ~r

′)

∂ ~n ′ ds′.

Das Oberflachenintegral gewinnt fur den Fall endlicher Grenzflachen eine entscheidendeBedeutung: Gibt es z. B. keine Raumladungen (~r ), sondern nur ein auf einer Oberflachevorgegebenes Potential, so ist die Losung der Laplacegleichung in V

Page 32: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

26 1. Elektrostatik

φ = 0

φ (~r ) = − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ (~r ′)∂ GD(~r, ~r

′)

∂ ~n ′ ds′

vollstandig durch das Oberflachenintegral gegeben.Wir hatten erwahnt, dass man in die spezielle Form der Green Funktion die Geometrie(Randbedingungen) des Randwertproblems verpackt. Zur Berechnung von Green Funk-tionen bieten sich prinzipiell zwei Wege an: die direkte Losung der DGL

G (~r, ~r ′) = −4 π δ (~r − ~r ′)

oder bei einfachen Geometrien die Methode der Spiegelladung. Die GF

G (~r, ~r ′) =1

|~r − ~r ′| + F (~r, ~r ′)

ist das Potential einer Einheitspunktladung im Volumen V uberlagert mit dem (fiktiven)Potential F einer Ladungsverteilung außerhalb von V , so dass sich die (Dirichlet’sche)Randbedingung

GD(~r, ~r′)

∣∣∣∣~r∈S(V )

= 0

auf der das Volumen V begrenzenden Oberflache S erfullen lasst. D. h. die Berechnun-gen von Greens Funktionen lassen sich reduzieren auf das Problem einer Punktladung inGegenwart einer leitenden Oberflache.

Beispiel: GF einer leitenden Kugel mit Radius R

x

y

z(>

r ’

r

Abb. 1.16: Geometrie

~r ′ ist der Positionsvektor der Einheitsladung, ~r die Position des Beobachters. Die ge-zeichnete Geometrie entspricht einem Volumen V außerhalb der Kugel. Damit muss das

Page 33: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 27

Korrekturpotential F (~r, ~r ′), das die Randbedingungen GD(~r, ~r′) = 0 garantiert, von einer

Ladungsverteilung innerhalb der Kugel erzeugt werden. Naturlich ist diese Ladungsver-teilung auch von der Position der Punktladung ~r ′ abhangig. Aus Symmetriegrunden wirdman die Spiegelladung auf dem Radiusvektor ~r erwarten. Wir setzen an

GD(~r, ~r′) =

1

| r~er − r′~er′ |+

q

| r~er − r~er′ |,

wobei q, r Ladung bzw. Position der Spiegelladung bedeuten. Die Randbedingung erfor-dert

GD(~R,~r′) =

1

r′ | Rr′~er − ~er′ |

+q

R |~er − rR~er′ |

= 0

Dabei wurde so ausgeklammert, dass man beide Abstande entwickeln kann(vergl. wieder S. 12)(~er · ~er′ = cosα):

GD(~R,~r′) =

∞∑

l=0

Pl(cosα)

Rl

r′l+1+ q

rl

Rl+1

= 0

⇒ l = 0 :1

r′= − q

R→ q = −R

r′.

l 6= 0 :Rl

r′l+1= −q rl

Rl+1=

rl

r′Rl

;

(R

r′

)l

=

(r

R

)l

; r =R2

r′.

Anhand des Ergebnisses sieht man, warum es sich bei q um eine Spiegelladung handelt:Nahert sich die Punktladung einer Kugeloberflache, so nahert sich auch die Spiegelladungder Oberflache

r′ → R r → R q → −1r′ →∞ r → 0 q → 0

Eine unendlich entfernte Punktladung hat das Bild q = 0 im Zentrum der Kugel. Somithat man

GD(~r, ~r′) =

1

|~r − ~r ′| −R

r′ |~r − R2

r′2· ~r ′|

.

Wir konnen nun uberprufen, dass GD eine Losung von GD = −4 π δ (~r− ~r ′) zur Rand-

bedingung GD(~R,~r′) = 0 ist. Dazu berechnen wir

GD(~r, ~r′) = −4 π δ (~r − ~r ′) +

4 π R

r′δ(~r − R2

r′2· ~r ′)

Da wir angenommen haben, dass r, r′ > R, ist(Rr′< 1)

R2

r′2· ~r ′ =

R2

r′· ~er′ = R ·

(R

r′

)

· ~er′

Page 34: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

28 1. Elektrostatik

ein Vektor innerhalb der Kugel und somit fur alle Punkte ~r außerhalb der Kugel δ(

~r − R2

r′2· ~r ′)

=

0.; GD(~r, ~r

′) = −4 π δ(~r − ~r ′) ,

d.h. F (~r, ~r ′) = − R

r′ |~r−R2

r′2~r ′|

erfullt die Laplace Gleichung ∆F = 0. Ferner erfullt GD die

Randbedingung, denn es gilt mit

GD (~r, ~r ′) =[r2 + r′2 − 2 r r′ cosα

]− 1

2 −[r2 r′2

R2+R2 − 2 r r′ cosα

]− 1

2

GD (~R,~r ′) =[R2 + r′2 − 2Rr′ cosα

]− 1

2 −[r′2 +R2 − 2Rr′ cosα

]− 1

2 = 0 .

Fur das Oberflachenintegral benotigen wir noch die Richtungsableitung der Green Funk-tion auf der Kugeloberflache entlang der Normalen zur Oberflache. ~n ′ ist der Vektor, dersenkrecht auf der begrenzenden Oberflache steht und vom betrachteten Volumen nachaußen zeigt. Somit ist ~n ′ = −~er′ und man erhalt

∂ GD(~r ~r′)

∂ ~n ′

∣∣∣∣r′=R

=∂ GD(~r ~r

′)

∂ ~er′

∣∣∣∣r′=R

= − r2 −R2

R [r2 +R2 − 2Rr cosα]3

2

= −∇r′GD(~r, ~r′) · ~er′

∣∣∣∣r′=R

=(∗)−∂r′GD(~r, ~r

′) .

(∗) : ∇r′ in Kugelkoordinaten

Somit erhalt man fur das Potential einer beliebigen Ladungsverteilung außerhalb einerleitenden Kugel mit dem Potential φ0 (R,Ω) (ds

′ = R2 dΩ′ = R2 sinϑ′ dϑ′ dϕ′)

φ (~r ) =

V

(~r ′)

1

|~r − ~r ′| −R

r′|~r − R2

r′2· ~r ′|

d3r′

+1

4 π

∫∫

φ0(RΩ′)R (r2 −R2)

|~r − ~R |3dΩ′ .

Fur das Potential innerhalb einer leitenden Kugel werden die Rollen von Außen- undInnenraum vertauscht (Raumladung innerhalb der Kugel, etc. . . . – Wie sieht das Potentialinnerhalb der leitenden Kugel aus, wenn sich die Raumladung außerhalb befindet?).

1.2.5 Die Laplace Gleichung

Haben wir keine Raumladung, so wird das Potential ausschließlich durch die Randbe-dingungen fur die Laplace Gleichung φ = 0 bestimmt. Fur das Potential der leitendenKugel erhalt man aus der allgemeinen Losung sofort

φ (~r ) =1

4 π

∫∫

φ0(RΩ′)R (r2 −R2)

|~r − ~R |3dΩ′

Page 35: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 29

Wegen der Leitfahigkeit der Kugel ist φ0 naturlich konstant, so dass

φ (~r ) =φ0R (r2 −R2)

4 π

∫∫[r2 +R2 − 2 r R cosα′]− 3

2 dΩ′.

Die Integration uber die Oberflache der Kugel ist uber alle alle Orientierungen von R zunehmen: cosα′ hangt also von Ω′ ab. Analog zu Seite 12 entwickeln wir die Abstandsfunk-tion, nachdem wir zuvor r2 +R2 ausgeklammert haben. Mit |x| < 1 und

1

(1− x) 3

2

= 1 +3

2x+

3 · 52 · 4 x

2 +3 · 5 · 72 · 4 · 6 x

3 + . . .

erhalten wir

(

a = r Rr2+R2 , b =

R (r2−R2)

(r2+R2)32

, dΩ′ = sinϑ′ dϑ′ dϕ′ ≡ d(cosϑ′) dϕ′)

φ (~r ) =b

4 πφ0

∫ 2π

0

dϕ′∫ 1

−1

d (cosϑ′)1

(1− 2 a cosα)3

2

=b

4 πφ0

∫ 2π

0

dϕ′∫ 1

−1

d (cosϑ′)

1 + 3 a cosα +15

2a2 cos2 α + . . .

Da der Winkel zwischen ~r und ~R bezuglich der Kugelwinkel (ϑ′ϕ′) ausgedruckt werdenkann (vergl. Seite 13)

cosα = sinϑ sinϑ′ cos(ϕ− ϕ′) + cosϑ cosϑ′ ,

erhalt man fur die Terme niedrigster Ordnung

φ(~r) ∼= b

4 πφ0

2 π · 2 + 3 a

[ ∫ 2π

0

cos (ϕ− ϕ′) dϕ′︸ ︷︷ ︸

=0

∫ 1

−1

sinϑ sinϑ′ d(cosϑ′)

+2 π

∫ 1

−1

cosϑ cosϑ′ d(cosϑ′)︸ ︷︷ ︸

=0

]

+15

2a2[

sin2 ϑ

∫ 2π

0

cos2(ϕ− ϕ′) dϕ′ ×

∫ 1

−1

(1− cos2 ϑ′) d (cosϑ′) + cosϑ 2 π

∫ 1

−1

cos2 ϑ′ d (cosϑ′)

]

=b

4 πφ0

4 π + 0 +15

2a2[

sin2 ϑπ

(

2− 2

3

)

+ cos2 ϑ 2 π2

3

]

= b φ0

1 +5

2a2

= φ0R (r2 −R2)

(r2 +R2)3

2

1 +5

2

r2R2

(r2 +R2)2

.

(∗) : der Mischterm verschwindet, weil

∫ 2π

0

cos(ϕ− ϕ′) dϕ′ ≡ 0

Man sieht: das Potential ist radialsymmetrisch, unterscheidet sich jedoch in seiner r-Abhangigkeit vom Potential einer homogen geladenen Kugel (φ = Q

r, r > R vergl. Seite

15).

Page 36: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

30 1. Elektrostatik

• Separationsansatz

Fur Systeme mit einfacher Geometrie ist haufig auch eine direkte Losung der LaplaceGleichung moglich. Lasst sich die Randbedingung in einer der folgenden elementaren Sym-metrien formulieren, so kann man die Laplace Gleichung separieren und in unabhangigegewohnliche DGL’n umformen

Symmetrie Darstellung von Ansatz

Kartesische (x, y, z) = ∂2

∂ x2+ ∂2

∂ y2+ ∂2

∂ z2φ (~r ) = X(x)Y (y)Z(z)

Zylinder (, ϕ, z) = 1

∂∂

( ∂∂ ) + 1

2∂2

∂ ϕ2 +∂2

∂ z2φ (~r ) = R()Q(ϕ)Z(z)

Kugel (r, ϑ, ϕ) = 1r2

∂∂ r

(r2 ∂∂ r) + 1

r2 sinϑ∂∂ ϑ

(sinϑ ∂∂ ϑ

) φ (~r ) = U(r)rP (ϑ)Q(ϕ)

+ 1r2 sin2 ϑ

∂2

∂ ϕ2

Die verbleibenden gewohnlichen DGL’n lassen sich in der Regel durch Orthogonale Poly-nome (spezielle Funktionen der Theoretischen Physik) losen.

xb

a

c

z

UCy

Abb. 1.17: Potential im Innenraum eines Quaders

Um den Losungsweg an einem Beispiel zu erlautern, berechnen wir das Potential imInneren eines Quaders mit den Abmessungen a b c in x y z Richtung. Alle Oberflachen desQuaders sind geerdet. Zwischen den Flachen parallel zur xy-Ebene liegt eine SpannungUc an. Somit gilt fur die Randbedingungen

φ (0 y z) = φ (a y z) = φ (x 0 z) = φ (x b z) = φ (x y 0) = 0

φ (x y c) = Uc

Page 37: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 31

Wegen der Symmetrie der Randbedingungen losen wir die Laplace Gleichung in kartesi-schen Koordinaten

φ =∂2φ

∂ x2+∂2φ

∂ y2+∂2φ

∂ z2= 0

• Ansatz zur Losung der Laplace Gleichung

φ (~r ) = φx(x)φy(y)φz(z)

• Einsetzen und Division durch φ liefert

1

φx

∂2 φx∂ x2

+1

φy

∂2 φy∂ y2

+1

φz

∂2 φz∂ z2

= 0

• Separation: damit diese Gleichung fur alle x y z erfullt ist, muss jeder Term fur sichkonstant sein und die Summe der Konstanten verschwinden

;1

φx

d2φxdx2

= −α2;1

φy

d2φydy2

= −β2;1

φz

d2φzdz2

= γ2

→ −α2 − β2 + γ2 = 0 ⇒ γ2 = α2 + β2.

• Die Losungen der drei gewohnlichen DGL’n sind (uberprufen durch Einsetzen)

φx(x) = A sinαx+ B cosαx

φy(y) = C sin βy +D cos βy

φz(z) = E sinh γz + F cosh γz

• Der Produktansatz ist nur eine spezielle Losung der Laplace Gleichung. Um eineallgemeine Losung zu erhalten, mussen wir uber alle Partikularlosungen summieren

φ (~r ) =∑

n,m

[ φxn(x)︷ ︸︸ ︷

(An sinαnx+ Bn cosαnx) ·φym(y)

︷ ︸︸ ︷

(Cm sin βmy +Dm cos βmy)

·Enm sinh γnmz + Fnm cosh γnmz)︸ ︷︷ ︸

φzmn(z)

]

Dabei haben wir ausgenutzt, dass wir ein Produkt aus 3 Reihen in ein Produkt aus2 Reihen mit den Koeffizienten Enm, Fnm zusammenfassen konnen. Alle Konstantenmussen jetzt uber die Randbedingungen festgelegt werden.

Page 38: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

32 1. Elektrostatik

• Randbedingungen:

φ (0 y z) =∑

nm

Bn φym(y)φzmn(z) = 0 ⇒ Bn = 0

φ (a y z) =∑

nm

An sinαna φym(y)φzmn(z) = 0 ⇒ αn =nπ

a(∗)

(∗) : An 6= 0 sonst erhalt man die triviale Losung φ = 0

Analog erhalt man aus den anderen Bedingungen

Dm = 0, Fnm = 0, βm =mπ

b⇒ γnm = π

[(n

a

)2

+(m

b

)2] 1

2

→ Bisher mit anm ≡ AnCmEnm :

φ (~r ) =∑

nm

anm sinnπ x

asin

mπ y

bsinh

[

π

((n

a

)2

+(m

b

)2) 1

2

]

z

• Bestimmung von anm aus φ (x y c) = Uc

Uc =∑

nm

anm sinnπ x

asin

mπ y

bsinh γnmc

/∫

sinn′ π x

adx

/∫

sinm′ π y

bdy

Unter Ausnutzung der Orthogonalitatsrelation∫ a

0

sinnπ x

asin

n′ π x

adx =

a

2δnn′

→ an′m′ =16

π2 n′m′Uc

sinh γn′m′ · c , n′,m′ ungerade!

Somit sieht das Potential im Inneren des Quaders wie folgt aus

φ (~r ) =16Ucπ2

nm

1

(2n+ 1)(2m+ 1)sin

(2n+ 1) π x

asin

(2m+ 1) π y

b· sinh γnm zsinh γnm c

γnm = π

[(2n+ 1

a

)2

+

(2m+ 1

b

)2] 1

2

• Numerische Losungsverfahren

Zuletzt mochte ich Ihnen andeuten, wie man die Laplace Gleichung numerisch lost. DasVerfahren geht von einer aquidistanten Diskretisierung des Raumes aus. Am Beispiel ei-ner elektrostatischen Rohrlinse (Fokusierelement fur Elektronenstrahlen) sieht man wiedie Laplace Gleichung ausgehend von den Randbedingungen iterativ auf dem Gitter gelostwird.

Page 39: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 33

− 1000 V + 1000 V

2 r 0

R2R1

F1 2F

2 d

Abb. 1.18: Geometrie einer elektrostatischen Linse

(I) AufgabenstellungEine einfache elektrische Linse kann man entsprechend der untenstehenden Abbildungkonstruieren, indem man das Fuhrungsrohr, in dem der Elektronenstrahl verlauft, aneiner Stelle durch zwei Flansche unterbricht. Zwischen den beiden Flanschen liegt eineSpannung von 2000V (+1000V an F2,−1000V an F1). Wir wollen annehmen, dass sichdie Metallstruktur in einem idealen Vakuum befindet, so dass sich das Potential im Rohrund zwischen den Flanschen mit Hilfe der Laplacegleichung

φ = 0

berechnen lasst.Die Losung ist eindeutig, wenn wir das Potential auf den Randflachen des Integrations-

2d

V = − 1000 V V = + 1000 V

−1000 +1000

2r0

z_d

V = 1000

Abb. 1.19: Randbedingungen

volumens kennen. Dazu stellen wir uns vor, dass wir die Rohrenden in genugend weitem

Page 40: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

34 1. Elektrostatik

Abstand von den Flachen mit Metalldeckeln verschließen, ohne dass wir dadurch denPotentialverlauf storen wurden. Um das Integrationsvolumen auch an den Flanschen zuschließen, montieren wir einen Isolatorring zwischen den Flanschen in einem Abstand vonder Rohrachse, in dem zwischen den Flanschen nur noch das homogene Feld eines Plat-tenkondensators anliegt. D. h. zwischen den Platten andert sich das Potential linear in z.

SymmetrienZunachst sieht man, dass das Problem zylindersymmetrisch ist und somit nur von den

>

ϕ =180 d

z

r0ϕ = 0

z _ϕ = 0

0

>_ 0

Abb. 1.20: Symmetrien

zwei Zylinderkoordinaten und z abhangt. D. h. wir beschranken uns auf das Losungs-gebiet ϕ = 0. Außerdem ist das Potential antisymmetrisch bezuglich der Ebene z = 0

φ (z, ) = −φ (−z, ) ,

so dass wir uns zusatzlich auf den Bereich z ≥ 0 beschranken konnen. Die Laplace Glei-chung hat dann die Form

φ =

(∂2

∂ z2+

1

∂ +

∂2

∂ 2

)

φ (z, ) = 0z ≥ 0 ≥ 0

(II) Numerisches Losungsverfahren

a)Diskretisierung

Zunachst diskretisieren wir die Laplace Gleichung in und z

zi = i h, k = k h, φik = φ (zi, k)

Page 41: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 35

und ersetzen 1. und 2. Ableitungen durch die entsprechenden Dreipunkt-Formeln

f ′(x) =f(x+ h)− f(x− h)

2h+ 0 [h2 ]

f ′′(x) =f(x+ h) + f(x− h)− 2 f(x)

h2+ 0 [h2 ].

Damit erhalten wir im Inneren des Integrationsbereichs > 0)

φ =

(∂2

∂ z2+

∂2

∂ 2+

1

)

φ (z, )

=1

h2(φ (z, + h) + φ (z, − h) + φ (z + h, ) + φ (z − h, )

−4φ (z, ) + 1

1

2h(φ (z, + h)− φ (z, − h)) + 0 [h2 ] = 0

/

· h2

bzw. in Gitterpunktschreibweise (fur k > 0)

(i) (φi,k+1 + φi,k−1 + φi+1,k + φi−1,k − 4φi,k) +1

2 k(φi,k+1 − φi,k−1) = 0

Auf der Symmetrieachse k = 0 gilt diese Rekursionsformel nicht (da der Term 1∂ diver-

giert). Fur diesen Fall betrachten wir uns die Laplace Gleichung in kartesischen Koordi-naten und erhalten fur die mit der Dreipunkt-Formel diskretisierte Form

φ (x y z) =1

h2(φ (x+ h, y, z) + φ (x− h, y, z) + φ (x, y + h, z)

+φ (x, y − h, z) + φ (x, y, z + h) + φ (x, y, z − h)− 6φ (x y z)

)+ 0 [h2 ]

(ii) ; φ (x = 0, y = 0, z) = 0 → 4φi,1 + φi+1,0 + φi−1,0 − 6φi,0 = 0

b)Relaxationsverfahren

Die Gleichungssysteme (i) und (ii) sind nun zu losen fur alle Gitterpunkte (i, k). Zunachstsehen wir, dass nur jeweils 3 benachbarte Gitterebenen (fur i = const bzw. k = const)gekoppelt sind. Das liegt an der Verwendung der Dreipunkt-Formeln. Bei Diskretisierun-gen hoherer Ordnung fullt sich die Matrix entsprechend. Es wird also die Losung einesGleichungssystems mit Tridiagonalstruktur erfordern, um das Potential an allen Gitter-punkten (i, k) zu bestimmen. Wir wollen das Gleichungssystem (i) und (ii) mit Hilfe desIterationsverfahrens losen

(1) Vorgabe von φik im Innenbereich es Gitters (z. B. φik = const)

Page 42: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

36 1. Elektrostatik

(2) Berechnung des Potentials an den Stellen (i, k) aus den Potentialwerten der benach-barten Punkte mit Hilfe von (i) und (ii)

φ =

14(φi,k+1 + φi,k−1 + φi+1,k + φi−1,k)+ i ∈ (0, imax)

+ 18 k

(φi,k+1 − φi,k−1), k ∈ (0, kmax)16(φi+1,k + φi−1,k + 4φi,k+1, i ∈ (0, imax)

k = 0

mit den Randwerten

φ =

0, i = 0

1000, i = imax, k ≤ n; 1000,i[m,imax],k=n1000,i=m,k[n,kmax]

1000 im, k = kmax; m = d

hdimensionsloser Flanschabstand

Man beachte, dass durch die Randbedingungen φ 6= φik, obwohl wir in 0. Naherungφik = const setzen.Wurden wir nur fur jeden Punkt φik durch φ ersetzen, d.h. φik = φ

i,k so hatten

imaxi

n = 0 r _h

Umax

U

= 0φ φ= 1000

φ= 1000 _mi

m = _dh

Abb. 1.21: Punktgitter

wir ein einfaches Iterationsverfahren (Gauß Seidel Verfahren). Die Zahl der Itera-tionen, die man benotigt, um eine bestimmte Genauigkeit zu erzielen ist propor-tional zur Zahl der Gitterpunkte (imax · kmax). Diese Konvergenzgeschwindigkeit istsehr klein und das Verfahren i. a. deshalb inpraktikabel. Jedoch schon eine kleineModifikation in der Konstruktionsvorschrift erhoht die Konvergenzgeschwindigkeitbetrachtlich. Schreiben wir fur

(iii) φneuik = φaltik + ω (φ− φaltik ), ω ∈ [1, 2],

so ist die Zahl der Iterationen bei optimaler Wahl von ω und gleicher Genauig-keitsschranke wie oben proportional zu maximax, kmax. Man nennt das durch (iii)

Page 43: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.2 Geladene Metallkorper 37

definierte Iterationsschema sukzessive Uberrelaxation fur ω > 1. Man kann zeigen,dass fur ω ≥ 2 das Verfahren instabil wird. Fur ω = 1 haben wir wieder das G-SVerfahren.

(3) Im letzten Schritt uberprufen wir, ob die neuen Potentialwerte bereits eine vorge-gebene Genauigkeitsschranke erreicht haben

(iv)∨

i,k

|φneuik − φaltik | <∈ . (z. B. :∈= 10−7φmax)

Falls nicht, werden die Schritte (2) und (3) so lange wiederholt, bis (iv) erfullt ist.

1.2.6 Zusammenfassung und Losungsmuster

Wir haben nun eine Vielzahl von Methoden kennen gelernt, elektrostatische Felder imVakuum zu berechnen. Ich mochte zum Abschluss die Losungsmuster im Zusammenhanggegenuberstellen:

(i) Das Feld eines Systems von Punktladungen:

~E(~r ) =N∑

j=1

qj|~r − ~rj |2

~r − ~rj|~r − ~rj |

(ii) Keine Raumladungen im betracheten Volumen vorhanden:

Losung der Laplace Gleichung φ = 0 in Koordinaten, die der Geometrie der Rand-bedingungen angepasst sind (d.h. Koordinaten, in denen sich die Randbedingungen ameinfachsten formulieren lassen)Losungsschritte:

• Separationsansatz

• Fundamentalsystem der resultierenden gewohnlichen DGL’n (i. a. Spezielle Funk-tionen)

• Fundamentalsystem der Laplace Gleichung (allgemeine Losung)

• Bestimmung der Koeffizienten durch Einsetzen der Randbedingungen

(iii) Raumladungen vorhanden:

a) Keine endlichen Grenzflachen im Volumen:Allgemeine Losung der Poisson Gleichung φ = −4 π

φ (~r ) =

∫ (~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

Berechnung des Integrals in Multipolentwicklung, d. h. Entwicklung von 1|~r−~r ′| in

der Symmetrie der Ladungsverteilung (~r ) angepassten Koordinaten → fuhrt i. a.auf Spezielle Funktionen

Page 44: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

38 1. Elektrostatik

b) Endliche Grenzflachen im Volumen:Allgemeine Losung mit Hilfe von Green Funktionen entsprechend Dirichlet’schenoder Neumann’schen Randbedingungen:(1) Dirichlet’sche R. B.: Vorgabe des Potentials auf der Randflache (φ0(~r )|~r∈S)

φ(~r ) =

V

(~r ′) GD(~r, r′) d3r′ − 1

4 π

∫∫

©S(V )

φ0(~r′)∂ GD(~r r

′)

∂ ~n′ ds′

GD(~r, ~r′) =

1

|~r − ~r ′| + F (~r, ~r ′) und r′F (~r, ~r′) = 0 und

Randbedingung GD(~r, ~r′)|~r ′∈S = 0.

Typische Randbedingungen fur leitende Oberflachen: in diesem Fall ist φ0 i. a. kon-stant und kann vor das Oberflachenintegral gezogen werden!

(2) Neumann’sche R. B.: Vorgabe der Normalkomponente des Feldes ∂ φ∂ ~n ′ |~r ′∈S auf

der Randflache. Nach dem Gauß’schen Gesetz ist dies aquivalent zur Vorgabe derOberflachenladung σ(~r ′)|~r ′∈S.

φ (~r ) =

V

(~r ′)GN(~r, ~r′) d3r′ +

1

4 π

∫∫

©S(V )

GN(~r, ~r′)∂ φ (~r ′)

∂ ~n ′ ds′+ < φ >S

GN(~r, ~r′) =

1

|~r − ~r ′| + F (~r, ~r ′) und r′F (~r ~r′) = 0

und Randbedingung∂ GN(~r, ~r

′)

∂ ~n ′

∣∣∣∣~r ′∈S

= − 4 π

< S >

< S >: Große der Randflache< φ >S: uber die Randflache gemitteltes Potential

1.3 Dielektrika

1.3.1 Polarisation von Medien

Zu Beginn der Diskussion der elektrischen Felder hatten wir gesehen, wie man durchgeeignete Mittelung uber mikroskopische Eigenschaften von Atomen oder Molekulen ma-kroskopische Ladungsverteilungen erhalt, die ein elektrostatisches Potential bewirken. Da-bei sind wir davon ausgegangen, dass die Ladungsverteilung von freien Ladungstragernherruhren, und das Feld im Vakuum wirkt. (Metallische) Randflachen konnten in diesemRahmen als Randbedingungen behandelt werden, entweder durch die Vorgabe von Ober-flachenladungen oder durch Potentiale.Die Situation andert sich jedoch, wenn man sich fur das Verhalten elektrischer Felder inausgedehnten Medien (Isolatoren) interessiert. In diesem Fall muss man die Ruckwirkung

Page 45: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.3 Dielektrika 39

EP = 0

P = 0/

Abb. 1.22: Medien mit permanentem molekularen Dipolmoment. a) Die statistische Uber-lagerung der molekularen Dipole fuhrt im feldfreien Raum zu einem makroskopisch ver-schwindendem Dipolfeld. b) Wird ein außeres Feld eingeschaltet, so orientieren sich diemolekularen Dipole im Feld so, dass sie ein Gegenfeld aufbauen.

(Antwort, Response) des Mediums auf das außere Feld berucksichtigen.Stellen wir uns die Molekule eines Mediums als kleine Dipole vor (in guter Naherung sindhohere Multipolmomente von Molekulen unbedeutend), so wird die Polarisation des feld-freien Mediums wegen der statistischen Orientierung der Molekule verschwinden. Legenwir dagegen ein außeres Feld an, werden sich die negativen elektronischen Ladungswolkenentsprechend dem Feld orientieren (die positiven Atomrumpfe (Kerne + Rumpfelektro-nen) bleiben im Festkorperverband stationar), so dass sich in unserem Bild die mikrosko-pischen Dipolmomente zu einem makroskopischen Dipolmoment addieren. In kovalentenVerbindungen besitzen die Molekule kein permanentes Dipolmoment. In diesem Fall wirddas außere Feld nicht zur Orientierung, sondern zur Erzeugung der molekularen Polarisa-tion benotigt. Wie das Bild andeutet, wird eine Polarisation des Mediums ein Gegenfelderzeugen, welches das eingepragte Feld schwacht.Naturlich ist die Polarisation ~P eines Mediums i. a. nicht konstant. Sie hangt von der Artder Molekule ab. Deshalb definieren wir

~P (~r ) =∑

α

Nα < ~dα >,

wobei < ~dα > das mittlere Dipolmoment der Molekulart α bedeutet und Nα die Zahl derMolekule α pro Volumeneinheit.Das Volumen τ , uber das gemittelt wird, befindet sich am Ort ~r

Page 46: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

40 1. Elektrostatik

r

x

y

z

dα1

dα2

rα2

rα1

τ

Abb. 1.23: Zur Definition der makroskopischen Dipoldichte.

< ~dα > =1

τ

τ

~dα(~rα) d3rα

~dα(~rα) =

VMolekuele

(~r ′) · ~r ′ d3r′.

~P (~r ) ist somit die makroskopische Dipoldichte des Mediums. Auf Seite 7 haben wir dasPotential eines Punktdipols berechnet und fur Abstande ~r groß im Vergleich zur Dipo-lachse

φD =~d · ~rr3

erhalten, wobei ~d das Dipolmoment des Punktdipols bedeutet. Fur eine ausgedehnte Di-polverteilung erhalt man entsprechend

φD(~r ) =

V

~P (~r ′) · (~r − ~r ′)

|~r − ~r ′|3 d3r′,

wobei man uber das Volumen des Mediums integrieren muss. Wir schreiben den Integran-den um

~P (~r ′)~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 = ~P (~r ′) · ∇r′1

|~r − ~r ′|und berechnen das Integral mit Hilfe des Green’schen Theorems unter der Bedingung,dass P (~r ′) 1

|~r−~r ′| fur unendlich entfernte Randflachen verschwindet

V

~P (~r ′)∇r′1

|~r − ~r ′| d3r′ = −

V

1

|~r − ~r ′| ∇r′~P (~r ′) d3r′

Page 47: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.3 Dielektrika 41

Damit erhalten wir fur das Potential hervorgerufen durch Raumladungen (Monopole) unddie Polarisation des Mediums

φ (~r ) =

d3r′1

|~r − ~r ′|

(~r ′)−∇r′~P (~r ′)

.

Dieses Potential wird offenbar erzeugt durch eine modifizierte Ladungsverteilung ˜ =− P mit P ≡ ∇~P = div ~P . Man nennt P die Polarisationsladungsdichte.

1.3.2 Poisson Gleichung im Medium

Dieses Potential erfullt in Abwesenheit von endlichen Grenzflachen die Poisson Gleichung

φ = −4 π (− P )bzw. wegen ~E = −∇φ

div ~E = 4 π (− div ~P ) .

Betrachten wir die letzte Gleichung in der Form

div ( ~E + 4 π ~P ) = 4 π ,

so sehen wir, dass wir ~P als elektrostatisches Feld auffassen konnen, dessen Quellen we-gen div ~P = P gerade die Polarisationsladungen sind. Das ~E Feld sieht also neben denfreien Ladungen auch Polarisationsladungen P , die es selbst durch die Wechselwirkungmit dem Medium erzeugt. Diese Polarisationsladungen fuhren zu einer Verringerung derFeldstarke im Medium.Nehmen wir an, das Polarisationsfeld ~P reagiert linear auf das außere Feld (linear respon-se) und das Medium sei isotrop, dann gilt

~P = χ ~E χ : elektrische Suszeptibilitat

und somit

div ~E = 4 π − 4 π χ div ~E

; div ~E =4 π

1 + 4 π χ≡ 4 π

ǫ ; ǫ = 1 + 4 π χ.

Man bezeichnet ǫ als Dielektrizitatskonstante des Mediums. Experimentell findet man furalle Medien ǫ > 1

Medium ε BemerkungVakuum 1 –Luft 1,0005 Gas; geringe DichteGlas 5 - 8 Flussigkeit; hohe Dichte

Alkohol 26 Flussigkeit (nicht polar)Wasser 81 Flussigkeit (polar ≡ permanentes Dipolmoment)

d. h. die freie Ladungsdichte wird um den Faktor ǫ verringert, das ~E-Feld im Mediumsomit kleiner.

Page 48: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

42 1. Elektrostatik

1.3.3 Dielektrische Verschiebung

Um die formale Analogie mit der E-Statik im Vakuum herzustellen, fuhrt man das Hilfsfeld~D = ǫ ~E ein, die Dielektrische Verschiebung und erhalt

div ~D = 4 π

die Grundgleichung der Elektrostatik. Zusammen mit

rot ~E = 0

ist damit das elektrische Feld festgelegt. Das ~D Feld ist eine Hilfsgroße und nicht direktmessbar. Es sieht nur die wahren Ladungen, spuhrt also nichts vom Medium. Aber mitdiesem Hilfsfeld kann man nun alle Methoden der Vakuum-Elektrostatik auf das Medi-um ubertragen. Insbesondere genugen ~D und ~E Felder den folgenden Randbedingungen(Gauß’sches Gesetz)

( ~D2 − ~D1) · ~n = 4 π σ ( ~E2 − ~E1) · ~n = 4 π (σ − σpol)( ~D2 − ~D1)× ~n 6= 0 ( ~E2 − ~E1)× ~n = 0

Bemerkungen:

• ~D Felder sehen nur die wahren Ladungen. Entsprechend ist die Normalkomponentestetig, wenn keine Oberflachenladungen an den Grenzflachen existieren.

• ~E Felder sehen wahre und Polarisationsladungen. D. h. die Normalkomponente des~E Feldes springt an der Grenzflache zwischen zwei Dielektrika

• ~E Felder sind wirbelfrei; somit ist die Tangentialkomponente stetig

• Als Konsequenz daraus springt die Tangentialkomponente des ~D Feldes

( ~D2 − ~D1)× ~n = (ǫ2 ~E2 − ǫ1 ~E1)× ~n= ǫ2 ( ~E2 − ~E1)× ~n+ (ǫ2 − ǫ1) ~E1 × ~n

= (ǫ2 − ǫ1) ~E1 × ~n 6= 0 . ⇒> 0 ǫ2 > ǫ1< 0 ǫ2 < ǫ1

Beispiel:Betrachte den ladungsfreien Raum, der zur Halfte durch das Dielektrikum ǫ1 und zuranderen Halfte durch ǫ2 ausgefullt wird. Wie andert sich ein homogenes Feld an derGrenzflache?Fur den Fall ǫ2 > ǫ1 findet man, dass ~D und ~E Felder in gleicher Weisse gebrochenwerden beim Ubergang zwischen den Medien. Es gilt

• ǫ2 > ǫ1 : ~D und ~E Felder werden vom Einfallslot weg gebrochen (β > α) wenn siein das starkere Dielektrikum eindringen

• ǫ2 < ǫ1 : ~D und ~E Felder werden zum Einfallslot hin gebrochen (β < α)

Page 49: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

1.3 Dielektrika 43

βα

αβ

n

2t

D = Dn n2 1

E > E2 1

D 1t

D 1

D 1n

E = E2 1t t

E1t

E1n

E = E − 4 π σ pol2n n

1

12

D > D1t

Abb. 1.24: Grenzbedingungen fur das elektrostatische Feld beim Ubergang zwischen zweiDielektrika.

Page 50: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

44 1. Elektrostatik

Page 51: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Kapitel 2

Magnetostatik

Die Magnetostatik war in ihrer geschichtlichen Entwicklung weitaus schwerer zuganglichals die Eektrostatik. Zwar hat man schon sehr fruh den Rohstoff fur Permanentmagneten(Magnetit) entdeckt und auch sehr schnell die technische Verwertbarkeit begriffen, jedochwar ein quantitativer Zugang erst moglich, nachdem man erkannt hatte, dass elektrischeStrome ebenfalls Magnetfelder erzeugen. Erst danach konnte man Magnetfelder beliebigerStarke im Labor systematisch untersuchen.

2.1 Experimentelle Beobachtungen

Genauso wie die Elektrostatik sich aus einfachen experimentellen Beobachtungen ent-wickelt hat, muss eine Theorie der Magnetostatik den grundlegenden Erfahrungen ent-sprechen:

• man beobachtet keine magnetischen Monopole. D. h. ein Magnetfeld besitzt imGegensatz zum elektrostatischen Feld keine Quellen und Senken

• stationare Strome erzeugen stationare Magnetfelder

Was aber bedeutet der Begriff stationarer Strom? Zur Beantwortung dieser Frage be-trachten wir ein infinitesimales Volumen in einem Leiter, an den wir eine Spannungsquelleangeschlossen haben: durch den Leiter fließt somit ein Strom I. In dem infinitesimalenVolumen am Ort ~r ′ des Leiters wird dieser Strom charakterisiert durch die entsprechendeStromdichte ~j(~r ′). Nun betrachten wir den Stromfluss durch das infinitesimale Volumenam Ort ~r ′ : div~. Ist das Volumen frei von Stromquellen, so gilt:

div~ = 0,

d. h. der Strom, der in das Volumen hineinfließt, muss das Volumen wieder verlassen: be-zogen auf das infinitesimale Volumen hat sich die Stromdichte nicht verandert. StationareStrome sind somit divergenzfreie Strome.

45

Page 52: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

46 2. Magnetostatik

x2

B ( r )

x

x

1

3

r

’j ( r )

r − r

r

Abb. 2.1: Geometrie zum Biot-Savart’schen Gesetz.

Fur stationare Strome beobachtet man ein Magnetfeld nach dem Biot-Savart’schen Gesetz

~B =1

c

~ (~r ′)× ~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 d3r′

dabei bedeutet c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.

(i) d ~B = 1c~ (~r ′) × ~r−~r ′

|~r−~r ′|3 d3r′: der infinitesimale Anteil des Magnetfeldes am Ort des

Beobachters ~r hervorgerufen durch den Strom ~ am Ort ~r ′ steht senkrecht auf ~und dem Abstandsvektor ~r − ~r ′

(ii) Die Starke des Magnetfeldes ist proportional zum Strom und erfullt das gleicheAbstandsgesetz wie das Coulombfeld.Z. B. erhalt man fur das Magnetfeld eines geraden stromdurchflossenen Leiters

I = const.

Abb. 2.2: Feldlinien des Magnetfeldes.

folgendes Feldlinienbild: die Feldlinien sind konzentrische Kreise mit dem Leiter imMittelpunkt; die Liniendichte nimmt proportional zu 1

R2 mit dem Abstand R zumLeiter ab, die Richtung der Feldlinien ist so orientiert wie die Finger der rechten

Page 53: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.2 Feldgleichungen 47

Hand, wenn der Daumen (gestreckt) die Richtung des Stromes symbolisiert (rechteHand Regel).

Ahnlich dem Coulombgesetz misst man nicht die Feldgroße ~B direkt, sondern ihre Wir-kung auf einen anderen stromdurchflossenen Leiter: also wieder ein Kraftgesetz.

A A

Isolatoren

Abb. 2.3: Kraft zwischen stromdurchflossenen Drahten.

Die Kraft auf den Leiter ergibt sich aus der Beobachtung zu

~F =1

c

~ (~r ′)× ~B(~r ′) d3r′

Stromdurchflossene Leiter ziehen sich anstoßen sich ab wenn die Strome gleichgerichtetentgegengerichtet sind. Aus diesen ex-

perimentellen Grundlagen werden wir die Grundgleichungen der Magnetostatik ableiten.

2.2 Feldgleichungen

Wir haben in der Elektrostatik gesehen, dass sich ein Feld aus der Kenntnis seiner Diver-genz und Rotation vollstandig bestimmen lasst.Zum Beweis nehmen wir an, dass das Feld ~A nicht eindeutig durch

div ~A = q(~r ) rot ~A = ~ (~r )

bestimmt wird, sondern es zwei Losungen ~A1 und ~A2 gibt. Die Differenzlosung ~D = ~A1− ~A2

erfullt dann die DGL’ndiv ~D = 0 rot ~D = 0

in einem beliebigen Volumen V . Da die Differenzlosung ~D keine Quellen kennt, muss ihreNormalkomponente auf der Randflache des Volumens (S(V )) verschwinden, also

~D = −∇φ ; div ~D = − div gradφ = −φ = 0 ; (~n · ∇)φ∣∣∣∣~r∈S

= 0

Page 54: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

48 2. Magnetostatik

durch ein Potential φ darstellbar, welches der Laplace Gleichung unter der gegebenenRandbedingung genugt (Neumann’sche R.B.). Die einzige mogliche Losung unter der R.B.ist somit

(~n · ∇)φ∣∣∣∣~r∈S

= 0

ist jedoch φ = const und somit wegen ~D = −∇φ⇒ ~D = 0 , also ~A1 = ~A2.qed

Diese Eigenschaft werden wir nutzen, um die Feldgleichungen abzuleiten. Aus der Tatsa-che, dass man keine magnetischen Monopole beobachtet, folgt sofort

div ~B = ~∇ · ~B = 0

Zur Ableitung der zweiten Feldgleichung benutzt man das Biot-Savart’sche Gesetz

~B =1

c

~ (~r ′)× ~r − ~r ′

|~r − ~r ′|3 d3r′

= −1

c

~(~r ′)×∇~r1

|~r − ~r ′| d3r′ =

1

c

∇~r1

|~r − ~r ′| × ~(~r′) d3r′

=1

c∇r ×

∫~ (~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

und bildet die Rotation von ~B

rot ~B =1

c∇×∇×

∫~ (~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

(

benutze:∇×(

∇× ~A)

= ∇(

∇ ~A)

− ~A)

=1

c∇∫

~ (~r ′)∇r1

|~r − ~r ′| d3r′ − 1

c

~ (~r ′)r1

|~r − ~r ′| d3r′

Zur weiteren Umrechnung nutzt man

∇r1

|~r − ~r ′| = −∇r′1

|~r − ~r ′| , r1

|~r − ~r ′| = −4 π δ(~r − ~r′)

7→ rot ~B = −1

c∇∫

~ (~r ′) · ∇r′1

|~r − ~r ′| d3r′ +

4 π

c~ (~r )

partielle Integr. =1

c∇∫

(∇r′~ (~r′))

1

|~r − ~r ′| +4 π

c~ (~r )

∇~ = 0 fur stationare Strome =4 π

c~ (~r )

Diese zweite Feldgleichung

rot ~B =4 π

c~

Page 55: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.3 Vektorpotential 49

nennt man das Ampere’sche Gesetz. Es ist das eigentliche Analogon zum Coulomb Ge-setz, denn es enthalt als Inhomogenitat die Feld erzeugende Große ~ (~r ). Es ist ebensospeziell eine Eigenschaft stationarer Strome (bei der Ableitung wurde div~ = 0 benutzt),

wahrend div ~B = 0 eine Eigenschaft beliebiger Magnetfelder ist. Die Integrale Form desAmpere’schen Gesetz erhalt man mit dem Integralsatz von Stokes

ds

ds

C( )S Sdr

Abb. 2.4: Zum Integralsatz von Stokes.

S

rot ~B d~σ =

C(S)

~B · d~r = 4 π

c

S

~ (~r ′) d~s′

=4 π

cI.

Analog zum Gauß’schen Gesetz besagt Ampere’s Gesetz: das Linienintegral entlang einergeschlossenen Kurve C uber das Magnetfeld ~B entspricht der Summe der eingeschlossenenStrome.

2.3 Vektorpotential

Analog zur Elektrostatik ware es wunschenswert, anstatt mit Feldgleichungen

div ~B = 0

rot ~B =4 π

c~

mit Potentialen zu arbeiten. Fur den Fall eines stromfreien Gebietes hatten wir mitrot ~B = 0 die Moglichkeit, ein skalares magnetisches Potential uber ~B = −∇φM zudefinieren, so dass die beiden Feldgleichungen zur Laplace Gleichung

φM = 0

zur Bestimmung des skalaren magnetischen Potentials zusammengefasst werden konnen.I. a. kann man aber fur das Magnetfeld kein Skalarpotential definieren. Hier macht man

Page 56: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

50 2. Magnetostatik

sich (wie in der Elektrostatik rot ~E = 0) die homogene Feldgleichung div ~B = 0 zu nutzen.

Da fur beliebige Vektoren div rot ~A = 0 gilt, definiert man ein Vektorpotential ~A in derForm

~B = rot ~A⇐⇒ div ~B = div rot ~A = 0

Durch diese Definitionsgleichung wird ~A nicht eindeutig bestimmt, denn mit ~A ergibt~A′ = ~A + ∇ψ dasselbe ~B Feld (B = rot ~A′ = rot ~A + rot gradψ = rot ~A). D. h. das

Vektorpotential ~A ist nur bis auf eine Eichtransformation der Form

~A′ = ~A+∇ψ

bestimmt. Im Gegensatz dazu war das elektrostatische Potential bis auf eine Konstantedurch die Poisson Gleichung festgelegt. Diese Eichfreiheit ergibt sich, da wir bei der De-finition von ~A keine Aussage uber div ~A machen konnen. Setzt man den Ansatz fur dasVektorpotential in das Ampere’sche Gesetz ein, so erhalt man

rot rot ~A = ∇(∇ · ~A)− ~A =4 π

c~.

Da div ~A jede beliebige Form annehmen darf (Eichinvarianz), wahlt man z. B.

div ~A = ∇ · ~A = 0 Coulombeichung

um eine moglichst einfache DGL fur ~A zu erhalten (Analogon zur Poisson Gleichung)

~A = −4 π

c~.

Analog zur Elektrostatik findet man auch eine Losung fur das Vektorpotential im unbe-grenzten freien Raum

~A =1

c

∫~ (~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

(Beweis durch Einsetzen).

2.4 Magnetostatik im Medium

Ahnlich zur Elektrostatik des Vakuums, wo wir annehmen, dass die freien Ladungstragerin Form einer lokalen Ladungsdichte (~r ) beschrieben werden konnen, haben wir in derMagnetostatik bisher angenommen, dass die Stromdichte ~ (~r ) eine vollstandig bekannteFunktion des Ortes ist. In einem ausgedehnten dichten Medium kommt es jedoch durchmakroskopische Prozesse (Stoße der Elektronen etc.) zu ortlich starken Fluktuationen derStromdichte, so dass man nur eine Aussage uber mittlere (uber ein Volumen, das ma-kroskopisch klein aber bezogen auf Atome groß ist) Stromdichten erhalten kann. Hinzukommt die Reaktion des Mediums auf ein außeres Magnetfeld. Diese Anwort (Response)des Mediums außert sich in der Form einer mittleren magnetischen Momentdichte (Ma-

gnetisierung ~M) analog zur Polarisationsdichte ~P in elektrischen Feldern. Fuhrt man die

Page 57: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.4 Magnetostatik im Medium 51

Mittelung wie in der E-Statik durch, so erhalt man als Konsequenz der Magnetisierung~M eine effektive Stromdichte

~M = c∇× ~M = c rot ~M.

Sie ist das Analogon zur Polarisationsladung P = div ~P . Die magnetische Induktion ~Bsieht somit den wahren Strom und den Magnetisierungsstrom

rot ~B =4 π

c~+ 4 π rot ~M.

Fuhrt man das Feld~H = ~B − 4 π ~M

ein, so erhalt man die makroskopischen Gleichungen

rot ~H =4 π

c~

div ~B = 0

d. h. wie das ~D-Feld der Elektrostatik spurt das ~H-Feld nur die wahren Strome, nicht aberden Magnetisierungsstrom. Zur vollstandigen Beschreibung der Magnetostatik benotigtman Materialgleichungen, die ~B- und ~H-Feld verknupfen. Fur diamagnetische (µ < 1)und paramagnetische (µ > 1) isotrope Medien gilt

~B = µ ~H.

Man bezeichnet µ als magnetische Permeabilitat. Da sie fur Dia- und Paramagnetika un-abhangig vom außeren Magnetfeld sind, bezeichnet man diese Stoffe als lineare Medien.Fur Ferromagnetika ist der Zusammenhang zwischen ~B und ~H nichtlinear, ja sogar keineeindeutige Funktion (Hysterese).

Durch das Anschalten eines Magnetfeldes ~H wird das Medium magnetisiert (untere Kur-

B

HH

BHC

S

r

BS

B(H) für magnetisiertesFerromagnetikum

B(H) für ein unmagnetisiertes Ferromagnetikum

Abb. 2.5: Hysterese: B(H) in einem Ferromagnetikum.

ve). Die Magnetisierung bleibt bestehen, wenn man ~H wieder abschaltet (Remanenzwert)und lasst sich nur durch ein Gegenfeld wieder aufheben (Koerzitivfeld).

Page 58: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

52 2. Magnetostatik

2.5 Losungsmethoden

Bisher haben wir die Feldgleichungen der Magnetostatik erhalten

∇ · ~B = 0

∇× ~H =4 π

c~,

die man mit Hilfe der Materialgleichung

~H = ~H( ~B)

auf verschiedenen Wegen losen kann. Erschwerend gegenuber der E-Statik ist zum einen,dass die inhomogene Feldgleichung eine Vektorgleichung ist (rot ~H = 4π

c~ im Vergleich zu

div ~D = 4 π), was den mathematischen Losungsaufwand verdreifacht, zum anderen der

i. a. komplizierte Zusammenhang zwischen ~H und ~B Feldern. Das fuhrt auf eine Vielzahlpraktikabler Losungsmethoden, von denen einige skizziert werden sollen.

2.5.1 Vektorpotential fur lineare Medien

Wir haben fur die Magnetostatik im Vakuum den Vorteil des Vektorpotentials bereits dis-kutiert. Fur die Feldgleichungen im Medium ist die Einfuhrung des Vektorpotentials durchdie Materialgleichungen bestimmt. Ausgehend von der Definition des Vektorpotentials

~B = rot ~A

erhalt man durch Einsetzen in die Ampere’sche Gleichung

4 π

c~ = rot ~H[ rot ~A ].

I. a. ist diese DGL kompliziert außer fur isotrope, lineare Medien (Para- und Diamagne-

tika). In diesem Fall erhalt man mit Hilfe der Coulomb Eichung (∇ ~A = 0)

rot ~H[ rot ~A ] =~H= 1

µ~B∇× (

1

µ∇× ~A) =

4 π

c~

⇒∇· ~A=0

~A = −4 πµ

c~.

Es sind also drei Poisson Gleichungen mit der modifizierten Stromdichte µ~ zu losen (ent-sprechend den 3 Komponenten des Vektorpotentials). Entsprechend der E-Statik behan-delt man verschiedene lineare Medien durch Anpassen der Teillosungen uber die Grenz-bedingungen

~B2 · ~n = ~B1 · ~n , ~H2 · ~n =µ1

µ2

~H1 · ~n (aus div ~B = div ~H = 0)

~B2 × ~n =µ2

µ1

~B1 × ~n , ~H2 × ~n = ~H1 × ~n(

ausrot ~B= 4πµ

c~

rot ~H= 4πc~

)

Page 59: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.5 Losungsmethoden 53

2.5.2 Falle mit ~ = 0

Gibt es keine wahren Strome im betrachteten Volumen, so gilt

rot ~H = 0

D. h. man kann das Feld mit Hilfe eines magnetischen Skalarpotentials beschreiben

~H = −∇φ,

das wegen div ~B [−∇φ ] = 0 fur isotrope, lineare Medien die Laplace Gleichung erfullt

∇ ~B = −∇(µ∇φ) = −µφ = 0

7→ φ = 0

Verschiedene Medien werden uber die Grenzbedingungen behandelt.

2.5.3 Harte Ferromagnetika

Unter harten Ferromagnetika versteht man Stoffe, deren Magnetisierung fur nicht zu großeaußere Felder konstant, also unabhangig vom außeren Feld ist.

~ = 0

In diesem Fall ist das Feld nur durch die Magnetisierung ~M gegeben. Es gibt wegenrot ~H = 0 wieder ein magnetisches Skalarfeld ~H = −∇φ, das die DGL

∇ · ~B = ∇( ~H + 4 π ~M) = 0

; φ = 4 π div ~M.

erfullt. Dies ist die Poisson Gleichung fur eine effektive magnetische Ladungsdichte(Magnetisierungsdichte)

M = − div ~M.

Bei Abwesenheit endlicher Randflachen ist die Losung mit Hilfe der Green Funktion G =1

|~r−~r ′| formal gegeben durch

φ = −∫ ∇r′

~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′.

Partielle Integration ergibt

Page 60: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

54 2. Magnetostatik

φ = −∫ ∇~r ′ ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

= −∫

∇~r ′

(M(~r ′)

|~r − ~r ′|

)

− ~M(~r ′)∇~r ′

1

|~r − ~r ′|

d3r′

= −∫

div~M(r′)

|~r − ~r ′| d3r′ +

~M(~r ′)∇~r ′

1

|~r − ~r ′| d3r′

(∗)= −

∫∫

©~M(~r ′)

|~r − ~r ′|d~σ′ −

~M(~r ′)∇~r1

|~r − ~r ′| d3r′

= 0−∇~r ·∫ ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′

= − div

∫ ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′.

(*) : Der Fluss verschwindet fur eine unendlich entfernte Randflache

Wie in der E-Statik lost man das Integral i. a. in Multipolentwicklung, deren niedrigsteOrdnung

φ (~r ) ≈ −∇ ·1

r

~M(~r ′) d3r′ + 0

[1

r2

]

=~r

r3· ~m

das Potential eines magnetischen Dipols ergibt. D. h. jeder beliebig magnetisierte Korpererscheint asymptotisch als Dipol, was uns an die Aussage erinnert: es gibt keine magne-tischen Monopole.Will man ein Problem mit endlichen Randflachen losen, so kann man die Grenzbedingungin Form einer Oberflachen-Magnetisierung einbauen.

Σ1

2

n

Abb. 2.6: Zur Berechnung der Grenzbedingungen.

Mit dem Divergenztheorem gilt fur ein infinitesimales Volumen ∆V∫∫∫

∆V

div ~Md3r =

∫∫

©dS(∆V )

~M · ~n ds = ( ~M2 − ~M1) · ~n.

Page 61: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.5 Losungsmethoden 55

Ist der Teilraum (1) mit einem Ferromagnetikum gefullt, der Teilraum (2) aber leer, so

gilt ~M2 = 0, ~M1 = ~M und man erhalt auf der Grenzflache S : div ~M |S = − ~M · ~n|S. Diegesamte Magnetisierungsdichte setzt sich somit zusammen aus der effektiven RaumdichteM = − div ~M und der Oberflachendichte σM = ~M ·~n|S und wir konnen wieder die Losung

mit der Green Funktion 1|~r−~r ′| verwenden

(

| ~M | =6=0inV0sonst

)

φ(~r ) = −∫

V

∇r′ · ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ +

∫∫

©S(V )

~M(~r ′) · ~n′

|~r − ~r ′| ds′

S.54= −

∫∫

©S(V )

~M(~r ′) · ~n′

|~r − ~r ′| ds′ −∇r

V

~M(~r ′)1

|~r − ~r ′| d3r′ +

∫∫

©S(V )

~M(~r ′) · ~n′

|~r − ~r ′| ds′

= − div

V

~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′.

Offenbar gilt die Losung von S. 54, die wir fur ein unendlich ausgedehntes mit der Ma-gnetisierung ~M erfulltes Volumen erhalten haben auch fur ein endliches Volumen V wenndie Magnetisierung außerhalb von V verschwindet. Wir haben also mit dieser Beziehungeine allgemeine Losung des magnetostatischen Randwertproblems fur ~ = 0. Z. B. lasstsich das Feld eines Permanentmagneten mit endlichen Randflachen uber diese Beziehungin Multipolentwicklung angeben.

~ 6= 0

Der allgemeine Fall erfordert die Berechnung des Vektorpotentials ~A und somit (vergl. S.51)

rot ~H = rot( ~B − 4π ~M) = rot(rot ~A− 4π ~M) =4π

c~.

Da ~M fur ein hartes Ferromagnetikum unabhangig von den Feldern sein soll, erhalten wirin Coulombeichung (∇ ~A = 0) die Vektor-Poisson Gleichung (Rechnung vergl. S. 50)

~A = −4 π

c(~+ ~M)

~M = c rot ~M.

Die allgemeine Losung in Abwesenheit endlicher Randflachen ist dann wie vorher

~A(~r ) =1

c

∫~ (~r ′) + ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′.

Fur den Fall eines endlich ausgedehnten harten Ferromagnetikums kommt der Ober-flachenterm hinzu

~A(~r ) =1

c

V

~ (~r ′) + ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ +

∫∫

©S(V )

~M × ~n′

|~r − ~r ′| ds′.

Page 62: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

56 2. Magnetostatik

2.6 Beispiele

(a) Berechne das Feld einer Kugelschale, die radial magnetisiert ist.

Losung: Wegen ~M = M(r) · ~er gilt ~M = c · rot ~M = c · M(r) rot ~r|r| = 0 und

n = e’

M

r

V

Abb. 2.7: Radial magnetisierte Kugelschale.

~M × ~n ′ =M(r) · ~er × ~er = 0

; ~A(~r) =

V

~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ +

∫∫

©S(V )

~M × ~n ′

|~r − ~r ′| ds′ = 0

; ~B = rot ~A = 0 Wegen ~H = ~B − 4 π ~M gilt somit~H = −4 πM(r)~er

Bemerkung: ~H ist offenbar radialsymmetrisch. Trotzdem handelt es sich nicht umdas Feld eines magnetischen Monopols, da div ~B = 0 ist.

(b) Berechne das Feld eines Hohlzylinders, der in Azimutalrichtung magnetisiert wurde.

ϕ

ρM

z

x

y

Abb. 2.8: Azimuthal magnetisierter Hohlzylinder.

Losung: Benutze Zylinderkoordinaten (, ϕ, z).

Page 63: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

2.6 Beispiele 57

Dann ist ~M = Mϕ() · ~eϕund es gilt ~M · ~n = M · ~eϕ · ~er = 0

und div ~M =1

∂(M) +

1

∂ϕMϕ +

∂zMz = 0

Da ~ = 0, ist es bequemer mit dem Skalarpotential zu arbeiten

→ φ(~r) = −∫

V

div ~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ +

∫∫

©S(V )

~M(~r ′) · ~n ′

|~r − ~r ′| ds′ = 0

Somit ist ~H = −∇φ = 0 und ~B = ~H + 4 π ~M = 4πMϕ()~eϕ.

(c) Berechne das Feld eine homogen magnetisierten Kugel mit Radius R

x

z

0 zM = M e

R

Abb. 2.9: Homogen magnetisierte Kugel.

Losung: da es keine wahren Strome gibt, berechnen wir das Skalarpotential

φ(~r ) = −∇∫

V

~M(~r ′)

|~r − ~r ′| d3r′ ; ~M =M0 · ~ez

= −M0∂

∂z

R∫

0

r′2dr′∫

dΩ′ 1

|~r − ~r ′|

Entwicklung der Green Funktion nach Kugelflachenfunktionen

1

|~r − ~r ′| = 4 π∞∑

l=0

l∑

m=−l

1

2l + 1

rl<rl+1>

y∗lm(Ω′) ylm(Ω)

Page 64: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

58 2. Magnetostatik

Mit einem Trick kann man das Winkelintegral berechnen:man nutzt aus, dass y00 = 1√

4πund erhalt wegen der Orthogonalitatsrelation der

Kugelflachenfunktionen

dΩ′ y∗lm(Ω′) y00(Ω

′) = δl0 δm0

nur einen Beitrag aus der Reihe – den Monopolterm

→ φ(~r ) = −4 πM0∂∂z

R∫

0

r′2

r>dr′ ·√4 π · y00(Ω) , r> =

r′ r′ > rr r > r′

= −4 πM0drdz

∂∂r

R∫

0

r′2

r>dr′ dr

dz= d

dz[x2 + y2 + z2]

1/2= z

r

= −4 πM0zr

∂∂r

r∫

0

r′2

rdr′ + ∂

∂r

R∫

r

r′dr′

∂∂r

r∫

0

r′2

rdr′

Potential innerhalb der Kugelr < RPotential außerhalb der Kugelr > R

= −4 πM0zr

∂∂r

(13r2)+ ∂

∂r

(12R2 − 1

2r2)

∂∂r

13R3

r

= −4 πM0zr

23r − r r < R

−13R3

r2r > R

= 4π3M0

z r < R

R3 zr3

= R3 cos θr2

r > R

Im Außenbereich der Kugel sieht man wieder das Potential eines Dipols, im Innen-bereich andert sich das Potential linear mit z.

Page 65: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Kapitel 3

Die Maxwell Gleichungen

In den vorangegangenen Kapiteln haben wir die Eigenschaften stationarer elektrischer undmagnetischer Felder diskutiert. Die Felder werden durch stationare Quellterme erzeugt,wie z. B. Raum- und Oberflachenladungen oder stationare Strome. Bisher haben wir keineWechselbeziehungen zwischen elektrostatischen und magnetischen Feldern beobachtet.

3.1 Das Induktionsgesetz

Eine Wechselwirkung zwischen elektrischen und magnetischen Feldern entsteht mit zeitab-hangigen Quelltermen. Im Rahmen der Faraday’schen Induktionsexperimente beobachtetman:

1 2

Abb. 3.1: Ein- und Aus-schaltvorgange im Strom-kreis (1) induzieren eineSpannung im Stromkreis(2) .

1

2

Abb. 3.2: Die Bewegung ei-ner Leiterschleife (2) rela-tiv zu einer stromdurch-flossenen Schleife (1) er-zeugt eine Spannung in derSchleife (2).

NS

Abb. 3.3: Die ruckarti-ge Bewegung eines Per-manentmagneten in einerLeiterschleife induziert ei-ne Spannung.

a) Ein- und Ausschaltvorgange induzieren eine Spannung in einer benachbarten Leiter-schleife

59

Page 66: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

60 3. Die Maxwell Gleichungen

b) Durch die Bewegung einer Leiterschleife in der Nahe eines stromdurchflossenen Lei-ters wird eine Spannung induziert

c) Die ruckartige Bewegung eines Permanentmagneten in der Nahe einer Leiterschleifeinduziert eine Spannung

Alle drei Beobachtungen deuten an, dass eine Wechselbeziehung zwischen elektrischenund magnetischen Feldern besteht. Die Beobachtungen a) und b) zeigen, dass sowohleine Spannung induziert wird (und damit ein elektrisches Feld) wenn sich das Magnetfeldzeitlich andert, als auch dann, wenn das Feld zwar konstant ist, sich aber infolge derBewegung der Leiterschleife die Orientierung des Feldes bezuglich der Flache, die durch dieSchleife festgelegt wird, andert. Offenbar hangt die induzierte Spannung mit der zeitlichenAnderung des magnetischen Flusses zusammen

Uind = −1

c

d

dt

∫∫

S

~B · ~n ds.

Dabei ergibt sich das negative Vorzeichen aus der Tatsache, dass der Induktionsstromimmer ein Magnetfeld erzeugt, das dem außeren Magnetfeld entgegen wirkt (Lenz’scheRegel). Andernfalls wurde es zu einer Verstarkung des außeren Feldes kommen und somitzu einer Energieerzeugung, die einem perpetum mobile entsprache.Betrachten wir die totale zeitliche Anderung des magnetischen Flusses. Da die Oberflacheals zeitlich konstant angenommen wird, gilt

d

dt

∫∫

S

~B · ~n ds =∫∫

S

(d

dt~B

)

· ~n ds.

Den Versuch b) konnen wir durch den Versuch c) ersetzen, indem wir ein zeitlich kon-stantes Magnetfeld mit der Geschwindigkeit ~v relativ zur Leiterschleife bewegen. Dannandert sich das Magnetfeld fur einen Beobachter raumlich, d. h.

d ~B

dt=

∂ ~B

∂t+ (~v · ∇) ~B

=∂ ~B

∂t+∇× ( ~B × ~v) + ~v(∇ · ~B) ; ∇ · ~B = 0, ~v konstant

=∂ ~B

∂t+∇× ( ~B × ~v).

Einsetzen in die zeitliche Anderung des Flussintegrals ergibt

∫∫

S

(d

dt~B

)

· ~n ds =

∫∫

S

∂ ~B

∂t· ~n ds+

∫∫

S

rot( ~B × ~v) · ~n ds

=

∫∫

S

∂ ~B

∂t· ~n ds+

C(S)

( ~B × ~v) · d~l.

Page 67: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.1 Das Induktionsgesetz 61

Die Induktionsspannung Uind auf der linken Seite des Induktionsgesetzes erhalten wir,indem wir das Linienintegral uber das induzierte Feld entlang der Leiterschleife berechnen

Uind =

C(S)

~E · d~l

Somit sind alle Zutaten fur das Faraday’sche Induktionsgesetz vorbereitet

(i)

C(S)

~E · d~l = −1

c

d

dt

∫∫

S

~B · ~n ds

bzw. in einer mehr expliziten Darstellung

(ii)

C(S)

(

~E − 1

c~v × ~B

)

d~l = −1

c

∫∫

S

∂ ~B

∂t· ~n ds.

Bemerkungen:Die beiden Formen (i) und (ii) unterscheiden sich darin, dass bei unbewegterLeiterschleife aus (i) folgt

(i)→ (iii)

C(S)

~E · d~l = −1

c

∫∫

S

∂ ~B

∂t· ~n ds

wahrend bei bewegter Leiterschleife der Zusatzterm in (ii) berucksichtigt wer-den muss.Jetzt wollen wir (iii) und (ii) neu interpretieren: Ein Beobachter, der das ~E-Feld misst, befinde sich in Ruhe bezogen auf die Leiterschleife. In diesem Fallgilt (iii). Bewegt sich der Beobachter mit konstanter Geschwindigkeit ~v relativ

zur Leiterschleife, misst er wegen (ii) das Feld ~E ′ − 1c~v × ~B. Da jedoch alle

Messgroßen unabhangig vom gewahlten Inertialsystem sein mussen, ist dasFeld ~E aus Sicht des bewegten Systems, also

~E = ~E ′ − 1

c~v × ~B

Somit erhalten wir eine wichtige Aussage uber das Transformationsverhaltendes ~E-Feldes zwischen verschiedenen Inertialsystemen: die starre Trennungzwischen elektrischem und magnetischem Feld wird aufgehoben; es ist nurnoch sinnvoll, von einem elektromagnetischen Feld zu sprechen.

Sind ~E und ~B Feld im gleichen Bezugssystem definiert – kann also das ~E-Feld nur durcheine zeitliche Anderung des ~B-Feldes induziert werden und nicht durch die Bewegung derLeiterschleife – so erhalt man aus (iii) mit Hilfe des Stokes’schen Integralsatzes

Page 68: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

62 3. Die Maxwell Gleichungen

C(S)

~E · d~l =

∫∫

S

rot ~E · ~n ds

∫∫

S

rot ~E +1

c

∂ ~B

∂t

· ~n ds = 0

; rot ~E +1

c

∂ ~B

∂t= 0

die differentielle Form des Induktionsgesetzes.

3.2 Der Maxwell’sche Verschiebestrom

Wir haben gesehen, wie die zeitliche Anderung eines Magnetfeldes ein elektrisches Feldinduziert. Dieses seinerseits zeitabhangige elektrische Feld bewirkt einen nicht stationarenStrom in der Leiterschleife, der wiederum ein Magnetfeld erzeugt. Bisher haben wir ge-sehen, wie stationare Strome (∇ · ~ = 0) Magnetfelder erzeugen. I. A. werden uber dasInduktionsgesetz aber Strome erzeugt, die eine zeitliche Fluktuation der Ladungsdichtebewirken, so dass

div~ = −∂∂t

D. h. eine lokale zeitliche Anderung der Ladungsdichte erzeugt einen lokal veranderlichenStromfluss im Leiter. Diese Kontinuitatsgleichung kann man mit Hilfe des Coulombgeset-zes

∇ ~D = 4 π

neu interpretieren, namlich als Divergenz eines effektiven Stromes ~ mit

∇ ·(

~+1

4 π

∂ ~D

∂t

)

= ∇ · ~ = 0

Die einzige Bedingung fur die Gultigkeit des Ampere’schen Gesetzes war die Vorausset-zung eines divergenzfreien Stromes. Damit erhalten wir eine Verallgemeinerung mit

rot ~H =4 π

c~ =

4 π

c~+

1

c

∂ ~D

∂t,

d. h. nicht nur Strome, sondern auch ein zeitlich veranderliches elektrisches Feld erzeugt

ein Magnetfeld. Die Große 14π

∂ ~D∂t

bezeichnet man als Maxwell’schen Verschiebestrom. Wirwerden sehen, wie durch die Annahme des Verschiebestromes das Phanomen der Ausbrei-tung einer elektromagnetischen Welle uberhaupt erst moglich wird.Damit haben wir als Grundgleichungen der Elektrodynamik die Maxwell Gleichungen(MGL):

Page 69: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.2 Der Maxwell’sche Verschiebestrom 63

Inhomogene MGL: Homogene MGL: Materialgl.

C: ∇ ~D = 4 π ∇ ~B = 0 ~D = ~D( ~E, ~B)

A: ∇× ~H = 4πc

(

~+ 14π

∂ ~D∂t

)

F: ∇× ~E + 1c∂ ~B∂t

= 0 ~H = ~H( ~E, ~B)

~ = ~ ( ~E, ~B)

(C: Coulombgesetz, A: Ampere’s Gesetz, F: Faraday’s Induktionsgesetz)

Die 4 Maxwell Gleichungen sind eine unmittelbare Konsequenz der Beobachtung: DieStruktur des Feldes wird durch die homogenen MGL bestimmt. Die inhomogenen MGLverknupfen die Feldquellen mit den Feldern. Die Materialgleichungen stellen schließlichden Zusammenhang zwischen den Feldern ~D, ~E, ~H, ~B dar, ohne den die MGL nicht losbarwaren. Im einfachsten Fall linearer Medien hat man

~D = ~~ǫ · ~E, ~B = ~~µ · ~H, ~ = ~~σ · ~E.~~ǫ, ~~µ und ~~σ sind Tensoren, welche die dielektrischen, magnetischen und ohmschen Material-eigenschaften reprasentieren. I. A. sind diese Materialeigenschaften orts- und zeitabhangig,bzw. ihre Fouriertransformierten

f(~k, ω) =

d3r

dtf(~r t) e−i~k~r+iωt

abhangig von Frequenz ν = ω/(2π) und Wellenlange λ = 2π/k z. B. einer sich im Mediumausbreitenden elektromagnetischen (em) Welle. Aus diesen Zusammenhangen lassen sichz. B. optische Eigenschaften von Festkorpern erklaren.Eine wichtige Erganzung der MGL sind die Grenzbedingungen der Felder beim Ubergang

∆ a

Medium

E B

V

D H

n

2

Medium 1

∆ l

2 2

2 2

E B

D H 1 1

11

Abb. 3.4: Grenzbedingungen des em Feldes zwischen zwei Materialien.

zwischen verschiedenen Medien. Dazu schreibt man die vier MGL in ihre integrale Formum

Page 70: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

64 3. Die Maxwell Gleichungen

C:∫∫o

S(V )

~D · ~n ds = 4 π∫

V

d3r = 4 πq

∫∫o

S(V )

~B · ~n ds = 0

A:∮

C(S)

~H · d~l =∫∫

S

(4πc~+ 1

c∂ ~D∂t

)

· ~n ds

F:∮

C(S)

~E · d~l = −1c

∫∫

S∂ ~B∂t· ~n ds

und nimmt an, dass auf der Grenzflache idealisierte Oberflachenladungen σ und Ober-flachenstrome ~χ existieren. Die Integrale der beiden ersten Gesetze (Coulomb Gesetz unddie Aussage: es werden keine magnetischen Monopole beobachtet) integriert man ubereinen infinitesimalen Zylinder (Gaußdose) und erhalt wie im Fall statischer Felder

(

~D2 − ~D1

)

· ~n = 4 πσ(

~B2 − ~B1

)

· ~n = 0.

Die Linienintegrale in Ampere’s und Faraday’s Gesetz werden uber die infinitesimaleSchleife C ausgewertet

~n×(

~H2 − ~H1

)

=4 π

c~χ

~n×(

~E2 − ~E1

)

= 0.

Die Grenzbedingungen ermoglichen die Teillosung der MGL in verschiedenen Medien unddie Anpassung der Losungen an den endlichen Oberflachen entsprechend den Sprungbe-dingungen.

3.3 Potentialgleichungen

Wir haben schon in der stationaren Theorie die Vorteile, die sich durch die Einfuhrungvon Potentialen bieten, ausgenutzt. Betrachten wir zunachst die homogenen Gleichungen,so erhalten wir Aussagen uber die Feldstruktur und wie sich die Felder aus Potentialenableiten lassen

div ~B = 0 ⇒ ~B = rot ~A

rot ~E +1

c

∂ ~B

∂t= 0 ⇒ rot

(

~E +1

c

∂ ~A

∂t

)

= 0

⇒ ~E +1

c

∂ ~A

∂t= −∇φ

; ~E = −∇φ− 1

c

∂ ~A

∂t.

Page 71: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.4 Green Funktionen (G. F.) 65

Die Dynamik der uber die homogenen MGL definierten Potentiale wird durch die inho-mogenen MGL bestimmt. Betrachtet man den Spezialfall linearer, isotroper Medien, soerhalt man aus dem Coulomb Gesetz

~D = ǫ ~E , ~B = µ ~H

; φ+1

c

∂t(∇ · ~A) = −4 π

ǫ (∗)

und aus dem Ampere’schen Gesetz

~A− µǫ

c2∂2 ~A

∂t2−∇

(

∇ ~A+µǫ

c

∂φ

∂t

)

= −4 π

cµ~.

Da nur die Rotation des Vektorpotentials festgelegt wurde, kann ~A uber seine Divergenzgeeicht werden. In diesem Fall wahlt man die Lorenzeichung

div ~A = −µǫc

∂φ

∂t

und erhalt so eine Entkopplung der Potentialgleichungen

φ− µǫ

c2∂2φ

∂t2= −4 π

ǫ

~A− µǫ

c2∂2 ~A

∂t2= −4 π

cµ~

Diese Potentialgleichungen sind klassische Wellengleichungen. Sie beschreiben die Aus-breitung einer elektromagnetischen Welle mit der Geschwindigkeit v = c√

µǫ< c. D. h. em

Wellen breiten sich in einem Medium langsamer aus als im Vakuum (µǫ = 1).Die Potentialgleichungen (zusammen mit der Lorentzeichung des Vektorpotentials) sindaquivalent zu den MGL. Ohne den Verschiebestrom, der sich im Coulombgesetz (*) im

Term ∂∂t(∇ ~A) verbirgt, wurde die Wellengleichung fur das Skalarpotential φ zur stati-

onaren Poissongleichung zusammenbrechen.

3.4 Green Funktionen (G. F.)

Ahnlich wie man in der stationaren Potentialtheorie die Potentialgleichungen mit Hilfevon G. F. lost und auf diesem Wege die Randbedingungen explizit in die Losung ein-baut, wollen wir nun die Wellengleichungen fur den Fall eines Randflachen freien Gebietes

diskutieren. Die allgemeine Form der Wellengleichung ist(

ψ =φ~A

)

ψ − 1

v2∂2

∂t2ψ ≡ 2ψ = −4 πf(~r t)

2 ≡ − 1

v2∂2

∂t2(Operator Quabla)

Page 72: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

66 3. Die Maxwell Gleichungen

Eine weitere Klasse von zeitabhangigen G. F. werden uber die DGL

2G(~r, ~r ′, t, t′) = −4 πδ(~r − ~r ′) δ(t− t′)

definiert. Durch Einsetzen uberpruft man, dass der folgende Ausdruck Losung der DGLfur G. F. ist

G±(~r, ~r ′, t, t′) =1

2 π

∞∫

−∞

e±ik(ω)|~r−~r′|

|~r − ~r ′| eiω(t−t′) dω

Dabei ist k(ω) die Dispersionsrelation des Mediums, in dem sich die Welle ausbreitet.

”Beweis”:

rG± =

1

2 π

∞∫

−∞

(

e±ik(ω)|~r−~r′|) 1

|~r − ~r ′| + 2∇ e±ik(ω)|~r−~r′|∇ 1

|~r − ~r ′|

+e±ik(ω)|~r−~r′| 1

|~r − ~r ′|

e−iω(t−t′) dω

=1

2 π

∞∫

−∞

± 2ik

|~r − ~r ′|2 e±ik(ω)|~r−~r′|− k2

|~r − ~r ′| e±ik|~r−~r ′|

∓ 2 ik

|~r − ~r ′|2 e±ik|~r−~r′|−4 πδ(~r − ~r ′) · e±ik|~r−~r ′|

e−iω(t−t′) dω

∂2

∂t2G± =

1

2 π

∞∫

−∞

− ω2

|~r − ~r ′| e±ik|~r−~r ′|−iω(t−t′) dω

; 2G± =1

2 π

∞∫

−∞

e±ik|~r−~r′|−iω(t−t′)

− k2

|~r − ~r ′| − 4 π δ(~r − ~r ′) +ω2

v21

|~r − ~r ′|

→ G± ist eine Losung fur k2 =ω2

v2(Dispersionsrelation).

In diesem Fall gilt (fur~r = ~r ′ ist e±ik|~r−~r′| = 1)

2G± = −4 π δ(~r − ~r ′)1

2 π

∞∫

−∞

e−iω(t−t′) dω

= −4 π δ(~r − ~r ′) δ(t− t′). qed.

Ist v unabhangig von ω – solche Medien nennt man dispersionsfrei – kann man die GFexplizit angeben

Page 73: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.5 Erhaltungssatze 67

G± =1

|~r − ~r ′|1

2 π

∞∫

−∞

eiω

(

t−t′∓ |~r−~r ′|v

)

=δ(

t′ −(

t∓ |~r−~r ′|v

))

|~r − ~r ′|

G+ nennt man die retardierte GF. Sie tragt nur bei fur die Zuordnung t′ = t− |~r−~r ′|v

< t.Ist also t′ die Zeit, zu der eine Quelle am Ort ~r ′ die Ausbreitung einer Welle verursacht,deren Wirkung zur Zeit t vom Beobachter am Ort ~r registriert wird, so entspricht dieretardierte GF dem Prinzip der Kausalitat. Betrachtet man die entsprechende zeitlicheFouriertransformierte

G+(ω,~r ~r ′) =eik|~r−~r

′|

|~r − ~r ′| ,

so beschreibt die retardierte GF gerade eine von der Quelle auslaufende Kugelwelle (sieheauch hier die Kausalitat: die Welle breitet sich von der Quelle ~r ′ zum Beobachter ~r hinaus, denn mit wachsendem Abstand |~r − ~r ′| wird der Radius der Welle immer großer).Im Gegensatz dazu ist G− eine einlaufende Kugelwelle: sie ist nicht kausal. Die avancierteGF G− beschreibt den Empfang eines Signals, bevor es von der Quelle abgesandt wurde.Die Losung der Wellengleichung ist nun formal moglich

ψ±(~r t) =

∫∫

G±(~r ~r ′, t, t′) f(~r ′, t′) d3r′dt′.

Einsetzen ergibt

2~r,t ψ±(~r t) =

∫∫(2~rtG

±(~r, ~r ′, t, t′))f(~r ′, t′) d3r′dt′

= −4 π∫∫

δ(~r − ~r ′) δ(t− t′) f(~r ′, t′) d3r′dt′

= −4 πf(~r t).

Setzt man die retardierte GF fur ein dispersionsfreies Medium (z. B. Vakuum) in diekausale Losung ein, so erhalt man

ψ+(~r t) =

∫ f(

~r ′, t− |~r−~r ′|v

)

|~r − ~r ′| d3r′

3.5 Erhaltungssatze

Das em Feld enthalt ausgehend von den MGL

Page 74: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

68 3. Die Maxwell Gleichungen

(C) ∇ ~D = 4 π (F) ∇× ~E + 1c∂ ~B∂t

= 0

(A) ∇× ~H − 1c∂ ~D∂t

= 4πc~ ∇ ~B = 0

fur lineare isotrope Medien

~D = ǫ ~E ~B = µ ~H ~ = σ ~E

Erhaltungsgroßen, die in diesem Kapitel abgeleitet werden.

3.5.1 Ladungsverteilung

Bildet man die Divergenz des Ampere’schen Gesetzes, so erhalt man

div rot ~H − 1

c

∂tdiv ~D =

4 π

cdiv~

Zusammen mit dem Coulombgesetz und der Tatsache, dass div rot ~H = 0 ergibt sich dieKontinuitatsgleichung

∂t+ div~ = 0

Die Kontinuitatsgleichung ist ein Ausdruck der lokalen Ladungserhaltung: Beobachtetman in einem Volumenelement d3r eine zeitliche Ladungsanderung ∂

∂td3r, so ist damit lo-

kal ein elektrischer Fluss durch die Begrenzungsflache (div~ ) des infinitesimalen Volumensverbunden. Die Ladungserhaltung gilt naturlich auch integral

V

∂td3r = −

V

div~ d3r

dq

dt= −

∫∫

©S(V )

~ · ~n ds.

3.5.2 Energiesatz

Bevor wir uns mit dem Energiesatz auseinandersetzen konnen, mussen wir zunachst dieKraft bestimmen, die auf eine Ladung im em Feld wirkt. Dazu betrachten wir als Aus-gangspunkt die Kraft auf einen Strom durchflossenen Leiter in einem Magnetfeld

~F =1

c

V

~j(~r ′)× ~B(~r ′)d3r′ .

Der Strom beschreibt mit welcher Geschwindigkeit sich eine Ladungsverteilung durcheinen Leiter bewegt, d.h.

~j = ρ~v .

Fur eine bewegte Punktladung ρ = qδ(~r − ~r ′) ergibt sich somit im Magnetfeld die Lor-entzkraft

~F =q

c

V

δ(~r − ~r ′)~v(~r ′)× ~B(~r ′)d3r′

=q

c~v × ~B .

Page 75: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.5 Erhaltungssatze 69

Die Kraft, die ein em Feld auf eine Ladung ausubt ist dann die Summe der elektrischenund magnetischen Krafte

~F = q

(

~E +1

c~v × ~B

)

,

sofern sich die Ladung mit konstanter Geschwindigkeit durch den Raum bewegt. Wirkonnen die mechanische Arbeit berechnen, die wir gegen die Felder aufbringen mussen,um die konstante Geschwindigkeit der Ladung aufrecht zu erhalten

dW = ~F · d~l = q

(

~E +1

c~v × ~B

)

· ~v dt.

Zunachst sieht man, dass das Magnetfeld keine Arbeit aufbringt, weil ~v senkrecht zu ~v× ~Bsteht und somit das Skalarprodukt verschwindet. Damit erhalt man fur die Arbeit proZeiteinheit

dW

dt= q · ~v · ~E

bzw. bei einer kontinuierlichen Ladungsverteilung pro Zeit und Volumeneinheit

dW

dt= · ~v · ~E

In diesem Fall kann man dWdt

als die zeitliche Anderung der mechanischen Energiedichteinterpretieren. Da · ~v = ~ – eine bewegte Ladung erzeugt einen Strom – erhalt man furdie zeitliche Anderung der mechanischen Energiedichte

dW

dt= ~ · ~E.

Im nachsten Schritt betrachten wir, was wir fur den Ausdruck ~ · ~E aus den MGL erhalten:

• Einsetzen des Ampere’schen Gesetzes fur ~ :

~ · ~E =1

4 π

c ~E · rot ~H − ~E∂ ~D

∂t

• benutze:

∇( ~E × ~H) = ~H · (∇× ~E)− ~E · (∇× ~H)

⇒ ~ · ~E =1

4 π

c(

~H · rot ~E −∇( ~E × ~H))

− ~E∂ ~D

∂t

• Einsetzen des Induktionsgesetzes fur rot ~E:

−~ · ~E =1

~H∂ ~B

∂t+ c∇( ~E × ~H) + ~E

∂ ~D

∂t

Page 76: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

70 3. Die Maxwell Gleichungen

Da wir lineare Materialgleichungen vorausgesetzt haben, gilt (z. B. fur die Magnetfelder)

1

2

∂t( ~B · ~H) =

1

2

(

∂ ~B

∂t· ~H + ~B · ∂

~H

∂t

)

=1

2

(

~H∂ ~B

∂t+ µ ~H

1

µ

∂ ~B

∂t

)

= ~H · ∂~B

∂t.

Definiert man den Skalar

U =1

8 π( ~H · ~B + ~E · ~D),

kann man die Terme mit der Zeitableitung zusammenfassen. Fuhrt man zusatzlich denVektor

~S =c

4 π( ~E × ~H)

ein, so erhalt man schließlich

−~ · ~E =∂U

∂t+ div ~S

Diese Bezeichnung sieht ahnlich aus wie die Kontinuitatsgleichung, allerdings in diesemFall mit einem zusatzlichen Quellterm. Um aber den physikalischen Inhalt zu verstehen,mussen wir zunachst die Terme U und ~S interpretieren. Analog zur Kontinuitatsgleichunginterpretiert man ∂U

∂tals zeitliche Anderung der Energiedichte des em Feldes und div ~S als

Energiefluss durch eine infinitesimale Oberflache. Der Poyntingvektor ~S ist also ein Maßfur die Energiestromdichte des em Feldes

→ Die Summe aus der zeitlichen Anderung der in einem Volumen enthaltenen emEnergie und dem Energiestrom, der pro Sekunde durch die Begrenzungsflache desVolumens austritt, entspricht der mechanischen Arbeit, die das em Feld pro Zeit-einheit an den Quellen innerhalb des Volumens leistet. Diese mechanische Arbeitentspricht in Leitern (~ = σ ~E) gerade der Joule’schen Warme, die bei einem endli-chen Leitungswiderstand R = 1

σdem em Feld entzogen wird

~ · ~E =1

σj2 = R · j2

Integral erhalt man z. B. im Vakuum

V

~ · ~E d3r + 1

8 π

∂t

V

(E2 + B2) d3r = −∮

S(V )

~S · ~n ds

⇔ dWmech

dt+dWem

dt= −

S(V )

~S · ~n ds.

Page 77: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

3.5 Erhaltungssatze 71

Eine Anderung der Energie des em Feldes wird einerseits durch den Strahlungsstromdurch die Oberflache S und andererseits durch die mechanische Arbeit an den Feldquellenhervorgerufen: die Energie des em Feldes lasst sich also in mechanische- (Warmeenergie)und in Strahlungsenergie verwandeln.

3.5.3 Impulssatz

Der mechanische Impuls, der auf ein geladenes Teilchen im em Feld ubertragen wird, lasstsich ebenfalls mit Hilfe der elektromotorischen Kraft formulieren

d~P

dt≡ ~F = q

(

~E +~v

c× ~B

)

.

Fur eine ausgedehnte Ladungsverteilung erhalt man analog die zeitliche Anderung derImpulsdichte

d~P

dt= ~E +

1

c~× ~B.

Zur weiteren Ableitung nehmen wir an, dass der Raum frei von Medien ist, also dieinhomogenen MGL lauten

=1

4 π∇ ~E , ~ =

c

4 π

(

∇× ~B − 1

c

∂ ~E

∂t

)

.

Einsetzen ergibt

~E +1

c~× ~B =

1

4 π

~E(∇ ~E) + 1

c~B × ∂ ~E

∂t− ~B × (∇× ~B)

und mit Hilfe der Produktregel und Faraday’s Gesetz

~B × ∂ ~E

∂t= − ∂

∂t( ~E × ~B) + ~E × ∂ ~B

∂t← Faraday

= − ∂

∂t( ~E × ~B)− c ~E × (∇× ~E).

Addiert man ~B · (∇ ~B) = 0 erhalt man

~E +1

c~× ~B =

1

4 π

~E(∇ ~E) + ~B(∇ ~B)− ~E × (∇× ~E)− ~B × (∇× ~B)

− 1

4 πc

∂t( ~E × ~B).

Damit man ~g = 14πc

( ~E× ~B) = 1c2~S als em Impulsdichte interprieren kann, muss man obige

Gleichung als eine Kontinuitatsgleichung auffassen konnen, d. h. den Term innerhalb der

Page 78: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

72 3. Die Maxwell Gleichungen

geschweiften Klammern als Divergenz eines Impulsstromes schreiben. Dazu betrachtenwir exemplarisch eine Komponente des elektrischen Anteils

~E(∇ ~E)− ~E × (∇× ~E)

1= E1(∂1E1 + ∂2E2 + ∂3E3)− E2(∂1E2 − ∂2E1)

+E3(∂3E1 − ∂1E3)

= ∂1(E21) + ∂2(E1E2) + ∂3(E1E3)−

1

2∂1(E

21 + E2

2 + E23).

Fur den vollstandigen Vektor konnen wir also schreiben (hier fur die Komponente α)

~E∇ ~E − ~E × (∇× ~E)

α=∑

β

∂xβ

(

EαEβ −1

2~E · ~E δαβ

)

.

Den Ausdruck in der Klammer bezeichnet man als einen Tensor 2. Stufe. Analoges erhaltman fur das ~B-Feld. Definiert man den Maxwell’schen Spannungstensor Tαβ

Tαβ ≡1

4 π

[

EαEβ + BαBβ −1

2( ~E · ~E + ~B · ~B) δαβ

]

,

so erhalt man fur die Kontinuitatsgleichung der Impulsdichte (Komponente α)

(

~E +1

c~× ~B

)

α

=∑

β

∂βTαβ −∂

∂tgα.

Da wir es mit einer vektoriellen Erhaltungsgleichung zu tun haben, hat man fur denImpulsstrom eine Matrix (Tensor) Struktur. D. h. zur zeitlichen Anderung jeder Kompo-nente der Impulsdichte des em Feldes gehort der infinitesimale Fluss eines Impulsstromes∇ · ~Tα. Die Summe ist die Ursache fur eine mechanische (pondoromotorische) Kraft aufdie Quellterme des Feldes.

Page 79: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

Kapitel 4

Spezielle Anwendungen derElektrodynamik

4.1 Ausbreitung elektromagnetischer Wellen

Die quellenfreien MGL einer sich in einem isotropen linearen Medium ausbreitenden em-Welle sind

div ~B = 0 rot ~B − µ ǫ

c

∂ ~E

∂t= 0

div ~E = 0 rot ~E +1

c

∂ ~B

∂t= 0

Dabei haben wir zusatzlich angenommen, dass das Medium ein idealer Isolator ist (σ = 0).D. h. die em-Welle verliert im Medium keine Energie in Form von Joul’scher Warme. Diezu den MGL korrespondierende Welle wird also ungedampft durch das Medium bleiben.Die vier MGL lassen sich zu zwei Wellengleichungen (WGL) kombinieren.

rot (Ampere) : rot rot ~B − µ ǫc∂∂trot ~E = 0

allgemein : rot rot ~B = ∇(∇ ~B)− ~B = − ~B

rot (Ampere) → ~B + µ ǫc∂∂trot ~E = 0

Faraday → rot ~E + 1c∂ ~B∂t

= 0

Faraday ⇒ ~B − µ ǫc2

∂2 ~B∂t2

= 0

Analog aus rot (Faraday) ⇒ ~E − µ ǫc2

∂2 ~E∂t2

= 0

Diese homogenen Wellengleichungen sind aquivalent zu den MGL und entsprechen der

73

Page 80: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

74 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

allgemeinen Form

2ψ = ψ − 1

v2∂2ψ

∂t2= 0 ,

die wir bereits fur die Potentiale kennen gelernt haben. Die Ausbreitungsgeschwindigkeitv ist typisch fur das Medium

v =c√µ ǫ≡ c

n⇔ n ≡ √µ ǫ.

Man definiert das Verhaltnis der Ausbreitungsgeschwindigkeiten im Vakuum und Mediumals Brechungsindex n

n =c

v

Eine Losung der WGL ist die ebene Welle (*)

ψ = exp i~k · ~r − iωt

((*) ψ stellt eine ebene Wellenfront dar, die sich in Richtung von ~k ausbreitet.)

unter der Voraussetzung, dass Wellenzahl ~k und Frequenz ω die Dispersionsrelation

k =ω

v=ω

c· n =

ω

c

√µ ǫ

erfullen. Man nennt ein Medium dispersionsfrei, wenn v und damit n unabhangig von derFrequenz ω sind. Die allgemeine Losung der WGL ist ein Wellenpaket der Form

ψ(~r t) =1

(2 π)3

φ (~k) ei(~k·~r−ω(k)t) d3k.

Jetzt erkennt man auch, was der Begriff Dispersion bedeutet: Jede ebene Wellenkompo-nente hat ihre eigene Geschwindigkeit v = ω

k= c

n. Ist diese Geschwindigkeit frequenz-

abhangig (dispergierendes Medium), so breiten sich die einzelnen Fourierkomponentenunterschiedlich schnell aus und es muss zu einem Auseinanderlaufen (dispergieren) desWellenpaketes kommen.Eine monochromatische Welle besitzt nur eine Fourierkomponente (e. g. Laser): jede Kom-

ponente des ~E und ~B Feldes wird durch eine ebene Welle bestimmt.

~E(~r t) = ~E ei(~k·~r−ωt)~B(~r t) = ~B ei(~k·~r−ωt)

Die Eigenschaften der Amplituden werden durch die Divergenzgleichungen bestimmt

div ~E = 0 ⇒ ~k · ~E = 0

div ~B = 0 ⇒ ~k · ~B = 0

Page 81: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.1 Ausbreitung elektromagnetischer Wellen 75

D. h. ~E und ~B stehen jeweils senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung ~k als Konsequenzder Quellenfreiheit des Mediums. Em-Wellen sind also Transversalwellen. Die ’Rotations-gleichungen’ stellen einen Zusammenhang zwischen den Amplituden ~E und ~B her:

Aus rot ~E + 1c∂ ~B∂t

= 0 folgt mit

rot ~E =

∣∣∣∣∣∣

~ex ~ey ~ez∂x ∂y ∂zEx ei~k·~r Ey ei~k·~r Ez ei~k·~r

∣∣∣∣∣∣

· e−iωt

= i

∣∣∣∣∣∣

~ex ~ey ~ezkx ky kzEx Ey Ez

∣∣∣∣∣∣

· ei(~k·~r−ωt)

= i(

~k × ~E)

· ei(~k·~r−ωt)

∂ ~B

∂t= −i ω ~B · ei(~k·~r−ωt)

⇒ ~B =c

ω~k × ~E ⇒ ~B · ~E = 0

D. h. ~B steht ebenfalls senkrecht auf ~E .Solange der Brechungindex n =

√µ ǫ und damit k = ω

c

√µ ǫ reell sind, besitzen ~B und ~E

die gleiche Phase. Definiert man die zueinander senkrechten Vektoren ~e1, ~e2, ~k kann mandie Eigenschaften der Feldamplituden zusammenfassen zu ( c

ωk =√µǫ)

~E = ~e1E0~B = ~e2

√µ ǫE0 = ~e2B0

D. h. ~E, ~B und ~k stehen zueinander senkrecht, sind in Phase und das Verhaltnis der Am-plituden ist B0

E0

=√µ ǫ = n.

e

k

E

e1

2

B

Abb. 4.1: Darstellung einer linear polarisierten elektromagnetischen Welle

Dieser Spezialfall zeigt eine linear polarisierte em-Welle. Wir hatten die Welle auch andersangeben konnen.

~E = ~e2E′0 , ~B = −~e1

√µ ǫE ′

0.

Dies ist ebenfalls eine linear polarisierte Welle, aber gegenuber der vorigen um 90 gedreht.D. h. eine beliebig polarisierte Welle erhalten wir durch die Uberlagerung zweier linearpolarisierter Wellen

Page 82: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

76 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

~E(~r t) = (~e1E1 + ~e2E2) · ei(~k·~r−ωt)~B(~r t) = (~e1B1 + ~e2B2) · ei(~k·~r−ωt)

~Bj = Bj~ej =

√µ ǫ

k

(

~k × Ej~ej)

j = 1, 2.

E

E

θe

1e

2

1

2

Abb. 4.2: Beliebige Polarisationsrichtung

Sind beide Amplituden E1 und E2 reell, so handelt es sich wiederum um eine linear

polarisierte Welle mit der Amplitude E = [E21 + E2

2 ]1

2 und dem Polarisationswinkel

θ = arctanE1

E2

Sind hingegen ~E1 und ~E2 komplexwertig, d. h.

~E1 = a1 · eiδ1 ~e1 ~E2 = a2 · eiδ2 ~e2

und besitzen verschiedene Phasen (z. B. δ2−δ1 = 90), so handelt es sich um eine elliptischpolarisierte Welle

~E(~r t) = a1 eiδ1

(

~e1 +a2a1

e±iπ2 ~e2

)

ei(~k·~r−ωt)

= E1

(

~e1 ± iE2

E1

~e2

)

· ei(~k·~r−ωt)

Zur Veranschaulichung identifizieren wir ~e1 → ~ex, ~e2 → ~ey,~kk→ ~ez , so lasst sich ~E(~r t)

schreiben als

Ex = E1 (cos (kz − ωt)− i sin (kz − ωt))Ey = ± i E2 (cos (kz − ωt)− i sin (kz − ωt))

Betrachten wir nur den Realteil, so folgt

Page 83: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.2 Reflexion und Brechung em-Wellen 77

ℜEx = E1 cos (kz − ωt)ℜEy = ±E2 sin (kz − ωt)

also gerade die Parameterdarstellung einer Ellipse mit den Halbachsen E1 und E2. DasVorzeichen liefert uns den Drehsinn des Vektors ~E (positive und negative Helizitat).D. h. die Kenntnis der Teilamplituden a1, a2 und der Phasendifferenz δ2− δ1 legt die Geo-metrie und Dynamik der monochromatischen Welle vollstandig fest. Diese Großen lassensich indirekt bestimmen mit Hilfe der Stokes’schen Parameter, die direkte Messgroßensind

s0 = |~e1 · ~E|2 + |~e2 · ~E|2 = a21 + a22

s1 = |~e1 · ~E|2 − |~e2 · ~E|2 = a21 − a22s2 = 2ℜ

[(

~e1 · ~E)∗ (

~e2 · ~E)]

= 2a1a2 cos (δ2 − δ1)

s3 = 2ℑm[

· · ·]

= 2a1a2 sin (δ2 − δ1) .

Die si sind nicht unabhangig, denn die Welle ist bis auf eine fur ~E und ~B gemeinsame,nicht messbare Phase durch 3 Großen bestimmt. Entsprechend findet man fur eine idealemonochromatische Welle

s20 = s21 + s22 + s23.

Fur nicht monochromatisches Licht gilt

s20 > s21 + s22 + s23,

d. h. man kann die si auch als Maß fur die Qualitat eines Lasers benutzen.Aus der Polarisation einer em-Welle lassen sich Ruckschlusse auf mikroskopische Eigen-schaften einer Strahlungsquelle ziehen. Fur naturliches unpolarisiertes Licht findet mans1 = s2 = s3 = 0, da im Mittel alle Amplituden und Phasenkombinationen auftreten.

4.2 Reflexion und Brechung em-Wellen

In diesem Abschnitt wollen wir betrachten, wie sich eine monochromatische Welle an derGrenzschicht zweier dispersionsfreier (n unabhangig von ω), isolierender (σ = 0) Medienverhalt. Man beobachtet Brechung und Reflexion. Die Fragen die sich stellen sind

a) unter welchen Bedingungen finden Brechung und Reflexion statt?

b) wie groß sind die Intensitaten der gebrochenen bzw. reflektierten Welle im Vergleichzur einfallenden Welle?

Page 84: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

78 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

x

z

ez

α

µ

µ ∋

’ ’

k α α ’’ k ’’

k ’

Abb. 4.3: Reflexion und Brechung von em-Wellen

Stellen wir uns vor, die einfallende Welle breite sich in der xz-Ebene aus und die Trenn-flache zwischen den Medien werde durch die Ebene z = 0 beschrieben. Die allgemeineForm der monochromatischen Welle ist dann

einfallende Welle: ~E = ~E0 · ei(~k·~r−ωt)

~B = nk

(

~k × ~E)

, n =√µ ǫ

gebrochene Welle: ~E ′ = ~E ′0 · ei(

~k′·~r−ωt)

~B′ = n′

k′

(

~k′ × ~E ′)

, n′ =√µ′ǫ′

reflektierte Welle: ~E ′′ = ~E ′′0 · ei(

~k′′·~r−ωt)

~B′′ = nk′′

(

~k′′ × ~E ′′)

Dabei haben wir bereits die Tatsache berucksichtigt, dass bei Brechung und Reflexion kei-ne Frequenzverschiebung (also Farbanderung des monochromatischen Lichts) beobachtetwird. Die Betrage der Wellenzahlvektoren konnen wir mit Hilfe der Dispersionstrelationspezifizieren

k = k′′ =ω

c· n =

ω

c

√ǫ µ ; k′ =

ω

c

µ′ǫ′,

wobei zu berucksichtigen ist, dass sich die reflektierte und einfallende Welle im selbenMedium ausbreiten. Die Grenzbedingungen von ~E und ~B Feldern an der Grenzschichtzwischen den Medien sind die Grundlage des Brechungsgesetzes. Zunachst muss manfordern, dass die Losung der Wellengleichung am Ubergang zwischen den Medien stetigineinander ubergehen. Damit dies an jedem Ort der Ebene z = 0 und zu jeder Zeit tmoglich ist, mussen die Phasen der 3 Wellen auf der Ebene z = 0 identisch sein, d. h.

~k · ~r∣∣∣∣z=0

= ~k′ · ~r∣∣∣∣z=0

= ~k′′ · ~r∣∣∣∣z=0

Page 85: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.2 Reflexion und Brechung em-Wellen 79

Schreibt man das Skalarprodukt in kartesischen Koordinaten auf, so erhalt man die Be-dingungen

(kx − k′x) x+(ky − k′y

)y = 0

(kx − k′′x) x+(ky − k′′y

)y = 0

die fur alle Orte (x, y, 0) erfullt sein mussen. Das ist nur dann der Fall, wenn

kx = k′x = k′′x und ky = k′y = k′′y .

Da ky = 0 folgt k′y = k′′y = 0: einfallende, gebrochene und reflektierte Welle liegen in einerEbene. Die Bedingung fur die x-Komponenten liefert dann das Snellius’sche Brechungs-gesetz und das Reflexionsgesetz

kx = k sinα = k′ sinα′ = k′′ sinα′′

⇒ sinα

sinα′′ =k′′

k=n

n= 1⇒ α = α′′

sinα

sinα′ =k′

k=n′

n

Ist n′ > n gilt α > α′: beim Ubergang in das optisch dichtere Medium (|µ′ǫ′| > |µ ǫ|) wirddie em-Welle auf das Einfallslot hin gebrochen.Eine wichtige Anwendung stellt der umgekehrte Fall dar: die Totalreflexion beim Uber-gang vom optisch dichteren in das optisch dunnere Medium. In diesem Fall wird dergebrochene Strahl vom Einfallslot weggebrochen. Ist der Brechungswinkel großer als 90Grad, verbleibt die em-Welle im optisch dichteren Medium und man spricht von Totalre-flexion. Die Bedingung fur den Einfallswinkel ist somit (α′ ≥ 90)

sinα = sinα′n′

n=n′

n

Fur den Ubergang von Glas (n=1.5) in Luft (n’=1) ergibt sich somit α ≥ 41.8 Grad. Dieerwahnte wichtige Anwendung sind Lichtleiter, ohne die in der modernen Kommunikati-onstechnik eine breitbandige Datenubertragung nicht denkbar ware.Die Frage nach den Intensitatsverhaltnissen beantwortet sich aus den Grenzbedingungender Feldamplituden an der Grenzschicht beider Medien. Sie ist wesentlich aufwandiger zubeantworten und fuhrt auf die so genannten Fresnel’schen Gleichungen. So erhalt man z.B. (ohne Ableitung) fur Licht, das parallel zur Einfallsebene polarisiert ist ( ~E liegt in derxz Ebene)

E ′′0

E0

=

µµ′n′2 cosα− n

[n′2 − n2 sin2 α

] 1

2

µµ′n′2 cosα + n

[n′2 − n2 sin2 α

] 1

2

E ′0

E0

=2nn′ cosα

µµ′n′2 cosα + n

[n′2 − n2 sin2 α

] 1

2

Bemerkungen:

Page 86: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

80 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

x

z

ez

α ’

k k ’’

k ’

α

B

B

EE

E

B

’’

’’

’ µ ’

∋µ>

∋µ

Abb. 4.4: Grenzbedingungen der Feldamplituden sind die Ursache des Brechungsgesetzes

a) In der Abbildung sieht man, dass beim Ubergang in das Medium mit ǫ′ > ǫ das~E-Feld vom Einfallslot weggebrochen wird im Einklang mit dem Ergebnis in derElektrostatik.

b) Bei der Polarisation des Lichtes parallel zur Einfallsebene (siehe Abbildung: ~E liegtin der Einfallsebene) existiert ein Winkel (Brewster Winkel) fur den es keine Refle-xion gibt (setze µ = µ′)

E ′′0 = 0⇒ n′2 cosα− n

[n′2 − n2 sin2 α

] 1

2 = 0

n′4 cos2 α = n2(n′2 − n2sin2α

)

n′4 cos2 α + n4 sin2 α = n2n′2 | : n4

(n′

n

)4

cos2 α + sin2 α =

(n′

n

)2

;

(n′

n

)4

−(n′

n

)21

cos2 α+ tan2 α = 0 quadrat. Gl in

(n′

n

)2

Losung:

(n′

n

)2

=1

2 cos2 α±[

1

4 cos4 α− tan2 α

] 1

2

=1

2 cos2 α

(

1±[1− 4 sin2 α cos2 α

] 1

2

)

cos2 α = 1− sin2 α : =1

2 cos2 α

(

1±[1− 4 sin2 α + 4 sin4 α

] 1

2

)

=1

2 cos2 α

(1±

[1− 2 sin2 α

])

=

1

cos2 α− sin2 α

cos2 α= 1 fur+

tan2 α fur−

Page 87: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.2 Reflexion und Brechung em-Wellen 81

Fur den Brewsterwinkel gilt somit (Losung + ist trivial)(n′

n

)2

= tan2 α ⇒ α = arctan

(n′

n

)

.

Hat man eine unpolarisierte Welle, so wird das Licht unter dem Brewsterwinkelvollstandig polarisiert reflektiert, da die Komponente mit ~E parallel zur Einfallsebe-ne herausgefiltert wird: das reflektierte Licht ist dann senkrecht zur Einfallsebenepolarisiert. Fur die Reflexion an Wasser (n′ = 1.33) ist der Brewster Winkel 53. D.h.steht die Sonne unter 37 (Nachmittagssonne), wird das von der Wasseroberflachein das Auge des Beobachters reflektierte Licht polarisiert. Mit einem Polarisations-filter lassen sich so interessante Gegenlichtaufnahmen von einer Wasseroberflachegewinnen.

c) Um auszurechnen, wie viel Strahlungsenergie des em-Feldes durch eine Grenzflachetransportiert werden kann, mussen wir den Poyntingvektor (Energiestromdichte)auswerten. Fur eine ebene Welle gilt

~S =c

4π( ~E0 × ~H0) =

c

n

kµ( ~E0 × (~k × ~E0))

=c

√ǫ

µ

1

k(~k|E0|2 − ~E0( ~E0

~k))

=c

√ǫ

µ|E0|2

~k

k

Gibt ~en die Orientierung der Grenzflache zwischen den beiden Medien an, so istein Maß fur (i) die Durchlassigkeit an der Grenzflache der TransmissionskoeffizientT und (ii) das Reflexionsvermogen der Grenzflache der Reflexionskoeffizient R. ImEinzelnen gilt

R =~Srefl~en~Seinf~en

=E ′′2

0

E20

T =~Sgebr~en~Seinf~en

=E ′2

0

E20

ǫ′µ

ǫµ′cosα′

cosα

Damit kann man jetzt den Transmissionskoeffizienten von z.B. einer Glasscheibeberechnen. Bei senkrechtem Einfall (α = α′ = 90 Grad) erhalt man

T =E ′2

0

E20

ǫ′

ǫ=

4n2n′2

(n′2 + nn′)2

ǫ′

ǫ

=4n2n′2

n′2n(n′ + n)2=

4nn′

(n′ + n)2

An den beiden Grenzflachen der Glasplatte mit Luft werden jeweils 4% der em-Strahlung reflektiert, so dass man fur die gesamte Transmission der Strahlung92.16% erhalt. Es ist wichtig zu verstehen, dass dieses Transmissionsverhalten aus-schließlich eine Konsequenz der Grenzbedingungen des em-Feldes an der Medien-grenze ist und nichts mit Absorption zu tun hat. Letzteres werden wir im Rahmender Dispersionseigenschaften von Medien im nachsten Abschnitt untersuchen.

Page 88: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

82 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

4.3 Grundlagen der Festkorper Optik: Dispersion in

Dielektrika und Leitern

Bisher nahmen wir an, dass die Medien, in denen wir die Ausbreitung von em-Wellenbeobachtet haben, dispersionsfrei waren. Um jedoch optische Eigenschaften von Medienverstehen zu konnen (z. B. Farbe von Kristallen, metallischer Glanz), mussen wir analogzur Elektrostatik ein dynamisches Modell des Mediums entwickeln, das seine Polarisierbar-keit in einem zeitabhangigen ~E-Feld berucksichtigt. Wir werden sehen, dass jedes Mediumdispergierend ist, also ǫ = ǫ(ω). Fur die einfachen Modelle nehmen wir an, dass µ = 1 ist.

4.3.1 Oszillatormodell

Nehmen wir an, eine monochromatische Welle dringe in ein Medium ein. Wir wollen dieDielektrizitatsfunktion ǫ = ǫ(ω) bestimmen, die sich ergibt, wenn die Atome (Molekule)

durch das zeitabhangige außere Feld ~E(~r t) polarisiert werden. Analog zum elektrosta-tischen Fall beschranken wir uns auch hier auf die Bestimmung von Dipolverformung, d.h. wir suchen ein Modell fur das Polarisationsfeld ~P .Ein Elektron im Molekul- oder Gitterverband lasst sich modellieren als harmonischerOszillator

m(

~r + γ ~r + ω20 ~r)

= e ~E(~r, t),

(e = 7, 803250(21) · 10−10esu = 1, 6021917(70) · 10−19C : Elementarladung,m = 9, 109534(47) · 10−28kg : Masse des Elektrons)

angeregt durch das elektrische Feld der einfallenden Welle ~E(~r t). Die Eigenfrequenz desElektrons ω0 hangt von der Starke der Bindung ab und γ ist ein Dampfungsfaktor, derdie Tendenz des Elektrons berucksichtigt, in seine Gleichgewichtslage (Grundzustand)zuruckzukehren. Wir wollen ferner annehmen, dass die maximale Auslenkung r0 klein imVergleich mit der Wellenlange 2π

k= λ der einfallenden Welle ist (Dipolnaherung), so dass

wir fur~E(~r t) = ~E0 · e−iωt ≡ ~E(t)

schreiben konnen. Wir interessieren uns fur Zeiten lange nach dem Einschwingvorgang(Grenzzykluslosung (vergl. Mechanik)), d. h. das Elektron schwingt mit der Frequenz derAnregung

~r(t) = ~r0 · e−iωt .Einsetzen in die DGL liefert die Amplitude ~r0 der Partikularlosung

m ~r0(−ω2 − i γ ω + ω2

0

)= e ~E0

~r0 =e

m~E0

[ω20 − ω2 − i γ ω

]−1.

Entsprechend der Auslenkung ~r0 des Elektrons aus seiner Gleichgewichtslage wird dasAtom polarisiert. Das Dipolmoment ist dann

~d(~r t) = e · ~r (t) = e2

m

(ω20 − ω2 − i ω γ

)−1 ~E(t).

Page 89: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.3 Grundlagen der Festkorper Optik: Dispersion in Dielektrika und Leitern 83

Nun mussen wir berucksichtigen, dass wir in der E-Dynamik nur die makroskopischenEffekte der mikroskopischen Polarisierbarkeit beobachten. D. h. wir betrachten zunachstdas mittlere Dipolmoment der j. Molekulsorte pro Volumeneinheit

< ~dj >=e2

m

(ω2j − ω2 − i ω γj

)−1 ~E(t).

Nehmen wir an, im Medium (pro Volumeneinheit) befinden sich N Molekule, wovon fjElektronen der Molekulart j die Bindungsfrequenz ωj besitzen und N

j fj = Z dieGesamtzahl der Elektronen bedeutet, so erhalten wir fur die makroskopische Polarisier-barkeit

~P = N∑

j

fj < ~dj >

=Ne2

m

j

fj(ω2j − ω2 − i γj ω

)−1 ~E(t).

Wegen ~D = ǫ ~E = ~E + 4 π ~P erhalt man daraus die Dielektrizitatsfunktion (Drude’scheFormel)

ǫ(ω) = 1 +4 πNe2

m

j

fj(ω2j − ω2 − i ω γj

)−1

Die molekularen Großen ωj (Bindungsenergie) und γj (Dampfungskonstante) erhalt manaus quantenmechanischen Uberlegungen.

4.3.2 Resonanzabsorption

Wir haben bei der Ableitung der Drude Formel bisher angenommen, dass alle Elektronengebunden sind, d. h. es handelt sich bei dem Medium um einen Isolator. Um die DrudeFormel etwas detailierter zu verstehen, nehmen wir an, eine monochromatische Welle(Laser) beleuchte den Isolator mit der Resonanzfrequenz ω = ωl. In diesem Fall wird dieSumme in der Dielektrizitatsfunktion dominiert durch den Term j = l (weil der Nennerminimal wird unter Resonanzbedingung) und man erhalt

ǫ(ωl) ≈4πNe2

mfl

1

− iωlγl= 1 + i

4πNe2

mfl

1

ωlγl

Damit erhalt man fur Real- und Imaginarteil von ǫ(ωl)

ℜ ǫ(ωl) ≈ 1

ℑ ǫ(ωl) ≈4πNe2

mfl

1

ωlγl

Um die Rolle des Imaginarteils der Dielektrizitatsfunktion zu verstehen, definiert maneine verallgemeinerte komplexe Wellenzahl

k = β + iα

2.

Page 90: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

84 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

Mit Hilfe der Dispersionsrelation (Annahme: µ = 1)

k =ω

cn =

ω

c

√ǫ

erhalt man

k2 = β2 − α2

4+ iαβ =

ω2

c2ǫ

⇒ ǫ =c2

ω2

(

β2 − α2

4

)

+ ic2

ω2αβ.

Ein Vergleich mit der Drude Formel ergibt fur α≪ β

c2

ω2 αβ = ℑmǫ , c2

ω2

(

β2 − α2

4

)

= ℜe ǫ⇓ ⇓⇓ ←− β ≈ ω

c

√ℜe ǫ

α ≈ ωc

ℑmǫ√ℜe ǫ

Entsprechend der Definition interpretiert man α als Dampfungskonstante→ Absorptions-koeffizient, weil

ei~k·~r = eik~n·~r = eiβ~n·~r · e−α

2~n·~r

Fur den Fall, dass ℑmǫ 6= 0 absorbiert das Medium (α 6= 0) den Anteil des Lichtes mitω = ωk (Resonanzabsorption). Die Energie der em-Welle wird vom Medium in Formvon Anregungsenergie der Elektronen aufgenommen. Mogliche Anregungsformen sindMolekuloszillationen im Isolator (Phononen) oder Elektronenanregung (Exzitonen). Mannennt den Bereich der Resonanz anormale Dispersion, den Bereich, in dem ℜ ǫ monotonmit ω wachst normale Dispersion. Durch die Absorption bestimmter Frequenzen aus demLicht der einfallenden Welle erklaren sich die Farben von Medien: Die Farbe ergibt sich alsKomplementarfarbe zur Resonanzfrequenz. Bspl.: entspricht die Resonanzfrequenz rotemLicht, so erscheint das Medium grun (Chlorophyl der Blatter einer Pflanze).Da die em-Welle beim Eindringen in das Medium mit dem Faktor e−

α2r gedampft wird, ist

1αein Maß fur die Eindringtiefe (Extinktionslange) der Strahlung. Das wichtigste Kenn-

zeichen der Resonanzabsorption ist die Tatsache, dass das Medium nur fur bestimmteFrequenzen undurchsichtig wird. Im nachsten Abschnitt wollen wir das kontinuierlicheVerhalten der Drude Formel untersuchen.

4.3.3 Freie Elektronen im Medium – elektrische Leitfahigkeit

Wir haben im Rahmen des Oszillatormodells bisher angenommen, dass alle Elektronendes Mediums mit einer Bindungsfrequenz ωj gebunden sind. Das ist charakteristisch furIsolatoren, aber nicht fur Leiter.Das einfachste Modell eines Leiters (Jellium Modell von Metallen) geht davon aus, dasseine Anzahl von Elektronen im ansonsten unstrukturierten Medium frei verschiebbar sind,also nicht mehr an die positiven Ionenrumpfe der Gitteratome gebunden sind. Unter der

Page 91: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.3 Grundlagen der Festkorper Optik: Dispersion in Dielektrika und Leitern 85

Annahme, dass es N · f0 freie Elektronen gibt, kann man diesen Anteil der Drude Formelabtrennen (ω0 = 0 fur freie Elektronen)

ǫ (ω) = ǫR(ω) + i4 πNf0e

2

m

1

ω (γ0 − i ω)Dabei steht ǫR(ω) fur den Anteil der gebundenen Elektronen. Den Vorfaktor bezeichnetman als Plasmafrequenz

ω2p =

4 πNf0e2

maus der Vorstellung heraus, dass die freien Elektronen sich im Leiter wie ein Elektronengas(Plasma) verhalten. Die Plasmafrequenz ist proportional zur Zahl der Elektronen N · f0pro Volumeneinheit, also proportional zur Elektronendichte. Physikalisch ist ωp geradedie Frequenz, mit der das Elektronenplasma zur kollektiven Schwingung gegenuber dempositiven Ionengitter angeregt werden kann.Um ein tieferes Verstandnis fur den Plasmaanteil der Drude Formel zu gewinnen, betrach-ten wir das Ampere’sche Gesetz

rot ~H =4 π

c~+

1

c

∂ ~D

∂t

Fur lineare Medien gilt ~ = σ ~E. Vernachlassigt man die Frequenzabhangigkeit der Dielek-trizitatsfunktion, also ~D = ǫ0 ~E ≈ eiωt ergibt sich

∂ ~D

∂t≈ −i ωǫ0 ~E

; rot ~H = −i ωc

(

ǫ0 + i4 πσ

ω

)

~E

Fasst man die Klammer als verallgemeinerte Dielektrizitatsfunktion auf, so zeigt ein Ver-gleich mit der Drude Formel

σ =f0Ne

2

m (γ0 − i ω)=

1

4 π

ω2p

γ0 − i ωDa die Plasmafrequenz eines Leiters i. a. bekannt ist (die Dichte der freien Ladungenergibt sich aus der Struktur der chemischen Bindung), kann man durch Messung derLeitfahigkeit γ0 bestimmen. Man findet fur Metalle γ0 ≈ 3 · 1013 1

s. Im Grenzfall kleiner

Frequenzen (weit unterhalb der niedrigsten Resonanzfrequenz, so dass ℜ ǫ = ǫ0 = konstgilt) erhalt man aus der Drude Formel

ǫ (ω) = ǫ0 + iω2p

γ0 ω⇒

ℜ ǫ = ǫ0 = konst

ℑ ǫ =ω2p

γ0 ω∼ 1

ω

Mit Hilfe der verallgemeinerten Wellenzahl (siehe Seite 84) kann man den Niederfrequenz-limes betrachten

ℑ ǫ = c2

ω2αβ → β =

ω2

c2ℑ ǫα

Page 92: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

86 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

Einsetzen fur ℑ ǫ (ω) ergibt

β =1

α

ωω2p

c2γ0

und mit

ℜ ǫ = ǫ0 =c2

ω2

(

β2 − α2

4

)

eine Gleichung 4. Ordnung fur die Absorptionsfunktion

α4 + 4ω2

c2ǫ20α

2 − 4ω2ω4

p

c4 γ20= 0

mit der Losung

α2 = 2ω2

c2

(

ǫ20 +

[

ǫ40 +ω2p

γ20 ω2

] 1

2

)

Im Grenzfall kleiner Frequenzen dominiert der 2. Term der Wurzel und man erhalt

α2 −→ω→0

2ω2

c2ωpγ0 ω

⇒ α ∼√ω

D. h. mit wachsender Frequenz werden em-Wellen daran gehindert, in leitende Materialieneinzudringen (da α ∼ √ω ist die Extinktionslange und damit die Eindringtiefe ∼ 1√

ω).

Im Grenzfall großer Frequenzen (ω ≫ γ0 ≈ 3 · 1013s−1) konnen wir die Drude Formelebenfalls abschatzen (beachte: ω muss weit oberhalb der großten Resonanzfrequenz liegen)

ǫ (ω) = ǫ0 + iω2p

ω (γ0 − i ω)≈ ǫ0 −

ω2p

ω2

Fur den Fall ω ≫ ωp ist ǫ (ω) < 0 und n =√ǫ rein imaginar. D. h. die em-Welle dringt

kaum in das Medium ein, sie wird fast vollstandig reflektiert. Das ist i. a. im optischenBereich der Fall und damit die qualitative Erklarung fur den Glanz von Metallen. Mitwachsender Frequenz wird ǫ (ω) > 0, somit n reell, so dass das leitende Medium fur solcheFrequenzen durchsichtig wird.Zum Abschluss wollen wir am Beispiel H2O das Verhalten von Brechungsindex n =ℜ√

µ ǫ(ω) und Absorptionskoeffizient α ∼= ωc

ℑ ǫ (ω)√ℜ ǫ (ω)

als Funktion der Frequenz der einfal-

lenden em-Welle qualitativ diskutieren

Page 93: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.3 Grundlagen der Festkorper Optik: Dispersion in Dielektrika und Leitern 87

Abb. 4.5: Dielektrizitatsfunktion und Absorptionskoeffizient fur Wasser

Bereich Dielektrizitatsfunktion Bemerkungen

kleine Frequenzen

ω < 108, λ>∼ 1m

ǫ(ω) = ǫ0 + iω2p

ω(γ0−iω)

≈ ǫ0 + iω2p

γ0ω

α ∼ √ωn = ℜ√ǫ = konst.

Salzwasser: leitendes MediumAbsorption von Radiowellen

α = 0 n = konst.

Aqua dest.: Isolator

mittlere Frequenzen108 < ω < 1018

1 A < λ < 1m

Resonanzabsorptionsiehe Abbildung

Anregung innerer Freiheitsgradeim Molekul: MikrowellenMolekulrotation), IR (Vibration)UV (Anregung der O Elektronen)weiche Rontgenstrahlung

große Frequenzenω > 1018

λ < 1 Aα = 0 n = konst.

Hohe Durchlassigkeit vonWasser fur harte Rontgenstrahlungγ − Strahlung

Page 94: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

88 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

Eigentumlich ist das Absorptionverhalten im optischen Bereich: rotes Licht wird in Wasserstark absorbiert

(1α≈ 1m

)wahrend die Extinktionslange fur blaues Licht

(1α≈ 20m

)groß

ist. Das ist die Ursache dafur, dass einem Taucher die Unterwasserwelt blau-grun erscheint.Resonanzabsorption erhalt man im Bereich der Mikrowellen (Radar, Mikrowellenherd),IR-Strahlung, harte UV bzw. weiche Rontgenstrahlung.

4.4 Das em-Feld einer lokalen Quelle

Bisher haben wir uns mit Ausbreitungsphanomenen elektromagnetischer Wellen befasstund dabei die Grundlagen der Optik diskutiert. Es stellt sich naturlich die Frage, wie em-Wellen erzeugt werden. Dazu werden wir annehmen, dass eine lokalisierte, oszillierendeQuelle durch die zeitabhangige Dichte bzw. Stromdichte

(~r t) = (~r ) · e−iωt~ (~r, t) = ~ (~r ) · e−iωt

beschrieben wird. Jede beliebige zeitliche Abhangigkeit lasst sich durch eine Fourieruber-lagerung dieses speziellen Ansatzes gewinnen. Das Feld, das durch eine solche Quelleerzeugt wird, kann durch die Potentialgleichungen

2φ = −4 π2 ~A = −4 π

c~

beschrieben werden. Vorausgesetzt es gibt keine endlichen Grenzflachen im Volumen, las-sen sich die Wellengleichungen fur die Potentiale mit Hilfe der (retardierten) Greensfunk-tion allgemein losen

~A+(~r, t) =1

c

V

d3r′~j(

~r ′, t− |~r−~r ′|c

)

|~r − ~r ′|

φ+(~r, t) =

V

d3r′(

~r ′, t− |~r−~r ′|c

)

|~r − ~r ′| ,

wobei wir bereits das Kausalitatsprinzip berucksichtigt haben (retardierte Potentiale).

Setzt man den harmonischen Ansatz fur ~ und ein, so erhalt man (z. B. fur ~A+)

~A+(~r, t) =1

c

V

d3r′~ (~r ′)

|~r − ~r ′| e−iωt · eiωc |~r−~r ′| .

Page 95: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.4 Das em-Feld einer lokalen Quelle 89

Mit Hilfe der Dispersionsrelation k = ωc(im Vakuum) ergibt sich fur das Strahlungsfeld

der oszillierenden Quelle

~A+(~r, t) =1

c

V

d3r′~ (~r ′)eik|~r−~r

′|

|~r − ~r ′| e−iωt

φ+(~r, t) =

V

d3r′(~r ′)eik|~r−~r

′|

|~r − ~r ′| e−iωt

Abhangig von der Geometrie der Quellterme werden die Potentiale des em-Feldes vonauslaufenden Kugelwellen bestimmt. Durch Vorgabe von ~ und lassen sich so im Prinzipdie Strahlungsfelder bestimmen.Wir wollen uns hier auf Spezialfalle beschranken. Dazu mussen wir einige systembestim-mende Großen definieren:

d: typisches Maß der Quelle;d3 = V ist das effektive Volumen, in dem die Raumintegration beitragt.

λ = 2πk

= 2πcω: Wellenlange des Senders; Annahme: λ≫ d

(Beispiel: Radiowellen λ ≈ 1km, d = 10cm).|~r| = r: Position des Empfangers (Beobachters);

er befindet sich im großen Abstand von der Quelle (r ≫ d).

Unter diesen Voraussetzungen kann man das Strahlungsfeld in drei Raumbereichen dis-kutieren:

(1) r ≪ λ Nahfeld(2) r ≈ λ mittlerer Bereich(3) r ≫ λ Fernfeld

zu (1):Im Nahfeldbereich

(

r ≪ λ⇒ kr ≪ 1⇒ eik·r = 1 + ikr − (kr)2

2!− i(kr)

3

3!± · · · ≈ 1

)

erhalten wir fur die Potentiale

~A+(~r t) = ~A(~r ) · e−iωt mit ~A(~r ) ≈ 1

c

V

~ (~r ′)1

|~r − ~r ′| d3r′

φ+(~r t) = φ(~r ) · e−iωt mit φ(~r ) ≈∫

V

(~r ′)1

|~r − ~r ′| d3r′.

Page 96: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

90 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

D. h. die Raumanteile der Potentiale des Nahfeldes verhalten sich wie die Potentiale sta-tionarer Felder. Zeitlich oszillieren die Potentiale wie die Feldquellen.

zu (3):Fur das Fernfeld r ≫ λ sieht die Situation vollig anders aus. Unter dieser Bedingung ist|~r | ≫ d, also |~r | ≫ |~r ′|, so dass

|~r − ~r ′| =[r2 + r′2 − 2~r~r ′] 1

2

= r

[

1 +

(r′

r

)2

− 2r′

rcos(~r, ~r ′)

] 1

2

= r

(

1− r′

rcos(~r~r ′)± . . .

)

∗)

= r − ~r ′ · ~n± . . . ; ~n =~r

|~r | .

mit

∗) cos(~r · ~r ′) =~r · ~r ′

r · r′

; −rr′

rcos(~r~r ′) = −rr

r

~r · ~r ′

rr′

= −~r ′ · ~rr

= −~r ′ · ~n~n = ~n(θϕ)

Berucksichtigt man |~r− ~r ′| bis zur 1. Ordnung im Exponenten und 1|~r−~r ′| ≈ 1

rdie Mono-

polnaherung im inversen Abstand, so erhalt man exemplarisch fur ~A

~A(~r ) =1

c

eikr

r

V

j(~r ′) · e−ik~n·~r ′

d3r′ =1

c

eikr

rf(θ, ϕ).

D. h. das Fernfeld verhalt sich wie eine durch eine winkelabhangige Gewichtsfunktionf(θ, ϕ) verbeulte Kugelwelle.Gehen wir noch einen Schritt weiter in der Naherung fur r ≫ r′ und setzen |~r − ~r ′| ≈ r,so erhalten wir in niedrigster Ordnung

~A(~r ) =1

c

eikr

r

V

~ (~r ′) d3r′

Partielle Integration ∫

V

~ (~r ′) d3r′ = −∫

V

~r ′ (∇′~ (~r ′)) d3r′

Page 97: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.4 Das em-Feld einer lokalen Quelle 91

ergibt unter Berucksichtigung der Kontinuitatsgleichung und = (~r) · e−iωt

V

~ (~r ′) d3r′ =

V

~r ′∂

∂td3r′ = −i ω

V

~r ′(~r ′) d3r′

= −i ω ~d,

wobei ~d das elektrische Dipolmoment bedeutet. Somit erhalten wir in Monopolnaherung

~A(~r ) = − i ωc~deikr

r= −i k ~d e

ikr

r.

Da~A(~r t) = ~A(~r ) · e−iωt

erhalt man fur die Felder aus

~B = rot ~A

(Ampere)∂ ~E

∂t= c rot ~B ; −i ω ~E = c rot ~B ; ~E =

i

krot ~B

; ~B = k2(~n× ~d)eikr

r

(

1− 1

ikr

)

~E = k2(~n× ~d )× ~nei k r

r+[

3~n (~n · ~d )− ~d]( 1

r2− i k

r

)eikr

r

(~n ist der Einheitsvektor ~n = ~r|~r | in Richtung des Empfangers)

Der leitende Term fur r →∞ ist

~B = k2(~n× ~d)eikr

r

~E = k2(~n× ~d)eikr

r× ~n = ~B × ~n

das Strahlungsfeld, wie es vom Empfanger aufgenommen wird: ~B und ~E sind charakteri-stisch fur Dipolstrahlung.Interessiert man sich fur die Strahlungsleistung P des em-Feldes, also die Energie, diepro Zeiteinheit abgestrahlt wird, muss man den Poyntingvektor ~S uber eine gegebeneOberflache integrieren

P =c

8 π

S(V )

ℜ(

~E × ~B∗)

· ~n ds.

Fur die abgestrahlte Leistung in ein Raumelement dΩ ergibt sich somit (ds = r2dΩ)

dP

dΩ=

c

8 πℜ(

r2(

~E × ~B∗)

· ~n)

Page 98: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

92 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

setzt man ~E und ~B fur das Fernfeld ein, so erhalt man

dP

dΩ=

c

8 πk4 |(~n× ~d)× ~n|2

∗)=

c

8 πk4p2 sin2(~n, ~d )

∗)~n× ~d = p sin(~n~d )~n× ~d

|~n× ~d |,

~n× ~d

|~n× ~d |× ~n = −

~d

d

wobei (~n, ~d ) die Orientierung (Winkel) des Senders gegenuber dem Empfanger bedeutet.

zu (2):Der Ubergangsbereich zwischen Nah- und Fernfeld ist komplizierter zu behandeln undsoll hier nicht erortert werden.

Als Standardbeispiel fur einen lokalisierten Oszillator betrachten wir eine Linearantennemit symetrischer Speisung, d. h. ~d = d · ~ez. Diese Quellengeometrie ist typisch fur eineDipolantenne.

z

x

y

θ

ϕ

Richtung zum Empfänger

Abb. 4.6: Antennengeometrie einer Di-polantenne

dPdΩ

= c8π k4 p2 sin2 θ

y

z

Abb. 4.7: Abstrahlcharakteristik desFernfeldes: Dipolstrahlung

4.5 Streuung von em-Wellen bei großen Wellenlangen

(Rayleigh-Streuung)

Wir werden uns in diesem Kapitel auf die Streuung von em-Wellen an kleinen Streukorpernbeschranken. Genauer werden wir annehmen, dass die Wellenlange der einfallenden Strah-lung groß im Vergleich zur geometrischen Ausdehnung des Streukorpers ist. Ferner stellen

Page 99: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.5 Streuung von em-Wellen bei großen Wellenlangen (Rayleigh-Streuung) 93

wir uns den Streuprozess so vor, dass die einfallende Welle im Streukorper Polarisationsla-dungen induziert, die in fester Phasenbeziehung mit den zeitabhangigen Feldern oszilliertund nach allen Raumrichtungen Energie abstrahlen kann. Dabei haben die gestreuten Ku-gelwellen die selben Wellenlangen wie die einfallende Welle: dies bezeichnet man als einenelastischen Streuprozess, bei dem keine Anregung innerer mikroskopischer Freiheitsgradezu erwarten ist.Aus dieser anschaulichen Vorstellung des Streuvorgangs ergibt sich seine mathematischeBehandlung: wir betrachen den Streukorper als lokalisierte oszillierende Quelle und konnensomit die Ergebnisse des vorangegangenen Kapitels ubertragen. Insbesondere haben wirgesehen, dass fur Wellenlangen, die groß im Vergleich mit den Dimensionen des Streukorperssind, nur die niedrigsten Multipolfelder (Dipolnaherung) von Bedeutung sind.Als einfallende em-Welle (i: initial) nehmen wir eine polarisierte monochromatische Wellean, deren Ortsanteil durch

~Ei = ~ei · E0 · eik·~ni·~r

~Bi = ~ni × ~Ei

(ebene Welle. ~ni : Einfallsrichtung; ~ei : Polarisationsvekor)

beschrieben wird. Der Zeitanteil ergibt sich aus der ublichen Phasenbeziehung (Dispersi-onsrelation) k = ω

c. Das elektrische Feld induziert im Streukorper (Isolator) vorwiegend

ein elektrisches Dipolmoment ~d. In abgeschwachter Form wird auch ein magnetisches Di-polmoment (nur in einem Leiter)

~m =1

2 c

(~r ′ × ~ (~r ′)) d3r′

erzeugt, das man aus der Berucksichtigung des Dipolterms im Vektorpotential (S. 90)erhalt. (Diese Komponente besitzt auch ein elekrisches Quadrupolfeld).

Fur das Fernfeld des im Streukorper induzierten elektrischen Dipolmoments ~d gilt (siehevoriges Unterkapitel):(s: scattered – gestreute Welle)

~Es = k2eikr

r

[

~ns × ~d]

× ~ns~Bs = ~ns × ~Es

~d =

~r ′(~r ′) d3r′

(~ns : Richtung zum Beobachter; ~ni · ~ns = cos θ : Streuwinkel zwischen ~ni und ~ns).

Als Maß fur die Strahlungsleistung der gestreuten Welle berechnet man die relativenIntensitaten in Form eines Differentiellen Wirkungsquerschnittes (DWQ):

Page 100: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

94 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

Der DWQ ist definiert als die in einem Raumwinkelelement in Richtung ~nsmit der Polarisation ~es abgestrahlte Leistung bezogen auf die Leistung dereinfallenden Strahlung:

dΩ≡ r2

|~e∗s · ~Es|2

|~e∗i · ~Ei|2Der Polarisationsvektor ~es ist komplexwertig, um auch die Helizitat bei zirku-larer Polarisation beschreiben zu konnen (vergl. ersten Abschnitt dieses Kapi-tels).

Die Intensitaten | . . . |2 erhalt man durch Einsetzen der Felder. (Beachte: |~ei|2 = 1)

dΩ=k4

E20

∣∣~e∗s

[

(~ns × ~d )× ~ns] ∣∣2

Das doppelte Kreuzprodukt lasst sich umrechnen

(~ns × ~d )× ~ns = −~ns × (~ns × ~d )

= −(~ns · ~d ) · ~ns + (~ns · ~ns) · ~d= −(~ns · ~d ) · ~ns + ~d

Der erste Term zeigt in Richtung von ~ns und steht somit senkrecht auf dem Polarisati-onsvektor ~es, so dass wir mit

~e∗s

[

(~ns × ~d )× ~ns]

= ~e∗s · ~d

erhaltendσ

dΩ=k4

E20

|~e∗s · ~d |2.

Dies ist das Rayleigh Gesetz fur die Streuung langwelliger Strahlung an einem bezuglichder Wellenlange kleinen Streukorper. Die wesentliche Naherung besteht in der Annahme,dass nur induzierte Dipole im Streukorper fur den Streuvorgang relevant sind. Typischfur solche Streuprozesse ist die Proportionalitat des DWQ zu k4 und wegen k ∼ 1

λsomit

dΩ∼ 1

λ4

Ist der Streukorper isotrop, so ist die Polarisation proportional zum außeren Feld, d. h.

~d = f(χ) ~Ei

(

χ =ǫ− 1

4 π

)

.

Dabei bedeutet f(χ) ein Formfaktor, der die Geometrie des Streukorpers berucksichtigt.Einsetzen ergibt die spezielle Form fur das Rayleigh Gesetz

dΩ= k4f 2(χ) |~e∗s · ~ei|2.

Page 101: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.5 Streuung von em-Wellen bei großen Wellenlangen (Rayleigh-Streuung) 95

θ

θ

es

x

y

z

nins

ei

ei es−

Abb. 4.8: Zur Polarisation bei Rayleigh Streuung

I. A. ist die Polarisierungsrichtung der einfallenden Welle nicht bekannt, falls es sich (wie z.B. beim Sonnenlicht) um unpolarisierte Strahlung handelt. Um den DWQ zu bestimmen,mussen wir uber die Polarisierungsrichtung der einfallenden Strahlung mitteln. Definiertman als Strahlebene die Ebene, die durch die Richtungen ~ni und ~ns aufgespannt wird, sogibt es zwei ausgezeichnete Polarisationsrichtungen ~e

‖i , ~e

‖s mit ~e

∗‖s · ~e‖i = cosϑ parallel zur

Streuebene und ~e⊥i = ~e⊥s mit ~e⊥i · ~e⊥s = 1 senkrecht zur Streuebene. Entsprechend erhaltman fur den DWQ

dσ‖dΩ

= k4f 2(χ) cos2 θ

dσ⊥dΩ

= k4f 2(χ)

dΩ=

dσ‖dΩ

+dσ⊥dΩ

= k4f 2(χ)(1 + cos2 θ)

Die Polarisation der gestreuten Strahlung definiert man mit Hilfe des Polarisationspara-meters

Π(θ) =dσ⊥dΩ− dσ‖

dσ⊥dΩ

+dσ‖dΩ

=1− cos2 θ

1 + cos2 θ=

sin2 θ

1 + cos2 θ

An dieser Stelle sind wir bereit, einige alltagliche Phanomene zu verstehen.

a) Warum ist der Himmel blau?Die Erklarung ist relativ einfach und hangt direkt mit der Wellenlangenabhangigkeitdes DWQ zusammen:

dΩ∼ k4 ∼ 1

λ4.

Das bedeutet, das langwellige rote Licht wird mit geringerer Intensitat gestreut alsdas kurzwellige blaue Licht. Der Himmel erscheint uns blau (bei trockener klarerLuft ohne Wolken) weil das kurzwellige Streulicht dominiert.

Page 102: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

96 4. Spezielle Anwendungen der Elektrodynamik

b) Warum erscheint die Sonne bei Auf- und Untergang rot?Hierbei handelt es sich um die zu (1) komplementare Frage: wir schauen direkt in

E

A

Abb. 4.9: Wegstrecke des Lichtes bei verschiedenen Sonnenstanden

die Sonne. Was wir sehen ist der Anteil des Lichtes, der nicht gestreut wurde, alsovorwiegend der langwellige Anteil des Spektrums. Nun hangt es davon ab, welcheWegstrecke das Licht durch die Atmosphare zurucklegt, bis es auf unser Auge trifft.Ist der Weg kurz (Sonne im Zenit), so ist die Zahl der Streukorper (Luftmolekule)kleiner als bei streifendem Lichteinfall (Sonnenauf- und Untergang). Im ersten Fallerscheint die Sonne gelblich, im zweiten Fall rotlich, weil sehr viel mehr Streulichtaus dem ursprunglichen Sonnenlicht verlorengeht.

c) Wie ist das Streulicht polarisiert?Die Polarisation Π(θ) ist maximal fur θ = 90 und verschwindet fur θ = 0, 180

Π ( θ )

1 1

1

00 0

1−2 θ(1+cos² )

cos θ

_

σd_Ωd

Abb. 4.10: DWQ und Polarisation fur Rayleigh Streuung

Page 103: Elektrodynamik - itp.uni-frankfurt.deluedde/E-Skript/Elektrodynamik/Elektrodynamik.pdf · Vorwort Die Elektrodynamik stellt die wichtigste Feldtheorie der klassischen Physik dar

4.5 Streuung von em-Wellen bei großen Wellenlangen (Rayleigh-Streuung) 97

relativ zur Einfallsrichtung der Primarstrahlung. Fur θ = 90 ist

dσ‖dΩ

= 0,

das Streulicht ist also vollstandig senkrecht zur Streuebene polarisiert, wahrend furθ = 0; 180 gilt

dσ‖dΩ

=dσ⊥dΩ

,

dass das Streulicht vollkommen unpolarisiert ist. Diese Eigenschaft der gestreutenStrahlung findet man z. B. im Himmelslicht bestatigt. Orientiert man sich mit einerKamera plus Polarisationsfilter kolinear zur Sonne, so beobachtet man durch Dre-hung des Polarfilters keine Veranderung, wahrend Streulicht, das unter 90 auf dieKamera trifft durch Drehen des Polarfilters stark abgedunkelt wird.

Man muss bei diesen Beobachtungen allerdings berucksichtigen, dass neben Streuprozes-sen auch anormale Dispersion in der Atmosphare eine große Rolle spielt. So ist z. B.bei großer Luftfeuchtigkeit (Wolken) der Absorptionsanteil durch Anregung von Vibra-tionsbanden von H2O wesentlich großer als der Anteil des Streulichtes: im Durchlichterscheinen uns Wolken dunkel. Im Auflicht erscheinen Wolken hell, denn nach Snelliuswird an der Grenzschicht Licht auch reflektiert.