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Acta histochem. 64,113-123 (1979) Abteilung fUr Angewandte Tumorbiologie der Geschwulstklinik (Direktor: Prof. Dr. sc. med. K.-H. RIESSBECK) des Medizimschen Bereiches (Charite) der Humboldt-Universitat zu Berlin Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen der Niere und Leber von Albinoratten nach Cytostatikabehandlung Electron microscopical and enzyme histochemical investigation of kidney and liver of the albino rat after cytostatic treatment Von DIETMAR HECKER, HORST ROSE und ANNELIESE POWITZ Mit 4 Abbildungen und Tafel V (Eingegangen am 7. Dezember 1977) Zusammenfassung An Niere und Leber von 'Wistarratten treten in den ersten 5 Tagen nach Behandlung mit Cyto- statika (Vinkristin, Vinblastm, Tremmon, 5-Fluorurazil) enzymhistochemische und ultrastruktu- relle Veranderungen auf. Die Enzymaktivitaten wurden durch Cytostatika unterschiedlich beeinfluBt. Fur einige En- zyme wurde eine Aktivitatszunahme, fur andere eine Abnahme del' Aktivitat gefunden. Niere und Leber reagierten in Ihrem Enzymverhalten verschioden. Die verwendeten Cytostatika wirkten nicht einheltlich. Die histochemischen Veranderungen nach Cytostatika-Injektion bei juvenilen Ratten stimmen mcht mit denen bei adulten uberein. Die elektronenmikroskopischen Befunde zei- gen in den ersten 5 Tagen nach Cytostatika-Injektion deutliche morphologische Veranderungen del' Nieren- und Leberzellen. Ab 8. Tag nach Verabreichung der Cytostatika konnten keine histo- chemischen und keine ultrastrukturellen Veranderungen im Vergleich zu den Kontrollen gefunden werden. Summary Within 5 days following treatment wIth cytostatics (vincristine, vinblastine, trenimon, 5- fluorouracil) enzyme-histochemlCal and ultrastructural changes occurred in the kidney and liver of Wistar rats. The enzyme activIties were influenzed by cytostatlCs in different ways. It was found that the activity of some enzymes mcreased whereas that of others decreased. Kidney and hver showed a dIfferent response in their enzymatic behaviour. The cytostatics used did not have the same effect. The histochemical changes following injection of cytostatics in juyemle rats do not agree with those ili adult ones. The electronmicroscopic findings reveal marked morphological changes of the kidney and liver cells within the first 5 days following injection of cytostatics. From the 8th day on after administration of cytostatics neither histochemical nor ultrastructural changes as compar- ed with the con trolls were found. Mit den gegenwartig zur Verfiigung stehenden Chemotherapeutika gelingt es nicht, Krebszellen selektiv zu schadigen. Unter der cytostatischen Therapie maligner Tu- moren muB mit einer breiten Palette von unerwiinschten Nebenwirkungen, besonders 8 Acta histochem. Bd. 64

Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen der Niere and Leber von Albinoratten nach Cytostatikabehandlung

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Acta histochem. 64,113-123 (1979)

Abteilung fUr Angewandte Tumorbiologie der Geschwulstklinik (Direktor: Prof. Dr. sc. med. K.-H. RIESSBECK)

des Medizimschen Bereiches (Charite) der Humboldt-Universitat zu Berlin

Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen der Niere und Leber von Albinoratten nach Cytostatikabehandlung

Electron microscopical and enzyme histochemical investigation of kidney and liver of the albino rat after cytostatic treatment

Von DIETMAR HECKER, HORST ROSE und ANNELIESE POWITZ

Mit 4 Abbildungen und Tafel V

(Eingegangen am 7. Dezember 1977)

Zusammenfassung

An Niere und Leber von 'Wistarratten treten in den ersten 5 Tagen nach Behandlung mit Cyto­statika (Vinkristin, Vinblastm, Tremmon, 5-Fluorurazil) enzymhistochemische und ultrastruktu­relle Veranderungen auf.

Die Enzymaktivitaten wurden durch Cytostatika unterschiedlich beeinfluBt. Fur einige En­zyme wurde eine Aktivitatszunahme, fur andere eine Abnahme del' Aktivitat gefunden. Niere und Leber reagierten in Ihrem Enzymverhalten verschioden. Die verwendeten Cytostatika wirkten nicht einheltlich. Die histochemischen Veranderungen nach Cytostatika-Injektion bei juvenilen Ratten stimmen mcht mit denen bei adulten uberein. Die elektronenmikroskopischen Befunde zei­gen in den ersten 5 Tagen nach Cytostatika-Injektion deutliche morphologische Veranderungen del' Nieren- und Leberzellen. Ab 8. Tag nach Verabreichung der Cytostatika konnten keine histo­chemischen und keine ultrastrukturellen Veranderungen im Vergleich zu den Kontrollen gefunden

werden.

Summary

Within 5 days following treatment wIth cytostatics (vincristine, vinblastine, trenimon, 5-

fluorouracil) enzyme-histochemlCal and ultrastructural changes occurred in the kidney and liver

of Wistar rats. The enzyme activIties were influenzed by cytostatlCs in different ways. It was found that the

activity of some enzymes mcreased whereas that of others decreased. Kidney and hver showed a dIfferent response in their enzymatic behaviour. The cytostatics used did not have the same effect. The histochemical changes following injection of cytostatics in juyemle rats do not agree with those ili adult ones. The electronmicroscopic findings reveal marked morphological changes of the kidney and liver cells within the first 5 days following injection of cytostatics. From the 8th day on after administration of cytostatics neither histochemical nor ultrastructural changes as compar­

ed with the con trolls were found.

Mit den gegenwartig zur Verfiigung stehenden Chemotherapeutika gelingt es nicht, Krebszellen selektiv zu schadigen. Unter der cytostatischen Therapie maligner Tu­moren muB mit einer breiten Palette von unerwiinschten Nebenwirkungen, besonders

8 Acta histochem. Bd. 64

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an proIiferierenden Geweben, gerechnet werden. Frtihreaktionen treten vor aHem seitens des Knochenmarkes, der Keimzentren der Lymphonoduli, des Magen-Darm. Kanals, der Anhangsgebilde der Haut und der Gonaden auf. Aber auch zeitlich ver­zogerte toxische Manifestationen konnen zum Abbruch der Behandlung zwingen (Nieren-, Leber-, Lungenschaden).

In der vorliegenden Arbeit wurden die Wirkungen von 4 klinisch haufig angewende­ten Cytostatika (Vinkristin, Vinblastin, Trenimon und 5-Fluorurazil) auf das histo­chemische Verhalten mehrerer Oxidoreductasen und Hydrolasen und auf die Sub­struktur von Nieren- und Leberzellen von adulten und juvenilen Ratten untersucht. Untersuchungen tiber die Chemodifferenzierung der Niere (FISHER und GRUHN 1959; STRAND und WATTENBERG 1962; BEHNE 1963; WACHSTEIN und BRADSHAW 1965; MUHLENFELD 1969; HECKER et al. 1971 u. a.) und der Leber (KITZING und SCHU­MACHER 1961; HECKER et al. 1971) zeigen, daB bei Ratten zahlreiche Enzymaktivi­taten in diesen Organen erst im Verlaufe des frtihen postnatalen Lebens das Niveau adulter Tiere erreichen. Aus zahlreichen Untersuchungen (MoOG 1958; SCHIEBLER und PILGRIM 1968; WENK 1968 u. a.) ist bekannt, daB die Enzymreifung in Organen von Ratte und Maus durch Hormone und verschiedene Antibiotika beeinfluBt wird. In frtiheren Experimenten (ROSE et al. 1971) konnten wir nachweisen, daB Rontgen­strahlen die Enzymreifung juveniler Ratten beschleunigen. Es erschien uns deshalb von Interesse zu prtifen, ob die genannten Cytostatika die Reifungsvorgange einiger oxydativer und hydrolytischer Enzyme von Niere und Leber juveniler Ratten ver­andern.

Material and Methods

Als Versuchsmaterial dienten 205 juvenile und 216 adulte J Wistarratten. Die Tiere wurden bei annahernd konstanter Raumtemperatur von 23 00 gehalten und ausreichend mit Standard­futter ad libitum ernahrt. Es wurden Behandlungs- und Kontrollgruppen zu je 3 Tieren gebildet,

Tabelle 1. Oytostatikakonzentration pro Injektion

Konzentration {tgjTier Anzahl der Tiere

juveniler Tiere adulte Tiere juvenile Tiere adulte Tiere

1800 (b) 24

24 { Vi""'i"ti n 18000 (a) 18000 (a) 24 36000 (b) 24

1800 (b) 18 18000 (a) 18000 (a) 18 241 Vinblastin

36000 (b) 24

0,1 (b) 24 I 1 (a) 1 (a) 24 24 « Tremmon

10 (b) 24 l 150 (b) 24

1500 (a) 1500 (a) 24 "{ 3600 (b) 24 5-Fluorurazil

Kontrolle 25 24

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Acta histochem. Bd. 64 Tafel r

Hecker, Rose und Powitz

VEB GUSTAV FISCHER VERLAG lENA

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Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen 115

wobei auf jewells 8 Behandlungsgruppen eme Kontrollgruppe kam (Tabelle 1). Die Versuche wur­

den mehrfach wIederholt. Als Cytostatika wurden Vinkristin, Vmblastin, Tremmon und 5·Fluorurazll emge,ctzt. Da­

bel wurde d,e klinisch yertretbare Tagesdosls des Menschen zur Grundlage der Dosisberechnung gemacht (Tabelle 1). Die Tiere der Kontrollgruppen erhielten nur physiologische Kochsalzlosung. AIle Cytostatlka wurden in 2 verschiedenen KonzentrationsberelChen getestet (Tabelle 1). Bel den juvenilen Tieren (1 Tag alt) wurden msgesamt 3 Injektionen, bel den adulten Tieren 6Injek­tionen in jeweils 3tagigem Abstand vorgenommen. AIle Substanzen wurden intraperItoneal (i.p.) injiz18rt. 9 juvemle und 6 adulte Tiere verstarben unmittelbar nach Versuchsbeginn und wurden bei der Auswertung der Versuche mcht berucksichtigt. Die cytostatikabehandelten Versuchstiere gelangten 24 h, 3, 5 und 8 Tage nach der letzten Zytostatika-Behandlung zur gleichen Tagesz81t (10,00 bis 14,00 h) zur Untersuchung.

Elektronenmikroskopie

Von N18ren- und Leberproben behandelter und unbehandelter Tiere wurden nach Fixierung

in 1 %iger, gepufferter und isotomscher Os04-Losung (pH = 7,3) sowie nach Einbettung in Vesto­pal W Ultradunnschnitte hergestellt. Eine Nachkontrastierung erfolgte mit Uranylacetat und Blei­citrat. Die elektronenmikroskopische Untersuchung der Ultradunnschnitte erfolgte bei einer Strahl­

spannung von 60 bis 80 kV.

Histochemie

Nach Totung der Tiere durch Dekapitation wurden die Organe (Niere und Leber) entnommen. Die Lebern wurden im ganzen herausgelost, in etwa 0,5 bis 1,0 em dicke Scheiben zerlegt und diese zu Blocken zusammengelagert. Die zentralen Segmente der Niere wurden dicht in Rattenleher eingebettet und Wle die Leberblocke auf einem Gefriertisch mit CO2-Schnee aufgefroren. Die Organe waren so orientiert, daB die Gewebe von Versuchs- und Kontrolltleren mit einer Messerfuhrung

geschmtten werden konnten. Nach kurzer Lagerung bei -20 DC wurden die Gewebeblockchen im Kryostaten 12 /lm dick

in kleinen Serien geschnitten, die Gewebeschnitte auf Objekttrager aufgenommen, angetaut und bis zur Inkubation bei Zlmmertemperatur 1 bis 2 h lufttrocken gelagert.

Folgende Enzymnachweise wurden an Kryostatschnitten durchgefuhrt:

1. NADH-Diaphorase (NADH-D) nach SCARPELLI et al. (1958). 2. Succmodehydrogenase (SDH) nach NACHLAS et al. (1958). 3. Isocltronensaure-Dehydrogenase (IDH) nach PEARSE (1961). 4. Malat-Dehydrogenase (MDH) nach PEARSE (1961). 5. Cytochromoxydase (CyO) nach BURSTONE (1959). 6. NAD-abhangige Lactatdehydrogenase (LDH) nach WENK (1968). 7. Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase (G-6-P-DH) nach RUDOLPH und KLEIN (1964). 8. Leucinaminopeptidase (LAP) nach NACHLAS et al. (1957). 9. Adenosmtriphosphatase (ATPase) pH = 7,2 nach WACHSTEIN und MEISEL (1957).

10. 5-Nucleotidase (AMPase) nach WACHSTEIN und MEISEL (1957). An fUr 24 h in eisgekuhltem BAKER-Formol fixierten Kryostatschnitten erfolgte die Darstel-

lung folgender Enzyme: 11. Alkalische Phosphatase (APase) nach GassNER (1958). 12. Saure Phosphatase (SPase) nach GassNER (1958). 13. Unspezlfische Esterase (UE) nach GassNER (1958). Bei 37 DC wurden folgende Inkubationszeiten konstant belbehalten: 15 min NADH.D, UE;

20 mm LDH; 30 min SDH, IDH, MDH, G-6-P-DH, APase, SPase, ATPase; 45 min AMPase,

CyO; 120 min LAP.

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116 D. HECKER, H. ROSE und A. POWITZ

Abb.1. Rattenleber, 20000: 1. 0) Kontrolle; b) 3 Tage nach Behandlung mit Tremmon (Dosis a). N = NucleuR, M = Mitochondrien, ER = Ergastoplasma, ZM = Zellmembran

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ElektronenmikroHkopitche und enzymhif,tocheml>cho Lntersuchungen 117

Nach der Inkubation wurden dlC Gewebeschllltte fur den Nachweis der Dehydrogenasen, der ATPase und der AMPase 10 min in BAKER-Formol nachfixiert, grundhch in Aqua dest_ gewaschen

und in Glyceringelatine eingebettet. Fur den LAP-Nachweis wurden chc Gewebeschllltte nach der

InkubatlOn fur 10 min m eine 0,85%lge NaCl-Losung uberfuhrt. Danach erfolgto die Ubertragung

der Schllltte m eine CuS04 -Losung (2 min)_ Nach kurzer Zwischenwaf;scrung y,-urden die Schllltte in Glycermgelatme eingebettet_

Fur alle histochemlschen Enz) mreaktionen wurden sowohl substratfrei inkubierte als auch

hitze-inaktivierte Kontrollpraparate angefertigt_ Zur hlstologischen Orientierung wurden in meh­

reren Versuchen Parallelschnitte nach FixJerung in BAKER-Formol mit Hamalaun-Eosm ge­farbt_

Ergebnisse

Am L, 3_ und 5_ Tag nach AbRchluB der CytoRtatikabehandlung sind deutliche Veriinderungen in der Feim;truktur von Nieren- und Leberzellen zu beobachten (Abb_ 1 bis 2)_ Besonders auffiillig ist die Schiidigung der Mitochondrien und des endoplaRmatischen Reticulums_ Die Mitochondrien weisen Schwellungen mit teilweiser Auflosung der Innenstruktur auf. Vereinzelt driingt in den Leberzellen in Arealen an­geordnetes Glykogen die Mitochondrien ,zu "Haufen" zusammen. Das endoplasmati­sche Reticulum ist sowohl in den Nieren als auch in den Leberzellen z. T. blasig aufge­trieben, z. T. ist eine Vakuolisierung an den Lamellen festzustellen.

Vereinzelt haben sich die Ribosomen von den Membranen des endoplasmatischen Reticulums gelost. Es treten Lysosomen und Lipoideinschltisse unterschiedlicher Elektronendichte auf.

Deutliche Veriinderungen sind auch an den Nucleoli zu beobachten. Sie sind nach Cytostatikaeinwirkung stark ausgebildet und weisen eine fibrilliire und granuliire Komponente auf. An den Kernen war kein Dnterschied im Vergleich zu den Kon­trollen festzustellen.

Am 8. Tag nach der letzten Cytostatika-Injektion fan den wir keine substrukturel­len Veriinderungen in den Nieren- und Leberzellen.

Eine Beeinflussung der Enzymaktivitiit war analog den su bmikroskopischen Bc­funden nur im Zeitraum yom L bis 5. Tag nach AbschluB der Cytostatikainjektion feststellbar. Am 8. Tag war keine Veriinderung zu den unbehandelten Kontrollen mehr zu finden.

In der Niere adulter Ratten konnten wir fUr folgende Enzyme zwischen Lund 5. Tag nach Beendigung der Cytostatikagaben eine deutliche Aktivitiitszunahme nachweisen: NADH-D und SPase (Abb. 3). Fur die G-6-P-DH fanden wir eine Zu­nahme nur nach Behandlung mit Trenimon und 5-Fluorurazil. Die Steigerung zeigt sich besonders in den Partes contortae der HauptRtucke, in den Mittelstucken und in den HENLEschen Schleifen. Die Glomerula zeigen sowohl bei den unbehandelten als auch behandelten Tieren eine relativ sclnvache Enzymaktivitiit, so daB sie als helle StIUkturen in der kriiftiger reagierenden Rinde auffallen.

Einen starken Aktivitiitsabfall fanden wir in der Niere nach Cytostatikabehand­lung fUr folgende Enzyme: DE, LAP, APase. Die Aktivitiitsverminderung der DE (Tafel V, Abb. 1) und LAP ist auf die Haupt- und Mittelstiicke der Niere beschriinkt, wiihrend in den HENLEschen Schleifen und den Glomerula keinc Veriinderungen zu

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118 D. HECKEl{, H. ROSE uml A. POWITZ

Abb.2. Rattenmere, 40000: 1. fl) Kontrolle; b) 3 Tage nach Behandlung mltuTrenimon (Dosis a) N = Nucleus, .M = Mitochondnen, ER = Ergastoplasma

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Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen 119

Abb. 3. Rattenniere. Histochemischer NachweIs der sauren Phosphatase. 29: 1. a) Kontrolle; b) 3 Tage nach Behandlung mIt Trenimon (Dos is a).

erfassen sind. Die Abnahme der APaRe-Aktivitiit betrifft die in der Nierenrinde ge­legenen Hauptstticke, wobei die APase-Reaktion tiberhaupt nur in den Btirsten­siiumen nachweisbar ist. AIle anderen Nephornabschnitte und die Glomerula bleiben inaktiv (Tafel V, Abb. 1).

In der Leber adulter Tiere fanden wir ebenfaIls fUr die NADH-D und die SPase bei den verwendeten Cytostatika und fUr die G-6-P-DH bei den Cytostatika Trenimon und 5-Fluorurazil im ZeitidtervaIl 1 bis 5 Tage nach AbschluB der Behandlung eine

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120 D. HECKER, H. ROSE und A. POWITZ

I -->

Abb.4. Rattenleber. Histochemiseher Nachweis der NADH-Diaphorase, 29: 1. a) Kontrolle; b) 3 Tage nach Behandlung mit Trenimon (Dosis a).

deutliche Zunahme gegenuber den Kontrollen (Abb. 4). Die Aktivitatserh6hung ist hierbei im gesamten Leberlappchen nachweisbar.

Eine deutliche Abnahme der Aktivitat beobachteten wir nach Cytostatikabehand­lung von adulten Ratten in der Leber fur folgende Enzyme: SDH, IDH, MDH, CyO, LDH, DE und LAP (Tafel V, Abb. 2).

Die APase weist in den Leberzellen cytostatikabehandelter Tiere keinen Aktivi­tatsunterschied zu Kontrollen auf. Die Aktivitat dieses Enzymes ist ausschlieBlich im Stroma del interlobularen Gallengange und in der Adventitia der den Gallen­gangen benachbarten interlobularen Arterien nachweis bar.

Bei juvenilen Ratten zeigt sich sowohl in der Niere als auch in der Leber ein anderes Verhalten verschiedener Enzyme nach Cytostatikabehandlung als flir adulte Ratten. In der Niere ist die Aktivitat folgender Enzyme erh6ht: NADH, SPase (wie bei adult en Ratten) und LDH. Die LDH war bei adulten Ratten unver­andert. Wie bei adulten Ratten findet sich auch bei juvenilen Tieren nach Behand­lung mit Trenimon und 5-Fluorurazil eine Aktivitatssteigerung der G-6-P-DH. Die Aktivitatserh6hungen sind flir dieses Enzym im allgemeinen etwas Rchwacher aus­gepragt.

Der Aktivitatsanstieg zeigt sich vorwiegend im Cytoplasma von Zellen markwarts gelegener Hauptstucke der Nieren, d. h. in den zum Zeitpunkt der Cytostatika­Behandlung am weitesten differenzierten Nephronen.

Einen markanten Aktivitatsabfall nach Cytostatikabehandlung juveniler Tiere fanden wir fur die folgenden Enzyme: LAP (wie bei adult en Tieren), SDH, IDH, MDH (die 3 letztgenannten sind bei adulten Tieren im Vergleich zu den Kontrollen unverandert) .

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Elektronenmikroskopische und enzymhistochemische Untersuchungen 121

Die Aktivitatsabnahme betrifft nur die Zellen der Hauptstucke. In HENLEschen Schleifen, Markstrahlen und Glomerula sind keine Aktivitatsveranderungen im Ver­gleich zu den Kontrollen festzustellen.

Fur die APase, DE (bei adulten Tieren erniedrigt) und fUr die CyO fanden wir bei juvenilen Ratten nach Cytostatikabehandlung keine Aktivitatsveranderungen.

In den Lebern cytostatikabehandelter juveniler Ratten fanden wir mit Ausnahme der Enzyme CyO, LDH und DE die gleichen Enzymveranderungen wie nach Be­handlung adulter Tiere.

Die Aktivitaten der CyO und DE, die bei adult en Tieren erniedrigt sind, waren bei juvenilen unverandert. Die LDH, bei adulten Tieren erniedrigt, zeigte bei juveni­len eine erhohte Aktivitat im Vergleich zu den Kontrollen.

1m Dnterschied zu einer Ganzkorperrontgenbestrahlung (ROSE et al. 1971) be­einflussen die von uns verwendeten Cytostatika die neogene Nierenrindenzone nur gering. 1m Vergleich zu den Kontrollen ist diese Neubildungszone zwar reduziert, aber zu allen Dntersuchungszeitpunkten deutlich erkennbar.

Diskussion

Die Chemotherapie mahgner Tumoren muB beriicksichtigen, daB dIe Cytostatika auch die normalen Zellsysteme empfindlich schadigen kimnen. Kenntnisse iiber die Art und den Grad der Nebenwirkungen sind deshalb VOn groBer Bedeutung. Sehr schnell reagieren die proliferierenden Gewebe wie Knochenmark und Darmzellen. Auf die Reaktion dieser Gewebe richtet sich deshalb auch das Hauptaugenmerk bei der Cytostatikatherapie. Dariiber hinaus ist es fUr eine wirksame Tumortherapie wesentlich zu wissen, welche Spat- und eventuell Dauerschaden durch die Cyto­

statika hervorgerufen werden konnen. In der vorliegenden Arbeit wurde dIe Wirkung von Vinkristin, Vinblastin, Trenimon und 5-

Fluorurazil auf Leber- und Nierenzellen adulter Ratten mIt den Methoden der Elektronenmikro­skopie und der Histochemie untersucht. Die Cytostatlka-Injektion erfolgte in 3tagigem Abstand und wurde 6mal durchgefiihrt. Die ultrastrukturellen und histochemischen Untersuchungen wur­den einen Tag nach der letzten Injektion, also 16 Tage nach der ersten Injektion begonnen und bis zu 8 Tagen nach der letzten Cytostatika-Verabreichung fortgesetzt. Es ist hervorzuheben, daB die am 1., 3. und 5. Tag zu beobachtenden ultrastrukturellen Zellschaden und die gefundenen Aktivitatsveranderungen emer Reihe von Enzymen am 8. Tag nicht mehr nachweisbar waren, so daB bei den VOn UnS gewahlten Dosierungen und der Verabr61chungsform nicht mit Dauerschaden an Leber und Niere durch die verwendeten Cytostatika zu rechnen ist.

Die Ergebnisse unserer elektronenmikroskopischen Untersuchungen werde!l durch Befunde ge­stiitzt, die nach Verabreichung von 5-Fluorurazil, Hydroxyharnstoff, Actinomyzin, Mitomyzin und Bleomyzin an Leber und Nierengewebe sowie an anderen Organen VOn Nagetieren erzielt worden sind (STENRAK 1966, 1967, 1969; DAVID 1970, KORFSMEIER 1972, RIEDE etal.1973). So zeigt sich in der Leber nach Behandlung mit Actinomyzin eine Zunahme der freien Ribosomen und eine z. T. blasenartige Aufweitung des endoplasmatischen Reticulums (DALLNER et al. 1966). Die Ablosung der Ribosomen geht immer mit einer Starung der Proteinsynthese emher (DAVID

1970). Der Verlust an SDH-, IDH-, MDH und CyO-AktiVltat in der Leber am 1., 3. und 5. Tag deutet

auf eine Storung der Energiebereitstellung hm. Zudem liiBt der Aktivitiitsabfall der LDH m dIe­sem Organ auf eine verminderte Bereitstellung von Energie aus dem Kohlenhydratstoffwechsel schlieBen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang, daB in der Niere adulter Tiere keine derartigen Veninderungen der Aktivitiit dieser Oxidoreductasen zu verzeichnen sind. Es ist moglich, daB die

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122 D. HECKER, H. ROSE und A. POWITZ

Nierenzellen weniger cytostatlka-senslbel sind oder da13 ehe Entgiftung dieser Substanzen ,"or­wiegend m cler Leber stattfmdet und dabel ehe Zellen stark geschacligt werden. Die ultrastruktu­rellen Veranclerungen und die Erhohung der SPaRe weisen auf starke Zellschaden in b81clen Orga­nen hm, die jedoch 8 Tage nach Beendigung der Cytostatikagabe wieder repariert hzw. die ge­schadigten Zellen ersetzt sind.

STACHURA et al. (1968) fanden nach Behandlung von adulten Mausen mit Cyclophosphamld in den Lebern emen deutlichen Aktivlta.tsverlust der SDH und eine markante Aktlvitatserh6hung der NADH-D. Diese Ergebnisse stehen 1m Emklang mit unseren histochemischen Befunden nach Verwendung anderer Cytostatlka. Die von diesen Autoren gefundene Abnahme der SPase-Aktivi­tat m der Leber konnten Wlr In unseren Experimenten nicht feststellen. Auch zeigen slOh andere ·Wirkungen von Cyclophosphamid auf das Enzymverhalten cler Niere als wir sie mit den von uns

verwendeten Cytostatika finden konnten. Die Ergebnisse sind wegen der unterschiedlichen Ver­suchsanordnung nicht direkt vergleichbar.

JUNGCK (1967) untersuchte die Wirkung von Trenimon auf die Aktivitat elmger Enzyme des Rattenbodens. Die 21 Tage mit Tremmon behandelten Tiere zeigten em deutliches Absmken der Aktivitat von NADH-D; SDH und LDH. Die Reduktion der SDH-Aktivitat stlmmt mit unseren an der Leber von adulten Ratten erhobenen Befunden uberein. Die anderen Werte stehen in Dis­krepanz zu unseren Ergebnissen. Unsere Ergebnisse an juvenilen Tieren unterschelden sich m gewissen Punkten ebenfalls von denen, die wir bei adulten Ratten erh,elten.

Aus den relativ wenigen im Schrifttum dargelegten Ergebnissen liber die vVirkung von Cyto­statika auf das Enzymverhalten in Normalgewebe und aus unseren eigenen Befunden k6nnen wir foIgern, da13 entsprechend dem verwendeten Cytostatikum in Abhangigkeit von Alter, Geschlecht und Rasse in den einzelnen Organen verschiedene Wlrkungen auf die Enzymaktivitat zu erwarten sinet Darliber hinaus zelgen unsere Untersuchungen, da13 die Leber und Niere globalen Belastungen durch Cytostatika ausgesetzt sind, che bei therapeutischen Ma13nahmen Berlicksichtigung fmden sollten.

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Anschrift del' Verfasser: Dr. D. HECKER und Doz. Dr. H. ROSE, Geschwulstklimk des Berei­

ches Medizm (Chante) del' Humboldt-Universitat zu Berlin, DDR - 104 Berlin, SchumannstraJ3e

20/21.

Tafel V

Abb. 1. Rattenniere. Histochemiseher Nachweis von alkalischer Phosphatase und unspezifischer Esterase 72: 1. rt} Kontrolle; b} 3 Tage nach Behandlung mit Trenimon (Dosis a).

Abb.2. Rattenleber. Histochemischer Nachweis del' Cytochromoxidase. 72: 1. a} Kontrolle; b} 3 Tage nach Behandlung mit Tremmon (Dosis a).