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MOBILITÄT InnovationenaufdieStraßebringen DESIGNING WITH POLYMERS Kratzfeste3D-Touchflächen KATALYSE EinKatalysator,deranseineGrenzengeht elements51 Quarterly Science Newsletter Ausgabe 2|2015

elements 51, Ausgabe 2 | 2015 · 2017-09-29 · elements51 Ausgabe 2|2015 4 NEWS Stärkung des Katalysatorengeschäfts Evonik will sein globales Katalysatorengeschäft stärken. Dazu

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MOBILITÄT

�Innovationen�auf�die�Straße�bringenDESIGNING WITH POLYMERS

Kratzfeste�3D-TouchflächenKATALYSE

Ein�Katalysator,�der�an�seine�Grenzen�geht

elements51Quarterly Science Newsletter Ausgabe 2|2015

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elements51�Ausgabe�2|2015

2 INHALT

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TITELMOTIV

Evonik�arbeitet�an�Lösungen�für�eine��ressourceneffiziente�Mobilität

NEWS

� 4 � Evonik�baut�Silikone-Plattform�aus� 4 � Stärkung�des�Katalysatorengeschäfts� 4 � Partnerschaft�mit�Composite-Institut� 5 Vertriebsvereinbarung�über�natürlichen�Beerenextrakt� 5� US-Patent�für�Mikroverkapselungsverfahren�von�Evonik�

DESIGNING WITH POLYMERS

� 6 � �Kratzfeste�3D-Touchflächen

MOBILITÄT

� 12 � �Innovationen�auf�die�Straße�bringen

NEWS

� 17 � �Evonik�unter�den�deutschen�Top�10��bei�EPA-Patentanmeldungen

� 17 � Evonik�meets�Science�China

KATALYSE

� 18 � �Ein�Katalysator,�der�an�seine�Grenzen�geht

LEADING-INNOVATION-KONFERENZ

� 24 � Innovation�führen,�um�in�Innovation�führend�zu�sein

RESSOURCENEFFIZIENZ

� 26 � Gase�im�Vollwaschgang

EVONIK-MIKROKOLLEG

32 Neue�Perspektiven�auf�alte�Industrien

NEWS

� 38 � Bessere�Nahrungsergänzungsmittel�durch��� � neue�Polymere�von�Evonik�� 38 � Beauty�&�Care-Innovationszentrum�in�Singapur�eröffnet� 39 � Präzisionsschrauben�aus�VESTAKEEP®�PEEK�� 39 � Dreidimensionale Strukturkerne für Sandwichbauteile

INNOVATIONSNACHWUCHS

� 40 � „Wir�freuen�uns�darauf,�etwas�zurückzugeben“

NEWS

� 43 � Neuer�Studentenwettbewerb�liefert�gute�Ergebnisse�

43 Impressum

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3EDITORIAL

InnovationskraftEine aktuelle Auswertung des Europäischen Patentamts belegt, dass Evonik seine Forschungsaufwendungen sehr erfolgreich in Patente umsetzt: Im vergangenen Jahr erreichten wir hier Platz zehn der Patent­anmelder aus Deutschland und gehören damit zu den anmeldestärksten deutschen Firmen.

Ein schönes Ergebnis, auf dem wir uns aber nicht ausruhen können. China beispielsweise hat 2014 erstmals mehr Patente angemeldet als Deutschland. Und die Qualität der Erfindungen steigt – das Land ent­wickelt sich längst von einer verlängerten Werkbank zum innovativen Spezialisten auf Augenhöhe. Das hat auch unsere Veranstaltung Evonik meets Science Ende März in Peking bestätigt, bei der wir mit führen­ den Wissenschaftlern Chinas über industrielle Biotechnologie diskutiert haben.

Und nicht nur die Konkurrenz wird stärker – auch die Produktlebens­zyklen werden kürzer und die Fragestellungen komplexer. Um in diesem herausfordernden Umfeld weiterhin ganz vorne mitzuspielen, setzen wir verstärkt auf einen unserer wichtigsten Erfolgsfaktoren: auf unsere Innovationskraft, die wir weiter ausbauen wollen.

Aber wie lässt sich Innovationskraft messen? Einen ersten Hinweis geben die Ausgaben für F&E, die Evonik im vergangenen Jahr erstmals auf mehr als 400 Millionen € gesteigert hat. Doch wichtiger als der finanzielle Input ist der Innovations­Output – nachhaltige Lösungen für die Kunden, die Gesellschaft und die Umwelt. So haben wir 2014 zahl­reiche neue Anlagen in Betrieb genommen, die dank selbst entwickelter Technologien höchst effizient und ressourcenschonend arbeiten.

Diesen Output werden wir weiter steigern: durch strategisches Inno­vationsmanagement, mit dem wir die Erfolgschancen von Innovations­projekten erhöhen wollen, durch eine international breitere Aufstellung und durch intensivere Zusammenarbeit mit Dritten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Denn was wirklich zählt, sind der Wert der Inno­vationspipeline und der Beitrag von neuen Produkten und Technologien zum Geschäft. Wir werden uns deshalb nicht auf unseren Patenten aus­ruhen, sondern arbeiten daran, sie in geschäftlichen Erfolg und zusätz lichen Wert umzusetzen.

Dr. Ulrich KüsthardtChief�Innovation�OfficerEvonik�Industries�AG

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4 NEWS

Stärkung des Katalysatorengeschäfts

Evonik�will�sein�globales�Katalysatorengeschäft�stärken.�Dazu�hat�der�Spezialchemiekonzern�im�Frühjahr���einen�Vertrag�mit�Monarch�Catalyst�Pvt.�Ltd.,�Dombivli�(Indien),�über�den�Erwerb�von�100�Prozent�der�Firmenanteile�abgeschlossen.�Nach�Vorliegen�der�erforderlichen�Genehmigungen�ist�der�Vollzug�der�Transaktion�noch�im�ersten�Halbjahr�2015�geplant.�Die�Parteien�haben�Vertraulichkeit�über�den�Kaufpreis�vereinbart.

Das�Geschäftsgebiet�Katalysatoren�von�Evonik�gehört�zu�den�global�führenden�Anbietern�von��Spezialkatalysatoren,�kundenspezifischen�Katalysatoren�und�Katalysatorkomponenten�für�die�Markt-segmente�Life�Sciences�&�Fine�Chemicals,�Industrial�&�Petrochemicals�und�Polyolefines.�Die�Akquisition�in�Indien�mit�einem�Jahresumsatz�im�niedrigeren�zweistelligen�Millionen-Euro-Bereich�wird�die�Markt-position�von�Evonik�bei�aktivierten�Metallkatalysatoren�und�Edelmetallkatalysatoren�stärken.�Die�globalen�Aktivitäten�von�Monarch�im�Bereich�Öl-�und�Fetthydrierkatalysatoren�erweitern�das�Katalysatorport�folio�von�Evonik.�Monarch�Catalyst�beschäftigt�rund�300�Mitarbeiter.�

US-Präsident�Barack�Obama�hat�die�Evonik�Corpo�ration�(Parsippany,�USA)�zu�einem�Schlüsselpartner�des�Advanced�Composites�Manufacturing�Innovation�Institute�(IACMI)�ernannt,�einer�öffentlich-priva-ten�Partnerschaft�mit�einem�Investitionsvolumen�von�250�Millionen�US-Dollar.�Dabei�handelt�es�sich�um�einen� Zusammenschluss� von� Wissenschaft,� US-Bundesregierung� und� Bundesstaaten� sowie� von��Unternehmen,�die�die�Kommerzialisierung�neuer�Materialwissenschaften�und�Verbundwerkstofflösun-gen�für�Automobile,�Windkraftanlagen�und�Druckerdgasspeicher�vorantreiben�möchten.�

Das�IACMI�unter�Leitung�der�University�of�Tennessee�in�Knoxville�wird�vom�US-Energieministerium�mit�70�Millionen�US-Dollar�und�von�den�Partnern�des�IACMI�mit�rund�190�Millionen�US-Dollar�unter-stützt.�Das�IACMI�wurde�als�fünftes�Institut�Teil�des�von�Obama�initiierten�National�Network�for�Manu-facturing�Innovation.�

„Unsere�Beteiligung�am�IACMI�entspricht�unserer�Strategie,�der�Welt�kommerziell�umsetzbare�Ideen�zur�effizienteren�Nutzung�von�Ressourcen�zu�bieten“,�sagt�Dr.�Matthias�Kottenhahn,�Leiter�des�Geschäfts-gebiets�High�Performance�Polymers�von�Evonik.

Evonik�stellt�ein�umfangreiches�Portfolio�von�Produkten�her,�die�in�beinahe�allen�Komponenten�von�Faserverbundwerkstoffen�eingesetzt�werden.�Der�Konzern�liefert�Kernmaterialien�für�Sandwich-Kons-truktionen,�Polymere�für�thermoplastische�und�duroplastische�Matrices�sowie�wichtige�Komponenten�für�Matrices�wie�Vernetzer,�Katalysatoren,�Zähigkeitsmodifikatoren�und�Verarbeitungs-�und�Prozess-additive.�Einige�der�Produkte�dienen�der�Schlichtung�von�Glas-�oder�Kohlefasern�oder�werden�in�Haft-vermittlern�zur�Verbindung�von�Faserverbundwerkstoffen�verwendet.�

Partnerschaft mit Composite-Institut

Evonik baut Silikone-Plattform aus

Evonik� stärkt� seine� integrierte�Technologieplattform�für�Spezi-alsilikone� mit� einer� globalen��Investitionsinitiative.�Insgesamt�will� der� Konzern� dabei� einen�dreistelligen� Millionen-Euro-�Betrag�investieren�und�das�Pro-duktionsvolumen� für� Spezial-silikone�in�den�nächsten�Jahren�stufenweise�steigern.

In�Essen�nimmt�das�Unterneh-men�derzeit�Erweiterungen�der�Produktionsplattform�Spezialsili-kone� in� Betrieb,� die� als� grenz-flächenaktive�Additive�für�Anwen-dungen�wie�zum�Beispiel�Lacke,�PU-Schaumstoffe,�Kosmetik�oder�auch�Agro�eingesetzt�werden.�Mit�dieser�Kapazitätserweiterung�in�Deutschland�begleitet�Evonik�das�Wachstum� seiner� Kunden� im�wichtigen� europäischen� Markt.�Weitere� Investitionen� in� Essen�sind�geplant.�

Getrieben� durch� die� Nach-frage�in�der�Bau-,�Textil-,�Lacke-,�Möbel-� und� Haushaltsgeräte-industrie�ist�der�Markt�für�Spe-zialsilikone�in�den�letzten�Jahren�deutlich�gewachsen.�Besonders�stark� stieg� die� Nachfrage� in�Asien.� Als� Reaktion� auf� diese�Entwicklung�errichtet�Evonik�in�Schanghai�(China)�einen�neuen�Produktionsverbund�für�Spezial-silikone.

Spezialsilikone�bieten�ein�brei-tes�Spektrum�an�Anwendungs-möglichkeiten� für� zahlreiche�Industrien.�Als�Additive�sorgen�sie�beispielsweise�für�bequeme�Pols-termöbel,�Autositze�sowie�ergo-nomische�Matratzen.�Sie�spielen�außerdem�eine�wichtige�Rolle�in�der�Formulierung�von��Isolations-material�zur�Gebäudedämmung�und�sind�Garant�für�höchste�Ener-gieeffizienz�von�Kühlgeräten.�Ein�weiteres�Anwendungsgebiet�sind�Entschäumer,� die� in� der� Bau-,��Textil-�oder�Kunststoffindustrie�verwendet� werden.� Außerdem�kommen� Spezialsilikone� bei��Farben�und�Lacken�zum�Einsatz.�

Durch Faserverbundwerkstoffe kann das Gewicht verschiedener Autoteile, beispielsweise Dach, Türen, Front- oder Heckklappe, bis zu 50 Prozent reduziert werden

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5NEWS

Das�amerikanische�Patent-�und�Marken-amt� hat� Evonik� ein� Verfahrenspatent��erteilt�(Nr.�8.916.196).�Das�Patent�be-schreibt�die�Herstellung�von�injizier�baren�Retardarzneimitteln,�die�mittels�der�von�Evonik�entwickelten�Form-EZETM�Mikro-partikeltechnologie�her�gestellt�werden.

„Das�innovative�Mikroverkapselungs-verfahren� ermöglicht� die� industrielle�Herstellung�von�arzneistoffbeladenen�Mikropartikeln�mit� retardierter�Wirk-stofffreisetzung,� die� mit� sehr� feinen�Nadeln�gespritzt�werden�können“,�sagt�Kevin�Burton,�Leiter�des�Drug-Delivery-Geschäfts�von�Evonik.�

Mit� der� jetzt� patentierten� Form-EZETM�Technologie�kann�Evonik�paren-terale� Arzneimittel� für� Kunden� ent-wickeln�und�herstellen,�die�Vorteile�für�Patienten,�Ärzte�und�medizinisches��Per-sonal� bieten� und� darüber� hinaus� für�

Pharmaunternehmen� wirtschaftlich�attraktiv�sind.�Zu�den�Vorteilen�der�Tech-nologie�gehören�die�kontrollierte�Frei-setzung�des�Wirkstoffs�über�eine�längere�Zeit�bei�nur�einer�einzigen�Injektion�und�eine�erhöhte�Bioverfügbarkeit.�Die�exakt�steuerbare�Größenverteilung�der�Mikro-partikel� ermöglicht� die� Verwendung�dünnerer� Injektions�nadeln� und� damit�schnellere�und�schmerzfreie�Injektionen.��Das�führt�insgesamt�zu�einer�höheren�Arzneimittel�sicherheit�und�besseren�Ver-träglichkeit� für� Patienten� und� damit�erfahrungsgemäß�zu�einer�verbesserten�Compliance.�

Mittels�der�FormEZETM�Technologie�und�bioresorbierbarer�RESOMER®�und�RESOMER®�Select�Polymere�werden�am�Evonik-Standort�Birmingham�(Alabama,�USA)�mikropartikuläre�Injektionsarz�nei-mittel�entwickelt�und�hergestellt.

US-Patent für Mikroverkapselungsverfahren von Evonik

Vertriebsvereinbarung über natürlichen Beerenextrakt

Evonik�Industries�und�MedPalett,�eine�100-prozentige�Tochter�der��norwegischen�Firma�Biolink�Group�AS,�haben�eine�Vertriebsverein-barung�unterzeichnet.�Danach�wird�Evonik�große�Teile�des�Vertriebs�von�MP865®�übernehmen,�einem�anthocyanhaltigen�Nahrungser-gänzungsmittel�mit�einer�Reihe�von�nachgewiesenen�gesundheits-fördernden�Wirkungen.�Evonik�wird�das�Produkt�exklusiv�in�den�USA,�in�Kanada,�Brasilien,�China,�Japan,�Korea,�Australien,�Neuseeland�und�Südafrika�vertreiben�sowie�nicht�exklusiv�in�Großbritannien.�Diese�Rechte�können�später�auf�weitere�Länder�ausgedehnt�werden.�

MP865®�ist�ein�pulverförmiger�Beerenextrakt�aus�skandinavischen�Blaubeeren�und�schwarzen�Johannisbeeren.�Durch�seinen�hohen�Gehalt�an�Anthocyanen�und�seine�spezielle�Zusammensetzung�hat�das�Produkt�eine�natürliche�antioxidative�Wirkung.�In�vielen�internationalen�Studien�konnte�nachgewiesen�werden,�dass�dieser�firmeneigene�Beerenextrakt�

zur�Stärkung�des�Immunsystems,�zur�Verbesserung�der�Herzgesund-heit,�zur�Stärkung�von�Muskeln�und�Gelenken�und�zur�Erhaltung�eines�gesunden�Cholesterinspiegels�beitragen�kann.�MP865®�ist�als�Wirkstoff�des�Nahrungsergänzungsmittels�Medox®�seit�2000�in�Skandinavien�erhältlich.�2007�wurde�es�in�den�USA�auf�den�Markt�gebracht.

MedPalett� ist�auf�anthocyanhaltige�Nahrungsergänzungsmittel��spezialisiert,�die�als�Nahrungsmittel�klassifiziert�werden,�aber�klinisch�nachgewiesene�und�dokumentierte�vorbeugende�und�therapeutische�Eigenschaften�besitzen.�

Das�Produkt�ergänzt�das�Sortiment�des�Produktbereichs�„Pharma�&�Food�Ingredients“,�den�Evonik�im�vergangenen�Jahr�neu�aufgestellt�hat.�Neben�den�etablierten�Aminosäuren�und�Aminosäurederivaten�für�Phar-maprodukte,�klinische�Ernährung�und�Zellkulturen�sollen�hochwertige�Nahrungsergänzungsmittel�zukünftig�eine�zentrale�Rolle�spielen.�

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6 DESIGNING WITH POLYMERS

2009�erhielt�CoverForm®�den�Evonik-Innovationspreis.�Zu�dieser�Zeit�konnten�Evonik�und�KraussMaffei,�die�Entwickler�dieser�Systemlösung�für�spritzgegossene�Form�teile�aus�PLEXIGLAS®�mit�extrem�kratzfester�und�chemikalienbeständiger�Oberfläche,�Demonstratoren�fertigen.�Inzwischen�ist�das�Verfahren�in�Serienanwendung:�Seit�Anfang�2014�bedienen�die�Fahrer�verschiedener�Mercedes-Benz-Modellreihen�ihr�Infotainment-System�mit�einem�Touchpad,�dessen�Kunststoffoberschale�der�Automobil-zulieferer�Continental�im�CoverForm®�Prozess�fertigt.

[ text Arne Schmidt, Sven Schröbel, Sebastian Wagner ]

Kratzfeste�3D-Touchflächen

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7DESIGNING WITH POLYMERS

AUTOFAHREN IST INZWISCHEN mehr als eine Reise von A nach B. Besonders Hersteller von Premium­marken wollen ihren Kunden ein Paket aus Technik, Qualität und Lebensgefühl bieten. Das reicht von der Antriebstechnik und den Fahrerassistenzsystemen über die Gestaltung des Cockpits und des Interieurs bis zu den Bedienkonzepten für die Instrumentenan­zeigen. Wegen der zunehmenden Vernetzung von Fahrzeugen spielen Infotainment­Systeme eine wich­tige Rolle, da die Hersteller darüber Internetdienste ins Auto bringen können.

Mehr Komfort und Sicherheit durch innovatives TouchpadBei Mercedes­Benz heißt dieses System in seiner der­zeitigen Version COMAND Online. In der aktuellen Baureihe der C­Klasse kann der Fahrer das Infotain­ment­System über ein Touchpad mit berührungsemp­findlicher Oberfläche bedienen, das in die Mittelkon­sole integriert ist. Das Touchpad reagiert auf vom Smartphone gewohnte Fingerbewegungen wie Wischen, Zoomen oder Scrollen. Zudem kann der Fahrer mit den Fingern auf dem Touchpad schreiben, um zum Beispiel ein Ziel in der Navigation einzuge­ben. Das Besondere dabei: Dank Haptikpunkt gibt das Touchpad dem Fahrer mit spürbaren Impulsen eine Bestätigung seiner Aktion, ähnlich einer Taste. So kann er COMAND bedienen, ohne den Blick von der Fahrbahn abwenden zu müssen, was ein Mehr an Sicherheit bedeutet. Neben der C­Klasse gibt es das Touchpad auch für die V­, S­, GLE­ und GT­Klasse.

Der Automobilzulieferer Continental hat das Touch­pad entwickelt. Es handelt sich dabei um ein komple­xes mechatronisches System, für das Continental im Rahmen des Daimler Supplier Award mit dem Special Award Innovation ausgezeichnet wurde, weil es in den Augen des Auto mobilherstellers ein innovatives Bedienkonzept mit außerordentlichem Design und hoher Qualität paart, verbunden mit einer kurzen Entwicklungszeit. Die Oberschale des dreidimensio­nal geformten Touchpads fertigt Continental mit dem CoverForm® Prozess.

Der Automobilzulieferer und Daimler sind damit die ersten Anwender, die CoverForm® zusammen mit Evonik und dem Maschinenbau­Unternehmen KraussMaffei in die automobile Serie gebracht haben. Die Entscheidung für diese Technologie ergab sich aus den Anforderungen, die Hersteller und Kunden an das Touchpad stellten: Es musste als dreidimen­sionales Bauteil im Spritzgussverfahren zu fertigen sein und durfte auch nach intensiver Nutzung keine Kratzer oder chemisch bedingten Veränderungen an der Oberfläche zeigen. Ein Weg voller technischer Herausforderungen.

Spritzgießen und Kratzfestbeschichtung in einer AnlageAusgangspunkt der Entwicklung von CoverForm® war der hohe Anspruch an Kunststoffoberflächen in vielen Anwendungen: Auch wenn die Ober flä chen durch mechanischen Abrieb oder Chemi kalien wie Cremes oder Reinigungsmittel stark strapa ziert 333

Mit dem neuen Touch-pad von Continental hat Mercedes in vielen Modellreihen in die Mittelkonsole ein inno-vatives Bediensystem für sein Infotainment-System eingeführt, das den Monitor von der Touchfläche trennt und Autofahren so sicherer macht. (links)Die mit dem CoverForm® Prozess gefertigte Ober-schale des drei dimen-sional geformten Touch-pads von Conti nen tal (rechts)

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AUS DER KUNDENSICHT: CONTINENTAL

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8 DESIGNING WITH POLYMERS

333 werden, dürfen sie ihre ursprünglichen Material­eigenschaften nicht verändern. PMMA (Polymethyl­methacrylat) weist von allen thermoplastischen Werkstoffen zwar die höchste Oberflächenhärte und Kratzfestigkeit auf, aber dennoch müssen auch PMMA­Bauteile für besonders hohe Anfor derungen durch eine zusätzliche Beschichtung vor Verkratzen und chemisch bedingtem Verschleiß geschützt wer­den (Abb. 1). An das Spritzgießen des Bauteils schließt sich bei konventioneller Fertigung dazu eine separate Flutbeschichtung in einer Lackierstraße an. Der Gesamtprozess umfasst normalerweise 14 Schritte.

CoverForm® dagegen kommt mit nur vier Prozess­schritten aus, weil das PMMA direkt im Spritzgieß­werkzeug mit einem Reaktivsystem überflutet wird. Dieses Überfluten im Werkzeug verlängert zwar die Zykluszeit im Vergleich zum Standardspritzgießen um circa zehn bis 15 Sekunden, doch dafür entfallen viele nachgeordnete Schritte wie das Reinigen der Bauteiloberfläche oder Auftrag und Ablüften von Primer und Hardcoat. Das ermöglicht deutlich kom­paktere Anlagen als beim klassischen Fertigungs­verfahren.Das von Evonik für CoverForm® entwickelte Material­system besteht aus zwei Komponenten: der als Gra­nulat vorliegenden Formmasse PLEXIGLAS® cf und dem flüssigen Reaktivsystem cf 30 für die Kratz­

Der�auf�hochwertige�Eingabegeräte�spezialisierte�Automobil-zulieferer�Continental�fertigt�in�seinem�Werk�in�Babenhausen�mit�dem�CoverForm®�Prozess�die�Oberschale�des�Touchpads�für�das�neue�Infotainment-System�von�Daimler�und�montiert�dort�das�komplette�Gerät.�Im�Jahr�2016�soll�mit�zwei�Spritz-gießmaschinen�bereits�das�maximale�Produktionsvolumen�von�über�einer�Million�Oberschalen�erreicht�werden.�

„Wir�haben�ein�Premiumprodukt�für�einen�Premiumkun-den�entwickelt“,�charakterisiert�Jürgen�Diefenbach,�Leiter�Projektmanagement�Haptic�Devices�für�den�Kunden�Daimler,�das�neue�dreidimensionale�Touchpad�für�die�aktuellen�Volu-menmodelle�von�Mercedes.�Die�Herausforderung�bei�der�Entwicklung�habe�darin�bestanden,�die�hohen�Design-�und�Qualitätsansprüche�des�Automobilherstellers�zu�erfüllen.��So�sollte�das�Produkt�extrem�belastbar�und�langlebig�sein.�„Das�Touchpad�musste�in�einem�Temperaturbereich�von�minus�40°C�bis�plus�80°C�funktionieren,�Belastungen�von��80�Kilogramm�standhalten�und�zwei�Millionen�Betätigungen�unbeschadet�überstehen“,�nennt�Diefenbach�einige�der��Prüfkriterien�von�Daimler.

Dank�der�CoverForm®�Technologie�war�es�möglich,�diese�Kriterien�zu�erfüllen.�„Die�Technologie�erlaubt�es,�härtere,�chemikalienbeständigere,�kratzfestere�und�durchsichtigere�dreidimensionale�Oberflächen�herzustellen�als�mit�anderen�Verfahren�möglich“,�sagt�Produktionsleiter�Marko�Djuretko-vic.�Er�sieht�in�CoverForm®�damit�„eine�sinnvolle�Ergänzung�unseres�Prozessspektrums�am�oberen�Performance-Ende“.

Die�ersten�Erfahrungen�aus�der�Serienproduktion�haben�auch�gezeigt:�CoverForm®�ist�eine�komplexe�Technologie,�die�durch�die�enge�und�offene�Zusammenarbeit�aller�Beteiligten�zum�Erfolg�werden�konnte.�

„Ein Premiumprodukt für einen Premiumkunden“

Jürgen Diefenbach (links) und Marko Djuretkovic von Continental vor der CoverForm® Anlage in Babenhausen

Abbildung 1

Eine PMMA-Platte ohne Kratzfestbeschichtung (oben) zeigt rasch Gebrauchsspuren im Crockmaster-Abriebtest. Anders ein CoverForm® Bauteil (unten), dem selbst 500.000 Doppelhübe (Hin-und-her-Bewegung mit einem Filzpad) nicht anzusehen sind

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9DESIGNING WITH POLYMERS

festbeschichtung (siehe elements30, S. 18ff.). Der Zusatz cf kennzeichnet PMMA­Formmassen, deren Formulierungen bestimmte Spezifikationen erfüllen müssen.

Das Zweikomponenten­Reaktivsystem von Cover­Form® besteht aus monomeren, mehrfunktionalen Acrylaten und einem thermischen Initiator und ist lö­semittel­ und siloxanfrei. Formmasse und Reaktivsys­tem bilden nach der Aushärtung im CoverForm® Pro­zess ein stoffschlüssiges System ohne Phasengrenze, da das Reaktivsystem in das PMMA eindringt und durch chemische Vernetzung fest im PMMA verankert wird. Das Ausbleiben der bei nachträglichen Beschichtungs schritten üblichen Phasengrenze sowie die angepassten Brechungsindices von Reaktivsystem und PMMA verhindern, dass optische Interferenzen entstehen. Diese würden sich in unerwünschten Re­genbogeneffekten auf der Oberfläche bemerkbar ma­chen.

Beim CoverForm® Prozess (Abb. 2) wird das PMMA in die Kavität des Werkzeugs eingespritzt und geprägt. Nach einer kurzen Kühlphase wird die Kavität um wenige Zehntelmillimeter erweitert und die Be­schichtungslösung mikrolitergenau injiziert, so dass sie das gesamte Spritzgießteil fluten kann. Es folgen eine Präge­ und eine thermische Vernetzungsphase; im Anschluss kühlt die Anlage die Kavität ab. Das Formteil wird dann von einem Roboter entnommen und UV­gehärtet. Durch diese nachträgliche UV­ Här tung reduziert sich die thermische Vernetzung in der Spritzgießmaschine auf etwa eine Sekunde – die restlichen zehn bis 15 Sekunden, um die sich bei CoverForm® der Fertigungszyklus verlängert, sind für Aufheizen und Abkühlen des Werkzeugs erfor­derlich. Sämtliche für die Herstellung erforderlichen Prozesstechnologien hat KraussMaffei in enger Zusam­menarbeit mit Evonik entwickelt.

Material- und Prozessentwicklung Hand in HandDiese Zusammenarbeit begann bereits im Jahr 2006, weil den Beteiligten von Anfang an klar war, dass die Technologie nur erfolgreich sein kann, wenn Mate­rial­ und Prozessentwicklung Hand in Hand gehen. Bereits 2007 stellten die beiden Unternehmen eine Konzeptstudie von CoverForm® auf der weltgrößten Kunststoffmesse K in Düsseldorf vor und stießen beim Fachpublikum auf großes Interesse. Zwei Jahre später wurde die Technologie als Systemlösung am Markt eingeführt und auf der Messe Materialica im Herbst 2009 mit dem Materialica Design & Technologie Award sowie dem Best of Award in der Kategorie Surface & Technology ausgezeichnet. Wenige Wo­chen später folgte für CoverForm® der Innovations­preis von Evonik in der Kategorie Neue Produkte/Neue Systemlösungen. Seit Ende 2009 betreibt Evonik am Standort Darmstadt ein Kompetenzzentrum für CoverForm®. Dort können Kunden und Interessenten Muster und erste Prototypstudien herstellen lassen.

Daimler und Continental interessierten sich schon früh für die neue Technologie. Evonik und Krauss­Maffei hatten CoverForm® bereits zahlreichen standar­disierten Tests unterzogen und damit die über legenen Materialeigenschaften nachgewiesen. Nun folgten weitere Tests, die in der Automobilin dustrie üblich sind. Da Evonik und KraussMaffei zu Beginn der Ent­wicklung die Anforderungen des Marktes sehr genau analysiert und ein entsprechendes Lastenheft auf­gesetzt hatten, mussten sie das Materialsystem nicht mehr verändern, um die Anforderungen dieser poten­ziellen Kunden erfüllen zu können.

Allerdings mussten sie die noch junge Technologie nun zur Anwendungsreife bringen. Beispielsweise ist es in der Automobilindustrie üblich, dass ein 333

Abbildung 2

Der CoverForm® Prozess erlaubt Spritzgießen und Kratzfestbeschichtung in einer Anlage

PLEXIGLAS®�cf�einspritzen Prägen�und�abkühlen Reaktivsystem�einspritzen Prägen�und�thermisch�vernetzen

Entnahme UV-Vernetzung Beschichtetes�Formteil

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AUS DER KUNDENSICHT: DAIMLER

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10 DESIGNING WITH POLYMERS

Bauteil drei bis vier Musterphasen durchläuft, in denen sich die Designanforderungen noch deutlich ändern können. Für all diese Zwischenschritte muss­ten Evonik und KraussMaffei erneut den Nachweis erbringen, dass sich mit CoverForm® auch die verän­derten Design anforderungen meistern lassen.

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Serienreife war die Anfertigung eines sogenannten Universal­prüfkörpers mit CoverForm®. Der Daimler­Universal­prüfkörper ist ein komplex strukturiertes Bauteil, mit dessen Hilfe Daimler neue Technologien und Mate­rialien, die im Fahrzeuginnenraum in Serie gehen sollen, auf Herz und Nieren testet. So sollen Schwä­chen neuer Technologien bereits in frühen Entwick­lungsstadien festgestellt werden. Das CoverForm® Reaktivsystem musste an diesem Prüfkörper bewei­sen, dass es Strukturen, Rampen, Winkel oder Rippen zuverlässig bedeckt und dort vernetzen kann.

In enger Zusammenarbeit gelang es allen Betei­ligten, das Verfahren rechtzeitig gemäß den Spezifi­kationen von Continental und Daimler aufzusetzen. Daimler ist damit der erste Automobilhersteller, der ein Touchpad mit gekrümmter Oberfläche für die Bedienung des Infotainment­Systems in seinen Fahr­zeugen anbieten kann. Alle anderen verwenden noch Planflächen.

Interessant für viele Branchen

Auf dem Weg zur Serienreife gab es auch zahlreiche Anfragen zu CoverForm® aus anderen Branchen, die zu Pilotprojekten führten – in der Unterhaltungs­elektronik, bei Haushaltsgeräten, in der Haustechnik oder bei Uhren. Zusammen mit dem Glasveredelungs­spezialisten Flabeg fertigten Evonik und KraussMaffei auf der Basis von CoverForm® reflexionsfreie und kratzfeste Kunststoffabdeckungen, die sich zum Bei­spiel für Instrumenten­Displays im Fahrzeuginnen­raum eignen. Das CoverForm® Team zeigte außer­dem, dass mit dem Verfahren sowohl glänzende als auch matte Oberflächen in einem Bauteil machbar sind – bei gleichbleibend hoher Kratzfestigkeit und chemischer Beständigkeit („Kratzfest und entspie­gelt“, Kunststoffe 3/2013).

Für KraussMaffei ist CoverForm® ein wichtiger Innovationsträger. Der gesamte Spritzgießprozess inklusive Kratzfestbeschichtung läuft in einer Ma­schine ab, was weltweit einzigartig ist. Die techni­schen Anforderungen sind dabei hoch – sei es an die Genauigkeit der Spaltmaße beim Aufziehen der

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Für�Udo�Gayer�ist�das�neue�Touchpad�im�Mercedes�nicht�nur�ein�technisches�Highlight,�sondern�auch�der�Eyecatcher�des�neuen�Innenraumdesigns�der�aktuellen�C-,�S-,�GT-,�GLE-�und�V-Klasse.�Es�stand�von�Anfang�an�fest,�dass�das�Touchpad�nicht�nur�als�Steuerinstrument�für�Navigationssystem,�Klima-anlage�und�Soundsystem�dienen,�sondern�auch�die�Funktion�des�Handschmeichlers�übernehmen�sollte.�Deshalb�wusste�der�Teamleiter�Interieur�der�Werkstofftechnik�bei�der�Daimler�AG�in�Sindelfingen:�Er�brauchte�die�beste�am�Markt�erhält-liche�Kratzfestschicht�für�das�Touchpad�–�und�er�entschied�sich�für�CoverForm®.

Die�Entscheidung�war�nicht�ohne�Risiko,�denn�zum�Pro-jektstart�hatte�CoverForm®�gerade�einmal�die�Basisentwick-lung�abgeschlossen�und�konnte�noch�kein�Serienprojekt�als�Referenz�vorweisen.�Zur�Absicherung�für�Daimler�und�seinen�Zulieferer�Continental�mussten�deshalb�unzählige�Material-�und�Prozesstests�durchgeführt�werden.�

Das�CoverForm®�Verfahren�hat�ihn�nicht�enttäuscht,�auch�wenn�es�bei�Durchbrüchen,�sehr�großen�und�dreidimensional�komplizierten�Bauteilen�wie�einer�Mittelkonsolenblende�zur-zeit�noch�an�seine�Grenzen�stößt.

Gayer:�„Insgesamt�bin�ich�nicht�nur�von�der�hohen�Kratz-�und�Chemikalienfestigkeit,�sondern�auch�von�der�extrem�guten�Zusammenarbeit�der�beteiligten�Unternehmen�Conti-nental,�KraussMaffei�und�Evonik�beeindruckt.“�Er�hat�das�Touchpad�deshalb�für�den�renommierten�SPE-Award�ange-meldet�und�ist�zuversichtlich,�dass�es�die�Jury�überzeugen�wird.

„Die beste am Markt erhältliche Kratzfestschicht für PMMA-Bauteile“

Udo Gayer von Daimler (links) und Sven Schröbel von Evonik mit einer Mittelkonsole mit dem neuen Touchpad bei der VDI-Tagung „Kunststoffe im Automobilbau 2015“ in Mannheim

CoverForm® wird von Evonik und KrausMaffei gemeinsam vermark-tet. Die Botschaft an die Kunden: Sie erhalten Material- und Prozess-Know-how von zwei starken Partnern quasi aus einer Hand

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11DESIGNING WITH POLYMERS

Arne Schmidt ist�im�Geschäftsgebiet�Acrylic�Poly-mers�von�Evonik�für�die�Anwendungstechnik�verant-wortlich.�Er�studierte�Maschinenbau�an�der�Techni-schen�Universität�Chemnitz�und�Kunststofftechnik�an�der�Fachhochschule�Darmstadt.�Als�Diplom-Ingenieur�stieg�Schmidt�2006�bei�der�damaligen�Degussa�Röhm�in�den�Bereich�Anwendungstechnik�Formmassen�ein.�Seit�Mitte�2006�ist�er�maßgeblich�an�der�technischen�Entwicklung�von�CoverForm®�beteiligt.��telefon +49 6151 [email protected]

Sven Schröbel ist�im�Geschäftsgebiet�Acrylic�Poly-mers�seit�2007�für�die�Geschäftsentwicklung�von�CoverForm®�verantwortlich.�Nach�einer�Ausbildung�zum�Chemie�laboranten�und�Weiterbildung�zum�Chemietechniker�studierte�er�Wirtschaftsingenieur-wesen�an�der�Fach�hochschule�Südwestfalen.�Bevor�er�2005�zur�neu�gegründeten�Business-Development-Gruppe�des�Geschäftsgebiets�Formmassen�wechselte,�war�er�in�der�Zentralen�Analytik�der�damaligen�Röhm�GmbH�&�Co.�KG��tätig.telefon +49 6151 18-4543 [email protected]

Sebastian Wagner ist�als�Technologieentwickler�CoverForm®�bei�der�Firma�KraussMaffei�Technologies�GmbH�in�Mün�chen�beschäftigt.�Er�studierte�Maschi-nenbau�mit�Schwerpunkt�Kunststofftechnik�an�der�RWTH�Aachen�und�verbrachte�ein�Praxissemester�am�Singapore�Institute�of�Manufacturing�Technology�(SIMTech).�Vor�seinem�Einstieg�bei�KraussMaffei�2012�war�Wagner�mehrere�Jahre�als�studentischer�Mitar�beiter�am�Institut�für�Kunststoffverarbeitung�(IKV)�Aachen�tätig.���telefon +49 89 8899-3178 [email protected]

Kavität für das Fluten des Bauteils oder an die dyna­mische Temperierung des Werkzeugs und der Kavi­tät. Von dem bei CoverForm® erarbeiteten Know­how profitiert der Hersteller auch bei anderen Maschinen, die er entwickelt.

Das Geschäftsgebiet Acrylic Polymers von Evonik wiederum, in dem CoverForm® angesiedelt ist, kann mit der Technologie einen sehr viel größeren Bereich der Wertschöpfungskette abdecken: Statt Formmas­sen verkauft es eine Systemlösung. Bei Tests im Darmstädter Kompetenzzentrum hat Evonik inzwi­schen gezeigt, dass CoverForm® auch mit anderen Kunststoffen funktioniert, etwa mit den Copoly­meren ABS (Acrylnitril­Butadien­Styrol) oder ASA (Acrylester­Styrol­Acrylnitril). Da Evonik diese Kunststoffe nicht produziert, liegt die Systemverant­wortung in diesem Fall allerdings beim Kunden.

CoverForm® ist Material­ und Prozesstechnologie zugleich. Aus diesem Grund arbeiten Evonik und KraussMaffei in einer Kooperation zusammen, die weit über den Charakter eines Projekts hinausgeht und zum Beispiel einen Steuerungskreis auf Manage­mentebene hat. Von der Entwicklung bis zur Serien­reife wirkten und wirken über weite Strecken die­selben Kompetenzträger mit. Dass beide Unterneh­mensnamen im Logo von CoverForm® auftauchen, ist also nicht bloß Marketing, sondern soll diese enge Kooperation widerspiegeln. Botschaft: Der Kunde bekommt CoverForm® quasi aus einer Hand und wird von der Konzeptphase bis zum Beginn der Serien­fertigung von KraussMaffei und Evonik gemeinsam betreut. 777

Das Werkzeug zur Herstellung des von Daimler entwickelten Universalprüfkörpers

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12 MOBILITÄT

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„Evonik�soll�eines�der�innovativsten�Unternehmen�der�Welt�werden,�das�ist�unser�Anspruch“,�sagte�Evonik-Chef�Klaus�Engel�anlässlich�eines�Pressegesprächs�in�Wesseling.�Die�teilnehmenden�Journalisten�erhielten�tiefe�Einblicke,�wie�Evonik�Innovation�betreibt�und�welche�Lösungen�das�Unternehmen�heute�schon�für��eine�ressourceneffiziente�Mobilität�bietet.

Innovationen�auf�die�Straße�bringen

„INNOVATIONEN SIND EIN zentrales Element unserer Wachstumsstrategie“, begründete Engel und kündigte auch für die Zukunft hohe Aufwendungen für Forschung & Entwicklung (F&E) an. So will Evonik Industries in den nächsten zehn Jahren mehr als vier Milliarden € in F&E investieren.

Nach Engels Worten sind Innovationen das Lebens­elixier der Spezialchemie. „Sie eröffnen uns neue Geschäftsfelder und stärken unsere führenden Markt­ und Technologiepositionen.“ Im Geschäfts­jahr 2014 lagen die F&E­Aufwendungen von Evonik mit 413 Millionen € fünf Prozent über denen des Vor­jahres (394 Millionen €). Die F&E­Quote betrug 3,2 Prozent (2013: 3,1 Prozent).

Drei-Punkte-Plan für stärkere InnovationskraftEvonik will seine Innovationskraft spürbar steigern, denn Innovationen sollen auch künftig bedeutend zu Umsatz und Ergebnis beitragen. Damit der Strom an neuen Produkten und Lösungen nicht abreißt, soll der Wert der Innovationspipeline deutlich ausgebaut werden. Dazu stellte Chief Innovation Officer Dr. Ulrich Küsthardt einen Drei­Punkte­Plan vor. „Wir müssen fokussierter in unseren Projekten, in­ternationaler bei unserer Forschung und offener in unserem Wissensaustausch werden“, sagte Küst­hardt. Ziel sei es, Innovationen noch schneller und effizienter auf die Straße zu bringen.

Die F&E­Pipeline von Evonik ist mit rund 500 F&E­Projekten gut gefüllt. Durch strategisches Inno­vationsmanagement soll hier eine noch stärkere Fokussierung erreicht werden. Vielversprechende Innovationsfelder von Evonik sind Inhaltsstoffe für die Kosmetikindustrie, Membranen, Spezialmateri­alien für Medizintechnik, Nahrungs­ und Futtermit­teladditive sowie Verbundmaterialien.

Außerdem will Küsthardt den Ausbau internationaler Kompetenzzentren forcieren. Ziel ist es, mit einer an den lokalen Bedürfnissen ausgerichteten Forschung und Anwendungstechnik die Wettbewerbsfähigkeit der Kunden insbesondere in attraktiven Wachstums­regionen zu stärken. Bereits heute unterstützt Evonik in Laboren und Technika rund um den Globus Kunden mit maßgeschneiderten Lösungen.

Evonik öffnet sich bewusst immer stärker für externe Partner und kooperiert mit Wissenschaftlern und jungen Unter nehmern (Open Innovation). Dies will Küsthardt intensivieren. Dazu zählen auch Cor­porate­Venture­Capital­Aktivitäten, für die ins ge samt rund 100 Millionen € bereitstehen. Die Investments und Beteiligungen geben Evonik in frühen Entwick­lungsphasen Einblicke in innovative Technologien und Geschäfte.

Lösungen für eine ressourcen- effiziente MobilitätDie Innovationsstrategie von Evonik orientiert sich an den Bedürfnissen einer wachsenden Gesellschaft – Ernährung, Gesundheit, Zugang zu neuen Technolo­gien, schonender Umgang mit den vorhandenen Res­sourcen. Ressourceneffizienz und Klima freundlichkeit sind die Basis für zahlreiche energie effi ziente um­weltschonende Produkte von Evonik. So hat der Spe­zialchemiekonzern für eine umweltfreundliche und ressourceneffiziente Mobilität gleich mehrere Lösun­gen parat. Mit Hilfe des Silica/Silan­Systems für den „grünen Reifen“ sinkt der Kraftstoffverbrauch im Vergleich zu herkömmlichen Produkten um bis zu acht Prozent und mit innovativen Additiven für Hoch­leistungsschmierstoffe um bis zu vier Prozent. Wei­tere Kraftstoffeinsparungen versprechen Produkte von Evonik für den Leichtbau etwa mit Verbundwerk­stoffen.

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13MOBILITÄT

Das F&E-Pressegespräch am Standort Wesseling zog zahlreiche Journalisten an

Dr. Ralph Marquardt (l.), Dr. Sandra Reemers und Dr. Stephan Fengler gaben einen Einblick in aktuelle Forschungsaktivitäten von Evonik Wesseling gehört

zu den größten Evonik-Standorten weltweit

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GRÜNE REIFEN

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„Nachhaltige�Mobilität�spielt�für�Verbraucher�welt-weit�eine�immer�wichtigere�Rolle.�Mit�dem�Ausbau�unserer�Silica/Silan-Forschung�unterstützen�wir�unsere�Kunden�dabei,�entsprechende�Lösungen�zu�entwickeln“,�sagt�Dr.�Claus�Rettig,�Leiter�des�Seg-ments�Resource�Efficiency�von�Evonik.�Seit�2010�ist�der�Endkundenmarkt�für�sogenannte�grüne�Reifen�um�30�Prozent�pro�Jahr�gewachsen.�

Evonik�ist�das�einzige�Unternehmen�weltweit,�das�sowohl�Silica�als�auch�Silane�produziert.�Silica/Silan-Systeme�sind�ein�entscheidender�Bestandteil��der�Kautschukmischung�grüner�Reifen.�Sie�machen�moderne�Pneus�mit�verbesserter�Nasshaftkraft��und�reduziertem�Rollwiderstand�bei�nahezu�kons-tantem�Abrieb�erst�möglich.�

Mit�der�Einführung�von�Reifenlabels�für�Pkw-Reifen�in�Europa�und�in�anderen�wichtigen�Industrie-nationen�wurden�Faktoren�wie�Energieeffizienz�(Rollwiderstand)�und�Sicherheit�(Nassrutschen)�für�den�Autofahrer�sichtbar�und�vergleichbar.�Bis�2020�wird�das�EU-Reifenlabel�schrittweise�verschärft.��„Nun�erwarten�Endkunden,�dass�Hochleistungsreifen�immer�besser�werden.�Mit�Silica/Silan-Systemen�von�Evonik�lassen�sich�diese�Erwartungen�erfüllen“,�sagt�Dr.�Ralph�Marquardt,�zuständig�für�neue�Wachstumsgeschäfte�bei�Resource�Efficiency.�

Bei�der�Entwicklung�neuer�hoch�verstärkender�Füll-stoffsysteme�setzt�das�Unternehmen�auf�die�Kom-bination�aus�chemischem�und�verfahrenstechnischem�Know-how.�In�Wesseling�geht�derzeit�eine�weitere�Fälllinie�im�Technikumsmaßstab�für�Silica�(gefällte�Kieselsäure)�in�Betrieb,�die�die�Arbeit�mit�inno�vati�ven�Fällmedien�ermöglicht.�

Reifenhersteller�profitieren�außerdem�von�Neu�-heiten,�die�den�Produktionsprozess�von�Reifen�verbes-sern.�So�bringt�Evonik�unter�dem�Namen�XP�Si�466�GR�demnächst�ein�VOC-freies�Silan�(VOC�=�volatile�organic�compounds,�flüchtige�organische�Verbindun-gen)�auf�den�Markt.�Es�setzt�bei�der�Reaktion�mit�Silica�kein�flüchtiges�Ethanol�frei�(VOC)�und�der�fer-tige�Reifen�emittiert�kein�Ethanol�mehr.�

Im�Fokus�aktueller�Forschungsaktivitäten�steht�unter�anderem�der�Markt�für�schwere�Nutzfahr-zeugreifen,�wie�sie�für�Lkw�und�Busse�eingesetzt�werden.�Im�Gegensatz�zu�Pkw-Reifen�kommt�hier�vorwiegend�Naturkautschuk�zum�Einsatz.�Evonik�plant,�für�diesen�Markt�spezielle�Silica/Silan-Syste�me�zu�ent�wickeln,�die�den�erhöhten�Anforderungen��an�geringeren�Roll�widerstand�und�verbesserte�Sicherheit�bei�Nässe�und�Kälte�gerecht�werden�–�ohne�dass�es�zu�relevanten�Einbußen�beim�Abrieb�kommt.

Verbesserte Füllstoffsysteme für moderne Hochleistungsreifen

Das Silica-Produkt-portfolio wird kontinu-ierlich aus gebaut

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SCHMIERSTOFFADDITIVE

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Evonik�bringt�im�Herbst�2015�eine�neue�Generation�von�Schmier-stoffadditiven�auf�den�Markt.�Diese�halten�die�Viskosität�des�Schmierstoffs�in�einem�breiten�Temperaturbereich�möglichst�kon-stant�und�bieten�zusätzlichen�Verschleißschutz.�Damit�senkt�die�neueste�Generation�Schmierstoffadditive�von�Evonik�nicht�nur�den�Kraftstoffverbrauch�von�Autos�um�drei�bis�vier�Prozent,�sondern�verlängert�zugleich�die�Lebensdauer�der�Motoren�und�Getriebe.�

Die�neuen�Hochleistungs-Schmierstoffadditive�steuern�gezielt�die�Viskosität�von�Schmierstoffen,�zeichnen�sich�darüber�hinaus�aber�auch�durch�zusätzliche�oberflächenaktive�Eigen-schaften�aus;�zum�einen�legt�sich�das�Additiv�als�Schmierstoff-film�auf�die�Metalloberfläche�und�schützt�diese�so�vor�reibungs-bedingtem�Verschleiß;�zum�anderen�werden�Oxidationspro-dukte�des�Öls�in�der�Schwebe�gehalten.�Damit�wird�verhindert,�dass�sie�zusätzlichen�Verschleiß�durch�Ablagerung�auf�Metall-oberflächen�verursachen.�Zusammen�wirken�diese�Effekte�lebensdauerverlängernd,�wie�Evonik�in�Tests�auf�dem�eigenen�Prüfstand�nachgewiesen�hat.�

Die�neue�Additivgeneration�ist�eine�Weiterentwicklung�der�sogenannten�Kammpolymere.�Diese�sind�seit�2010�auf�dem�Markt�und�setzen�sich�in�Hochleistungsschmierstoffen�immer�mehr�durch.�Weil�sie�den�Kraftstoffverbrauch�reduzieren�und�dadurch�dazu�beitragen,�den�Kohlendioxidausstoß�zu�senken,�gehören�sie�immer�häufiger�zur�Erstbefüllung�in�Neuwagen�(First-fill-Öle).�

Kammpolymere�sind�langkettige�Moleküle�auf�Basis�von�Alkyl-methacrylaten�mit�besonders�langen,�unpolaren�Seitenketten.�Diese�Spezialpolymere�zeigen�überragende�Eigenschaften�als�temperatursensitive�Verdicker�von�Schmierstoffen.�Sie�nehmen�in�Schmierstoffen�die�Form�eines�Knäuels�ein�und�beeinflussen�damit�gezielt�die�Zähigkeit�von�Schmierstoffen:�Bei�höheren�Temperaturen�dehnen�sich�die�Polymerknäuel�stark�aus�und�ver-dicken�so�den�Schmierstoff�in�höherem�Maße�als�herkömmliche�Additive.�Bei�sehr�tiefen�Temperaturen�fallen�sie�zusammen��und�wirken�dann�kaum�noch�viskositätssteigernd.�

Dieses�temperaturabhängige�Knäuelverhalten�der�Kamm-polymere�ist�wesentlich�ausgeprägter�als�das�herkömmlicher�Polymere.�Damit�wirken�sie�noch�ausgleichender�auf�das��Temperatur-Viskositäts-Verhalten�des�Schmierstoffs�und�kom-men�dem�idealen�Schmierstoff�mit�immer�gleicher�Viskosität��ein�gutes�Stück�näher.�

Um�Schmierstoffherstellern�die�Orientierung�bei�der�Suche�nach�geeigneten�Hochleistungs-Schmierstoffadditiven�für��lang�lebige,�kraftstoffsparende�Antriebsaggregate�zu�bieten,��vermarktet�Evonik�das�ganze�Paket�aus�Schmierstoffadditiven�inklusive�Formulierungshilfen�und�Serviceleistungen�für�die�Automobilindustrie�unter�der�Dachmarke�DRIVONTM�Techno-logy.�Ein�erster�Vertreter�der�neuen�Kammpolymergeneration�kommt�im�Herbst�2015�unter�dem�Namen�VISCOPLEX®�12-209��auf�den�Markt.�

Gut geschmiert Sprit sparen Mit neuen Viskositätsindexverbesserern formulierte Schmierstoffe im Test

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COMPOSITE

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Verbundwerkstoffe�sind�eine�Schlüsseltechnologie�für�Leicht-bau,�weil�sie�sehr�gute�mechanische�Eigenschaften�mit�niedri-gem�Gewicht�verbinden.�Verbundwerkstoffe�bestehen�aus��extrem�festen�Fasern,�die�in�ein�Polymer�(Kunststoff)�eingebet-tet�sind.�Das�Polymer�bestimmt�wesentlich�die�Verarbeitung��der�Composite.�

Composite�sind�bereits�heute�auf�vielen�Gebieten�gefragt:��In�Leichtbauteilen�senken�sie�zum�Beispiel�in�der�Automobil-�und�Luftfahrtindustrie�den�Treibstoffverbrauch.�Pro�100�Kilo-gramm�Gewichtseinsparung�im�Automobil�rechnen�Experten�mit�0,3�bis�0,5�Litern�Kraftstoffeinsparung�auf�100�Kilometern.�In�Windrädern�sorgen�Composite�für�enorme�Stabilität�und�ermög-lichen�so�größere�und�damit�noch�effizientere�Anlagen.

Noch�immer�aber�ist�die�Produktion�von�Compositen�auf-wändig�und�kostenintensiv.�Evonik�ist�es�nun�gelungen,�die�gute�Verarbeitbarkeit�thermoplastischer�Kunststoffe�mit�den�guten�mechanischen�Eigenschaften�duroplastischer�Kunststoffe�in�sogenannten�hybriden�Polymersystemen�zu�vereinen.�Duroplaste�weisen�sehr�gute�mechanische�Eigenschaften�auf,�erfordern��aber�im�Vergleich�zu�Thermoplasten�längere�Verarbeitungszeiten.�Thermoplaste�dagegen�lassen�sich�gut�verarbeiten,�schnell�um�-formen�und�recyceln.�Sie�erreichen�aber�meist�nicht�die�exzel-lenten�mechanischen�Eigenschaften�von�Duroplasten.

Der�Grund�für�die�unterschiedlichen�Eigenschaften:�Die�Polymerketten�der�Duroplaste�sind�vernetzt�–�die�der�Thermo-plaste�nicht.�Ein�Umschalten�zwischen�vernetzt�und�nicht��vernetzt�ist�normalerweise�nicht�möglich,�da�sich�die�chemische�Vernetzung�nicht�rückgängig�machen�lässt.�

Die Produktion von Verbundwerkstoffen massentauglich machen

Im Projekthaus Composites entwickelt Evonik neue Leichtbaumaterialien

Anders�bei�den�hybriden�Polymersystemen,�die�Evonik�in�Zusammenarbeit�mit�dem�Karlsruher�Institut�für�Technologie�(KIT)�entwickelt�hat:�Sie�können�ohne�Katalysator�vollständig�reversibel�vernetzen.�Beim�Aufheizen�löst�sich�die�Vernetzung�und�das�System�kann�umgeformt�werden.�Beim�Abkühlen��bildet�sich�das�Netzwerk�wieder�aus,�die�Form�ist�stabil.�Verant-wortlich�dafür�ist�eine�spezielle�Diels-Alder-Reaktion,�mit�der�die�Vernetzung�quasi�chemisch�an-�und�ausgeschaltet�werden�kann.�Die�Materialeigenschaften�bleiben�auch�bei�mehrmaligem�Erwärmen�und�Abkühlen�erhalten.

„Wir�arbeiten�derzeit�mit�Anbietern�von�Halbzeugen,�Anla-genherstellern�und�Verarbeitern�von�faserverstärkten�Kunst-stoffen�eng�zusammen,�um�geeignete�Verarbeitungsketten�für�unsere�hybriden�Polymere�zu�entwickeln“,�erläuterte�Dr.�Sandra�Reemers,�Leiterin�des�Projekthauses�Composites�von�Evonik.�„Unser�Ziel�ist�es,�Systemlösungen�anzubieten,�die�eine�effiziente�Produktion�sowohl�der�Halbzeuge�als�auch�der�endgültigen��Bauteile�ermöglichen.“

Seit�2013�entwickelt�Evonik�im�Projekthaus�Composites�neue�Materialien,�die�Zeit�und�Kosten�bei�der�Fertigung�von�Verbund-werkstoffen�sparen.�Potenzielle�Kunden�haben�bereits�Muster�zum�Testen�erhalten.�Voraussichtlich�ab�2018�werden�die�ersten�Entwicklungen�marktreif�sein.

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17NEWS

Evonik unter den deutschen Top 10 bei EPA-Patent-anmeldungenEvonik�zählte�im�vergangenen�Jahr�zu�den�größten�deutschen�Patentanmeldern�beim�Euro�päischen�Patentamt�(EPA).�Das�Unter-nehmen�erreichte�einer�aktuellen�Auswer-tung�des�EPA�zufolge�hier�Platz�zehn�der�Patentanmelder�aus�Deutschland;�im�Ver-gleich�zu�2013�verbesserte�es�sich�um�einen�Platz.�„Wir�freuen�uns�sehr,�dass�wir�in�die�Top�10�vorgerückt�sind“,�erklärte�Dr.�Ulrich�Küsthardt,� Chief� Innovation� Officer� von�Evonik.�„Das�Ergebnis�unterstreicht�die�aus-geprägte�Innovationskraft�von�Evonik.“

Insgesamt�rückte�Evonik�in�die�Top�100�der�Anmelder�vor�und�belegte�Platz�62�beim�EPA,�bei�dem�im�vergangenen�Jahr�insge-samt�274.000�Patentanmeldungen�einge-reicht�wurden.�„Dies�spiegelt�die�zuneh-mende�Bedeutung�des�EPA�für�uns�beim�Patentschutz�in�Europa�wider“,�so�Dr.�Ger-hard�Olbricht,�im�Bereich�Corporate�Inno-vation�von�Evonik�verantwortlich�für�Intel-lectual�Property�Management.�Evonik�ver-fügt�weltweit�über�mehr�als�25.000�Patente�und�Patentanmeldungen.

Das�Ranking�der�anmeldestärksten�deut-schen�Unternehmen�beim�EPA�führten�2014�die�Unternehmen�Siemens,�BASF�und�Robert�Bosch�an.�Mit�Fraunhofer�auf�Rang�acht�platzierte�sich�eine�Forschungseinrichtung�auf�den�vorderen�Plätzen.�

Insgesamt�haben�die�Patentanmeldun-gen�beim�EPA�im�vergangenen�Jahr�einen�neuen�Rekordwert�erreicht.�Das�Anmel-deaufkommen�übertraf�die�Vorjahresmarke�von�266.000�um�rund�drei�Prozent.�„Die�Nachfrage�nach�Patentschutz�in�Europa�ist�nunmehr� im� fünften� Jahr� hintereinander�gestiegen“,�sagte�EPA-Präsident�Benoît�Bat-tistelli.� „Dies� zeigt,� dass� Europa� seine�Schlüsselrolle�als�Technologie-�und�Innova-tionsstandort� für�Unternehmen�aus� aller�Welt�weiter�festigt.“�

Bei�den�EPA-Mitgliedsstaaten�verzeich-neten� die� Niederlande,� Frankreich� und�Großbritannien�Zuwächse.�Die�Anmeldun-gen�aus�Deutschland�und�Schweden�blieben�stabil,�während�Länder�wie�Finnland,�die�Schweiz�und�Spanien�einen�Rückgang�auf-wiesen.�Die�stärksten�Technologiefelder,�in�denen�2014�Patente�angemeldet�wurden,�waren�Medizintechnik,�Elektrische�Maschi-nen/Geräte/Energie�sowie�digitale�Kom-munikation.

Evonik meets Science China

Industrielle�Biotechnologie�stand�im�Mittelpunkt�des�Symposiums�Evonik�meets�Science�China�Ende�März�in�Peking.�Mehr�als�100�Experten�und�Professoren�von�führenden�Biotechnologie-Instituten�und�Universitäten�nahmen�an�der�Veranstal-tung�teil.�Darunter�war�auch�Shousheng�Li,�Chairman�der�China�Petroleum�and�Chemical�Industry�Federation�(CPCIF),�der�zum�Auftakt�des�Symposiums�sprach.�„Für�chinesische�Unternehmen�ist�es�wichtig,�von�modernen�Konzepten�zu�lernen�und�eng�zusammenzuarbeiten,�um�die�industriellen�Strukturen�weiter�zu�verbes-sern“,�so�Li.

Die�Biotechnologie�ist�für�Evonik�eine�Schlüsseltechnologie.�Das�Unternehmen�erzielt�bereits�heute�weltweit�mehrere�hundert�Millionen�€�Umsatz�mit�biotech-nologisch�hergestellten�Produkten.�Seine�Biotechnologieplattform�umfasst�die�gesamte�Bandbreite�–�angefangen�bei�der�Erforschung�neuer�Stämme�und�Enzyme�bis�hin�zu�einem�weltweiten�Produktionsnetzwerk.�In�Schanghai�(China)�betreibt�Evonik�seit�2013�das�Creavis�Bio�Lab,�das�biotechnologische�Prozesse�mit�Hefe�ent-wickelt.�

„Evonik�meets�Science�China�ist�eine�wertvolle�Plattform,�die�die�Forschung�herausragender�chinesischer�Wissenschaftler�und�die�führenden�Technologien�von�Evonik�zusammenbringt“,�sagte�Chief�Innovation�Officer�Dr.�Ulrich�Küsthardt.�„Durch�die�Zusammenarbeit�mit�wissenschaftlichen�Netzwerken�können�wir�unsere�eigenen�Kompetenzen�in�der�Biotechnologie�weiter�ausbauen.“

Während�des�zweitägigen�Symposiums�überreichte�Evonik�die�erste�Friedrich�Bergius�Lecture�in�China.�Sie�ging�an�Prof.�Dr.�Tianwei�Tan,�Präsident�der�Beijing�University�of�Chemical�Technology.�Der�führende�Experte�gab�einen�Überblick�über�aktuelle�Forschungsschwerpunkte�der�industriellen�Biotechnologie�in�China�und�über�kommende�Trends.�Die�Lecture�ist�nach�dem�deutschen�Chemiker�Fried-rich�Bergius�benannt,�der�1931�zusammen�mit�Carl�Bosch�den�Chemienobelpreis�erhielt�und�für�eines�der�Vorgängerunternehmen�von�Evonik�arbeitete.�Seine��Forschungen�beeinflussen�bis�heute�einen�Teil�der�Chemie�von�Evonik.

Dr. Ulrich Küsthardt (l.) mit Prof. Dr. Tianwei Tan

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Ein�Katalysator,�der�an�seine�Grenzen�geht

Homogen�oder�heterogen�–�das�war�bislang�bei�Katalysatoren�die�Qual�der�Wahl.�Es�gibt�aber�noch�einen�dritten�Weg:�In�einem�BMBF-Projekt�haben�Forscher�von�Evonik�gemeinsam�mit�Hochschulpartnern�gezeigt,�dass�sich�homogene�Reak�tions�vermittler�lang-zeitstabil�auf�festen�Trägern�immobilisieren�lassen.�Diese�leicht�handhabbaren�SILP-�Systeme�bieten�das�Potenzial�für�besonders�wirtschaftliche�Prozesse.�

[ text Prof. Dr. Robert Franke, Dr. Hanna Hahn ]

Abbildung 1

Aldehyde sind wichtige Zwischenprodukte der chemischen Industrie (2008: 10,4 Millionen Tonnen Oxoprodukte)

(+C1)-Olefine

AlkoholeHydrierung Oxidation

Carbonsäuren

Veresterung

Ester

Amine Verzweigte ungesättigte langkettige Aldehyde

Verzweigte�ungesättigte�langkettige�Alkohole

Verzweigte�gesättigte�langkettige�Aldehyde

Eliminierung

Reduktive�Aminierung

Aldehyde

Aldolisierung

Verzweigte�gesättigte�langkettige�Alkohole

Hydrierung

Selektivhydrierung

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DIE MEISTEN REAKTIONEN in der Chemieindustrie brauchen Starthilfe. Und viele Ausgangsstoffe reagieren nur dann schnell und effizient genug, wenn es ihnen auch nach dem Start leicht gemacht wird. Anders gesagt: Die große Mehrheit der technisch bedeutenden Prozesse benötigt Katalysatoren. Dazu gehört die Hydroformylierung, bei der ein im Stoffstrom gelöster Kobalt­ oder Rhodiumkatalysator Olefine mit Synthesegas zum Beispiel zu aliphatischen Aldehyden umsetzt. Die Aldehyde werden zu Alkoholen hydriert (Abb. 1), aus denen Weichmacher für Kunst­stoffe, Tenside oder Polymere entstehen. Allein Weichmacher­alkohole verfügen weltweit über ein Volumen von rund fünf Millionen Tonnen pro Jahr.

Homogene Katalysatoren, wie sie bei der Hydroformylierung eingesetzt werden, haben ihren Charme. Sie sind sehr selektiv, zeigen eine hohe Aktivität und arbeiten bei relativ niedrigen Temperaturen. Unter wirtschaftlichen Aspekten allerdings be­steht Verbesserungspotenzial: Homogene Katalysatoren machen Verfahren kompliziert und somit teuer. Der gelöste Reaktions­vermittler muss nach dem Prozess vom erzeugten Produkt durch beispielsweise Destillation oder Extraktion quantitativ abge­trennt werden, damit das Produkt nicht verunreinigt wird und der meist recht teure Katalysator nicht verloren geht.

Lieber heterogen als homogen

Wo immer möglich, suchen Prozessentwickler und Katalysator­spezialisten daher nach heterogenen Alternativen. Bei der Hydroformylierung bislang ohne Erfolg. Dabei hätte die Hete­rogenisierung der Aldehydbildung erhebliche ökonomische wie ökologische Vorteile.

Auch Evonik forscht seit Jahren nach Wegen, um die hohe Aktivität und Selektivität eines homogenen Katalysators mit den Vorteilen heterogener Systeme zu koppeln. Wie es prinzipiell funktionieren kann, ist inzwischen klar (Abb. 2): Der homogene Katalysator wird gelöst, die Lösung auf einen inerten, anorga­nischen Träger aufgetragen und in dieser festen Form in der Re­

aktion eingesetzt. Als „immobilisierte“ Variante kann der Kata­lysator seine hohe Selektivität ausspielen und zugleich nach dem Prozess schnell und einfach abgetrennt werden.

Es ist schon länger bekannt, dass als Lösemittel für Katalysa­torkomplexe sogenannte ionische Flüssigkeiten (Ionic Liquids, IL) in Frage kommen. Ionische Flüssigkeiten sind organische, schwer flüchtige Salze, die unter 100 °C flüssig vorliegen. Beson­ders interessant: Kation und Anion einer IL lassen sich vielfach modifizieren und die physikalischen und chemischen Eigenschaf­ten des Lösemittels somit gezielt beeinflussen. Die Löslichkeit von ionischen Flüssigkeiten für Katalysatoren und Edukte kann auf diese Weise in weiten Grenzen variiert und an den Prozess angepasst werden.

Immobilisierte Katalysatoren als dritter Weg

Bereits 2009 forschte Evonik gemeinsam mit der Universität Er­langen an der Immobilisierung von homogenen Rhodiumkom­plexen in organischen Salzen auf festen Materialien wie Silizium­ oder Aluminiumoxid. Der erzeugte SILP­Katalysator – SILP steht für Supported Ionic Liquid Phase, also immobilisierte Phase aus ionischer Flüssigkeit – arbeitete rund 800 Stunden zuverlässig und zeigte eine extrem hohe Selektivität für den linearen Alde­hyd. Damit war gezeigt, dass SILP­Systeme ein großes Potenzial für technisch wichtige Reaktionen bergen.

Allerdings blieben wichtige Fragen offen: Ein heterogener Katalysator weist in der Regel eine deutlich längere Standzeit als 800 Stunden auf – kann auch ein SILP­System über längere Zeit zuverlässig und ohne große Aktivitätsverluste funktionieren? Auch blieben Abbauprozesse und Nebenreaktionen weitgehend unerforscht. Und welchen Gesetzmäßigkeiten folgt die Kinetik in einem System aus festem Träger, ionischem Lösemittel und homogenem Katalysator?

Genau hier setzte das BMBF­Verbundprojekt HY­SILP an (Förderkennzeichen: 01RC1107A ). Der Name des Projekts – Ent­wicklung von neuartigen, ressourcenschonenden Hydro­ 333

Abbildung 2

Das Funktionsprinzip

SILP-Katalysator�als�Pulver

SILP-Partikel

Porenstruktur�des�TrägersIonischer�Flüssigkeitsfilm

Gelöster�Übergangsmetallkatalysator�

SubstratProdukt

Grafik:�Dr.�Martin�Johannes�Schneider

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333 formylierungs­Technologien unter Einsatz von Supported­Ionic­Liquid­Phase­Katalysatoren – ist Programm. Zwischen 2011 und 2014 haben Experten des Segments Performance Materials und von Technology & Infrastructure gemeinsam mit zwei Uni­versitäten Eigenschaften und Potenziale von SILP­Katalysatoren für die technisch wichtige Hydroformylie rung ausgelotet. Unter der Koordination von Evonik waren Prof. Dr. Peter Wasserscheid von der Universität Erlangen­Nürnberg und Prof. Dr. Peter Claus von der Technischen Universität Darmstadt mit im Team – zwei Experten, die auf dem Gebiet der SILP­Technologie und der he­terogenen Katalyse weltweit führend sind.

Tiefer Blick in die Welt der Liganden

Als Benchmark konzentrierten sich die Forscher auf die Hydro­formylierung eines technischen C4­Gemischs mit Hilfe eines homogenen Rhodium­Übergangsmetallkomplexes – Bedingungen also, wie sie heute in der Großchemie Realität sind. Ziel war es, den Rhodiumkatalysator zu immobilisieren, so dass er in bestehen­den Hydroformylierungsprozessen eingesetzt werden kann. Außerdem sollten die Partner im Rahmen von HY­SILP Methoden entwickeln, mit denen sich Wechselwirkungen zwischen homo­genen und heterogenen Bestandteilen des Katalysators bestim­men lassen. Zudem galt es, wichtige Grundsatzfragen der Kine­tik zu bearbeiten. Nicht zuletzt war Ziel, die Hydroformylierung von Olefinen dank maßgeschneiderter SILP­Katalysatoren um­weltfreundlicher und energieeffizienter zu gestalten und etwa zehn Prozent an Energie und fünf Prozent an CO2­Emissionen einzusparen.

Wichtig für den Erfolg einer Katalyse ist nicht nur das Über­gangsmetall im Zentrum eines Katalysatorkomplexes. Entschei­dend für Aktivität und Selek tivität ist vielmehr auch der volumi­nöse organische Ligand, der das Metall umhüllt. Er sorgt für die Bildung von energetisch günstigen Übergangszuständen der beteiligten Moleküle, so dass die Edukte schnell und möglichst quantitativ reagieren. Der Ligand bestimmt zudem die Selekti­vität, indem er unerwünschte Nebenreaktionen unterbindet – ein regioselektiver Katalysator für die Hydroformy lierung erzeugt also möglichst viel an gewünschtem linearen Aldehyd und nur wenig der verzweigten Variante.

Liganden sind große, komplexe und empfindliche Moleküle (Abb. 3). Schon durch geringe chemische Modifikationen ändern sie ihre Eigenschaften, was die Performance des Katalysators deutlich beeinflusst. Für den Erfolg eines SILP­Systems ist also der „richtige“ Ligand von großer Bedeutung, zugleich müssen Ligand und Lösemittel exakt aufeinander abgestimmt sein. Aus der Literatur ist bekannt, dass ionische Flüssigkeiten die Akti­vität eines Liganden unterstützen können. Das ist dann der Fall, wenn das Edukt in der IL sehr gut löslich ist. Ziel ist auch, eine schlechte Löslichkeit des entstehenden Produktes zu erreichen, so dass der Aldehyd schnell in den Gasstrom übergehen kann. Außerdem haben ILs zwar kein definiertes Kristallgitter wie herkömmliche Salze, sie verfügen aber über eine weitreichende molekulare Ordnung. Auch dieses molekulare Feld hat einen positiven Einfluss auf den Katalysator.

Auf der Suche nach dem besten SILP-Katalysator

Liganden und ionische Flüssigkeiten gibt es viele. Im Zentrum von HY­SILP stand daher die Suche nach der optimalen Paarung. Für diese Aufgabe waren die Projektpartner bestens gerüstet. Evonik und die Universität Erlangen haben ihre umfangreichen theore tischen und praktischen Kenntnisse über Liganden und ionische Flüssigkeiten und deren Strukturen und Eigenschaften eingebracht.

Abbildung 3

Häufig für Hydroformylierungen im SILP-System eingesetzter Ligand, der sich durch eine hohe Selektivität und Stabilität auszeichnet

O

O

P

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O

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P

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Performance Materials und die Verfahrenstechnik verfügen zudem über Anlagen, mit denen sich vielversprechende Liganden synthetisieren und SILP­Katalysatoren im Technikumsmaßstab auf ihre Langzeitstabilität in der Hydroformylierung testen lassen. Die Arbeiten an der Universität Darmstadt konzentrierten sich auf Fragen der Kinetik. Dazu gehören der Einfluss von IL­Schichtdicke und Porengröße des Trägers, außerdem die Bestimmung von Diffusionskoeffizienten und von Einflüssen des Stofftransports auf die Katalyse.

Um den Zeitaufwand in Grenzen zu halten, wurden im Rah­men von HY­SILP verschiedene ionische Flüssigkeiten und meh­rere hundert Liganden virtuell gescreent: Welche IL zeigt die optimale Löslichkeit – also hoch für den Katalysator und nied­rig für den erzeugten Aldehyd? Welche Liganden lösen sich in einer bestimmten IL, ohne an Aktivität und Stabilität einzu­büßen? Da die Aktivität des immobilisierten Katalysators von Einzelheiten seiner Konformation abhängt, war wesentlich, dass er durch seine neue Umgebung nicht negativ beeinflusst wird und wie ein frei gelöster Katalysatorkomplex fungiert. Die Universität Erlangen screente zusätzlich verschiedene oxi­dische Träger mit unterschiedlicher Größe, Form, Porenvolu­men und Porendurchmesser, um auch hier die besten Oxide ausfindig zu machen.

Nach dem Screening selektierte das Team eine Handvoll an vielversprechenden Liganden und geeigneten ionischen Flüssig­keiten und testete sie in einer Technikumsanlage auf ihre Akti­vität und Langzeitstabilität. Als Spitzenreiter erwies sich ein Rhodiumkomplex mit einem Liganden auf Basis einer poly­zyklischen Anthrazentriol­Struktur. Die ionische Flüssigkeit besteht aus einem Imidazolium­Kation und einem Anion auf Basis eines binären Amins. Dieser SILP­Katalysator zeigte in der Technikumsanlage eine Langzeitstabilität von über 2.000 Stunden (Abb. 4). Damit war es gemäß publiziertem Stand der Technik erstmals gelungen, ein SILP­System zu entwickeln, dessen Stabilität in einem für technische Produktionen wie die Hydroformylierung interessanten Bereich liegt. 333

Technikumsanlage für Hydroformylierungen in Marl, in der neue SILP-Katalysatoren mit verschiedenen Liganden getestet wurden

Abbildung 4

Mit einem verbesserten Liganden stieg die Langzeitstabilität eines SILP-Katalysators bei der Hydroformylierung eines C4-Gemisches zu n-Pentanal auf über 2.000 Stunden

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O

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[~�H+]

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Abbildung 5

SILP-Katalysatoren funktionieren überraschenderweise auch ohne ionische Flüssigkeit 100

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Alken-Umsatz�[%]� Selektivität�zu�n-Pentanal�[%]

Zeit�[h]

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T= 373 K T= 383 K T= 393 K

Abbildung 7

Nach 1.000 Stunden fielen SILP-Systeme ohne ionische Flüssigkeit in ihrer Aktivität steil ab

Alken-Umsatz�[%] Selektivität zu n-Pentanal [%]

Abbildung 6

Ohne ionische Flüssigkeit übernehmen der in der Reaktion gebildete Aldehyd und die als Neben produkte entstehenden Aldole die Funktion des Lösemittels für den Rh-Ligand-Komplex

In den Poren des Trägermaterials stellt sich nach dem Anfahren ein dynamisches Gleichgewicht aus Substrat und kondensierten Aldehyd- und Aldolprodukten ein

Katalysatormaterial�gemäß�Präparation

Anfahrphase Stabiler�Betriebszustand

Substrate Produkte Substrate Produkte

Rh-Ligand-Komplex Ligand Kondensierte�Aldehyd-�und�Aldolprodukte

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Aktiv auch ohne Lösemittel?

Warum aber funktioniert dieser SILP­Katalysator so gut, und wie sind die genauen Wechselwirkungen zwischen Träger, Ligand und ionischer Flüssigkeit? Um das Verständnis für das „Innen­leben“ der Komplexe zu vertiefen, führte das Forscherteam Blindversuche mit vereinfachten SILP­Katalysatoren durch, die zum Beispiel gar keine ionischen Flüssigkeiten enthielten. Sie gingen davon aus, dass solche Systeme sehr schnell deaktivie­ren. Überraschenderweise war das nicht der Fall. Auch ohne IL erwies sich der Katalysator als aktiv, selektiv und deutlich sta­biler als erwartet (Abb. 5).

Analysen mit Hilfe der IR­Spektroskopie brachten die Ant­wort: Ohne ionische Flüssigkeit übernimmt der gebildete Alde­hyd die Funktion des Lösemittels für den Rhodiumkomplex. Zugleich bilden sich mit fortschreitender Reaktion in den Poren des Trägermaterials als Nebenprodukte Aldole, die ebenfalls als flüssiges Lösemittel fungieren (Abb. 6). Der homogene Kataly­sator erzeugt also sein eigenes Lösemittel. Oder anders gesagt: Ein makroskopisch heterogener Katalysator bildet mikroskopisch eine homogene Umgebung, in der die gewünschte Reaktion ablaufen kann.

Problematisch ist allerdings, dass die Aldole in situ weiter reagieren, wobei sich Wasser bildet. Das Wasser deaktiviert nach und nach die hydrolyseanfälligen Liganden. SILP­Systeme ohne ionische Flüssigkeit funktionierten in der Technikums­anlage daher zwar bis zu 1.000 Stunden, fielen in ihrer Aktivität danach aber steil ab (Abb. 7). Die spektroskopischen Analysen zeigten, dass sich nach einer Anfahrphase auf dem Träger ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Substrat und Produkt­phase bestehend aus Aldehyden und dessen Folgeprodukten ein­stellt. Eine Rolle spielt auch der anorganische Träger: Saure Materialien beschleunigen die Aldolkondensation und damit die Deaktivierung des Liganden, und der resultierende Porenfüllgrad hängt von der Morphologie des Trägermaterials ab.

Prof. Dr. Robert Franke ist�im�Segment�Performance�Materials�als�Leiter�Innovation�Management�Hydro-formylation�für�die�Oxoforschung�verantwortlich.��Er�studierte�Technische�Chemie�und�Theoretische�Chemie�an�der�Ruhr-Universität�Bochum,�wo�er�1994�promovierte�und�anschließend�als�wissenschaftlicher�Mitarbeiter�arbeitete.�1998�kam�er�zu�Evonik�in�die�Abteilung�Computer�Aided�Process�Engineering�der�Verfahrenstechnik.�Nach�verschiedenen�Stationen,�unter�anderem�im�Projekthaus�Prozessintensivierung�der�Creavis,�wechselte�er�Anfang�2009�in�seine�jetzige�Position.�2002�habilitierte�er�sich�für�Theoretische�Chemie�und�hat�seitdem�einen�Lehrauftrag�an�der�Ruhr-Universität�Bochum.�2011�wurde�er�zum�außer-planmäßigen�Professor�ernannt.telefon +49 2365 [email protected]

Dr. Hanna Hahn ist�seit�2010�bei�Technology�&�Infra-struc��ture�wissenschaftliche�Mitarbeiterin�in�der�Ver-fahrens�technik�–�Reaktionstechnik.�Sie�studierte�Chemie�an�der�Technischen�Universität�Darmstadt�mit�dem�Schwerpunkt�Technische�Chemie�und�promovierte�ebenfalls�in�Darmstadt�im�Fachbereich�Materialwissen-schaften�im�Fachgebiet�Strukturforschung.telefon +49 2365 [email protected]

A. Schönweiz, R. Franke,�in:�Supported Ionic Liquids – Fundamentals and Applications,�R.�Fehrmann,�A.�Riisager,��M.�Haumann�(Eds.),�pp�307–326,�Wiley-VCH�Verlag,��Weinheim,�2014.�Supported�Ionic�Liquid�Phase�(SILP)�Materials��in�Hydroformylation�Catalysis.�

R. Franke�et�al.,�Accurate�pre-calculation�of�limiting�activity��coef�fi�cients�by�COSMO-RS�with�molecular-class�based�parameter-iza�tion,�Fluid�Phase�Equilibria�2013,�340,�11–14.

A. Schönweiz�et�al.,�Ligand-modified�rhodium�catalysts�on�porous�silica�in�continuous�gas�phase�hydroformylation�of�short-chain�alkenes�–�catalytic�reaction�in�liquid�supported�aldol�product,�ChemCatChem�2013,�5(10),�2955–2963.

A. Kaftan�et�al.,�Supported�homogeneous�catalyst�makes�its�own��liquid�phase,�J.�Catal.�2015,�321,�32–38.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

Neben der technischen Performance des SILP­Katalysators war auch die ökologische Bewertung ein wichtiger Punkt. Als Ziel setzte sich das HY­SILP­Team eine CO2­Einsparung von fünf Pro­zent. Die Simulation einer großtechnischen Hydroformylierung mit einem integrierten SILP­Reaktor erbrachte eine Einsparung von 2,3 Prozent – ein gutes Ergebnis vor dem Hintergrund, dass die bestehenden Hydroformylierungen bei Evonik bereits sehr energieeffizient arbeiten. Untersuchungen der Universität Erlan­gen zeigten zudem, dass ein Recycling des wertvollen Über­gangsmetalls möglich ist. Dafür wird das Rhodium im Labor durch sauren Aufschluss zurückgewonnen und steht für die Pro­duktion neuer Katalysatoren zur Verfügung. Im großtechnischen Maßstab existieren hier bereits Prozesse zum Recycling von Kata­lysatoren aus Automobil­ und chemischer Industrie.

Die SILP-Forschung geht weiter

HY­SILP war ein bedeutender Schritt hin zu maßgeschneiderten SILP­Systemen für die Hydroformylierung, hat zugleich aber auch die Grenzen der bisher untersuchten Katalysatoren auf­gezeigt. Daraus ergeben sich klare Fragen für weitergehende Forschungen: Welche anderen Liganden können Stabilität und Ausbeute des Rhodiumkomplexes weiter steigern? Wie können Reaktorkonzepte aussehen, die die Aldolkondensation unter­drücken und die Standzeit des SILP­Katalysators erhöhen? Auch die Methodenentwicklung birgt noch viel Potenzial, beispiels­weise für tiefergehende kinetische Untersuchungen oder für eine optimierte Simulation der Löslichkeit von Liganden in ionischen Flüssigkeiten. Jetzt schon ist unbestritten, dass das SILP­Konzept eine sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch hochinteressante Alternative zu konventionellen homogenen Katalysen darstellt. 777

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24 LEADING-INNOVATION-KONFERENZ

Innovation�ist�ein�wichtiger�Hebel�für�nach�hal-tiges�Wachstum.�Wie�dieser�Hebel�noch�stärker�wirken�kann,�war�Thema�der�zweiten�Inno�va-tions�konferenz�von�Evonik.�Die�Top-Führungs-kräfte�nahmen�sich�knapp�zwei�Tage�Zeit,�um�entsprechende�Maßnahmen�zu�erarbeiten.

SCHÖPFT EVONIK ALLE Möglichkeiten aus, um Innovationen hervorzubringen? Um langfristig besser, schneller und profita­bler zu sein als der Wettbewerb? Diese Fragen standen im Mit­telpunkt der knapp zweitägigen Leading­Innovation­Konferenz Anfang Februar in Mainz, an der rund 100 Top­Führungskräfte und Konzerntalente teilnahmen.

Evonik­Chef Klaus Engel verdeutlichte den Wert von Inno­vation. „Wir haben im vergangenen Jahr viele Anlagen in Betrieb genommen, bei denen wir selbst entwickelte Technologien nut­zen – moderne Anlagen, die dank Innovationen aus unseren La­boren hocheffizient arbeiten“, so Engel. „Das zeigt, wie eng un­ser Geschäft mit Innovation verknüpft ist. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern – Innovation ist das vielleicht wich­tigste Differenzierungsmerkmal zu unseren Wettbewerbern.“

Die Messlatte wurde gleich zu Beginn der Konferenz hoch gelegt: „Unsere Vision ist, eines der innovativsten Unternehmen der Welt zu werden“, sagte Chief Innovation Officer Dr. Ulrich Küsthardt zum Auftakt; er hatte die Konferenz gemeinsam mit Dr. Peter Nagler, Leiter International Innovation, veranstaltet. „Wir als Führungskräfte sind dafür verantwortlich. Deshalb müs­sen wir uns fragen: Was müssen wir tun, um das zu erreichen?“

Zugleich betonte Küsthardt, dass es nicht nur um das Was, sondern auch um das Wie geht: „Wir müssen dafür sorgen, dass Passion nicht von Prozessen erschlagen wird.“ Nagler ergänzte, dass Innovationskraft nicht nur eine Frage des F&E­Budgets ist: „Es sind vor allem die Menschen, die die Innovationskraft eines Unternehmens ausmachen.“ Ein Punkt, der auch Klaus Engel wichtig war: „Innovation ist keine Überraschung, sondern das Ergebnis harter Arbeit, die viel Frustrationstoleranz erfordert. Unser Slogan ‚Kraft für Neues’ bringt das auf den Punkt. Es liegt an uns, ihn mit Leben zu füllen.“

Diskussion statt Präsentation

Wie schon bei der ersten Innovationskonferenz im Herbst 2012 wurde nicht präsentiert, sondern diskutiert – die beiden Tage waren geprägt von Podiumsdiskussionen, Workshops und Grup­penarbeit. Gemeinsam sollten die Führungskräfte Themen iden­tifizieren, mit denen sich die Innovationskraft des Konzerns weiter schärfen lässt.

Zur Einstimmung besuchten sie einen Ideengarten, in dem Evonik­Mitarbeiter auf sechs Marktplätzen zum Diskutieren ein­luden. Ausgangspunkt waren Thesen, Erfahrungen und Best­Practice­Beispiele: zu Unternehmertum und „Fuzzy front­end“­Innovation – eine Art unstrukturiertes Vorfeld, in dem sich Zukunftstechnologien identifizieren lassen –, zu internen und externen Innovationsnetzwerken, zu Zukauf und Integration neuer Technologien, zu Innovationskultur und der richtigen Ba­lance des Innovationsportfolios.

Prioritäten gesetzt

In anschließenden Workshops identifizierten die Konferenzteil­nehmer wesentliche Hebel, um Innovation zu beflügeln, und setzten Prioritäten für die Jahre 2015 und 2016; diese Themen werden nun von sogenannten Network­Teams bearbeitet. So soll ein aktives Portfoliomanagement dafür sorgen, dass die Innova­tionsperformance mit den Innovationszielen der jeweiligen Ein­heit Schritt halten kann.

Innovation�führen,��um�in�Innovation��führend�zu�sein

Evonik-Chef Klaus Engel

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Links: Dr. Ulrich Küsthardt.Unten links: Küsthardt gemeinsam mit Dr. Peter Nagler(l.) und Vorstandsmitglied Patrik Wohlhauser

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25LEADING-INNOVATION-KONFERENZ

Andere Themen zielen darauf ab, das Wissen und die Kompe­tenzen externer Partner noch stärker in alle Stufen des eigenen Innovationsprozesses zu integrieren. Zum Beispiel neue Tech­nologien, die die Tür zu neuen Geschäften öffnen: Ein Network­Team wird nach Möglichkeiten suchen, vielversprechende Tech­nologien systematisch aufzuspüren, ihr Potenzial für Evonik re­alistisch abzuschätzen und sie erfolgreich in den Konzern zu integrieren. Das Team wird dabei von dem umfangreichen Know­how beim Bewerten neu entstehender Hochtechnologien profitieren, das Evonik in den vergangenen Jahren durch seine Venture­Capital­Aktivitäten aufgebaut hat.

Ein weiteres Team wird strukturierte Ansätze entwickeln, um schneller Ideen zu erzeugen und Projekte mit externen Part­nern zu starten. Evonik hat hier in den vergangenen zwei Jahren sehr erfolgreich neue Wege beschritten. Ein Beispiel ist der ECRP, der Evonik Call for Research Proposals. Dabei fordert Evonik Wissenschaftler an Universitäten und Forschungsein­richtungen weltweit auf, Lösungsvorschläge für vorgegebene Fragestellungen einzureichen. Die bisherige Erfahrung mit ECRPs zu insgesamt vier Themen zeigt, dass auf diese Weise viele kreative Ideen entstehen, die im Idealfall in einem gemein­samen Forschungsprojekt münden können. Derartige Open­ Innovation­Konzepte sollen weiter ausgebaut werden.

„Zusätzlich wollen wir unsere Innovationskultur weiter ent­wickeln“, erklärte Küsthardt. Evonik hat in den beiden vergan­genen Jahren Innovationsleitlinien (siehe Infokasten) erarbeitet, die ein gemeinsames Verständnis von Innovation schaffen sollen. „Jetzt geht es darum, diese Leitlinien mit Leben zu füllen und in den Köpfen der Mitarbeiter zu verankern“, so Küsthardt. „Nur dann entfalten sie auch ihren Wert als Orientierungshilfe.“ Ob sich alle Aktivitäten wunschgemäß entwickelt haben, soll unter anderem Thema der nächsten Innovationskonferenz in ein bis zwei Jahren sein. 777

AUF EINEN BLICK

Als�Folge�der�ersten�Leading-Innovation-Konferenz�im�Herbst�2012�hat�Evonik�Innovationsleitlinien�entwickelt.��Sie�sollen�für�alle�Mitarbeiter�ein�gemeinsames�Verständnis��von�Innovation�schaffen�und�beschreiben,�wie�das�Unter-nehmen�mit�dem�Thema�Innovation�umgehen�will.�•��Leidenschaft�und�Vielfalt�sind�Motor�unserer�Kreativität�

und�Nährboden�für�neuartige�und�nachhaltige�Lösungen�für�die�Märkte�von�morgen.

•��Unsere�offene�Innovationskultur�gibt�uns�Freiraum�und�Mut,�höhere�Entwicklungsrisiken�einzugehen�und�auch�mit�Fehlschlägen�konstruktiv�umzugehen.

•��Eigenentwicklung,�globale�interne�und�externe�Netzwerke�sowie�die�Akquisition�innovativer�Technologien�eröffnen�uns�völlig�neue�Wachstumsmärkte.

•��Unsere�langfristigen�Innovationsvorhaben�haben�den��gleichen�Stellenwert�wie�die�Erreichung�unserer�ambitio-nierten�kurzfristigen�Ergebnisziele.

•��Innovation�braucht�die�Eigeninitiative�und�den�Beitrag�jedes�einzelnen�Mitarbeiters.

Die Innovationsleitlinien von Evonik

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26 RESSOURCENEFFIZIENZ

[ text Dr. Jörn Rolker & Rick Steglich ]

AMINE WERDEN BEREITS seit vielen Jahrzehnten eingesetzt, um aus industriell wichtigen Rohgasen gebrauchsfähige Reingase zu produzieren: Die stick­stoffhaltigen Moleküle binden schnell und fest uner­wünschte saure Gasbestandteile und befreien Erdgas, Biogas oder Synthesegas auf diese Weise beispiels­weise von Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff (Abb. 1). Diese Sauergaswäsche sorgt dafür, dass Gas­ströme die vorgeschriebenen Spezifikationen errei­chen und problemlos zur Energiegewinnung oder in weiteren Downstream­Prozessen eingesetzt werden können. Die Reinigung mit wässrigen Aminlösungen gilt als Stand der Technik und wird weltweit in meh­reren tausend Anlagen eingesetzt.

Im Gaswäscheprozess wird die Aminlösung im Kreislauf zwischen Absorber und Desorber geführt (Abb. 2): Im sogenannten Absorber werden Rohgas und wässrige Aminlösung über Füllkörper oder Füll­

packungen im Gegenstrom miteinander in Kontakt gebracht und dabei intensiv durchmischt. Bei 40 bis 60°C reagieren die gelösten Sauergaskomponenten in der wässrigen Aminlösung und bilden wasserlös­liche Salze. Das beladene Lösemittel gelangt dann in den Desorber, wo das Amin bei rund 120°C die sauren Gase wieder freisetzt und dann zurück zum Absorber geführt wird.

Herkömmliche Wäsche zeigt SchwachstellenDie Gaswäsche durch Absorption ist ein etablierter und gut untersuchter Prozess. Dennoch hat er einige Schwachstellen. Die üblicherweise eingesetzten Alkanolamine, zum Beispiel Gemische auf Basis von Methyldiethanolamin oder Aminoethoxyethanol, können in der Anlage degradieren, da sie chemisch

Ohne�Aufbereitung�sind�geförderte�Gase�kaum�nutzbar.�Performance�Materials��hat�eine�neue�Klasse�von�Aminen�als�„Waschmittel“�am�Markt�eingeführt.��Unter�dem�Markennamen�CAPLUS®�entfernen�diese�Amine�saure�Bestandteile�deutlich�effektiver�als�etablierte�Amine�und�erhöhen�Performance,�Output��und�Lebensdauer�der�Anlagen.�

Gase�im�Vollwaschgang

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27RESSOURCENEFFIZIENZ

und thermisch nicht ausreichend stabil sind. Beim Abbau und durch Nebenreaktionen entstehen dann temperaturstabile Salze mit korrosiven Eigenschaf­ten, die die Anlage aus Stahl angreifen. Ein weiteres Problem ist die Schaumbildung, die den Ablauf der Wäsche stört und die Kapazität der Anlage begren­zen und sogar zum Stillstand der Anlage führen kann. Nicht zuletzt erfordert die Regeneration der Aminlösung im Desorber viel thermische Energie, was die Betriebskosten der Anlage in die Höhe treibt. Das Ausmaß der Probleme variiert abhängig von der Anlage, von Art und Zusammensetzung des Feeds und von der Konzentration der sauren Be­standteile.

Einem Team von Performance Materials und Tech­nology & Infrastructure ist es gelungen, neue Amin­komponenten für die Gaswäsche zu entwickeln, die diese Schwachstellen beseitigen und für Anlagenbe­treiber entscheidende Vorteile bringen (Abb. 3): So besitzt CAPLUS® eine signifikant höhere Löslichkeit für Sauergase als herkömmliche Amine (Abb. 4) und zugleich eine bessere thermische und chemische Stabilität. Die bessere Löslichkeit ermöglicht es, die Kapazität einer bestehenden Anlage ohne oder mit nur minimaler Investition zu erhöhen. Insgesamt steigt die Verfügbarkeit der Anlage, für Gaskunden erhöht sich die Liefersicherheit.

Die Innovation ist in mehrerer Hinsicht außer­gewöhnlich: Evonik produzierte bislang keine Amine für die Gaswäsche. Die neuen Absorbenzien für die Sauergaswäsche basieren jedoch auf Aminen, die am Standort Marl seit vielen Jahren für andere An­ 333

Gase�im�VollwaschgangBiomasse

Methan, Kohlenwasser-stoffe

Rohes Erdgas

Reines Biomethan

Reformieren CO -2 Abtrennung H2 + CO

Fischer- Tropsch

Öl/ Kondensat- Abtrennung

Ammoniak- reaktor

Andere Synthesen

Kraftstoff

Ammoniak

Andere Chemikalien

Sauergas- wäsche

Fermentation Biogasauf- reinigung

Methanabtrennung

Fraktionierung

Methan

Erdgaskondensat

Endprodukt

Page 1

Rohstoff CAPLUS®

Abbildung 1

Biogas, Erdgas und Syn - the segas müssen vor ihrer Nut zung von sauren Gas-komponenten befreit werden. Die Reinigung mit Aminen gilt als Stand der Technik

Abbildung 2

Prinzip der chemischen Gaswäsche: Im Absorber werden CO2 und H2S durch Reaktion mit den gelösten Aminen bei 40 bis 60 °C aus dem Roh gas entfernt. Im Desorber werden die Gase bei erhöhten Temperaturen wieder freigesetzt

Gereinigtes�Gas

Wärmetauscher

DesorbierterGasstrom

Sauergase

Verdampfer

Rückflusskondensator

Niederdruck-Flash-

Verdampfer

Hochdruck-Flash-

Verdampfer

Absorber

Hochdruck-Flash-Gas

Kühler�für�das�

Absorbens

Frischwasser

Niederdruck-Flash-Gas

Rohgas

Desorber

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28 RESSOURCENEFFIZIENZ

333 wendungen großtechnisch synthetisiert werden. Obwohl Evonik in der Gas­ und Erdölbranche ein Neuling ist, gelang es in für ein Innovationsprojekt dieser Art verhältnismäßig kurzer Zeit, die Vorteile der neuen Aminformulierung in kommerziellen An­lagen unter Beweis zu stellen und deren ökologische und ökonomische Vorteile zu belegen.

Neue Aminformulierung auf Umwegen2008 begann ein Team aus der Verfahrenstechnik und der ehemaligen Evonik­Tochter Steag mit der Suche nach basischen Chemikalien, mit denen sich das Kli­magas CO2 aus Rauchgasen der Kohlekraftwerke ab­trennen lässt, um danach in unterirdische Lager ver­presst zu werden. Dieses Carbon Capture and Storage (CCS) gilt als mögliche Methode, die Treibhausgas­emissionen des Energiesektors zu senken und dem Klima wandel zu begegnen.

Die Ansprüche an ein CCS­Absorbens waren da­mals klar definiert: Es musste hochaffin gegenüber CO2 sein, stabil gegenüber Sauerstoff und zudem preiswert in der Herstellung, weil bei Kohlekraftwer­ken enorm große Mengen an Rauchgasen behandelt werden müssen. Auf Basis der im Konzern hergestell­ten Amine konnten mehrere Absorbenzien entwickelt werden, die für die Entfernung von CO2 aus Abgasen der Kraftwerke geeignet waren. Allerdings blieben die gesetzlichen Rahmenbedingungen für CCS in Deutschland und Europa trotz intensiver öffentlicher Debatten vage, so dass sich für diese Amine kein Markt entwickeln konnte.

Dennoch erwiesen sich die CCS­Arbeiten als Glücksfall: Die Aminexperten im Konzern nutzten die Ergebnisse für eine Weiterentwicklung der chemischen Waschmittel für andere Einsatzzwecke. Im Jahr 2010 bekam die Aminforschung, diesmal im Geschäftsbereich Advanced Intermediates (heute: Segment Performance Materials), eine neue Ausrich­tung. Ein Team begann gezielt mit der Suche nach geeigneten Abkömmlingen für die Sauergaswäsche industriell wichtiger Gasströme wie Erdgas, Biogas und Synthesegas. Dahinter stand die Überzeugung, dass Amine, die CO2 aus Rauchgasen entfernen, im Prinzip auch andere Gasströme von sauren Bestand­teilen befreien können.

Allerdings: Weltweit haben sich für die saure Gas­wäsche unterschiedliche Amine und Rezepturen fest etabliert. Neue Lösungen, die Bekanntes ersetzen sollen, müssen in Leistung und Performance entschei­dende Vorteile mit sich bringen. Daher stellten die Entwickler von Evonik an neue Waschmittel beson­ders hohe Anforderungen: eine exzellente chemische

Abbildung 3

CAPLUS® schneidet in wesentlichen Aspekten deutlich besser ab als etablierte Amine

�CAPLUS®��� �Sulfinol���� �Methyldiethanolamin�+�Piperazin Aminoethoxyethanol

Höheres�Kapazitätssteigerungspotenzial�

Höhere�Stabilität�der�Aminlösung�

Geringere�Schaumbildung�Höhere�Energieeffizienz

Geringere�Korrosion�

10

0,01

0,1

1

0,5 1,0 1,5 2,0

0,001

0

Abbildung 4

CAPLUS® bindet CO2 bei 40°C sehr gut und setzt es bei 120°C sehr leicht wieder frei. Im Vergleich zu Standardaminen werden deutlich höhere Löslichkeiten erreicht

CAPLUS®��� �Absorption�40°C��� �Desorption�120°C Monoethanolamin��� �Absorption�40°C��� �Desorption�120°C�Methyldiethanolamin�+�Piperazin��� �Absorption�40°C��� �Desorption�120°C�

CO2-Partialdruck�[bar]

Beladung�[Mol�CO2/Mol�Amin]

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29RESSOURCENEFFIZIENZ

und thermische Stabilität, um Zersetzung und Kor­rosion vorzubeugen; außerdem eine gute Löslichkeit der sauren Bestandteile bei niedrigen Temperaturen und eine relativ niedrige Löslichkeit bei hohen Tem­peraturen, damit die Regeneration des beladenen Amins möglichst wenig Energie verbraucht; nicht zuletzt geringe Herstellkosten, um die Wirtschaft­lichkeit von Alternativen sicherzustellen.

Auf der Suche nach dem besten WaschmittelAls Leitparameter bei der Suche nach effizienteren Aminen galt die Absorption von Kohlendioxid. Zum einen ist das Klimagas in nahezu allen Gasströmen einer der wichtigsten sauren Bestandteile. Zum ande ren ist CO2 als relativ träges Molekül quasi ein chemischer Benchmark, das den Löseprozess für reaktionsfreudigere Sauergase mit abbildet. Nicht zuletzt lassen sich Versuche mit CO2 sehr viel ein­facher und mit deutlich weniger technischem Aufwand durchführen als beispielsweise mit dem übel riechen­den und stark giftigen Schwefelwasserstoff (H2S).

Bei der Suche wurden die Amine, die ursprüng­lich für CCS entwickelt wurden, auf verschiedene Weise chemisch modifiziert. Die Stoffdaten mög­licher Kandidaten wurden ermittelt, die Prozesse simuliert und die Amine daraufhin getestet, ob sie die

chemischen und thermodynamischen Anforderungen aus dem Lastenheft erfüllen.

Diese klassischen Werkzeuge des Molekül­Scree­nings führten zum Erfolg: Die Evonik­Experten ent­wickelten eine neuartige und stabile Aminformulie­rung für eine effiziente Sauergaswäsche. CAPLUS® besteht aus einer einzigartigen Aminformulierung, die es im Markt bisher noch nicht gibt und die einen breiten Einsatzbereich abdecken kann. Sie eignet sich sowohl für die Sauergaswäsche von Erd­ und Biogas als auch von Synthesegas.

Erstmals wurde CAPLUS® 2012 in eine kommer­zielle Biogasanlage in Niedersachsen eingefüllt. In der Anlage wurden rund drei Tonnen des neuen Amins verwendet. Das Ergebnis des Einsatzes von CAPLUS® war überzeugend. Das Biogas konnte von einem CO2­Gehalt von 45 Volumen­Prozent bis auf unter 1,5 Volumen­Prozent Restgehalt CO2 gereinigt werden – ein Wert, der die Einspeisung ins Gasnetz problemlos erlaubt. Gleichzeitig reduzierte sich die Amin­Umlaufrate der Anlage um 20 Prozent. Das heißt, dass mit derselben Menge an Absorbens auch 20 Prozent mehr Biogas behandelt werden könnte – nur durch die Umstellung auf CAPLUS®. Die Anlage fährt inzwischen seit rund zwei Jahren reibungslos. Die Energieersparnis liegt bei zehn bis 20 Prozent (Abb. 5), in erster Linie dank der leich teren Regene­ration und der geringeren Kreislaufmenge der 333

Seit Sommer 2014 wäscht CAPLUS® in einer kommerziellen Erdgasanlage in Südostasien das dort geförderte Erdgas

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DER MARKT

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30 RESSOURCENEFFIZIENZ

333

Erdgas�ist�der�weltweit�wichtigste�Gasstrom.�Die�Internationale�Energie-agentur�schätzt,�dass�der�Gasverbrauch�bis�2035�um�50�Prozent�steigen�und�dann�ein�Viertel�am�weltweiten�Energiemix�ausmachen�wird.�Erdgas�enthält�neben�Methan�CO2,�H2S,�Kohlenwasserstoffe,�COS�und�Mercap-tane.�Das�Gas�wird�mit�einem�Druck�von�zehn�bis�100�bar�gefördert,�was�eine�effiziente�Wäsche�ermöglicht.�Die�größte�Herausforderung�für�die�Gaswäsche�besteht�darin,�dass�die�Zusammensetzung�von�Erdgas�je�nach�Region,�Land�und�sogar�Vorkommen�stark�schwankt.��

Synthesegas�ist�eine�Mischung�aus�den�Haupt�bestandteilen�Wasserstoff�und�Kohlenmonoxid�und�wichtiger�Ausgangsstoff�für�die�Herstellung�zahlreicher�Grundchemikalien.�Synthesegas�aus�dem�Ammoniakprozess�enthält�zehn�bis�40�Prozent�CO2,�außerdem�Methan�und�andere�Spuren-stoffe.�Auch�Synthesegas�gelangt�unter�hohem�Druck�von�30�bis�50�bar��in�den�Wäscher.�Für�die�Gaswäsche�ist�vor�allem�Kohlenmonoxid�eine�Herausforderung,�da�es�mit�bestimmten�Aminen�reagiert�und�diese�dem�Prozess�entzieht.��

Biogas�ist�bislang�ein�kleiner�Markt,�Biogase�enthalten�neben�Methan�40�bis�50�Prozent�CO2�und�rund�ein�Prozent�Sauerstoff.�Die�Volumenströme�sind�relativ�gering,�da�Biogas�meist�in�kleineren,�dezentralen�Anlagen�erzeugt�wird.�Erschwerend�für�die�Wäsche�kommt�hinzu,�dass�die�kleinen�Volumenströme�unter�Umgebungsdruck�vorliegen,�so�dass�die�Aufreini-gung�recht�viel�Energie�benötigt.

Rauchgase�sind�ein�Sonderfall�unter�den�großen�Gasströmen,�da�sie�Abgase�industrieller�Verbrennungsprozesse�sind,�beispielsweise�aus�Kraftwerken�oder�Müllverbrennungsanlagen.�Sie�enthalten�relativ�wenig�CO2�(bis�max.�12�Volumen-Prozent),�außerdem�inerten�Stickstoff,�Sauer-stoff,�Schwefeldioxid�und�Stickoxide.�Rauchgase�sind�sehr�große�Volu-menströme�unter�Umgebungsdruck.�Das�macht�die�Wäsche�energieinten-siv,�weil�der�Partialdruck�von�CO2�gering�ist.�Zudem�können�Sauerstoff�und�SO2�die�Amine�zersetzen.�

Amine. Auch die Stabilität des neuen Waschmit­tels ist ungewöhnlich gut: Seit Inbetriebnahme muss­ten die Betreiber kein frisches Amin nachfüllen.

Erste Erfolge im wichtigen ErdgasmarktDer erste Schritt in den wichtigen Erdgasmarkt gelang im Sommer letzten Jahres – rund 12.000 Kilo meter von Deutschland entfernt – in Südostasien. In einer kommerziellen Anlage eines großen Öl­ und Gaskon­zerns wurde das alte Amin gegen CAPLUS® aus­getauscht. Die rund 20 Jahre alten Wäscher wurden bei laufendem Betrieb („on the fly“) beschickt. Seit Juli 2014 arbeitet die Anlage erfolgreich mit einer Mischung aus rund 70 Prozent CAPLUS® und rund 30 Prozent altem Amin.

Der Erfolg in Südostasien wiegt doppelt, denn die betreffende Anlage arbeitet unter besonders heraus­fordernden Bedingungen. Der Erdgas­Feed enthält zwischen 35 und 50 Prozent CO2, da einige der Bohr­löcher weitgehend erschöpft sind. Vor Beschickung mit CAPLUS® enthielt das gewaschene Gas immer noch über sechs Prozent CO2, was deutlich über den geforderten Spezifikationen lag. Zudem waren die Aminverluste ausgesprochen groß. Dank der neuen Formulierung gelang es nicht nur, den Restgehalt an CO2 auf unter 0,1 Prozent zu senken. Daneben gingen auch die Aminverluste um rund 80 Prozent zurück – im Wesentlichen durch die geringere Flüchtigkeit der Amine.

Die Anlage in Südostasien war ein erster und besonders wichtiger Meilenstein für den Eintritt in einen bisher nicht belieferten Markt. Derzeit ist Evonik mit weiteren großen Erdöl­ und Erdgasfirmen in Süd­ostasien sowie in der MENA­Region (Middle East & North Africa) und in Südamerika im Gespräch. Diese Teile der Welt gelten als die wichtigsten Wachstums­regionen für Erdgas. Außerdem arbeiten hier viele Anlagen, die ebenfalls von den vielen Vorzügen von CAPLUS® profitieren können.

CAPLUS® wäscht effizienter und zuverlässiger Allerdings ist die Öl­ und Gasbranche ausgesprochen konservativ und hält an bekannten Prozessen fest, auch wenn sie nicht alle Erwartungen erfüllen. Doch Evonik hat alle guten Argumente auf seiner Seite: Dank CAPLUS® kommt ein Wäscher mit rund 20 Pro­zent weniger Amin­Umlaufrate aus, weil die neue Formulierung mehr Sauergase abtrennen kann. Das bedeutet leistungsfähigere Anlagen und eine wirt­schaftliche und effizientere Gasaufbereitung. Schaum­

Die Welt der Gase

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31RESSOURCENEFFIZIENZ

Dr. Jörn Rolker ist�Projektmanager�im�Bereich�New�Business�Opportunities�des�Geschäftsgebiets�Agro-chemicals�&�Polymer�Additives�und�verantwortlich�für�den�technologischen�Part�von�CAPLUS®.�Nach�dem�Studium�der�Verfahrens-�und�Energietechnik�an�der��TU�Berlin�und�der�Promotion�auf�dem�Gebiet�der�Thermodynamik/Thermischen�Verfahrenstechnik�an�der�Universität�Erlangen-Nürnberg�begann�er�2007�im�Servicebereich�Verfahrenstechnik�&�Engineering�(heute:�Technology�&�Infrastructure)�von�Evonik�als�Prozessingenieur.�2011�übernahm�er�seine�aktuelle�Position.�telefon +49 6181 [email protected]

Rick Steglich ist�Projektclusterleiter�im�Bereich�New�Business�Opportunities�des�Geschäftsgebiets�Agro-chemicals�&�Polymer�Additives�und�verantwortlich�für�den�kommerziellen�Part�von�CAPLUS®.�Er�studierte�Betriebswirtschaftslehre�an�der�FOM�–�Fachhochschule�für�Oekonomie�und�Management�in�Essen.�Nach��verschiedenen�Positionen�im�Einkauf,�Controlling�und�Management�Consulting�in�Deutschland�und�China�übernahm�er�2011�seine�aktuelle�Position.�telefon +49 2365 [email protected]

bildung und Korrosion werden auf ein Minimum zurückgedrängt, was Performance und Anlagenver­fügbarkeit verbessert.

Da die neue Formulierung mehr Sauergase bin­den kann, eröffnet sie eine bisher unbekannte Flexibi lität: Ein Standort kann seine Gaskapazität erhöhen, ohne die Anlage selbst zu vergrößern. Ein Aspekt, der insbesondere in Schwellenländern mit angespannter Energieversorgung ein großes Plus bedeutet. Auch Standorte mit einer hohen Umge­bungstemperatur profitieren. Hier sind die Gaska­pazitäten oft schon deshalb beschränkt, weil die Amine für den Wiedereintritt in den Absorber nicht ausreichend gekühlt werden können. CAPLUS® da­gegen hat diese Probleme nicht, weil die Formulie­rung auch bei höheren Temperaturen saure Bestand­teile sicher absorbiert.

Die bessere chemische und thermodynamische Performance des neuen Waschmittels wird von Evonik durch einen umfassenden Rundumservice er­gänzt, wie er in der weltweiten Gasbranche üblich ist. Jede einzelne Anlage wird zuvor simuliert und evaluiert. In der Simulation werden die neuen ver­besserten Betriebsparameter ermittelt sowie der finanzielle Nutzen eines Einsatzes von CAPLUS® für den Kunden, etwa durch eine geringere Verdampfer­leistung oder Einsparungen an Kühlenergie, abge­schätzt. Auch die Option auf eine Kapazitätserweite­rung der Anlage ist ein Bestandteil der Simulations­rechnung. Im Rahmen der Evaluation wird zudem geklärt, welche Dichtungsmaterialien und Stähle ver­baut sind. Tests mit Originalmaterialien zeigen dann, ob sie mit der neuen Rezeptur verträglich sind. Ein Team aus erfahrenen Ingenieuren überwacht den Austausch des Amins vor Ort und passt den Prozess an, wenn sich der Gas­Feed ändert.

So international die Kunden im Gasmarkt sind –die Fäden laufen in Deutschland zusammen. Der Standort Marl kann für die kommenden Jahre ausrei­chend CAPLUS® produzieren. Eine Erweiterung der Kapazitäten ist bei entsprechend erfolgreicher Markteinführung für 2017/2018 denkbar. Schon heute können Kunden und Interessenten in einer Pilot­anlage mit einem Gasvolumenstrom von 500 bis 1.500 Normkubikmeter pro Stunde CAPLUS® im Vergleich zum eigenen Amin testen und die Tauglichkeit für ihre eigene Anwendung prüfen.

Unabhängig davon entwickelt das Evonik­Team bereits die nächste Amingeneration, denn die chemi­sche Basis der neuen Formulierung bietet ausrei­chend Potenzial für weitere Innovationen.

Die erfolgreiche Erschließung des globalen Erd­gasmarktes erfordert Lösungen, die Effizienz und Anlagenperformance deutlich verbessern, eine hohe

Wirtschaftlichkeit versprechen sowie einen profes­sionellen Service bieten. Dazu gehört auch ein Gespür dafür, wo der Markt offen ist für neue Alternativen – also immer dort, wo der herkömm­liche Betrieb an seine technischen und wirtschaft­lichen Grenzen gerät sowie die Versorgungssicher­heit gefährdet ist. Dort kann sich CAPLUS® bewähren und die Kunden im globalen Erdgasmarkt über­zeugen. 777

Gasdurchsatz

Lösungsmittelumlaufrate

Spezifische�Regenerationsenergie

Abtrennrate

12020 40 60 800 100

Abbildung 5

Im Vergleich zum führenden Wettbewerbsprodukt zeichnet sich CAPLUS® durch einen niedrigeren Energieverbrauch und höhere Löslichkeit für Sauergase aus. CAPLUS® erreicht bei gleichen Betriebsbedingungen eine Ersparnis an Regenera tions-energie von 20 Prozent

�CAPLUS®��� �Methyldiethanolamin/Piperazin

[%]

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32 EVONIK-MIKROKOLLEG

Industrie�ist�die�Grundlage�für�Wohlstand.�Dennoch�werden�ihre�Auswirkungen�in�Deutschland�oft�sehr�kontrovers�diskutiert.�Einen�konstruktiven�und�sachlichen�Dialog��zwischen�verschiedenen�Interessengruppen�anzustoßen,�war�Ziel�des�dreijährigen��Evonik-Mikrokollegs�Reconsidering�Industry�an�der�Ruhr-Universität�Bochum.�

WIRTSCHAFT UND WISSENSCHAFT, Politik und Zivilgesell­schaft, Gewerkschaften und Medien: Alle diese Akteure haben in Deutschland unterschiedliche Perspektiven auf und unter­schiedliche Ansprüche und Erwartungen an die Industrie. Bei­spiel Investitionsprojekte: Wenn Unternehmen wachsen wollen, indem sie zum Beispiel ein neues Kraftwerk oder eine neue An­lage errichten, müssen sie auf der einen Seite aufwändige staat­liche und kommunale Genehmigungsverfahren durchlaufen; auf der anderen Seite stoßen sie oftmals auf Widerstände zumindest in der unmittelbaren Nachbarschaft, die dadurch ihre Lebens­qualität bedroht sieht. Dass die Unternehmen ihre Wettbewerbs­fähigkeit sichern wollen (und müssen) und damit auch die des Standorts Deutschland, wird schnell übersehen.

Um die unterschiedlichen Perspektiven zu identifizieren und zu diskutieren, hat Evonik Ende 2011 das Mikrokolleg Recon­sidering Industry an der Ruhr­Universität Bochum (RUB) ins Leben gerufen. Es war in die campusweite RUB Research School für Doktoranden aller Fakultäten integriert und ist jetzt zu Ende gegangen.

Vier von Evonik geförderte Doktoranden sollten in ihren Dis­sertationsprojekten mit unterschiedlichen Blickwinkeln der Frage nachgehen, wie sich das Verhältnis zwischen Industrie, Gesellschaft und Umwelt verändern muss, damit öffentliche De­batten sachlicher geführt werden können. Das Besondere daran war der interdisziplinäre Ansatz. Anna­Lena Schönauer, Maren Schwieger, Dr. Katharina Schubert – mittlerweile schon promo­viert – und Fabian Prystav kommen aus völlig unterschiedlichen Fachrichtungen: Soziologie und Medienwissenschaften, Maschi­nenbau und Wirtschaftswissenschaften.

„Alle Entscheidungen der Industrie über wirtschaftliche Pläne, Prozesse und Produkte haben Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und unsere Umwelt“, sagt Klaus Engel, Vorstands­vorsitzender von Evonik Industries und Absolvent der Ruhr­Universität Bochum; er hat das Mikrokolleg als Mentor beglei­tet. „Aber anders als manchmal suggeriert, sind diese Auswir­kungen nicht ausschließlich negativ; sie helfen auch, unsere Lebensgrundlagen zu sichern oder zu verbessern. Das wird offensichtlich nicht immer verstanden und wir müssen den Ursachen dafür auf den Grund gehen – nur dann können wir als Unternehmen dauerhaft erfolgreich und wettbewerbsfähig sein.”

Forschungsschwerpunkt der vier Stipendiaten war dement­sprechend das Akzeptanzproblem der Industrie in Teilen der Gesellschaft. Die Sozialwissenschaftlerin Anna­Lena Schönauer beispielsweise stellte auf Basis der Befragung von 1.500 Deut­schen fest, dass die Bevölkerung – entgegen vieler Vorurteile – keineswegs grundsätzlich industriefeindlich ist. Fabian Prys­tav beschäftigte sich mit der Frage, was in Finanzbeziehungen mehr zählt: Geld oder Liebe? Der Wirtschaftswissenschaftler gibt in seiner Arbeit konkrete Hinweise, wie sich die Finanz­kommunikation von Unternehmen optimieren lässt. Die Maschi­nenbauingenieurin Katharina Schubert hat an der Akzeptabilität von Großkraftwerken geforscht: Wenn Akzeptanz für eine Option geschaffen werden soll – ist sie aus ingenieurwissen­schaftlicher Sicht überhaupt akzeptabel? Die Medienwissen­schaftlerin Maren Schwieger schließlich spürte philosophisch der Frage nach: Wer oder was ist 2013 aus dem Homo oecono­micus geworden? Was ist der Mensch?

Neue�Perspektiven�auf�alte�Industrien

Evonik-Chef Klaus Engel (Mitte) und die vier Stipendiaten des Mikrokollegs Reconsidering Industry

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33EVONIK-MIKROKOLLEG

Kennzeichen�des�Evonik-�Mikro�kollegs�Reconsi�de�ring�Indus�try�war�die�Inter-�diszipli�narität.�„Ein�klarer�Mehrwert“,�lautet�das�einhel-lige�Fazit�der�Stipendiaten.

Methodisch und persönlich ein Gewinn

Anna-Lena SchönauerSozialwissenschaftlerin

„In�einem�Team,�das�sich�durch�eine�so�große�Vielfalt�an�Diszi�plinen�auszeichnet,�lernt�man�vor�allem�neue�Heran�gehens�weisen�an�einen�Forschungsgegenstand�und�neue�Methoden�zur�Bearbeitung�von�Forschungsfragen�ken-nen.

Ein�weiterer�Pluspunkt�einer�Promotion�in�einem�Kolleg�sind�die�Mitstreiter�–�sie�bieten�Anregungen�und�die�Mög�lichkeit,�sich�intensiv�auszutauschen.�Das�ist�insbesondere�in�schwie-rigen�Situationen,�die�es�während�der�Promo-tion�immer�wieder�gibt,�von�großem�Wert.�Und�wir�hatten�in�diesem�Kolleg�den�entschei-denden�Vorteil,�dass�wir�in�unserer�inhalt�lichen�Arbeit�sehr�viele�Freiheiten�hatten.�

Insgesamt�war�das�Mikrokolleg�sowohl�inhaltlich�als�auch�methodisch�für�mich�per-sönlich�ein�großer�Gewinn.� Ich�würde�mir�wünschen,�dass�es�fortgesetzt�wird,�damit�auch�andere�Nachwuchswissenschaftler�die�Mög-lichkeiten� haben,� in� einem� interdisziplinär�zusammengesetzten�Team�zu�einem�spannen-den�Thema�zu�promovieren.“

Dr. Katharina SchubertMaschinenbauingenieurin

„Ich�kann�mich�gut�an�die�Zeit�meines�Studi-ums�erinnern,�wenn�ich�die�Tageszeitung�auf-schlug�und�mich�kopfschüttelnd�fragte,�wie�die�Gesellschaft�sich�ihre�zukünftige�Energiever-sorgung�vorstellt�–�wenn�Kernkraftwerke�in�Deutschland�aufgrund�einer�Katastrophe�im�fernen�Japan�plötzlich�als�akute�Bedrohung��betrachtet�werden,�wenn�Windenergie�befür-wortet�wird,�„aber�bitte�nicht�in�meiner�Nähe“,�und�wenn�bürgerseitige�Einschränkungen�wie�Einsparung�und�die�Anpassung�des�Verbrauchs�an�die�fluktuierenden�erneuerbaren�Energien�zwar�real�sind,�aber�häufig�totgeschwiegen�werden.�Die�Frage,�ob�die�teils�schlichtweg�falsche�Darstellung�der�Zusammenhänge�in�den�Medien�diese�paradoxe�Einstellung�zusätz-lich�befeuert,�gibt�dem�Thema�noch�eine�ganz�spezielle�Würze.�

Als�Ingenieurin�gingen�mir�ständig�die�Fra-gen�durch�den�Kopf,�welche�Kraftwerke�denn�überhaupt�akzeptabel�sind�und�wie�die�Akzep-tanz�der�Öffentlichkeit�mit�dieser�objektiven�Zumutbarkeit�zusammenhängt.�Das�Mikrokol-leg�ermöglichte�mir�genau�zum�richtigen�Zeit-punkt,�diesen�Fragen�frei�von�Vorgaben�nach-zugehen�und�im�wissenschaftlichen�Austausch�mit�den�anderen�Stipendiaten�meine�eigene�Sicht�auf�das�Thema�zu�objektivieren.�Zusam-men�haben�wir�das�Miteinander�im�interdiszi-plinären�Kontext�gelernt,�eine�im�Beruf�heute�unverzichtbare�Eigenschaft,�die�jedoch�oftmals�zu�wenig�oder�gar�nicht�trainiert�wird.“

Maren SchwiegerMedienwissenschaftlerin

„Interdisziplinarität�war�für�unser�Team�im�Mikro-kolleg�nie�einfach�nur�ein�Schlag�wort;�vielmehr��haben�wir�uns�sehr�stark�damit�aus�einandergesetzt,�was�Interdis�ziplinarität�ist�bzw.�für�uns�sein�kann�–�auch�in�einem�ganz�praktischen�Sinne.�Wichtig�war�dabei�die�Erfah�rung,�dass�es�viele�verschiedene�Per-spektiven�auf�(theore�tische)�Gegenstände,�ja�auf�die�Welt�gibt�und�dass�das�auch�gut�so�ist.�Das�hat�uns�zwar�vor�die�Herausforderung�gestellt,�Wege�und�

Werk�zeuge�zu�finden,�die�eine�Kommunikation�trotz�dieser�Unterschiede�ermög-lichen.�Aber�genau�das�habe�ich�in�unserem�Team�als�sehr�bereichernd�empfunden.

Beispielsweise�war�da�‚der�Zwang’,�philosophische�Zusammenhänge�via�Power-point�und�in�möglichst�einfachen�Sätzen�darzulegen.�Als�Geisteswissenschaftler�neige�ich�dazu,�mich�hinter�Fremdwörtern�und�Schachtelsätzen�zu�verschanzen.�Umso�wichtiger�war�für�mich�die�Erkenntnis,�dass�es�gar�nicht�weh�tut,�wenn�man�seinen�Elfenbeinturm�verlässt,�und�vor�allem,�dass�es�unabding�bar�ist�–�denn�sonst�kann�es�keinen�interdiszi�plinären�Austausch�geben.“

Fabian PrystavBetriebswirt

„Die�Zeit�im�Mikrokolleg�hat�uns�allen�einen�wertvollen�Blick�über�den�eigenen�Tellerrand�ermöglicht,�nicht�nur�fachlich,�sondern�auch�ganz�pragmatisch:�Bei�der�ersten�Präsentation�im�Auswahlverfahren�hatte�ich�als�BWL-Stu-dent�–�jedes�Vorurteil�bestätigend�–�perfekt�durchstrukturierte�Powerpoint-Folien�dabei.�Maren�Schwieger� trug�hingegen� im�Sitzen��einen�ausformulierten�Text�vor�–�halt�jeder�so,�wie�er�es�aus�dem�eigenen�Bereich�kannte.�Da�gab�es�den�ersten�Aha-Effekt.�Von�der�fach-lichen� Seite� war� es� extrem� spannend� zu�schauen,�wie�die�anderen�in�ihrer�jeweiligen�Disziplin� methodisch� an� Probleme� heran-gehen.

Und�in�einem�Punkt�sind� wir� uns� alle�einig:�Die�Unter-stüt�zung�von�Evo-nik�auf�allen�Ebe-nen� war� einfach�klasse.�Es�ist�eine�besondere� Ehre,�mit�dem�Vorstands-vorsitzenden�eines�Unter�nehmens�wie�Evonik� über� die��

eigene�Forschung�diskutieren�zu�können�und�dabei�auf�großes�Interesse�zu�stoßen.�Außer-dem� haben� die� Professoren� und� die� RUB��Research�School�einen�super�Job�gemacht.�Auch� das� Team� war� klas��se.� Ich� kann� nur��jedem�angehenden�Doktoranden�empfehlen:�Wenn�es�ein�neues�Mikrokolleg�gibt:�Bewerbt�euch!“

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DISSERTATION

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34 EVONIK-MIKROKOLLEG

Akzeptabilität von Großkraftwerken – die Begrenztheit von Grenzwerten

Die�Entwicklung�der�Akzeptanz�für�Kraftwerke�zur�Stromer�-zeu�gung�wird�in�Deutschland�zunehmend�als�problematisch�wahr-genommen.�Paradoxerweise�führt�gerade�ein�durch�moderne�Technik�erreichter�hoher�Lebensstandard�dazu,�dass�die�Gesell-schaft�zunehmend�kritischer�und�sensibler�auf�unwillkommene�Nebenfolgen�dieser�Technik�reagiert.

Bei�der�Frage,�welcher�Ansatz�geeignet�ist,�um�die�notwen-dige�Akzeptanz�zu�schaffen,�scheint�aus�ingenieurwissenschaft-licher�Sicht�der�Beweis�der�Akzeptabilität�der�ehrbarste�und��sinnigste�zu�sein.�Von�Akzeptabilität�darf�gesprochen�werden,�wenn�das�Verhältnis�der�Vor-�und�Nachteile�einer�Technologie�gleich�eins�ist,�sprich,�wenn�der�Nutzen�ebenso�groß�ist�wie��der�Schaden.�Um�die�Zulässigkeit�der�Schadenshöhe�zu�beur-teilen,�bedarf�es�belastbarer�Grenzwerte�–�genau�diese�fehlen��jedoch.�Deshalb�kann�auch�das�Verhältnis�von�Vorteilen�zu�Nach-teilen�nicht�absolut�beurteilt�werden.

Somit�bleibt�der�Ansatz,�dieses�Verhältnis�bzw.�die�Akzep�-tabilität�zu�verbessern,�indem�die�Nachteile�einer�Techno�logie�verringert�werden.�Davon�profitieren�neben�den�Anwoh-nern�auch�die�gesamte�Gesellschaft�sowie�die�Umwelt�und�die�Industrie:�Zum�einen�wird�so�das�Risiko�innerhalb�der�Anlage�numgebung�minimiert,�zum�anderen�steigt�die�Zuverlässigkeit�der�Anlagen�und�damit�auch�ihre�Wirt�schaft�-l�ichkeit,�was�langfristig�auch�dazu�beiträgt,�die�Kosten��der�Energiewende�zu�begrenzen.�Durch�beides�lässt�sich��die�Akzeptanz�steigern.

Im�Rahmen�der�Dissertationsschrift�wurde�dieser�Weg��verfolgt�und�auf�die�Zukunftstechnologie�Windkraft�angewen-det,�die�bisweilen�so�ambivalent�diskutiert�wird�wie�keine��andere.�Es�wurde�das�Modell�WindRAD�entwickelt,�um�eine�

technikspezifische�Analyse�schwerer�Fehlerabläufe�in�Wind-ener�gie�konvertern�zu�ermöglichen.�Die�Untersuchung�von�Zusam�men�hängen�zwischen�bestimmten�Fehlerabläufen�und�bestimmten�Anlagenmerkmalen�hilft,�design-�und�wartungs-technische�Risikotreiber�zu�identifizieren.�Daran�lässt�sich�auf-zeigen,�welche�Optimierungsmöglichkeiten�bestehen�und��wie�sie�kostenbewusst�umgesetzt�werden�können.

Als�zentrale�Empfehlungen�resultieren�unter�anderem�eine�Optimierung�der�Serienfertigungsprozesse,�eine�Blitzschutz-nachrüstung�veralteter�Anlagenmodelle�und�eine�Wartungs-intensivierung�bei�Anlagen�mit�hydraulischen�Antrieben�zur�Blatt-winkelverstellung.

Windkraft wird bisweilen so ambivalent diskutiert wie keine andere Technologie zur Energiegewinnung

Dr. Katharina Schubert

Ruhr-Universität�Bochum,�Fakultät�für�MaschinenbauDissertation�bei�Prof.�Dr.�Hermann-Josef�Wagner�und�Prof.�Dr.�Marco�Koch,�Lehrstuhl�Energiesysteme�und�Energiewirtschaft

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Einstellungen zur Industrie und die Akzeptanz industrieller Großanlagen in Deutschland

Anna-Lena Schönauer, M.A.

Ruhr-Universität�Bochum,�Fakultät�für�Sozialwissenschaft�Doktorarbeit�bei�Prof.�Dr.�Rolf�G.�Heinze,��Lehrstuhl�für�Allgemeine�Soziologie,�Arbeit�und�Wirtschaft�

Ausgangspunkt�des�Dissertationsprojekts�ist�die�in�den�vergan-genen�Jahren�vermehrt�aufkommende�Debatte�in�Wirtschaft,�Politik�und�Medien�über�eine�zunehmende�Industriefeindlichkeit�in�Deutschland.�Im�Zuge�dieser�Debatte�wird�immer�wieder��auf�die�Proteste�verwiesen,�die�sich�gegen�den�Neu-�und�Ausbau��industrieller�Großanlagen�und�gegen�die�im�Rahmen�der�Ener-giewende�entstehenden�Anlagen�zur�Energieerzeugung�richten.�Ob�es�in�Deutschland�grundsätzlich�eine�industriefeindliche�Haltung�gibt�oder�ob�die�Proteste�nicht�vielmehr�die�Ablehnung�einzelner�Projekte�vor�Ort�zum�Ausdruck�bringen,�wurde�im�Rahmen�einer�breit�angelegten�empirischen�Untersuchung�überprüft.�

Die�Ergebnisse�dieser�Untersuchung�belegen,�dass�in�der�deutschen�Bevölkerung�keine�generelle�negative�Einstellung��gegenüber�der�Industrie�vorherrscht.�Vielmehr�findet�sich��eine�ambivalente�bis�positive�Einstellung�zur�Industrie,�die�vor�allem�durch�die�Wahrnehmung�der�wirtschaftlichen�Bedeu-�tung�der�Industrie�geprägt�ist.

Auch�dem�Bau�neuer�industrieller�Anlagen�stehen�die�Deut-schen�nicht�grundsätzlich�ablehnend�gegenüber;�allerdings�nimmt�die�Ablehnung�deutlich�zu,�wenn�nach�der�Einstellung�zum�Bau�industrieller�Anlagen�in�der�eigenen�Nachbarschaft��gefragt�wird.�Diese�Ablehnung�ist�jedoch�kein�spezifisches�Charakteristikum�industrieller�Anlagen,�sondern�betrifft�auch�Freizeiteinrichtungen�oder�öffentliche�Einrichtungen�wie�Gefängnisse�oder�Asylbewerberheime.

Auch�in�der�medialen�Berichterstattung�kann�eine�übermäßig�negative�Darstellung�der�Industrie�nicht�beobachtet�werden.��Es�zeigt�sich�aber,�dass�über�einzelne�Branchen�wie�die�Pharma-�oder�die�Lebensmittelindustrie�eher�negativ�berichtet�wird.��Die�Darstellung�zum�Beispiel�der�Automobilindustrie�ist�hingegen�deutlich�positiver�konnotiert.�Die�deutsche�Bevölkerung�beur-teilt�die�verschiedenen�Branchen�ebenfalls�unterschiedlich:��So�werden�die�Elektroindustrie�und�der�Maschinenbau�sehr��positiv�und�die�Pharma-�und�Chemieindustrie�eher�negativer��bewertet.

Wird in Medien eher positiv dargestellt: die Automobilindustrie

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36 EVONIK-MIKROKOLLEG

DISSERTATION

Informationsprobleme in Finanzbeziehungen

Steigende�Regulierungsanforderungen�im�Zuge�der�Finanz-��und�Wirtschaftskrise�und�die�Digitalisierung�zwingen�die�Finanzindustrie,�sich�zu�überdenken�–�im�Sinne�von�Recon-sidering�Industry.�Die�Journal-Beiträge�meiner�Dissertation��behandeln�mit�Blick�auf�die�beteiligten�Akteure�und�relevanten�Informationsprobleme�jeweils�unterschiedliche�Ausprägungen�von�Finanzbeziehungen.

Die�kommerzielle�Beziehung�zwischen�(Industrie-)Unter-nehmen�und�ihren�Kapitalgebern�ist�Gegenstand�des�ersten�Forschungsabschnitts.�Die�Analyse�beruht�auf�Tiefeninterviews�mit�30�mittelständischen�Unternehmen�und�der�spiegelbild-lichen�Befragung�ihrer�Kapitalgeber.�Das�Fazit:�Vertrauen�ist��der�Schlüsselfaktor.�Dieses�Vertrauen�aufzubauen�benötigt�Zeit;��darüber�hinaus�gibt�es�Werte,�etwa�die�persönliche�Behand��-lung�auf�Vorstandsebene,�die�Unternehmern�wichtiger�sind�als�reine�Kostengesichtspunkte.

Der�zweite�Forschungsabschnitt�untersucht�die�hoheitliche�Beziehung�zwischen�Banken�und�der�Bankenaufsicht.�Quali�ta-tive�Aufsicht�–�sie�basiert�primär�nicht�auf�Zahlen�des�Jahres-�ab�schlusses�oder�des�internen�Rechnungswesens,�sondern�auf�

der�Bewertung�von�Strukturen�und�Prozessen�in�Banken�–��setzt�den�Zugang�der�Aufseher�zu�bankinternen�Informationen�voraus;�dieser�kann�zwar�erzwungen�werden,�ist�dann�aber��wenig�effizient.�Erstmalig�wurden�sowohl�Banken�als�auch�Auf-seher�interviewt.�Es�zeigt�sich,�dass�es�für�effiziente�Aufsichts-kom�munikation�Zeit,�guter�Vorbereitung�und�einer�proaktiven�Grundhaltung�bedarf.�Klare�gegenseitige�Erwartungen�sind��die�Basis�vertrauensvoller�Interaktion.

Die�digitale�Beziehung�zwischen�privaten�Kreditgebern�und�-nehmern�auf�sogenannten�Peer-to-Peer-Lending-Plattformen�wurde�im�dritten�Forschungsabschnitt�in�einem�Experiment�simu-liert.�Peer-to-Peer�Lending�steht�für�Kredite,�die�direkt�von�Privat-personen�an�Privatpersonen�vergeben�werden,�ohne�dass�ein�Finanzinstitut�als�Vermittler�auftritt.�Ziel�war�es�herauszu�finden,�von�welchen�Informationen�sich�Anleger�in�ihren�Entschei�dungen�beeinflussen�lassen.�Das�Ergebnis:�Investoren�ignorieren�Projekte�mit�einer�schlechten�Bonitätsnote,�sofern�keine�persönlichen�Informationen�der�Kreditnehmer�einsehbar�sind.�Es�werden�ins-besondere�diejenigen�unterstützt,�die�als�Verwend�ungszweck�des�Kredits�die�eigene�Selbstständigkeit�oder�Aus�bildung�nennen.�

Fabian Prystav, M.A.

Ruhr-Universität�Bochum,�Fakultät�für�WirtschaftswissenschaftDoktorarbeit�bei�Prof.�Dr.�Stephan�Paul,�Lehrstuhl�für�Finanzierung�und�Kreditwirtschaft

Fabian Prystav gibt in seiner Arbeit konkrete Hinweise, wie sich die Finanzkommunikation von Unter-nehmen optimieren lässt

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37EVONIK-MIKROKOLLEG

DISSERTATION

On Beetles and Stones. Towards A Minor Ecology

Meine�Arbeit,�die�im�Bereich�Medienwissenschaft�angesiedelt�ist,�versucht�einen�Beitrag�zu�Theorie�und�Geschichte�der�Ökologie�zu�leisten.�Ökologie�ist�heute�viel�diskutiert,�etwa�in�Bezug�auf�Themen�wie�Energiewende,�Klimaerwärmung��oder�das�Anthropozän,�also�die�Frage,�inwiefern�der�Mensch�geolo�gische�Spuren�hinterlassen�hat,�die�so�massiv�sind,�dass�hierfür�ein�eigenes�Erdzeitalter�ausgerufen�werden�soll.�Außer-dem�und�im�Zusammenhang�damit�gibt�es�einen�weitreichenden�Ökologiediskurs�speziell�in�den�Medienwissenschaften.�Aber�gerade�weil�Ökologie�in�aller�Munde�ist�und�uns�in�Form�des�Carbon�Footprint�im�Supermarkt�genauso�begegnet�wie�in��philosophischen�Debatten,�wird�selten�deutlich,�was�mit�Ökolo-gie�bzw.�ökologisch�überhaupt�gemeint�ist.

Um�das�zu�klären,�bin�ich�in�erster�Linie�historiographisch�vorgegangen.�Ich�bin�sozusagen�an�die�Anfänge�von�Ökologie�und�damit�an�das�Ende�des�19.�und�den�Anfang�des�20.�Jahrhun-derts�zurückgegangen.�Anfänge�im�Plural�ist�hier�ganz�bewusst�gewählt,�denn�es�gibt�nicht�so�etwas�wie�einen�Startpunkt.�

Der�Begriff�Ökologie�wurde�1866�von�Ernst�Haeckel�geprägt;�die�wissenschaftliche�Disziplin�der�Ökologie�wurde�erst�gut��

50�Jahre�später�ausgerufen,�und�davor�und�danach�gab�es�immer�wieder�neue�Praktiken,�Methoden�und�Instrumente,�um�das��zu�bestimmen,�was�man�die�Ökologie�eines�Lebewesens�nannte.�

Gemeinsam�war�all�diesen�Bestrebungen�ein�neuer�Blick��auf�Lebewesen:�Egal�ob�in�theoretischen�Abhandlungen�oder�zur�Steigerung�von�Fischfangquoten,�das�Lebewesen�wurde�nun�als�etwas�aufgefasst,�das�in�einem�Zusammenhang�steht,�in�Wechselwirkung�mit�seiner�Umgebung�und�anderen�Organis-men,�gerade�weil�es�lebt�–�weil�es�frisst,�atmet,�sich�fortpflanzt,�stirbt.�Am�Beispiel�von�Käfern�und�Steinen�wird�das�besonders�deutlich.

Doch�diese�damals�neue�Auffassung�von�Natur�und�Leben�hat�bei�gleichen�Annahmen�zu�durchaus�unterschiedlichen�Folgen�geführt:�einerseits�zu�einem�von�rassistischen�Ideologien�begleiteten�Fortschrittsphantasma,�das�den�Menschen�als�Krone�der�Schöpfung�zum�Herrscher�über�alles�macht,�was�kreucht�und�fleucht;�andererseits�zu�einem�anti-�oder�posthumanisti-schen�Bild�eines�Naturganzen,�eines�umspannenden�Gefüges,�in�das�der�Mensch�wie�alles�andere�eingebunden�ist,�nicht�weniger�oder�mehr�entwickelt�als�ein�Hund�oder�eine�Amöbe.�

Letztlich�war�und�ist�mit�Ökologie�–��bereits�in�den�Anfängen,�aber�auch�in�den�zahlreichen�Wandlungen�der�Bedeu-tungen,�Methoden�und�Praktiken�–�im-mer�das�Potenzial�verbunden,�die�Frage�danach�zu�stellen,�was�der�Mensch�ist.�Diese�Frage�nach�der�Stellung�des�Men-schen�ist�umso�beachtenswerter�in�einer�Zeit,�in�der�der�Mensch�mehr�denn�je�mit�seinen�Ein-�und�Auswirkungen�kon-frontiert�wird,�und�angesichts�dessen�er�einmal�mehr�versucht�ist,�die�Steue�rung�von�Raumschiff�Erde�zu�über�nehmen.

Der Begriff Ökologie wurde zunächst allge mein auf Wechselbeziehungen zwischen Lebewesen und Umwelt bezogen. Diese lassen sich unter anderem am Beispiel von Käfern verdeutlichen

Maren Schwieger, M.A.

Ruhr-Universität�Bochum�(RUB),�Institut�für�MedienwissenschaftDissertation�bei�Prof.�Dr.�Erich�Hörl,�ehemals�Professur�für�Medientechnik�und�Medienphilosophie,�RUB;�jetzt�Professur�für�Medienkultur,�Leuphana�Universität�Lüneburg

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38 NEWS

Beauty & Care-Innovationszentrum in Singapur eröffnet

Evonik�hat�ein�Sortiment�an�funktionalen�Polymeren�speziell�für�den�Einsatz�in�Nahrungsergänzungsmitteln�entwickelt.�Mit�der�neuen�Pro-duktfamilie�Eudraguard®�erschließt�sich�das�Geschäftsgebiet�Health�Care�von�Evonik�neben�dem�Pharmamarkt�auch�die�Nutraceuticals-Branche.

„Weltweit�werden�die�Menschen�immer�gesundheitsbewusster.�Damit�steigt�ihre�Bereischaft,�ihre�Ernährung�durch�Nutraceuticals�oder�Nahrungsergänzungsmittel�zu�ergänzen“,�sagt�Dr.�Jean-Luc�Herbeaux,�Leiter�des�Geschäftsgebiets�Health�Care.�„Zur�Verbesserung�ihrer�Wirk-samkeit�bedürfen�manche�dieser�Produkte�hochentwickelter�Formu-lierungs-�und�Freisetzungstechnologien.“

Die�Formulierung�trägt�maßgeblich�zur�Wirksamkeit�und�zum�kom-merziellen�Erfolg�von�Nahrungsergänzungsmitteln�bei.�Farbe,�Konsis-tenz,�Geruch�und�Geschmack�müssen�für�den�Verbraucher�angenehm�sein,�und�unangenehme�Nebeneffekte�wie�das�Aufstoßen�sollen�ver-mieden�werden.�Basierend�auf�60�Jahren�Erfahrung�mit�EUDRAGIT®�

Bessere Nahrungsergän zungs mittel durch neue Polymere von Evonik

Polymeren�für�Arzneimittel�hat�Evonik�innovative,�einfach�anwendbare�und�zuverlässige�funktionale�Überzüge�für�Nahrungsergänzungsmittel�entwickelt.�

Eudraguard®�protect�dient�vor�allem�der�Geschmacks-�und�Geruchs-maskierung,�zum�Beispiel�bei�Erzeugnissen�mit�Knoblauchextrakt�oder�Fischöl.�Es�schützt�empfindliche�Inhaltsstoffe�außerdem�vor�Feuchtig-keit,�Licht�und�Sauerstoff.�

Eudraguard®�control�verhindert,�dass�Inhaltsstoffe�durch�Kontakt�mit�der�Magensäure�an�Effektivität�verlieren,�und�gewährleistet�ihre�verzögerte,�kontrollierte�Freisetzung�an�der�richtigen�Stelle�im�Verdau-ungstrakt.�Mit�dem�Polymer�lassen�sich�zuverlässige,�reproduzierbare�Freigabeprofile�umsetzen.�

Nach�erfolgreicher�Zulassung�der�Eudraguard®�Produkte�in�Europa�und�den�USA�beginnt�Evonik�jetzt�mit�der�Vermarktung.�Das�Eudra-guard®�Portfolio�wird�in�den�kommenden�Monaten�weiter�ausgebaut�werden.

Evonik�hat�in�Singapur�ein�Beauty�&�Care-Innovationszentrum�eröffnet.�Hier�sollen�Inno�vationen�und�qualitativ�hochwertige�Produkt�lösungen�für�Kunden�aus�dem�Bereich�Körperpflege�in�Süd-ostasien,�Australien�und�Neuseeland�bereitgestellt�werden.�Das�neue�Zentrum�wird�eng�mit�den�regionalen�Forschungsinstituten�und�Industriepartnern�zusammenarbeiten.

„Mit�den�Technologieplattformen�unseres�neuen�Beauty�&�Care-Innovationszentrums��werden�wir�unsere�Innovationsaktivitäten�in�Asien�weiter�vorantreiben“,�erklärt�Ian�Chan,��regionaler�Business�Manager�für�Personal�Care�in�Südostasien,�Australien�und�Neuseeland.�Das��Zentrum�wird�auf�die�regionalen�Bedürfnisse�in�Asien�ausgerichtet�sein�und�sich�mit�der��Prüfung�neuer�Inhaltsstoffe�und�der�Entwicklung�neuer�Produkte�und�Anwendungen�beschäf-tigen.

Dazu�gehört�die�Unterstützung�regionaler�Kunden�bei�der�Entwicklung�von�Formulierun-gen,�mit�Analysen�der�Leistungseffizienz,�technischen�Schulungen,�technischer�Unterstützung�und�Forschung�zu�Inhaltsstoffen�für�neue�und�bereits�existierende�Produkte.�

„Diese�Investition�vervollständigt�unsere�globale�Aufstellung�und�betont�unser�Engagement�als�strategischer�Partner�für�unsere�Kunden�nahe�an�ihren�lokalen�Märkten“,�sagt�Dr.�Tammo�Boinowitz,�Leiter�des�Geschäftsgebiets�Personal�Care�von�Evonik.��

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39NEWS

Dreidimensionale Strukturkerne für Sandwichbauteile

Sandwichkerne�für�Faserverbundbauteile�werden�derzeit�überwiegend�als��flächige�Strukturen�ausgeführt.�Für�die�industrielle�Serienfertigung�stellt�Evonik�nun�mit�seinem�Joint�Venture�LiteCon�in�der�Form�geschäumte�komplexe,�drei-dimensionale�Strukturkerne�für�CFK-Sandwichbauteile�her.�Mit�ROHACELL®�Triple�F-Kernen�werden�komplexe�3D-Bauteile�in�kommerziellen�Mengen�mög-lich.�Durch�die�auch�bei�erhöhter�Temperatur�herausragenden�mechanischen�Eigenschaften�lässt�sich�dieser�Schaum�auch�mit�Hochdruck-Resin�Transfer�Mol-ding�(RTM)�oder�im�Nasspressverfahren�einsetzen.�So�können�nun�Sandwich-bauteile�für�die�Automobilindustrie�–�etwa�für�Karosserien,�Fahrgestelle�und�Anbauteile�–�schnell�und�effizient�mit�leichten�Schaumstoffkernen�produziert�werden.

Das�Kernmaterial�beeinflusst�die�Leistungsfähigkeit�von�Sandwichkonstruk-tionen�stark.�Der�Sandwichkern�sowie�das�gesamte�Sandwichbauteil�sollen��darüber�hinaus�wirtschaftlich�produziert�werden�können.�Bisher�werden�poly-mere�Hartschaumstoffe�für�Sandwichbauteile�meist�in�Blöcken�hergestellt�und�durch�einen�weiteren�Bearbeitungsschritt,�etwa�CNC-Fräsen,�in�die�gewünschte�Form�gebracht.�Durch�das�hohe�Maß�an�manueller�Formung�und�den�relativ�hohen�Verschnitt�sind�die�Herstellkosten�für�eine�Produktion�in�industriellem�Maßstab�zu�hoch.

Deshalb�hat�Evonik�ein�neues�Inmold-Foaming-Verfahren�(IMF)�für�seinen�Hartschaumstoff�entwickelt.�Für�ROHACELL®�Triple�F�wird�ein�Polymeth�-�a�crylimid-Granulat�in�der�gewünschten�Dichte�in�einer�Form�zum�fertigen�Schaumstoffkern�ausgeschäumt.�Metallische�Einsätze,�beispielsweise�Gewinde-inserts,�können�direkt�während�des�Aufschäumprozesses�integriert�werden.�ROHACELL®�Triple�F�ist�mit�handelsüblichen�Harzen�wie�zum�Beispiel�Epoxid-harz�kompatibel.�Aber�auch�thermoplastische�Materialien�können�als�Deckschicht�direkt�in�die�Form�eingelegt�werden.

Sandwichbauteile�mit�einem in situ�geschäumten�Kern�aus�ROHACELL®�Triple�F�werden�von�der�2013�gegründeten�LiteCon�Advanced�Composite�Product�GmbH�angeboten,�einem�Joint�Venture�der�Evonik�Industries�AG�und�der�SECAR�Technology�GmbH.�

Präzisionsschrauben aus VESTAKEEP® PEEK

Das�japanische�Unternehmen�Nippon�Chemical�Screw�&�Co�verwendet�VESTAKEEP®,�das�Hochtempera�turpolymer�Poly�etheretherketon�(PEEK)�von�Evonik,�neuerdings�auch�für�die�Herstellung�von�Präzisionsschrauben�in�Inch-Größe.�Das�Schraubendesign�wird�für�verschiedene�Industrien�in�Nordamerika�hergestellt,�die�insbesondere�in�der�Produk-tion�von�Halb�leitern�und�Arzneimitteln�aktiv�sind.

Je�nach�Anwendung�werden�spezielle�Anforderungen�an�VESTAKEEP®�PEEK�gestellt.�So�wird�in�der�Halbleiter-herstellung�eine�hohe�Reinheit�gefordert,�während�das�Material�bei�Kontakt�mit�Lebensmitteln�oder�Arzneimitteln�die�jeweils�geltenden�Vorschriften�erfüllen�muss.�Zu�den�Eigenschaften�von�VESTAKEEP®�PEEK�gehören�außerdem�Chemikalienresistenz,�hohe�mechanische�Festigkeit,�gute�Dimensionsstabilität�und�gute�Verarbeitbarkeit�im�Spritz-guss.�

VESTAKEEP®�PEEK�von�Evonik�eignet�sich�zur�Herstel-lung�von�Bauteilen,�die�für�den�Einsatz�unter�härtesten�Bedingungen�vorgesehen�sind.�Diese�Bauteile�werden�zum�Beispiel�in�der�Ölförderung,�in�Fahrzeugen�und�in�der�Luft-fahrt�eingesetzt.�VESTAKEEP®�PEEK�Implantatmaterial�wird� darüber� hinaus� für� dauerhafte� Körperimplantate��verwendet.

Demonstrationsbauteil für ROHACELL® Triple F

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40 INNOVATIONSNACHWUCHS

Drei�junge�Naturwissenschaftler�durch-laufen�zurzeit�ein�18-monatiges�Traineeprogramm�Science�bei�Evonik.�elements�wollte�wissen,�wie�es�den�Trainees�bisher�ergangen�ist�und�wie�sie�das�erstmalig�angebotene�Programm�beurteilen.

DAS SCIENCE-TRAINEEPROGRAMM ist ein Pilot. Zum ersten Mal bereitet Evonik junge Hochschul­absolventen in dieser Form gezielt auf die Übernahme einer verantwortungsvollen Funktion im Inno va­tionsbereich vor. Evonik will so verstärkt Mitarbeiter rekrutieren, die naturwissenschaftliches Verständnis und wirtschaftsorientiertes Denken mitbringen und sich durch eine offene Persönlichkeit auszeichnen. Sie sollen innerhalb kürzester Zeit mit dem Innovations­geschehen im Unternehmen vertraut gemacht werden.

Dafür haben die Bereiche Corporate Innovation und Human Resources mit Unterstützung der Perso­nal­ und Organisationsentwicklung ein ausgeklügel­tes 18­monatiges Programm aufgesetzt und diesem ein anspruchsvolles Auswahlverfahren inklusive Telefoninterviews und Assessment Center vorge­schaltet. Denn wenn es darum geht, Menschen mit einem bestimmten Persönlichkeitsprofil zu finden, helfen Zeugnisse nur bedingt. „Die erforderliche fachliche Qualität ist leicht zu bekommen und zu beurteilen. Welche Persönlichkeit dahintersteht, sieht man nur in Aktion“, sagt Tonja Musial, globale HR­Partnerin für Corporate Innovation (seit Mai 2015 Leiterin des Geschäftsführungsbüros im Segment Nutrition & Care).

12 von 300 Bewerbern schafften es bis in das As­sessment Center, drei hielten wenige Wochen später einen Arbeitsvertrag in den Händen: die zwei Wirt­schaftschemiker Katrin Renger und Ahmet Mercan sowie die Biotechnologin Dr. Yilei Fu. Für Carmen Rösch, strategische HR­Partnerin bei Corporate Innovation, kein Zufall: „Studenten der Wirtschafts­

chemie sind von vornherein breiter aufgestellt als reine Naturwissenschaftler und sehr interessiert an den Zusammenhängen zwischen Forschung und Wirtschaft.“

Traineeprogramm als ChanceAlle drei Science Trainees haben das Traineepro­gramm einer festen Stelle vorgezogen, und zwar vor allem wegen seiner speziellen Ausrichtung auf den Innovationsbereich. Das bietet in dieser Art sonst kein Chemieunternehmen. Yilei Fu, die die wissen­schaftliche Arbeit im Labor durch ihre Promotion gut kennt, sah im Programm eine gute Möglichkeit, direkt im Innovationsmanagement und New Business Development zu arbeiten. Fu: „Klassisch wäre ein Einstieg als Laborleiter, später eine Position in der Produktion und vielleicht irgendwann eine Stelle im Innovationsmanagement.“ Bei Evonik konnte sie gleich in ihrem Wunschbereich starten.

Katrin Renger reizte es, die vielfältigen Möglich­keiten im Innovationsmanagement kennenzulernen und zu sehen, was ihr am besten liegt. Und Ahmet Mercan trieb der Wunsch, das Geschäft von Evonik in seiner Breite zu verstehen. Beide hatten schon als Studenten Kontakt zum Unternehmen: Renger durch ein Praktikum im Projekthaus Light & Electronics in Taiwan, Mercan im Rahmen seiner Masterarbeit zum Thema Green Marketing.

Inzwischen haben alle drei einen fünfmonatigen Einsatz in einem Geschäftsbereich sowie einen vier­

„�Wir�freuen�uns�darauf,��etwas�zurückzugeben“

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41INNOVATIONSNACHWUCHS

monatigen Auslandsaufenthalt absolviert und sind an ihrer dritten Station angekommen. Ihr bisheriges Fazit: viele Eindrücke, viele neue Erfahrungen und eine unverändert hohe Motivation.

Herzliche Aufnahme in den Abteilungen Was sie nach ihrem Start im Februar 2014 schnell lernen mussten: Die Zeit an den Stationen rast. Es gilt, sich schnell zu orientieren und einzuarbeiten, um mit anpacken zu können. Denn an jeder Station wartet ein Teilprojekt auf die Trainees, das sie ver­antwortlich betreuen. Und darüber hinaus möchten sie natürlich viel von der Arbeit der Kollegen mit­bekommen.

Das klappt, weil die Abteilungen immer sehr gut auf sie vorbereitet sind, wie die Trainees betonen. Sie loben die herzliche Aufnahme, die Offenheit und die Unterstützung an allen Stationen. Ohne Eigeninitia­tive geht es allerdings nicht: „Es ist ein Annäherungs­prozess von beiden Seiten – was soll, was will man. Wir dürfen auch Wünsche äußern“, betont Mercan.

So werden die Trainees schnell handlungsfähig gemacht. Leider reicht die Zeit trotzdem nicht immer, den Abschluss der Projekte mitzuerleben. Dann heißt es loslassen und weiterziehen. „Ich versuche immer, den Kontakt zu meinem letzten Bereich aufrechtzu­erhalten, und frage gelegentlich nach dem Projekt­fortschritt“, erzählt Fu.

Was die drei aber schon merken: Sie bauen sehr schnell ein bereichsübergreifendes Netzwerk auf und

„�Wir�freuen�uns�darauf,��etwas�zurückzugeben“

machen Erfahrungen, um die sie mancher altgediente Evonik­Mitarbeiter beneidet – zum Beispiel durch ihren Einsatz in Innovationsabteilungen der opera­tiven Bereiche wie auch der strategischen Forschung. So profitieren die Abteilungen, in denen sie arbeiten, schon jetzt manches Mal von ihren Kontakten in andere Bereiche. Und dieser Effekt verstärkt sich von Station zu Station. „Ich denke, wir bringen schon etwas frischen Wind mit“, sagt Fu. Mercan hat sich beispielsweise angewöhnt, bei Übernahme eines neuen Projekts erst einmal in Connections zu schauen, ob schon andere Kollegen an dem Thema arbeiten. Ein Beitrag zum internen Know­how­Transfer.

Prägende Erfahrungen in Asien und AmerikaAls wichtige persönliche Erfahrung werten die Science Trainees auch ihren Ende letzten Jahres absolvierten Auslandsaufenthalt. Renger hatte es wieder nach Asien gezogen – ins Projekthaus Light & Electronics nach Taiwan. In ihrem dortigen Projekt ging es darum, völlig neue Themen aus dem Segment Resource Efficiency dahingehend zu bewerten, ob sie für Evonik Potenzial haben. Sie arbeitete eng mit der Forschung zusammen, begutachtete potenzielle Liefe­r anten und schaute nach möglichen Akquisitions­zielen. Dabei stand sie in engem Austausch mit einem Team in Deutschland und wurde von einigen Prakti­kanten vor Ort unterstützt. Da sie Taiwan schon kannte, schickte ihr Betreuer sie außerdem für zwei Monate nach Korea, damit sie eine weitere 333

Ahmet Mercan, WirtschaftschemikerKatrin Renger, Wirtschaftschemikerin

Dr. Yilei Fu, Biotechnologin

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42 INNOVATIONSNACHWUCHS

Geschäftskultur kennenlernen konnte. Eine be­reichernde Zeit, sagt Renger. Besonders berührte sie der sehr emotionale Abschied vom Team in Taiwan.

Fu und Mercan verbrachten ihre Auslandsmonate in den USA: Fu in Piscataway in New Jersey, Mercan in Portland an der Westküste. Die junge Biotech­nologin wirkte an der Entwicklung einer Strategie für Methacrylat­Monomere im Öl­/Gasbereich mit. Im Hinblick auf neue Anwendungsgebiete analy­sierte sie Technologien und Märkte, suchte nach geeigneten Partnern und nahm an Gesprächen mit potenziellen Kunden teil. Sie lernte, dass Kunden eine wichtige Informationsquelle sind, wenn es darum geht, neue Märkte zu verstehen. Und sie ist froh, dass ihre Betreuer ihr „so viel zugemutet und zugetraut haben“.

Mercan war zum ersten Mal in den USA und emp­fand die Zeit als „sehr schön und prägend“. Weitab von den anderen Evonik­Standorten im Land durfte er miterleben, wie ein 15­Mann­Team in einem vor vier Jahren erworbenen Start­up­Unternehmen dabei ist, eine Silica­Produktion aufzubauen. Das schnelle, direkte Arbeiten und die familiäre Atmosphäre am Standort gefielen ihm sehr. Wichtig ist ihm auch die Erfahrung, was es bedeutet, eine Entwicklung in die Praxis umzusetzen.

Bis zum Schluss offen bleiben

Nach jeder Station erhalten die Trainees eine detail­lierte Bewertung und eine Einschätzung, für welche Art Tätigkeit sie sich besonders eignen. Die Trainees schätzen diese Feedbackgespräche und freuen sich auch über erste Signale hinsichtlich möglicher Posi­tionen im Unternehmen. Ein Abbruch des Programms kommt für sie allerdings nicht in Frage. Sie sollen und wollen alle Stationen durchlaufen und „bis zum Schluss offen bleiben“, wie es Mercan formuliert. Zwei der drei Trainees lernen in ihrer letzten Station die Creavis, die strategische Innovationseinheit von Evonik, kennen, und wollen dies auf keinen Fall ver­passen.

Aber natürlich nehmen die Fragen bezüglich der Zukunft bei Evonik zu. Sorgen müssen sich Fu, Renger und Mercan nicht machen, weil sie die Zusage für eine Übernahme nach dem Traineeprogramm ha­ben und das bisherige Feedback der Bereiche viel­versprechend ist. Trotzdem gibt es Gesprächsbedarf. Und hier helfen Kollegen mit langjähriger Unter­nehmenserfahrung.

Die Trainees haben das Glück, dass ihnen seit Beginn ihres Traineeprogramms hochrangige Men­toren zur Seite stehen: Dr. Stefan Schulze, Dr. Chris­toph Weckbecker und Dr. Peter Nagler. „Am Anfang hatte ich vor allem Fragen zum Unternehmen, jetzt geht es mehr um die Zukunft“, sagt Fu. Sie empfindet die Unterstützung durch ihren Mentor Schulze als „sehr hilfreich“ und ist dankbar, dass er sich trotz seiner Arbeitsbelastung Zeit für sie nimmt. Auch Mercan ist begeistert, wie schnell und unkompliziert

Nagler ihm immer antwortet. Renger schätzt beson­ders, durch Weckbecker auch das Health & Nutri­tion­Geschäft von Evonik kennenzulernen, mit dem sie sonst in den 18 Monaten keine Berührung gehabt hätte.

Der Wunsch, etwas zu bewirken

Generell bewerten die drei Trainees ihre Zukunfts­aussichten bei Evonik als gut – gerade angesichts der großen strukturellen und strategischen Veränderun­gen im Moment. „Vielleicht ist das genau die richtige Zeit, eine interessante Position zu finden und etwas zu bewirken“, sagt Fu. Alle drei wünschen sich, dem Konzern nach dieser bereichernden Zeit möglichst viel zurückzugeben.

Würden sie sich wieder für das Traineeprogramm entscheiden? Einhelliges „ja“, weil das Programm sehr gut vorbereitet und durchorganisiert ist. Froh sind die drei auch, dass sie das Programm gemeinsam durchlaufen, wie Renger betont. Sie stehen in engem Kontakt miteinander und fühlen sich trotz ihrer teil­weise weiten räumlichen Entfernung als Team.

Ihre Anschlusspositionen werden auch zeigen, wie das Programm und die Trainees im Unternehmen angesehen sind. Geplant ist bisher, Ende 2015 wieder drei Traineestellen Science auszuschreiben. Vorher wird der Pilot noch intensiv evaluiert und das Programm gegebenenfalls angepasst. 777

AUF EINEN BLICK

Rahmendaten:•�18�Monate•��Einsatz�an�verschiedenen�Konzernstandorten�im�In-��

und�Ausland•��Vorbereitung�auf�die�Übernahme�einer�verantwor�-�

tungs�vollen�Funktion�im�Innovationsumfeld

Voraussetzungen:•�Master�oder�Promotion�in�naturwissenschaftlichem�Fach•�Auslandsaufenthalt,�Industriepraktika•�Engagierte,�leistungsbewusste�Persönlichkeit•�Unternehmerisches�Denken,�selbstständiges�Arbeiten•�Gute�Deutsch-�und�Englischkenntnisse

Programm:•��Zwei�mehrmonatige�Stationen�im�Innovationsmanagement��

operativer�Einheiten•��Ein�mehrmonatiger�Aufenthalt�in�der�strategischen��

Innovationseinheit�Creavis•��Ein�mehrmonatiger�Auslandsaufenthalt•��Hospitationen�in�verschiedenen�Abteilungen•��Teilnahme�an�diversen�Entwicklungsmaßnahmen��

(u.a.�Projektmanagement)

Traineeprogramm Science

333

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43NEWS

den�Universitäten�Cornell,�Duke,�Harvard,�University�of�Pennsylvania,�Purdue�und�Stan-ford.�Drei�der�zehn�Ideen�will�Evonik�näher�prüfen�und�gegebenenfalls�im�Labor�weiter-entwickeln.

„Studenten�einzubeziehen�stärkt�nicht�nur�die�Bekanntheit�von�Evonik� im�Hochschul-umfeld,�sondern�liefert�uns�auch�frische�Ideen“,�sagte�Dr.�Sanjay�Gupta,�Vice�President�und�regionaler�Leiter�von�Corporate�Innovation�bei�Evonik.�„Die�Ideen�der�Studenten�zum�Thema�trockenes�Wasser�und�zu�zukünftigen�Themen�sollen�uns�einerseits�helfen,�aktuelle�Frage-stellungen�zu�beantworten,�aber�auch�Anre-gungen�bieten,�darüber�hinaus�zu�denken.“�Das�Unternehmen�wird�in�diesem�Jahr�weitere�Wettbewerbe�veranstalten.

Neuer Studentenwettbewerb liefert gute Ergebnisse

Evonik�hat� in�den�USA�einen�neuen�Wett-bewerb� für� College-Studenten� ins� Leben��gerufen.�Das�Ziel:�Ideen�und�kreative�Lösun-gen�erzeugen,�mit�denen�das�Unternehmen�Probleme� lösen� und� neue� Möglichkeiten��erforschen�kann.�

Der�Wettbewerb�wird�von�MindSumo�gesteuert,�einer�in�San�Francisco,�Kalifor-nien,�ansässigen�Firma,�die�Unternehmen�und�Studenten�zusammenbringt.�Die�The-men�werden�an�mehr�als�400�Universitäten�mit�Schwerpunkt�Naturwissenschaften�und�Ingenieurwesen�ausgeschrieben.�Die�Gewin-nerteams� werden� mit� einem� Geldpreis�belohnt.�

Bei�der�ersten�Ausschreibung,�die�Anfang��dieses� Jahres� lief,� ging� es� um� das� Thema��

Kieselsäuren.�Wo�könnte�Silica�für�„trockenes�Wasser“�eingesetzt�werden?�Mit�Silica�lassen�sich�Flüssigkeiten�in�ein�Pulver�–�in�trockenes�Wasser�–�verwandeln,�das�unter�Krafteinwir-kung�wieder�flüssig�wird.�Unter�anderem�die�Kosmetikindustrie�nutzt�das�trockene�Wasser�für�Make-up-Grundierungen.�Die�Studenten�sollten�nun�Ideen�für�neue,�verbrauchernahe�oder�auch�industrielle�Anwendungen�außer-halb�der�Kosmetikindustrie�entwickeln.�

Die�Resonanz�war�sehr�positiv:�Es�beteilig-ten�sich�viele�renommierte�Universitäten�mit�insgesamt�58�Ideen.�Ein�Evonik-Team�aus�dem�Bereich�Precipitated�Silica�&�Rubber�Silanes�und�der�Anwendungstechnik�beurteilte�die�Qualität�und�Relevanz�der�Vorschläge�und�wählte�zehn�Gewinner�aus,�unter�anderem�von�

Wissenschaftlicher BeiratDr.�Felix�MüllerCorporate�Innovation�[email protected]

RedaktionDr.�Karin�Aßmann�(verantwortlich)[email protected][email protected]

Redaktionelle MitarbeitChrista�FriedlMichael�Vogel

FotosEvonik�IndustriesDirk�BannertAdrian�BedoyDieter�DeboKirsten�NeumannRolf�von�MelisContinental�Automotive��GmbH�(Kasten�S.�8)Daimler�AG�(S.�6�+�7)Fotolia/Ingo�Bartussek�(S.�26)Fotolia/Iren�Moroz�(S.�30)Fotolia/Piotr�Pawinski�(S.�20)Fotolia/Rawpixel�(S.�36)Getty�Images/�Christopher�Kimmel�(S.18)istock�(Titel,�S.�34�+�37)

Gestaltung Michael�Stahl,�München

DruckGriebsch�&�Rochol�Druck�GmbH�&�Co.�KG,�Oberhausen

Nachdruck�nur�mit�Genehmigung�der�Redaktion

HerausgeberEvonik Industries AGCorporate�Innovation�

Rellinghauser�Straße�1–1145128�Essen

Impressum

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Exploring opportunities. Growing together.

Ihre Idee könnte die Welt verändern? Machen wir’s möglich!Als ein weltweit führendes Unternehmen der Spezialchemie suchen wir viel­seitig begabte Persönlichkeiten, denen es Spaß macht mit Spezialisten unter­schiedlicher Bereiche Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Erkennen Sie sich darin wieder? Dann entdecken Sie die zahlreichen Karrieremöglichkeiten auf evonik.de/karriere und werden Sie Teil unseres internationalen Teams.

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