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SÜDWEST PRESSE, Ulm/Neu-Ulm http://www.swp.de/ulm/nachrichten/wirtschaft/Ein-Buchstabe-der-viel-veraendert;art4 ... 03.03.2012 Seite 1 von 2 Ein Buchstabe, der viel verändert HELMUT SCHNEIDER , URL: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/wirtschaft/Ein-Buchstabe-der-viel-veraendert;art4325,1362311 Stuttgart. Man hat sie noch nicht schief angeschaut. Dabei ist der Ruf des Bankers ramponiert. Volker Gerstenmaier und Mario Caroli leiten nicht nur eine Bank, sie gehört ihnen sogar -wenn auch nur ein bisschen. Manchmal macht ein einziger Buchstaben den großen Unterschied aus. Ein Banker ist ein Angestellter einer Bank, ein Bankier einer, dem die Bank gehört, zumindest teilweise. Deshalb sind Mario Caroli und Volker Gerstenmaier die beiden Chefs und die Bankiers von Ellwanger & Geiger. Das Stuttgarter Privat-Bankhaus wird heuer 100 Jahre alt, eine der beiden Gründerfamilien ist in vierter Generation noch als Eigentümer mit an Bord. Die beiden Chefs sind mit einem kleineren Anteil dabei - und vor allem: Sie haften mit ihrem Privatvermögen im Falle einer Pleite. Banker oder Bankier - der Normalmensch macht da wenig Unterschied. Für ihn stehen Banker angeblich nicht hoch in der Gunst. Die beiden Bankiers aber können das nicht bestätigen. "Mich hat noch nie jemand im Lebensmittelladen schief angeschaut", sagt Gerstenmaier. Falls doch, hätte er ihm erläutert, dass die Finanzkrise nichts mit dem zu tun hat, was seine Bank macht. "Wir sind konservativ." Privatbanken gab es früher in Deutschland tausend an der Zahl, heute kaum mehr ein Dutzend. Ellwanger & Geiger ist keine Bank, die Kredite vergibt. Ihr Geschäft ist die Beratung betuchter Kunden. Sie lassen ihr Geld verwalten und zahlen dafür einen festen Prozentsatz. Bei 1 Mio. EUR sind das 1,5 Prozent, bei 10 Mio. EUR zwischen 0,3 und 0,4 Prozent. "Wir sind völlig unabhängig", sagt Caroli. Seine Bank hat kein eigenes Produkt, kassiert auch keine Provision beim Verkauf fremder Produkte. Gerstenmaier war zehn Jahre Assistent der Geschäftsleitung, ehe man ihm den Chef-Posten anbot. Gezögert hat er nicht. Schwieriger war es, einen Co- Geschäftsführer zu finden, der bei Banken der gegenseitigen Kontrolle wegen üblich ist. Die meisten Kandidaten, sagt Gerstenmaier, "hatten irgendwelche Stäbe hinter sich und einen eigenen Fahrer". Mario Caroli ist

Ellwanger & Geiger Privatbankiers: ein Buchstabe, der viel verändert

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Die Südwestpresse, auflagenstärkste Tageszeitung in Baden-Württemberg, widmet sich in ihrer Wirtschaftsserie „die Macher“ ausführlich den persönlich haftenden Gesellschaftern Dr. Volker Gerstenmaier und Mario Caroli. Neben den Portraits wird insbesondere der Unterschied zwischen einem Bankier, der selbst mit seinem Vermögen haftet, und den zuletzt stark in Misskredit geratenen „gierigen Bankern“ herausgearbeitet. Eine der letzten echten Privatbanken Deutschlands steht für Solidität und Verlässlichkeit – und das seit nunmehr 100 Jahren.

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Ein Buchstabe, der viel verändert HELMUT SCHNEIDER

, URL: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/wirtschaft/Ein-Buchstabe-der-viel-veraendert;art4325,1362311

Stuttgart. Man hat sie noch nicht schief angeschaut. Dabei ist der Ruf des Bankers ramponiert. Volker

Gerstenmaier und Mario Caroli leiten nicht nur eine Bank, sie gehört ihnen sogar -wenn auch nur ein

bisschen.

Manchmal macht ein einziger Buchstaben den großen Unterschied aus. Ein Banker ist ein Angestellter einer

Bank, ein Bankier einer, dem die Bank gehört, zumindest teilweise. Deshalb sind Mario Caroli und Volker

Gerstenmaier die beiden Chefs und die Bankiers von Ellwanger & Geiger. Das Stuttgarter Privat-Bankhaus wird

heuer 100 Jahre alt, eine der beiden Gründerfamilien ist in vierter Generation noch als Eigentümer mit an Bord.

Die beiden Chefs sind mit einem kleineren Anteil dabei - und vor allem: Sie haften mit ihrem Privatvermögen im

Falle einer Pleite.

Banker oder Bankier - der Normalmensch macht da wenig Unterschied. Für ihn stehen Banker angeblich nicht

hoch in der Gunst. Die beiden Bankiers aber können das nicht bestätigen. "Mich hat noch nie jemand im

Lebensmittelladen schief angeschaut", sagt Gerstenmaier. Falls doch, hätte er ihm erläutert, dass die Finanzkrise

nichts mit dem zu tun hat, was seine Bank macht. "Wir sind konservativ."

Privatbanken gab es früher in Deutschland tausend an der Zahl, heute kaum mehr ein Dutzend. Ellwanger &

Geiger ist keine Bank, die Kredite vergibt. Ihr Geschäft ist die Beratung betuchter Kunden. Sie lassen ihr Geld

verwalten und zahlen dafür einen festen Prozentsatz. Bei 1 Mio. EUR sind das 1,5 Prozent, bei 10 Mio. EUR

zwischen 0,3 und 0,4 Prozent. "Wir sind völlig unabhängig", sagt Caroli. Seine Bank hat kein eigenes Produkt,

kassiert auch keine Provision beim Verkauf fremder Produkte. Gerstenmaier war zehn Jahre Assistent der

Geschäftsleitung, ehe man ihm den Chef-Posten anbot. Gezögert hat er nicht. Schwieriger war es, einen Co-

Geschäftsführer zu finden, der bei Banken der gegenseitigen Kontrolle wegen üblich ist. Die meisten Kandidaten,

sagt Gerstenmaier, "hatten irgendwelche Stäbe hinter sich und einen eigenen Fahrer". Mario Caroli ist

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nicht von dieser Art: Sparkassenlehre in Ulm, Landesbank Baden-Württemberg, Westdeutsche Immobilienbank

waren seine Stationen, ehe er als Immobilienspezialist zu Ellwanger & Geiger kam und 2001 das Chef-Angebot

bekam.

Viel verändert sich, wenn man vom Angestellten zum Chef wird. Aus dem Spezialisten, den wenig außerhalb

seines eigenen Fachgebiets interessiert, wird der Mensch, dessen Denken ständig um die Firma kreist, sagt

Gerstenmaier. "Man ist immer da", auch im Urlaub erreichbar, der arbeitsvertraglich übrigens gar nicht fixiert ist.

Die Freiheit des Chefs bestehe darin, die Zeit, die er nie hat, selber einteilen zu dürfen. Und wo vorher allenfalls

das Jahresergebnis interessierte, steht beim Unternehmer ständig die Frage, wie seine Entscheidung die Firma in

fünf Jahren aussehen lassen könnte.

Für Familiäres bleibt da zu wenig Zeit, sagt das Bankiers-Duo. Zumal Caroli auch viel unterwegs ist. In den

Ballungszentren ist er für die gewerblichen Kunden da, die Kaufhäuser oder andere Immobilien kaufen und dann

vermieten. Das ist neben der Geldanlage für die Reichen und Halbreichen das zweite Standbein der Stuttgarter

Privatbank.

Wenig Freizeit, wenig Familie, viel Verantwortung - entschädigt dafür das höhere Einkommen? Das fließt

jedenfalls nicht fest kalkulierbar. Die Beiden bekommen zwar eine Grundvergütung, sind aber vom Erfolg des

wechselhaften Immobilien-Geschäfts abhängig.

Die Privathaftung im Falle der Pleite ist für sie ein sinnvolles Prinzip, das zu hohes Risiko verhindert. Mehr von

diesem Prinzip hätte die Finanzkrise zumindest in diesem Ausmaße verhindert, sagt Gerstenmaier. Und Caroli

ergänzt: "Wenn man Unternehmer ist, haftet man immer." Das Risiko lässt sich aber eingrenzen, "indem man

Dinge macht, von denen man etwas versteht". Auch das versteht Gerstenmaier unter "konservativ".

Das überschaubare Risiko kleidet er in das schöne Bild: "Die südtibetanische Zementfabrik können Sie bei uns

nicht kaufen" und grenzt sich so von dem ab, was landläufig unter Zockerei bezeichnet wird. Wenn aber der

Kunde wieder mehr auf Rendite denn auf Sicherheit schielt? Solange die Musik spielt, muss man tanzen, heißt es.

Auch Ellwanger & Geiger sind dabei, wenn die Musik spielt, sagt Caroli - aber eben nur ein bisschen.

Die Finanzkrise hat auch beim beruflichen Nachwuchs die Dinge etwas in Richtung dessen gerückt, was

Gerstenmaier und Caroli unter konservativer Führung verstehen. Früher tat man sich schwer, gute Leute zu

bekommen. "Die wollten zu JP Morgan oder wenigstens zur Deutschen Bank", sagt Gerstenmaier. Heute fühlt sich

mancher Jungbanker bei einem Haus wie Ellwanger & Geiger gut aufgehoben.

Während Caroli der Immobilien-Spezialist ist, hat sich Gerstenmaier auf Wertpapiere spezialisiert. Nach der

Banklehre studierte er Betriebswirtschaftslehre in Mannheim, promovierte danach an der Uni Erlangen und

machte auch ein Seminar an der Harvard Business School in Boston /USA.

Er kennt das Streben des Menschen nach dem Mehr, die ihn immer wieder in neue Übertreibungen und damit

Krisen stürzen wird. Er kennt die Verheißungen der Aktien-Analysten und ihre vermeintlich todsicheren Tipps.

Daraus hat er seine Philosophie abgeleitet. Aus dem Nichts die Million zu machen, das gehe nicht. Nein, "am

Ende hat der am meisten, der am wenigsten verloren hat". Davon sind sie überzeugt, die beiden Bankiers.

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