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Das simulierte Windkraftwerk 12 Saures aus der Aircondition 04 Abenteuer Nanokristalle 16 Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer Jahrgang 11 / Nummer 39 / Januar 2013 Empa News Schall und Rauch Neu!

EmpaNews Januar 2013

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Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer - Jahrgang 11, Nummer 39

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Page 1: EmpaNews Januar 2013

Das simulierteWindkraftwerk 12

Saures aus derAircondition 04

AbenteuerNanokristalle 16

Magazin für Forschung, Innovation und TechnologietransferJahrgang 11 / Nummer 39 / Januar 2013

EmpaNews

Schall und Rauch

Neu!

Page 2: EmpaNews Januar 2013

02 // Editorial

Toxische AbbauprodukteDas Auto-Kühlmittel R-1234yfschädigt die Umwelt 04

Keineswegs nurSchall und Rauch

Obwohl wir auch diese zwei an der Empa erforschen. Genauer ge-sagt: Lärm und Luftschadstoffe beziehungsweise deren Quellenund wie sie zu vermeiden oder zu verringern sind. Beides Pro-

bleme, die je länger je wichtiger werden. Denn: Verdichtetes Bauen,Mischnutzung von ganzen Stadtquartieren und eine immer dichtere Be-siedlung lassen den (störenden) Lärmpegel zumindest in den urbanenZentren hier zu Lande immer weiter steigen. Und Lärm nervt, ganz klar.

Um diesen wirksam einzudämmen, benötigen wir zunächst einmalverlässliche Daten darüber, wo wann wie viel Lärm anfällt. Hierfür nut-

zen Empa-Forschende unter anderem umfassende 3D-Computermodelle und -simulationen. Die resultierendenLärmkarten zeigen dann, wo es in der Schweiz am lautes-ten ist (s. Seite 14), wo also wirklich Not am Mann ist.

Klar wird aber auch: Die (vom Lärm einmal abgese-hen) attraktiven Schweizer Zentren wie Zürich und Genfsind keineswegs Oasen der Stille. Wo viele Menschen aufengem Raum zusammen leben und arbeiten, Verkehrsmit-tel nutzen, Häuser und Strassen bauen, da ist es manchmaleinfach laut. Das wissen zum Beispiel auch der Leiter der

Akustik-Abteilung der Empa, der in einer von Fluglärm belasteten Ge-gend wohnt, und der Schreibende, der jahrelang an der Rosengarten-strasse gelebt hat, als diese noch Haupttransitachse durch Zürich war.

Neben Lärm beeinträchtigen aber auch Treibhausgase und andereLuftschadstoffe unsere Lebensqualität. Deren Ausbreitung in der Atmo-sphäre untersuchen Empa-Forschende mit hochsensiblen, selber entwi-ckelten Messgeräten und Computermodellen. Damit kann man einerseitseruieren, wer wie viel «Dreck» ausstösst (zumindest auf regionaler Ebe-ne innerhalb Europas); andererseits lassen sich die dafür entwickeltenTechnologien auch schon mal «zweckentfremden», etwa zur Detektionvon lecken Spraydosen (s. Seite 08).

Unterm Strich haben all diese Forschungs- und Entwicklungsarbeiten eingemeinsames Ziel: eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft zu ermöglichendank innovativen, Ressourcen schonenden Technologien und Materialien.

A propos – noch ein Hinweis in eigener Sache: Ressourcen in Formvon Papier können auch Sie, werte Leserinnen und Leser, in Zukunftsparen. Indem Sie nämlich die EmpaNews auf Ihrem iPad lesen – underst noch etliche Multimedia-Features dazu bekommen. Probieren Sies;einfach im iTunes-Store nach «EmpaNews» suchen und (natürlich kos-tenlos) abonnieren. In Deutsch oder Englisch.

Viel Vergnügen beim Lesen.

Michael HagmannLeiter Kommunikation

Titelbild

Boeing B747 der Fluglinie Quantas imLandeanflug (Bild: Wikimedia.org) –ein sehr drastisches Beispiel für dieProbleme, die auftreten, wennVerkehrswege nahe bei Wohngebietenliegen. Die Empa untersucht Lärm-quellen und -ausbreitung und verfolgtdie Wege von Schadstoffen in der Luft.

Page 3: EmpaNews Januar 2013

Editorial & Inhalt // 03

Zürcher Konferenz «ICT4S»Startschuss für eine energieeffiziente Zukunft 24

Neuartige ChemieMaksym Kovalenko erforscht die Welt der Nanokristalle 16

Simulierte GeräuscheWindkraftanlagen hören,bevor sie gebaut sind 12

Fokus: Schall und Rauch

04 Saures aus der Aircondition Wie aus neu vorgeschriebenen Kühlmitteln für Autos ein Pflanzengift entsteht.

08 Der Spraydosen-Schnüffler Undichte Spraydosen sind gefährlich. Ein Empa-Gerät erkennt sie blitzschnell – während der Produktion

12 Sein und Schein am Beispiel der Windturbine Wie störend sind Windturbinen? Die Empa simuliert Lärm und Optik noch in der Planungsphase

14 Centerfold: Die Schweiz – kein stilles Land Detaillierte Lärmkarten zeigen: Wer leidet wo?

Forschung und Entwicklung

16 Erfahrungen aus dem US-Forschungsbetrieb mit der hiesigen Kultur verknüpfen Interview mit dem Nanokristall-Spezialisten und ERC-Preisträger Maksym Kovalenko

Wissens- und Technologietransfer

19 Ein Turbo für die Brennstoffzelle Thermoelektrik verwandelt Abwärme in Strom

Wissenschaft im Dialog

24 IT-Startschuss für eine energiebewusste Welt Eine Konferenz in Zürich zeigt, wie Kommunikationstechnik den Energieverbrauch steuern kann

Impressum

HerausgeberinEmpaÜberlandstrasse 1298600 DübendorfSchweizwww.empa.ch

Redaktion & GestaltungAbteilung Kommunikation

KontaktTelefon +41 58 765 47 [email protected]

AnzeigenmarketingMetroComm AGErnst NiedererZürcherstrasse 1709014 St.GallenSchweizTelefon +41 71 272 80 [email protected]

Erscheint viermal jährlich

ISSN 1661-173X

COC-100246 FSC Mix

Page 4: EmpaNews Januar 2013

Saures ausder AirconditionDas neue Kältemittel für Autoklimaanlagen, R-1234yf, istnicht nur brandgefährlich – es zerfällt in der Atmosphäreauch noch zu Trifluoressigsäure, einem sehr langlebigenPflanzengift. Die Empa hat ausgerechnet, wie viel derSubstanz wo herunterkommt.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa

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Fokus: Schall und Rauch // 05

AtmosphärenforscherStephan Henne prüft denRegensammler auf demEmpa-Gelände. In denProben sind auch Spurenvon Trifluoressigsäurenachweisbar – ein Gift,das aus Autoklimaanlagenstammt. Eine systematischeÜberwachung diesesStoffs sei wünschenswert,meint Henne.

>>

Bringt uns das neue Kältemittel Vorteile oderNachteile? Am Ende ist es diese Frage, die gestelltwerden muss, bevor sich Fahrzeughersteller

dazu entschliessen, das Kältemittel R-1234yf in Autokli-maanlagen einzufüllen. Denn von dort «entkommt» dasMittel irgendwann wieder. Alle Klimaanlagen haben ir-gendwo undichte Stellen – und so wird die globale Fahr-zeugflotte allmählich beträchtliche Menge des Stoffes inder Umwelt verteilen.

Eine giftige SäureBesonders geheimnisvoll ist der Stoff nicht, um den esgeht. Bei dem Kühlmittel mit dem Namen R-1234yf han-delt es sich um Tetrafluorpropen, ein einfaches Molekülaus Wasserstoff, Kohlenstoff und Fluor; chemische For-mel H2C=CF-CF3. Sein Vorteil: Ist es aus der Klimaan-lage entwichen, zerfällt es an der Luft relativ rasch – in-nerhalb von zehn Tagen. Im Gegensatz zu seinem Vor-gänger trägt es damit wesentlich weniger zum Treib-hauseffekt bei und wird auch der Ozonschicht nicht ge-fährlich. Der Nachteil: Sein Zerfall führt zu Trifluores-sigsäure (chemische Formel CF3-COOH), einem unge-heuer stabilen Molekül, das in der Natur nicht abgebautwird. Die Säure reichert sich praktisch unendlich langim Wasser und in Lebewesen an. Zudem ist sie für Pflan-zen giftig, insbesondere für einige Algenarten.

Was bisher geschahNun stellt sich die Frage: Wer will diesen Stoff über-haupt einführen und warum? Ein kurzer Rückblick solldas beleuchten: Mitte der 1980er-Jahre wurde über derAntarktis ein Loch in der Ozonschicht entdeckt, als Ver-ursacher wurden so genannte FCKW (Flurchlorkohlen-wasserstoffe) ausgemacht. Bereits im September 1987einigte sich die Weltgemeinschaft im Montreal-Proto-koll, die Produktion solcher Stoffe zu verbieten. Fast 200Staaten unterzeichneten den Vertrag.

Als Ersatzmittel für die verbotenen FCKW wurdenFluorkohlenwasserstoffe (HFKW) eingeführt – wie zumBeispiel das bisher in Autoklimaanlagen verwendeteR134a (Tetrafluorethan). Es hat keinen schädlichen Ein-fluss auf die Ozonschicht – aber ein bedrohlich grossesPotenzial als Treibhausgas. Sein GWP-Wert («Global

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06 // Fokus: Schall und Rauch

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Warming Potential») liegt bei 1430 – es verursacht alsoeinen 1430-mal grösseren Treibhauseffekt als die glei-che Menge Kohlendioxid, CO2. Bald griff die EU ein undverbot den Stoff zur Nutzung in Autoklimaanlagen. Die-ses Verbot tritt nach längeren Verzögerungen am 31.Dezember 2012 in Kraft. Ab dann wird kein neuer Fahr-zeugtyp mit diesem Kältemittel mehr in der EU zugelas-sen.

Die Autoindustrie suchte und fand den nächsten Er-satz: R-1234yf – das bereits erwähnte Tetrafluorpropen.Kein Schaden für die Ozonschicht, kaum Treibhausgas-effekt (GWP=4) – doch leider nicht ganz harmlos.Denn im Extremfall ist Tetrafluorpropen brennbar: Di-rekt auf einen heissen Auspuffkrümmer gesprüht, kannes sich entzünden. In diesem Fall wird giftiger und ät-zender Fluorwasserstoff, HF, frei, was zu Protesten vonFeuerwehrverbänden und Automobilclubs geführt hat.Bisher hat nur die Daimler AG von einer Einführung Ab-stand genommen. Alle anderen Fahrzeughersteller hal-ten weiter an R-1234yf fest.

Die Empa kommt ins SpielNun stellt sich die Frage: Wie umweltschädlich ist einStoff, der bald aus Millionen Autoklimaanlagen entwei-chen könnte und sich danach praktisch vollständig inTrifluoressigsäure umwandelt? Wo geht es in die Luft,wo kommt die Säure im Regen wieder runter? Wird dieUmwelt geschädigt? Stephan Henne und Stefan Rei-mann, zwei Atmosphärenforscher an der Empa, mach-ten sich an die Berechnung.

Vom alten Kühlmittel R-134a gelangt en aus Europabislang etwa 25 000 Tonnen pro Jahr in die Atmosphäre.Die Atmosphärenforscher berechneten, dass vom neuenErsatzkühlmittel R-1234yf bis 2020 pro Jahr zwischen11 000 und 19 000 Tonnen in die Atmosphäre entwei-chen werden, Verbesserungen in Dichtigkeit und Effi-

Das Klimaanlagen-Kühlmittel R-1234yf wirdab 2013 für neue Autos Pflicht.

1Grosse Karte: Die Empa-Simulationzeigt, wo besonders viel des Stoffs in dieAtmosphäre entweichen wird: DieBallungsräume Stuttgart, Zürich, Genfund Mailand sind deutlich zu sehen.

2Kleine Karte: R-1234yf zerfällt an der Luftzu Trifluoressigsäure, einem unzerstörbarenPflanzengift. Es fällt im Regen auf dieErde zurück. Besonders Norditalien und dasTessin sind betroffen. Dort fallen jährlich biszu drei Kilogramm pro Quadratkilometer.

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Fokus: Schall und Rauch // 07

zienz der Klimaanlagen und Zuwachs der Fahrzeugflot-te mitberücksichtigt. Daraus entsteht die gleiche MengeTrifluoressigsäure – also auch bis zu 19000 Tonnen, diewährend des Jahres in Europa wieder ausgewaschenwerden.

Die Atmosphärenforscher starteten zwei verschie-dene Berechnungsprogramme auf dem Hochleistungs-rechner der Empa: Flexpart, ein so genanntes Lagran-ges-Modell, das auch schon bei der Berechnung der Vul-kanaschewolke der Eyjafjällajökull- Eruption zum Ein-satz kam. In dem Modell werden die Emissionen von R-1234yf einzelnen Luftpaketen zugewiesen, diese bewe-gen sich dann durch die Modellatmosphäre. Die Empaerweiterte das Modell durch eine vereinfachte Chemie,die die Umwandlung des Stoffes in Trifluoressigsäureund deren Auswaschung mit dem Regen beschreibt. Alszweites Modell kam das Atmosphärenchemiemodell derUniversität Bristol, CRI-STOCHEM, zum Einsatz. Hierist die Atmosphärenchemie detaillierter simuliert, dafürwird der Transport der Moleküle mit einem etwas grö-beren Modell berechnet. Beide Simulationsprogrammeberechneten Konzentrationen des Schadstoffs in derLuft und im Regen über ein ganzes Jahr hinweg, umauch saisonale Unterschiede erkennen zu können.

Mehr Trifluoressigsäure im Süden der AlpenDas Ergebnis ist auf den farbigen Karten (links) zu sehen:Das Kühlmittel R-1234yf gerät vor allem dort in die Luft,wo viele Autos fahren – und parkieren. Die GrossräumeZürich, Stuttgart, Genf und Mailand sind in der Simulati-on deutlich zu erkennen. Die übers Jahr hinweg abgereg-neten Mengen an Trifluoressigsäure sind südlich der Al-pen, über Norditalien bis ins Tessin am grössten. Diehöchsten Konzentrationen im Regenwasser treten jedochdort auf, wo es etwas seltener regnet und sich Trifluores-sigsäure zuerst in der Luft anreichern kann. Das ist imWindschatten der Alpen, westlich von Turin der Fall,ebenso an der Ostküste Italiens, im Südwesten Tsche-chiens und in einigen Gebieten Nordafrikas.

Wie gefährlich sind nun die zu erwartenden Kon-zentrationen? Zur Panik bestehe kein Anlass, meint Ste-phan Henne. Die Konzentrationen an Trifluoressigsäurein Oberflächengewässern seien zwar heute schon mess-bar und würden durch die Einführung von R-1234yfweiter steigen. Doch liegt die Konzentration noch umein Hundertfaches niedriger als die Schädigungsgrenzeder empfindlichsten Süsswasseralgen. Genaue Datenüber den bisherigen Verlauf gibt es allerdings nicht.«Wir sollten bald damit beginnen, die Konzentrationvon Trifluoressigsäure im Regenwasser, in Bächen,Seen und Meeren systematisch zu beobachten», emp-fiehlt der Atmosphärenforscher.

Und wir sollten darüber nachdenken, welche Vor-teile oder Nachteile uns das neue Kühlmittel bringt.Denn eine wirksame und billige Alternative stündeschon lange zur Verfügung – nämlich CO2. Das Gas, dasin grossen Mengen zum Auspuff rauskommt, lässt sichauch als Kältemittel nutzen. Die Klimaanlage muss da-für lediglich etwas grösser und stärker sein. Warum dieAutohersteller diese überschaubare technische Weiter-entwicklung nicht in Angriff nehmen, bleibt aus Sichtvon Atmosphärenforschern ein Rätsel. //

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08 // Fokus: Schall und Rauch

Spraydosen haben‘s in sich. Um Haarlack, Farbeoder Rasierschaum zu versprühen, steckt oft einhochexplosives Propan-Butan-Gemisch als Treib-

gas im Druckbehälter. Damit sich beim Transport oderbei Kunden keine Unfälle ereignen, wird jede einzelneSpraydose während des Herstellungsprozesses im Was-serbad peinlich genau auf undichte Stellen untersucht.Aufsteigende Blasen zeigen an, welche Dosen die Fabriknicht verlassen dürfen. Dieser Prozess ist jedoch lang-wierig und verbraucht viel Energie: Das Wasser mussauf 50 Grad Celsius geheizt und nach den Tests gerei-nigt, die Spraydosen anschliessend wieder getrocknetwerden. Wilco im aargauischen Wohlen, Spezialist fürLecktestmaschinen, suchte nach einer neuen, wirt-schaftlich konkurrenzfähigen Technologie, die das Pro-pan-Butan-Gemisch, das in Spraydosen als Treibgas ver-wendet wird, in Sekundenbruchteilen detektieren kann.Die Zielvorgabe: Die neue Einrichtung soll die Lecks

Der Spraydosen-SchnüfflerMit Quantenkaskadenlasern werden auf dem Jungfraujoch kleinste Spuren vonLuftschadstoffen detektiert. Diese Technologie eignet sich auch für den industriellenEinsatz. Etwa um Treibgase, die aus defekten Spraydosen austreten, in Sekunden-bruchteilen nachzuweisen. Die Empa hat mit der Firma Wilco ein Analysegerätentwickelt, mit dem verhindert werden kann, dass lecke Spraydosen die Fabrik verlassen.

TEXT: Martina Peter / BILDER: Empa

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Fokus: Schall und Rauch // 09

nicht nur deutlich schneller aufspüren, sondern auchkompakter sein als das traditionelle Wasserbad undmindestens 500 Spraydosen pro Minute kontrollierenkönnen.

«Für die Empa war dieses Projekt sehr spannend»,sagt Lukas Emmenegger, Leiter der Abteilung Luftfremd-stoffe/Umwelttechnik. «Es war aber auch eine geradezuperfekte Gelegenheit zu beweisen, dass sich unsere Gas-analytik mit Quantenkaskadenlasern, mit der wir seit ei-nigen Jahren auf dem Jungfraujoch erfolgreich CO2 detek-tieren und seine Isotopensignatur entschlüsseln, auch Ge-winn bringend in der Industrie einsetzen lässt.»

Quantenkaskadenlaser im Industrie-EinsatzWährend es auf dem Jungfraujoch galt, die verschiede-nen Isotope sehr genau zu unterscheiden, musste derneue Spraydosen-Detektor «bloss» Spuren von Propanund Butan erkennen. Dies allerdings blitzschnell undhochempfindlich. Das neue Gerät mit einem Halbleiter-laser im mittleren Infrarotbereich sollte austretendeGase im ppm-Bereich – also ein Teilchen Treibgas in ei-ner Million Luftmoleküle – innerhalb von einer Zehntel-sekunde detektieren, und das erst noch günstiger als dieheute gängigen Messgeräte, lauteten die Vorgaben desIndustriepartners.

Unterstützt durch den Nationalen Forschungs-schwerpunkt «Quantenphotonik» bauten die Empa undWilco eine Versuchsanlage, welche die ursprünglichenErwartungen bei weitem übertrifft. Ihr Herzstück ist einneuartiger Fabry-Pérot-Quantenkaskadenlaser, der erstim März 2012 an der ETH Zürich entwickeltworden war. Im Gegensatz zu Laserdioden,wie sie zum Beispiel in der Telekommunika-tion verwendet werden, produziert der Quan-tenkaskadenlaser Licht mit einer Wellenlängevon drei Mikrometern: Dieses eignet sich her-vorragend für die Detektion von Propan undButan.

Die zu messenden Gasproben werden ab-gesaugt und in einer Messzelle von einempulsierenden Laserstrahl «beschossen». Sindbestimmte Moleküle, in diesem Fall Propanoder Butan, vorhanden, absorbieren diesedas Laserlicht. Dies erkennt der Detektor. DasSystem gibt innerhalb von weniger als einerZehntelsekunde den Befehl, die lecke Doseauszuscheiden.

1.4 x 10-18

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Wellenzahl [Schwingungen pro cm]

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500 1000

Propan Laser : 3.3µm

Butan

1500 2000 2500 3000 3500 4000

Erfolgreicher Demonstrator«Die Versuche haben wunderbar geklappt, der Demons-trator funktioniert», freut sich Empa-Projektleiterin JanaJagerska. Das Gerät schaffte es sogar, anstatt 500 bis zu900 Dosen pro Minute zu kontrollieren. Und der«Schnüffler» benötigt ausserdem nur einen Bruchteil derEnergie verglichen mit der Wasserbadmethode. Ein wei-teres Plus: Mit dem «Wilcomat» lassen sich nicht nurSpuren von Propan und Butan erkennen, sondern auchviele andere organische Substanzen in kleinsten Men-gen, etwa Arzneistoffe oder Lösungsmittel.

Bereits hat Wilco das ultraschnelle Analysegerätzum Patent angemeldet, ein erstes Komplettsystem istim Bau. Ein Prototyp wurde diesen Sommer an der welt-weit grössten Ausstellung für chemische Technik, Um-weltschutz und Biotechnologie, der Achema, in Frank-furt am Main präsentiert. Heino Prinz, Leiter Forschungund Entwicklung der Wilco AG, schätzt die Zusammen-arbeit mit der Empa. Die komplexen Fragestellungen sei-en dank ausgezeichnetem Know-how und modernstenTechniken professionell angegangen worden. «Mit demWilcomat AE/GD1, der aus dieser Zusammenarbeit ent-standen ist, haben wir nun ein Produkt, das es uns er-möglicht, Sicherheitsanforderungen und die zugehöri-gen Prüfungen um den gesamten Aerosoldosen-Prozesszu erfüllen», sagt Prinz. //

1Bauteile des Spraydosen-Schnüfflers werdenauf einer Messe präsentiert. Inzwischenist das erste der Geräte bereits im Einsatz.

2Absorptionsspektrum von Propan und Butan,wenn die Gase im Laserlicht von dreiMikrometer Wellenlänge «gesehen» werden.Auf diesem Prinzip beruht das Verfahren.

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10 // Fokus: Schall und Rauch

«Fluglärm kommt von oben –wie eine kalte Dusche» Die Akustik-Experten der Empa kümmern sich seit 50 Jahren um Lärmbekämpfungin der Schweiz. Inzwischen vor allem mittels Computermodellierung: So sindFachleute in der Lage, für jeden gewünschten Punkt im Land den Lärm perSimulationsrechnung vorherzusagen. Die Methoden hat die Empa entwickelt.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: Wikimedia.org

Page 11: EmpaNews Januar 2013

Fokus: Schall und Rauch // 11

Kurt Eggenschwiler, Leiter der Empa-Abteilung «Akustik», ist alles ande-re als ein trockener Zahlensamm-

ler. Seine Arbeit hat mit dem menschlichenBedürfnis nach Ruhe zu tun – und mit demLärm, der diese stört. Da spielt Psychologieeine Rolle, bisweilen auch Philosophie. DieEmpaNews wollte von ihm wissen, woransein Team derzeit forscht. Doch Eggen-schwiler beginnt das Gespräch lieber miteiner Frage: «Was ist eigentlich Lärm?».Und beantwortet sie gleich selbst: «Lärm istunerwünschter Schall.»

Ein Land wie die Schweiz, mit dünnbesiedelten Bergregionen und knapp achtMillionen Einwohnern, die sich im Flach-land drängeln, hat naturgemäss ein Lärm-problem. Verkehrsadern durchziehen dieSiedlungsgebiete, dazu kommen zivile undmilitärische Flugplätze. Dauerstreit ist pro-grammiert. Genau in diesem Spannungs-feld arbeitet Eggenschwiler mit seinen Leu-ten. Längst haben ausgefeilte Simulations-rechnungen die früher üblichen Lärmmes-sungen ersetzt. Die Lärmkarte des Landes(s. Seiten 12 und 13) wird nicht mehr aufBasis einzelner Messpunkte erstellt, son-dern am Computer errechnet. Die Metho-den dafür stammen grösstenteils von derEmpa.

Komplizierte Fälle löst die Empa«Die meisten Lärmberechnungen für Stras-sen- und Bahnlärm», sagt Eggenschwiler,«erledigen heutzutage Ingenieurbüros.»Die an der Empa entwickelten Berech-nungsmodelle sonROAD (für Strassen-lärm), sonRAIL (für Eisenbahnlärm) undsonARMS (für Schiesslärm) bilden dieGrundlage für die Schweizer Lärmdaten-bank sonBASE, die beim Bundesamt fürUmwelt (BAFU) geführt wird.

Bei der Empa landen «nur» die beson-deren Fälle: Wie viel Lärm machen nachtsabgestellte Bahnwagen? Wie ist die Ge-räuschemission von Kirchenglocken zu be-urteilen? Wie viel schlimmer ist ein nachtslandendes Flugzeug im Vergleich zum Tag?«Um diese Fragen zu beantworten, müssenwir den Lärm nicht nur messen, sondern inZusammenarbeit mit Psychologen auch be-urteilen», sagt der Empa-Forscher. Bei derAbwägung, wo wie viel Lärm entstehendarf, spielt eine wichtige Rolle, wie vieleMenschen davon betroffen sind. Und dabeikommt man zu bemerkenswerten Ergeb-nissen: «Wir haben ja eine grosse Zahldeutscher Einwanderer hier. Wussten Sie,dass vom Fluglärm auf Schweizer Gebietmehr Deutsche betroffen sind als inDeutschland?» Er lächelt.

Doch bevor es politisch wird, erläutertEggenschwiler lieber, was der Unterschiedzwischen Fluglärm und Strassenlärm ist.Flugs skizziert er eine Strasse aufs Papier,daneben Häuser in der ersten, zweiten unddritten Reihe. «Hier wohnt der Arbeiter.» Erzeigt auf die Hauswand di-rekt am Strassenrand.«Wenn er befördert wird,zieht er nach hinten, wegvom Strassenlärm.» DerKugelschreiber zeigt aufdie zweite Reihe, dann aufdie dritte. «Und dort hin-ten, am Waldrand, wohntsein Chef.» Das Problemnun sei, dass Fluglärm aufden sozialen Aufstieg kei-ne Rücksicht nehme. «Dastrifft alle. Plötzlich undvon oben. Wie eine kalte Dusche», sagt Eg-genschwiler. Die Leute, die am Waldrandwohnen und getroffen werden, wehrensich. Und dann hat die Politik ein Problem.

Einzelne Flüge im Rechner addiertZum Glück lässt sich die Fluglärmbelas-tung heute – dank leistungsfähiger Gross-rechner – recht genau bestimmen. Dies tutdie Empa mit dem FluglärmprogrammFLULA. Eggenschwiler und seine Kollegenerhalten vom Flughafen Zürich jährlich dieAn- und Abflugdaten und simulieren jedenFlug einzeln im Empa-Hochleistungsrech-ner Ipazia. Auch Topografie und Bevölke-rungsdichte werden berücksichtigt. Nochvor zwanzig Jahren wäre solch ein Auf-wand unmöglich gewesen. Am Ende destil-lieren die Forscher aus der detailliertenRechnung eine einzige Zahl heraus: «Wiehoch ist die Zahl der Belästigten? Wie vieleMenschen werden nachts aus dem Schlafgerissen?» Also die Grundlage für den Zür-cher Fluglärmindex (ZFI).

Beim Strassen- und Eisenbahnlärmwird die Berechnung noch detaillierterdurchgeführt. Auch der Einfluss des Wet-ters auf die Schallausbreitung wird simu-liert. Bei Inversionswetterlage ist es lärmi-ger, und auch die Windrichtung spielt eineRolle. Selbst Hinderniswirkungen und Re-flexionen stecken in der Berechnung.Schirmt ein Gebäude den Eisenbahnlärmab? Dämpft ein Wald? Oder wird der Schallan einer Hauswand reflektiert und ver-stärkt?

Das Fluglärmberechnungsverfahrensoll ebenfalls weiter verfeinert werden, mitdem Ziel, auch lärmarme An- und Abflug-verfahren zu simulieren. Den Auftrag hatdas Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)der Empa kürzlich erteilt. //

Was tun, wennLärm stört?

Neben der Arbeit an den Berechnungs-methoden tritt die Empa hie und daauch als neutraler Gutachter auf. Aberfür die allermeisten Streitfragen ver-weist Kurt Eggenschwiler an die kom-petenten Lärmschutzfachstellen derKantone, der Städte und des Bundes.Unter dem Link www.laerm.ch sind allewichtigen Telefonnummern zu finden.Eine interaktive Lärmkarte derSchweiz, bei der man bis zur Quartier-strasse hineinzoomen kann, gibt esunter map.bafu.admin.ch

«Musik wird oft nichtschön gefunden,weil sie stets mitGeräusch verbunden.»(Wilhelm Busch, «Dideldum», 1874)

Page 12: EmpaNews Januar 2013

12 // Fokus: Schall und Rauch

Wie sähe eine Windturbine am Ortsrand aus – und vor allem:Was würde man von ihr hören? Empa-Forscher entwickelnComputermodelle, die den charakteristischen Sound einerWindturbine an ihrem geplanten Standort simulieren. Um dieoptische Simulation kümmert sich die ETH Zürich.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa

Guten Abend. Willkommen zur Lärmvorhersage.» Mit die-sen Worten kann Kurt Heutschi in ein paar Monaten seineZuhörer begrüssen, wenn sein Forschungsprojekt abge-

schlossen sein wird. Heutschi arbeitet gewissermassen an einerGrenzüberschreitung: Die Zunft der Akustik-Spezialisten konntebisher die Lärmbelastung für jeden Ort in der Schweiz exakt be-rechnen (s. Seite 10) – nun wollen die Spezialisten selber Lärm er-zeugen. Etwa den synthetischen Lärm einer Windturbine, dienoch gar nicht existiert.

Ziel des Projekts namens VisAsim (Visual-acoustic simulationfor landscape impact assessment of wind farms), das gemeinsamvon der ETH Zürich und der Empa bearbeitet wird, ist eine natur-getreue Simulation des sicht- und hörbaren Eindrucks einer Wind-turbine. Auf einer Leinwand wird das sich drehende Windrad ge-zeigt, selbst die Grashalme auf der Wiese bewegen sich in der Si-mulation. Dazu hört der Beobachter aus einer Heimkino-Sur-round-Sound-Anlage die Arbeitsgeräusche des Windkraftwerks.So soll es Gemeinderäten und Investoren, aber auch Bürgerinitia-tiven und Umweltschützern möglich sein, ein Windkraftwerk ein-zuschätzen, noch bevor es genehmigt wird. Empa-Forscher Heut-schi betreut den akustischen Teil, die optische Simulation entwi-ckelt die Forschungsgruppe PLUS (Planung von Landschaft und

Schein und Sein – am

Page 13: EmpaNews Januar 2013

Fokus: Schall und Rauch // 13

Urbanen Systemen) der ETH Zürich. Das Projekt, gefördert vomSchweizerischen Nationalfonds, begann 2011 und läuft bis 2014.Ein erster Simulationsfilm ist bereits auf Youtube(youtu.be/1tsHPnb5PzE) und zeigt eine animierte Landschaft mitWindturbinen. Als Basis diente die Software CryEngine3 des deut-schen Computerspieleherstellers Crytek. So hilft die Game-Indus-trie am Ende der Wissenschaft.

Für Kurt Heutschi und seinen Kollegen Reto Pieren war die Sachedagegen etwas schwieriger: Synthesizer für Maschinengeräusche gibtes bislang nicht. Sie mussten alles von Grund auf selber bauen. Zu-nächst generieren sie das Emissionssignal, abhängig von Turbinen-typ und Windgeschwindigkeit. Dann wird der Standort des Zuhörersgewählt und die Ausbreitung des Schalls simuliert. Steht die Wind-turbine auf einem Hügel oder in einer Ebene? Dämpft ein Waldstrei-fen das Geräusch, oder wird es von einem Hausdach abgeschirmt?Schliesslich werden verschiedene Wetterbedingungen hinzugerech-net. Ein stiller Abend? Ein Morgen mit dichtem Bodennebel? Odereine starke Bise, die das Geräusch direkt auf den Zuhörer zutreibt?

Doch damit nicht genug: Die Störung durch Lärm hängt auchvon den Hintergrundgeräuschen ab. «Bei Starkwind stört eine Wind-turbine gar nicht so sehr», sagt Heutschi. «Da rauscht der Busch, dapfeift das Hauseck. Es gibt genügend Lärm drumherum.» Bei mittle-ren Windgeschwindigkeiten ist die Störung hingegen besondersgross. Gerade da muss die Simulation besonders exakt sein. Im Mo-ment arbeitet das Empa-Team an der Simulation von Waldrändern.Heutschi: «Wir unterscheiden zwischen Nadel- und Laubwald – na-türlich auch zwischen Sommer und Winter.» Die Simulation teilt denWaldrand in jeweils 30 Meter lange Abschnitte und simuliert dasRauschen als Punktquelle – damit die Berechnung einfach bleibt.

Zum Schluss wird die Geräuschmischung genau auf denStandpunkt des Beobachters abgestimmt und durch eine Sur-round-Anlage mit fünf Lautsprechern wiedergegeben. Die Beob-achtergruppe sieht die Windturbine vor sich auf der Leinwandund hört die einzelnen Lärmkomponenten genau aus den Richtun-gen, aus denen sie auch in der Realität kommen.

Noch steht das «Windturbinen-Heimkino» in der Empa. Baldaber zieht die Simulationsanlage an die ETH Zürich um. Dort sol-len Probanden die Simulation mit echten Aufnahmen vergleichen.Dieses Feedback verpasst der Methode dann den Feinschliff. //

Beispiel der Windturbine

Oben: Akustikspezialist Kurt Heutschi führt einerGruppe von Testpersonen die optische undakustische Simulation einer Windturbine vor.Nun geht es ums Feintuning: Klingt alleswie echt? Grosses Bild links: Windkraftanlageninmitten einer Hafenanlage in Göteborg.

Ein erster Simulationsfilm zeigt eine animierte Landschaft mitWindturbinen. Als Basis diente die Software CryEngine3 desComputerspieleherstellers Crytek.

youtu.be/1tsHPnb5PzEFür Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen(etwa mit der App «Scanlife»)

Video:Simulationsfilm desProjekts VisAsim

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Die Schweiz – kein stilles LandWie Blutgefässe im menschlichen Körper ziehen sich Kantonsstrassen und Autobahnen durch die Schweiz und versorgen dieLandesteile mit Menschen und Material. Die grosse Karte zeigt die Lärmbelastung durch Strassenverkehr tagsüber – von 06Uhr bis 22 Uhr, die kleine Karte zeigt die nächtliche Belastung von 22 Uhr bis 06 Uhr. Tagsüber sind die Autobahnen deutlichzu sehen, ausserdem rauscht und braust es in den Grossräumen Zürich, Basel, Bern und Genf. Nachts wird es auch im dichtbesiedelten Mittelland stiller – die Belastung liegt zwischen 40 und 45 dB.

Das Fluglärmproblem betrifft nur kleine Teile des Landes, diese jedoch umso heftiger. Von 22 bis 06 Uhr sind nur noch die Flug-häfen Zürich, Basel und Genf aktiv. Die Karte zeigt die veränderten Anflugrouten zum Flughafen Zürich in der Nacht (Stand: 2008).

Quelle: «Lärmbelastung in der Schweiz. Ergebnisse des nationalen Lärmmonitorings SonBase. 2009». Pdf-Download unter www.bafu.admin.ch/laerm/

Nacht

Tag

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≥ 75

70 – 74.9

65 – 69.9

60 – 64.9

55 – 59.9

50 – 54.9

45 – 49.9

40 – 44.9

< 40

Tag: 6 – 22 UhrNacht: 22 – 6 Uhr

map.bafu.admin.chFür Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen (etwa mit der App «Scanlife»)

Website:Wie laut ist es in IhremQuartier? Zoombare Lärmkartedes Bundesamts für Umwelt

Zum VergleichBlätterrauschen: 25 – 30 dBRuhige Wohnung: 35 – 45 dBNormale Unterhaltung: 50 dBHäufiges Erwachen in der Nacht: ab 60 dB

Immissionenin Dezibel (dB)

Nacht

Tag

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16 // Forschung und Entwicklung

«Ich will meine Erfahrungen a mit der Schweizer Forschung

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Forschung und Entwicklung // 17

Ich habe mir Ihren Lebenslauf angeschaut: Sie stammen ausder Ukraine, haben in Linz doktoriert und in Berkeleyund Chicago geforscht. Was hat Sie in die Schweiz gelockt?

Naja, um ehrlich zu sein: Wenn man fünf Kriterien aufstellt,um zu bestimmen, wo man forschen und leben will – dann istnach meiner Beurteilung die Schweiz der einzige Ort, den man injeder Disziplin auf den Podiumsplätzen sieht. Ich hatte auch An-gebote aus den USA und aus Deutschland, aber wenn man die Ortemiteinander vergleicht, dann sieht man schnell: Die Schweiz hateinfach keinerlei Nachteile. In den USA hatte ich zum Beispiel einpaar Angebote von Universitäten von vergleichbarem Rang, aberich fand, die Lebensqualität dort ist niedriger. Ausserdem bin ichja dank meines Promotionsstudiums in Österreich mit der euro-päischen Art zu forschen gut vertraut. Ich glaube, dass ich bei mei-nen freien Forschungsvorhaben die besten Erfahrungen aus bei-den Kontinenten zusammenführen kann.

Wie meinen Sie das? Ist Forschung denn nicht überall aufder Welt gleich?

In der Schweiz und in Deutschland kann man als Wissen-schaftler eine längerfristige Strategie verfolgen als in den USA.Dort ist man vor allem an schnellen Erfolgen interessiert – undman tendiert manchmal dazu, die eigenen Ergebnisse zu sehrhochzujubeln, also «überzuverkaufen». Es gibt viel Showbusinessdort.

Woran liegt das?An der Herkunft der Forschungsmittel. Um an Gelder zu kom-

men, muss man dort ständig beweisen, wie einzigartig das ist, wasman macht – obwohl das mitunter gar nicht zutrifft. Hier in Europakann man sehr viel ehrlicher sein. Es geht wirklich sehr dynamischzu in den USA, das will ich nicht bestreiten. Aber genau darum hatman es mit strategischer Forschung dort schwerer.

Die Themen, an denen Sie forschen, sind eher Themen ausder Grundlagenforschung – Sachen, die nicht in den nächstenzehn Jahren in unser Alltagsleben Einzug halten werden.

Wir verfolgen beide Aspekte. Wir machen einerseits aus purerNeugier Untersuchungen, um grundlegende Prozesse zu verstehen;aber wir werden auf jeden Fall auch an Dingen forschen, die für dieIndustrie interessant sind, beispielsweise Lithium-Ionen-Batterien.

us dem US-Forschungsbetrieb kultur verknüpfen.»

Der Chemiker und Nanokristall-Spezialist Maksym Kovalenko baut an der Empagerade seine Arbeitsgruppe auf. Mit der EmpaNews sprach er über seineRückkehr nach Europa nach einigen Jahren in den USA, das künftige Innenlebenvon Lithium-Ionen-Batterien – und über einen Begrüssungsmarathon.

INTERVIEW: Rainer Klose / BILDER: Empa

>>

ERC-Grant für Nanokristalle

Maksym Kovalenko (30), Professor für Anorgani-sche Chemie der ETH und Forschungsgruppenlei-ter an der Empa erhielt im Herbst einen der be-gehrten «ERC Starting Grants» des europäischenForschungsrats. Mit den Fördermitteln in Höhevon 1.8 Millionen Franken kann er nun seine Ar-beitsgruppe aufbauen. Kovalenko, geboren in der Ukraine, spezialisiertesich bereits im Studium auf Nanotechnologie, pro-movierte in Linz und arbeitete als Postdoktorandan der «University of Chicago», bevor er 2011 andie Empa und die ETH kam. Kovalenko forscht anso genannten Nanokristallen. Diese besitzen zwareinzigartige Eigenschaften, um diese aber nutzenzu können, muss es gelingen, die Nanokristalle inandere nanokristalline Festkörper zu integrieren.

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18 // Forschung und Entwicklung

nur schlauer geworden, sie können heute auch besser sehen. Nunlässt sich erklären, wie makroskopische Eigenschaften eines Ma-terials aus dessen Nanostruktur stammen.

Aus was bestehen diese Nanokristallite, an denenSie forschen?

Wir arbeiten einerseits mit Halbleitermaterialien wie Galliu-marsenid, andererseits zum Beispiel mit Zinn – einem sehr billi-gen und in grossen Mengen verfügbaren Metall. Es steckt ja alsBeschichtung in jede Konservendose. Aber es steckt eben auch inLi-Ionen-Batterien und könnte dort in Zukunft eine wichtige Rollespielen.

Wie gross ist ihr Team im Moment und wie wird es sicheinfügen in die Forschungsstrukturen der Empa?

Meine Gruppe besteht im Moment aus drei Doktoranden unddrei Postdocs. Nächstes Jahr werden wir die Arbeitsgruppe auf ins-gesamt zehn bis zwölf Forscher aufstocken. Schon jetzt arbeite ichmit einigen anderen Abteilungen eng zusammen – etwas mit derElektronenmikroskopie. Und gemeinsam mit Ayodhya Tiwari, deran flexiblen Solarzellen forscht, sind auch schon die ersten Projekteangedacht. Damit werden wir 2013 starten.

Wie teilen Sie ihr Team zwischen den ForschungsstandortenEmpa und ETH Zürich auf? Und wie teilen Sie sich selbst auf?

Von der Laborarbeit her istdie Sache klar: Gefährliche che-mische Experimente oder spe-zielle Charakterisierungen wieNMR-Spektroskopie führen wiran der ETH durch. Viele andereSynthesen, Analysen und Testswerden wir an der Empa ma-chen. Für mich wird es die Auf-gabe sein, im nächsten Jahr anbeiden Standorten heimisch zuwerden. Ich will an jedem Platzwirklich dazu gehören undnicht nur zu Gast sein. Um michwissenschaftlich zu vernetzen,möchte ich bald so viele meinerKollegen kennen lernen wiemöglich. Gar nicht so leicht –ich habe das einmal durchge-zählt. Die Chemie-Fakultät derETH ist etwa so gross wie dieEmpa. Dort gibt es 50 Chemie-professoren. Hier an der Empagibt es etwa 50 Gruppenleiter.Für mich sind das gute Chan-cen, an beiden Standorten wert-volle Ideen auszubrüten.

Aber das gibt zu tun.Stimmt. Selbst wenn ich je-

den dritten Tag einen neuenKollegen treffe, also zwei Be-grüssungsgespräche pro Wocheführe, dann werde ich das gan-ze kommende Jahr damit be-schäftigt sein. (lacht) //

Das ist ein sehr interessantes und wichtiges Thema. Ein Themaübrigens, auf dem ich bislang noch nicht gearbeitet habe. Hierkommt das strategische Element rein, von dem ich gesprochenhabe.

Wie bewegt man sich auf einem völlig neuen Gebiet.Klappt das so einfach?

Oh ja! Bei unseren ersten Untersuchungen stellte sich heraus,dass einige Methoden, die wir zur Herstellung anderer Materialienentwickelt hatten, perfekt geeignet sind für den Einsatz an Li-Io-nen-Batterien. Wir konnten also auf sehr effiziente Weise an un-sere Erfahrungen in anderen Gebieten anknüpfen.

Was genau sind das fürMethoden? Können Sie uns das erklären?

Es sind Methoden, mit denen man sehr kleine und dennochgleichförmige Nanokristalle herstellen kann. Ein Grossteil der Bat-terieforschung von heute dreht sich um den Einsatz sehr feinerPartikel und immer komplexere Mischungen von diesen.

Wie gross sind diese Nanokristalle und was istso interessant an ihnen?

Diese Nanokristallite können die Grösse von Molekülen ha-ben, also nur einige wenige Nanometer, bis hin zu 100 Nanome-tern. Am interessantesten sind solche, die kleiner als 20 Nanome-ter sind. Da wird die Oberflächeim Vergleich zum Volumenenorm gross – und es tretenOberflächen- und Quanteneffek-te im Material auf; wir sprechenvon «quantum dots» – Quanten-punkten. Unsere Forschung be-schäftigt sich besonders mit derChemie, die an Oberflächen ab-läuft. Da gibt es alle Arten vonInteraktionen: Es gibt Schichten,die den Kristallit schützend ein-hüllen wie eine Haut, es gibt an-dere Schichten, die die Reaktionfördern und vorantreiben. Das istsehr wichtig, aber oft auchschwer zu verstehen.

Das hört sich wie eine völligneue Art von Chemie an. Ganzanders als das, was man manmir vor 25 Jahren beigebrachthat. Ist die Chemie des 20.Jahrhunderts überholt?

Diese Nanokristallite kenntman durchaus schon seit Jahr-zehnten. Man sprach damalsnoch von kolloidalen Dispersio-nen oder Systemen. Doch heutegibt es neue Werkzeuge, um die-se Stoffe genauer unter die Lupezu nehmen. Damals war man ge-wissermassen blind – und konn-te viele Eigenschaften dieser Na-nokristallite noch gar nicht er-kennen. Die Chemiker sind nicht

>>

«Chemiker sind schlauergeworden, und sie könnenheute besser sehen als früher– zum Beispiel Oberflächen-und Quanteneffekte imMaterial. Sehr spannend!»

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Wissens- und Technologietransfer // 19

Wandelt eine Festoxid-Brennstoffzelle (SolidOxide Fuel Cell, SOFC) chemisch gebundeneEnergie in elektrischen Strom um, entstehen

Temperaturen bis zu 900 Grad Celsius. Diese Abwärmewird derzeit lediglich zur Warmwasserbereitung einge-setzt. Andre Heel, Chemie-Ingenieur und Forschungs-koordinator der strategischen Partnerschaft zwischenEmpa und Hexis AG, hat anderes im Sinn: Mit thermo-elektrischen Konvertern möchte er aus (Ab-)Wärmewertvollen Strom gewinnen. «Dies erhöht nicht nur denWirkungsgrad des Brennstoffzellensystems», so Heel.«Hocheffiziente Energiewandlungstechnologien helfendarüber hinaus am effektivsten, unsere fossilen und er-neuerbaren Ressourcen einzusparen.»

Unter Heels Leitung hat die Empa diesen Sommermit Hexis das vierjährige Projekt HITTEC gestartet. Eswidmet sich der Weiterentwicklung und Optimierung

von Materialien für thermoelektrische Konverter (Ther-mo Electric Converters, TECs). In einem nächstenSchritt sollen die neuen Materialien dann in SOFCs in-tegriert werden.

Thermoelektrische Konverter für hohe TemperaturenTECs sind bereits im Handel erhältlich. Wie Heftpflasterwerden sie auf wärmeabstrahlende Wände von Motorenoder Öfen «geklebt». Die Module setzen sich aus einemp- und einem n-dotierten Halbleitermaterial zusammen.Liegen innerhalb eines Materials unterschiedliche Tem-peraturen vor, entsteht eine Spannung. Auf atomarerEbene heisst das: Die frei beweglichen Elektronen be-wegen sich auf der warmen Seite mehr als auf der kal-ten, sie besitzen dort eine höhere Energie. Da jedes Sys-tem den energetisch günstigsten Zustand anstrebt, be-wegen sich die Elektronen deshalb von der warmen zur

Ein Turbo für dieBrennstoffzelle

Auch Abwärme einer Brennstoffzelle lässt sich in Strom verwandeln.Im Projekt HITTEC entwickeln Forschende der Empa in strategischerPartnerschaft mit der Hexis AG einen thermoelektrischen Konverter,der Brennstoffzellensysteme effizienter macht: Bis zu 10 ProzentExtraleistung sollen sie dadurch liefern. Dafür müssen allerdings ge-eignete Materialien entwickelt werden, die den unterschiedlichstenAnforderungen genügen müssen.

TEXT: Martina Peter / BILDER, GRAFIK: Empa

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kalten Seite. Die daraus entstehende «Wanderung» derElektronen kann zur Stromproduktion genutzt werden.

Doch bei 300 Grad Celsius ist für gängige TEC-Mo-dule heute Schluss. Konvertermaterialien, die den rund600 Grad höheren Temperaturen von SOFCs trotzen,gibt es nicht. Noch nicht. Neue Hochtemperatur-Ther-moelektrika (High Temperature Thermoelectric Conver-ter, HITTEC) müssten jedoch mehr als nur temperatur-resistent sein: «Sie müssen sogar einige widersprüchli-che Eigenschaften vereinen», erklärt Heel. So müssensie etwa elektrisch leitfähig sein wie Metalle und überhohe thermoelektrische Kräfte wie Halbleiter verfügenund dürfen dabei – wie Isolatoren – nur wenig Wärmeleiten.

Deshalb geht es in der theoretischen Vorarbeit da-rum, möglichst gute Kompromisse in den Materialeigen-schaften zu finden. Nur diejenigen Materialien kommenin die engere Auswahl, deren Zusammensetzung aufeine hohe Effizienz hindeutet.

Als ideale Kandidaten gelten perowskitartige Me-talloxide (siehe Kästchen 1). Im Team von Anke Wei-denkaff, Leiterin der Empa-Abteilung «Festkörperche-mie und -katalyse» sowie Professorin für Chemie undBiochemie an der Universität Bern, setzt man auf diese,weil sie chemisch und thermisch stabil und ungiftig sindund in grösseren Mengen günstig produziert werdenkönnen. Dazu sind sie leitfähig und zeigen gute thermo-elektrische Eigenschaften: «Diese Oxide sind an Luft ex-trem stabil, darum eignen sie sich selbst für Anwendun-gen bei Temperaturen bis 1000 Grad Celsius», erklärtWeidenkaff.

Projekt «HITTEC»

Das Projekt «HITTEC» (Integration of high temperature thermoelectric converterfor electricity generation in a solid oxide fuel cell system)

Partner– Empa, Laboratory of Solid State Chemistry & Catalysis (SSC)– EPF Lausanne, Laboratory of Physics of Complex Matter– Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Institute

of Computational Physics (ICP)– ETH Zürich, Institute for Theoretical Physics (ITP)– Centre National de la Recherche Scientifique, Laboratoire de

Cristallographie et Science des Materiaux (CRISMAT)– Hexis AG

Förderer– Kompetenzzentrum des ETH-Bereichs für Energie und Mobilität (CCEM)– Bundesamt für Energie (BFE)

VerbandDie Schweizerische Thermoelektrische Gesellschaft hat ihren Geschäftssitz ander Empa. Die Vereinsmitglieder werden regelmässig über Entwicklungen, Wei-terbildungen und Projekte auf dem Gebiet der Thermoelektrik informiert undzu Anlässen eingeladen. http://thermoelectric.ch

>>20 // Wissens- und Technologietransfer

1Philipp Thiel bringt einenPrototypen des HITTEC-Thermokonverters amPrüfstand an.

1

2

2Das Innenleben einerHochtemperatur-Brenn-stoffzelle. Die Abwärmesolcher SOFCs sollendie Thermokonverter inStrom umwandeln.

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Die konkrete Arbeit im LaborEiner ihrer Chemie-Doktoranden, Philipp Thiel, befasstsich gegenwärtig mit den Materialaspekten der Metall-oxide, wälzt Literatur, beschäftigt sich mit den Theorienund sucht nach Materialzusammensetzungen, mit de-nen die erforderlichen Eigenschaften erreicht werdenkönnen. In Vorarbeiten hatte Weidenkaffs Team Ver-bindungen aus Calzium-Manganat, das mit Wolframsubstituiert wurde, als besonders erfolgversprechendidentifiziert. Aus Nanopartikeln synthetisiert, presstund sintert Thiel nun Perowskite in möglichst reinerForm. Pulverproben und gepresste runde Scheiben cha-rakterisiert er mit unterschiedlichsten Methoden in denEmpa-Labors; er überprüft die Wärmeleitfähigkeit mitDifferenzialkalorimetrie, bestimmt die elektrische Leit-fähigkeit und untersucht in der Laser-Flash-Absorpti-onsmaschine ihre Temperaturleitfähigkeit.

Unterstützt wird er von der Physikerin GesineSaucke, die sich in ihrer Promotionsarbeit ebenfalls mitder Entwicklung von hochtemperaturstabilen TECs be-fasst. Sie arbeitet in einem vom Bundesamt für Energie(BFE) mitfinanzierten Projekt. In diesem soll die Abwär-me von Giesserei-Schmelzöfen des IndustriepartnersVonRoll Casting genutzt werden.

Eigens für die Hochtemperatur-TEC hat die Empaeine neuartige Messanlage entwickelt. Darin werden dieHITTEC-Module extrem hohen Temperaturen ausge-setzt. So ist schnell zu sehen, wo es Knackpunkte gibt.«Für die Lötstellen, die das neu entwickelte Material mitden Stromdrähten verbinden, müssen wir uns allerdingsetwas einfallen lassen», sagt Thiel. Übliche Lote schmel-zen nämlich bei diesen Temperaturen.

Wissens- und Technologietransfer // 21

In die Brennstoffzelle eingebaute thermische KonverterDie Materialforscher sehen in ihrer Vision für die Zu-kunft noch anderes vor: «Wir kleben unsere Konverternicht einfach auf die Brennstoffzelle drauf», erklärt Wei-denkaff. Die Empa-Forscherinnen und -Forscher wollenvielmehr Brennstoffzelle und Thermokonverter verei-nen und daraus ein einzigartiges neues System bauen.«Eine verrückte Idee», wie Anke Weidenkaff selbst zu-gibt, denn ihre Idee macht das Projekt noch komplizier-ter. Der Thermokonverter soll direkt an einer der Elek-troden angebracht werden, dort, wo die chemische Re-aktion der Brennstoffzelle stattfindet. Eine Chance siehtWeidenkaff in der Verwandtschaft der Materialien:Beim Leitersystem aus Hochtemperaturkeramiken inder SOFC handelt es sich um ähnliche Materialien wiedie perowskitartigen Metalloxide für die HITTECs.

Dafür braucht es ein vielfältiges Know-how, das dieZürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften(ZHAW), die EPF Lausanne und die ETH Zürich beisteu-ern. Diese Forschungspartner kümmern sich um Designvon Modulen und Materialien und geben vor, wie sichdie Materialien in der SOFC am besten unterbringen las-sen. Daraus wird man gemeinsam mit Hexis Prototypenbauen. Nach Einschätzung von HITTEC-ProjektleiterHeel könnten SOFC-Systeme mit dem Einsatz von Kon-vertern bis zu 10 Prozent Extraleistung erbringen. //

Stichwort: Perowskit

Perowskitartige Metalloxide sind Substanzen mitder chemischen Summenformel ABO3 – wobei Aund B für Übergangsmetalle stehen, O ist Sauer-stoff. Aufgrund ihrer hohen Temperatur-, Druck-und Oxidationsstabilität sind sie vielseitig einsetz-bar und ökologisch unbedenklich. In einem natür-lich vorkommenden Perowskit ist zum Beispiel ACalcium und B Titan. Dank ihrer flexiblen und den-noch stabilen Kristallstruktur kann die chemischeZusammensetzung der Perowskite stark variieren.Durch den gezielten Austausch der Metallionen,aber auch des Sauerstoffs, können die physikali-schen Eigenschaften der Materialien – also ihrmagnetisches Verhalten, ihre elektrische und ther-mische Leitfähigkeit, die Farbe und vieles mehr –optimiert werden. Ziel ist, preiswerte und umwelt-freundliche Elemente zu nehmen und neue Mate-rialien für unterschiedliche Anwendungen zu syn-thetisieren. Neben dem Einsatz als Thermoelektri-ka und in Brennstoffzellen eignen sich Perowskiteetwa für wieder aufladbare Batterien in Elektro-fahrzeugen und für Abgaskatalysatoren.

youtu.be/wj2BNbTn5jUFür Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen(etwa mit der App «Scanlife»)

Video:ThermoelektrischerKonverter

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22 // Wissens- und Technologietransfer

Keep cool – auch bei teurem StromDie Zentrale von IBM Schweiz in Altstetten verfügt über ein raffiniertesKlimatisierungssystem. Die Informatikstudentin Sutharshini Rasathuraiuntersuchte in Zusammenarbeit mit IBM und der Empa, wie diese Anlagekostengünstiger arbeiten kann. Das Werkzeug dazu heisst Smart GridDemand Shaping – ein intelligentes Stromnetz, das seinen Bedarf auf dasaktuelle Angebot und den Strompreis abstimmt.

TEXT: Marco Peter / GRAFIK: Empa / BILD: IBM

Betritt man den Hauptsitz von IBMSchweiz in Altstetten, findet man sichin einer grossen Eingangshalle wie-

der. Laut und lange hallen die eigenenSchritte auf dem Steinfussboden, währenddas Auge vergebens nach Unregelmässigkei-ten im Meer rechtwinkliger Formen sucht.Die Halle steht mit ihren einfachen, monoli-thischen Strukturen exemplarisch für dasganze Gebäude und lässt erahnen, dass eshier um etwas Grosses geht. Auf bis zu 13Etagen sind 1250 Arbeitsplätze verteilt.

Ein ausgeklügeltes KlimasystemSo gross wie das Gebäude ist auch die He-rausforderung, ein angenehmes Arbeitskli-ma für Menschen und ein brauchbares fürMaschinen zu schaffen. Kern des Klimasys-tems von IBM sind drei Kühlaggregate(«Chiller» genannt), die zwei 13000 Liter fas-sende Speicher mit 11 bis 12 Grad kaltemWasser füllen und sie dadurch einem Akkugleich mit Kälte aufladen. Über ein geschlos-senes Leitungsnetz wird das kalte Wasser indie Büros, Serverräume und zur Ventilationgeführt, wo es die Luft abkühlt. Erwärmtkehrt das Wasser zu den Chillern zurück.Kühlen diese das Wasser wieder ab, entstehtAbwärme. Diese wird in Warmwassertanksbei rund 38 Grad Celsius gespeichert und zurBeheizung genutzt. Zwei Gasboiler könnenzusätzlich Wärme erzeugen.

Wenn im Gebäude ein Wärmeaus-tausch nötig wird, weil beispielsweise dieTemperatur eines Raumes korrigiert wer-den muss, prüft das Klimasystem, ob esden Austausch mit gespeicherter Energieaus den Wärme- oder Kältetanks ausführenkann. Ist das nicht möglich, schalten sichje nach Bedarf automatisch Kühlaggregateoder Gasboiler ein. Das passiert auch dann,wenn die Kaltwasserspeicher unter den Mi-nimalstand von 75 Prozent fallen. Bemer-kenswert: Im Sommer ist der Stromver-brauch doppelt so hoch wie im Winter.

Informatikstudentin optimiertdas SystemDie grössten Stromverbraucher, die dreiKühlaggregate, schalten sich jederzeit au-tomatisch ein, egal, ob der Strom in diesemMoment teuer (Tagestarif) oder günstig ist(Nachttarif). Der IBM-SmartGrid-ForscherDieter Gantenbein erkannte das Problemund empfahl es als Thema einer Diplomar-beit. Die IBM-Schweiz-Werkstudentin Sut-harshini Rasathurai von der Universität Zü-rich machte sich ans Werk. Die Einspar-Idee: Wenn die Chiller nur eingeschaltetwürden, wenn der Strompreis tief ist,könnten die Betriebskosten gesenkt wer-den. Sie untersuchte in ihrer Masterarbeit,wie diese Idee in die Realität umgesetztwerden könnte. Betreut wurde sie von Lo-

renz Hilty, Professor für Informatik undNachhaltigkeit an der Universität Zürich,der an der Empa im Bereich Technologieund Gesellschaft forscht.

Natürlich konnte Rasathurai nicht ein-fach in den Technikraum in Altstetten ein-marschieren, an den Reglern herumdrehenund beobachten, was passiert. Sie bautedas gesamte Klimatisierungssystem imComputer nach und hatte so die Möglich-keit, ihre Änderungen zu simulieren unddie Effekte zu beobachten. «Wenn dieKühlaggregate nur noch zu Nachtstromta-rifen laufen sollen, muss die Nachfragewährend des Tages aus den Speichern ge-deckt werden können. Dazu reichen siezurzeit allerdings nicht aus», sagt die Stu-dentin.

Kaltwasserreserve deckt denKühlungsbedarfAlso senkte sie in einem ersten Szenariodie Temperatur in den Kaltwasserspei-chern auf 5 bis 12 statt wie bisher nur 11bis 12 Grad Celsius; dadurch wurde der Ge-halt an speicherbarer Energie in den Tanks7-mal grösser. Sollte das gespeicherte Kalt-wasser trotzdem nicht ausreichen, würdendie Aggregate unabhängig vom Strompreiszugeschaltet. Um diesen Fall möglichst zuvermeiden, setzte die Studentin den Min-destladestand der Kaltwassertanks neu auf

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Wissens- und Technologietransfer // 23

95 Prozent und erhöhte zudem die Leis-tung, mit der die Speicher in den Sommer-monaten gefüllt werden. Mit diesen Ände-rungen zehrt die Klimaanlage nun wäh-rend der Arbeitszeit von ihren Reserven;sobald die Energiewerke Zürich Energiezum Nachttarif anbieten, springen die Chil-ler an und kühlen die Kaltwasserreservenwieder ab – der Akku ist wieder 100 Pro-zent geladen. Mit diesen Anpassungen lies-sen sich die Kosten laut Computermodellim Winter um 10 und im Sommer um 17Prozent senken.

Grössere Einsparung dank dynamischerStrompreiseElektrische Energie wird, wie Öl oder Stahl,an einem Markt gehandelt. Im Stunden-rhythmus verändern sich die Preise je nachAngebot und Nachfrage. Zu diesen Gross-handelspreisen haben Endverbraucher al-lerdings keinen Zugang. Rasathurai ent-warf ein zweites Szenario, in dem sie an-nahm, der Strom würde zu ebendiesen dy-namischen Preisen an IBM als Endverbrau-cher verkauft und das System würde diesePreise von der European Energy ExchangeAG in Leipzig bis zu 34 Stunden im Vorauserhalten. In dieser Simulation vergleichendie Chiller den aktuellen Strompreis immerzuerst mit jenen der kommenden Stunden,bevor sie sich einschalten. Ist der günstigs-

te Zeitpunkt ermittelt, verschieben sie denLadeprozess. Mit einem dynamischenPreissystem wären im Sommer Einsparun-gen von bis zu 31 Prozent möglich.

Nicht nur billiger, sondern aucheffizienterDie Überraschung war gross, als die Simu-lation neben der Kostenersparnis noch et-was anderes aufzeigte. Die neue Anlage ar-beitet nämlich nicht nur mit günstigeremStrom, sondern sie verbraucht auch rundein Viertel weniger davon. «Denn mit demverbesserten Entleer- und Füllrhythmusder Speicher müssen Kühlaggregate undGasboiler seltener dazugeschaltet wer-den», sagt Hilty. Und wenn doch, produzie-ren sie punktgenau die Energiemenge, dienötig ist.

Die Arbeit hat aufgezeigt, welche Spar-potenziale ohne jegliche Baumassnahmenund nur durch SmartGrid Demand Shapingin Klimasystemen genutzt werden könn-ten. Hilty schreibt das Thema für eine Fort-setzungsarbeit aus, denn: «Wenn wir dieAbwärmeflüsse noch genauer analysierenund die Vorausberechnung der Stromprei-se verfeinern, liegt noch mehr drin», ist erüberzeugt. Im Moment ist dies noch Theo-rie, doch schon in einigen Jahren könntedie neue Technologie in Haustechnikanla-gen eingesetzt werden. //

IBM

2 Abwärmespeicher2 x 9000 LiterBisher 36–40° CelsiusNeu 36–41° Celsius

2 Kaltwasserspeicher2 x 13000 LiterBisher 11–12° CelsiusNeu 5–12° Celsius

Heisswasserspeicher3500 Liter

Kühltürme

2 Gasboiler 3 Kühlaggregate«Chiller»

Speicher fürheisses Wasser3500 Liter

Klimasystem in der IBM-Zentrale: Ohne Umbaumassnahmen ein Viertel weniger Energieverbrauch.Rechts: IBM Schweiz Hauptsitz in Altstetten, ZH.

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24 // Wissenschaft im Dialog

Herr Hilty, Sie bereiten gerade die ICT4S-Konferenzvor – die erste ihrer Art. Braucht man wirklich eineweitere Nachhaltigkeitskonferenz unter all den Nachhaltigkeitskonferenzen, die es bereits gibt?

Die Digitalisierung verändert die Gesellschaft seit min-destens 20 Jahren extrem schnell. Das Bewusstsein dafür,dass man dieses Veränderungspotenzial auch nutzen könnte,um eine nachhaltige Entwicklung zu beschleunigen, ist jedochnoch nicht vorhanden. Können wir zum Beispiel mit Hilfe derInformations- und Kommunikationstechnik – auf Englisch abge-kürzt ICT – die Energiewende schaffen? Die Grundthese hinterdieser Konferenz ist: Es geschieht nicht von allein. Der Fortschrittin der Kommunikationstechnik führt die Gesellschaft nicht auto-matisch in eine nachhaltige Zukunft. Es ist aber möglich, ihnhierfür zu nutzen.

Bis jetzt laufen die Debatten also noch unverbundennebeneinander her – einerseits die Debatte um dentechnologischen Fortschritt in der ICT, andererseits dieNachhaltigkeitsdebatte?

Gänzlich isoliert sind sie nicht mehr. Es gibt seit vier Jah-ren die Diskussion um «Green IT», man hat gemerkt, dass ITetwas mit Umweltschutz und Energiefragen zu tun hat. Wirwollen das Thema nun ausweiten auf die generelle Frage:Können wir durch smartere Prozesse, durch intelligenteSteuerung und Regelung unser tägliches Leben ressour-censparender und nachhaltiger ausrichten?

IT-Startschuss für eineenergiebewusste Welt

Lorenz Hilty, Empa-Forscher und Professor für Informatikan der Universität Zürich, skizziert seine Vision einesintelligent gesteuerten Energieverbrauchs. Die von ihmorganisierte Konferenz «ICT for Sustainability» (ICT4S) sollim Februar in Zürich als Startschuss dienen.

INTERVIEW: Rainer Klose / BILDER: Empa

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Wissenschaft im Dialog // 25

Hinter dem Begriff «Green IT» steckt also mehr?Ich hatte dieses Schlagwort bisher nur mit Halbleitertechnikverbunden, die weniger umweltschädlich ist.

Damit hat es angefangen. Dabei ging es auch schon um interes-sante Fragen – etwa: Wie viel Strom verbraucht das Internet? Oder:Wie können wir unsere gesamte Bürokommunikation stromsparen-der machen? Dann aber hat die IT-Branche gemerkt: Wir sprechenhier über rund 2 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Wer et-was erreichen will, muss darüber nachdenken, wie man auch die an-deren 98% des Energieverbrauchs reduzieren kann – also etwa intelli-genter heizen oder den Verkehr optimieren. Wir müssen Strukturenschaffen, die das Zusammenspiel von Informationsverarbeitung, Mobi-lität und Versorgung mit Gütern und Energie ganzheitlich neu lösenkönnen.

Bisher war ja zum Beispiel der Stromverbrauch nur kurzfristigregelbar: Sobald eine Last entsteht, dreht im Kraftwerkjemand an einem Rad und erhöht die Leistung. Wie kann dasanders gehen? Wie soll man den Verbrauch vorausahnen?

Man kann auf beiden Seiten drehen und etwa «Demand Shaping»machen. Dabei konstruiere ich ein Gerät so, dass es selber entschei-den kann: Ich brauche die Energie nicht sofort, sondern kann auchspäter ans Netz gehen. Damit vermeide ich Lastspitzen und verbrau-che erst dann Strom, wenn er weniger knapp ist. Die Koordination

solcher Geräte kann man mit einem Marktmechanismus verknüp-fen, der Energie teuer macht, wenn sie knapp ist, dyna-

mische Stromtarife also. Vorbedingung ist je-doch, dass man Knappheitssignale im Sys-

tem verfügbar macht, also neue Informa-tionsflüsse einführt. So etwas nenntsich dann «Smart Grid».

Wie kann ein «Smart Grid» beimEnergiesparen helfen?

Die Bedeutung dieses Ansatzeskommt erst jetzt wirklich zum Tra-gen, weil wir in Zukunft sehr vielmehr erneuerbare Energiequellennutzen wollen. Von diesen Quellenist nur die Wasserkraft gut regelbar– sie ist in der Schweiz aber weit-gehend ausgereizt. Solar- undWindenergie sind dagegenschlecht regelbar, die muss ich«ernten», wenn sie anfallen. Dasheisst, ich habe in Zukunft aufder Angebotsseite der Energiegrössere Schwankungen als bis-her. Das Koordinationsproblemzwischen Angebot und Nachfragewird sich dadurch massiv ver-schärfen. Hier muss – und kann –die IT helfen. Das System, das wirin Zukunft brauchen, muss im Vo-raus abschätzen, wo Energieange-bot und -nachfrage entsteht, damitman die Energieflüsse auch mana-gen kann.

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26 // Wissenschaft im Dialog

in einer Gegend südlich von Stockholm Pilotversuche durchfüh-ren. Dabei hat man zum Beispiel schon bemerkt, dass jeder nochso schöne Plan regelmässig von der technischen Entwicklungüberholt wird. Das heisst: Die staatliche Planung solcher Struktu-ren ist viel langsamer als der technische Fortschritt. Wir müssen«Smart Cities» daher als dynamisches System anlegen. Eine«Smart City» muss sich selber ständig neu erfinden, wenn sie wirk-lich effizient funktionieren soll.

Eine solche High-Speed-Entwicklung verlangt vielleichtnach einer anderen Regierungsform. Kann man dasnoch mit unseren demokratischen Strukturen und all ihrenEinsprachemöglichkeiten leisten?

Ja, das könnte heissen, dass die Governance-Strukturen dannanders sein müssen, indem sie etwa mehr Selbstorganisation zu-lassen. Wir haben Beiträge in der Konferenz, die auch dies be-schreiben.

Das klingt nicht gerade nach einem Spaziergang.Rechnen Sie mit politischem Widerstand?

Den gibt es bereits. Nehmen Sie das Beispiel «Smart Grid».Schon wer so etwas durchzusetzen versucht, stösst auf Wider-stand in der Strombranche. Da werden zum Teil alte Monopoleverteidigt. Es ist sozial und ökonomisch äusserst komplex. Dereinzige Weg, hier weiterzukommen, sind meines Erachtens Pilot-versuche und Fallstudien. Wir können diese neue Welt nur im«Trial-and-Error»-Verfahren erlernen. Wir müssen also Regionenauswählen, in denen wir etwas wagen können – etwa ein «SmartGrid» aufzubauen oder eine «Smart City» zu entwerfen. Selbstwenn das für die Modellregion noch nicht den erwarteten Vorteilbringt, so sammeln wir damit doch Erfahrungen. Und wir könneneine Kultur um diese Strukturen herum entwickeln.

Wie kann ich die Bevölkerung davon überzeugen mitzuziehen?Für diese Aufgabe eignet sich die Idee des «persuasive com-

puting» – das sind Systeme, die die Leute davon überzeugen, sichzum Beispiel energiesparend zu verhalten. Es würde zum Beispiel

>>

Gibt es schon Vorboten dieser Entwicklung?Ja, gerade in der IT. Rechenzentren verbrauchen ja immer

mehr Strom. Durch das Cloud-Computing kann ich die Rechenlastverschieben, wenn an einer Stelle der Welt die Energie knappwird. Informationen sind heute leichter um die Welt zu transpor-tieren als Energie. So kann ich eine Berechnungsaufgabe vonEuropa etwa nach Alaska oder nach Australien verschieben, wenndort gerade Energie aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist. DerKunde merkt davon nichts.

Aber in der Welt bewegen sich ja nicht nur Daten, sondernauch Menschen und Material. Ist es auch möglich, denphysischen Transport mit Hilfe von IT besser zu organisieren?

Ja, auch dafür gibt es IT-basierte Konzepte. Man könnte etwaein kleines Gerät bei sich tragen – das kann ein Smartphone sein–, das mich identifiziert und mit dem ich Mobilitätsdienstleistun-gen in Anspruch nehmen kann. Ich kann in ein Taxi steigen oderin die Bahn, ich kann mir ein Car-Sharing-Auto leihen oder einFahrrad. Und all diese Mobilitätsvorgänge, die ich völlig frei kom-biniere, haben ihren Preis. Dieser Preis kann wiederum von dermomentanen Auslastung abhängen – im Stau zahle ich für dieStrassennutzung mehr, in der Rush-Hour kostet die S-Bahn mehr,und das letzte verfügbare Leih-Fahrrad wird teurer sein. Jeder, deres sich zeitlich leisten kann, fährt dann also nicht zu Stosszeiten.Auch in so einem System – eine Art «Smart Grid» für den Perso-nenverkehr – brauche ich ein Knappheitssignal, das im Systemweitergemeldet wird. Ich brauche Fähigkeiten aus dem ICT-Be-reich. Billige und leistungsfähige Technik, die solche Aufgaben lö-sen kann, gibt es sogar heute schon.

In dieser Zukunft werden Menschen mit geringemEinkommen, etwa arme Pensionäre, ihre Aktivitäten aufRandstunden und in die Nacht verlegen müssen.Da stellt sich die Frage: Will die Gesellschaft das?

Es geht bei unserer Konferenz ICT4S auch um Fragen derWünschbarkeit. Wir haben Sozialwissenschaftler eingeladen,etwa aus Schweden, die sich mit «Smart Cities» beschäftigen und

Zur Person

Lorenz Hilty ist Mitarbeiter der Abtei-lung «Technologie und Gesellschaft»an der Empa und Professor für Infor-matik und Nachhaltigkeit an der wirt-schaftswissenschaftlichen Fakultätder Universität Zürich. Mit seiner Ar-beitsgruppe entwickelt er Informatik-Anwendungen, die zu einer nachhal-tigen Entwicklung beitragen. Auchder gesellschaftliche Diskurs überneue Technologien gehört zu seinemForschungsgebiet.

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Wissenschaft im Dialog // 27

helfen, wenn man Ökobilanzen in Echtzeit auf dem Handy berech-nen könnte. Ist es nun besser, eine Zeitung auf Papier zu lesenoder digital auf dem iPad? In Zürich gibt es bereits eine Startup-Firma, die Kochrezepte zum Download im Internet anbietet undeine umfassende Ökobilanz dazu berechnet. Das ist ein Anfang.Denn ich kann das Verhalten der Menschen nur beeinflussen,wenn ich ihnen in Echtzeit Informationen anbiete, ohne sie zu be-vormunden. Je zeitnäher, desto besser. Das ist eine Erkenntnisaus der Psychologie.

Bei der ICT4S-Konferenz geht es also um einen Startschussfür diese Art Forschung. Welche Leute werde ich treffen,wenn ich an die Konferenz gehe? Was steht auf dem Pro-gramm?

Wir haben zum einen die klassischen Green-IT-Themen; diedürfen wir über all den Visionen ja nicht vergessen. Da geht esum die Frage: Wie können wir den Energiebedarf von Rechenzen-tren reduzieren, wie können wir Elektroschrott vermeiden? Dannhaben wir Sessions zum Thema «Smart Cities» und «Smart Buil-dings». Dabei geht es zunächst ums enge Wohnumfeld: Wir dis-kutieren über Häuser, die bemerken, wenn ihre Bewohner nichtzu Hause sind, und ihren Energieverbrauch entsprechend regeln.In einer anderen Session geht es um Ressourcenmanagement –zum Beispiel um smartes Wassermanagement. Aus gutem Grundist unsere Konferenz jedoch sehr interdisziplinär angelegt, es sindeben auch Geistes- und Sozialwissenschaftler vertreten. Denn eswäre naiv zu glauben, dass man allein durch technische Massnah-men der Nachhaltigkeit näher kommt. Es ist nie das technischeSystem allein, das etwas bewirkt. Es sind immer die Menschen,die es nutzen. //

Die Konferenz

Die Konferenz: Vom 14. bis 16. Februar 2013 findet an der ETHZürich die erste internationale Konferenz «ICT for sustainability»(ICT4S) statt. Es geht um eine bessere Steuerung des Energie- undRessourcenverbrauchs durch intelligente IT-Systeme und um einebessere Nutzung erneuerbarer Energieträger sowie um die Frage,ob man Güter durch Dienstleistungen ersetzen kann. 42 Vortra-gende aus 27 Ländern und fünf Kontinenten entwerfen die IT-Nut-zung der Zukunft und diskutieren ihre Auswirkungen. Zum Auftaktam 13. Februar gibt es eine Reihe öffentlicher Vorträge, z.B. einenCrash-Kurs in «Green IT».

Öffentlicher Workshop: Am Samstag, 16. Februar, organisiertendas Schweizer Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) und dasBundesamt für Raumentwicklung (ARE) an der ETH Zürich einenöffentlichen Workshop. Wie kann man in der Schweiz neue Brü-cken schlagen zwischen der sich entwickelnden Informationsge-sellschaft und der erwünschten Nachhaltigkeit? Der Eintritt istfrei. Anmeldung über www.ict4s.org

Zürich Greenhackathon: Im Vorfeld der Konferenz, am Dienstag,12. Februar 2013, findet der «Zürich Greenhackathon» statt. DenTeilnehmern bleiben 24 Stunden Zeit, um Software für einen derNachhaltigkeit dienlichen Zweck zu programmieren. Anmeldungund Info unter zurich.greenhackathon.com

Wenn man Ökobilanzen in Echtzeitauf dem Handy abrufen könnte,würde das das Energiebewusstseindeutlich schärfen, sagt Lorenz Hilty.Auf diese Weise liessen sich schnellökologische Entscheide treffen:Soll ich das Fussballspiel am Plasma-fernseher schauen oder mit demAuto hinfahren? Ist der Downloadeines Spielfilms in HD soenergieintensiv wie Haare föhnen?

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Veranstaltungen

January 22 – 24, 2013 Growth of Thin Films and NanostructuresThe materials science of small things Empa, Dübendorf

February 14 – 16, 2013 ICT for sustainabilityThe challenge of making it real (ICT4S Conference) ETH, Zürich

28. Februar 2013CO2-arme Treibstoffe der ZukunftTechnology BriefingEmpa, Dübendorf

5. März 2013 Materialbearbeitung mit LaserKurs für Firmenchefs, Produktionsleiterinnen, IngenieureEmpa, Dübendorf

6. März 2013 LötenKurs für Interessierte aus Praxis und ProduktionEmpa, Dübendorf

7. März 2013 Elektrochemische Charakterisierung undKorrosionKurs für Techniker, Studierende und IngenieureEmpa, Dübendorf

Details und weitere Veranstaltungen unterwww.empa-akademie.ch

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