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Laserlabor für sauberes Abgas 06 Projekt: flüssig gefüllte Fasern 04 Wundermittel aus Holzfasern 22 Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer Jahrgang 10 / Nummer 36 / April 2012 Empa News Forschung am Holz

EmpaNews April 2012

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Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer - Jahrgang 10, Nummer 36

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Page 1: EmpaNews April 2012

Laserlabor fürsauberes Abgas 06

Projekt: flüssiggefüllte Fasern 04

Wundermittel ausHolzfasern 22

Magazin für Forschung, Innovation und TechnologietransferJahrgang 10 / Nummer 36 / April 2012

EmpaNews

Forschung am Holz

Page 2: EmpaNews April 2012

02 // Editorial

Forschung für den MittelstandDas Abgas-Flow-Labor sorgt fürsaubere Luft 06

«Hand aufs Holz» –seit 75 Jahren

So lange betreibt die Empa nämlich schon Holzfor-schung. Das vielseitig nutzbare Material begleitetdie Menschheit freilich ungleich länger. Grossarti-

ge Dinge lassen sich daraus bauen, einige berühmt – wiedie im Alpenraum verbreiteten Pfahlbausiedlungen ausder Stein- und Bronzezeit oder der kürzlich entdeckte,rund 4500 Jahre alte «Holz-Zwilling» neben dem be-rühmten Steinkreis in Stonehenge. Auch für neuzeitli-che Hochbauten ist Holz immer noch Mittel der Wahl –

etwa beim 2010 eröffneten Chutzenturm imKanton Bern, dem mit 45 Metern höchstenHolzturm der Schweiz, oder beim extrava-ganten, X-förmigen Turm auf dem Hofbergbei Wil im Kanton St. Gallen.

Doch Holz ist nicht nur im Makro-skopischen ein Werkstoff mit Zukunft –auch seine Mikrostruktur birgt vielerleinutzbare Eigenschaften und Weiterverar-beitungsmöglichkeiten. Das zeigt auchdas in diesem Jahr gestartete NationaleForschungsprogramm «Ressource Holz»

(NFP 66). Die 18 Millionen Franken Fördermittel kom-men zur rechten Zeit, denn: Der Schweizer Wald ist unter-nutzt und überaltert. Und Holz ist ein nachwachsenderRohstoff, der nicht importiert werden muss und der Erdölin vielen Bereichen ersetzen kann. Im Zentrum des NFP66 steht daher die Optimierung der Wertschöpfungsket-te Wald – Holz – Chemie – Energie.

Und um sicherzustellen, dass das erarbeitete Wissenmöglichst schnell den Weg in die Praxis findet, arbeitet dasNFP 66 mit der Kommission für Technologie und Inno-vation (KTI) zusammen. Mittelständische Firmen undBranchenverbände sind von Anfang an in die Forschungs-projekte einbezogen, was einen effizienten Wissens- undTechnologietransfer gewährleistet. Der aktuelle «Fokus»in diesem Heft gibt Einblick in die vielfältigen Forschungs-aktivitäten der Empa rund ums Holz.

Viel Vergnügen beim Lesen.

Michael HagmannLeiter Kommunikation

Titelbild

Brettschichtholz, erfolgreich geflicktmit Carbonfasern. Am Ende desVersuchs freuen sich ProduktingenieurinAnnika Baier und Empa-ProjektleiterRobert Widmann. IngenieurstudentRoman Frei ertastet noch einmal denRiss im Gebälk.

Page 3: EmpaNews April 2012

Editorial & Inhalt // 03

Holzfasern als WundermittelNanofibrillierte Zellulose ersetztdas Alu in Tetrapaks 22

Strukturforschung am HolzEmpa-Neuzugang Ingo Burgertweiss, wie Bäume «ticken» 19

Nobelpreis nachgeprüftWas 100 Jahre alte Kristalle imRöntgenlicht verraten 08

Forschung und Entwicklung04 Die Gartenschlauch-Faser Leichtes Sommersakko und Panzerweste in einem – geht das?

06 Operation Saubermann Wie Lasertechnik dabei hilft, Dieselabgase zu reinigen

08 Neue Erkenntnisse aus alten Proben Was wusste Alfred Werner, Chemie-Nobelpreisträger von 1913?

Wissens- und Technologietransfer

11 Die Schattenseiten des Ozonschutzes Die Ersatzmittel für FCKW sind leider starke Treibhausgase

12 Ergonomie für Rollstühle Die immer gleiche Sitzhaltung verursacht Probleme. Nun gibt es Hilfe

13 Der Bewegungsmelder Ein Monitoringsystem für bettlägerige Menschen entlastet Pflegende

Fokus: Forschung am Holz

14 Das NFP 66 «Ressource Holz» und die Rolle der Empa

16 Bis sich die Balken biegen Brettschichtholzträger in der Hydraulikpresse – ein Härtetest

19 «Holz hat eine ganze Menge Vorteile» Interview mit Ingo Burgert, Professor für holzbasierte Materialien

22 Multitalent aus Holzfasern Nanofibrillierte Zellulose kann Holz gegen Verwitterung schützen

24 Biologisch veredelt Selbstklebende Holzspäne durch Behandlung mit Enzymen

Impressum

HerausgeberinEmpaÜberlandstrasse 129CH-8600 Dübendorfwww.empa.ch

Redaktion & GestaltungAbteilung Kommunikation

KontaktTelefon +41 58 765 47 [email protected]

Erscheint viermal jährlich

ISSN 1661-173X

Energieeffizient gedruckt und CO2 kompensiert SC2012032002 - swissclimate.ch

klimaneutral gedruckt

Page 4: EmpaNews April 2012

04 // Forschung und Entwicklung

Die Gartenschlauch-Faser Schutzkleidung ist heutzutage unerlässlich: beim Sport, im Verkehr oder inArbeitsbereichen wie Polizei und Feuerwehr. Doch der Schutz ist häufig schwerund starr und schränkt die Bewegungsfreiheit der Träger ein. Ein Forscherteamder Empa will eine spezielle Faser entwickeln, die langsame Bewegungennicht behindert, sich aber bei ruckartigen Veränderungen oder einem Aufprallrasch versteift und somit dem Körper den benötigten Schutz bietet.

TEXT: Nicole Döbeli / BILDER: Empa

Die Lösung für die Schutzkleidung derZukunft könnte nach dem Prinzip ei-nes warmen Schokoladenkuchens

aufgebaut sein: aussen fest, innen flüssig.Oder wie ein Hustenbonbon mit weichem, sirupartigem Kern. Genau so etwas schwebtEmpa-Forscher Rudolf Hufenus vor. Nurnicht zum Essen, sondern in Form einer Fa-ser. Deren fliessender Kern besteht aus spe-ziellen Flüssigkeiten, die je nach Bedarf weichoder zäh sind: Bei geringer Belastung sind sieflüssig, bei plötzlich auftretenden Kräftenwerden sie zäh wie Gummi. Dilatante Flüssig-keiten nennt man solche Substanzen. Sie sindder Schlüssel für Hufenus‘ Projekt in derEmpa-Abteilung «Advanced Fibers».

Die Grundidee des vom SchweizerischenNationalfonds (NFP 62) geförderten Projekts«Rheocore» ist es, eine Polymerhohlfaser zuspinnen, die eine dilatante Flüssigkeit ent-hält. Knickt oder biegt sich das Filament,wird die Flüssigkeit im Inneren durch Eng-stellen in den Kanälen gedrückt. Die dilatanteFlüssigkeit reagiert auf diese plötzlich auftre-tenden Scherkräfte und wird zäh. So versteiftsich das Filament, und die Bewegung wirdabgedämpft. Langsame Bewegungen bleibendagegen möglich, weil dann die Füllungdünnflüssig bleibt. Diese Eigenschaft will Hu-fenus nutzen, um eine Faser zu entwickeln,die dynamisch auf Belastung reagiert.

Die Idee, dilatante Flüssigkeiten in Tex-tilien zu nutzen, ist nicht neu. So gibt es etwamit dilatanten Flüssigkeiten imprägnierte

Motorradschutzkleidung, die sich bei einemUnfall versteifen soll, oder Flüssigkeiten, diein Schaum-Pads eingeschlossen wurden.Auch Spielwaren wie das «Silly Putty» – aufDeutsch als «intelligente Knete» auf demMarkt – stehen in etlichen Kinderzimmern.Diese Masse auf Silikonbasis sieht aus wieKnete und verhält sich auch ähnlich, so lan-ge man es langsam bewegt. Lässt man es je-doch zu Boden fallen, springt es zurück wieein Gummiball.

Innen flüssig, aussen festAn Fasern aber hat sich noch niemand ge-wagt. Es stellt sich die Frage: Wie stelltman so ein Filament überhaupt her? Hufe-nus nutzt dabei die Technik des Schmelz-spinnens. Dabei wird Kunststoffgranulat ineinen Extruder gefüllt – eine Art Schne-ckenantrieb, der das Granulat zugleich er-hitzt, verflüssigt und nach vorne presst.Der flüssige Kunststoff, etwa Polyester,wird am Ende des Rohres mit Druck durcheine Spinndüse gepresst und kann danachaufgewickelt und ausgekühlt werden. DiePilotanlage der Abteilung «Advanced Fi-bers» verfügt sogar über zwei Extruder. Sokönnen etwa aus zwei verschiedenen Poly-meren Mantel-Kern-Filamente gesponnenwerden.

Wie aber sollen nun Hohlräume in dasFilament kommen? Und wie füllt man dieseanschliessend mit einer dilatanten Flüssig-keit? Die Pilotanlage der Empa ist für diese

Art von Experiment bisher nicht konzi-piert: Im Spinnkopf kann ein Druck von100 Bar und mehr herrschen, und im Ex-truder ist es teils bis 350 Grad heiss. Aus-serdem sieht man durch das Metallgehäusenicht, was im Inneren geschieht. Die Ent-wicklung eines völlig neuen Spinnverfah-rens ist so nicht möglich.

Also muss ein Labormodell her, um dieVorgänge bei der Herstellung der «Faser mitFüllung» besser zu verstehen. Im Gegensatzzu einem Gartenschlauch, den man einfachan den Wasserhahn anschliessen kann, istes praktisch unmöglich, das Filament nachdem Spinnen mit einer Flüssigkeit zu fül-len. Daher muss der flüssige Kernzeitgleich mit der festen Polymer-hülle aus der Spinndüse kommen,und die gewünschte Hohlraum-struktur muss sich im selben Mo-ment bilden. Diesen Vorgangstellt die Empa-Forscherin LauraGottardo im Laborversuchnach. Mit einem Druck vonrund zwei Bar bringt sie zweiunterschiedliche Flüssigkei-ten wie Wasser, Ethanol, Va-seline oder Silikon in denverschiedensten Kombina-tionen in einer Glasröhrezusammen, eine Metall-kapillare übernimmt da-bei die Funktion derSpinndüse.

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Page 5: EmpaNews April 2012

Forschung und Entwicklung // 05

Mantelpolymer

Kernpolymer

Flüssigkeit

Querschnitt durch die Faser

1Empa-Forscherin Laura Gottardo simuliert ineiner Glaskanüle, wie die Fasern mit Flüssigkeitgefüllt werden können. Ziel ist es, miteinanderverbundene Tröpfchen zu erzeugen.

2So soll die Faser im Schnitt aussehen: Einunregelmässiger Hohlraum zieht sich durch dieganze Faser und enthält eine dilatante Flüssigkeit.Diese wird bei schnellen Bewegungen immerzäher und versteift die Struktur. Bei langsamerBewegung bleibt die Faser dagegen biegsam.

eine Düse also ein kleines Loch in der Mitteund grössere darum herum hat, «stören» dieTropfen aus den grösseren Löchern den kon-tinuierlichen Flüssigkeitsstrom aus dem klei-nen. Dadurch entsteht im Fluss eine Instabi-lität, die für die Strukturierung der Hohlräu-me genutzt werden kann.

Da das Labormodell jedoch nicht einszu eins auf den Extruder übertragen wer-den kann, müssen die Forscher zunächstberechnen, was sich darin abspielen wird.Hufenus meint: «Das wird ein Blindflug,wir können ja nicht beobachten, was imExtruder geschieht.» Um die Berechnungenkümmert sich Marco Dressler von der Uni-versity of Massachusetts. Mit der OpenFOAM-Software erstellt er numerische Mo-dellierungen der Versuche auf einemGrossrechner. Der Komplexität der Versu-che wegen dauert die Berechnung von vierSekunden gute 24 Stunden – und das mitacht Prozessoren. Dank der Berechnungenaber können die Empa-Forscher abschät-zen, was im Extruder passieren wird.

Das «Rheocore»-Projekt soll in einein-halb Jahren abgeschlossen sein. Bis dahinwill das Team die Grundlagen für ein wei-terführendes Industrieprojekt erarbeitethaben. Wie genau die Fasern schliesslichverwendet werden, ist noch offen undhängt von zukünftigen Industriepartnernab. Ob Schutz- oder Sportkleidung oder garmedizinische Anwendungen – das Potenzi-al ist enorm. //

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http://www.empa.ch/EN36-1Für Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen(etwa mit der App «Scanlife»)

Video:Hightech-Textilien aufWanderwegen

Die unterschiedlichen Eigenschaftenund Viskositäten der Flüssigkeiten liefernverschiedene Resultate, die eine High-Speed-Kamera aufzeichnet. Die Schwierig-keit ist, die richtige Form des Hohlraums zuerzeugen. Einzelne, voneinander separierteTropfen funktionieren nicht, denn die dila-tante Flüssigkeit kann dann bei einer Belas-tung des Filaments nicht verdrängt werden;der Hohlraum muss sich also durchgängigwie ein Höhlensystem durch die Faser zie-hen. Aber auch mehrere miteinander ver-bundene Kammern in Form einer «Perlen-kette» sind nicht brauchbar, da die Form zu

regelmässig ist. Ideal für dilatanteFlüssigkeiten sind Hohlräu-me, die sich unregelmässigverjüngen und wieder er-weitern – nur so kannman die gewünschtenScherkräfte in der Flüs-

sigkeit erzeugen und die Effekte nutzen: DieFlüssigkeit wird gummiartig, das Filamentversteift sich.

Nach dem Motto «Des einen Fluch, desanderen Segen» kamen die Forscherinnenauf die Idee, Löcher in die Metallkapillarezu bohren. So entstehen im LaborversuchTurbulenzen zwischen der «Mantel»-Flüs-sigkeit und der «Kern»-Flüssigkeit – genaudas, was es laut Hufenus beim «normalen»Schmelzspinnen zu vermeiden gilt.

Konzept «Orgelpfeife»Das Konzept haben die Forscher von Orgel-pfeifen abgeleitet: «So eine Pfeife brauchtja auch ein Loch, damit Schwingung er-zeugt werden kann und ein Ton entsteht»,erklärt Hufenus. In Gottardos Labormodellliessen sich dank des Tricks inzwischen diegewünschten unregelmässigen Hohlräumedarstellen. Einfacher wird das Projekt da-mit allerdings nicht. Die geometrischenFormen, die sich bilden, sind mehr alskomplex, und die Turbulenzen könnendazu führen, dass das Filament abreisst.

Auch bei echten Spinndüsen mit heissemflüssigem Kunststoff scheinen Löcher derrichtige Weg zu sein. Anstatt eines einzigenLochs in der Düse experimentiert Gottardomit mehreren unterschiedlich grossen Lö-chern. So hat sie zum Beispiel beobachtet,dass kleine Löcher einen kontinuierlichenStrom der Kernflüssigkeit bewirken, grössereLöcher eher zu Tropfenbildung führen. Wenn

Page 6: EmpaNews April 2012

06 // Forschung und Entwicklung

Operation Saubermann Im Motorenlabor der Empa arbeitet ein Team an der Diesel-Abgasreinigungder Zukunft. Denn Dieselmotoren werden uns auch in den kommendenJahrzehnten begleiten, in Lastwagen, Baumaschinen, Nutzfahrzeugen undÄhnlichem. Um Dieselabgas effizient zu reinigen, entwickeln die Empa-Forscher regelrechte Mini-Chemiefabriken für den Motorenraum.

TEXT: Rainer Klose / BILD: Empa

Noch ist die Röhre kalt, in der sich in wenigen Monatenzeigen soll, ob und wie sich Dieselabgase künftig ef-fizienter reinigen lassen. Doch die elektrische Hei-

zung hat ihren Probelauf auf bis zu 500 Grad Celsius bereitshinter sich. Auch die optischen Messgeräte, die High-Speed-Kamera und der gepulste Laser stehen schon parat. Die Mes-sungen können beginnen.

Das schweizweit einzige Abgasstromlabor soll dabei hel-fen, die in den nächsten Jahren strenger werdenden Grenz-werte für Dieselabgase einzuhalten. Die Forschungsergebnis-se dürften vor allem für mittelständische Fahrzeughersteller– etwa im Kommunalfahrzeugbereich oder in der Baumaschi-nenindustrie – hilfreich sein. Doch profitieren wird praktischjeder, der diese Zeilen liest und in 15 bis 20 Jahren am Randeiner Strasse oder neben einer Baustelle Luft einatmet. WennLastwagen vorbeirauschen – die auch in Zukunft mit Diesel-motoren fahren werden – oder wenn Baumaschinen ihre Ar-beit tun, dann sollten möglichst wenig Russ, Stickoxide undscharf riechender Ammoniak in die Umwelt gelangen. Aus-serdem sollten die Maschinen möglichst sparsam im Ver-brauch sein.

Das bedarf bereits heute chemischer Tricks. Die «kleineChemiefabrik», die in modernen Lastwagen das Abgas filtertund entgiftet, wird in den nächsten Jahren noch komplexerwerden müssen. Dazu kommt: Was heute nur bei Schwerlast-wagen zu finden ist, soll morgen auch in Traktoren und Bau-maschinen stecken. Technisch möglichst effiziente und kos-tengünstige Lösungen sind gefragt, wenn man als Herstellerauf dem Weltmarkt mithalten will. Die Empa hilft, solche Lö-sungen zu entwickeln.

Bei Dieselabgasen geht es zunächst um verschiedeneStickoxide, die man unter der Bezeichnung NOX zusammen-fasst. Sie sind in Verbrennungsprozessen bei hohen Tempe-raturen unvermeidlich. Dieselmotoren verbrennen mit Luft-überschuss. Dies resultiert in gutem Verbrauch und gleich-zeitig in viel Restsauerstoff im Abgas; herkömmliche Kataly-satoren, wie bei Benzinmotoren eingesetzt, können die NOX

nicht reduzieren. Stickoxide sind für die Bildung von Smogverantwortlich, reizen die Atemwege und bilden zusammenmit Wasser ätzende Salpetersäure.

Durch Reduktion wird man die Stickoxide los. KleinereDieselmotoren in PWs verwenden dazu einen NOX-Speicher-kat, der das NOX sammelt und regelmässig «geleert» werdenmuss. Dazu läuft der Motor alle zwei Minuten für rund 10 Se-kunden lang «fett». Mehr Dieseltreibstoff wird eingespritzt; dernichtverbrannte Kohlenstoff im Diesel reduziert das NOX imSpeicherkat zu harmlosem Stickstoff und Wasserdampf. Vor-teil: Das Abgas wird sauberer. Nachteil: Der Verbrauch steigt.

Adblue senkt den VerbrauchSpediteuren ist ein höherer Verbrauch ihrer Brummis jedochein Dorn im Auge. Sie setzen auf eine andere Lösung: dieHarnstoff-Einspritzung. Ins heisse Abgas wird eine Harnstoff-lösung eingesprüht, die unter dem Namen Adblue in Europaund den USA im Handel ist. Der Harnstoff zerfällt zu CO2 undAmmoniak – und dieser kann wiederum NOX reduzieren.Vorteil: Der Verbrauch steigt nicht an.

Doch auch diese Lösung hat einen Nachteil: Spritzt manzu wenig Adblue in den Auspufftrakt, wird nur ein Teil derStickoxide zerstört. Spritzt man dagegen zu viel Adblue ins

Das Herzstück des Abgaslabors istdie gläserne Versuchskammer,durchleuchtet von rotem und grünemLaserlicht.

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Forschung und Entwicklung // 07

Abgas, dann bleibt Ammoniak übrig – der mit seinem ste-chenden Geruch und seiner Giftigkeit ebenfalls mehr als un-erwünscht ist. Aktuelle Abgasreinigungsanlagen bewegensich deshalb allesamt auf der «sicheren Seite»: Nur rund 60Prozent der nötigen Adblue-Menge werden eingespritzt. Dennes darf auf keinen Fall scharf riechen.

Genau an dieser Stelle kommt das Abgasstromlabor derEmpa ins Spiel – eine knapp zehn Meter lange Anlage imzweiten Stock des Empa-Motorenhauses. Hier soll in mehre-ren Versuchsreihen herausgefunden werden, wie man die Ad-blue-Lösung möglichst effizient im Abgas verteilen kann, wasdie richtige Dosierung bei verschiedenen Lastzuständen desMotors ist und wie optimale Abgaswerte mit möglichst gerin-gem technischem Aufwand zu erreichen sind.

Versuche mit «simuliertem» AbgasDie Forscher der Empa-Abteilung «Verbrennungsmotoren» wol-len das Problem in einzelnen Schritten lösen. Zunächst untersu-chen sie verschiedene Einspritzdüsen. Dazu werden die Düsen ineine verglaste Kammer gehängt und mit bis zu 500 Grad Celsiusheisser Druckluft umspült. Wie sich das eingespritzte Additiv indiesem «simulierten» Abgas verteilt, wird mittels einer High-Speed-Kamera bestimmt. Bei 10 000 Bildern pro Sekunde könnensogar Geschwindigkeit und Flugbahn einzelner Tröpfchen doku-mentiert werden. Die verwendeten Analysemethoden nennensich Shadowgraphie, Schlieren-Imaging, PIV (Particle Image Ve-locimetry) und PDA (Phase Doppler Anemometry).

In den ersten sechs bis neun Monaten wollen sich Pro-jektleiter Potis Dimopoulos Eggenschwiler und sein Dokto-rand Alexander Spiteri in erster Linie mit der Spray- und

Fluiddynamik beschäftigen. Ihr Ziel ist es, eine wissenschaft-liche Systematik zu erarbeiten, die es selbst mittelständischenFirmen erlaubt, quasi «nach Rezeptbuch» eine Abgasreini-gung passend zu ihren Motoren und Anforderungen zu ent-werfen. Nur so können kleine und mittlere Fahrzeugherstellerkünftige Abgasgrenzwerte einhalten.

In der zweiten Phase wird ermittelt, an welcher Stelle desAbgasstrangs die Adblue-Einspritzung die beste Wirkung erzielt.Neben der Reihenfolge der Reinigungsschritte sind auch die Grös-se des Hydrolysekatalysators (in dem Adblue zu Ammoniak zer-fällt) und des SCR-Katalysators (in dem der Ammoniak mit denStickoxiden reagiert) wichtige und zu erforschende Parameter.Und schliesslich suchen die Empa-Forscher noch nach der opti-malen Edelmetallbeladung für den Katalysator.

In der letzten Projektphase werden dann verschiedene Kon-figurationen von «Diesel-Kats» genauer getestet. Während dieVersuche zu Beginn mit heisser Luft oder künstlich hergestelltenGasmischungen gefahren werden, kann in Phase drei ein han-delsüblicher Dieselmotor zum Einsatz kommen, um die «Proto-typen» unter realistischen Bedingungen zu untersuchen. AmEmpa-Projekt ist bereits ein Schweizer Baumaschinenherstellerbeteiligt, der von den Erfahrungen profitieren will.

Angst vor dicken Abgasschwaden aus dem Empa-Moto-renhaus braucht dennoch niemand zu haben. Die Versuchelaufen nur wenige Stunden lang. Die Abgasbelastung ent-spricht dabei höchstens einem zusätzlichen Lkw auf der Über-landstrasse – einer vierspurigen Magistrale, die vor demEmpa-Campus in Dübendorf entlangführt. Die gewonnenenErkenntnisse jedoch können uns allen in den kommendenJahren einiges an Abgasbelastung ersparen. //

http://www.empa.ch/EN36-2Für Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen(etwa mit der App «Scanlife»)

Video:NeuesMotorenlaborfür ökologischeAntriebssysteme

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Neue Erkenntnisseaus alten ProbenDer spätere Nobelpreisträger Alfred Werner schuf 1893 dieGrundlagen der modernen Komplexchemie – ohne eineinziges Experiment auf diesem Gebiet durchgeführt zuhaben. Der Beweis seiner Theorie war indes aufwendig undlangwierig – angeblich weil Werner einen wichtigenAspekt der Kristallisation übersah. Röntgenstrukturanalysenvon Forschern der Empa und der Universität Zürich anSalzkristallen, die von Werners Arbeitsgruppen hergestelltwurden, widerlegen nun diese Lehrmeinung.

TEXT: Nina Baiker / BILDER: Empa

Für den Empa-Chemiker Karl-HeinzErnst dreht sich (fast) alles um Ste-reochemie, also um die dreidimen-

sionale Struktur von Molekülen. «Dieräumliche Anordnung von Atomen in Mo-lekülen ist entscheidend für die chemi-schen, physikalischen und biochemischenEigenschaften einer Verbindung», erklärter. So beeinflusst beispielsweise die Struk-tur von Proteinen ihre Funktion im Orga-nismus, etwa bei Enzymen. Ernst interes-siert sich vor allem für einen speziellenAspekt der Raumstruktur, der Chiralitätoder Händigkeit. Verhalten sich zweiansonsten identische Moleküle wieSpiegelbilder – wie unsere Hände –,nennt man die Verbindung chiral.

Chiralität im Fokus der Wissen-schaft und des WeltmarktesViele Medikamente, Duftstoffe, Pflanzen-schutzmittel und Feinchemikalien sind chi-ral – und werden intensiv erforscht. So hatsich der globale Umsatz mit chiralen Medi-

1Laboraufzeichnung von NobelpreisträgerAlfred Werner.

2Über hundert Jahre alte Proben vonMetallkomplex-Salzen.

3 Die Kristalle, die Werner und seineMitarbeiterinnen züchteten, bewiesendie Chiralität (Händigkeit) nicht:Linksdrehende und rechtsdrehendeFormen sind gemeinsam in einemKristall enthalten.

08 // Forschung und Entwicklung

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Forschung und Entwicklung // 09

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kamenten von etwa 40 Milliarden US-Dol-lar Mitte der neunziger Jahre bis heutemehr als verfünffacht. Um chirale Verbin-dungen industriell herzustellen, werdenkatalytische Verfahren eingesetzt, die se-lektiv nur ein Enantiomer, sprich: eineSpiegelbildform des Moleküls, ergeben.

Neue Forschungsergebnisse und Ent-wicklungen auf dem Gebiet der Stereoche-mie werden jährlich am International Sym-posium on Chirality vorgestellt. Als Teil-nehmer stellte Ernst vor einigen Jahren sei-nen Kollegen eine, wie er meinte, einfacheFrage – und erhielt darauf keine Antwort:«Wie bewies Alfred Werner seine Theoriezur Raumstruktur anorganischer Komplex-verbindungen?» Ernst beschloss daher, dieGeschichte des Nachweises zu rekonstruie-ren und stiess bei seinen Recherchen aufErstaunliches.

Alfred Werner (1866-1919) gilt als Be-gründer der modernen Komplexchemie.Als Erster formulierte er 1893 – gegen diedamals vorherrschende Lehrmeinung –

eine konzeptionell ausgefeilte Koordinati-onstheorie, die noch heute die Grundlageder Komplexchemie bildet. Bis dahin wur-den Metallkomplexe als kettenförmige Ver-bindungen aufs Papier gezeichnet. Wernertat Kollegen, die so agierten, als «Strichche-miker» ab. Er dagegen ordnete chemischeGruppen räumlich um ein zentrales Metall-atom und konnte so neue Verbindungenvorhersagen. Durch diese räumliche An-ordnung ergab sich zudem die Möglichkeit,dass Metallkomplexe chiral sein können.Es dauerte aber noch weitere 18 Jahre, biser seine Theorie beweisen konnte. 1913 er-hielt er dafür den Nobelpreis für Chemie.

Alfred Werners «geniale Frechheit»Die Chemiker des 19. Jahrhunderts, diesich mit Metallsalzen beschäftigten, warenfasziniert von deren Farbenreichtum. Aus-gebildet in organischer Strukturchemiestellte Werner 1893 in seiner Arbeit «Bei-träge zur Konstitution anorganischer Ver-bindungen» die herrschende Vorstellung

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Page 10: EmpaNews April 2012

zur Struktur dieser Verbindungen auf denKopf. Werners «Erkenntnisse» beruhten in-des einzig auf theoretischen Überlegungen;er hatte kein einziges Experiment durchge-führt. Wie August Kekulé beim Benzol, «er-schien» Werner die Lösung im Traum, dieer dann mitten in der Nacht niederschrieb.Eine «geniale Frechheit», wie ein damaligerKollege Werners es treffend formulierte.

In den Jahren danach synthetisierteWerner etliche der von ihm postulierten Me-tallkomplexe. Diese Ergebnisse sprachen fürseine Theorie, bewiesen sie aber nicht. Diesgelang erst 1911, als Werners Doktorand,der US-Amerikaner Victor King, nach mehrals 2000 Fehlversuchen linke und rechteSpiegelbildformen trennen konnte – und so-mit die Händigkeit eines chiralen Metall-komplexes experimentell nachwies. AlsNachweismethode benutzte er die Polarime-trie, also die Drehung der Polarisationsebenedes Lichts. Daher begrüssten ihn seine Kol-legen in Zürichs Beizen häufig mit: «Na,dreht es schon?»

Der heutigen Lehrmeinung zufolgehätte Werner seine Theorie schon viel frü-her beweisen können, hätte er sich nur ein-zelne Kristalle seiner Doktorandin EdithHumphrey genauer angeschaut, da diesesich von selbst in linke und rechte Kristalletrennen sollten. Wenn auch eher die Aus-nahme, so war damals bereits bekannt,dass sich einige chirale Verbindungen beider Kristallisation quasi «von selbst» auf-spalten und einzelne Kristalle nur Rechts-beziehungsweise Linksmoleküle enthal-ten. Hatte doch Louis Pasteur bereits 50Jahre zuvor durch die Trennung der Wein-säure in die beiden enantiomeren Formenauf diesem Weg die Stereochemie aus derTaufe gehoben. Humphrey beschäftigtesich seit 1898 mit chiralen Metallkomple-xen. Dennoch untersuchten sie und Wer-ner die Kristalle offenbar nie genau genugauf deren Händigkeit. Werner selbst hatte

allerdings die Möglichkeit der Selbstspal-tung chiraler Verbindungen bereits 1899 inBetracht gezogen und in einer Publikationdiskutiert. «Leidtragender» des langwieri-gen Beweisverfahrens war Werner selbst;der Chemiker wurde zwar ab 1907 jedesJahr erneut für den Nobelpreis nominiert.Doch erst als er die Chiralität verschiede-ner Komplexe experimentell nachweisenkonnte, wurde die Theorie allgemein ak-zeptiert und mit dem Chemie-Nobelpreisgewürdigt.

Neue Forschungsergebnisseaus OriginalprobenIn einer vor kurzem in der Fachzeitschrift«Angewandte Chemie» erschienenen Ar-beit kommt Karl-Heinz Ernst nun zumSchluss, dass Werner keineswegs so ohneWeiteres seine Theorie anhand vonHumphreys Proben hätte beweisen kön-nen. Während zweier Jahre hatte sichErnst in seiner Freizeit in die Arbeiten vonWerner und dessen Arbeitsgruppe vertieft.Er führte mit Kollegen der Universität Zü-rich sogar Röntgenstrukturanalysen anWerners über hundert Jahre alten Original-proben durch – und gewann dabei völligneue Hinweise zum Aufbau der von Wer-ners Team hergestellten Kristalle.

So ergab etwa die Analyse von EllenHumphreys Kristallen, dass diese sich ebennicht von selbst in linke und rechte Formentrennten. Lediglich wenige, sehr kleineKristalle waren mit einer Spiegelbildformangereichert. Hätte also Humphrey grosseKristalle auf ihre Chiralität untersucht, sowäre das Ergebnis negativ ausgefallen.Ernst wies nach, dass die Kristalle soge-nannte Zwillinge aus den links und rechtsdrehenden Formen sind und dabei eineSchichtstruktur aufweisen. Zumindest wasHumphreys Proben angeht, muss die Lehr-meinung zur Selbstspaltung chiraler Ver-bindungen also revidiert werden. //

1Nobelpreisträger Alfred Werner:Die Lösung des Problems erschienihm – wie Kekulé – im Traum.

2Doktorand Victor King trennte1911 die linke und rechteSpiegelbildform. Damit war derWeg frei zu Werners Nobelpreis.

10 // Forschung und Entwicklung

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Es gilt als der erfolgreichste internationale Um-weltvertrag – das von 196 Ländern ratifizierteMontreal-Protokoll zum Schutz der Ozon-

schicht. FCKW und andere Ozonkiller werden als Folgedavon in den kommenden Jahrzehnten aus der Atmo-sphäre verschwinden. Von den sinkenden Konzentra-tionen profitiert auch das Klima, denn viele FCKW sindäusserst treibhausaktiv.

So weit, so gut. Doch nun kommen in zunehmen-dem Masse fluorierte Ersatzstoffe zum Einsatz, etwaFluorkohlenwasserstoffe (FKW, grob gesagt: ähnlicheSubstanzen wie FCKW, aber ohne Chlor), die das stra-tosphärische Ozon nicht mehr abbauen. Verwendungfinden FKW als Kühlmittel in Klimaanlagen und Kühl-schränken, als Treibmittel für Sprays, als Lösungsmit-tel oder bei der Schaumstoffherstellung. Der Haken ander Sache: FKW sind ebenfalls äusserst klimaaktiv, dasin Autoklimaanlagen verwendete FKW-134a zum Bei-spiel 1430-mal stärker als das «klassische» Treibhaus-gas Kohlendioxid (CO2).

Äquivalent von 10 Milliarden Tonnen CO2Der zunehmende Ausstoss an FKW droht nun den «Kli-manutzen» des Montreal-Protokolls durch den FCKW-Bann bald einmal wettzumachen, darauf weist eineAnalyse in der Februar-Ausgabe des Wissenschaftsma-gazins «Science» hin. Darin ermittelt ein internationa-les Forscherteam unter der Leitung des NiederländersGuus Velders, dem auch der Empa-Forscher Stefan Rei-mann angehört, zunächst den «unbeabsichtigten» Kli-

manutzen des Montreal-Protokolls: Durch das FCKW-Verbot wurde im Jahr 2010 das Äquivalent von 10 Mil-liarden Tonnen CO2 eingespart – ein Fünffaches desjährlichen Reduktionsziels gemäss Kyoto-Protokoll.

Die Forscher fürchten nun, dass dieser Nutzendurch den jährlich um rund 10 bis 15 Prozent zuneh-menden Ausstoss an FKW bald einmal «verspielt» seindürfte. Problematisch seien vor allem gesättigte FKW,da diese extrem stabil sind und in der Atmosphäre biszu 50 Jahre überdauern. Daher haben sie im Vergleichzu CO2 ein bis zu 4000-mal höheres Treibhauspotenzi-al. Für Empa-Forscher Reimann ist daher klar: «Lang-lebige FKW sollten nicht mehr in dem Ausmass einge-setzt werden.»

Eine «einfache» Lösung: die Ausweitungdes Montreal-Protokolls Die Forscher schlagen u.a. vor, das Montreal-Protokollso anzupassen, dass langlebige FKW ebenfalls darunterfallen. «Da das Montreal-Protokoll überhaupt erst dazugeführt hat, dass diese Stoffe vermehrt hergestellt wur-den, könnten sie in ebendieses Vertragswerk aufge-nommen und von diesem reguliert werden», so Rei-mann. Ein stufenweises FKW-Verbot sei technischdurchaus machbar, denn: «Chemische und technologi-sche Alternativen sind vorhanden.» So würden in denUSA beispielsweise Kühlschränke unter anderem mitFKW-134a gekühlt; in der Schweiz ist dieser Stoff inKühlschränken verboten, stattdessen kommen hier kli-maneutrale Kohlenwasserstoffe zum Einsatz. //

Das Montreal-Protokoll hat dazu geführt, dass ozonschädigende Substan-zen wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) verboten wurden. Doch dienun verwendeten Ersatzstoffe – fluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) – sindstarke Treibhausgase. Im Wissenschaftsmagazin «Science» empfiehlt eininternationales Forscherteam, mit Beteiligung der Empa, die schlimmstendieser Klimagase nun ebenfalls zu regulieren.

TEXT: Michael Hagmann / BILD, GRAFIKEN: Empa

Die Schattenseitendes Ozonschutzes

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1950 1970 1990 2010Jahr

FCKW

Beobachtungen Szenarien

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Wissens- und Technologietransfer // 11

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12 // Wissens- und Technologietransfer

Der neue Sitz verfügt über eine bewegliche Rückenlehne aus Rippen- und Gelenkelementen, die demRumpfskelett nachempfunden sind. Forscher des Instituts für Energie und Mobilität (IEM) der BernerFachhochschule entwickelten das Antriebskonzept und eine Eingabekonsole, über die der Ergothera-

peut die Bewegungen der Rückenlehne so programmieren kann, dass sich die Sitzhaltung der Behinderten op-timal verändert. So lässt sie sich je nach Variante bis zu 22 bzw. 40 Grad vor- und zurückbeugen und seitlichum gut 30 Grad drehen und «zwingt» damit die Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer, ihre Sitzhaltung zu verändernund die Druckpunkte zu verlagern, wie Messungen mit einer Druckmessmatte auf der Sitzfläche ergaben. «Solltesich jemand trotzdem mal unwohl fühlen, können die Voreinstellungen jederzeit individuell abgeändert wer-den», erklärt Empa-Projektleiter Bernhard Weisse. Besonders praktisch: Mit der 24-Volt-Batterie, die den Roll-stuhl mit Energie versorgt, wird auch die Rückenlehne bewegt.

Die Empa wäre nicht die Empa, wenn sie die Entwicklung nicht auch gleich auf ihre Praxistauglichkeit ge-testet hätte. Unterschiedlich schwere Testpersonen befuhren mit den Prototypen Kieswege, Rampen, Trottoir-absätze und Kopfsteinpflaster. Eine kurvenreiche Fahrt mit dem Tixi-Taxi, dem Fahrdienst für Menschen mitBehinderung, diente dazu, die Belastung der Rückenlehne zu evaluieren – alles zur vollsten Zufriedenheit vonHochstrasser und Weisse.

Demnächst sollen klinische Studien anlaufen. Dabei wird sich zeigen, ob die im Labor gemessenen verbes-serten Druckwerte Wohlbefinden und Gesundheit der Handicapierten tatsächlich verbessern und ob die Inno-vation von ihnen auch akzeptiert wird. Weisses Projekt wurde von der Kommission für Technologie und Inno-vation (KTI) finanziert. //

Ergonomie fürRollstühleMenschen im Rollstuhl haben Probleme mit der immer gleichenSitzhaltung: Schmerzen, Deformitäten und Druckgeschwürekönnen die Folgen sein. Der Ingenieur und ErgotherapeutRoger Hochstrasser, Gründer der Firma r going, wollte Abhilfeschaffen. Zusammen mit Empa-Forschern entwickelte erneue Sitze, um die Ergonomie des Rollstuhls zu verbessern undso zusätzliche Therapiekosten zu sparen.

TEXT Martina Peter / BILDER: Empa

1Die bewegliche,programmierbareRückenlehne,mit der einErgotherapeut dieSitzhaltungverändern kann.2Testfahrt mit einemPrototyp desneuen Rollstuhls.

1 2

Page 13: EmpaNews April 2012

Wissens- und Technologietransfer // 13

Gesunde Menschen bewegen sich imSchlaf durchschnittlich zwei- bisviermal pro Stunde. Ausgelöst wer-

den die Bewegungen durch Schmerzen, dieentstehen, wenn Gewebe zu wenig durch-blutet wird. Der Schlafende ändert unwill-kürlich seine Lage, entlastet die Druckstel-le und beugt damit Druckgeschwüren vor,in der Fachsprache «Dekubitus» genannt.

Die von der Natur «eingebaute» Deku-bitusprophylaxe funktioniert jedoch nichtbei Menschen mit Lähmungen und bei Pa-tienten, die stark sediert sind, das Bewusst-sein verloren haben oder unter hohem Fie-ber leiden. Durch die Bewegungslosigkeit

bleiben Körperstellen zu lange belastet, dieMikrozirkulation wird unterbrochen. Dau-ert dies zu lange, entsteht ein schmerzhaf-tes Druckgeschwür.

Um dies zu verhindern, müssen bettlä-gerige Patienten regelmässig umgelagertwerden. Damit das Pflegepersonal diesnicht zu selten, aber auch nicht häufigerals nötig ausführt, hat Compliant Concept,ein Spin-off der Empa und der ETH Zürich,einen «Mobility Monitor» entwickelt. DasSystem hilft, die Mobilität eines Bettlägeri-gen richtig einzuschätzen. «Das Monito-ring-System ist ein Teil unseres Konzeptszur Dekubitusprophylaxe», sagt Firmen-gründer Michael Sauter, der hierfür mitÄrztinnen und Pflegeexperten zusammen-arbeitet. Sein Ziel ist ein komplettes Pflege-bettsystem, das die Bewegungen eines ge-sunden Menschen während des Schlafsimitiert und so die Patientinnen stetig undsanft umlagert.

Die Messeinheit des neuen Systems istunter der Matratze fixiert und mit dem Dis-playgerät am Bettrand und mit der Licht-rufanlage verbunden. Der Monitor zeigtmit einem Ampelsystem, wie mobil der Pa-tient gegenwärtig ist, und liefert dadurchwertvolle Informationen, die dem Pflege-personal helfen, das Dekubitusrisiko rich-tig einzuschätzen, wodurch unnötige phy-sische Belastungen verringert werden kön-nen. Das System erinnert ausserdem an dienächste Umlagerung und warnt über dieLichtrufanlage, wenn Bewegungen überlängere Zeit ausbleiben.

In zahlreichen Tests bewährt«Oft ist das Pflegepersonal unsicher, ob sie diePatienten überhaupt umlagern müssen. Siekönnen ja nicht permanent neben dem Bettstehen und die Bewegungen beobachten», be-tont Sauter. «Gerade nachts wäre es besser,wenn sie deren Schlaf nicht unnötig störenmüssten.» In den letzten Monaten hätte sichdas neue System in zahlreichen Tests in Pfle-geheimen und Kliniken als ausserordentlichnützlich erwiesen. Ab Mai wird der MobilityMonitor auf dem Schweizer Markt erhältlichsein. Bis dahin kann er direkt bei CompliantConcept bezogen werden.

Bis Ende Jahr sind die weiteren Projek-te rund um das «intelligente» Pflegebett, fürdessen Entwicklung die Jungfirma schonmehrfach ausgezeichnet wurde, finanziellabgesichert. Über eine zusätzliche Finan-zierungsrunde will Sauter dann weiteresKapital in die Firma holen, um das Produktin den nächsten Jahren international zulancieren. //

Info unter: www.compliant-concept.ch

Der Bewegungsmelder hängt am Bett-rand und zeichnet auf, ob der Patientüber Nacht seine Lage veränderthat. Die Messwerte können auch amComputer ausgewertet werden.

Der Bewegungs-melderIm Mai kommt ein Überwachungssystem auf den Markt,das es dem Pflegepersonal ermöglicht, die Mobilitätbettlägeriger Menschen objektiv zu erfassen.Entwickelt wurde das System zur Dekubitusprophylaxevom Empa- und ETH-Spin-off Compliant Concept.

TEXT Martina Peter / BILDER: Empa

Page 14: EmpaNews April 2012

MODUL 4

Holz als Materialvon Komponenten

Neue Klebstoffe und Fabrikationsmethodenfür Schichtholz und Sperrholz sollen

Holzbauteile populär machen. VerbesserteSchutzanstriche und auf natürlichem Wegerzeugte Schutzschichten verbesserndie Haltbarkeit. (Empa, ETH Zürich,Berner Fachhochschule, Université

de Fribourg)

MODUL 6

Lebenszyklus-Analysevon Holzprodukten

Wie lässt sich Holz optimal biologischweiterverwerten? Welche Umwelt-probleme muss die Gesellschaftbei zunehmender Holznutzung

im Auge behalten?(ETH Zürich, EPF Lausanne)

MODUL 5

Holz als Material fürTragwerke und Gebäude

Ist Buchenholz als Baustoff nutzbar?Wie lassen sich mehrgeschossige Holzhäusergegen Trittschall dämmen? Wie erdbeben-sicher sind sie? Kann man Holzhäuservon Robotern montieren lassen?(Empa, ETH Zürich, Fachhoch-

schule Westschweiz)

14 // Fokus: Forschung am Holz

Page 15: EmpaNews April 2012

Ein nachwachsenderRohstoff mit Zukunft

Das Nationale Forschungsprogramm«Ressource Holz» (NFP 66)

10 Mio. Kubikmeter Holz wachsen pro Jahr in der Schweiz,doch nur 6,5 Mio. Kubikmeter werden geerntet.

Der Schweizer Wald wird immer älter.

Das Nationale Forschungsprogramm NFP 66 solldie Nachfrage nach einheimischem Holz stärkenund die Wertschöpfung innovativer machen.

Denn Holz haben wir im Überfluss –und es kann Erdöl ersetzen.

Das NFP 66 wurde 2010 vom Bundesratins Leben gerufen. Die Forschungsarbeiten

begannen im Januar 2012.

MODUL 1

Rohholz – Verfügbarkeitund Beschaffung

Wo und zu welcher Zeit kann Holzin der Schweiz optimal geerntet

werden? (Eidgenössische Forschungs-anstalt für Wald, Schnee und

Landschaft, WSL)

MODUL 2

Holz als Rohstoff fürchemische Substanzen

Der Holzbestandteil Lignin kannAusgangsbasis für vielerlei chemischeGrundstoffe sein. Auch Holzabfällesind so nutzbar. (EPF Lausanne,

ETH Zürich, PSI, diverseFachhochschulen)

MODUL 3

Energetische Nutzungvon Holz

Holzöfen? Das war gestern.Heute stehen gereinigtes Holzgas,

Biomethan und hochreiner Wasserstoffaus Holz im Zentrum der

Forschung. (PSI, ETH Zürich,Hochschule Luzern)

Fokus: Forschung am Holz // 15

http://www.empa.ch/EN36-3Für Smartphone-Benutzer: Bildcode scannen(etwa mit der App «Scanlife»)

Video:Holzforschungan der Empa

Page 16: EmpaNews April 2012

Bis sich dieBalken biegenWie kann ein Riss in einem Tragwerksbalkenfachgerecht repariert werden? Nimmt manbesser Schrauben oder Kohlefasermatten?Und: Welche Belastung hält das reparierteBauteil noch aus? Empa-Ingenieure suchenund finden die Antwort.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa

Page 17: EmpaNews April 2012

In respektvollem Abstand stehen Projektleiter Robert Wid-mann von der Abteilung «Ingenieur-Strukturen» und RomanFrei, Student an der Berner Fachhochschule, neben der Hy-

draulikpresse in der Bauhalle der Empa. Ein Träger aus Brett-schichtholz, 60 Zentimeter hoch, bestehend aus 13 Lagen Fichten-holz und zwei Lagen Eschenholz, wird hier zu Tode gemartert.Still biegt sich der Träger durch, nur das Surren der Hydraulik-pumpe füllt den Raum. Dann, bei 430 Kilonewton Belastung – ent-sprechend einer Belastung von 43 Tonnen – verabschiedet sichdas Bauteil mit einem dumpfen, trockenen Krachen.

Sofort greift Roman Frei zum Handrad der Hydraulikpresseund reduziert den Öldruck. Den millimeterdünnen Riss, der ent-standen ist, haben die beiden schon aus der Distanz bemerkt. Nungehen sie näher an den Brettschichtholzträger heran und schauen,was passiert ist.

Der zerbrochene Balken ist Teil einer Versuchsreihe im Rah-men eines vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) finanzierten For-schungsprojekts zur «praxisrelevanten Zustandserfassung undVerstärkung von Brettschichtholz-Bauteilen». Auf Deutsch: Es sol-len verschiedene Verstärkungsmöglichkeiten verglichen werden,

Fokus: Forschung am Holz // 17

Ein Techniker der Herstellerfirmaverstärkt den gebrochenen Holz-träger mit Carbonfasermatten undEpoxidharz. Eine Woche langmuss die Probe trocknen, dannwird sie in der Hydraulikpresse aufBelastbarkeit getestet.

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Page 18: EmpaNews April 2012

18 // Fokus: Forschung am Holz

die an rissigen Tagwerksbalken angewandt werden können. Mankann den Riss verschrauben, verkleben oder ein «Pflaster» ausCarbonfasern um das schadhafte Bauteil kleben. Bei Schäden anBetonträgern wird diese Methode häufig angewandt. Doch funk-tioniert sie auch bei Holz?

Den Versuchsbalken haben die Forscher auf sein schweresSchicksal sorgfältig vorbereitet: Schon beim Verkleben der einzel-nen Bretter wurde bewusst ein Materialfehler eingebaut; die mitt-leren Schichten sind nur zu einem Drittel der Auflagefläche mitKlebstoff verbunden. An dieser Schwachstelle soll der Balken bre-chen, dann wieder repariert werden, um dann in einem weiterenTest die Wirksamkeit der Reparaturmethode zu beweisen. Achtsolcher Versuchsbalken gibt es; an ihnen werden vier verschiede-ne Reparaturmethoden getestet: eine, zwei oder vier Vollgewin-deschrauben pro Bruchstelle beziehungsweise Kohlefasermatten,die mit Epoxidharz rund um die Bruchstelle geklebt werden.

Das Ergebnis überrascht selbst die Experten: Sogar mit nur ei-ner Schraube pro Bruchstelle hält der Brettschichtholzträger einehöhere Last aus als im unverstärkten Zustand. Ähnlich wirkungs-voll zeigt sich die Reparaturmethode mit Kohlefasermatten. Dage-gen ist eine Reparatur mit mehr als einer Schraube pro Bruchstelleunnötig – der Balken versagt nun an anderen Stellen; die zusätz-lichen Schrauben zur weiteren Verstärkung bringen also nichts.Zur Dokumentation des Versuchs wird der gebrochenen Trägeranschliessend geröntgt, manche werden sogar aufgetrennt undanhand der Einzelteile begutachtet. Von den neuen Erkenntnissenprofitieren Holzbaufirmen im ganzen Land, die von nun an Repa-raturen an Tragstrukturen effizienter ausführen können. //

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Gleich wird es ernst: Projektleiter Robert Widmann (oben links) überwacht denDreipunkt-Biegeversuch am carbonverstärkten Holzträger. IngenieurstudentRoman Frei (oben rechts) bedient die Hydraulikpresse. Bei einer Belastung von43 Tonnen versagt der Schichtholzträger mit einem dumpfen Krachen, undder Versatz wird nachgemessen (Bild Mitte). Wo und wann das Versagen genaustatt fand, sieht man am Computerbildschirm.

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Fokus: Forschung am Holz // 19

«Holz hat eine ganzeMenge Vorteile»

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Herr Burgert, was muss man gelernt haben, um Professorfür holzbasierte Materialien zu werden?

Ingo Burgert: Sie könnten beispielsweise mit einem holzwis-senschaftlichen Studium beginnen und danach promovieren. Inmeinem Fall war das an der Universität Hamburg.

Was war denn das Thema Ihrer Doktorarbeit?Ich habe über die Mechanik der Holzstrahlen im Baum pro-

moviert. Das sind jene Strukturen, die auf der Querschnittsflächedes Holzes radial verlaufen und daher wie die Speichen eines Ra-des erscheinen. Ich habe mich damit beschäftigt, welche mecha-nischen Eigenschaften die Holzstrahlen haben und wie sie dazubeitragen, die Stabilität des Baumes zu gewährleisten.

Nun wird ja Holz schon sehr lange verwendet und auch un-tersucht. Wie schwierig ist es, diesem altbekannten Materialnoch neue Erkenntnisse abzugewinnen?

Holz ist ein biologisches Material und daher hierarchisch auf-gebaut. Das bedeutet, dass für die makroskopischen Eigenschaf-ten von Holz dessen Nano- und Mikrostrukturen entscheidendsind. Dort, im Kleinen, im Zellwandaufbau, sind die wichtigenStellschrauben, um die Eigenschaften im Grossen zu steuern. ImVergleich zu früher sind wir heute in der Lage, viel genauer in die

Ingo Burgert ist seit Oktoberletzten Jahres Professor fürholzbasierte Materialien an derETH Zürich; zugleich leitetder 43-Jährige an der Empadie Forschungsgruppe«Bio-inspired Wood Materials».Im Gespräch mit EmpaNewserklärt er, welche Ziele er mitseiner Arbeit verfolgt.

Interview: Rainer Klose / BILDER: Empa

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20 // Fokus: Forschung am Holz

Ganz generell sind meine Arbeitsgruppen immer sehr interdiszip-linär. Für unsere Arbeit muss möglichst Expertise in Holzwissen-schaften, der Biologie, Chemie, Physik sowie den Materialwissen-schaften zusammengeführt werden. Daneben braucht es metho-disches Können, um die Nanostruktur und die Mechanismen aufder Zellebene zu analysieren. Dabei möchten wir Grundlagenfor-schung für das grundlegende Verständnis betreiben sowie durchdie Anwendung der Erkenntnisse und Ideen neue Holzprodukteentwickeln.

Welche Methoden werden Sie nutzen, um in die Nanostruk-tur von Hölzern zu schauen?

Neben der Elektronenmikroskopie nutzen wir dazu Spektro-skopie, Röntgenstreumethoden sowie nano- und mikromechani-sche Charakterisierung. Wichtig dabei ist, die Zellwand trotz ihrerKomplexität als intakte Einheit zu betrachten. Wenn ich isolierte,aus dem Verbund herausgelöste Zellwandkomponenten untersu-che, verliere ich wichtige Strukturinformation und damit den Zu-gang zur Struktur und Mechanik des Verbundes.

Wie werden Sie Ihre Arbeitsgruppe zwischen ETH und Empaorganisieren? Ein paar Mitarbeiter dort, einige hier?

Ich möchte die Aktivitäten so wenig wie möglich trennen. Essoll eine Arbeitsgruppe mit zwei Standorten geben, nicht zwei ge-trennte Gruppen. Denn die Synergieeffekte, die ich mit der Kom-bination aus Empa und ETH erzielen kann, würde ich durch ein

Nano- und Mikrostruktur hineinzuschauen und diese sogar me-chanisch zu charakterisieren. So können wir neue Erkenntnisseüber die grundlegenden Mechanismen und Strukturparameter er-langen, die das Eigenschaftsprofil von Holz bestimmen.

Wohin soll Ihre Forschungsreise gehen? Was wollen Sie machen?Holz hat eine ganze Menge Vorteile. Es hat bei Berücksichtigung

seiner geringen Dichte sehr gute mechanische Eigenschaften. Aberes hat eben auch typische Nachteile, etwa seine Brennbarkeit oderdas Problem des Quellens und Schwindens. Wir wollen mit unsererForschung neue Wege beschreiten, um das Quellen und Schwindenzu minimieren und Holz auf diese Weise «dimensionsstabiler» zumachen. Ein weiteres Thema ist die Dauerhaftigkeit. Das Holz man-cher Baumarten ist dauerhaft, das anderer Arten weniger. Wir wol-len herausfinden, wie man eine grössere Dauerhaftigkeit ins Holz«einbauen» kann. Bei allen diesen Fragen spielt die Nano- und Mikro-struktur eine grosse Rolle, da die Eigenschaften der Holzzellwändedas Materialverhalten massgeblich bestimmen.

Das heisst, ich muss Holz nicht nur oberflächlich behandeln,sondern man muss tief in die Struktur eingreifen?

Richtig. Die Frage ist: Welche Möglichkeiten gibt es neben be-stehenden Verfahren, die Zellwand effizient zu modifizieren, so-dass sie weniger Wasser bindet? Denn das ist letztlich für dasQuellen und Schwinden von Holz verantwortlich.

Bei welchen Holzarten fange ich da an zu forschen? Oder istdas letztlich egal?

Da kommen wir zum Titel meiner Arbeitsgruppe, «Bio-inspi-red Wood Materials». Wir können von der Natur bei diesen Fragenviel lernen: Viele Baumarten wie Eiche oder Robinie bilden echtesKernholz, das das Holz deutlich dauerhafter machen kann. DieKernholzbildung erfolgt, nachdem die Fasern des Holzes schonlange abgestorben sind und im Baum ihre Festigungsfunktion er-füllen. Dem Baum ist es also möglich, sein Holz noch nachträglichchemisch zu verändern. Dabei geht es dem Baum natürlich nichtdarum, das Holz für unser Bauwesen nutzbarer zu machen – viel-mehr dient Kernholz im Baum eher der Ablagerung von Stoff-wechselprodukten. Aber wir können von den zugrundeliegendenMechanismen lernen.

Wenn man diesen Prozess nun künstlich herbeiführen will,dann müsste man ja die Holzstruktur dreidimensional durch-dringen – also die Versorgungsleitungen des Baumes nutzen.Wie kann das gehen?

Die Versorgungsleitungen des Baumes zu nutzen, ist proble-matisch, da diese nach dem Fällen nur noch eingeschränkt zurVerfügung stehen. Daher werden wir nicht in der Lage sein, Holz-elemente mit grossen Durchmessern zu behandeln. Wir könnenaber Holz mit geringem Durchmesser modifizieren und danndurch Verklebung zu grösseren Elementen gelangen. Letzteres istein übliches Vorgehen bei der Holzwerkstoffproduktion.

Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie also eine Art Mikro-struktur-Ingenieur auf dem Gebiet Holz und suchen nach derrichtigen Chemie, um solche Strukturen nachzubauen?

Ich schaue mir die Natur an und überlege, was ich davon ler-nen kann. Dies darf und kann aber kein einfaches Kopieren sein.Vielmehr müssen wir die Prinzipien verstehen, um diese dann fürdie Veränderung der Mikrostruktur und des Chemismus der Zell-wände zu nutzen. Daher hole ich mir in mein Team auch die pas-sende Verstärkung, etwa Spezialisten aus der Polymerchemie.

Zur Person

Ingo Burgert (43) ist seit 2011 Professor für holz-basierte Materialien am Institut für Baustoffe desDepartements Bau, Umwelt und Geomatik an derETH und Arbeitsgruppenleiter in der Abteilung«Angewandte Holzforschung» an der Empa. Erstudierte von 1990–1995 Holzwirtschaft an derUniversität Hamburg und promovierte dort imJahr 2000. Danach arbeitete er an der Universitätfür Bodenkultur (BOKU) in Wien.Von 2003 bis 2011 leitete Ingo Burgert die Ar-beitsgruppe «Plant Biomechanics and Biomime-tics» am Max-Planck-Institut für Kolloid- undGrenzflächenforschung in Potsdam.

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Fokus: Forschung am Holz // 21

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Contec AG Glütschbachstr. 90 • 3661 Uetendorf • Tel. 033 346 06 00 • Fax 033 346 06 01 • [email protected]

Auftrennen der Gruppe teilweise wieder verlieren. Daher sollenmeine Mitarbeiter flexibel sein und sich nicht an einem Schreib-tisch an einem der Standorte einrichten, sondern sich mit demLaptop unterm Arm zwischen Empa und ETH bewegen. For-schung lebt ja von Kommunikation, dem Austausch von Ideenund Erkenntnissen. Dass wir dies in der täglichen Arbeit sowohlmit den Kollegen in der Empa-Abteilung als auch mit den For-schungsgruppen an der ETH erfahrenkönnen, sehe ich als fantastische Mög-lichkeit an.

Wo sind Berührungspunkte mit denanderen Forschungsgruppen derEmpa-Abteilung «Angewandte Holz-forschung» zu finden?

Es gibt viele Bereiche, in denen wirgemeinsam forschen und uns gegensei-tig unterstützen können. Hier an derEmpa ist die Modifikation von Holz dasbestimmende Thema. Tanja Zimmer-mann, die Abteilungsleiterin, hat eine grosse Expertise im BereichNanozellulose. Hier sehe ich Synergien zwischen den Arbeits-gruppen im Bereich der nano- und mikrostrukturellen Charakteri-sierung des Materials. Die Arbeitsgruppe von Martin Arnold arbei-tet am Thema Oberflächenmodifizierung und Dauerhaftigkeit. Erhat eine Menge Erfahrung im holztechnologischen Bereich undwird für mich ein wichtiger Ansprechpartner bei Anwendungsfra-

gen sein. Francis Schwarze hat grosse Expertise im Bereich Holz-abbau durch Pilze und ist ein wichtiger Partner bei der Frage, wiewir Holz leichter zugänglich, besser durchdringbar machen kön-nen. Die Arbeitsgruppe von Francis Schwarze hat da fantastischeMöglichkeiten, die ursprünglichen Transportwege des Baumeswieder zu reaktivieren. Und dann gibt es auch abteilungsübergrei-fende Überschneidungen, etwa mit dem Team von Dominique De-

rome oder der Arbeitsgruppe von RenéSteiger aus der Abteilung «Ingenieur-Strukturen».

Das ist dann aber schon sehr makro-skopisch …

Ja, aber bei Holzbauteilen und gan-zen Bauten schliesst sich der Kreis. Dennletztlich wird die Arbeit meiner Gruppeauch daran gemessen werden, wie wir inder Lage sind, unsere nano- und mikro-strukturellen Veränderungen in die ma-kroskopische Welt zu übertragen. Verbes-

serungen des Eigenschaftsprofils, die nur auf ein paar Kubikmillime-ter des Holzes wirksam werden, sind im Hinblick auf die Holzver-wertung nicht sehr interessant. Wir wollen mit unserer Forschungdie Grundlagen für innovative Holzprodukte schaffen und damit zueiner grösseren Wertschöpfung im Bereich Holz beitragen. Die Vo-raussetzungen für diese reizvolle Aufgabe sind an der Empa und derETH Zürich optimal. //

«Meine Mitarbeitendensollen sich mit demLaptop unterm Armzwischen Empa undETH bewegen.»

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22 // Fokus: Forschung am Holz

Multitalent ausHolzfasernKann Zellulose helfen, Holzoberflächen bessergegen Witterung zu schützen? Die Empauntersucht dies. Aber auch als Bandscheibenersatz,in Lebensmittelverpackungen und zumHerausfiltern von CO2 aus der Atmosphäre kommtder «Wunderstoff» womöglich bald einmalzum Einsatz.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa

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Fokus: Forschung am Holz // 23

Das Geheimnis des Erfolgs entspringteinem schlichten Aluminiumtrich-ter, in dem sich in Wasser einge-

weichte Zellulose befindet. Von hier ausführen Schläuche zu einer Hochdruckpum-pe. Mit bis zu 1500 bar presst dieser brutaleApparat die Zellulosefasern durch dünne,verzweigte Kapillaren – ein Hindernispar-cours aus massivem Stahl. Das zarte Mate-rial zieht dabei den Kürzeren; das Ergebnisist «nanofibrillierte Zellulose», abgekürztNFC: winzige Flocken aus nanometerdünnenFasern mit wundersamen Eigenschaften.

«Wir brauchen nur ein bis zwei Ge-wichtsprozent dieser Substanz in Wassereinzurühren, und schon haben wir ein sta-biles Gel», erläutert Tanja Zimmermann,die sich mit ihrer Forschungsgruppe seitknapp zehn Jahren mit NFC befasst und da-mit zusammen mit einigen anderen For-schungsinstitutionen weltweit Pionierar-beit leistete. Inzwischen hat sie mit NFCschon einiges ausprobiert. So wurden dieFibrillen etwa in Zusammenarbeit mit ei-

nem Industriepartner zum Verstärkenvon Holzleim (Polyvinylacetat) ein-

gesetzt. Ein anderes Projekt unter-sucht, ob sich Biopolymer-NFC-Gele als Ersatzmaterial für denGallertkern der Bandscheibe(nucleus pulposus) eignen.An der Empa in St. Gallenwurden bereits NFC-ver-stärkte Fasern gesponnen,und die Start-up-FirmaClimeworks extrahiert mitHilfe von NFC-Schäumenauf technisch eleganteWeise CO2 aus der Luft.Damit könnten in Zukunftsynthetische Treibstoffe pro-

duziert werden. Der Wunderstoff könnte

uns zudem bald im Kühlschrankbegegnen – denn er ist auch als Bar-

rierematerial für Lebensmittelverpa-ckungen im Gespräch. «Wir mischen dieFasern mit Tonpartikeln – das funktioniertnach einer kleinen chemischen Verände-rung ganz gut», erläutert Zimmermann.Dann wird die Mischung im Hochdruckver-fahren homogenisiert, in einem Filter ver-dichtet und heiss verpresst. Heraus kommteine Folie, die Wasserdampf und Luftsau-erstoff zurückhält. «Unser Material könnteanstelle von Aluminiumfolien eingesetztwerden, die in vielen Lebensmittelverpa-ckungen stecken», hofft die Empa-Forsche-rin. Vorteil des NFC-Ton-Films: Man kannihn problemlos verbrennen und sogar kom-postieren, denn die Zellulose-Fibrillen sindbiologisch abbaubar.

Nun rückt eine weitere Anwendungs-möglichkeit ins Zielfernrohr der Forscher:die Verbesserung von Holzschutzfarben.Kann ein aus Holz oder Stroh gewonnenerStoff tatsächlich helfen, Holzoberflächen zuschützen? Hier kommt Martin Arnold insSpiel, ein Experte für Fragen um die Bestän-digkeit bzw. Verwitterung von Holz. Wel-che Bestandteile der Holzoberfläche wer-den von den UV-Strahlen der Sonne ange-griffen? Was entsteht daraus? Ist das Ab-bauprodukt wasserlöslich, und wird es vomRegen abgespült? Arnold weiss es. Im Kellerseines Labors steht eine «Bewitterungsma-schine», in der Holzproben mit UV-Licht be-strahlt und immer wieder beregnet werden– ein Härtetest für Hölzer und Schutzbe-schichtungen. Den Effekt des Lichts kannman zu Hause an jedem älteren Holzmöbel-stück betrachten: «Dunkles Holz wird imLicht heller, helles Holz färbt sich dagegendunkler», erläutert Arnold.

Anstrich mit FaserverstärkungWas dagegen hilft, ist ein möglichst lichtun-durchlässiger Schutzanstrich – doch damitgeht meist auch die Originalfarbe des Hol-zes verloren. Arnold kennt das Problem: «Jetransparenter der Anstrich, desto wenigerlang schützt er. Dieses Dilemma hat bislangnoch niemand gelöst.» Ein zweites Problemkommt dazu: das Quellen und Schwindendes Holzes. Jeder Anstrich, der mehrereSommer und Winter lang halten soll, musssich dem arbeitenden Holz flexibel anpas-sen. Wird die Farbe spröde, dann reisst sie– und das Holz darunter ist fortan Regen-wasser und Mikroorganismen ausgeliefert.

Genau bei diesen beiden Punktenkönnten NFC-Fasern als Bestandteil einesSchutzanstriches helfen, glauben die Empa-Forscherinnen. In der Matrix der Fasernliessen sich UV-absorbierende Stoffe, etwaNanopartikel, einbetten. Und mit Hilfe die-ser Fasergeflechte wären die Substanzenauch gleichmässig in der Farbe verteilt. Diebereits erprobte Reissfestigkeit der NFC-Fa-sern könnte zudem die Farbe verstärkenund Risse im Anstrich verhindern. Der An-strich wäre damit auch besser vor Hagel-schlag geschützt.

Doch auf dem Weg zu diesem Ziel sindnoch etliche Hürden zu überwinden. Somuss zum Beispiel die «Wasser-affine» Zel-lulose chemisch so verändert werden, dasssie sich auch in «öligen» Holzschutzfarbenfein verteilt. Erste Versuche zu dem Themawerden seit Anfang Jahr im Rahmen desNationalen Forschungsprogramms (NFP)66 (siehe auch Seiten 14 und 15) durchge-führt. Das Thema Holzschutz bleibt alsospannend. //

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1In diesem Metalltrichter wird dieZellulose auf den Hochdruck-Aufschluss vorbereitet. TanjaZimmermann und Martin Arnoldwollen den «Wunderstoff» für verbesserte Holzbeschichtungeneinsetzen.

2Nanofibrillierte Zellulose im Elektro-nenmikroskop: In dieser Probe sindTonpartikel im Zellulose-Netz-werk verteilt. Der Ton bildet winzige«Blätter» in der Struktur.

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24 // Fokus: Forschung am Holz

Die Oberfläche eines Holzstücks steckt voller biochemischer «An-schlussbuchsen». Empa-Forscher sehen darin eine Chance, aus Holzgenau das zu machen, was man gerade braucht: klebefreundlicheOberflächen, Antipilzbeschichtungen – oder gar selbstklebendeHolzspäne, aus denen hundertprozentig ökologische Faserplattengepresst werden könnten, ganz ohne chemische Zusätze.

TEXT: Rainer Klose / BILDER: EmpaTEXT: Rainer Klose

1Mark Schubert vergleicht einemit Pilzschutz behandelteHolzprobe und eine unbe-handelte Probe (rechts im Bild).Die Faserplatte, die er inder Hand hält, kann ohnechemische Klebstoffehergestellt werden – das Holzklebt selbst.

2Das Prinzip der Enzymbehand-lung: Die Laccase nutztchemische «Andockstationen»auf der Holzoberfläche undmacht Holz auf diese Weisereaktiv.

Biologisch veredelt

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Page 25: EmpaNews April 2012

Laccase

Holz

HO

O2 H2ONH2 NH2 NH2

Chemische Reaktionmit Klebstoff

Ankermolekül:4-Hydroxyphenylethylamine

O O

Fokus: Forschung am Holz // 25

Manchmal beginnen Innovationen mit einem simplenWaldlauf: «Eine der wirklich guten Ideen kam uns beimJoggen», sagt der Holzexperte Mark Schubert von der

Abteilung «Applied Wood Materials». Gelegentlich dreht Schubertmit seinem Kollegen Julian Ihssen ein paar Runden im Wald. Wie-der einmal liefen die beiden los, mit einem unfertigen Projekt inSchuberts Kopf. Und diesmal kamen sie mit einer zündenden Ideezurück: der Vision von der antimikrobiellen Holzoberfläche.

Doch der Reihe nach: Schubert, studierter Forstwirt und Umwelt-wissenschaftler, forscht seit 2007 an der Empa, zunächst daran, Schad-pilze im Holz mit antagonistischen Pilzen zu bekämpfen. Dann machteer sich vor einigen Jahren daran, Pilze gezielt zur Modifikation vonHolzeigenschaften einzusetzen. Inzwischen arbeitet Schubert mit be-stimmten Enzymen Holz zersetzender Pilze, die sich im Laufe der Evo-lution auf die «Verdauung» von Holz spezialisiert haben. Das EnzymLaccase zum Beispiel, das von vielen Weissfäulepilzen ausgeschiedenwird, kann die Oberflächeneigenschaften von Holz verändern: Es ver-wandelt chemische Untereinheiten des Holzbestandteils Lignin in Ra-dikale – so wird die Oberfläche des Holzes reaktiv (siehe Bilder oben).

Fungizid der alten ÄgypterDoch was kann man anfangen mit einer Holzoberfläche, die nungewissermassen «für neue Ideen offen ist»? Zunächst fallen einemHolzschutzmittel ein, die sich nun fest an der Oberfläche veran-kern lassen und so das nackte Holz besser vor dem Verrottenschützen könnten. Schubert startete Versuche mit dem natürli-chen Bakterizid Isoeugenol und dem Fungizid Thymol, das bereitsdie alten Ägypter zur Konservierung ihrer Mumien verwendeten.Doch der Erfolg fiel bescheiden aus – die Stoffe liessen sich zuleicht wieder abwaschen bzw. verloren im Zusammenspiel mitdem Enzym ihre ursprüngliche antimikrobielle Wirkung.

Dann kam der eingangs erwähnte Jogginglauf. Mark Schuberterzählte Julian Ihssen, der in der Abteilung «Biomaterialien»forscht, von den Schwierigkeiten, und dieser empfahl ihm: «Pro-biers doch mal mit einem alten Hausmittel.» Die beiden spanntenzusammen, und tatsächlich brachte ausgerechnet eine billige Sub-stanz, die sich in jeder Hausapotheke findet, den gewünschten Er-folg: Die Substanz klebte sprichwörtlich auf der Holzoberfläche.Als Probe aufs Exempel traktierten Schubert und Ihssen Probestü-cke von Fichtenholz mit aggressiven Holz zersetzenden Pilzen.Und während die unbehandelten Testkörper nach 12 Wochen imInkubator bis tief ins Holz zerfressen waren, hatten die behandel-ten Testobjekte den Pilzen standgehalten. Welches Hausmittel esist, darf an dieser Stelle leider nicht verraten werden – denn dieForscher wollen ihre Entdeckung patentieren lassen.

Laccase

Holz

OH OH

O2 H2O Weitere Reaktionen

O? O?

Mit dem Experiment war gleich zweierlei bewiesen: Laccasefunktionalisiert die Holzoberfläche so intensiv, dass brauchbareMengen eines Stoffes daran chemisch gebunden werden können.Und ein billiges Massenmedikament auf Holz bringt aseptische Ei-genschaften, die für vielerlei Anwendungen nützlich sein können.Man denke nur an Holzbauteile in öffentlichen Gebäuden oderVerkehrsmitteln, in Spitälern, Kindergärten und Restaurants.

Nun hofft Schubert auf einen Industriepartner, der diese anti-mikrobielle Holzbehandlung zur Marktreife weiterentwickelnmöchte. Zugleich verfolgt er zwei weitere Projekte, die ebenfallsmit Hilfe der Laccase-Modifikation möglich werden: Holz könntechemisch besser an Klebstoffe gebunden werden, so liessen sichfestere Klebeverbindungen herstellen – sogar zwischen Holzsor-ten wie Lärche und Buche, die bislang nur schwer zu verklebensind. Dazu wird das Holz ebenfalls mit wässriger Laccase-Lösungvorbehandelt. An die entstehenden Radikale könnten dann funk-tionelle Gruppen, wie Amine als Ankermoleküle, gebunden wer-den. Diese Ankermoleküle können wiederum eine chemische Ver-bindung mit dem Klebstoff ausbilden. Die Klebeverbindung wirddeutlich fester.

Wer mit Chemie lieber nichts zu tun haben möchte, dem dürftedie dritte Anwendung gefallen, die mit enzymatisch behandeltemHolz möglich ist – die klebstofffreie Faserplatte. Wenn vorbehan-delte – gewissermassen radikal-aktive – Holzfasern verpresst wer-den, dann können sie chemische Verbindungen mit benachbartenHolzfasern eingehen. Dadurch kann man etwa bei der Herstellungvon sogenannten «mitteldichten Faserplatten» auf chemische Bin-demittel wie Harze oder Isocyanate verzichten. Ein chemiefreies,ökologisch unbedenkliches Faserprodukt wird machbar.

Enzyme sind für Menschen ungiftigVor den Laccasen selbst brauche man sich nicht zu fürchten, er-läutert Mark Schubert: Die Proteine sind biologisch abbaubar, fürMensch und Tier ungiftig und verursachen auch bei Hautkontaktkeinerlei Probleme. Sie verrichten ihre Arbeit am Holz bei Raum-temperatur – ohne vorherigen Einsatz von Säuren und Laugen.Doch vor dem Siegeszug der Enzyme in der Holzverarbeitungbleibt noch viel Kleinarbeit zu leisten. So sind nicht alle Variantendes Enzyms Laccase für alle Holzarten gleich gut geeignet, und umein passendes Enzym zu finden, müssen die Enzyme erst charak-terisiert und miteinander verglichen werden. Und auch die kosten-günstige und effiziente Herstellung von Laccasen aus Weissfäule-pilzen muss noch erforscht und deutlich optimiert werden. Es gibtalso noch viel zu tun. //

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26 // Wissens- und Technologietransfer

Venture Kick: Startkapitalfür künstliche MuskelnDie von Empa-Forscher Gabor Kovacs erst im August 2011 gegründete Firma Compliant Trans-ducer Systems GmbH (CTSystems) erhielt von der Start-up-Stiftung Venture Kick 10000 Fran-ken Startkapital für ihre überzeugende Geschäftsidee. Kovacs widmet sich der Serienpro-duktion von künstlichen Muskeln und wird mit seiner Firma zwei Produktionsverfahrenweiterentwickeln: einen «Stacker», mit dem grosse Stückzahlen zu niedrigen Kosten fa-briziert werden können, und einen «Plotter», der besonders komplexe, feine Strukturenfür hochwertige Bauteile fertigen kann (EmpaNews berichtete in Ausgabe 35, Januar2012). Für die erste Stufe des Wettbewerbs um Fördergelder reichte Kovacs ein mehrsei-tiges Exposé über seine Firma ein und überzeugte die Venture-Kick-Jury in einem zehn-minütigen Vortrag von seiner Geschäftsidee. Das Geld soll nun in den Aufbau einer Home-page fliessen und Spesen von Kooperationsverhandlungen decken.

Die Gelder der Schweizer Förderinitiative venture kick stammen aus Mitteln der AVI-NA-Stiftung, der Ernst-Göhner-Stiftung, der Fondation 1796, der Gebert-Rüf-Stiftung undder OPO-Stiftung. Verteilt werden in mehreren Stufen bis zu 130 000 Franken pro Start-up-Projekt. Nach dem Zuschlag für die erste Förderstufe will sich Kovacs in den kommen-den Monaten für die nächsten Förderstufen bewerben: 20 000 Franken für einen «BusinessCase», in dem bereits erste Kunden und strategische Partner aufgezeigt werden müssen– und schliesslich 100 000 Franken für die Stufe «erfolgreiches Start-up». In diesem Sta-dium steht das Team, das geistige Eigentum ist geschützt, und die Firma ist bereit für denMarkteintritt.

KTI-Sondermassnahmen:Jedes 9. Projekt an die Empa Mit einer Flut von Gesuchen ist die Anmeldefrist für das 100-Millionen-Innovationsprogramm des Bundes ge-gen den starken Franken abgelaufen. Bis am 15. Dezember 2011 gingen insgesamt 1064 Gesuche im «Wert»von mehr als 530 Millionen Franken bei der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ein; die Empahatte sich mit 105 Anträgen an der Ausschreibung beteiligt.

Bewilligt wurden am Ende 246 Projekte – also rund jedes vierte. Für die 27 bewilligten Projekte der Empafliessen 12,3 Millionen Franken Fördergelder an die Standorte Dübendorf, St.Gallen und Thun. Die Projektereichen dabei vom Hybridantrieb für Kommunalfahrzeuge bis zum Skisteigfell, vom Quantenkaskadenlaserbis zu neuen Betonkonzepten für Fertigteile.

Bundesrat und Parlament hatten Ende September 2011 ein Sonderprogramm gegen die Auswirkungen desstarken Frankens lanciert, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer (Export-)Wirtschaft zu stärken. FürInnovationsmassnahmen wurden der KTI zusätzlich 100 Millionen Franken zur Verfügung gestellt. Firmenunter wechselkursbedingtem Margendruck sollen damit Innovationsprojekte in Zusammenarbeit mit For-schungsinstitutionen möglichst schnell umsetzen können. Gefördert wurden insbesondere Projekte mitschneller Wirkung am Markt oder risikoreiche Vorhaben, die Firmen wegen der dramatischen Margenerosionzurückstellen mussten.

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Wissenschaft im Dialog // 27

Veranstaltungen

16. – 20. April 2012 Intensive course: Nanopowders andNanocompositesEmpa, Dübendorf

26./27. April 2012 3-Länder-KorrosionstagEmpa, Dübendorf

2. Mai 2012 Imaging and image analysis of porous materialsEmpa, Dübendorf

23. – 25. Mai 2012 Fibre Society Conference 2012Empa, St. Gallen

11. Juni 2012 Electrical Overstress (EOS) – das «unbekannte» Phänomen inSchaltungstechnik und AusfallanalyseEmpa, Dübendorf

12./19./26. Juni 2012 Flottenmanagement ganzheitlich betrachtetEmpa, Dübendorf

13. Juni 2012 48th Discussion Forum Life Cycle Assessment:ecoinvent v3Empa, Dübendorf

30. August 2012Innovation Day 2012 (Textil und Bekleidung)Empa, Dübendorf

Details und weitere Veranstaltungen unterwww.empa-akademie.ch

Ihr Zugang zur Empa:

[email protected] +41 58 765 44 44www.empa.ch/portal

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Selbst mehrgeschossige Bauten können einen behaglichen Charme versprühen. Immer mehr Architekten, Investoren und Bauherrschaften bekennen sich zu Holz, einem nachhaltigen Baustoff, der sich vielfältig in Farbe, Struktur sowie im Verbund mit anderen Materialien gibt. Bauen mit Holz ist klima- und energieeffizient, brandsicher, sinnlich und modern. Kein Wunder also, dass sich der Marktanteil von Holzbauten jährlich vergrössert. Bauen auch Sie mit Holz, Ihnen und einer gesunden Umwelt zuliebe. www.holzbau-schweiz.ch

So sehen heute Wolkenkratzer aus.