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Rampenbauer für Forschungsprojekte 04 Neue Anwendungen dank Biokatalyse 08 Gefragte Schadensexperten der Empa 12 Die Kunden- und Publikumszeitschrift der Empa Jahrgang 8 / Nummer 29 / Mai 2010 Empa News Computational Power für komplexe Simulationen 12

EmpaNews Mai 2010

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Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer - Jahrgang 8, Nummer 29

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Page 1: EmpaNews Mai 2010

Rampenbauer fürForschungsprojekte 04

Neue Anwendungendank Biokatalyse 08

Gefragte Schadensexpertender Empa 12

Die Kunden- und Publikumszeitschrift der EmpaJahrgang 8 / Nummer 29 / Mai 2010

EmpaNews

Computational Power fürkomplexe Simulationen 12

Page 2: EmpaNews Mai 2010

02 // Editorial

Von Neugier getriebenRampenbauer fürForschungsprojekte 04

Forschung in silico

Wie lassen sich – zumindest in den Natur- undIngenieurwissenschaften – neue Einsichtenund Erkenntnisse gewinnen? Etwa indem

man das «Objekt der Begierde» beobachtet, eine Theoriedazu aufstellt und diese in einem – oder in den meistenFällen mehreren – Experiment(en) überprüft.

Viele Probleme, mit denen sich Forscherinnen undForscher heutzutage rumschlagen, lassen sich indesnicht so einfach experimentell «nachspielen». Wie wol-len Sie zum Beispiel das Klima im Labor reproduzieren?

Oder ganze Ökosysteme? Wie Vorhersa-gen darüber treffen, wie sich bestimmtePhänomene – etwa eine Wolke aus Vul-kanasche – in den kommenden Tagen ver-ändern?

Um Fragen wie diese zu beantworten,kommen Hochleistungsrechner und com-putergestützte Modellierungen, Compu-tersimulationen, zum Einsatz. In silicokönnen die ForscherInnen aus dem Vollenschöpfen und je nach Rechenleistung vie-le verschiedene Szenarien durchrechnen.

An der Empa übernimmt diesen Job eine fleissige Mit-arbeiterin, der Computercluster «Ipazia», der derzeitweiter ausgebaut wird, um noch mehr und noch an-spruchsvollere Berechnungen durchführen zu können.

Ipazia ist unermüdlich und extrem multidisziplinär;sie arbeitet mehr oder weniger rund um die Uhr und liefertHinweise zu Fragen wie: Warum ordnen sich bestimmteMoleküle auf Oberflächen spontan zu so genannten Nanostrukturen an? Wie breiten sich Luftschadstoffe vonbestimmten «Punktquellen» in der Atmosphäre aus – oderLärm in der Umgebung? Wie verhalten sich komplexe Hydride, die für die Speicherung von Wasserstoff einge-setzt werden, unter verschiedenen Bedingungen?

Lernen Sie Ipazia näher kennen, im aktuellen «Fokus»stellen wir sie Ihnen vor.

Michael HagmannLeiter Kommunikation

Titelbild

Computersimulationen sind aus dermodernen Wissenschaft nicht mehrwegzudenken. Auf dem ComputerclusterIpazia berechnen Empa-Forscherinnenund -Forscher unterschiedlichste Projekte,beispielsweise über Eisenbahnlärm,den Transport von Luftschadstoffen, dasVerhalten von Brennstoffzellen aufatomarem Niveau oder über Nanostrukturenauf Oberflächen. (Foto: Empa)

Page 3: EmpaNews Mai 2010

Inhalt // 03

Von Bahnlärm und NanobauteilenComputational Power fürkomplexe Simulationen 14

Von Korrosion zum SchadenGefragte Experten der Empa 12

Vom Gen zum ProduktNeue Anwendungen dankBiokatalyse 08

Forschung und Entwicklung04 Der Ideen-Generator

Forschung und Entwicklung

06 So gut wie einzigartig – Laserzentrum an der Empa

Forschung und Entwicklung

07 Synthetische Seeigel als Lichtfänger

Forschung und Entwicklung

08 Biokatalyse, eine «grüne» Seite der Chemie

Forschung und Entwicklung

10 Dem Haarriss auf der Spur

Dienstleistungen

11 «Schmutz» macht Dioden flott

Dienstleistungen

12 Chlorkorrosion führte zu Hallenbadunglück

Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen

14 Immer am Rechnen

17 Mit Computational Power gegen Lärm

18 «Und nun zur Ozonprognose von morgen…»

20 Geschichten über tausend und ein Atom

Wissenschaft im Dialog22 Schädlicher Stickstoff

Wissenschaft im Dialog

23 «Rent-an-academy»

Wissenschaft im Dialog

23 Ausstellung zu Nanotechnologie

24 Veranstaltungen

Impressum

HerausgeberinEmpaÜberlandstrasse 129CH-8600 Dübendorfwww.empa.ch

Redaktion & GestaltungAbteilung Kommunikation

KontaktTelefon +41 44 823 47 [email protected]

Erscheint viermal jährlich

ISSN 1661-173X

COC-100246 FSC Mix

Page 4: EmpaNews Mai 2010

04 // Forschung und Entwicklung

Patrik Hoffmann ist fasziniert von komplizierten Sachverhalten.«Je schwieriger ein Problem, desto neugieriger macht es mich»,beschreibt er seinen Wissensdrang. Den stillt der Spezialistfür mikro- und nanostrukturierte Präzisionsoberflächen und fürMikrowellen- und Lasermaterialbearbeitung seit April 2009 an derEmpa, als Leiter der Abteilung «Advanced Materials Processing».

TEXT: Martina Peter / FOTO: Ruedi Keller

Der Ideen-Generator

Page 5: EmpaNews Mai 2010

Forschung und Entwicklung // 05

Ca va?» ruft Patrik Hoffmann einem Mitarbeiter auf dem Wegin sein Büro an der Empa in Thun freundlich zu, erkundigtsich im Vorbeigehen bei einer Kollegin, ob der Termin am

Nachmittag passe, und orientiert noch schnell telefonisch einenseiner Projektleiter über den Stand eines Industrieprojekts. Hoff-mann kommuniziert auf Hochtouren – lebendig, aufmerksam undpräzise, mühelos vom Deutschen ins Französische und Englischewechselnd.

Ein Sprachentalent, das dem neuen Leiter der Abteilung «Ad-vanced Materials Processing» in die Wiege gelegt wurde? «Ich binweder bilingue aufgewachsen, noch glänzte ich in der Schule mitguten Noten in Fremdsprachen», sagt der gebürtige Pfälzer, der inKarlsruhe Chemie studiert hat. Als er für die Dissertation an dieEPF nach Lausanne ging, konnte er anfangs noch nicht einmal einBier bestellen. «Das war hart für mich», so Hoffmann schmun-zelnd. «Mir geht es ohnehin schlecht, wenn ich nicht kommunizie-ren kann.»

Doch Hoffmann ist keiner, der schnell aufgibt. So rasch er sein«Sprachproblem» in den Griff bekam, so hartnäckig begegnet erauch komplexen wissenschaftlichen Fragen. «Je schwieriger einProblem, desto neugieriger macht es mich.»

Jeden Monat eine gute Idee vorantreibenHartnäckig blieb Hoffmann auch als Post-Doc am IBM-Forschungs-zentrum Almaden im kalifornischen San Jose. IBM ging es Ende1992 wirtschaftlich nicht gut; die Firma fror deshalb sämtlichePost-Doc-Stellen ein – darunter auch diejenige von Hoffmann. «Ichhätte bei einer kalifornischen Firma einsteigen können, die Alumi-nium-Rolladen aus Deutschland verkaufte.» Doch er hatte andereVorstellungen – und auch eine Menge konkreter Ideen für span-nende Forschungsprojekte. «Mir fallen eigentlich täglich neue Ide-en ein, davon bleibt etwa eine pro Woche hängen. Ende des Mo-nats versuche ich, wenigstens eine weiterzubringen.» Zwei solcherIdeen präsentierte er den IBM-Verantwortlichen – und landete da-mit prompt einen Treffer.IBM engagierte ihn für einProjekt zur Entwicklung vonmonomolekularen Schichten,die unter anderem Schiffe vorMuschelbewuchs schützensollten.

Manchmal setzen auchandere Hoffmanns Ideen indie Tat um. So geschehen mitseiner am häufigsten zitier-ten Arbeit von 1995. Darin ging es um Glasfasern für ein speziellesNahfeldmikroskop, das SNOM («scanning near-field optical mi-croscope»), gewissermassen die optische Variante eines Raster-sondenmikroskops. Beim SNOM wird eine winzige Lichtquelle ineinem Abstand von wenigen Nanometern über die zu analysieren-de Probenoberfläche geführt. Für optimale Resultate muss dieGlasfaserspitze des SNOM möglichst fein sein. Anstatt wie üblichdie Glasfaser zu erhitzen und in die Länge zu ziehen, entwickelteHoffmann ein Ätzverfahren, das wie ein Bleistiftspitzer die Glas-faser anspitzte. Mit derart hergestellten Glasfaserspitzen gelangendann anderen Forschern Aufsehen erregende Ergebnisse: EinTeam der ETH Zürich etwa setzte Hoffmanns «Spitzen»-Techno-logie für höchstauflösende Ramanspektroskopie ein. Sie warendamit weltweit die ersten, die mit dem 10'000-mal intensiverenLichtstrahl eine spektroskopische Analyse durchführten und Mo-leküle identifizierten mit einer lateralen Auflösung, die deutlichkleiner war als die Wellenlänge des Lichtes.

Hohe Ansprüche an die QualitätLeider flössen heutzutage immer weniger Ideen «mit Haltbarkeit»in wissenschaftliche Artikel ein, moniert Hoffmann; vieles seien«Schnellschüsse». Nicht nur seine Doktorierenden an der EPFL,wo er zuletzt Leiter der Forschungsgruppe «Nanostructuring» warund nun neben seiner Anstellung an der Empa Titularprofessorist, hielt er an, Versuche sorgfältig durchzuführen; er verlangtauch von seinen Mitarbeitenden an der Empa, ihre Ergebnisse kri-tisch zu hinterfragen, vorsichtig zu interpretieren und erst zu ver-öffentlichen, wenn etwas Hand und Fuss hat. «Salamitaktik», umdie Anzahl Publikationen künstlich in die Höhe zu treiben, ist ihmein Graus. «In der Industrie geniessen wissenschaftliche Veröf-fentlichungen deswegen kein hohes Ansehen», weiss Hoffmann.

Hoffmann hat keine Hemmungen, seine Ansprüche klar zuformulieren. «Ich habe viel von Rechtsanwälten gelernt», erklärter. «Die sind es gewohnt, ihre Standpunkte bis zum Geht-nicht-mehr zu vertreten. Trotzdem können zwei ‹gegnerische› Anwälteabends ein Bier zusammen trinken.» Dass Hoffmann dies eben-falls gelingt, kann sich gut vorstellen, wer ihn mit «seinen» Nach-wuchsforschern beim Lunch sitzen und plaudern sieht: Interes-siert und unvoreingenommen beteiligt er sich an den Diskussio-nen.

Forschungsteams mit Schlagkraft und Kontinuität«Schlagkräftig und klein», so stelle er sich eine ideale Forschungs-gruppe vor, räsonniert Hoffmann. Darin sollten erfahrene Forscherund Techniker mit Post-Docs und Doktoranden, die regelmässigfür neue Ideen sorgen, zusammenarbeiten. Denn Hoffmann lässtsich gerne von fremden Einfällen inspirieren. Auch im Privaten: Sovon «Movember», einer aus Australien stammenden Art des Fund-raising, bei der sich jährlich im November Männer Oberlippenbärtewachsen lassen, um Spenden zugunsten der Erforschung und Vor-beugung von Prostatakrebs und anderen Gesundheitsproblemenvon Männern zu sammeln. «Meine derzeit etwas auffällig-struppi-

ge Haarpracht bietet immerwieder Gelegenheit, auf dieIdee hinzuweisen. Und dasmache ich gerne.»

Eigene Ideen erfolgreichin die Praxis umsetzen, dieseGelegenheit bietet Hoffmanndie Empa seit April 2009. «Ichsehe mich als Rampenbauerfür Forschungsprojekte, mitdenen wir Brücken zur Indus-

trie schlagen können», definiert er seine Rolle. Viel Potenzial fürdie Zusammenarbeit mit der Industrie sieht Hoffmann auf dem Ge-biet der Wechselwirkung zwischen Materialien und Mikrowellen.Denn es ist erstaunlich: Obwohl die Mikrowellentechnik bereitsseit rund 50 Jahren angewendet wird und in praktisch jedemHaushalt ein Mikrowellengerät steht, ist noch viel zu wenig darü-ber bekannt, wie die elektromagnetischen Felder der Mikrowellenmit unterschiedlichen Materialien interagieren.

Deshalb soll an der Empa in Thun das Zentrum eines Mikro-wellenkonsortiums entstehen, in dem Forschungs- und Industrie-partner ihr Wissen zu möglichst vielen Material-Mikrowellen-Wechselwirkungen einbringen können. Hoffmanns Traum: DiePartner davon zu überzeugen, ihre Ergebnisse offen und transpa-rent in den Datenpool einzuspeisen. Kein leichtes Unterfangen,denn Unternehmen seien häufig darauf bedacht, ihre Ergebnisseunter Verschluss zu halten. Also ein Projekt so richtig nach demGeschmack Hoffmanns – je schwieriger, desto attraktiver. //

« Ich sehe mich als Rampenbauerfür Forschungsprojekte, mitdenen wir Brücken zur Industrieschlagen können.»

Page 6: EmpaNews Mai 2010

06 // Forschung und Entwicklung

Im Sommer wird an der Empa in Thun eine neue Laser-anlage errichtet, wie es sie weltweit nur noch zweimalgibt. Ihr Herzstück ist ein gepulster Ultraviolett-Laser-

strahl, der auf bis zu drei Quadratmeter grossen Oberflächennanometerdünne Schichten präzise abträgt. Indem dieOberflächen mikrostrukturiert werden, lassen sich neuephysikalisch-mechanische Effekte hervorrufen; die Mikro-strukturen verringern Reibung, reduzieren Luftwiderstandoder verhindern Pilzbewuchs. Auch elektrochemische Pro-zesse können «vorgebahnt» werden: Auf flexiblen Bildschir-men oder Solarzellen wachsen Leiterbahnen oder elektri-sche Kontakte. Dadurch, dass grosse Flächen mit dem Laserbearbeitet werden können, lassen sich auch so genannte Ab-formwerkzeuge bilden. Diese werden benötigt, um me-terweise günstige, strukturierte Folien zu produzieren.Anfertigen lassen sich auch Folien für optische Sicherheits-merkmale: Schon jetzt bemühen sich gewisse Länder, dieHologramme auf ihren Banknoten durch mikrostrukturierteFolien mit optischen 3D-Effekten zu ersetzen.

Auch für die Forschung von BedeutungEbenso wie die Industrie profitiert die Forschung vonder neuen Laseranlage: «Wir möchten wissen, welcheMaterialien sich ausser Polymeren eignen, mikrostruk-turiert zu werden», sagt Patrik Hoffmann, in dessen Ab-teilung «Advanced Materials Processing» die Anlage auf-gebaut wird. Hier wäre die grüne, ungebrannte Keramiksehr interessant. Plastikfolien würden sich beispielswei-se durch viel haltbarere, dünne, flexible Keramikfolienersetzen lassen. Sie lassen sich als Membranen einset-zen, die Gase und Flüssigkeiten trennen und reinigen.Anspruchsvoller seien optisch aktive Strukturen, wenndiese temperatur- und langzeitbeständig sein sollen.Solche intelligenten Schichten würden dann als gross-flächige Sensoren für Temperatur, Druck und Chemika-lien eingesetzt werden können. «Als erste Industrie-branche wird die Luft- und Raumfahrt davon profitie-ren», so Hoffmann. //

In einer neuen Anlage der Empa können ab Sommer 2010 grosse Flächen mit einemgepulsten Ultraviolett-Laserstrahl bearbeitet werden. Die Mikrostrukturierung verhilftden Materialien – etwa Polymer- und auch noch zu erforschende Keramikfolien – zuneuen physikalisch-mechanische Eigenschaften.

TEXT: Martina Peter

Mit der neuen Laseranlagein Thun werden Oberflächenmikrostrukturiert. Bilder imUhrzeigersinn oben linksbeginnend: TopographischeSchweiz im Massstab1:109 (1 km —> 1 μm);Struktur mit Fresnellinsen;einzelne Mikrolinsen;grossflächiges Mikrolinsengitter.(Fotos: Karl Boehlen)

So gut wie einzigartig –Laserzentrum an der Empa

100 µm

10 µm

100 µm

50 µm

Page 7: EmpaNews Mai 2010

Forschung und Entwicklung // 07

Verfahren, die Werkstoffe mit neuenEigenschaften «ausrüsten», sind inder Regel oft kompliziert und daher

schwierig zu reproduzieren. Umso erstaun-licher also, wenn WissenschaftlerInnenvon neuen Methoden berichten, die trotzpreislich günstiger Ausgangsmaterialienund ohne teure Instrumente hervorragendeErgebnisse liefern.

Einfach ein Gerüst aus PolystyrolJamil Elias und Laetitia Philippe aus derEmpa-Abteilung «Werkstoff- und Nanome-chanik» in Thun ist genau dies gelungen:Sie benützen Polystyrol-Kügelchen als eineArt Gerüst, um dreidimensionale Struktu-ren von halbleitenden Zinkoxid-Nanodräh-ten auf Oberflächen zu erzeugen. Elias istüberzeugt: «Die so entstandenen regelmäs-sig ‹rauen› Oberflächen eignen sich für vie-le elektronische und optoelektronische An-wendungen, zum Beispiel für Solarzellen,aber auch für Kurzwellenlaser, Leuchtdio-den und Feldemissionsdisplays.»

Die Fachwelt reagierte prompt: Das Pa-per, online veröffentlicht im Januar 2010 inder Fachzeitschrift «Advanced Materials»,zählte bereits im Erscheinungsmonat zuden am häufigsten heruntergeladenen Arti-keln und wurde im April als Inside FrontCover ausgewählt.

Das Prinzip ist einfach: Kügelchen ausPolystyrol von wenigen MikrometernDurchmesser werden auf eine leitfähigeSchicht aufgebracht und ordnen sich dort inregelmässigen Mustern. Polystyrol ist preis-günstig und allgegenwärtig; es taucht in

Verpackungsmaterial wie Joghurtbechernauf oder – in geschäumter Variante – inDämmstoffen wie Styropor oder Sagex.

«Stachlige» Hohlkörper fürdie Fotovoltaik Die derart fixierten Polystyrol-Kügelchenbilden das Gerüst für die Nanodrähte. Jamil Elias ist es mit einer eigens entwi-ckelten elektrochemischen Methode gelun-gen, Leitfähigkeit und elektrolytische Ei-genschaften der Polystyrol-Kügelchen sozu variieren, dass sich Zinkoxid auf derOberfläche der Kügelchen ablagert und mitder Zeit gleichmässige Nanodrähte daraufwachsen. Sobald die «Stacheln» gezüchtetsind, wird das Polystyrol zerstört. Wasbleibt, sind sphärische Gebilde, die ausse-hen wie Seeigel und innen hohl sind. Aufder Oberfläche dicht gepackt, verleihen die«Seeigel» der Schicht eine dreidimensiona-le Struktur; ihre Fläche hat sich um einMehrfaches vergrössert.

Die nanostrukturierte Oberfläche eig-net sich vor allem für Fotovoltaikanwen-dungen. Laetitia Philippe, Gruppenleiterinfür Elektrochemie, meint dazu: «Wir erwar-ten, dass die Oberfläche ausgezeichneteLichtstreuungseigenschaften besitzt, des-halb deutlich mehr Sonnenlicht absorbiertund Strahlungsenergie effizienter umwan-deln kann.» Mit ihrem Team entwickelt sienun in einem vom Bundesamt für Energie(BFE) geförderten Projekt extrem dünneAbsorber (Extreme Thin Absorber, ETA)für Solarzellen auf der Basis von Zinkoxid-Nanostrukturen. //

Empa-ForscherInnen ist es gelungen, aus winzigen Polystyrol-Kügelchen mit einem einfachen elektrochemischen Verfahren«Seeigel» zu züchten, deren «Stacheln» aus Zinkoxid-Nanodrähten bestehen. Die strukturierte Oberflächesoll Photovoltaikanwendungen effizienter werden lassen.

TEXT: Martina Peter / FOTO: Empa

Literaturhinweis:J. Elias, C. Lévy-Clément, M. Bechelany, J. Michler,G.-Y. Wang, Z. Wang, L. Philippe: Hollow Urchin – like ZnOthin Films by Electrochemical Deposition, AdvancedMaterials, Volume 22, Issue 14, Pages 1607 – 1612(April 12, 2010)http://www3.interscience.wiley.com/journal/123240975/abstract

Synthetische Seeigelals Lichtfänger

Page 8: EmpaNews Mai 2010

26 // Im Dialog

Moleküle und Materialien selektiv, sicher und umweltverträglichherstellen, das schaffen Enzyme. Empa-Forscherinnen und-Forscher untersuchen diese Biomoleküle und testen sie für neueAnwendungen – auch und vor allem für die Industrie.

TEXT: Beatrice Huber

Molekularer Stickstoff – kurz N2 – ist stabil.Sehr stabil. 450 bar Druck und 500 Grad Cel-sius muss das industrielle Haber-Bosch-Ver-

fahren einsetzen, um die Dreifachbindung zwischenden beiden Stickstoffatomen zu knacken und denStickstoff für weitere Synthesen – beispielsweise zurDüngerproduktion – nutzbar zu machen. Es geht aberauch eleganter: Mikroorganismen «fixieren» Stickstoffbei Normaldruck und einer Bodentemperatur vonetwa 10 Grad Celsius mit Hilfe von Enzymen.

Biokatalysatoren für sehr spezifische ReaktionenEnzyme beschleunigen als Katalysatoren chemischeReaktionen unter milden Bedingungen in einzigartigerWeise. Sie sind Biopolymere, die hauptsächlich ausAminosäuren aufgebaut sind, und somit ein Stück Ma-terie, jedoch mit hohem chemischen Informationsge-halt. Vielfach erfolgen die Reaktionen mit präziserChemo-, Regio- und Stereoselektivität. Enzyme sindleicht aus billigen, nachwachsenden Rohstoffen in Mi-kroorganismen herstellbar und ebenso leicht wiederabbaubar. Sie bieten deshalb und auch wegen der aus-gefeilten Katalysemechanismen ökonomische undökologische Vorteile: oft sind weniger Energie undRohstoffe nötig und es entstehen weniger Abfall- undNebenprodukte. Die Reaktionsbedingungen ermögli-chen sichere Verfahren, da beispielsweise extremeTemperaturen und Drücke oder organische Lösungs-mitteln vermieden werden können und so das Risikoreduziert wird.

Enzymatische Reaktionen sind zudem normaler-weise gut skalierbar, das heisst, sie lassen sich vom La-bor- relativ einfach in den Industriemassstab überfüh-ren. Bei all den Vorteilen verwundert es nicht, dass sichdie chemische Industrie stark für biokatalytische An-wendungen interessiert. So wird ein wichtiger Teil desWirkstoffs Atorvastatin bereits enzymatisch auf einemWeg hergestellt, der der klassischen organischen Syn-these überlegen ist. Atorvastatin wird als Wirkstoff inMedikamenten eingesetzt, um die Cholesterin-Biosyn-these zu drosseln.

Neue Anwendungen erschliessenMit der Biokatalyse können sowohl kleine Moleküle alsauch Materialien hergestellt werden. Daran arbeitet un-ter anderem seit gut zwei Jahren die Biokatalyse-Gruppeder Empa unter der Leitung von Linda Thöny-Meyer undMichael Richter. «In der Natur schlummern noch etliche

Biokatalyse, eine «grüne» Seite

08 // Forschung und Entwicklung

1

1Vom Gen bis zum Produkt: Dankihrem interdisziplinärem Teamsowie ihrer Expertiseim Umgang mit Bioreaktorenkann die Empa Biokatalysensowohl im Labor- als auchim Pilotmassstab durchführenund so der Industrie einengrossen Schritt entgegenkommen.(Foto: Empa)

Page 9: EmpaNews Mai 2010

Im Dialog // 27

der Chemie

2Eines der Forschungsobjekte desEmpa-Teams sind so genannteTyrosinasen. Diese Enzyme sind fürdie Produktion des schwarzenPigments Melanin entscheidend,das beispielsweise der menschlichenHaut einen gewissen Schutz vorUV-Strahlen gibt und der brauneFarbstoff in Haut, Haar und Augenist. Tyrosinasen können nebenTyrosin auch andere phenolischeSubstrate umwandeln. Das

Empa-Team forscht an neuenTyrosinasen für biotechnologischeAnwendungen, etwa alsBiosensoren. (Strukturformel vonStreptomyces tyrosinase (pdb 1WX2):Y. Matoba et al. (J. Biol. Chem. 2006,281(13), 8981– 8990) und MichaelFairhead, Empa; Foto: iStock)

Forschung und Entwicklung // 09

Gentage 2010:Schnuppern an der Empa

Auch in diesem Jahr laden die Gentage ein, in dieWelt der Biowissenschaften einzutauchen. DieEmpa veranstaltet am 11. Juni von 13.00 bis18.00 Uhr einen Labor-Schnuppernachmittag.Weitere Informationen, das gesamte Programmsowie Anmeldung unter www.gentage.ch

2

Enzyme für bisher unbekannte Reaktionen», sagt Rich-ter. «Und umgekehrt sind wir noch weit davon entfernt,für jede Reaktion das passende Enzym zu haben.»

Das Empa-Team untersucht diverse Enzyme. ZumBeispiel Tyrosinasen. Diese Enzyme sind für die Produk-tion des schwarzen Pigments Melanin aus der Amino-säure Tyrosin entscheidend. Sie können neben Tyrosinauch andere phenolische Substrate umwandeln. DasTeam kloniert, charakterisiert und produziert neue Ty-rosinasen für biotechnologische Anwendungen, etwaden Abbau von Schadstoffen, die Quervernetzung vonProteinen oder die Herstellung von Melanin.

Ebenfalls von Interesse sind Thiamindiphosphat-abhängige Enzyme – Thiamin ist als Vitamin B1 be-kannt. Diese katalysieren verschiedenste Reaktionen,bei denen beispielsweise Bindungen zwischen Koh-lenstoffatomen so geknüpft werden, dass das bevor-zugte Stereoisomer entsteht. So können wichtige Syn-thesezwischenprodukte hergestellt werden.

Die Empa-Forscherinnen und -Forscher wollenneue Enzyme entwickeln und zugänglich machen, dieReaktionen katalysieren, die auf klassischem Wegebislang schwierig oder sogar «unmöglich» sind. «DieBiokatalyse ist eine sehr wertvolle Ergänzung her-kömmlicher Synthesemethoden und eröffnet darüberhinaus eine faszinierende, neue Seite der Chemie», soRichter.

Was die Arbeiten an der Empa für potenzielle In-dustriepartner besonders attraktiv macht: Das inter-disziplinäre Team aus den Fachrichtungen Chemie,Biologie und Biotechnologie – eine in Forschungsein-richtungen wie die Empa seltene, aber sehr komforta-ble Situation – ermöglicht es, den Weg vom Gen bishin zum Biokatalyse-Produkt zu gehen. So wird der In-dustrie ein grosser Schritt entgegengekommen. //

Page 10: EmpaNews Mai 2010

10 // Forschung und Entwicklung

Dem Haarrissauf der Spur

So mancher Flugzeugunfall geht auf unerkannte Mikroschäden zurück, etwaan den Flügeln und am Fahrwerk: Bereits ein Haarriss kann diese unter Belastungwährend eines Fluges brechen lassen. Deshalb entwickeln Empa-Forschendeneuartige Systeme, um entsprechende Schäden frühzeitig zu erkennen.

TEXT: Laura Meier / FOTOS: Empa, iStock

Kleine Ursache, grosse Wirkung: Mi-krorisse sind zwar kaum sichtbar; beieinem Flugzeug können sie jedoch

zum Bruch von Flügel oder Fahrwerk führen.Um die Sicherheit während der durchschnitt-lichen Lebensdauer von rund 30 Jahren zu ge-währleisten, werden Flugzeuge regelmässiginspiziert und gewartet. Eine besonders bean-spruchte Komponente ist das Fahrwerk. Eineharte Landung oder Einschläge können Haar-risse im Fahrwerk verursachen.

Schwingungsverhalten erkennt esEine permanente Überwachung könnte hel-fen, die Mikrorisse frühzeitig zu erkennenund die geschädigte Struktur entsprechendzu reparieren. In der Empa-Abteilung «Me-chanical Systems Engineering» entwickeltdas Team um Christian Dürager Systeme mitpiezoelektrischen Elementen, die diesen «Job»übernehmen sollen. Solche Überwachungs-systeme können dann sowohl herkömmlicheMetallstrukturen als auch Hightech-Struktu-ren aus Faserverbundwerkstoffen ständig «imBlick» haben. Piezoelektrizität ist der Effekt,

dass sich gewisse Materialien beim Anlegeneiner elektrischen Spannung verformen be-ziehungsweise dass an diesen Materialieneine elektrische Spannung auftritt, wenn sieelastisch verformt werden. Die Piezoschei-ben in der Grösse eines 50-Rappen-Stücks re-gen die zu überwachende Struktur mit Hilfevon Wechselstrom zum Schwingen an undmessen anschliessend ihr Schwingungsver-halten. Je nachdem, ob die Struktur intaktoder beschädigt ist, schwingt sie mit unter-schiedlicher Frequenz. Dadurch können dieEmpa-Forschenden bestimmen, ob eineSchädigung vorliegt. Die Schwingungsampli-tude beträgt dabei nur einen Bruchteil einesMikrometers.Aber nicht nur Flugzeugfahrwerke lassensich so überwachen, sondern auch ganzeTragflächen. Hierfür arbeiten die Empa-WissenschaftlerInnen und die Hochschulefür Technik Buchs (NTB) gemeinsam an derEntwicklung eines drahtlosen Sensor-Netz-werks mitsamt entsprechender Elektronik.Werden die Sensoren «geschickt» positio-niert, ist das Netzwerk in der Lage, Ort und

Grösse der Schädigung ermitteln. Da ver-wundert es kaum, dass Flugzeugherstellerbereits ihr Interesse an der Entwicklung an-gemeldet haben.

Breites Anwendungsgebiet Flugzeuge sind indes nicht das einzige An-wendungsgebiet für derartige Überwachungs-systeme mit piezoelektrischen Elementen;eine permanente Strukturüberwachung istauch bei Eisenbahnen oder Seilbahnen vonNutzen, wo tragende Bauteile auf Risseüberprüft werden können. Zudem würdensich auch Pipelines und andere Rohrleitun-gen auf Leckagen damit absuchen lassen.Bis dahin dauert es allerdings noch etwas.«Unsere Ergebnisse sind zwar ein Schritt indie richtige Richtung, wir müssen das Sys-tem allerdings noch verbessern», sagt Dü-rager. So wird derzeit in Zusammenarbeitmit dem Institut für Automatik an der ETHZürich an adaptiven Signalverarbeitungsal-gorithmen geforscht, die das Überwa-chungssystem automatisch an die jeweili-gen Umweltbedingungen anpassen. //

Werden Haarrisse nichtrechtzeitig entdeckt, kanndas Fahrwerk brechen.Empa-Forschende arbeitenan einem System, dasMetallstrukturen permanentüberwachen soll. Dieseswurde in den Fahrwerk-schacht eines Segelflug-zeuges eingebaut. Ander Metallverstrebung istdas piezoelektrische Element(orange) befestigt.

iStock

Page 11: EmpaNews Mai 2010

Dienstleistungen // 11

«Schmutz» macht Dioden flott

In Fahrzeugen mit Hybridantrieb läuft nichts ohne Leistungselek-tronik. So ist etwa der Gleichstrom-Wechselstrom-Konvertereine zentrale Komponente. Dieser «übersetzt» zwischen dem

Elektromotor, der Wechselstrom verbraucht und erzeugt (rekupera-tives Bremsen), und der Batterie, die nur Gleichstrom aufnehmenund wieder abgeben kann. Der Konverter enthält so genannte PIN-Dioden als gleichrichtende Elemente, die für die Umwandlung vonWechselstrom in Gleichstrom zuständig sind. Dabei schwankt dasSchaltverhalten von Diode zu Diode teils deutlich, was zu uner-wünschten Leistungsverlusten und Überspannungen im Konverterführen kann. Aus diesem Grund ist nur ein gewisser Teil der Dio-denproduktion für den Einsatz im Konverter geeignet.

Obwohl das Problem durch Testverfahren für die Dioden gutunter Kontrolle ist, war es für Toyota von zentraler Bedeutung,die fundamentalen physikalischen Effekte zu verstehen, die zuden Qualitätsschwankungen führen. Die Empa-Forscher um Oliver Gröning suchten zusammen mit dem japanischen Autobau-er also nach den Ursachen. Es stellte sich heraus, dass es an denSiliziumwafern liegt, genauer an einer Wechselwirkung von Kohlen-stoffverunreinigungen im Silizium mit Störstellen, die durch denBeschuss mit Heliumionen gezielt ins Material eingefügt werden.Diese Störstellen ändern die Lebensdauer der Ladungsträger undhelfen der Diode, den unerwünschten Sperrstrom zu reduzieren,während sie von Durchlass- auf Sperrrichtung schaltet. Es ist die-ser kurzzeitig in Sperrrichtung fliessende Strom, der zu den Leis-tungsverlusten sowie Überspannungen führen kann und dahermöglichst klein gehalten werden soll.

Triviale Lösung: die «verunreinigten» Siliziumwafer nutzenMikroelektronische Bauteile wie Dioden werden auf dünnenScheiben aus Halbleitermaterial, typischerweise Silizium, aufge-baut. Diese Siliziumwafer werden aus «Rohlingen» geschnitten,die sich als Einkristall aus hochreinem Silizium (99,9999 Prozent)züchten lassen. Der Einkristall wächst, in dem er aus einer Silizi-umschmelze gezogen wird. Verunreinigungen mit Kohlenstoff las-sen sich dabei nicht ganz vermeiden. Aufgrund des Prozessesnimmt die Kohlenstoffkonzentration innerhalb des bis zu zweiMeter hohen Rohlings von oben nach unten zu.

Und das hat Folgen für die daraus gefertigten Dioden, wieGrönings Team ebenfalls herausfand: Die beste Leistungscharakteris-tik zeigten die Dioden mit den höchsten Kohlenstoffkonzentrationen,das heisst vom unteren Teil des Rohlings. Empa-Forscher Gröning:«Verunreinigungen können also durchaus auch positive Effekte her-vorrufen.»

Toyota war mit den Ergebnissen äusserst zufrieden. «Wir konn-ten den Zusammenhang zwischen den Qualitätsschwankungen derPIN-Dioden und der Position des Siliziumwafers im Einkristall nichtnur empirisch zeigen, sondern auch die physikalischen Ursachenklären», so Gröning. «Denn für Toyota ist ein Problem erst dannwirklich gelöst, wenn es in seinem Kern verstanden ist.» //

Die Empa und der japanische Autobauer Toyota haben Qualitätsschwankungender Dioden in Gleichstrom-Wechselstrom-Konvertern von Hybridautos untersucht.Dabei zeigte sich, dass Kohlenstoffverunreinigungen in den Siliziumwafern,aus denen die Dioden gefertigt sind, das Schaltverhalten der Dioden verbessern.

TEXT: Beatrice Huber

Jabulani im Empa-Test Für die Fussballweltmeisterschaft 2010, die vom 11. Juni bis 11. Juliin Südafrika stattfindet, hat die Empa den offiziellen Spielball einge-hend getestet, etwa auf minimale Wasseraufnahme oder Form- undGrössenbeständigkeit. Die Empa ist als einziges Testlabor weltweitUniversalpartnerin des Weltfussballverbandes FIFA, in dessen Auftragsie exklusiv die offiziellen Spielbälle der Fussballgrossanlässe untersucht(mehr zum Testprogramm siehe EmpaNews 21). (Foto: Adidas)

Page 12: EmpaNews Mai 2010

12 // Dienstleistungen

Für die Gemeinde Uster war der 9. Mai 1985 wohl ein Don-nerstag wie viele andere – jedenfalls bis halb neun Uhrabends. Dann kam es im städtischen Hallenbad zur Katastro-

phe. Die untergehängte Betondecke stürzte auf das Becken undschloss die Schwimmenden unter sich ein. Bilanz des Unglücks:zwölf Tote und 19 Schwerverletzte.

Schon kurz nach Mitternacht hatte die BezirksanwaltschaftUster Empa-Experten zur Untersuchung aufgeboten, die dann dieganze Nacht hindurch Spuren sicherten und Proben entnahmen.Die Untersuchung fand unter grossem Druck statt. Denn bereitsMitte der 1980er-Jahre war in den Medien der Vorwurf laut gewor-den, dass in den 70er-Jahren im Bauwesen in der Schweiz generellgepfuscht worden wäre. Urs Meier, damals Leiter des Ressort Bau-stoffe und Vizedirektor der Empa, der den Medien Red und Ant-wort stehen musste, erinnert sich noch gut an die Tage nach demUnglück: «Wir kämpften vor allem dagegen, dass, noch bevor ir-gendwelche Untersuchungsergebnisse vorlagen, schon von grob-fahrlässigem Pfusch die Rede war.»

Die Empa-Experten wollten die tatsächlichen Ursachen ermit-teln und ihre Erkenntnisse der Fachwelt so schnell wie möglich zu-gänglich machen. Pfusch im grossen Stil konnten sie schon baldausschliessen, wie dies auch der Bezirksanwalt in einer Medienkon-ferenz festhielt: «Die These, es sei bei der Bauausführung […]

Chlorkorrosion führtezu Hallenbadunglück2010 jährt sich das Hallenbadunglück Uster zum 25. Mal.Empa-Experten untersuchten damals die Ursachen desDeckeneinsturzes, der zwölf Menschen das Leben gekostet hatte. Ihr Befund: Spannungsrisskorrosion an den Aufhängebügeln.

TEXT: Beatrice Huber / FOTOS: Empa4

1Hallenbad Uster, 10. Mai 1985:Schadensbild am Morgen nachdem Deckeneinsturz. Die Empa-Experten suchen nach Spurenfür die Ursache des Unglücks.

2Nur in der nordöstlichen Ecke ist einRest der Decke hängen geblieben.

3Das 87-seitige Gutachten: AlsHauptursache für den Deckeneinsturzermittelten die Empa-ExpertenSpannungsrisskorrosion.

4Bei 55 der insgesamt 94 sprödgebrochenen Bügel war die Bruchflächezu 76 bis 100 Prozent verrostet. Vonaussen war diese Korrosion jedochnur schwer erkennbar. Neben demBruch sind weitere Anrisse zu sehen.

allgemein gepfuscht worden, ist nicht haltbar.»Als Hauptursache wurde vielmehr Spannungsriss-korrosion ermittelt.

Aufhängebügel aus nicht rostendem Stahl …Das Hallenbad Uster stammte aus den Jahren1971/72. Bauarbeiter hatten damals im Innern derspäteren Halle eine Decke mit insgesamt 207 Aufhän-gebügeln betoniert und anschliessend das eigentlicheDach drauf gesetzt und die untergehängte Decke mitden Bügeln daran befestigt. Ab Anfang 1972 war dieDecke freitragend, im November schwammen die ers-ten Gäste im Bad. An der Decke wurden später einAkustikverputz und eine Holztäfer-Konstruktion ange-bracht, so dass die Decke am Schluss rund 30 Prozentschwerer war als geplant. Die hohe Zugspannung auf denBügeln hätte aber alleine nicht gereicht, um die Decke ab-stürzen zu lassen.

Da durch den Hohlraum zwischen untergehängter De-cke und Dach die Luft aus der Schwimmhalle abgesogenwerden sollte, musste mit Chlor im Hohlraum gerechnetwerden. Deshalb wurden als KorrosionsschutzmassnahmeAufhängebügel aus nicht rostendem Stahl – Chrom-Nickel-

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Dienstleistungen // 13

Praktisch seit Gründung der Empawurden ihre Schadensexperten regel-mässig angefragt, um die Ursachenvon Einstürzen zu ermitteln. So auchletztes Jahr in St. Gallen.

Am frühen Morgen des 24. Februar2009 lag viel Schnee auf der Dreifach-sporthalle des Gewerblichen Berufs-und Weiterbildungszentrum St. Gallen-Riethüsli – zu viel Schnee für das Dach.Gegen sechs Uhr früh stürzte es ein. DerSchaden war gewaltig; es hätte abernoch schlimmer kommen können.Denn nur 90 Minuten später wären be-reits die ersten Schülerinnen und Schü-ler zum Sportunterricht angetreten. DerSchock sass tief, vor allem, weil dieSporthalle noch keine drei Jahre altwar. Die Staatsanwaltschaft beauftragtedie Empa-Experten, die Ursachen zu er-mitteln. Dazu inspizierte das interdis-ziplinär zusammengesetzte Team denSchadensort, untersuchte Proben derBetonstützen und der Stahlträger im La-bor und simulierte den Einsturz amComputer.

Hauptträger hielten nicht standFazit der mehr als 200-seitigen Experti-se: Der Tragwiderstand der siebenHauptträger war deutlich zu schwach,

da die Träger nicht der Norm entspra-chen. Um zu verhindern, dass dünn-wandige Doppel-T-Träger aus Metall,wie sie in St. Gallen verwendet wurden,ausbeulen, müssen sie mit so genann-ten aussteifenden Endrippen versehenwerden. Dies war hier nicht der Fall.

Wegen der rund 50 Zentimeter ho-hen Nassschneedecke auf dem Dach,die zwar betreffend Flächenlast denHöchstwert seit Erbauen der Halle er-reichte, aber immer noch unterhalb dervorzusehenden maximalen Traglastlag, wurde die Belastung für einen derHauptträger zu gross; er beulte aus.Dieser Kollaps löste eine Kettenreaktionentlang der sechs anderen Hauptträgeraus. Durch die entstandene «exzentri-sche» Belastung brachen die Köpfe derfensterseitigen Stützen ab. Das Dachkippte auf der Fensterseite nach unten.Wegen der aussergewöhnlichen Biege-last scherten schliesslich die Befesti-gungsschrauben aller Hauptträger aufder Kraftraumseite (gegenüber derFensterseite) ab; das Dach krachte un-gebremst auf den Hallenboden. Weitere Informationen: Beitrag in Sen-dung «Einstein» vom 10. Dezember 2009(www.einstein.sf.tv —> frühere Sen-dungen).

Gefragte Schadensexperten

Stahl – verwendet. Zum Zeitpunkt des Baus war unter Baufach-leuten jedoch kaum bekannt, dass Spannungsrisskorrosionentstehen kann, wenn dieser Stahl in einer Hallenbadumge-bung unter Zug steht.

… begannen zu rostenAls die Abluft im Hohlraum mit den Stahlbügeln in Kontakt kam,bildete sich ein saurer, chloridhaltiger Feuchtigkeitsfilm auf denBügeln. Dadurch entstanden über die Jahre lokale Anfressun-gen. Unter der hohen Zugspannung bildeten sich von diesenPunkten aus Risse im Stahl, die immer tiefer hineinwuchsen.Die ersten Bügel brachen und erhöhten die Belastung an denbenachbarten Bügeln. Der Vorgang setzte sich so lange fort,bis die Belastbarkeit der Aufhängung überschritten war.

Bei 55 der insgesamt 94 spröd gebrochenen Bügel wardie Bruchfläche zu 76 bis 100 Prozent verrostet. Von aussenwar diese Korrosion für einen Baufachmann jedoch nurschwer erkennbar, da sich der nicht rostende Chrom-Nickel-Stahl nicht grossflächig braun verfärbt, sondern nur einzel-ne braune Punkte zeigt. Für eine zuverlässige Kontrolle hät-ten Bauteile entnommen und im Labor untersucht werdenmüssen. Die zerstörungsfreien Methoden, wie heute ver-fügbar, gab es vor 25 Jahren noch nicht.

Weiterbildung und Zusammenarbeit stärkenUm die Erkenntnisse aus dem Fall Uster in der Fachwelt zu ver-breiten, startete die Empa eine intensive Aufklärungskampagneund veranstaltete bereits im November nach dem Unglück eine Ta-gung zum Korrosionsverhalten von Stählen. «Auch im Bauwesenerkannte man nun, dass Weiterbildung eminent wichtig ist», so UrsMeier. Die Kampagne blieb denn auch nicht eine Einzelaktion, son-dern wurde zu einer immer währenden Aufgabe. So veröffentlich-ten die Empa-Experten Markus Faller und Peter Richner 15 Jahrenach dem Einsturz von Uster eine Studie, um auch jüngere Bauin-genieure für das Thema zu sensibilisieren. Die Studie ist heutenoch sehr gefragt. Die Autoren fassten Vorgaben dazu zusammen,welche Werkstoffe für sicherheitsrelevante Bauteile in Hallenbä-dern verwendet werden sollen, und vor allem auch, wie diese Bau-teile zuverlässig kontrolliert werden können. «SicherheitsrelevanteBauteile müssen kontrollierbar sein», betont Markus Faller. Dennder Fall Uster dürfe sich nicht wiederholen. Die Aufklärung gehtweiter. «Wir wollen das Wissen zum Korrosionsverhalten vonStählen verbreiten und dran bleiben, dass dieses nicht verlorengeht.» Dies ist wichtig. Denn der Bäderbau floriert – dem Wellness-Trend sei dank. //

Die Dreifachsporthalle des Gewerblichen Berufs-und Weiterbildungszentrum St. Gallen-Riethüsli nachdem Einsturz. (Foto: Empa)

Skizze eines Trägers mit aussteifenden Endrippen (links)und ohne (rechts). (Bild: Empa)

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Immer am RechnenComputersimulationen sind aus der modernen Wissenschaftnicht mehr wegzudenken. Auf dem Computercluster Ipazia, dermomentan weiter ausgebaut wird, berechnen Empa-Forscherin-nen und -Forscher etwa, wie sich Eisenbahnlärm ausbreitet,wie sich Moleküle auf Oberflächen spontan zu Nanostrukturenanordnen oder was in Brennstoffzellen genau passiert.

TEXT: Beatrice Huber

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Im Keller, verschlossen hinter zwei Türen, steht Ipazia, diewohl fleissigste Mitarbeiterin der Empa. Der Computerclustermacht weder Pausen noch Ferien und arbeitet zuverlässig

rund um die Uhr. Doch es ist nicht nur ihre Zuverlässigkeit, dieIpazia bei ihren Empa-Kollegen und -Kolleginnen so beliebtmacht; dank ihr gewinnen sie laufend neue Erkenntnisse.

Denn die moderne Wissenschaft stützt sich neben Theorieund Experiment immer häufiger auf Simulationen. Diese sind oftgünstiger als aufwändige Laborexperimente und ermöglichen esden Forscherinnen und Forschern, selbst die komplexesten Syste-me – etwa das Klima oder ganze Ökosysteme – handzuhaben.Dank Experimenten und Simulationen und den daraus abgeleite-ten Theorien lassen sich Phänomene der Natur immer präziser ab-bilden und erklären. Dieses Wissen kann dann eingesetzt werden,um beispielsweise neue Nano-Bauteile für die (Opto-)Elektronikzu entwickeln oder die Ausbreitung von Schadstoffen in der At-mosphäre vorherzusagen.

Hochleistungsrechner bewältigen KomplexitätDoch dafür muss der Rechner einiges an «computational power»draufhaben. Fliessen in eine Simulation nämlich unzählige ver-schiedene Parameter ein, oder soll diese eine möglichst lange Zeit-spanne abdecken, wachsen die Datenmengen gewaltig an. Gängi-ge Rechner wie Desktops oder einfache Server können eine solcheDatenflut nicht meistern; für eine einzige Simulation bräuchtensie Wochen oder gar Monate.

Hochleistungsrechner sind dagegen genau für solche Aufga-ben konzipiert. So genannte Supercomputer bilden die Elite. Fürdie «Champions League» der schnellsten und leistungsstärkstenComputersysteme gibt es sogar eine Weltrangliste, die alle sechsMonate aktualisiert wird. «Monte Rosa», der beste Schweizer Su-percomputer, der seit Juli 2009 am Nationalen Hochleistungsre-chenzentrum CSCS in Manno bei Lugano in Betrieb ist, liegt bei-spielsweise momentan auf Platz 21.

An der Empa laufen etliche Projekte, die zwar zu komplexsind für Standardrechner, aber doch zu «klein» für einen Super-computer. Deshalb hat die Empa zusammen mit dem Wasserfor-schungsinstitut Eawag, das zu 15 Prozent beteiligt ist, den Com-putercluster Ipazia aufgebaut, dessen Rechenleistung genau fürderartige Projekte «in der Mitte» ausgelegt ist.

Hochleistungsrechnen gilt – das hat der Bundesrat auch in ei-nem strategischen Plan festgehalten – als eine Schlüsseltechnolo-gie für die Spitzenforschung und stärkt damit die Wettbewerbsfä-higkeit der Schweiz. «Ipazia ist somit nicht isoliert, sondern Teileines gesamtschweizerischen Konzeptes für das Hochleistungs-rechnen», sagt Daniele Passerone, Leiter der Gruppe «Atomistic Si-mulation» an der Empa, der zusammen mit den Empa-Informati-kern den Computercluster betreut. Für jedes Projekt soll das ambesten geeignete Computersystem eingesetzt werden können.

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Der Computercluster Ipaziabietet die Infrastruktur fürdie Simulation unterschied-lichster Projekte und ist sehrgefragt. (Foto: Ruedi Keller)

Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen // 15

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16 // Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen

Gutes Preis/Leistungsverhältnis bei ClusternDie Empa hat vor rund drei Jahren damit begonnen, den Linux-Cluster Ipaziaaufzubauen. Computercluster – auf Deutsch: ein Computerverbund – werdenseit einigen Jahren immer beliebter. «Sie haben ein hervorragendes Preis/Leis-tungsverhältnis; die Einzelkomponenten bestehen meist aus Standardelemen-ten – jedoch mit einer Topleistung – und sind deshalb relativ günstig», erklärtPasserone den Erfolg von Clustern.

Ein Cluster besteht aus einzelnen Servern, Knoten genannt. Der Trick da-bei: Der Cluster kann gleichzeitig mehrere «Jobs» abarbeiten, wobei er je nachGrösse einen Job auf einen oder auch mehrere Knoten verteilt, aber nie auf denganzen Cluster. So sind die einzelnen Jobs schnell erledigt und ein grosser Jobblockiert nicht das ganze System. Koordiniert werden die einzelnen Jobs durcheine spezielle Software, so dass der Cluster rund um die Uhr laufen kann, ohnedass ein Mensch eingreifen muss. Schnelle Verbindungen zwischen den Kno-ten ermöglichen es zudem, Daten schnell auszutauschen. Dies ist nötig fürkomplexe Simulationen, die gleichzeitig mehrere Knoten beanspruchen undviele Daten austauschen müssen. Betreut wird Ipazia meist aus der Ferne; inden Keller muss selten jemand. Diese «bequeme» Handhabung war denn auchein wichtiges Thema beim Aufbau des Clusters.

Ausbau läuftMomentan besteht Ipazia aus 46 Knoten. «Doch wir sind am Ausbauen», sagtPasserone. Bereits jetzt sind 16 der 46 Knoten über das schnelle Netzwerk In-finiband miteinander verbunden. Weitere vier Mal 16 Knoten (also total 64)sind bestellt, unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) imRahmen des Programms R'Equip (Research Equipment). Ipazia wächst also auf110 Knoten. Passerone: «Dank dieses Ausbaus können wir künftig alle mittel-grossen Projekte der Empa und der Eawag mit Ipazia durchrechnen.» Zudemwird der Speicherplatz um 50 Terabyte erweitert. Dies alles braucht Kühlung,die durch Wasser geschieht. Das warme Wasser kann danach noch für die Hei-zung des Gebäudes genutzt werden.

Die Projekte, die auf Ipazia laufen sind dabei so vielseitig wie die Empa.Sie reichen von Eisenbahnlärm über den Transport von Luftschadstoffen biszum Verhalten von Brennstoffzellen auf atomarem Niveau oder von Nano-strukturen auf Oberflächen. Momentan nutzen rund 15 Abteilungen der Empaund der Eawag den Cluster. Die Auslastung von rund 75 Prozent bedeutet, dassalle Knoten im Schnitt über 6500 Stunden pro Jahr «arbeiten». //

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Beispiel einer Simulation – molekulare Netzwerke auf einer Metalloberfläche. (Bild: Empa)

Hypatia – Koryphäe am«MIT der Antike»

Mit dem griechischen Namen Hypatia – bezie-hungsweise Ipazia auf Italienisch – ehrt die Empaeine der wenigen Wissenschaftlerinnen der Anti-ke. Die Tochter des Philosophen und Mathemati-kers Theon lebte im 4. Jahrhundert nach Christusin Ägypten. Als Mathematikerin, Astronomin undPhilosophin lehrte sie am Museion von Alexan-dria, dem auch die berühmte Bibliothek ange-schlossen war, und schrieb eine Reihe wissen-schaftlicher Bücher und Kommentare. Sie sollauch einige astronomische Instrumente erfundenhaben. In Quellen wird Hypatia als offenerMensch beschrieben, der zu seiner Zeit hoch an-gesehen war. Im Sommer 2010 kommt der Film «Agora» überdas Leben der Hypatia in die Schweizer Kinos:www.agora-derfilm.de

Porträt der Wissenschaftlerin Hypatia aus dem Buch«Little Journeys to the Homes of Great Teachers»des amerikanischen Philosophen Elbert Hubbard(v.23 #4, East Aurora, New York: The Roycrofters, 1908)

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Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen // 17

Mit Computational Powergegen Lärm

Güterzüge rollen nachts, weil dasSchweizer Schienennetz tagsübermit Personenverkehr ausgelastet

ist. Doch ausgerechnet Güterwagen rum-peln besonders laut. Und zwar dann, wenndie meisten Anwohnenden schlafen wol-len. Also muss der Bahngüterverkehr deut-lich leiser werden, soll die Verlagerung desGütertransports von der Strasse auf dieSchienen Erfolg haben.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hatdeshalb Wissenschaftler um Kurt Eggen-schwiler von der Empa-Abteilung «Akus-tik/Lärmminderung» damit beauftragt, einModell für die Lärmbelastungen entlang desSchweizer Schienennetzes zu entwickeln.sonRAIL, so dessen Name, soll aber auchzeigen, wo welche Lärmschutzmassnah-men die Bevölkerung am wirksamstenschützen. Denn es liefert nicht nur regionaleLärmkarten, sondern macht sogar die Lärm-belastung einzelner Gebäude sichtbar. MitsonRAIL können daher Bundesstellen undGemeinden den Lärm an bestehenden undgeplanten Eisenbahnstrecken ermitteln undSchallschutzmassnahmen auf ihre Wirk-samkeit überprüfen. Denn zwar dämpft eineLärmschutzwand die Rollgeräusche der Rä-der – nicht aber das Brummen des Lüftungs-systems auf dem Dach eines Niederflurwa-gens. «Wir dürfen uns also nicht nur auf denRad-Schienenkontakt konzentrieren, son-dern müssen das Gesamtsystem «Zug» imAuge behalten», erklärt Eggenschwiler.

Lärm von 15000 Zügen gemessenSein Kollege, der Akustiker Jean Marc Wun-derli, hat deshalb zusammen mit einem in-ternationalen Team für die Entwicklung vonsonRAIL eine Riesenmenge an Daten ge-sammelt: Zwischen 2007 und 2009 habensie den Lärm von rund 15000 vorbeifahren-den Zugkompositionen an 18 Orten gemes-sen. Dabei identifizierten sie sämtlicheLärmquellen auf verschiedenen Höhen ent-lang des Zuges und konnten die Schallleis-tung der einzelnen Kompositionen beschrei-ben. Diese Daten brauchen die Forscher, umzu berechnen, wie sich der Schall RichtungAnwohnerschaft ausbreitet.

Wie laut der Bahnlärm ist, hängt vonvielen Faktoren ab, etwa welcher Zugtypwie schnell vorbeifährt, ob Felsen oder Ge-bäude den Schall reflektieren, vom Aufbaudes Schienenbettes, von der Gelände-

Der Computercluster Ipazia hilft Forschenden an der Empa, riesige Datenmengenzu bewältigen, mit denen sich komplexe Situationen simulieren lassen.Akustiker haben etwa ein Computermodell entwickelt, mit dem sie die Lärmbelastungentlang des gesamten Schweizer Schienennetzes berechnen können.

TEXT: Martina Peter / BILDER: Empa

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1An einer Zugkompositionentsteht an unterschiedlichenOrten Lärm: an den Rädern,aber auch oben beispiels-weise am Kühlsystem.

2Die Lärmbelastung durchden Bahnverkehr lässtsich mit Berechnungenam Computercluster Ipaziagenau analysieren undvorhersagen.

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18 // Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen

topographie – und nicht zuletzt sogar vomWetter. Nur wenn all diese Faktoren in dieComputersimulation einfliessen, lässt sichdie Lärmbelastung genau quantifizieren.«Um ein Modell wie sonRAIL zu entwi-ckeln, das die Emissionen entlang Hunder-ter von Bahnkilometern und die Schallaus-breitung zu mehreren 10000 Immissions-orten berechnen kann, ist ein starker Rech-ner notwendig», so Wunderli. Ipazia eignesich dafür hervorragend, weil er nicht nurausreichend Rechenpower bietet, sondernsein Clusterkonzept (siehe Artikel Seite 14)es auch erlaubt, die Berechnungen auf ver-schiedenen Prozessoren parallel und damitZeit sparend durchzuführen.

40 Prozessoren Tag und Nachtim Einsatz Im ersten praktischen «Test» ermitteln dieEmpa-Akustiker seit Anfang 2010 die Lärm-belastung entlang des Nord-Süd-Korridorsdurch die Schweiz. In den ersten zwei Mo-naten haben sie ein rund 340 Quadratkilo-meter grosses Gebiet im Tessin durchgerech-net. Es enthält 50 Bahnkilometer, knapp30000 Gebäude, 17 Lärmschutzwände undbildet 172000 einzelne Immissionsorte ab.40 Prozessoren des Empa-Hochleistungs-rechners waren Tag und Nacht im Einsatzund haben mehr als 17 Millionen Ausbrei-tungsrechnungen angestellt. Jede einzelneAusbreitungsrechnung lieferte je 14 Fre-quenzspektren à 20 Terzen – insgesamtmehr als 1,4 Milliarden Einzelwerte für die«Lärmkarte» des Gebiets.

Es zeigte sich: sonRAIL ist praktikabelund generiert genaue Werte. Die Forscher set-zen sich nun dafür ein, dass ihr Lärmmodellzukünftig in der Schweiz als Standard ver-wendet und auch im restlichen Europa zumEinsatz kommen wird. Sie planen, das Modellauch für andere Lärmarten einzusetzen, etwaum zu zeigen, wie sich Strassenlärm ausbrei-tet und Anwohnende belästigt. //

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«Und nun zurOzonprognosevon morgen…»

1Über Europa liegt ein fiktives drei-dimensionales Gitter. Auf jedem der200 mal 200 Quadrate stapelt sichein Turm mit 40 Würfeln, die fürdie Atmosphärenschichten stehen.(Grafik: André Niederer)

2Wie stark einzelne Regionen Europasdurch Stickstoffdioxid belastet sind,zeigt die Simulation, die mit Hilfe von36 Ipazia-Knoten erstellt wurde.(Grafik: Empa)

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Auch die Luftspezialisten der Empa nutzenIpazia intensiv. So validieren sie beispielsweiseein Transportmodell, das «chemische» Wetter-prognosen für Luftschadstoffe ermöglicht.

TEXT: Martina Peter

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Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen // 19

Ozon, Stickoxide und Aerosole belasten die Atmosphäre.Wie gross die Verschmutzung ist, darüber informierenMessstationen an zahlreichen Standorten. Wer sich über-

regional oder gar global informieren will, der braucht jedoch Mo-delle. Denn nur sie zeigen flächendeckend, welche Luftschadstoffewann, wo, in welchen Konzentrationen auftreten, und erlauben es,den Beitrag einzelner Schadstoffquellen zu bestimmen. Ausserdemlassen sich mit den Modellen «chemische Wettervorhersagen» an-stellen oder längere historische Perioden nachbilden, die in einerArt «Daumenkino» als Film betrachtet werden können.

Zu diesem Zweck müssen unzählige chemische Prozesseund Luftmassenbewegungen bestimmt und Hunderte von Mo-mentaufnahmen miteinander verknüpft werden. Dies erfordertRechenleistung – und zwar nicht zu knapp. Der ComputerclusterIpazia der Empa liefert sie.

Ein Modell kündigt das «chemische» Wetter von morgen anChristoph Knote von der Abteilung «Luftfremdstoffe / Umwelttech-nik» adaptiert und erweitert an der Empa das Chemietransportmo-dell «COSMO-ART», das am Karlsruher Institut für Technologie ent-wickelt wurde und «traditionelle» Wettervorhersagen ergänzt: DasModell simuliert, wie sich Luftfremdstoffe aus vom Menschen ver-ursachten Prozessen (etwa Industrie- und Autoabgase), aber auchnatürlichen Ursprungs (wie Mineralstaube, Vulkanasche und Pol-len) verbreiten und interagieren, und wie diese Vorgänge wiederumihrerseits das Wettergeschehen und unser Klima beeinflussen.

Mit dem Modell können auch Stoffe simuliert werden, dienicht direkt aus Emissionen stammen, sondern sich erst in derAtmosphäre bilden – zum Beispiel Ozon oder auch ein Grossteilder Aerosole. Das erlaubt vorherzusagen, wo welche Substanzenentstehen und wohin diese verfrachtet werden.

Die Empa ist für die Validierung des Modells bestens geeignet:Sie sammelt seit langem Daten zu Luftschadstoffen im nationalenMessnetz NABEL und verfolgt die langfristige Entwicklung derLuftqualität in der Schweiz. Indem die Empa-Forscherinnen und -Forscher die Computerprognosen mit ihren Messdaten vergleichen,können sie das Modell laufend verfeinern, indem sie etwa die Algorithmen anpassen, auf denen die Simulationen beruhen,oder auch einzelne Emissionen neu schätzen.

«Alles hängt mit allem zusammen»Zunächst muss Christoph Knote das Simulationsmodell mit mög-lichst vielen Daten «füttern»: Er braucht Angaben darüber, welchephysikalisch-chemischen Eigenschaften die verschiedenen Stoffe,Aerosole und Gase besitzen und wie sie miteinander reagieren. Diedafür nötigen Module hat er an der Empa entwickelt. Berücksichti-gen muss er aber auch Variablen etwa zu Windverhältnissen, Strah-lungsintensität, Temperatur, Wolkenbildung; diese Informationenerhält er von MeteoSchweiz. «Alles hängt mit allem zusammen»,bringt es der Umweltwissenschaftler auf den Punkt.

Um die vielen Daten zu strukturieren, hat Knote über Europaein fiktives dreidimensionales Gitter gelegt. Auf jedem der 200 mal200 Quadrate mit einer Kantenlänge von rund 10 Kilometer stapeltsich ein Turm mit 40 Würfeln; diese stehen für die verschiedenenAtmosphärenschichten bis auf eine Höhe von 20 Kilometern. In je-dem der 1,6 Millionen Würfel kann er nun (im Computer) bis zu 250verschiedene Gase und Aerosole aufeinander treffen lassen; je nachmeteorologischen Bedingungen treten diese in verschiedene Wech-selwirkungen und werden unterschiedlich verfrachtet.

Der Computer muss nun rund 400 Millionen Einzelwerte spei-chern. Um Bewegung in den «Film» zu bringen, braucht es auch nochdie entsprechenden Werte, um vom Zeitpunkt «jetzt» zum «nachher»zu gelangen. Dies geschieht mit Hilfe von Formeln. Damit verdoppeltsich die Anzahl der Werte; der Rechner muss sich 800 Millionen ein-zelne Werte «notieren» – und das nur für einen Zeitpunkt!

Platz und Rechnerleistung für 800 Millionen EinzelwerteEin einzelner Wert beansprucht einen Speicherplatz von achtByte, es ist also ein Arbeitsspeicher von mindestens sechs Giga-byte nötig – da steigt selbst der leistungsstärkste Desktopcompu-ter aus. Nicht aber Ipazia mit seiner Clusterarchitektur (siehe Ar-tikel Seite 14). Um die Datenflut zu verkleinern, werden demEmpa-Rechner die Werte «häppchenweise» in Teilgebieten zuge-führt. Jeder Server, Knoten in der Fachsprache, ist also nur fürein kleines Teilgebiet Europas verantwortlich.

Wird das gesamte Gebiet nun beispielsweise auf 36 Knotenaufgeteilt, benötigt jeder nur noch 170 Megabyte RAM. Und dasie parallel arbeiten, sinkt gleichzeitig die benötigte Rechenzeit.Trotzdem ist Ipazia eine Weile beschäftigt: Um eine Stunde Echt-zeit der «chemischen Wettervorhersage» zu berechnen, brauchen36 Ipazia-Knoten sieben Minuten; eine Zwei-Wochen-Simulationbeansprucht 40 Stunden Rechenzeit – nicht einmal ein Wochen-ende. Ein Desktoprechner mit genügend Arbeitsspeicher bräuch-te für die gleiche Simulation rund 60 Tage. //

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20 // Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen

Aus Nanostrukturen, die sich auf be-stimmten Oberflächen wie «vonselbst» bilden, könnten in Zukunft

molekulare Transistoren, Dioden oder Sen-soren, aber auch neue funktionelle Ober-flächen mit massgeschneiderten Eigen-schaften entstehen. Um aus den Molekül-komplexen allerdings zuverlässige Nano-bauteile herstellen zu können, müssen For-scherinnen und Forscher zuerst wissen,wie die so genannte molekulare Selbstorga-nisation auf den Oberflächen genau ab-läuft.

Die Oberfläche – genauer ihre chemi-sche Zusammensetzung, ihre Struktur undweitere Faktoren – bestimmt nämlich, welchechemischen Reaktionen in dieser zwei-dimensionalen Umgebung ablaufen kön-nen – oder eben nicht. So hindert sie Mo-leküle daran, sich auf ihr beliebig auszu-richten. Dies unter anderem aufgrund vonKräften, die zwischen der Oberfläche undden Molekülen beziehungsweise zwischenden einzelnen Molekülen wirken und dieMoleküle in eine bestimmte Position«zwingen».

Verhalten von Molekülen simulierenForschende der Empa-Abteilung «nano-tech@surfaces» untersuchen mit Experi-menten und Simulationen das Phänomendes «Self-Assembly», wie der Prozess inFachkreisen genannt wird. Für die Simula-tionen ist das Team von Daniele Passeronezuständig. Es führt Berechnungen durch zuunterschiedlichen Molekülen, beispiels-weise graphenartigen Polymeren, auf di-versen Oberflächen, meist aus Metallenwie Gold, Silber oder Kupfer.

Konventionelle Berechnungen zu denEigenschaften von Molekülen basieren aufder Beschreibung der Bewegung einzelnerElektronen. Aus diesem Grund sind diese Si-mulationen entsprechend komplex, wennsehr viele Moleküle einbezogen werdenmüssen. Der spätere Nobelpreisträger Wal-ter Kohn zeigte jedoch in den 1960er-Jahren,dass es nicht nötig ist, die Bewegung jedeseinzelnen Elektrons einzubeziehen: dieEnergie und weitere Eigenschaften des Sys-tems sind nur davon abhängig, wie vieleElektronen sich an jedem Punkt im Raum be-finden. Dies führte zu einer einfacheren Me-thode für Simulationen, der Dichtefunktio-

naltheorie. Diese machte es erst möglich,sehr grosse Moleküle zu analysieren. Auchdie Empa-Forschende setzen auf die Dichte-funktionaltheorie.

Graphenartige Polymere:Reaktionsweg geklärtGraphen und graphenartige Polymere sindderzeit ein Top-Forschungsthema. So gingletztes Jahr der mit 750 000 Euro dotierte«Körber-Preis für die Europäische Wissen-schaft» an den Begründer der Graphen-For-schung. Graphen ist nicht nur härter als Dia-mant und extrem reissfest, sondern auch un-durchlässig für Gase. Das Material bestehtaus einer zweidimensionalen Kohlenstoff-schicht, in der die Kohlenstoffatome wie Ho-nigwaben in Sechsecken angeordnet sind.Beim Aufrollen der Schichten entstehen ausGraphen Kohlenstoffnanoröhrchen, beimStapeln Graphit.

Die extrem gute elektrische Leitfähigkeitmacht Graphen auch für die Elektronik inte-ressant. So gilt es als möglicher Ersatz für Si-lizium. Dazu müssten Forschende allerdingsdie Leitfähigkeit gezielt einstellen können –etwa indem sie Löcher mit bestimmter Grösse

Geschichten über tausend

Nanostrukturen auf Oberflächen, die aus nur wenigen Molekülen bestehen, geltenals mögliche Bauteile für die (Opto-)Elektronik der Zukunft. Dazu muss allerdingsbekannt sein, wie diese Strukturen entstehen. Empa-Forschende versuchen dies mitComputersimulationen, die das Verhalten von weit über 1000 Atomen berechnen;dadurch wollen sie auch herausfinden, wie sie die Strukturen gezielt beeinflussen könnten.

TEXT: Laura Meier / BILDER: Empa

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Fokus: Materialwissenschaft und Simulationen // 21

und Verteilung kontrol-liert ins Graphengitter«einbauen» beziehungs-weise indem sich eingraphenähnliches Poly-mer aus molekularenBausteinen, das Löcheran den «richtigen» Stel-len und in der «richti-gen» Grösse aufweist,gleich selbst organisiert.

Mit Hilfe von Simu-lationen hat das Teamum Passerone unter-sucht, über welche Zwi-schenschritte ein solchesSelf-Assembly abläuft.Dazu führte es anhand der Dichtefunktional-theorie Berechnungen mit mehr als 500 Ato-men durch. Diese ergaben, dass das Self-As-sembly in den untersuchten Systemen überReaktionswege geschieht, die sowohl durchdie Oberfläche als Katalysatorin beschleunigtwerden als auch ohne Katalyse ablaufen. Alstreibende Kraft, die das Self-Assembly effi-zienter macht, wurde die so genannte van-der-Waals-Kraft ermittelt, eine relativ schwa-

che Wechselwirkungzwischen Atomen undMolekülen.

Goldoberflächeals SchabloneAls Oberflächen fürSelf-Assemblys werdenhäufig Metalle gewählt,so auch Gold. Dabei istselbst die glättesteGoldoberfläche nichtwirklich flach, sondernleicht gewellt. Dies warbereits aus elektronen-mikroskopischen Un-tersuchungen bekannt.

Mit einer Simulation haben die Empa-For-schenden dies nun bestätigt und auch gezeigt,dass Moleküle sich auf einer solch gewelltenOberfläche nicht überall absetzen. Mit 1700Atomen war die Simulation eine der umfang-reichsten ab initio Berechnungen, die von derEmpa bisher gemacht wurde. Dafür war dannauch ein Supercomputer nötig, nämlich derje-nige am Nationalen Hochleistungsrechenzen-trum CSCS in Manno.

Der Grund für die wellige Oberfläche liegtan der Anordnung der Goldatome. Um zu er-fassen, wie sich Goldatome anordnen, könnensie als Kugeln betrachtet werden. Damit nuneine möglichst dichte Packung entsteht, lassensich die Kugeln unterschiedlich stapeln. Ambekanntesten sind die hexagonal dichteste Ku-gelpackung (hcp) und die kubisch dichtesteKugelpackung (fcc). Die Goldatome verhaltensich jedoch nicht einfach wie Kugeln. DennElektronen, die sich frei zwischen den Atomenbewegen, wirken als «Kleber» zwischen deneinzelnen Atomen, was zu unerwarteten Effekten auf der Oberfläche führt. Deshalbentsteht durch das Abwechseln von hcp undfcc dieses Wellenprofil auf der Oberfläche.

Die Simulation durch die Empa-For-schenden hat auch bestätigt, dass organi-sche Moleküle, die beispielsweise als Halb-leiter erforscht werden, bevorzugt auf einerder beiden Kugelpackungen anlagern. Die-ses grundlegende Wissen soll dereinstdazu beitragen, dass Wellenprofile gezieltauf den Goldoberflächen «designt» werdenkönnen und so als Schablonen dienen, umdarauf Nanobauteile beispielsweise für die(Opto-)Elektronik aufzubauen. //

und ein Atom1Die extrem gute elektrische Leitfähigkeit machen Graphen und graphenartige Polymerefür die Elektronik interessant. Dazu müsste sich die Leitfähigkeit allerdings gezielteinstellen lassen – etwa indem sich ein graphenähnliches Polymer aus molekularen Bausteinen,das Löcher an den «richtigen» Stellen und in der «richtigen» Grösse aufweist, gleich selbstorganisiert. Mit Hilfe von Simulationen mit mehr als 500 Atomen haben Empa-Forschende untersucht, über welche Zwischenschritte ein solches Self-Assembly abläuft.

2Selbst die glätteste Goldoberfläche ist nicht wirklich flach, sondern leicht gewellt.Der Grund dafür liegt an der Anordnung der Goldatome. Mit einer Simulationmit 1700 Atomen haben die Empa-Forschenden gezeigt, dass organische Molekülesich auf einer gewellten Oberfläche nicht überall absetzen.

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22 // Wissenschaft im Dialog

Der Verkehr ist eine wichtige Quelle für schädliche Stickoxide. (Foto: Empa)

Zwar emittierte die Schweiz 2008 rund 50 Prozent wenigerStickstoffverbindungen als Ende der 1980er-Jahre; dochentwarnen will die Forschung noch nicht. So lautet ein Fa-

zit der Tagung «Stickstoffverbindungen in der Atmosphäre», diedie Empa und das Bundesamt für Umwelt BAFU Ende Januar ander Empa-Akademie durchgeführt haben. Rund 120 Fachleute dis-kutierten über Emissionsquellen, Stoffflüsse, neue Messtechnikenund Minderungskonzepte.

Vor allem in Städten und entlang der Hauptverkehrsachsen sinddie Konzentrationen an Stickstoffdioxid noch immer zu hoch, wieMessungen des «Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstof-fe» (NABEL) zeigen, das die Empa gemeinsam mit dem BAFU be-treibt. Stickstoffdioxid reizt die Atemwege und schadet so der Ge-sundheit. Technische Innovationen wie der an der Empa entwickelteKatalysatorträger auf Basis von Keramikschaum können jedochdazu beitragen, die Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Atmo-sphäre deutlich zu senken, wenn sie konsequent genutzt werden.

Um die Konzentrationen an Stickstoffdioxid und weiterenStickstoffverbindungen auf ein unbedenkliches Mass zu senken,müssten die Emissionen gegenüber heute etwa halbiert werden.Und da diese Verbindungen in der Atmosphäre über grosse Dis-tanzen transportiert werden, sind international koordinierte An-strengungen notwendig. Empa-Forscher und TagungsorganisatorRobert Gehrig zeigte, wie das «European Monitoring and Evalua-tion Programme» (EMEP) mit einem Netz von mehr als 100 Mess-stationen in 51 Ländern Verfrachtung und Deposition von Stick-stoffverbindungen modelliert und beobachtet. So stammen bei-spielsweise rund 14600 (von total 16200) Tonnen des in derSchweiz pro Jahr deponierten Nitrats aus dem Ausland, aber dieSchweiz «exportiert» ihrerseits rund 20000 Tonnen an ihre euro-päischen Nachbarn. //

Stickstoffverbindungen in der Atmosphäre sindnach wie vor ein drängendes Umweltproblem.An einer Empa-Tagung haben Fachleute darüberdiskutiert, wie es gelöst werden könnte.

TEXT: Beatrice Huber

SchädlicherStickstoff Der 100. Podcast ist online

Eineinhalb Jahre ist EmpaTV nun online,und seit kurzem umfasst das Programm-angebot auf dem Podcastportal der Empa100 Video- und Audio-Beiträge. Zum «Jubiläum» wurde eine Eigenproduktionzum Luftschiff «Blimp» aufgeschaltet: Siezeigt, wie das Gefährt sich dank so genann-ter elektroaktiver Polymere (EAP) elegantwie ein Fisch durch die Lüfte bewegt.

EmpaTV präsentiert fünf Kanäle: Der«Innovation Channel» zeigt TV-Beiträgeund Eigenproduktionen über die neuestenEntwicklungen aus den Empa-Labors; auf«Events@Empa» befinden sich Videos ver-schiedener Veranstaltungen. Wer einenKolloquiumsvortrag verpasst hat, findetihn unter «Empa-Kolloquium». Einblick indie Aus- und Weiterbildung gibts unter«Education@Empa». Und unter «Audio-Podcasts» figurieren Links zu aktuellen Ra-dio-Beiträgen.

Empfangen werden kann EmpaTV aufverschiedene Arten: natürlich via Empa-Homepage, über iTunes und über Youtube.Der beliebteste Beitrag auf der Empa-Homepage und auf iTunes war in den ver-gangenen sechs Monaten das Video überdie emissionsfreie Strassenreinigungsma-schine «hy.muve»; auf Youtube wurde derBeitrag über Hightech-Schutzbekleidungfür die Feuerwehr am häufigsten ange-schaut.

Empa-Podcastportal:www.empa.ch/empatvEmpaTV auf iTunes:http://itunes.apple.com/ch/podcast/empatv/id284836808 EmpaChannel auf Youtube:www.youtube.com/user/EmpaChannel

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Wissenschaft im Dialog // 23

Der Dialog unter Fachleuten aus Wissenschaft und Wirt-schaft sowie mit der interessierten Öffentlichkeit ist derEmpa wichtig. Deshalb verfügt sie mit der Empa-Akade-

mie über eine Plattform für Weiterbildungs- und Informationsver-anstaltungen. Zu den regelmässigen Anlässen der Empa-Akade-mie gehören Wissenschaftsapéros sowie das Empa-Kolloquium.

Die Wissenschaftsapéros stehen grundsätzlich allen offen. Je-weils zu einem aktuellen Thema halten Expertinnen und Expertender Empa, aber auch externe Fachleute kurze, allgemein verständ-liche Vorträge und stellen sich den Fragen des Publikums. Wermit den Fachleuten in einem etwas persönlicheren Rahmen insGespräch kommen will, hat dazu am anschliessenden Apéro Ge-legenheit. Die nächsten Wissenschaftsapéros finden statt zu denThemen «Erdbeben – Wie sicher sind unsere Häuser» (31. Mai inDübendorf) sowie «Fussball – auch die Wissenschaft spielt mit»(3. Juni in St. Gallen).

Am Empa-Kolloquium sprechenGastreferentInnen über ihre For-schungsthemen. Die Vorträge richtensich an Wissenschaftskreise aus un-terschiedlichen technischen und na-turwissenschaftlichen Disziplinen.

Weitere Informationen über die Veranstaltungen an der Empafinden sich unter www.empa-akademie.ch. Wer den Veranstaltungs-kalender jeweils direkt (per E-Mail oder in Papierform) erhalten will,meldet sich bei [email protected].

Die meisten Veranstaltungen der Empa in Dübendorf finden inder «Akademie» statt, einem Vortragssaal mit bis zu 250 Sitzplätzen.Auch Externen steht dieser Raum zur Verfügung. So sind Fachtagun-gen, Generalversammlungen von Fachvereinen oder Weiterbildungs-kurse sehr willkommen. Der Vortragssaal, der mit entsprechenderMultimedia-Infrastruktur ausgerüstet ist, lässt sich unterschiedlich be-stuhlen und aufteilen. Da sich das Personalrestaurant der Empa gleichnebenan befindet, ist auch für das Catering gesorgt. Interessierte mel-den sich bei [email protected]. //

Ausstellung zu NanotechnologieNanotechnologie ist längst Teil unseres Lebens. Undwie bei fast allen neuen Technologien wird auch hef-tig über die Risiken debattiert. Was oftmals fehlt, istallerdings eine realistische Auseinandersetzung. Dieswill die Ausstellung «Nano! Nutzen und Visionen ei-ner neuen Technologie» ermöglichen, die noch biszum 3. Oktober am Technoseum, Landesmuseum fürTechnik und Arbeit in Mannheim, gezeigt wird. Ander Umsetzung der Ausstellung waren auch Expertin-nen und Experten der Empa massgebend beteiligt. Sosind etwa direkt in der Ausstellung Interviews mitdem Empa-Toxikologen Harald Krug abrufbar. Zu-dem wird Krug am Abend des 16. Juni einen Vortragzum Thema «Nanomaterialien – friedliche Zwerge?»halten.

Weitere Informationen: www.technoseum.de

Ihre Meinung ist gefragt

Seit 2008 erscheint die Kundenzeitschriftder Empa, die EmpaNews, als modernes,lebendiges Forschungsmagazin. Nun istes an der Zeit, die Leserinnen und Lesernach ihrer Meinung zu fragen: Gefallendie EmpaNews? Wie können sie noch at-traktiver gestaltet und noch lesenswertergemacht werden?Die Umfrage wird nur online durchgeführtund läuft bis zum 30. Juni. Alle, die teil-nehmen und ihre Kontaktdaten angeben,haben die Chance, einen der sechs Preisezu gewinnen. Jetzt schon vielen Dank!

Link zur Umfrage: www.empanews.chZu gewinnen gibt es:1 iPod touch, 2 iPods nano und 3 iPods shuffle

«Rent-an-academy»

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Veranstaltungen31. Mai 2010Erdbeben – Wie sicher sind unsere Häuser? WissenschaftsapéroEmpa, Dübendorf

1./8. Juni bzw. 15./22. Juni 2010Ökologische Kennzahlen von Fahrzeugenund FlottenZertifikatkurs für Flottenmanagerinnen, Umwelt-fachleute, Fahrzeugverkäufer sowie Mitarbeitendeder Fahrzeug- oder MineralölbrancheEmpa, Dübendorf

3. Juni 2010Fussball – auch die Wissenschaft spielt mitWissenschaftsapéroEmpa, St. Gallen

8. bis 10. Juni 2010ACP Symposium 2010Symposium on Atmospheric Chemistryand Physics at Mountain SitesInterlaken, Schweiz

11. Juni 2010Forschung ohne Gentechnologie –Realität oder FiktionLabor-Schnuppernachmittag imRahmen der Gentage 2010Empa, St. Gallen

28./29. Juni 2010Thermodynamic Modeling in Cementitious Systems3. GEMS WorkshopEmpa, Dübendorf

Details und weitere Veranstaltungen unterwww.empa-akademie.ch

Ihr Zugang zur Empa:

Tag und Nacht ohne

Treibstoff und nur dank

Sonnenenergie zu

fliegen, zwingt uns, die

Grenzen zu versetzen,

hinauszuschieben. Mit

ihrem Know-how und

Wissen auf dem Gebiet

der Materialforschung

ist die Empa eine wert-

volle Unterstützung für

Solar Impulse.

André BorschbergCEO und Mitbegründer Solar Impulse“

Meinung

André Borschberg

[email protected] +41 44 823 44 44www.empa.ch/portal”