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46. Jahrgang 2020 ISSN 0342-6165 Zeitschrift des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. | www.bdvi-forum.de HEFT 2 /20 20 Geodätisch. Frei. Beruflich. Ausländische Berufsqualifikationen Anerkennung Digitales Geodäsie- studium in der Corona-Krise Herausforderung Azubi-Recruiting mit Social Media Entdeckung DPAG PVSt G 50591 »Entgelt bezahlt« BDVI Berlin

Entdeckung - BDVI...von Katrin Giese 23 Perspektivwechsel Wie Arbeitgeber Young Professionals für ihre Unternehmen gewinnen können Jutta Rump 32 Azubi-Recruiting – alles Social

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  • 46. Jahrgang2020

    ISSN 0342-6165

    Zeitschrift des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. | www.bdvi-forum.de HEFT 2/2020

    Geodätisch.

    Frei.

    Beruflich.

    Ausländische Berufsqualifikationen

    Anerkennung

    Digitales Geodäsie -studium in der Corona-Krise

    Herausforderung

    Azubi-Recruiting mit Social Media

    Entdeckung

    DPAG PVSt G 50591 »Entgelt bezahlt« BDVI Berlin

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  • Liebe Leserin, lieber Leser,

    46. Jahrgang, 2020, Heft 2

    EDITORIAL

    kann man in diesen Zeiten ein FORUM-Heft ohne Corona-Themen machen? COVID-19 ist omnipräsent und durch -zieht alle Lebensbereiche. Man wünscht sich sehnlichstdie Rückkehr zu einer gewissen Normalität, aber der Wegwird lang sein und die Stimmung verändert sich. Elternerzählten mir noch vor ein paar Wochen, dass sie durchdas Erlebnis des Homeschoolings Hochachtung vor denLehrerinnen und Lehrern ihrer Kinder bekommen hätten,ob der immensen Belastung als Hauslehrerin und Haus -lehrer. Die gleichen Eltern zeigen heute Wut über diezögerliche Wiederaufnahme des Schulbetriebs insbeson-dere wegen der Tatsache, dass 30 bis 50 % der Lehrendenals Risikopersonen dem Schuldienst nicht zur Verfügungstehen. Sie fragen sich, warum – vor allem verbeamtete –Lehrerinnen und Lehrer nicht gerade in schwierigen ZeitenStaat und Kindern unterstützend zur Seite stehen. Sichermuss man diesen Umstand differenziert betrachten, aberdieser Stimmungsumschwung ist symptomatisch für dieEntwicklung der Krise. Der Anfang war geprägt von einerVerständniswelle einerseits sowie einem akut lösungsori-entierten Ansatz von Politik und Verwaltung andererseits.Langsam macht sich aber Unmut breit, der nicht zuletztdurch zunehmende »Sternstunden« der Bürokratie ge -füttert wird. Ein Beispiel: Wenn ein Hausbesitzer seinemLadenmieter Miete erlässt, weil dieser keine Einnahmenhat, dann befindet ein Finanzbeamter, dass dies ein schen -kungssteuerpflichtiger Akt sei. Man kann nur hoffen, dasssich auch in der Bürokratie der Geist von Unterstützungerhält, der am Anfang der Krise zu erkennen war.

    Auch unsere Büros sind von der Krise betroffen, allerdingshöchst unterschiedlich. Die Mehrzahl scheint mit einemblauen Auge davonzukommen. Wir sind dabei, die tatsäch -lichen Auswirkungen zu evaluieren. Es wird letztlich ent -scheidend davon abhängen, ob die von der Politik an ge -kündigten Konjunkturprogramme kommen. So hat NRW-Landesbauministerin Ina Scharrenbach die Kommunen da -zu aufgerufen, nicht Haushaltssperren zu erlassen, sonderndurch Aufträge – insbesondere eben auch im Bausektor –die Wirtschaft anzukurbeln. Die Wirtschaft braucht Auf -träge und der Steuerzahler bekommt als Äquivalent zumin -dest einen gebauten Mehrwert – nämlich eine mo derneInfrastruktur. Nach meiner Auffassung besser inves tiertes

    Geld als verlorene Zu schüsse beiKurzarbeitergeld. Zu den Forde run -gen der Freien Berufe an die Poli-tik, an deren Formu lierungen derBDVI sich beteiligt hat, lesen Sieein Interview mit dem BFB-Haupt-geschäftsführer Peter Klotzki in diesem Heft. Auch dieBauwirtschaft hat ein Vierpunkteprogramm vorgelegt, andem wir uns ebenfalls beteiligt haben: 1. zusätzliche Mit -tel für Innovation und Zukunftsprojekte, 2. Klimaschutzbau lich umsetzen, 3. vorliegende Planungen jetzt reali -sieren, 4. eine solide Basis für wirksame Konjunkturmaß-nahmen schaffen.

    Der Krise zum Opfer gefallen ist auch unser Jahreskongress,der dieses Mal in Heidelberg stattfinden sollte. Dort hät tenwir den Schwerpunkt Fachkräftegewinnung/Ausbildunggehabt. Zwei für den Kongress geplante Beiträge habenwir als Artikel ins FORUM-Heft geholt: Prof. Dr. Jutta Rumpwidmet sich den Young Pofessionals unter den Arbeitneh -merinnen und Arbeitnehmern und Judith Strücker erklärtden Zusammenhang zwischen Social Media und Azubi-Recruiting. Das Thema Nachwuchsgewinnung verliert ebenauch in der Krise nicht an Bedeutung. In den nächstenWochen werden wir daher zusammen mit DVW und VDV,aber auch mit der Unterstützung anderer Verbände, derHochschulen, der AdV und weiterer Institutionen eineNachwuchskampagne auf Instagram starten, um Jugend -liche für den geodätischen Beruf zu interessieren.

    Auch oder gerade in Corona-Zeiten warten spannendeAufgaben auf uns Geodäten, die im FORUM sicher nur an-gerissen werden können, es aber sicher lesenswert machen.

    Herzliche Grüße und bleiben Sie gesund!

    IhrMichael Zurhorst, BDVI-Präsident

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    FORUM

  • 46. Jahrgang, 2020, Heft 2

    »Kooperatives Studium mit integrierter Ausbildung« – kurz KIAgenannt – ist eine Möglichkeit, Theorie und Praxis in einem Hoch -schulstudium zu verbinden. Dabei gehen Auszubildende ab demzweiten Lehrjahr nicht mehr in die Berufsschule, sondern besu -chen die Hochschule. FORUM-Redakteur Philip Wehmeyer sprachmit Melanie Czubernat, die an der Fachhoch schule in BochumVermessung als KIA-Studiengang ab ge schlossen hat, über ihre Er -fahrungen mit der Doppelbelastung von Ausbildung und Studium,über ihre Verbesserungsvorschläge und was sie anderen jungenLeuten mit auf den Weg für ein KIA-Studium geben möchte.

    Die Corona-Pandemie hat auch den Lehrbetrieb an DeutschlandsHochschulen herausgefordert. Katrin Giese und Frank Reichertaus der FORUM-Redaktion haben sich bei Professoren, wissen -schaft li chen Mitarbeitern und Studierenden des StudiengangsGeodäsie umgehört, wie sie auf die Situation reagiert haben undmit ihr um gehen. Nach Anlauf schwie rigkeiten ist vie les jetzt

    Routine. Ob die reineOnline-Uni al ler dingsauch die glei che Quali -tät wie die Prä senz-Unihat, zei gen wohl erstdie Prüfungen.

    Studieren in Corona-Zeiten 16

    Die Mischung macht’s

    Ausländische Berufs-qualifikationen anerkennen

    FORUM

    Editorial Michael Zurhorst 1

    »In jeder Krise steckt auch eine Chance«Ein FORUM-Interview mit Peter Klotzki

    von Katrin Giese 23

    PerspektivwechselWie Arbeitgeber Young Professionals

    für ihre Unternehmen gewinnen können

    Jutta Rump 32

    Azubi-Recruiting – alles Social Media, oder was? Judith Strücker 38

    Buchbesprechungen 62

    Veranstaltungskalender 64

    Stellenmarkt 65

    Aktion // Leserfoto 66

    Impressum 72

    BILDUNG

    Die Mischung macht’s – Mit dem KIA-Studium zur VermessungsingenieurinEin FORUM-Interview mit Melanie Czubernat

    von Philip Wehmeyer 4

    Vermessungstechniker gesucht!Auf dem Weg zur vollen Anerkennung

    ausländischer Berufsqualifikationen

    Nadia Heimann, Anna Nowodworska, Birgit Voigt 10

    Von Phasen der Stille und dem Aufschwung von E-LearningDigitales Geodäsiestudium an Hochschulen

    und Universitäten während der Corona-Krise

    Katrin Giese, Frank Reichert 16

    Fachkräftemangel – auch ÖbVI sind stark betroffen. Ein Weg ausder Misere ist die Anerkennung von im Ausland erreichten Berufs -qualifikationen. Nadia Heimann,Anna Nowodworska und BirgitVoigt erläutern in ihrem Beitraganhand von drei Beispielen, wie inBerlin ausländische Fachkräfte ausdem Vermessungsbereich im Rah-men des Projektes MAZAB (»MitAnpassungsqualifizierung zum an -erkannten Berufsabschluss«) zurvollen Anerkennung ihrer Qualifi -kation gelangen.

    4IN DIESEM HEFT

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    2

    IN DIESEM HEFT

    10

  • In der Hochphase der Corona-Krise galten für systemrelevanteBerufe Ausnahmen. Doch wer zählt alles zu den systemrelevantenBerufen? Nach welchen Kri-terien wird bei der Einordnungvor gegangen? BDVI-JustiziarMichael Körner ist diesenFragen nachgegangen undhat die Tätigkeit eines ÖbVIund seine Systemrelevanz ausrechtlicher Sicht bewertet.

    Dass es immer schwieriger wird, geeignete Azubis zu finden, istmehr als ein offenes Geheimnis. Judith Strücker, die sich seit vie -len Jahren auf das Recruiting von Jugendlichen spezialisiert hat,erläutert in ihrem Beitrag, wie die jungen Leute ticken, was sievom Leben und insbesondere ihrer Arbeit und dem Arbeitgebererwarten und – das ist natürlich für uns das Wichtigste! – wieman die jungen Leute erfolgreich ansprechen kann. Auch wennsie kein Patentrezept hat: Der Beitrag eröffnet sicher so machemneue Perspektiven in der Personalgewinnung.

    So klappt’s mit neuen Azubis 38

    Bei der Aufstellung der Grundkataster im 19. Jahrhundert hattedas Prinzip der kontrollierten Aufmessung noch keine sonderlicheBedeutung. Markus Rembold zeigt in seinem Fachbeitrag auf,

    wie sich am Bei -spiel Preußens die -ser Grundsatz erstEnde des 19. Jahr -hunderts im Zu-ge der da mali genKa tas ter neu ver -mes sung lang samdurch setzte.

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    Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer des BFB, macht sich in derKrise auf höchster politischer Ebene für die Belange der Freiberuf -ler hierzulande stark. Mit viel Sachkenntnis erläutert er, welcheMaßnahmen aus seiner Sicht noch einer Korrektur bedürfen undwo der BFB im Sinne der Freiberufler aktiv geworden ist bzw. wird.Wie er die Situation aktuell beurteilt, schildert er im Interviewmit FORUM-Chefredakteurin Katrin Giese.

    Die Krise als Chance 23

    Wie zuverlässig war die Katastervermessung früher?

    ÖbVI systemrelevant?

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    IN DIESEM HEFT

    RECHT

    Systemrelevanz der ÖbVI in der Corona-Krise Michael Körner 26

    IMMOBILIEN

    BKImmo & REVNeun Buchstaben, die sich ergänzen!

    Hans Ulrich Esch 42

    KATASTER

    Die Zuverlässigkeit der orthogonalen Grenzermittlung bei den preußischen Katastervermessungen im Zeitraum von 1881-1897

    Markus Rembold 44

    VERBAND

    Verband vor OrtAus den Landesgruppen

    Bernd Heinen, Frank Reichert 58

    Der BDVI-Kalender 2021 Daniel Huke 60

    MOSAIK 67

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    BILDUNG

    Die Mischung macht’s

    Mit dem KIA-Studium zur

    Vermessungsingenieurin

    EIN FORUM-INTERVIEW MIT MELANIE CZUBERNAT VON PHILIP WEHMEYER | MÜNSTER

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    BILDUNG

    FORUM | Du hast schon währenddeiner Schulzeit Kontakt mit Vermessung gehabt, Wie bist dudazu gekommen?

    MELANIE CZUBERNAT | Mit 15 musste ich ein Schulpraktikummachen. Ursprünglich wollte ich in ein Architekturbüro, habeaber keines gefunden, das mich für nur zwei Wochen aufnimmt.Einer der Architekten hat mir dann vorgeschlagen, dass ich esbei einem Vermessungsingenieur versuchen könnte, das wäreetwa wie Architektur.

    Dass Architektur nicht Vermessung ist, weiß ich heute. Zu mei -nem Glück habe ich dann auch einen ÖbVI in Münster gefunden,der in der Nähe des Arbeitgebers mei ner Mutter sein Büro hat -te. Das hat mir damals den Arbeits weg erheblich erleichtert.Die zwei Wochen Praktikum haben mir dann so gut gefallen,dass ich mein Praktikum in der 12. Klasse wieder bei ei nemÖbVI gemacht habe.

    FORUM | Was hat dir denn währenddes Praktikums so gut gefallen?

    CZUBERNAT | Die Abwechslung, ganz klar. Mir hat besondersder Wechsel zwischen Innen- und Außendiensten gefallen. Zumeinen das Mathematische und Zeichnerische im Innendienst, aberauch gerade die körperliche Arbeit im Außendienst, wie Grenz -steine mit dem Spaten zu suchen und den ganzen Tag auf denBeinen zu sein. Ich bin schon immer sportlich sehr aktiv ge -wesen und kann es mir bis heute nicht vorstellen, nur im Büroam Schreibtisch zu sitzen.

    FORUM | Wie lief dann das Praktikum in der 12. Klasse?

    CZUBERNAT | Das Praktikum fand in Kooperation mit der West -fälischen Wilhelms-Universität Münster statt und war zwei -geteilt. Ich habe damals Sport- und Architekturvorlesungengehört, weil hier genau meine Interessen lagen.

    Den praktischen Teil habe ich dann bei einem anderen ÖbVI ab-solviert. Und zwar, weil ich wissen wollte, ob mir das Arbeitenvorher aufgrund der Kollegen so viel Spaß gemacht hatte oderob ich mir Vermessung tatsächlich als Beruf für mich vorstellenkonnte. Und weil mir in den Architekturvorlesungen gerade dasMathematische besonders fehlte, wurde mir bereits währenddes Praktikums klar, dass ich Vermessung und nicht Architekturstudieren möchte.

    Die endgültige Entscheidung für die Vermessung hat mir meindamaliger Chef in gewisser Art und Weise abgenommen. Ichbekam noch während des Praktikums die verbindliche Zusageeines Ausbildungsvertrags. Nach ein paar Monaten Bedenkzeithabe ich mich dann letztendlich dazu entschieden, die Ausbil-dung zur Vermessungstechnikerin zu machen.

    FORUM | Du hast keine gewöhnlicheAusbildung gemacht. Anstatt zurBerufsschule zu gehen, bist du nach Bochum zur Fachhochschulegefahren und hast Vorlesungengehört. Wie läuft diese Art derAusbildung ab?

    CZUBERNAT | Genau. Ich habe zuerst mit der normalen Ausbil -dung angefangen und habe dann in der Berufsschule schnell be -merkt, dass ich durch meinen Mathematik-Leistungskurs schonweiter war, als es der Lernstoff in der Schule vorsah. Ein klassi -sches Studium wollte ich damals nicht aufnehmen, weil ich die -se theoretische Art aus der Schule erst mal leid war. Ich wollte

    Melanie Czubernat ist Ende 20 und in Münster geboren. Sie spielt seit ihrer Jugend Volleyballund hat während eines Schulpraktikums ihre Begeisterung für die Vermessung entdeckt.Heute ist sie Vermessungsingenieurin im Büro von ÖbVI Rudolf Wehmeyer und ÖbVI Burkhard

    Quatmann in Münster. KIA Vermessung nannte sich ihr Bachelorstudiengang an der Hochschule

    Bochum. KIA steht für »Kooperatives Studium mit integrierter Ausbildung«. Im folgenden Interview

    erzählt Melanie Czubernat dem FORUM-Redakteur Philip Wehmeyer von den Besonderheiten und

    Herausforderungen ihres Bildungswegs.

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    BILDUNG

    lieber mehr Berufspraxis in meinem Alltag haben. Mein Ausbil -der hat das natürlich mitbekommen und mir das damals neueKIA-Studium der Hochschule Bochum vorgestellt. Dabei gehtes darum, dass der Auszubildende ab dem zweiten Lehrjahr an -stelle der Berufsschule die ersten Semester des Geodäsiestu -diums absolviert. Das war für mich der beste Kompromiss, umPraxis und Theorie, bei gleichzeitiger Fortzahlung der Ausbil-dungsvergütung, erlernen zu können.

    FORUM | Wenn du sagst, dass du die ersten Semester des Studiumsgehört hast, waren das dann alleVorlesungen, die ein »gewöhnlicher«Student auch mitnimmt?

    CZUBERNAT | Nein. Ich habe die Hälfte der Vorlesungen ge hört.Das heißt, in meinem zweiten Lehrjahr habe ich die Hälfte desersten und zweiten Semesters gehört, in meinem dritten Lehrjahrdann die andere Hälfte des ersten und zweiten Semesters.

    Währenddessen habe ich ganz normal auch die Prüfungen zuden Vorlesungen gemacht, von den Prüfungen der Berufs schule

    war ich seit dem zweiten Lehrjahr befreit. Da meine Ausbildungdann nach dem dritten Lehrjahr beendet war, muss te ich wie alleanderen Techniker auch die Abschlussprüfung schreiben.

    Die Inhalte der Berufsschule habe ich während des Studiumsund vor der Abschlussprüfung gesondert gelernt. So mit hatteich dann nach den drei Jahren meiner Ausbildung einerseits die Ausbildung und andererseits die ersten zwei Semester desStudiums absolviert.

    FORUM | Wie hast du den Stoff der Berufsschule nachgeholt?

    CZUBERNAT | Ich war eine der Ersten, die damals mit dem KIA-Studium starteten. Deshalb gab es auch keinerlei Erfahrungen,wie ich den Stoff hätte nachholen können.

    Ich habe mich dann an meine alte Klasse aus der Berufsschulegewandt und mir Un terlagen besorgt. Allerdings war von denursprünglichen Technikern nur noch eine Technikerin übriggeblieben. Somit musste ich mir den Stoff mehr oder wenigerselbst beibringen.

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    BILDUNG

    CZUBERNAT | Nein. In einigen Teilen vielleicht, aber grundsätz -lich gab es nicht viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Studiumund dem Lernstoff der Ausbildung.

    FORUM | Wie hast du dann nach der Ausbildung weitergemacht?

    CZUBERNAT | Normalerweise sieht das KIA-Studium vor, dassnach der Ausbildung das Studium in Vollzeit ab dem drittenSemester weitergeht. Ich habe mich aber dagegen entschieden,weil mein Ausbilder mir ermöglicht hat, auch die restlichen Se-mester in Teilzeit zu studieren und nebenbei dann normal alsTechnikerin in dem Betrieb zu arbeiten.

    Dadurch habe ich dann auch schon etwas Gehalt bekommen undkonnte mir das Studium selber finanzieren. Ich habe so natürlichlänger für mein Studium gebraucht, war aber selbstständig undnicht auf die Unterstützung meiner Eltern angewiesen.

    FORUM | Du hast zum Ende desStudiums die Bachelorarbeit mit

    FORUM | Durch das KIA-Studium hast du also das Geodäsiestudiumum ein Jahr verkürzt und gleichzeitig deine Ausbildungabgeschlossen.

    CZUBERNAT | Richtig, dazu kommt aber natürlich noch dieBindung an den Ausbildungsbetrieb.

    FORUM | Gab es denn ein gewissesMaß an Überschneidung zwischenBerufsschule und Studium?

    MELANIE CZUBERNAT

    Geboren im Juni 1991 in Münster

    Januar 2007 Praktikum Vermessungsbüro Quatmann

    Juni 2009 Praktikum Vermessungsbüro Wehmeyer

    2010 Allgemeine Hochschulreife am Immanuel-Kant-Gymnasium in Münster-Hiltrup

    2010-2013 Ausbildung zur Vermessungstechnikerin2011-2013 Studium

    KIA Vermessung, Hochschule Bochum2013-2018 Studium Teilzeit Vermessung,

    Hochschule Bochum (Bachelor of Engineering)2010-2018 Vermessungsbüro Wehmeyer, dann

    fusioniert zu vbm Vermessungsbüro MünsterlandSeit 2018 vbm Vermessungsbüro Münsterland

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    BILDUNG

    Daten für meine Bachelorarbeit habe ich im Zuge von drei Auf-tragsarten des Büros erhoben und den Aufwand von Innen-und Außendienst getrennt betrachtet.

    FORUM | Was ist von deiner Bachelorarbeit übrig geblieben?

    CZUBERNAT | Das Bachelorstudium habe ich 2018 beendetund wurde dann von dem Büro übernommen. In den letztenzwei Jahren hat sich viel entwickelt. Die Kooperation der ÖbVI-Büros hat sich weiter gefestigt und der ursprüngliche Gedankemeiner Arbeit, die UAV für amtliche Lagepläne einzusetzen, hatsich ausgeweitet.

    Mittlerweile nutzen wir die UAV für wesentlich mehr Aufga ben -felder als ursprünglich angedacht.

    Die Koopera tion der Büros hilft da natürlich, um sich fachlichauszutau schen und neue Projekte ins Leben zu rufen. Von mei -ner ursprüng lichen Bachelorarbeit ist also nicht ganz so vielübrig geblieben, sie hat aber, glaube ich, einige Tore geöffnetund meinen aktuellen Arbeitsplatz geprägt.

    dem Thema »Einsatz von UAV bei der Aufnahme von amtlichen Lageplänen in ÖbVI-Büros unterBerücksichtigung wirtschaft -licher Aspekte« geschrieben. Worum ging es dabei im Kern?

    CZUBERNAT | Die Bachelorarbeit ist in einer Kooperation ausmehreren ÖbVI-Büros entstanden. Die Idee der wirtschaftlichenBetrachtung eines Einsatzes von UAV (»unmanned aerial vehicle«)gab es zu dem Zeitpunkt schon. Ich habe mich damit befasst,die Arbeiten im Außen dienst bei der Erstellung von amtlichenLageplänen mithilfe von UAV zu beschleunigen. Dabei ging esdarum, ob und wie UAV und fotogrammetrische Aufnahmen dieklassischen tachy metrischen Messungen bei Lageplänen er -gänzen oder ersetzen können.

    Der wirtschaftliche Aspekt stand dabei immer auch mit im Mit-telpunkt der Betrachtung. Ich habe dafür Ent schei dungs -kriterien und Parameter definiert, anhand derer ich eine Empfeh -lung entwickelt habe, ob rein tachymetrisch oder ergänzendauch fotogrammetrisch gemessen werden sollte. Dabei habenu. a. Aspekte wie Größe und Vegetation eine Rolle gespielt. Die

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    BILDUNG

    würden, was den Stoff in der Be rufsschule angeht. Das war beimir noch nicht der Fall. Nicht einfach war auch die Pflege dersozialen Kontakte. Nach jedem Semester musste ich, abgesehenvon einer weiteren KIA-Studentin, mit neuen Kommilitonenneu anfangen, kannte dafür aber den gesamten Studiengang.

    Es war auch total anstrengend, von Münster zwei bis drei Maldie Woche nach Bochum zu fahren. Ich konnte mir mit demTechnikergehalt keine zweite Wohnung in Bochum leisten undbin deshalb gependelt. Aber daran lässt sich auch nicht so ein-fach etwas ändern.

    Das gehört wohl einfach zu dieser be sonderen Ausbildung mitdazu.

    FORUM | Würdest du das KIA-Studium wieder so machen oder hast du dich doch stellen-weise überfordert gefühlt? Was sind – zurückblickend betrachtet – kritische Punkte?

    CZUBERNAT | Ganz klar ja! Für mich war es genau die richtigeMischung aus anspruchsvollem Studium und praxisnahem Ar-beiten.

    Schwierigkeiten gab es natürlich auch: Ich wurde damals voll -kommen unvorbereitet in das KIA-Studium hineingeworfen. Esgab ja noch keine Erfahrungen damit.

    Vor allem die Abschluss prüfung war für mich anstrengend, daich die Berufsschule ja nicht mehr besuchte. Ich habe zur Vor-bereitung auf die Prüfung einen Kurs des BDVI besucht, derwar für mich Gold wert. Das würde ich auch jedem soempfehlen.

    Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn die KIA-Studentenschon während des Semesters auf dem Laufenden gehalten

    M. Sc. Philip [email protected]

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    BILDUNG

    Fachkräftemangel – auch die Büros der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure kennendieses Problem. Der Einsatz von Fachkräften mit ausländischen Qualifikationen wird mit demInkrafttreten des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im März 2020 verstärkt disku tiert, gilt

    er doch als aussichtsreiches Mittel zur Fachkräftesicherung. Einige Betriebe bemängeln die noch

    immer fehlende Transparenz bei den Anerkennungsverfahren von ausländischen Abschlüssen. Im

    FORUM-Heft 3/2019 gab es dazu bereits ein Interview.

    Vermessungstechnikergesucht! Auf dem Weg zur vollen

    Anerkennung ausländischer

    Berufs qualifikationenNADIA HEIMANN, ANNA NOWODWORSKA, BIRGIT VOIGT | BERLIN

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    BILDUNG

    Für den nicht reglementierten IHK-Beruf Vermessungstech-niker/-in gibt es bereits ein bundesweit geregeltes Verfahren.Fachkräfte, die einen Bescheid der IHK FOSA |1| über die teil -weise Gleichwertigkeit ihres ausländischen Berufsabschlus -ses erhalten haben, werden in Berlin durch die INBAS GmbHim Rahmen des Projekts »MAZAB – Mit Anpassungsqualifi -zierung zum anerkannten Berufsabschluss« auf dem Weg zurvollen Anerkennung begleitet.

    Diesen Weg möchten wir am Beispiel von drei Vermessungs -technikern, Fachrichtung Vermessung, skizzieren. Unser Pro-jekt hat sie dabei begleitet.

    FALL 1

    Ahmad Mohammad |2| muss Kenntnisse in »Bauordnung, Bo-denordnung und Grundstückwertermittlung« nachweisen, umdie volle Anerkennung seines syrischen Berufsabschlussesbeantragen zu können.

    Er ist bereits als Vermessungstechniker in Berlin tätig undbringt sehr gute Deutschkenntnisse mit. Er möchte die volleGleichwertigkeit beantragen, um sich beruflich weiterzuent -wickeln. Wir recherchieren nach einem individuellen Kurs, derdie geforderten Kenntnisse vermitteln kann.

    Nach zwei Monaten werden wir fündig. Da es kein Kursangebotgab, wird ein freier Dozent beauftragt. MAZAB übernimmt dieKosten für die Anpassungsqualifizierung, die Herr Mohammadin seinem Urlaub absolviert. Wir unterstützen ihn bei der Aus -stellung eines Nachweises und stellen gemeinsam mit HerrnMohammad den Folgeantrag bei der IHK FOSA.

    Fall 1 Bescheid IHK FOSA

    Fall 1 Ergebnis Bescheid IHK FOSA

    Fall 1 Qualifizierungsplan

    ErgebnisUnter Berücksichtigung der ausländischen Ausbildung und ein-schlägiger Berufserfahrung wurde die teilweise GleichwertigkeitIhrer Qualifikation mit dem deutschen Referenzberuf festgestellt. Im Ergebnis verbleibt folgender wesentlicher Unterschied:

    Bauordnung, Bodenordnung und Grundstückswertermittlung

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    BILDUNG

    Die für die Anerkennung seiner im Ausland erworbenen Berufs -qualifikation notwendigen Kenntnisse über »Liegenschafts -kataster und Grundbuch« können nicht in seinem Vermessungs -büro vermittelt werden.

    FALL 2

    Ghordus Esfehan hat seine Berufsausbildung im Bereich Geo-däsie in Afghanistan absolviert. In Deutschland beginnt er eineAusbildung als Vermessungstechniker, weil er von der Mög lich -keit einer Anpassungsqualifizierung nichts wusste.

    Wir klären Herrn Esfehan über die Vorteile einer Anpassungs -qualifizierung auf und empfehlen ihm, mit seinem Betrieb übereine Anstellung zu sprechen.

    Vorab soll Herr Esfehan eventuelle Auswirkungen eines Aus -bildungsabbruchs auf seinen Aufent haltsstatus mit seinerRechts anwältin klären.

    Fall 2 Ergebnis Bescheid IHK FOSA

    Die Grafik zeigt den Ablaufplan von der erstmaligen Antragstellung bei der IHK FOSA seitens der Fachkraft bis zum Folgeantrag auf volle Gleichwertigkeit bei der IHK FOSA.

    ErgebnisUnter Berücksichtigung der ausländischen Ausbildung und einschlä gi gerBerufserfahrung wurde die teilweise Gleichwertigkeit Ihrer Qualifi kationmit dem deutschen Referenzberuf festgestellt. Im Ergebnis verbleibenfolgende wesentliche Unterschiede:

    Liegenschaftskataster und GrundbuchBauordnung, Bodenordnung und Grundstückswertermittlung9 Monate (Vollzeit) einschlägige Berufserfahrung

    Stellung des Antragsauf Anerkennungdes ausländischenBerufsabschlussesmit dem deutschenReferenzberuf beider IHK FOSA seitensder Fachkraft

    Bescheid der IHK FOSA über die teilweise Gleichwertigkeit

    Weiterleitung derFachkraft durch dieIHK Berlin an MAZAB

    Erstgespräch bei MAZAB

    Akquise von BetriebenUnterstützung bei Erstellung der Bewerbungs -unterlagenRecherche der KurseKlärung der Finanzierung

    Anpassungs -quali fi zierung begleiten

    MAZAB-Sprachförderung am Arbeitsplatz

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    BILDUNG

    FALL 3

    Zwei Monate einschlägige Berufserfahrung sowie Kenntnisseüber »Liegenschaftskataster und Grundbuch« sowie »Bauord-nung, Bodenordnung und Grundstückwertermittlung« mussauch Rameh Lafi nachweisen, um die volle Anerkennung seinessyrischen Berufsabschlusses beantragen zu können. Herr Lafiist motiviert, möchte sich auf dem Arbeitsmarkt integrierenund in seinem erlernten Beruf arbeiten.

    Die Suche nach einem Betrieb gestaltet sich auch in diesem Fall schwieriger als erwartet. Ein durch das Jobcenter oder dasProjekt MAZAB finanzierbarer Kurs konnte nicht gefundenwerden. Auch ist das Deutsch von Herrn Lafi noch ausbaufähig.Er bringt Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 mit (einen B2-Kurs hatte er besucht, aber die Prüfung nicht bestanden).

    Nach vier Monaten finden wir einen Praktikumsplatz in einemVermessungsbüro, bei dem Herr Lafi eine Anpassungsqualifi zie -rung zu den notwendigen Inhalten absolvieren kann. Der Be-trieb ist mit seiner Arbeitsweise sehr zufrieden, aber leider sinddie sprachlichen Defizite zu hoch und ihm fehlen Kenntnissezu AutoCAD. Per E-Mail sendet der Betrieb Wortlisten an dieSprachlehrkraft im Projekt MAZAB, die bei Bedarf, wie im Fall

    Ein bezahlbarer Kurs, mit dem Herr Esfehan die gefordertenKenntnisse nachweisen könnte, ist nicht zu finden, sodass ersich auf Rat einer Mitarbeiterin des Vermessungsbüros für eineAnpassungsqualifizierung in Form eines Praktikums bei einemKatasteramt bewerben wird.

    Die Sprachförderung am Arbeitsplatz durch MAZAB möchteHerr Esfehan ebenfalls in Anspruch nehmen. Bei der Bewer -bung um ein Praktikum bei den Katasterämtern unterstützenwir ihn.

    Zurzeit wartet Herr Esfehan auf eine Zusage, die allerdings auf-grund der Corona-Pandemie auf sich warten lässt.

    ErgebnisUnter Berücksichtigung der ausländischen Ausbildung wurde dieteilweise Gleichwertigkeit Ihrer Qualifikation mit dem deutschenReferenzberuf festgestellt. Im Ergebnis verbleiben folgendewesentliche Unterschiede:

    Liegenschaftskataster und GrundbuchBauordnung, Bodenordnung und Grundstückswertermittlung2 Monate (Vollzeit) einschlägige Berufserfahrung

    Fall 3 Ergebnis Bescheid IHK FOSA

    Stellung des Folgeantrags auf volle Gleichwertigkeit bei der IHK FOSA

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    BILDUNG

    Sprachliche Hürden können durch eine Sprachförderung amArbeitsplatz oder einen (sorgfältig ausgewählten) berufsbe -zogenen Sprachkurs genommen werden. Ein Betrieb zog z. B.einen Kollegen mit derselben Muttersprache unterstützendheran.

    Die Erfahrungen unseres MAZAB-Teams bestätigen immer wie -der, dass in einigen Fällen eine intensive Einarbeitung und kon-tinuierliche Begleitung der ausländischen Fachkraft notwendigsind. Dafür müssen die Kollegen und Kolleginnen im Unter -neh men sensibilisiert werden. Beispielsweise trauen sich einige

    von Herrn Lafi, eine individuelle Sprachförderung am Arbeits -platz anbietet. Dazu hospitiert sie am Arbeitsplatz von HerrnLafi und verschafft sich so einen Einblick in die berufsspezifi -schen Topografien und sprachlichen Anforderungen vor Ort.Für Herrn Lafi stellen der Fachwortschatz, die schriftlichenDeutschkenntnisse und der Berliner Dialekt die größten Heraus -forderungen dar. In Absprache mit den Vorgesetzten im Betriebbeginnt die DaF-/DaZ|3|-Lehrkraft, an den kommunikativen Be -darfen von Herrn Lafi orientierte Unterrichtsmaterialien unterNutzung der digitalen Lernplattform ILIAS |4| zu ent wickeln.Zeitgleich empfiehlt ein Vorgesetzter im Betrieb einen Kurs,der die fachlichen Inhalte abdecken kann. Wir vermitteln zwi -schen Herrn Lafi, den Kursanbietern und den Mitarbeitendendes Jobcenters.

    Vier Monate wird Herr Lafi die vom Jobcenter finanzierten On-line-Kurse absolvieren. Im Anschluss kann er die Anpassungs -qualifizierung im Betrieb fortführen und den Folgeantrag aufvolle Gleichwertigkeit stellen. Der Betrieb hat Herrn Lafi in Aus -sicht gestellt, ihm im Anschluss an die erfolgreich absolvierte An-passungsqualifizierung einen unbefristeten Vertrag anzu bieten.

    WAS KÖNNEN BETRIEBE TUN?

    Die Beispiele zeigen, dass in den Bescheiden der IHK FOSA überdie teilweise Gleichwertigkeit für Vermessungstechniker häufigsehr spezifische Inhalte gefordert werden und diese Inhaltenicht immer in den Vermessungsbüros vermittelt werden kön-nen. Die Suche nach entsprechenden Kursen sowie deren Fi-nanzierung sind nicht einfach. Die Vermessungsbüros könnenhier unterstützen, indem sie die Kosten für die Kurse über neh -men und/oder die Fachkraft für den Besuch des Kurses frei -stellen. Die Übernahme der Gebühren für die Antragstellungbei der IHK FOSA ist eine weitere Möglichkeit der Unterstützung.

    MAZAB wird seit 2016 vom Institut für berufliche Bildung,Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, kurz INBAS GmbH, durch -geführt und ist ein Teilprojekt im Berliner IQ-Netzwerk.

    Das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)«zielt darauf ab, die Arbeitsmarkt integration von Menschenmit Migrationsgeschichte zu verbessern, und wird durchdas Bundesministerium für Arbeit und Soziales und denEuropäischen Sozialfonds gefördert. Basis ist das von derBundesregierung verabschiedete Gesetz zur Verbesserungder Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbenerBerufsqualifi kationen (BQFG).

    Das Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ) wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert.

    In Kooperation mit:

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    BILDUNG

    Teil neh mende nicht zu sagen, wenn sie etwas nicht verstandenhaben. »Der sagt immer ›ja, ja‹ und am Ende kommt raus, dasser es immer noch nicht verstanden hat! Ja, warum sagt der dennnichts?«, fragt uns ein zuständiger Mitarbeiter. Viel Geduld,Ein fühlungsvermögen und interkulturelle Kompetenz seitensdes Teams sind hier erforderlich.

    WELCHE VORTEILE BRINGT DAS ANERKENNUNGSVERFAHREN?

    In nicht reglementierten Berufen wie dem/der Vermessungs -techniker/-in können Fachkräfte auch ohne eine volle Gleich-wertigkeit beschäftigt sein. Lohnt sich dann der Aufwand des Anerkennungsverfahrens? Dafür spricht eine Vielzahl vonGründen.

    Denn in dem oft langwierigen Weg zur vollen Gleichwertigkeitsteckt ein neues Fachkräftepotenzial. Die Fachkraft erhöht ihreChancen auf eine qualifizierte Beschäftigung, auf eine bessereBezahlung und auf berufliche Weiterentwicklung. Nicht zuletztist die volle Anerkennung der Berufsqualifikation auch eineAnerkennung im Sinne von Wertschätzung. Das zahlt sich auchfür Arbeitgeber aus: Sie erhalten eine qualifizierte Fachkraftund ein Instrument für die Mitarbeiterbindung und Personal -entwicklung. Ein Bescheid der IHK FOSA schafft Transparenzüber die im Ausland erworbenen Qualifikationen. Die Unter-schiede werden klar benannt, und Betriebe können ihre Mit -arbeitenden gezielt weiterbilden. Zudem können sie ihre Außen-wirkung verbessern, indem sie als attraktiver Betrieb wahr -genommen werden, der in Personalentwicklung investiert undMitarbeiterqualifikationen sichtbar macht. Im Hinblick auf dasim März 2020 in Kraft getretene neue Fachkräfteeinwan de -rungsgesetz werden diese Faktoren in Zukunft von wachsenderBedeutung sein.

    Birgit [email protected]

    Anna NowodworskaBildungsberaterin mit dem Schwerpunkt »Sprachförderung am Arbeitsplatz« im Projekt [email protected]

    Nadia HeimannBildungsberaterin im Projekt [email protected]

    Erläuterungen

    |1| FOSA steht für Foreign Skills Approval und »ist das bundesweite

    Kompetenzzentrum deutscher Industrie- und Handelskammern zur

    Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse.

    Sie nimmt Anträge auf Anerkennung entgegen und vergleicht,

    inwieweit ausländische Berufsqualifikationen mit entsprechenden

    deutschen Berufsabschlüssen als gleichwertig eingestuft werden

    können.« (Quelle: www.ihk-fosa.de, Stand: 23. April 2020)

    |2| Die Namen der Teilnehmenden wurden anonymisiert.

    |3| DaF = Deutsch als Fremdsprache

    DaZ = Deutsch als Zweitsprache

    |4| www.iq-lernen.de

  • Von Phasen der Stille und dem Aufschwung vonE-Learning

    Digitales Geodäsiestudium an Hochschulen und Universitäten während der Corona-Krise

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    BILDUNG

  • Die Corona-Pandemie stellt auch den Lehrbetrieb an deutschen Hochschulen und Universitä ten vor große Herausforderungen. Der Zugang zu den

    Lehrstandorten wurde mit Ausbruch von COVID-19

    deutschlandweit geschlossen: für Lehrende, Studenten,

    Angestellte und die breite Öffentlichkeit.

    Doch obwohl nach wie vor (Stand Mai 2020) in den

    Hörsälen, Seminarräumen, Laboren und Werkstätten

    gähnende Leere herrscht, ist das Sommersemester 2020

    an den meisten Unis und Hochschulen pünktlich

    gestartet. Nur eben anders als sonst. Lehrende und

    Studierende treffen sich online für Vorlesungen, am

    virtuellen Schwarzen Brett zum Informationsaustausch

    oder für Arbeiten in Gruppen im digitalen Chatroom.

    Wie das gelingt und jeweils wahrgenommen wird,

    haben wir Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter

    und Studierende im Studiengang Geodäsie an

    unterschiedlichen Universitäts- und Hochschul -

    standorten gefragt.

    KATRIN GIESE/FRANK REICHERT | FORUM-REDAKTION

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    BILDUNG

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    BILDUNG

    PROF. DR.-ING. JÜRGEN KUSCHE,Institut für Geodäsie und Geoinformation, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Wie fast überall an der Universität Bonn sind auch die Mitar-beiter des Instituts für Geodäsie und Geoinformation ab etwaMitte Februar ins Homeoffice umgezogen. Die digitale Lehreim synchronen und asynchronen Modus ließ sich dank der Ver-schiebung des Sommersemesters in NRW relativ gut vorberei -ten. Inzwischen geht auch die Universität Bonn in einen »ge -schützten Betrieb« über, in dem einzelne Veranstaltungen undPrüfungen wieder in Präsenz durchgeführt werden können,allerdings nur nach Vorlage und Genehmigung eines Hygiene -konzeptes.

    Ein interessanter Nebeneffekt ist unsnun erst deutlich geworden. Wie sich dergesamte Campus Poppelsdorf zwischendem 20. Februar und dem 20. April 2020immer mehr leerte, lässt sich erstaunlichgut an den Aufzeichnungen unseresCG5-Gravimeters nachvollziehen. DasInstrument misst im Keller eines Insti-tutsgebäudes – auf einem Pfeiler ent -koppelt vom Fundament – normaler-weise die winzigen Veränderungen derSchwerkraft aufgrund der astronomi -schen und Erdgezeiten oder aufgrundvon vorbeiziehenden Hochdruckgebie -ten oder Grundwasserschwankungen.

    Wenn sich Personen im Gebäude oderder weiteren Umgebung aufhalten und

    bewegen, erzeugen sie Trittschall und damit zufällige hochfre-quente Beschleunigungen. In den Messdaten des Gravimetersist dieses »mikroseismische Rauschen« immer präsent. Ein Blickauf die Standardabweichungen der Messungen (siehe Abbil-dung) zeigt nun aber, dass wir vor den Corona-Beschränkungenvermutlich niemals ein solch niedriges Rauschen gemessenhaben. Man bekommt eine Vorstellung davon, dass rund 70 %dieses Grundrauschens auf dem Campus normalerweise durchmenschliche Einwirkung bedingt sind.

    Auch Aufzüge, Autos und vorbeifahrende Busse verursachenSchwingungen im Boden. All diese Einflüsse sind im Zuge derCorona-Krise und der Sperrung der Institutsgebäude für Stu -dierende und die Öffentlichkeit weniger geworden.

    Jürgen Kusche

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    BILDUNG

    RONJA PUTZE, Studentin, viertes Fachsemester, Bachelor Geoinformation und Vermessung (dual),Hochschule Anhalt, Dessau

    Ab dem 20. April begann sowohl für die Studierenden des zwei -ten und vierten Fachsemesters im Bachelor- als auch für denMasterstudiengang des Institutes für Geoinformation und Ver-messung der Hochschulbetrieb in Form der Online-Lehre, wäh -rend das sechste Fachsemester planmäßig das Praxissemesterdurchführt. Der Lehrstoff wird durch die Dozenten und Mit -arbeiter der Hochschule in vielfältiger Art und Weise aufberei -tet. So werden einige Module in Form von Online-Vorlesungenin Videokonferenzen (gängig sind die Programme WebEx undZoom) ab gehalten. Andere Lehrende arbeiten Übungsaufga benoder Fragenkataloge als »roten Faden« durch ihre Skripte undVorlesungsfolien aus. Die Abgabe der Lösungen solcher Übungs -aufgaben kann freiwillig erfolgen, in manchen Fällen ist aller -dings auch eine verpflichtende Abgabefrist vorge schrieben.Diese gehören dann zu den zu erbringenden Prüfungsvorleis-tungen und müssten von den Studierenden auch im Regelstu-dienbetrieb erbracht werden (beispielsweise in den ModulenProgram mierung I und Analysis im zweiten Semester).

    Andere Lösungsvorschläge werden individuell in Kleingruppenper Videokonferenz (beispielsweise bei der Erstellung eines Ge -staltungs- und Bebauungsplans im Modul Flächenmanage -ment im vierten Semester), im E-Mail-Verkehr oder durch dasZu sen den von Musterlösungen und Verbesserungsvorschlägen(bei spiels weise im Modul Ausgleichungsrechnung, ebenfalls imvierten Semes ter) ausgewertet. Außerdem wurden für die ein -zelnen Module Chatforen auf der Lernplattform Moodle ein-gerichtet. Generell sind die Lehrkräfte auch per E-Mail erreich-bar und antworten umgehend sowie umfangreich.

    Doch trotz aller Bemühungen ergeben sich einige Schwie rig -keiten. Für einige sind es die technischen Voraussetzungen wieeine stabile Internetverbindung, das Finden eines ruhigen Ar-beitsplatzes in den eigenen vier Wänden oder das Verständnisder Familie im unmittelbaren Umfeld für den momentan deut-lich erhöhten zeitlichen Arbeitsaufwand. Wei terhin fehlt uns derpersönliche Kontakt zu den Kommilitonen und Lehrenden – esarbeitet sich in einer Gruppe häufig deutlich effektiver und lösungsorientierter.

    Die Corona-Krise birgt jedoch auch einige Chancen: So sind wirmomentan gezwungen, uns im Homeoffice selbst zu motivieren,einen Tages- und Wochenplan zu erstellen und diesen in Hin-blick auf die nahenden Prüfungen durchzuarbeiten. Viele In-halte studiert man dadurch deutlich intensiver. Das planmäßigeund zielstrebige Arbeiten kann an vielen Stellen – sei es in Prü-fungsphasen, im Prozess der Erstellung von Bachelor- undMasterarbeit oder im späteren Berufsalltag – nur positive Aus -wirkungen haben. Die tatkräftige Unterstützung durch unsereLehrkräfte und deren ständige Erreichbarkeit helfen uns dabei,hoffentlich auch dieses besondere Semester erfolgreich ab -zuschließen.

    Eine Ausnahme: Die für den Menschennormalerweise nicht spürbaren Erdbe -ben, die im Rheinland häufig statt finden,sind vom Corona-Virus unbeeindrucktund werden ebenfalls mit aufgezeich-net (in der Grafik die besonders hohenAusschläge). Wind und Stürme tragennatürlich ebenfalls wei terhin zum Rau -schen bei. Wir nutzen im Normalbetriebunsere Gravimeter selbstverständlichnicht, um zu messen, wie aktiv die Be -schäftigten der Universität im CampusPoppelsdorf sind. In Vor-Corona-Zeitenabsolvierten Geodäsiestudierende derUniversität Bonn beispielsweise re gel -mäßig ein Prakti kum auf der BonnerHof gartenwiese, um mit Schwere mes -sungen herauszufinden, wo dort im Un -tergrund der Tunnel der U-Bahn verläuft.

    Ein Blick in die Grafik zeigt: Vor Beginn der Corona-Be schrän -kungen im Februar ist zu erkennen, dass das Grund rauschen anWochenenden niedriger ist und montagvormittags ansteigt,wenn die meisten Institutsangehörigen wieder zum Dienst er-scheinen. Die Phase der Stille hilft uns nun aber zu verstehen,wie genau eine Gravimetermessung unter idealen Bedingungeneigentlich sein kann.

    Ronja Putze

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    PROF. DR.-ING. NORBERT KERSTING, Fachbereich Geodäsie, Hochschule Bochum

    Wie fast alle Dozentinnen und Dozenten im Fachbereich Geo-däsie der Hochschule Bochum (und anderswo) musste auch ichMitte März ohne Vorwarnung ins kalte Wasser springen. KeinePräsenzveranstaltungen, möglichst alles online vermitteln. Da -rin hatten wir so gut wie keine Erfahrung.

    Den Studentinnen und Studenten ging es genauso. Auch siemussten sich von einem Tag auf den anderen auf die neue Form der Lehre einstellen. Nun laufen die Lehrveranstaltungenschon fast zwei Monate so und ich bin beeindruckt, wie gut esläuft.

    Ein Glücksfall ist sicher, dass mein Fach (Praktische Informatik)für die Online-Lehre besonders gut geeignet ist. Im Ergebnisbesteht die Lehre derzeit im Wesentlichen aus drei Komponen-ten: Online-Sessions, Lehrvideos und Hausaufgaben.

    In den Online-Sessions wird die Theorie erläutert (Vorlesungsstil)und anschließend in einem »Vormachpraktikum« vertieft. Darinwird der Programmcode auf einem freigegebenen Bildschirmin Kooperation mit den Studierenden entwickelt. Fragen könnenanhand des konkreten Quellcodes sehr gut beantwortet werdenund alle Studierenden können die Fragen und Antwortenmitverfolgen.

    In den Lehrvideos wird die Theorie nochmals erläutert. Insbeson-dere aber wird die Programmentwicklung vollständig kommen-tiert aufgezeichnet. Das bietet den Studierenden die Möglichkeit,unabhängig von den Online-Sessions den Lehrstoff jederzeitund beliebig oft nachzuvollziehen.

    Die Erstellung der Videos ist allerdings recht aufwendig, selbstwenn man auf das Herausschneiden auffälliger »Ähs« und »Öhs«weitgehend verzichtet. Hierzu bestand nur die Möglichkeit, weildurch den Ausfall von Messpraktika Zeit frei geworden war.

    Durch die »Hausaufgaben« konnten die Studierenden »gezwun-gen« werden, selbstständig den Stoff zu repetieren und noch -mals anzuwenden. Mit Unterstützung durch die Lehrvideossind die Hausaufgaben für jede und jeden lösbar.

    Eine erste Evaluation hat äußerst erfreuliche Ergebnisse gezei -tigt: Unter anderem wurden die Videos als sehr hilfreich be -wertet und für die Weiterverwendung empfohlen, auch wenndie Präsenzlehre wieder stattfinden wird. Da musste erst Coronakommen, um eigentlich so einfache Dinge anzugehen. Die Haus -aufgaben haben dazu geführt, dass mehr Selbstlernzeit aufge-bracht wird als in früheren Jahren.

    Zusammenfassend kann man für diese vielleicht ein wenig un-typische Lehrveranstaltung sagen, dass die Online-Lehre derPräsenzlehre in der Qualität nicht nachzustehen scheint. Wastatsächlich angekommen ist, werden zukünftige Prüfungen zei -gen müssen. Nur der persönliche Kontakt mit den Studen tin -nen und Studenten als Menschen fehlt. Den kann keine nochso tolle Online-Veranstaltung kompensieren.

    Norbert Kersting

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    BILDUNG

    DIPL.-ING. ANJA JAHN, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Professur für Landmanagement des Geodätischen Instituts der Technischen Universität Dresden

    Der Einstieg in die digitale Lehre an der Professur begann zu -nächst einmal relativ seicht – bereits Anfang März 2020 gab eseinen ersten Gedankenaustausch im Team bezüglich eines Über-gangs zur virtuellen Lehre. Getreu dem Motto »Es gibt keineProbleme, es gibt nur Herausforderungen« ahnten wir allerdingszu dieser Zeit nicht, was sich noch für Fragen ergeben würden.

    Damals war zumindest die Vorstellung, ein Modul mit der Be -zeich nung »Forschungs- und Kommunikationsmethoden« inden digitalen Raum zu verlegen, eher absurd. Dann überschlugensich die Ereignisse: Mit der fehlenden Kinderbetreuung wech-selten die betroffenen Kollegen (wie auch ich) ins Homeofficeund es begann eine neue Art zu arbeiten. Küchentische wurdenumfunktioniert zu Schreibtischen und täglich traf man sichmit den Kollegen zum virtuellen Jour fixe.

    Mit dem Übergang zum Notbetrieb am 21. März stand dannauch endgültig fest, dass das vor uns liegende Sommersemester2020 ein ganz anderes werden würde. So startete das Sommer -semester zum 1. April, der Präsenzlehrbetrieb wurde jedoch biszum 4. Mai verschoben.

    So erfolgte im ersten Schritt die Vertonung der Vorlesungsfolienin PowerPoint, eine Möglichkeit, die wir so bisher noch nichtgenutzt hatten. Für die Bereitstellung der Unterlagen zu Vor-lesungen und Seminaren wurde, wie bisher, OPAL, eine Online-Plattform für akademisches Lehren und Lernen, genutzt.

    In Vorbereitung auf synchrone Lehrveranstaltungen oder Kon-sultationen wechselte man munter zwischen Skype, Matrix, Go-

    Anja Jahn

    ToMeeting, BigBlueButton, Microsoft Teams und Adobe Connect,um das stabilste und jeweils passendste Tool zu finden.

    Mit GoToMeeting und BigBlueButton haben wir gute Erfah run -gen gemacht. Teilweise nutzen wir für Seminare aber auch dieasynchrone Lehre – die Studierenden eignen sich hierbei dieSeminarinhalte nach einem eigenen Zeitplan über die PlattformOPAL an. Eine strukturierte Abarbeitung der Themen wird überdigitale Checklisten zum Abhaken gewährleistet.

    Anfangs galt es neben der Umgestaltung der Lehrveranstal-tungen aber auch, eine Vielzahl von E-Mails und Anrufen vonverunsicherten Studierenden zu beantworten.

    Seit dem 4. Mai ist an der Technischen Universität ein ein ge -schränkter Präsenzlehrbetrieb möglich, jedoch nur unter beson-deren Bedingungen. Alle Vorlesungen sind nur digital anzu -bieten, pro Tag dürfen sich nur maximal 10 % der Studierenden(etwa 3.000) an der TU aufhalten und für die Präsenzveranstal-tungen sind Sicherheitskonzepte zu erstellen.

    Somit stand für unsere Professur schnell fest, dass wir diesesSemester nicht mehr in eine Präsenzlehrveranstaltung gehen.Derzeit steht die Ausgestaltung der Klausuren am Ende des Se-mesters ganz oben auf der Prioritätenliste. Hierzu gilt es, sichmit Themen wie E-Klausuren auseinanderzusetzen.

    Welches persönliche Fazit ziehe ich hinsichtlich der Lehre ausder Corona-Krise? Was die Thematik E-Learning angeht, habenwir einen enormen Aufschwung erfahren. Und viele der neukennengelernten Tools werden sicher nicht mehr aus dem Leh -renden-Alltag verschwinden.

  • PROF. DR. LUTZ BANNEHR, Institut für Geoinformation und Vermessung, Hochschule Anhalt, Dessau

    Nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit diversen Vi -deokonferenzsystemen läuft die Lehre sehr gut. Auchdie Studierenden sind mit dieser Art der Wissensver-mittlung weitgehend zufrieden.

    Besonders gut laufen die Masterkurse, wo man sichmit den wenigen Studenten sehr gut in Bild und Tonaustauschen kann. Lehrende sowie Studenten könnendurch Nutzung der multimedialen Medien die Inhaltegut präsentieren und diskutieren.

    Bei den Grundvorlesungen mit vielen Studenten seheich die reine Online-Lehre als nicht ideal an, auchwenn die meisten Studierenden mit sehr viel Enthu-siasmus dabei sind. Der persönliche Austausch wäh -rend der Vorlesung fehlt. Oftmals haben Studierendekeine Videokamera zur Verfügung oder aber müssenaufgrund der schlechten Internetverbindung, insbe -sondere in ländlichen Gebieten, die Video verbindungabschalten.

    Ob die Online-Lehre eine gute Ergänzung zu der Prä -senzlehre darstellt, kann man erst nach den Prüfungensagen, wenn ein erstes Fazit gezogen wird.

    PROF. DR. RER. NAT. ANSGAR GREIWE, Fachbereich Geodäsie, Hochschule Bochum

    Die Hochschule Bochum hat mit der technischenInfrastruktur relativ schnell die Grundlage fürVideokonferenzen bereitgestellt, die nun für Vor-lesungen und Praktika genutzt werden können.

    Etwas ungewohnt für mich als Lehrenden ist dasfehlende Feedback der Gruppe, Einzelmeldungenper Chat oder Audio können das nicht ersetzen.

    Im Bereich der praktischen Übungen hat sich ge -zeigt: Der verstärkte Einsatz von Open Source hilftnun dabei, dass Studierende die Übungsaufgabenim Homeoffice bearbeiten können.

    Auch wenn die (theoretische) Lehre ganz gut funk -tioniert: Die Stärke der Fachhochschulen war undist die praxisnahe Forschung und Lehre. Der Tech-nologietransfer wird weiterhin nur gelingen, wennauch praktische Übungen und Projekte durchführ -bar sind.

    Hoffen wir auf ein Gelingen der Lockerungen, diedann auch wieder diesen (unkomplizierten) Kon-takt zur Praxis ermöglichen.

    Ansgar Greiwe Lutz Bannehr

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    BILDUNG

  • »In jeder Krise stecktauch eine Chance«

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    FORUM

    EIN FORUM-INTERVIEW VON KATRIN GIESE | FORUM-CHEFREDAKTEURIN

    BFB-Hauptgeschäftsführer Peter Klotzki im Interview mit FORUM-Chefredakteurin Katrin Giese

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    FORUM

    FORUM | Es gibt kaum eine Branche, die nicht von der Corona-Krise betroffen ist. Ob Autoindustrie, Luftfahrtunternehmen oder Tourismusbranche – in allen Bereichen werden die Forderungen an die Politik nach Rettungsschirmen von Tag zu Tag lauterund lauter. Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhangdie aktuelle Situation der Freien Berufe und derenwirtschaftliche Perspektiven ein?

    PETER KLOTZKI | Die Corona-Krise trifft die Freien Berufe inzweierlei Hinsicht. Zum einen sind sie Teil der Lösung, wodurchihre Bedeutung für die Gesellschaft und das Gemeinwohl wie -der einmal hervorsticht: Die freien Heilberufe kämpfen an vor -derster Front, um Leben zu retten. Was die wirtschaftlichenFolgen betrifft, sind die beratenden Freiberufler das Scharnierzwischen den politischen Stabilisierungsmaßnahmen auf dereinen und den Empfängern auf der anderen Seite.

    Damit die Infrastruktur am Laufen bleibt, sind Teile der tech-nischen Frei berufler elementar. Dies alles beschreibt die ex-ponierte Stellung der Freien Berufe, die als Helfer ganz vornemit dabei sind und den Kampf gegen Corona und dessen Folgenführen.

    Aber Freiberufler sind nicht nur »Retter«, sondern oft auchLeid tragende der Corona-Auswirkungen. Die wirtschaftlichenFolgen treffen einen Teil von ihnen mit voller Wucht. Besondersgravierend ist dies gerade für kleine Einheiten, deren Umsatzunmittelbar weggefallen ist und die obendrein von den Hilfenoft nur unzureichend erreicht wurden. Das gilt etwa für dieCorona-Soforthilfe des Bundes.

    Dieses Instrument hatte der BFB gleich zu Beginn der Krisegefordert. Ein Erfolg, der gleich wohl nicht darüber hinweg täu -schen darf, dass Nachbesserungen das Instrument noch wirk-

    samer gemacht hätten. So umfasste beispielsweise die Coro-na-Soforthilfe des Bundes nicht den Lebensunterhalt, sondernausschließlich Betriebsmittel. Dies griff gerade für viele Solo-Selbstständige zu kurz, weil sie gezwungen sind, aus den lau -fenden Einnahmen ihre Lebenshaltungs kosten zu decken.

    Ein weiterer Webfehler war, dass nicht berücksichtigt wurde,dass der überwiegende Teil der Freiberufler die Folgen erst miterheblicher Verzögerung spürt und leider wohl auch noch spü -ren dürfte. Viele Freiberufler haben schließlich nicht sofort mitdem Lockdown ihre Arbeit eingestellt, sondern bestehende Auf -träge und Mandate erfüllt. Wenn sie nachlaufend ihre Leistun-gen in Rechnung stellen, brechen Umsätze und Liquidität zeit-versetzt weg.

    FORUM | In einem Statement vom 22. April konstatiert BFB-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer,dass krisenbedingte Einschränkungen Teile der Freien Berufe massiv erst in ca. drei Monaten treffen werden. Das bedeutet in der Konsequenz, dass wirtschaftliche Hilfen und Unterstützungs -programme durch die Politik auch im Herbst noch greifbar sein müssen. Sie stehen in engem Kontakt mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Wird bereits über einen finanziellen Schutz-korridor für kleine und mittlere Unternehmen perspektivisch für das dritte und vierte Quartal 2020 nachgedacht?

    KLOTZKI | Wir haben in diesem Kontext von Anfang an deutlichgemacht, dass Hilfen nicht nur Branchen mit sofortigem Um-satzeinbruch offenstehen müssen, sondern auch solchen, beidenen die Folgen verzögert eintreten. Durch unseren Einsatzwurde die Soforthilfe des Bundes im April präzisiert: So konnten

    M it großem Engagement setzt sich der BFB auch seit Beginn der Corona-Krise für dieBelange der Freien Berufe gegenüber der Politik ein. Bei der Abstimmung von Rettungs -schirmen, Unterstützungsmaßnahmen und jüngst dem Konjunktur- und Krisenbe wältigungs -

    paket hat er sich auf politischer Ebene mit fachlicher Expertise übergreifend für alle Berufs -

    stände engagiert und starkgemacht.

    Im FORUM-Interview nennt Hauptgeschäftsführer Peter Klotzki notwendige politische Stell -

    schrauben, um möglichst viele Freiberufler weiterhin gut durch die Krise zu lotsen.

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    FORUM

    bis Ende Mai Anträge auch für erwartete Umsatzrückgänge ineinem Zeitraum bis zu drei Monate, ausgehend von Ende Maialso bis Ende August, geltend gemacht werden. Als ideal hättenwir die unmissverständliche Verlängerung der Antragsfrist selbstbis Ende August empfunden.

    Nunmehr wurde als Anschlussinstrument die Überbrückungs -hilfe eingerichtet. Hier besteht derzeit leider eine Unwucht.Sichergestellt werden muss noch, dass coronabedingte Umsatz -einbußen, welche sich erst verzö gert in den Sommermonatenbis August manifestieren, ebenso be rücksichtigt werden. DieÜberbrückungshilfe steht bis Jahres ende 2020 zur Verfügung,und zwar branchenübergreifend, strikt ausgerichtet an betriebs -wirtschaftlichen Kennziffern. Uns war wichtig, dass nicht ein -zelne Branchen bevorzugt werden und den »Topf leeren«, wäh -rend andere dafür »in die Röhre schauen«.

    FORUM | Welche politischen Forderungen richtet der BFB an die Politik, um die mittelständischeWirtschaft und ihre Player in den Freien Berufen gut durch die Krise zu bringen und dauerhaft zustärken?

    KLOTZKI | Um möglichst viele Freiberufler sowie kleine undmitt lere Unternehmen durch die Krise zu lotsen, müssen wiralle Stellschrauben nutzen, um deren Liquidität zu sichern, auchdurch Zuschüsse und Kredite. Beim KfW-Schnellkredit fehlenbis lang die Ausdehnung auf Unternehmen mit weniger alszehn Beschäftigten und eine Anpassung an nicht gewerblicheKre ditnehmer. Wir brauchen vor allem aber auch eine deutlicheNachfragestärkung.

    In Sorge um ihren Arbeitsplatz kommt bei den Bürgern bislangkeine positive Konsumeinstellung auf. Hier steuert das Kon-junkturpaket der Bundesregierung gegen und fördert zudemwie von uns gefordert investive Ausgaben in die öffentlicheInfra struktur und die Daseinsvorsorge.

    Notwendig sind aber auch Bürokratieerleichterungen. Dazugehört eine agile, leistungsfähige und stärker digitalisierte öf-fentliche Administration als Partner der planerischen wie derberatenden und der medizinischen Freiberufler.

    FORUM | Niemand kann aktuell einschätzen, wie lange die Einschränkungen aufgrund der Corona-Krise andauern werden und mit welchenwirtschaftlichen Konsequenzen. Sehen Sie trotz der enormen Herausforderungen und Probleme, vor denen die Freien Berufe aktuell stehen, auch Chancen, die sich mit dieser Krise auftun?

    KLOTZKI | Dass in jeder Krise auch eine Chance steckt, ist eineBinsenweisheit, die aber deswegen nicht weniger wahr ist – dasgilt gerade auch für die Freien Berufe. Deutschland kommt mitseinen Strukturen besser durch die Krise als die meisten Länderder Welt. Das hat auch etwas mit Strukturen des Föderalismus,der Selbstverwaltung, der kleinen Einheiten und ihrer Agilitätzu tun.

    Eigeninitiative heißt in einem zentralistischen Staat etwa, dassnur etwas gilt, was aus der Hauptstadt kommt und dann auchan diese gebunden wird, während in föderalen Struk turen, auchmit einer Selbstverwaltungskultur, viele bunte Blumen blühendürfen, die dann auch nicht gepflückt werden. Unsere Weltwird nach der Krise eine andere sein, wir wollen und solltennicht wieder komplett zum Einst zurückkehren.

    Die Po litik, die die Freien Berufe in der Krise mehr als zuvor po -sitiv adressiert und sich unseres Werts bewusst ist, sollte dieseEr kenntnisse zur Richtschnur ihres Handelns machen, d. h. derNivellierung von Strukturen aufgrund eines allein am Preis orientierten Wettbewerbsverständnisses, wie es die EU pflegt,mehr Widerstand entgegensetzen. Das heißt auch, den Aus ver -kauf etwa von heilberuflichen Anbietern, aber auch im Pla-nungsbereich an renditegetriebene Investoren bzw. Kapital-sammelstellen zu verhindern. Dafür müssen wir Frei be ruflerauch alle selbst etwas tun und nach der Krise mit einem ge -stärk ten Selbstbewusstsein auftreten.

    Das Augenmerk sollte gerade auch auf die beratenden Freibe -rufler gerichtet werden, auf die es in der Bewältigung der Krisemehr denn je ankommt, um die Firmen am Markt zu halten. Zu -mindest auch ein Teil der technischen Berufe sollte als system-relevant qualifiziert werden, weil ohne diese die Infrastrukturnach der Krise nicht mehr ans Laufen kommt.

    Das sollte be dacht werden, wenn es darum geht, weitere sys -tem relevante Berufe zu identifizieren oder anderweitige Lö-sungen zu finden. Schon jetzt sollten dafür die erforderlichenWeichen gestellt werden, insbesondere, um es den in Rede stehenden Freiberuflern bei einer etwaigen Verschär fung derSitu ation zu ermöglichen, ihre dringend erforderlichen Dienst -leistungen auch zu erbringen.

    Katrin [email protected]

  • MICHAEL KÖRNER | KÖLN

    Systemrelevanz

    der ÖbVI in

    der Corona-Krise

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    2

    RECHT

  • D em Begriff der Systemrelevanz kommtmit Beginn der Corona-Krise erheblichepraktische Bedeutung zu. Eltern mit systemrele -

    vanten Berufen erhalten während der Schlie -

    ßung von Kitas und Schulen eine Notbetreuung

    für ihre Kinder (ein Elternteil ist ausreichend,

    soweit eine Möglichkeit zur häuslichen Betreu-

    ung nicht besteht). Im Ausland wird die Produk-

    tionstätigkeit zum Teil auf das existenznot -

    wendige Maß heruntergefahren, die Ausnahme

    sind dringend be nötigte systemkritische Waren.

    Für Zulieferungssachverhalte mit Auslands-

    bezug ist die Ausfüllung des Begriffs somit

    ebenfalls äußerst relevant. Auch wurde zwi -

    schenzeitlich erwogen, im Falle einer umfas -

    senden Ausgangssperre nur Personen, die eine

    Beschäftigung in systemrelevanten Berufen

    nachweisen können, das Verlassen der Wohnung

    für den Weg zur Arbeit zu erlauben.

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    2

    RECHT

  • Zweck dieser Regelungen ist die Aufrechterhaltung des öffent -lichen Lebens, insbesondere in den Bereichen der Gesundheit,Pflege sowie der öffentlichen Sicherheit und Versorgung.

    Ministerien aus Bund und Ländern veröffent lichten für die nö -tige Einordnung Listen mit an erkann ten systemrelevanten Be -rufsgruppen und -bezeichnungen. Dabei fehlt es aktuell nochan einer entsprechend klaren Einordnung des »Berufs« der Öf-fentlich bestellten Vermessungs ingenieure (ÖbVI).

    Gerade vor dem Hintergrund der ungewissen Dauer der infek-tionsschutzrechtlichen Maßnahmen sowie mit Blick auf diezukünftige Behand lung der Profession der ÖbVI im Laufe derweiteren Entwicklung der Corona-Situation lohnt sich eine nä -here Betrachtung dieser Einordnungsfrage.

    DEFINITION UND ERSTE ANHALTSPUNKTE ZUR EINORDNUNG

    Eine Legaldefinition des Begriffs der Systemrelevanz existiertweder auf Bundes- noch auf Landesebene. Grundsätzlich wirdein Beruf als systemrelevant bezeichnet, der für die Gesellschaft,die Wirtschaft oder den Staat bzw. für ein funktionierendesGemeinwesen insgesamt eine derart bedeuten de Rolle spielt,dass auf die Ausübung dieses Berufes nicht verzichtet werdenkann.

    Während es in einigen Ländern unterschiedlich spezifischeAuf listungen gibt, ist nicht nur die Begrifflichkeit (in Baden-Württemberg: »kritische Infrastruktur«), sondern auch das Ver-ständnis des Begriffs aufgrund der Länderzuständigkeit ver-schieden.

    Anhaltspunkte bietet die »Verordnung zur Bestimmung Kri-tischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz«. Hierin sindSektoren aufgeführt, in welchen sogenannte kritische Dienst -leistungen typischerweise ausgeführt werden. Diese Sektorenumfassen Energie, Wasser, Ernährung, Informationstechnik undTelekommunikation, Gesundheit, Finanz- und Versiche rungs - wesen sowie Transport und Verkehr. Bei näherer Aus ein ander -setzung mit den Bestimmungen der Verordnung zeich net sichab, dass die Tätigkeit der ÖbVI keine konkrete Erwähnung findet.

    Jedoch wird die staatliche Tätigkeit (zumindest bezüglich Be -rufen wie Polizei und Feuerwehr) als Sektor kritischer »Dienst -leistung« anerkannt.

    Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure gehören als Be-liehene zur Landesverwaltung. Sie nehmen hoheitliche Auf-gaben, insbesondere im Rahmen der Daseinsvorsorge, wahr. Als

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    RECHT

  • Beliehene mit funktionellem Behördenstatus übernehmen siestaatliche (Vermessungs-)Aufgaben, welche als systemkritischanzusehen sind.

    Die Frage, welche Schutzgüter im Rahmen der Systemrelevanzals essenziell und besonders schutzbedürftig gesehen werden,ist nicht abschließend geklärt und umstritten.

    In der bisherigen Auflistung der entsprechenden staatlich an-erkannten Berufsgruppen könnte man eine Entscheidung fürdie Beschränkung der Systemrelevanz auf Berufsgruppen sehen,die unmittelbar die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens(öffentlicher Nahverkehr, Bahnverkehr) oder den Schutz derGesundheit der Bevölkerung gewährleisten (z. B. Polizei, Feuer-wehr, betriebsnotwendiges Personal im Gesundheits- und Pfle -gebereich).

    In der entsprechenden Liste der Berliner Senatsverwaltung fürBildung, Jugend und Familie finden sich solche Berufe, die ty -pi scherweise mit Systemrelevanz in Verbindung gebracht wer-den, jedoch auch Berufsgruppen, die auf ein weiteres Verständ -nis des Begriffs der Systemrelevanz schließen lassen (wie z. B.Wäschereien, Banken und Zulieferer für das Nachrichten- undInformationswesen).

    Somit gehören per Definition auch solche Berufsgruppen dazu,die nicht unmittelbar den Schutzgütern des Lebens und derGesundheit der Bevölkerung dienen, son dern beispielsweisedie grundlegenden wirtschaftlichen Abläu fe im Blick haben. Inder Tendenz wird die Liste der anerkann ten systemrelevantenBerufe im Lauf der Corona-Krise immer län ger.

    Für das Land Nordrhein-Westfalen existiert in der »Anlage 2 zurCoronabetreuungsverordnung des Ministeriums für Arbeit,Gesundheit und Soziales« eine Liste der »Tätigkeitsbe reichefür eine erweiterte Notfallbetreuung«. In dieser ist insbesonderedie öffentliche Verwaltung mit der allgemeinen For mulierung»Behörden und Verwaltungen« berücksichtigt.

    Der Wortlaut gebietet eine Einordnung der ÖbVI als systemre -levant im Sinne der Verordnung, da sie als Beliehene eine Be-hörde im funktio nellen Sinne darstellen. Auch ist kein beson-deres Rangverhältnis der dort einzeln aufgeführten staatlichenStellen erkennbar, im Rahmen dessen die Relevanz des Berufsbzw. des Amtes der ÖbVI zurücktreten müsste. Ebenso sindbeispielsweise in Baden-Württemberg sämtliche Einrichtungen,die zur Verwaltung not wendig sind, als systemrelevant gelistet.

    Nach alledem finden sich aufgrund der Gesetzes- bzw. Verord-nungslage eine Vielzahl valider Argumente, die eindeutig fürdie Einordnung der ÖbVI als systemrelevant sprechen. Die Tä -tigkeit der ÖbVI dient u. a. wirtschaftlichen Schutzgütern, de -

    ren Verletzung mittelbar gravierende Auswirkungen auf denLebensstandard großer Teile der Bevölkerung sowie die bun-desweite Wirtschaft nehmen würde.

    BEDEUTUNG DER ÖBVI IN ERFÜLLUNG EINES ÖFFENTLICHEN AMTES

    Für eine Einordnung der ÖbVI als systemrelevant sprechen ihreStellung als Teil des amtlichen Vermessungswesens und die ho -he Relevanz ihres Berufes für das Gemeinwesen.

    Die Tätigkeit der ÖbVI dient der staatlichen Planung, der Eigen-tumssicherung und der Besteuerung und hat darüber hinausgroße Bedeutung für den Rechtsverkehr zwischen Bürgern unddamit insbesondere für den Rechtsfrieden (vgl. OVG Bremen,Urteil vom 3. August 2016, 2 LB 140/15).

    Soweit der Staat nicht ausschließlich durch eigene Behördentätig wird, sondern durch Beleihung eine Übertragung vonAufgaben an die ÖbVI vorsieht, mindert dies nicht die hohe Be-deutung der Erfüllung dieser Aufgaben. Die Arbeit der ÖbVI istvielmehr notwendig zur stetigen und ordnungsgemäßen Aus-führung dieser staat lichen Verwaltungstätigkeit.

    Von den Ergebnissen der amtlichen Vermessung geht Bindungs -wirkung gegenüber allen Beteiligten aus, was u. a. auch in an-schließenden zivilrechtlichen Streitigkeiten maßgeblich ist.

    » Die Tä tigkeit der ÖbVI dient u. a. wirtschaftlichen Schutz -

    gütern, de ren Ver letzung

    mittelbar gravierende

    Auswirkungen auf den

    Lebensstandard großer Teile

    der Bevölkerung sowie die

    bundesweite Wirtschaft

    nehmen würde.

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    RECHT

  • Die große Bedeutung der beruflichen Tätigkeit der ÖbVI spiegeltsich auch in ihren weitreichenden Befugnissen wider. Zu nen -nen wären hier beispielsweise das Betretungsrecht und die Be -fugnis, festgestellte Tatbestände mit öffentlichem Glauben zubeurkunden und Verwaltungsakte zu erlassen.

    Öffentlich be stellte Vermessungsingenieure haben auf demGebiet der vorsorgenden Rechtspflege für bestimmte Sachver-halte Beurkundungsbefugnisse, die sonst allgemein den Notarenvorbehalten sind.

    Ein Beispiel für die hohe Relevanz des Berufes der ÖbVI findetsich auch in der Auffassung der Rechtsprechung, dass sich diegesetzliche Vermutung des § 891 BGB und der öffentlicheGlaube des Grundbuchs gemäß § 892 BGB auch auf den Grenz -verlauf erstrecken, wie er aus dem Vermessungszahlenwerk her -vorgeht und sich aus dem Liegenschaftskataster ergibt (vgl. BGH,Beschluss vom 20. Juli 2017, V ZB 47/16).

    Ein weiteres Indiz dafür, dass ÖbVI anerkanntermaßen wichtigeund weitreichende Funktionen einnehmen, resultiert aus denhohen fachlichen Anforderungen in der Ausbildung der ÖbVI.

    Diese sind vor dem Hintergrund, dass eine ordnungsgemäßeAuf gabenerfüllung im Vermessungswesen als überragend wich -tiges Gemeinschaftsgut anzusehen sei, auch als gerechtfertig -te Berufszugangsregelungen vom Bundesverfassungsgericht be - stätigt worden (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1986, 1 BvL 26/83).

    Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure gewährleisten ins-besondere gemeinsam mit den Notaren den rechtssicheren Ab -lauf der Grundstücksübertragung. Würde man ÖbVI nicht alssystemrelevant einordnen und es hierdurch zur Beeinträchti-gung der Berufsausübung kommen, könnte eine Gefahr für dieordnungsgemäße Fortführung des Liegenschaftskatasters undeine nachhaltige Beeinträchtigung des Grundstücksverkehrsund der Bau- und Immobilienindustrie drohen, die auch undgerade in Krisen- und Nachkrisenzeiten eine negative Inter-ferenz des Wirtschaftsverkehrs bedingt. Die Amtshandlungen

    » Die Amtshandlungen von ÖbVIsind damit von Bedeutung

    für zentrale Bereiche des

    Rechts- und Wirtschaftslebens.

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    RECHT

  • von ÖbVI sind damit von Bedeutung für zentrale Bereiche desRechts- und Wirtschaftslebens.

    FAZIT

    Auch wenn eine abschließende Einordnung des »Berufs« derÖbVI bisher nicht ausdrücklich vorgenommen wurde, erscheintes vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung der Tätigkeit fürdas Gemeinwesen, ihrem Beitrag zur Daseinsvorsorge und derFunktionsfähigkeit u. a. der Immobilienwirtschaft angezeigt,die ÖbVI als systemrelevant zu klassifizieren. Eine entsprechendeKlarstellung seitens der Politik ist mit Blick auf die anderenfallsmöglichen Rechtsunsicherheiten wünschenswert.

    Dr. Michael Körner, LL.M.Rechtsanwalt, Justiziar des BDVI [email protected]

    LiteraturListe der systemrelevanten Berufe – Berlin

    www.berlin.de/sen/bjf/coronavirus/aktuelles/notbetreuung/

    liste-der-anspruchsberechtigten-berufe-gueltig-27-04-2020.pdf

    Anlage 2 zur Coronabetreuungsverordnung des Landes NRW

    (Liste der berücksichtigten Berufe)

    www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/2020-04-17_

    anlage_2_zur_coronabetrvo_ab_23.04.2020.pdf

    Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen

    nach dem BSI-Gesetz (BSI-Kritis-V)

    www.gesetze-im-internet.de/bsi-kritisv/BJNR095800016.html

    Rechtsprechung

    OVG Bremen, Urteil vom 3. August 2016, 2 LB 140/15

    BGH, Beschluss vom 20. Juli 2017, V ZB 47/16

    BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1986, 1 BvL 26/83

    Artikel zum Umgang mit der Baubranche in Zeiten von Corona

    www.springerprofessional.de/baubetrieb/corona-krise/

    die-baubranche-und-covid-19/17834350

    Übersichtliche Aufstellung des SWR3 zum unterschiedlichen

    Verständnis der Systemrelevanz in den Bundesländern

    www.swr3.de/aktuell/corona-bersicht-systemrelevante-

    berufe-in-den-einzelnen-bundeslndern-100.html

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    RECHT

  • Perspektivwechsel Wie Arbeitgeber Young Professionals für ihre Unternehmen gewinnen können

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    FORUM

  • JUTTA RUMP | LUDWIGSHAFEN

    sequenzen für die Sozialisationsmuster junger Erwachsener unddamit auch für den Arbeitsmarkt.

    Im Folgenden sollen junge Arbeitnehmende, sogenannte YoungProfessionals, betrachtet werden, die sich noch relativ neu imBerufsleben befinden oder sich darauf vorbereiten. Aufgrundder demografischen Entwicklung sowie des Nachwuchs- undFachkräftemangels ist davon auszugehen, dass sie ihre Soziali -sationsmuster weiterleben können und sich nicht in dem Maßeanpassen müssen (im Gegensatz zu den älteren Generationen).Für sie scheint sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeit geber- zueinem Arbeitnehmermarkt gedreht zu haben, mit entscheiden -den Folgen: Unternehmen und Institutionen sind jetzt unterderartigen Rahmenbedingungen gezwungen, ihre Attraktivitätals Arbeitgeber zu gestalten, sichtbar zu machen und zu ver-markten.

    1 | GRUNDSÄTZLICHES

    Das Bedürfnis von Menschen, anerkannt, wertgeschätzt und ge -liebt zu werden, hat nichts mit der Generationenthematik zutun. Dies gilt ebenso für kulturelle Werte. Auch diese ändern sichkaum bzw. sehr langfristig. Was sich jedoch hinter der Gene -ra tionendiversität im Kontext des Employer Branding verbirgt,sind Sozialisationsmuster und die damit verbundenen Einstel-lungen. Unter Sozialisation wird die Spanne der ersten 20 Le -bens jahre verstanden, die sehr prägend sind.

    Zu den beeinflussenden Faktoren zählen: Familienleben, Schul -zeit, Technologien, wirtschaftliche Situation, politische Bedin-gungen, Peergroups, Optionen und Handlungsmög lichkeiten,Klima, (In-)Stabilitäten, Wohlstand, Sicherheit … Die Verände -rungen einzelner Faktoren in den letzten Jahrzehnten hat Kon-

    F akt ist: Die Young Professionals haben andere Vorstellungen über einen »guten« Arbeitgeber und auch andere Erwartungen

    an Arbeit als die ältere Generation.

    Zu wissen, wie sich die Werte und Einstellungen

    zwischen den Generationen unterscheiden

    und wie die jüngere Generation »tickt«, sind

    wichtige Aspekte im Rahmen der Unternehmens-

    und Personalpolitik. Dies betrifft vor allem

    Ziel- und Leistungs orientierung, Entwicklungs -

    möglichkeiten, Bedeutung von Führung,

    Work-Life-Balance, Geld und Zeit sowie den

    Umgang mit Medien.

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    FORUM

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    FORUM

    b | Entwicklungsmöglichkeiten

    Die Karriereorientierung ist bei den jungen Erwachsenen alsodurchaus gegeben, allerdings verbunden mit Spaß an der Ar -beit, Selbstverwirklichung und Einfluss. |3|

    Gleichzeitig ist aber die »Karriere um jeden Preis« für viele Jün-gere aufgrund der veränderten Wertigkeit von Arbeit nichtmehr erstrebenswert. Gerade Neueinsteiger, die bei Kolleginnenund Kollegen sowie Vorgesetzten in den angestrebten Positio-nen beobachten, dass diese viel arbeiten (manchmal im Sinnevon »Wir leben, um zu arbeiten«) und sich infolgedessen ihreprivaten Beziehungen verschlechtern, entscheiden immer häu-figer, dass dies für sie nicht infrage kommt. |4|

    Entwicklungsmöglichkeiten stellen einen wichtigen Einfluss -faktor auf die Motivation, mit der eine Tätigkeit ausgeübt wird,dar. |5|

    Der Drang, sich ständig weiterzubilden, ist bei den Young Pro-fessionals besonders stark ausgeprägt. Diese Entwicklung wirktsich auch auf die Suche nach geeigneten Arbeitgebern aus undbildet inzwischen einen wichtigen Faktor der Beurteilung derArbeitgeberattraktivität. Die Möglichkeit, sich weiterzubilden,wird als Selbstverständlichkeit erwartet. |6|

    Darüber hinaus zeigt sich, dass weniger ein spezieller Typ vonWerdegang im Fokus steht, sondern Karrieren als eine Art vonKletterwand gesehen werden, die sowohl Projektkarriere, fach-lichen Werdegang als auch Führungskarriere umfasst. Dies wirdals Mosaikkarriere bezeichnet. (siehe Abbildung 1 | Karriere und Entwicklung)

    2 | ERWARTUNGEN AN DIE ARBEITSWELT

    Viele Arbeitgeber sehen sich heute und in Zukunft bestimmtenErwartungen der Young Professionals an Arbeit und Arbeitgebergegenüber. Dies betrifft zahlreiche Bereiche, wie beispielsweise:

    Ziel- und LeistungsorientierungEntwicklungsmöglichkeitenBedeutung von FührungWork-Life-BalanceGeld und ZeitUmgang mit Medien

    a | Leistungs- und Zielorientierung

    Nicht überraschend wird der älteren Generation eine hohe Leis -tungsorientierung zugesprochen, die stark mit Fleiß, Disziplinund Pflichtbewusstsein verknüpft ist. Für viele ist hingegenüberraschend, dass die Young Professionals über die höchste(jemals) gemessene Leistungsorientierung verfügen. Allerdingsmit der Einschränkung, dass die Arbeit Spaß machen muss, einePerspektive hat und sinnvoll erscheint. |1|

    Darüber hinaus wird der Leistungsbegriff zunehmend breiterdefiniert als rein über den Beruf. Durch den stetig wachsendenWohlstand wird die Arbeit immer weniger als Zweck zur Exis-tenzsicherung betrachtet. Extrinsische Arbeitsmotive wie Geldsind zwar weiterhin vorhanden, werden jedoch durch Mo tivezur Selbstverwirklichung und dem Erbringen kreativer Leistun-gen überlagert. Daneben verstehen sie unter Leistung auch,»sich Freiheiten leisten zu können«. |2|

    Abbildung 1 | Karriere und Entwicklung

    VORSTELLUNG ÜBER EINEN »GUTEN« WERDEGANG

    Babyboomer

    Trend zur

    »sanften Karriere«

    Young Professionals

    Vertikale Karriere/

    Kaminkarriere

    Mosaik-karriere

    Vertikale Karriere

    Projekt-karriere

    Horizontale Karriere

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    FORUM

    Hinzu kommt der »Netzwerkgedanke«, der auch das beruflicheDenken und Handeln der jüngeren Generation prägt: In einemNetzwerk ist es nicht entscheidend, jeder und jedem Einzelnenkonkrete Anweisungen zu geben, sondern vielmehr, allen Ak-teurinnen und Akteuren Handlungsspielräume zu gewähren,während sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten in einer dy-namischen Zusammenarbeit vieler. |12|

    d | Work-Life-Balance

    Die Young Professionals sind sich sehr wohl bewusst, in einerLeistungsgesellschaft zu leben, und scheuen auch keine harteArbeit, um ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen. |13| Gleich -zeitig haben sie allerdings auch ein gesundes Bewusstsein fürdie Gefahren, die mit einer hohen beruflichen Belastung einher -gehen. Sie streben daher, wie bereits angedeutet, eine Syntheseaus Leistung und Lebensgenuss an. Insbesondere wenn manjunge Erwachsene nach den Beweggründen für die Wahl einesArbeitgebers befragt, stehen Begriffe wie »Work-Life-Balance«und »Vereinbarkeit von Beruf und Familie« in der Gunst weitvor Statussymbolen und Karriere. |14|

    In engem Zusammenhang hierzu steht das zunehmende Ver-schwimmen der Grenzen zwischen beruflicher und privaterSphä re, das die Young Professionals als nahezu selbstverständ -lich empfinden. So haben Young Professionals einerseits kaumProbleme damit, auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeittelefonisch erreichbar zu sein oder neben den privaten auchnoch die geschäftlichen E-Mails am Abend abzurufen. Sie er-warten allerdings im Gegenzug, dass ihnen ebenso am Arbeits -platz private Erledigungen wie Telefonate oder Internetsurfenzugestanden werden. |15| (siehe Abbildung 2)

    c | Bedeutung von Führung

    Auch das Führungsverhalten gehört zu den entscheidenden Kri-terien für die Wahl eines künftigen Arbeitgebers. |7|

    Angemessenes und konstruktives Feedback erscheint angesichtsder beschriebenen Sozialisation der Young Professionals einWeg für Führungskräfte, Motivation zu wecken und Engage-ment zu erhalten. Hinzu kommt der Wunsch, permanent inAustausch mit dem Umfeld zu treten, so wie es die Young Pro-fessionals u. a. aus sozialen Netzwerken gewohnt sind. |8|

    Weiterhin schätzen die Young Professionals nicht zuletzt auf-grund der steigenden Freiheitsgrade in ihrer Erziehung einenFührungsstil, der weniger von Anordnungen, Bestimmungen undKontrolle gekennzeichnet ist als vielmehr von Handlungsspiel-räumen, Vertrauen und der Möglichkeit, an Entscheidungen be -teiligt zu werden. |9|

    Autoritäten spielen für die Young Professionals nicht die glei -che Rolle wie für die Vorgängergenerationen. Zwar akzeptierenund respektieren sie Autoritäten und auch Hierarchien durch -aus, hinterfragen diese jedoch gleichermaßen und wünschensich gegenseitigen Respekt. |10|

    Sie wurden in der Regel deutlich freier und offener erzogenund zur Äußerung ihrer eigenen Meinung aufgefordert, sodassältere Personen nicht per se als Autorität anerkannt werdenund sich generell Respekt nicht alleine auf Rang und Alterbezieht. Vielmehr gehen junge Erwachsene davon aus, dassman sich Autorität durch entsprechendes Wissen bzw. eine ent -sprechende Erfahrung »erwerben« muss. |11|

    Abbildung 2 | Work-Life-Balance

    BALANCE ZWISCHEN BERUF UND PRIVATLEBEN

    Arbeit = BüroFreizeit = Zuhause

    Hohes zeitliches CommitmentEntgrenzung von Arbeit in das Privatleben

    Fließende Grenzen zwischen Beruf und Privatleben/Entgrenzung von Beruf und Privatleben

    Balance und Entschleunigung

    Babyboomer Young Professionals

    Fester Arbeitszeitrahmen Wunsch nach Individualisierung und mitarbeiterorientierter Flexibilität

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    FORUM

    f | Umgang mit Medien

    Für die Young Professionals ist es selbstverständlich, die mo -der nen Technologien und die damit verbundenen Optionen, mitdenen sie aufgewachsen sind und die sie privat nutzen, aucham Arbeitsplatz vorzufinden. Daraus ergibt sich ein e r heb licherAttraktivitätsfaktor, der bei der Arbeitgeberwahl einen immergrößeren Stellenwert einnimmt.

    Eine weitere wichtige Rolle spielt der Bereich der sozialen Medien. Im Alltag der Young Professionals ist der Umgang mitInstagram, Twitter, Facebook, YouTube etc. eine Selbstver -ständ lichkeit geworden. Folglich ist ein weitreichender Auftrittdes potenziellen Arbeitgebers in den sozialen Netzwerken einIdentifikationsmerkmal. Arbeitgeber, die diesbezüglich wenigPräsenz zeigen und weder Mitarbeitende noch potenzielle Be-werber hierüber ansprechen, gelten als nicht mehr zeitgemäß.|19|

    3 | DIE YOUNG PROFESSIONALS IM ÜBERBLICK – IN ABGRENZUNG ZUR ÄLTEREN GENERATION

    Zu wissen, wie die Young Professionals »ticken«, ist essenziell für die Gestaltung der Attraktivität als Arbeitgeber. Zu sam men -fas send lassen sich die Young Professionals wie folgt be -schreiben:

    Hohes Commitment, wenn die Tätigkeit Freude macht, alssinnvoll angesehen wird und eine Perspektive bietetForderung von Partizipation und aktiver MitgestaltungWunsch nach Handlungsspielräumen und AutonomieAbkehr von der (systemimmanenten) Akzeptanz von Hier -archien, Hinterfragen der Legitimation von Hierarchien undTrend zu delegativer FührungHohe Leistungsorientierung, ohne die Lebensqualität ausdem Auge zu verlierenTrend zur »sanften Karriere« – Wunsch nach Werdegängenunter Berücksichtigung der Verlängerung der Lebensarbeits -zeit sowie der LebensphasenorientierungAktiver Umgang mit Wahlmöglichkeiten und Ausschöpfungvon vorhandenen Optionen mit der möglichen Konsequenzvon geringeren Verweildauern

    e | Geld und Zeit

    Es lässt sich feststellen, dass die Young Professionals für ihreLeistung und ihr Engagement, die einem hohen Anspruch fol-gen, durchaus ein angemessenes Entgelt erwarten und sichbereits beim Berufseinstieg nicht »unter Wert verkaufen«. |16|Entgegen der landläufigen Meinung, dass die Young Professio -nals Geld als weniger wichtig einstufen – Hauptsache, die Work-Life-Balance stimmt –, zeichnen zahlreiche Studien ein anderesBild: Geld spielt weiterhin eine Rolle – allerdings weniger alsAbsicherung, sondern vielmehr als Möglichkeit, in einer mul-tioptionalen Gesellschaft sich Dinge zu leisten. Zudem gilt es,den Lebensstandard der Eltern halten zu können. |17|

    Neben Geld scheint eine neue Währung an Bedeutung zu ge -win nen: Zeit. Menschen und Güter reisen in einer nie da ge -we senen Geschwindigkeit, Veränderung wird zu einem Normal -zustand. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass die zur Ver-fügung stehende Zeit (24 h x 365 Tage x Restlebenszeit) unsdurch die Fin ger rinnt. Die Young Professionals scheinen diessehr wohl zu realisieren und gehen mit diesem Zeitvermögensorgsamer um. Zeitsouveränität bzw. selbstbestimmter Umgangmit der Zeit wird zu einem wesentlichen Faktor der Attraktivitätals Arbeitgeber. |18|

    |1| Opaschowski, H. W. (2008), S. 591–626.

    |2| Vgl.: Schulenburg, N. (2016), S.11 f.

    |3| Vgl.: Sierke, B. R. A. / Albe, F. (2010), S. 42.

    |4| Vgl.: Schulenburg, N. (2016), S. 13 f.

    |5| Vgl.: Kurzmann, S. (2015).

    |6| Vgl.: Würzburger, T. (2016), S. 17 f.

    |7| Vgl.: Scholz, C. (2014), S. 3 f.

    |8| Vgl.: Kofler , K. / Güntert, A. (2011), S. 61.

    |9| Vgl.: Angeli, M. (2018), S. 353.

    |10| Vgl.: Kofler, K. / Güntert, A. (2011), S. 59.

    |11| Vgl.: Krüger, K. H. (2016).

    |12|Vgl.: Zukunftsinstitut (2010), S. 17.

    |13|Vgl.: Shell Deutschland Holding (Hrsg.)

    (2015), S. 33.

    |14|Vgl.: Würzburger, T. (2016), S. 35; Haller, M.

    (2015).

    |15|Vgl.: Scholz, C. (2014).

    |16|Vgl.: Hergert, S. (2012), S. 57.

    |17|Vgl.: Wagner, A. (2014).

    |18|Vgl.: vbw magazin 2019, S. 16.

    |19|Vgl.: Herten, K. (2015), S. 13.

    Zur Autorin

    DR. JUTTA RUMP ist Professorin für AllgemeineBetriebs wirtschaftslehre mit Schwerpunkt »Interna-tionales Personal management und Organisations -entwicklung« an der Hoch schule für Wirtschaft undGesellschaft Ludwigs hafen. Darüber hinaus ist sieDirektorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen IBE.

    Seit 2007 gehört sie zu den »40 führenden Köpfendes Personalwesens« (Zeitschrift »Personalmagazin«)und zu den acht wichtigsten Professoren für Per-sonalmanagement im deutschsprachigen Raum. In zahlreichen Unter nehmen und Institutionen istsie als Projekt- und Prozessbeglei terin tätig.

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    Prof. Dr. Jutta RumpDirektorin des Instituts für Beschäftigung und Employability [email protected]

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