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Übersicht Aufklärung – Sturm und Drang – Klassik - Romantik 1. Aufklärung (ca. 1720 - 1785) Die Aufklärung hatte - stark verallgemeinert - zum Ziel die Befreiung des Menschen aus den Fesseln von religiösem Aberglauben und politischer Bevormundung. Philosophischer Ausgangspunkt war die Idee einer allgemeinen Vernunft, die allen Menschen angeboren ist. Daher ist jedermann aufgefordert, die eigene Vernunft zu gebrauchen und zu entwickeln. Dieser Vernunftgebrauch führt zur vorurteilsfreien Kritik aller Traditionen, Herrschaftsformen und gesellschaftlichen Institutionen. (Kritik bedeutet im Sinne der Philosophie Immanuel Kants: die Bedingungen der Möglichkeit für die Existenz einer Sache müssen analysiert werden.) Um die neuen Ideen zu verbreiten, bediente man sich der damals entstehenden Presse als erstes "Massenmedium" und der Kunst, die bisher im Dienst der Kirchen und des Fürstenhofes gestanden hatte. Da für die Aufklärer das Wort ein Instrument der vernünftigen Kommunikation ist, kann man wohl von einer Literatur der Aufklärung sprechen, die die Prosa und das Drama zuungunsten der Lyrik bevorzugt. Für die anderen Künste ist die Aufklärung nicht relevant. Das neue Weltbild Aufklärung ist der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. (Kant) Glaube an die Vernunft 1

Epochen Übersicht IIB.2

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Übersicht Aufklärung – Sturm und Drang – Klassik - Romantik

1. Aufklärung (ca. 1720 - 1785)

Die Aufklärung hatte - stark verallgemeinert - zum Ziel die Befreiung des Menschen aus den Fesseln von religiösem Aberglauben und politischer Bevormundung.

Philosophischer Ausgangspunkt war die Idee einer allgemeinen Vernunft, die allen Menschen angeboren ist. Daher ist jedermann aufgefordert, die eigene Vernunft zu gebrauchen und zu entwickeln.

Dieser Vernunftgebrauch führt zur vorurteilsfreien Kritik aller Traditionen, Herrschaftsformen und gesellschaftlichen Institutionen. (Kritik bedeutet im Sinne der Philosophie Immanuel Kants: die Bedingungen der Möglichkeit für die Existenz einer Sache müssen analysiert werden.)

Um die neuen Ideen zu verbreiten, bediente man sich der damals entstehenden Presse als erstes "Massenmedium" und der Kunst, die bisher im Dienst der Kirchen und des Fürstenhofes gestanden hatte.

Da für die Aufklärer das Wort ein Instrument der vernünftigen Kommunikation ist, kann man wohl von einer Literatur der Aufklärung sprechen, die die Prosa und das Drama zuungunsten der Lyrik bevorzugt. Für die anderen Künste ist die Aufklärung nicht relevant.

Das neue Weltbild Aufklärung ist der „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten

Unmündigkeit“. (Kant) Glaube an die Vernunft

Ende der Theodizee, Anfang neuer Wissenschaften, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen: Anthropologie, Soziologie, Psychologie etc.

Optimismus, Wiederkehr der Humanität

Kritik an kirchlichen Autoritäten

Rationalismus (parallel dazu: Pietismus und Empfindsamkeit – vor allem durch die evangelische Kirche in breiten Kreisen sehr populär)

strenge Forderung nach Einhaltung literarischer Regeln und Abgrenzung literarischer Gattungen

Kein heroischer Held, sondern durch Willen und Vernunft zur Vollkommenheit strebender Mensch

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Aristotelische Einheit von Handlung, Ort und Zeit (wird von Lessing zum Teil relativiert)

Religiöse Toleranz (Judenemanzipation)

Entwicklung des Erziehungswesens

Literarische Formen Lehrgedicht, oft Naturbetrachtungen im Mittelpunkt, Fabel bürgerliches Trauerspiel

Roman (aufklärerisch, empfindsam, moralisch), Verserzählungen

Vertreter Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781)

o Miß Sara Sampson (1752)

o Minna von Barnhelm (1767)

o Emilia Galotti (1772)

o Nathan der Weise (1779)

Johann Christoph Gottsched (1700-1766)

o Versuch einer critischen Dichtkunst (1730), sein literarisches Werk ist dagegen zweitrangig.

Joachim Heinrich Campe (1746-1818)

o Robinson der Jüngere. Ein Lesebuch für Kinder (1779); dieses Buch steht am Anfang der deutschen Kinderliteratur; die Aufklärung legt auf die Erziehung grössten Wert

Barthold Heinrich Brockes (1680-1747)

o Irdisches Vergnügen in Gott (1721) – Lehrdichtung, physikotheologisches Gottesbild

Immanuel Kant (1724-1804)

o Kritik der reinen Vernunft (1781)

o Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) – gilt als Vorläufer der Aufklärung

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o Theodizee (1710) (vertrat den für die Aufklärung typischen Optimismus, die Welt sei die "beste aller Welten")

o Monadologie (1714)

Christoph Martin Wieland (1733-1813)

o Geschichte des Agathon (erste Fassung 1766/67) (erster deutscher Bildungsroman, der die Erziehung eines jungen Mannes erzählt, der vom schwärmerischen Jüngling nach vielen Irrtümern zum Mitglied einer utopischen, von der Aufklärung geprägten Gesellschaft wird)

Literarische Strömungen, die der großen Epoche “Aufklärung” zugeordnet werden

1. Empfindsamkeit

(etwa 1740-1789)

Die deutsche Empfindsamkeit ist eine literarische Strömung der Aufklärung. Der Ursprung der Empfindsamkeit ist größtenteils religiös. Die emotional gefärbten Texte zu den Oratorien von Johann Sebastian Bach sind typische Beispiele. Die Empfindsamkeit wird auch als säkularisierter Pietismus gedeutet, weil sie häufig mit moralisierenden Inhalten zusammenhängt, die sich allerdings zunehmend von kirchlichen und auch von religiösen Vorgaben lösen.

Merkmale:

Gefühl: Die empfindsamen Prosaisten, Lyriker und Dramatiker sowie ihre Rezipienten erleben einen Gefühlsüberschwang, sind gerührt, in Tränen aufgelöst, ja sie erfahren die Welt mit ganzem Herzen. Zum Gefühlsauslöser kann alles werden, vom Natur- bis zum Kunsterlebnis, von der Darstellung eines gerechten Familienvaters, dessen Familie durch die Willkür eines Fürsten zerstört wird (Lessings Emilia Galotti, 1772), bis zum Selbstmörder, dessen Liebe unerfüllt bleibt (Goethes Werther, 1774).

Innerlichkeit: Auch wenn es äußere Anlässe sind, welche die Rührung auslösen, so sind die inneren Erlebnisse der Protagonisten und der Zuschauer doch das Wichtigste. Als wichtigster Vertreter der lyrischen Empfindsamkeit gilt Friedrich Gottlieb Klopstock, der in seinem Messias (1748-1773) vor allem durch die Darstellung des Seelenzustands seiner Gestalten beeindruckt.

Tugend: Im Drama finden wir die bürgerlichen Tugendideale vor allem im "weinerlichen" Lustspiel bei Christian Fürchtegott Gellert (Die zärtlichen Schwestern, 1747) und in Lessings bürgerlichen Trauerspielen (u.a. Miß Sara Sampson, 1755)

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verwirklicht. In Gellerts Leben der schwedischen Gräfin von G*** setzt sich dann die Tugend als natürlicher Adel des Bürgers gegen den ererbten Adel des Feudalismus durch

2. AnakreontikBezeichnung für Nachahmungen der Anakreon (6. Jh.v.Chr.) zugeschriebenen reim- und strophenlosen Oden; im weiteren Sinne wird der

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Begriff:zu "empfindsam" (Lessings Verdeutschung von engl. sentimental)Datierung:ab 1740 im Rahmen der Aufklärung aufkommende gefühlsbetonte Dichtung; Höhepunkt Klopstocks Messias (1748). Empfindsame Tendenzen auch in Werken des Sturm und Drang (z.B. im  Werther).Grundzüge:

Reaktion auf die rationalistischen Strömungen der Aufklärung; dem Verstand wird das Gefühl entgegengesetzt. Die politische und

gesellschaftliche Unterdrückung des Bürgertums sucht sich ein Ventil in Gefühlsüberschwang und Schwärmerei: gefühlsgetragene, enthusiastisch-"sentimentale" Weltsicht.

Vorbereitet durch den Pietismus (am Ende des 17. Jhs. aufgekommene Strömung des deutschen Protestantismus; "die Stillen im Lande"); gegen Dogmatismus; Ansprache des Herzens; für "innere Wiedergeburt", Verinnerlichung des religiösen Lebens durch mystische Versenkung, Sensibilität für seelische Vorgänge, In-sich-Hineinlauschen.

Entscheidend sind englische Vorbilder: Richardson (moralisierende Tugendromane), Sterne, Goldsmith (humoristisch-idyllische Romane), Young, Macpherson/Ossian (Naturdichtung).

Anregungen aus Frankreich (Abbé Prévost, Comédie larmoyante).Themen:

Beobachtung seelischer Regungen; Ergriffenheit im Zusammenhang mit Anmut, Tugend; Freundschaft; Entdeckung und

bewusstes Erleben der Natur; idyllisch-heiterer Lebensgenuss (Lyrik, Idylle).

Dichter:junge Akademiker aus dem Bürgertum; literarischer Freundschaftsbund des "Hain" (nach der Klopstock-Ode Der Hügel und der Hain) in Göttingen (1772-74; Boie, Voß, die Brüder Stolberg, Miller, Hölty; nahestehend Claudius, Bürger); Darmstädter Kreis (Merck, Karoline Flachsland spätere Herder, Herder, Goethe). Gefühls- und Freundschaftskult.bevorzugte Formen:Lyrik, Idylle; Epos (Klopstocks Messias); Roman (Briefroman); Drama (bürgerl. Rührstück)

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Begriff auch verwendet für Gedichte, die eine Freude an Welt und Leben ausdrücken. In der deutschen Literatur bezeichnet Anakreontik oft auch die Lyrik des Rokoko (ca. 1740-1780), in welcher die rationale, der Aufklärung

verpflichtete Weltsicht mit heiterer Lebensfreude und verfeinertem sinnlichem Erleben verbunden werden sollte. Anakreontische Lyrik ist ästhetisches Spiel

und gesellige Literatur, die das Natürliche zum Ideal verklärt. Themen und Motive:Freude an der Welt, Lebensbejahung (Carpe diem)

Weingenuss

Liebe, Freundschaft, Geselligkeit

die schöne, liebliche Landschaft( Locus amoenus)

das Dichten selbst

Gestalten aus der antiken Mythologie, vor allem Dionysos/Bacchus und Eros/Amor

Formale Merkmale

Das Versmaß der Anakreontiker ist der drei- oder vierhebige Jambus. Im Gegensatz zum barocken Alexandriner vermittelt dieses Versmaß einen leichten, tändelnden Eindruck, es passt sich also der Thematik an. Auch der Endreim fehlt in einem streng anakreontischen Gedicht, ebenso wie die Gliederung in Strophen. Dadurch werden andere Mittel zur Gliederung notwendig. Dies wird vor allem erreicht durch rhetorische Figuren der Wiederholung auf Laut-, Wort-, und Satzebene. Dies führt zu einer starken Redundanz der Texte. Dem Leser wird deutlich, dass eine rationalistische Interpretation unangemessen wäre; diese Dichtung sollte sinnlich aufgenommen werden.

Hauptvertreter und Werke

Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803)

o Versuch in scherzhaften Liedern (1744)o Lieder nach dem Anakreon (1766)

Johann Peter Uz (1720-1796)

o Lyrische Gedichte (1749)

Johann Nikolaus Götz (1721-1781)

- Vor allem als Übersetzer und Herausgeber Anakreons und Sapphos tätig; postum erschienen: Vermischte Gedichte

Textbeispiel:

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Johann Wilhelm Ludwig Gleim

Anakreon1

Anakreon, mein Lehrer,

Singt nur von Wein und Liebe,

Er salbt den Bart mit Salben,

Und singt von Wein und Liebe;

Er krönt sein Haupt mit Rosen,

Und singt von Wein und Liebe;

Er paaret sich im Garten,

Und singt von Wein und Liebe;

Er wird beim Trunk ein König,

Und singt von Wein und Liebe;

Er spielt mit seinen Göttern,

Er lacht mit seinen Freunden,

Vertreibt sich Gram und Sorgen,

Verschmäht den reichen Pöbel,

Verwirft das Lob der Helden,

Und singt von Wein und Liebe;

Soll denn sein treuer Schüler

Von Haß und Wasser singen?

(Zit nach: Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Gedichte. Hg. von Jürgen Stenzel. Stuttgart:

Reclam 1969, S. 3).

2. Sturm und Drang (1767-1785)

1 Anakreon: griechischer Lyriker, ca. 580 – 495 v. Chr. Seine Dichtung wirkt stilbildend („Anakreonteen“ der Antike, „Anakreontik“ des 18. Jahrhunderts ). Der Themenkreis: Genuss des Augenblicks, Wein, Natur, Frauen- und Knabenliebe, Geselligkeit. Von Anakreons eigenen Liedern sind nur drei ganz erhalten.

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Die literarische Strömung des Sturm und Drang war ein typisch deutsches Phänomen. Sie fing als eine gesellschaftskritische Bewegung einer jungen Generation von bürgerlichen Intellektuellen an. Im Unterschied zu anderen Epochen gibt es im Fall des Sturm und Drang einen klar datierbaren Anfang bzw. Ein klar datierbares Ende der Strömung.

Der Begriff des Sturm und Drang ist von Maximilian Klingers gleichnamigen Drama Sturm und Drang (1776) hergeleitet. Der Beginn der Epoche wurde mit dem Erscheinen der Herderschen Fragmente 1767 markiert. Der Sturm und Drang endet mit dem Wandel Goethes und Schillers zu Klassikern, ausgelöst durch Goethes Bildungsreise in Italien und Schillers Kant-Studien.

Der Sturm und Drang war seinem Wesen nach eine Protestbewegung und zugleich eine Jugendbewegung. Der Protest richtete sich gegen dreierlei:

die absolutistischen Obrigkeiten in den deutschen Staaten sowie die höfische Welt des Adels,

das bürgerliche Berufsleben, das man für eng und freudlos hielt, ebenso wie die bürgerlichen Moralvorstellungen,

die überkommene Tradition in Kunst und Literatur.

In dem ersten Punkt stimmte man mit den Aufklärern überein, in dem zweiten Punkt stand man in Widerspruch zu ihnen, und was den dritten Punkt anging, so waren die Stürmer und Dränger radikaler als die Aufklärer. Trotz aller politischen Ideen war der Sturm und Drang in erster Linie eine literarische Strömung.

Die zentralen Motive und Themen sind

Die Gefühlswelt des Individuums wird der Rationalität und dem Zweckdenken des aufgeklärten Bürgers entgegengestellt

Geniekult: Im Mittelpunkt neuer ästhetischer Betrachtungen steht nun das Genie, nicht mehr die Regelpoetik. Die individuelle Begabung wird verabsolutiert, d.h. sie kann sich souverän über die gesellschaftlichen Normen und Regeln hinwegsetzen und nur den eigenen Regeln (der eigenen „Natur“) folgen. Starke Impulse erhielten die „Kraftgenies“ des Sturm und Drang durch Shakespeare. Er avancierte bei den Stürmern und Drängern zum Vorbild als genialer Dichter. Als Ideal galt nicht der Dichter, der hochgebildet war und in jeder Gattung schreiben konnte bzw. der seine moralischen Lehren zum Ausdruck brachte (poeta doctus). Gepriesen wurde vielmehr das Genie, das sich seine Regeln und Gesetze selbst schafft. Im Genie äußerte sich nach der Vorstellung des Sturm und Drang die schöpferische Kraft der Natur. Die Natur wurde zum Inbegriff des Ursprünglichen, Elementaren, Göttlichen und war nicht mehr das vernünftig Geordnete wie in der Aufklärung.Ein möglicher Entstehungsgrund für den Geniekult war auch der hinzugekommene starke Konkurrenzdruck auf dem literarischem Markt.

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Die gesellschaftlichen Institutionen haben keine Autorität mehr, ich selbst bin der Maßstab meines Handelns. Beispiele:

o Goethes Hymne Prometheus (der Einzelne gegen die Götter) o Goethes Drama Goetz von Berlichingen (der Ritter stellt sein persönliches

Rechtsempfinden dem kaiserlichen Fehderecht entgegen) o Schillers Drama Die Räuber: Franz Moor wird Räuberhauptmann aus

persönlicher Gekränktheit der Außenseiter gegen die Gesellschaft o Goethes Faust: Bund mit den Mächten der Finsternis aus höherem Streben

(Hybris) Soziale Anklage und Gesellschaftskritik: Opposition sowohl gegen die

Privilegien, die moralische Verderbtheit und die Engstirnigkeit der höheren Stände (vgl. Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrannen (1773) von Gottfried August Bürger)

Sprengung poetischer Normen: Weg mit dem Reim, her mit den freien Rhythmen (Klopstock), weg von den klassizistischen Normen des Theaters (drei Einheiten, Ständeklausel), hin zu Shakespeares Dramen und Figuren

Vertreter

Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) Zum Schäkespears-Tag (Rede) 1771 Sesenheimer Lieder (Gedichte) 1770/71

Götz von Berlichingen (Drama) 1773

Prometheus 1773/77, Ganymed 1774 (Gedichte)

Die Leiden des jungen Werthers (Roman) 1774

Friedrich Schiller (1759-1805)

Die Räuber 1781 (Drama) Kabale und Liebe 1784 (Drama)

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1805)

Der Hofmeister 1774 (Drama) Die Soldaten 1776 (Drama)

Johann Gottfried Herder (1744-1803)

Fragmente über die neuere deutsche Literatur 1766-67 (theoretische Schrift) (vertritt typische Ideen des Sturm und Drang: Die herrlichste Poesie sei von den ältesten Völkern geschaffen worden, von „wilden Natursöhnen“. Die Kultur ist für die „natürliche Poesie“ im Herderschen Sinne schädlich.)

Gottfried August Bürger (1747-1794)

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Gedichte (1778), darin: Der Bauer an seinen durchlauchtigen Tyrann (1774)

Der Roman im Sturm und Drang

Der Roman als literarische Gattung wird in der Epoche des Sturm und Drang stark aufgewertet. Mit Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) erschien der erste deutsche bürgerliche Roman und zugleich der grösste deutsche Bestseller nach Sebasttian Brants Narrenschiff. Die Form des Briefromans ist zur Zeit des Sturm und Drang sehr beliebt, da sie eine Möglichkeit bietet, das Gefühlsleben durch unkonventionelle Sprache zu artikulieren. Werther ist ein junger, bürgerlicher Intellektueller, der am Eingliederungsversuch eines bürgerlichen Individuums in die Ordnung des absolutistischen Staates scheitert und darauf Selbstmord begeht. Werther war ein Außenseiter der Gesellschaft und nicht angepasst und integriert wie Albert. Werther äußerte sich für das Recht auf Selbstbestimmung, Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Dies war jedoch nicht bei der Arbeit möglich, da er sich als Sekretär auch unterordnen muss. Einzig die Liebe bot ihm einen Ausweg aus der Unterordnung, weil sie eine Gleichstellung zwischen zwei Liebenden ermöglichen kann.

Schluss:

Der Sturm und Drang darf nicht als Kampf gegen die Aufklärung gesehen werden. Mit dem Sturm und Drang trat die Aufklärung in eine neue Phase ein. Die aufklärerische Rationalität wurde durch die Gefühlsregungen der Stürmer und Dränger erweitert. Verstand und Gefühl bildeten nun eine Einheit.

3. Weimarer Klassik (1785-1805/1832)

Der Begriff "Klassik" bzw. "klassisch" hat mehrere Bedeutungen:

a. etymologisch: von lat. classicus: das Vorderschiff einer Flotte, später römischer Bürger der höchsten Steuerklasse, dann: scriptor classicus: Schriftsteller ersten Ranges

b. Klassik:

o antikes Altertum

o Blütezeit einer Nationalliteratur bzw. -kunst

o literaturgeschichtliche Epoche in Deutschland (Weimarer Klassik)

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c. klassisch: Ausdruck für zeitlos gültige, große künstlerische Leistung

Der Beginn der Weimarer Klassik wird oft mit dem Eintreffen Christoph Martin Wielands 1772 in Weimar datiert. Wieland gehört zum sogenannten „Weimarer Viergestirn“, das aus den folgenden Schriftstellern besteht: Wieland - Herder - Goethe - Schiller.

Oft wird die Klassik enger gefasst und nur auf Goethe und Schiller bezogen und dann entsprechend später datiert. Ihr Ende mit Schillers Tod (1805) ist auch nur ein Anhaltsdatum. Alle Vier orientierten sich entgegen bzw. nach einer Sturm-und-Drang-Phase an humanistischen Idealen, teilweise unter klassizistischer Verwendung antiker Themen und Muster. „Klassik“ selbst ist eine positiv wertende Bezeichnung für diese Epoche.

Als Vorläufer der Weimarer Klassik gilt allerdings der Archäologe und Kunsthistoriker Johann Joachim Winckelmann (1717-1768), dessen Werke Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst (1756) und Geschichte der Kunst des Altertums (1764) die Rezeption der Antike in Deutschland bis weit ins 19. Jahrhundert hinein prägte. Winckelmanns Griechenlandbild zeigte utopische Züge der Idealisierung, was auch die ihm nachfolgenden Autoren beeinflusste. Die Gleichsetzung Antike-Schönheit-Lebenssteigerung durchzieht die Werke sowohl Goethes, Schillers, Lessings und Hölderlins. Echte Kunst charakterisiert Winckelmann durch die berühmt gewordene Formel „Edle Einfalt, stille Größe“, die er dem Verspielten, Überladenen und Allegorisschen des Barock und Rokoko entgegenstellte.

Die deutsche Klassik in Stichworten:

Teilhabe am philosophischen System des deutschen Idealismus

Epoche der auf geschlossene Form und „Vollendung“ gerichteten Kunst

Abgrenzungen zu Sturm und Drang: Natur- und Gefühlsschwärmerei Romantik: Entgrenzung, Universalpoesie, Fragment

Zentrale Ausrichtungen: – Humanität: Ausbildung der Menschlichkeit im Dienst der Menschheit: – Harmonie: Übereinstimmung von Gemüt und Verstand – Formvollendung: Überformung der Widersprüche in sprachlich vollendeter Gestalt

Orientierung an den Ideen der griechischen Klassik und der Aufklärung

Leitbild: „Das Gute, Wahre, Schöne“: die gestaltenden Nachahmung des „Schönen“ soll sowohl zur ästhetischen als auch zur sittlichen Vervollkommnung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft beitragen.

Blütezeit der Entwicklung aller drei literarischen Gattungen: – Lyrik in allen Formen (Goethe, Schiller, Hölderlin) – Drama, v.a. in den Formen der Tragödie und des Schauspiels, weniger der Komödie – Epik in den Formen Bildungsroman (Goethe: Wilhelm Meister; Jean Paul: Siebenkäs) Ballade (v.a. Schillers Balladen) Vers-Epos

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Die ästhetischen Ideen Schillers sind für das Verstehen der deutschen Klassik von grundlegender Bedeutung:

Aus dem Gegensatz von

SINNLICHKEIT und VERSTAND

folgt das Grundproblem:

Wie wird der sinnliche Mensch vernünftig und umgekehrt? Wie wird er moralisch veredelt?

Die Antwort lautet:

Durch die Kunst!

Begründung:

Kunst ist freies SPIEL im Reich des ästhetischen Scheins

Frei von aller Zweckhaftigkeit und Herrschaft spielt der Mensch mit Modellen des harmonischen Lebens.

Zusammenfassend

1. Die moralische Verbesserung des Menschen ist nur möglich durch AUSGLEICH zwischen der sinnlichen und der rationalen Natur des Menschen. Deren Auseinanderklaffen, das sich in Arbeitsteilung, Funktionalisierung und Entfremdung äußert, ist der Grund aller gesellschaftlichen Missstände.

2. Der Schriftsteller kann diesen Ausgleich idealtypisch im Kunstwerk vorwegnehmen und gestalten. Der "klassische Held" verkörpert die Harmonie von Sinnlichkeit und Rationalität, von Gefühl und Verstand, von Natur und Geist. Er führt dem Publikum Möglichkeiten der sittlichen Vervollkommnung vor Augen.

3. Der Künstler ist zugleich Erzieher, das Theater eine moralische Erziehungsanstalt und das Schauspiel eine moralische Veranstaltung, in der die Versöhnung von Ideal und Wirklichkeit vorgeführt wird.

4. Konsequenzen für die KUNST bei Schiller und Goethe:

Verzicht auf unmittelbaren Realitätsbezug und politische Wirkung

utopisch vorgreifende Idealisierung der Wirklichkeit

Abschied vom „Bürgerlichen Trauerspiel“ (Kabale und Liebe, Räuber) und Wahl historischer oder mythologischer Stoffe (Don Carlos, Iphigenie)

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Abkehr von Shakespeare (Goethe), Wendung zum französischen Klassizismus und Suche nach geschlossenen, harmonisch ausgewogenen Kunstformen (die klassischen drei Einheiten)

innerer Gedankenreichtum bei äußerer Handlungsarmut

gehobene Sprache: Blankvers statt Prosa (Das Drama des Sturm und Drang wird in Prosa geschrieben, während die klassischen Dramen alle den Blankvers bevorzugen).

Wichtige Werke

Goethe

Dramen Iphigenie auf Tauris (1787) Egmont (1787)

Torquato Tasso (1790)

Faust I (1808), Faust II (1832)

Romane Wilhelm Meisters Lehrjahre

(1796) Die Wahlverwandtschaften (1809)

Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829)

Lyrik Römische Elegien (1790)

Schiller

Dramen Don Carlos

(1787) Wallenstein

(1799)

Maria Stuart (1800)

Wilhelm Tell (1804)

Schriften Über die ästhetische Erziehung des Menschen

(1793)

Über naive und sentimentalische Dichtung (1797)

Lyrik Balladen

4.Romantik (etwa 1799-1835)

Wortbedeutung

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Der Begriff "romantisch" bzw. "Romantik" hatte mehrere Bedeutungen:

im 18. Jh. o im Roman vorkommend (Romane wurden in den romanischen

Volkssprachen verfasst, nicht im Latein der Gelehrten), wunderbar, phantastisch, abenteuerlich, erfunden

o wild-schöne Landschaft und die Empfänglichkeit des Menschen dafür

o im Gegensatz zu "klassisch": mittelalterlich, neuzeitlich

im 19. Jh.

o Bezeichnung der kunstgeschichtlichen Epoche

o "Poesie", "poetisch"

Die Epoche der Romantik wird meist in Frühromantik, Hochromantik, Spätromantik und Nachromantik unterteilt; im Einzelnen ist es jedoch nicht ganz einfach, zeitliche und personelle Abgrenzungen vorzunehmen.

Die Frühromantik kann aus literaturtheoretischer Perspektive als die spannendste Phase bezeichnet werden. Die miteinander befreundeten, in Jena arbeitenden Autoren, wie die Brüder August Wilhelm (1767–1845) und Friedrich Schlegel (1772–1829), Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–1798), Ludwig Tieck (1773–1853) und Friedrich von Hardenberg (1772–1801), der unter dem Pseudonym Novalis arbeitete, brachen mit vielen Konventionen: Beispielsweise mischten sie in ihre Romane Gedichte und Balladen, kleine Märchen etc.; dabei bezogen sie sich oft auf Goethes Werke („Werther“, „Wilhelm Meisters Lehrjahre“). Dem entspricht Friedrich Schlegels Konzept einer „progressiven Universalpoesie“, die nicht nur unterschiedlichste Gattungen und Wissensgebiete miteinander verbindet, sondern auch über sich selbst nachdenkt und ihre eigene Kritik enthält. Als wichtigstes Gestaltungsmittel dieser „Reflexionspoesie“ erscheint die Ironie, die zum Ausdruck bringt, dass der ideale Zustand, den die Kunst nach „klassischer“ Theorie darstellen soll, unvorstellbar ist, und dass den Bildern, mittels derer die Künstler diesen Zustand zu beschreiben suchen, nicht zu trauen ist. Andererseits können wir uns der vielfältigen Bedeutungen und Bedeutungsbrechungen literarischer Werke nie sicher sein und sollten uns lieber auf die unvermeidliche „Lüge“ der Kunst einlassen. Das literarische Fragment ist ein weiteres, von den Romantikern geschätztes Darstellungsmittel, in dem die Kunst ihr eigenes 'Versagen' reflektiert und sich von dem „klassischen“ Konzept des harmonisch in sich abgeschlossenen Werks, in dem sich der ideale Zustand „spiegelt“, abgrenzt.

Rolle der Dichtung und des Dichters

Von der allgemeinen Poesie (auch "Naturpoesie") unterschieden die Romantiker die Poesie im engeren Sinne, die "Kunstpoesie", wozu auch die Dichtung gehörte. Die Dichtung galt als Teil der allumfassenden Poesie. Sie war also im Unterschied zur

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Aufklärung kein bloßes Instrument und anders als in der Klassik kein Erziehungsmittel und keine Vorwegnahme der idealen Welt, sondern Teil der idealen Welt selbst. Trotzdem hatte sie eine Aufgabe. Die Dichtung sollte nämlich die verschüttete Welt der Poesie bewusst machen und aufdecken, in der Hoffnung, dass sie einmal wieder zur Herrschaft gelange. Der Dichter geriet dabei in die Rolle des Priesters einer neuen, noch verborgenen Religion.

Unterschied zur Klassik

Auch die Klassik hatte die Nachteile der bürgerlichen Ordnung (z.B. die Arbeitsteilung, die Spezialisierung des Menschen), gesehen, aber an ihrem Ideal fest gehalten, der Mensch sei fähig, all seine Kräfte in harmonischer Einheit zum Schönen, Wahren, Guten auszubilden. Die Romantik glaubte nicht mehr an die Veränderbarkeit des Menschen und der Gesellschaft. Sie stellte eigentlich keine Ideale auf, entwarf kein Bildungsprogramm, mit dessen Hilfe die Ideale verwirklicht werden sollten. Sie stellte der Wirklichkeit eher Gegenwelten gegenüber, in die man flüchten konnte, zusammen mit gleich Gesinnten oder aber alleine, wie es der Dichter Novalis mit Hilfe von Drogen versuchte. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Goethe die Romantik ablehnte, obwohl viele Romantiker ihn und sein Werk verehrten.

Einschränkungen

Die eher unpräzisen, nicht leicht zu fassenden Vorstellungen der Romantik schlossen wissenschaftliches Denken und Engagement in der Wirklichkeit nicht aus. Auch die Romantik hat wissenschaftliche Leistungen vorzuweisen. Die Gebrüder Grimm z.B. begannen mit der Erforschung der deutschen Sprache und Literatur (Anfang der Germanistik). Auch die Geschichtswissenschaft im heutigen Sinne hat während der Romantik große Fortschritte gemacht. Einige Romantiker engagierten sich auch politisch. Sie unterstützten das Streben der Deutschen nach einer einheitlichen Nation zur Zeit der Befreiungskriege; andere wurden auch Anhänger der Restauration.

Wichtige Autoren und Werke

Die romantischen Dichter und Philosophen taten sich in Universitätstädten zu Freundeskreisen zusammen. Mittelpunkt ihrer Kreise waren oft Frauen: Karoline Schlegel, zunächst Ehefrau August Wilhelm Schlegels, danach von Schelling; Elisabeth (genannt Bettina) von Arnim, Ehefrau Achim von Arnims und Schwester dessen Freundes Clemens Brentano; Rahel Levin und Henriette Herz, die in Berlin literarische Salons unterhielten.

Als Hauptgattung der Romantik galt ihren Vertretern selbst der Roman. Sie sahen ihn als diejenige Textsorte an, in der alle Gattungsgrenzen aufgelöst werden konnten, wo theoretische Reflexion, Erzählung, lyrische Stimmungen zusammentreffen konnten, ohne in starre Formen gefasst zu sein.

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Für die Nachwelt aber ist die romantische Lyrik die wichtigste literarische Form. Der musikalische Charakter der Lyrik, ihre Bildlichkeit, die Möglichkeit, Dinge auszudrücken, die anders nicht auszudrücken sind, passt zu der Weltsicht der Romantik.

Frühromantik: stark philosophisch, theoretisch orientiert (Jena, Berlin)

o Lucinde (Roman 1799)

August Wilhelm Schlegel (1767-1845)

o gab zusammen mit seinem Bruder von 1798-1800 die Zeitschrift "Athenaeum" heraus

Novalis (Friedrich von Hardenberg 1772-1801)

o Hymnen an die Nacht (Gedichte 1797)

o Heinrich von Ofterdingen (Romanfragment 1802)

Ludwig Tieck (1773-1853)

o Der gestiefelte Kater (Drama 1797)

o zusammen mit Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798):Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797; zusammen mit Wackenroder)

o Theoretische Schriften (1796)

Hoch- und Spätromantik (Heidelberg)

Clemens Brentano (1778-1842)

o Gedichte

o zusammen mit Achim von Arnim (1781-1831) ab 1805 Des Knaben Wunderhorn (Volksliedsammlung)

Joseph von Eichendorff (1788-1857)

o Gedichte

o Aus dem Leben eines Taugenichts (Novelle 1826)

Ernst Theodor Amadeus (E.T.A.) Hoffmann (1776-1822)

o Der goldne Topf (Novelle 1814)o Klein Zaches genannt Zinnober (Märchen 1819)o Die Lebensansichten des Katers Mur (Roman 1821)

Jakob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859)

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o Kinder und Hausmärchen (1812,1815,1822)

o Deutsches Wörterbuch (ab 1854, nach ihrem Tod fortgesetzt, 1961 abgeschlossen)

Heinrich Heine (1797-1856)

Heinrich Heine nimmt eine besondere Position in der Literaturgeschichte ein. Er war einerseits der populärste romantische Lyriker. Seine Gedichte im "Buch der Lieder" (1827) hatten eine große Wirkung über die Epoche der Romantik hinaus und wurden vielfach zu Volksliedern (z.B. "Die Lorelei"). Auf der anderen Seite distanzierte sich Heine vom Poesiebegriff der Romantiker. Er sah die Welt als zerrissen an, kritisierte die Wirklichkeit wie die übrigen Dichter der Romantik, glaubte aber nicht an den Urgrund der Poesie in allen Dingen. Der Dichter habe die Aufgabe, diesen Riss zu zeigen und nicht vor ihm die Augen zu verschließen. Wer vor ihm in die Gegenwelten flüchte, die Welt als heil und als Ganzes zeige, der lüge.

In vielen Gedichten Heines wird ein Zwiespalt deutlich zwischen der schönen Welt der Romantik, nach der auch Heine sich sehnte, und seiner Einsicht in die Brüchigkeit der Welt und die Falschheit der romantischen Gegenwelten. Dieser Zwiespalt äußert sich als Ironie, mit der Heine romantische Bilder in seinen Gedichten gestaltet. Eine andere Möglichkeit, sich mit dem Riss in der Welt auseinander zu setzen, sah er in politischer Dichtung ("Deutschland, ein Wintermärchen", 1844), in der er in bissig-ironischen Versen die sozialen und politischen Zustände Deutschland im Vormärz (1815-1848) aufs Korn nahm.

Wechselbeziehungen zwischen den Epochen

1. Romantik als Krise der Aufklärung

Vor- und Zwischenstufen:

Jean-Jacques ROUSSEAUS Zivilisationskritik, die Empfindsamkeit des Sturm & Drang (Vernunftkritik, Geniekult)

und die erniedrigenden Folgen der Französischen Revolution für Deutschland (Besetzung und militärische Niederlage)

führen bei vielen Intellektuellen zu Zweifeln und zur Absage an die Ideale der Aufklärung:

1. Kritik an der völligen Reglementierung 'bürgerlichen Lebens' durch (ökonomischen) Zweckrationalismus und Erfolgsdenken (Kritik des Krämergeistes und des “Philistertums”)

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2. Kritik an der aufklärerischen Naturbetrachtung: Natur = Objekt, d.h. Gegenstand des Mach- und Berechenbaren, dem der Mensch sich nicht zugehörig oder verpflichtet fühlen muss.

3. Kritik an einem Vernunftbegriff, der alle Phantasie und Intuition als Schwärmerei verwirft.

Diese Aufklärung führt in den Augen der Romantiker zur

=> ENTZAUBERUNG DER WELT,

demgegenüber will die Romantik den im Menschen und in der Natur verborgenen Zauber wieder aufspüren:

"Eben auf dem Dunkel, worin sich die Wurzel unseres Daseins verliert, ... beruht der Zauber des Lebens, dies ist die Seele aller Poesie." (August Wilhelm Schlegel)

Für die Romantiker gilt:

Der MENSCH ist Teil der Natur: einer unergründlichen, unbegreifbaren Natur (irrational, weil nicht ausrechenbar). Folglich:

die SEELE des Menschen ist voller Abgründe und Tiefe, welche sich im Traum, im Wahnsinn, im Somnambulismus manifestieren

auch ein VOLK hat eine (kollektive) Seele: Zeugnisse dieser Volksseele sind Volkspoesie, Volksmärchen und Volkslieder (-> Nationalismus, Deutschtümelei, Mittelaltersehnsucht )

Programmatisches

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfasst alles, was nur poetisch ist, vom größten ... System der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuss, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. ... Die Kunst ist der höchsten und allseitigsten Bildung fähig; nicht bloß von innen heraus, sondern auch von außen hinein. ... Andre Dichtarten sind fertig und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische Dichtart ist noch im Werden, ja das ist ihr eigentlichstes Wesen, dass sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. ... Sie allein ist unendlich, weil sie allein frei ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, dass die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in gewissem

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Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein.

Friedrich Schlegel: Athenäums-Fragment 116 (1798)

Die Welt muß romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts, als eine qualitative Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert. So wie wir selbst eine solche qualitative Potenzreihe sind. ... Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe so romantisiere ich es - Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche - dies wird durch diese Verknüpfung logarithmisiert - Es bekommt einen geläufigen Ausdruck.

Novalis (Friedrich v. Hardenberg): Logologische Fragmente, Vorarbeiten 1798, Fragment 105

2. Klassik und Romantik

Klassik Romantik

Alleiniges Zentrum: WEIMARmehrere städtische Zentren: Berlin, Jena, Heidelberg

Hauptsächliche Protagonisten: Goethe und Schiller

Vielfalt von unabhängigen Autoren, Zirkeln und „Schulen“: Heidelberger und Jenaer Romantik, Berliner Romantik, Schwäbische Schule

Affinität zum Adel (geadelte Bürger: v. Goethe)Veredelung des Bürgerlichen durch die Lebensart des Adels siehe Goethes „Wilhelm Meister“

Bürgerlicher Hintergrund bzw. verbürgerlichter AdelAntibürgerliche Haltung: Philister-Kritik und Beschäftigung mit >Volkshaftem<:

Märchen, Liedern, Sagen, Volksglauben (Grimms Märchen, Des Knaben Wunderhorn, Hauffs Märchen)

Vorbildwirkung der Antike Mittelaltersehnsucht (Deutsches Kaiserreich)

religiöse Skepsis Hinwendung zur Religion (Katholizismus)

Rationalisierung des Mythos Wiedergewinnung eines >neuen Mythos<: Volksseele, Nationalidee, Fernöstliches (Sanskrit)

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Programm: Verstand und Gefühl harmonisieren

Die Kräfte der Phantasie und Intuition freisetzen:Entdeckung der >dunklen Seele<, der Nachtseiten des Daseins (das „Unbewusste“ z.B. bei E.T.A. Hoffmann)

geschlossene literarische Formen: Klassisches Drama, antike Versmaße und Formen (Elegie, Distichon, Blankvers)

offene Formen, Experimente, Fragmente, Satire, frei-rhythmische Gesänge (Novalis: Hymnen an die Nacht)aber auch volkstümliche-einfache Liedformen (Eichendorff, Wilhelm Müller, Brentano, Uhland)

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