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ES LEBE DER KÖNIG Seit 1980 ist der Bestand an Löwen in Afrika um die Hälfte ge- schrumpft, seit 1900 sogar um 96 Prozent. Längst hat der König der Tiere sein Königreich verloren, denn wir Menschen dringen immer weiter in seinen Lebensraum vor. Nun gerät er auch zunehmend ins Visier von Wilderern. Der WWF versucht vor allem im südlichen Afrika, die letzten Löwenclans zu schützen und Konflikte zwischen Mensch und Tier zu entschärfen. © MINDEN PICTURES/JUNIORS

ES LEBE DER KÖNIG - WWF...ES LEBE DER KÖNIG Seit 1980 ist der Bestand an Löwen in Afrika um die Hälfte ge-schrumpft, seit 1900 sogar um 96 Prozent. Längst hat der König der Tiere

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ES LEBE DER KÖNIGSeit 1980 ist der Bestand an Löwen in Afrika um die Hälfte ge-

schrumpft, seit 1900 sogar um 96 Prozent. Längst hat der König der Tiere sein Königreich verloren, denn wir Menschen dringen immer weiter in seinen Lebensraum vor. Nun gerät er auch zunehmend ins

Visier von Wilderern. Der WWF versucht vor allem im südlichen Afrika, die letzten Löwenclans zu schützen und Konflikte

zwischen Mensch und Tier zu entschärfen.

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D as Verschwinden der Löwen be-

gann bereits vor rund 12 000 Jah-

ren. Damals waren es Höhlen-

löwen, die in Europa am Ende der

Würmeiszeit ausstarben – Ursache

unbekannt.

Vor rund 2000 Jahren erwischte es

dann den modernen Löwen: Die letz-

ten Exemplare Europas starben in

Griechenland. Um 1810 verschwanden

Löwen auch aus Pakistan, 1879 aus

der Türkei, 1923 aus Saudi-Arabien

und 1942 aus dem Iran. Zur gleichen

Zeit starben die letzten Atlaslöwen in

Nordafrika aus. In allen Fällen ist die

Ursache eindeutig: der Mensch.

Wir bewundern den Löwen, ehren ihn

in Märchen und Fabeln und haben ihn

selbst in Europa auf Staatswappen ver-

ewigt. Doch das Zusammenleben mit

ihm, das funktioniert offenbar nicht.

Und in Afrika? Lange Zeit sah es so

aus, als ob es den Löwen dort, zumin-

dest südlich der Sahara, besser erge-

hen würde. Doch die aktuellen Erhe-

bungen zeigen ein dramatisches Bild.

Heute schätzt man die Zahl der Löwen

in ganz Afrika in freier Wildbahn auf

nur noch etwa 23 000 Tiere, wobei nur

etwa 10 000 davon ausgewachsen und

fortpflanzungsfähig sind. Damit hat

sich seit den 1980er-Jahren die Zahl

der afrikanischen Löwen um fast die

Hälfte verringert. Die internationale

Naturschutzorganisation IUCN hat

den Löwen daher als gefährdet auf die

Rote Liste gesetzt.

Der Lebensraum schrumpftDie Aussichten für die Löwen Afrikas

sind alarmierend. Experten sagen vo-

raus, dass die Löwenbestände in Ost-,

Zentral- und Westafrika in den nächs-

ten zwei Dekaden nochmals um die

Hälfte schrumpfen werden – wenn wir

nicht aktiv gegensteuern. Wie konnte

es so weit kommen?

Durch die wachsende Bevölkerung wer-

den in Afrika immer mehr natürliche

Lebensräume in landwirtschaftliche

Nutzflächen, Weideland, Siedlungen

oder Straßen umgewandelt. Das führt

dazu, dass Löwen heute oftmals nur

noch in Schutzgebieten vorkommen –

zumeist in voneinander isolierten Be-

ständen. Genetische Verarmung ist die

Folge.

Löwen leben gefährlichLöwen sind territorial organisiert. Das

heißt, dass ein Revier immer nur von

einem Löwenrudel besetzt werden

kann. Herausforderer des dominanten

Alphamännchens müssen sich dem

Kampf stellen. Wer gewinnt, über-

nimmt das Revier und die Löwenweib-

chen. Das bedeutet auch, dass es nur

eine begrenzte Anzahl an Löwenrudeln

in einem Schutzgebiet geben kann.

Löwenreviere sind, je nach Nahrungs-

angebot, zwischen 50 und 5000 Qua-

dratkilometer groß. Doch immer öfter

gibt es zu wenig Nahrung, weil ihre

mögliche Beute von Menschen als

Buschfleisch gejagt wird und genau

wie der Löwe unter Lebensraumver-

lust leidet. Daher müssen Löwen meist

viel größere Gebiete als früher durch-

streifen, um zu jagen – und dazu ihre

Schutzgebiete verlassen. Junge Löwen-

männchen müssen dies sowieso tun,

um neue Reviere zu erobern und ihr

eigenes Rudel zu gründen.

Doch außerhalb der Schutzgebiete wird

es für Löwen riskant. In deren frühe-

ren Verbreitungsgebieten haben sich

Menschen angesiedelt und betreiben

Ackerbau und Viehzucht. So kommt

es, dass Löwen auf Beute- oder Re-

viersuche menschliche Siedlungen

durchstreifen. Das ist gefährlich für

Menschen und Löwen gleichermaßen.

Kommen die Raubkatzen den Nutz-

tieren oder den Menschen zu nahe, >

In der Höhle des Löwen Löwen leben und jagen im Rudel. Das Zusammenleben ist streng hierar-chisch organisiert. Männchen suchen den Kampf vor allem dann, wenn der Rudelführer von einem Eindringling herausgefordert wird.

DER MYTHOS

Der Löwe ist seit Menschengedenken ein Symbol für Macht und Stärke. Der König der

Tiere ist ein essenzieller Bestandteil von Kunst und Kultur weltweit und ziert

zahllose Wappen und Fahnen. In Stein gehauen und Bronze

gegossen, schmückt er Plätze und Paläste.

Doch im wirklichen Leben geht es dem Löwen schon

seit langer Zeit an den Kragen. Aus Europa ist er längst vertrieben, in

Asien bis auf wenige Exemplare dezimiert.

Auch in Afrika schrumpfen die Bestände – doch dort

besteht noch Hoffnung für die Löwen.

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Allein auf weiter Flur Die Löwen in Afrika verlieren ihren Lebensraum. Sie finden nicht mehr genug Nahrung und die Populationen verarmen genetisch, da umherziehende Löwenmännchen kaum noch Möglichkeiten haben, eigene Rudel zu gründen.

werden sie oft aus Angst von den Bauern

getötet. Umgekehrt gewöhnen sich Lö-

wen rasch an leicht zu erbeutende Nutz-

tiere. In der Sambesi-Region im Osten

Namibias rissen sie zwischen 2012 und

2014 fast 200 Rinder. Zum Schutz der

Bevölkerung schoss die namibische

Regierung daraufhin gleich 17 „Pro-

blemlöwen“ ab. Auch in Kenia häufen

sich die Konflikte zwischen Menschen

und Löwen, vor allem in den traditions-

reichen Massai-Gemeinden. Sie betrei-

ben schon seit Jahrhunderten eine inte-

grierte Weidehaltung. Das heißt: Rinder

grasen in denselben Gebieten wie Wild-

tiere. Mit der Gründung von National-

parks haben die Massai die Rinderhal-

tung in deren Randzonen verlegt. Da

die Zahl ihrer Nutztiere wächst, kommt

es jedoch öfter vor, dass die Massai

ihre Rinder auch weiter im Inneren des

Reservats grasen lassen. Dadurch

nimmt unweigerlich die Zahl der Über-

griffe durch Löwen auf Rinder zu. In Ke-

nia wurden 2015 fünf Löwen des durch

eine BBC-Dokumentation bekannten

Marsh-Rudels im Masai-Mara-Reser-

vat vergiftet. Alles deutet darauf hin,

dass es sich um einen Racheakt der An-

rainergemeinden handelte.

Knochenwein aus LöwenNeben Lebensraumverlust und Kon-

flikten mit Menschen ist in den vergan-

genen Jahren noch eine dritte Gefahr

hinzugekommen – die Wilderei. Zum

einen werden immer mehr Beutetiere

der Löwen als Buschfleisch illegal er-

legt – allein in der Serengeti jedes Jahr

mindestens 70 000 Gnus.

Zum anderen werden Löwen selbst

immer öfter gewildert. Denn ihre Kno-

chen werden zunehmend begehrter in

der traditionellen asiatischen Medizin,

der wachsende Handel ist besorgnis-

erregend. Im Jahr 2013 wurden allein

aus Südafrika mehr als 1000 Löwen-

skelette legal exportiert – beinahe vier-

mal so viel wie noch drei Jahre zuvor.

Legal deshalb, weil sie von gezüchteten

Löwen aus Gefangenschaft stammen.

Der internationale Handel mit deren

Knochen ist, anders als bei Körper-

teilen ihrer wild lebenden Artgenossen,

noch nicht verboten.

Man schätzt, dass in Südafrika etwa

7000 Löwen auf solchen Zuchtfarmen

leben – weit mehr, als das Land in frei-

er Wildbahn beherbergt. Ein lukratives

Geschäft, nicht nur in Sachen Kno-

chenhandel. Diese Farmen bieten ihre

gezüchteten Löwenjungen als „ver-

waiste“ Tiere zahlenden Touristen zum

Füttern, Schmusen und Spazieren-

gehen an. Weil die von Hand aufgezo-

genen Löwen nicht mehr ausgewildert

werden können, landen viele in der

Gatterjagd – eine Form der Trophäen-

jagd, die den Großkatzen keine Chance

lässt, ihrem Jäger zu entkommen.

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Warum aber sind Löwenknochen plötz-

lich so begehrt? Es gibt immer weniger

Tiger, die für angebliche medizinische

Zwecke ausgeschlachtet werden kön-

nen. Außerdem zeigen die Bemühungen

um Handelskontrollen mit Tigerteilen

erste Erfolge. Löwenknochen werden

daher zunehmend als Ersatz für die

Knochen der Tiger eingesetzt und zum

Beispiel zu sogenanntem Knochenwein

verarbeitet, der gegen Krankheiten wie

Rheuma und Arthritis helfen soll.

So werden immer öfter bei Razzien

gegen illegalen Wildtierhandel in

Asien auch Löwenteile gefunden. Wie

viele Löwen für fragwürdige medi-

zinische Zwecke gewildert werden,

ist unbekannt. Fatalerweise ist der

internationale Schwarzhandel mit

Löwenteilen bislang erst wenig

untersucht.

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