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Prof. Dr. Nele Matz-Lück 22. Juni 2018
Examensübungsklausur im Öffentlichen Recht
SACHVERHALT
Ärger mit und in der Bundesregierung
Erster Aufgabenteil:
Am 4. August 2017 nimmt Bundespräsident B im Vorfeld der Bundestagswahl an einer
Gesprächsrunde vor mehreren Hundert Berufsschülern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren in einem
Schulzentrum in Berlin teil. In der Veranstaltung weist der Bundespräsident unter anderem auf die
Bedeutung von freien Wahlen für die Demokratie hin und fordert die Schülerinnen und Schüler zu
mehr sozialem und politischem Engagement auf. Auf die Frage einer Schülerin geht er auch auf die
von der A-Partei organisierten Proteste gegen eine Asylbewerberunterkunft in der Stadt ein, an der
neben Mitgliedern und Unterstützern der A-Partei eine Vielzahl weiterer „besorgter Bürger“
teilgenommen haben. Die Demonstranten forderten laut skandierend u.a. den besseren Schutz
„unserer deutschen Frauen und Mädchen“ vor „kriminellen so genannten Flüchtlingen“. Als Reaktion
darauf organisierte ein Stadteilverein am nächsten Tag spontan ein Straßenfest gegen Rassismus. Zu
den Protesten gegen die Unterkunft und die darauf folgenden Veranstaltungen für mehr Toleranz
äußert der Bundespräsident sich vor den Berufsschülerinnen und -schülern u.a. wie folgt: „Wir
brauchen Bürgerinnen und Bürger, die auf die Straße gehen, um den Spinnern ihre Grenzen
aufweisen. Ich bin stolz, Präsident eines Landes zu sein, in dem die Bürger Demokratie und
Menschlichkeit aktiv verteidigen, ob auf der Straße oder an der Wahlurne. Ich möchte Sie alle
ausdrücklich zu mehr Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit auffordern!“
Bundesjustizminister J wird am selben Abend von der Presse mit den Äußerungen des B konfrontiert.
Spontan äußert er sich dazu wie folgt: „Auch ein Bundespräsident hat ein Recht auf eine eigene
Meinung. Es steht ihm daher auch zu, Ereignisse mit politischer Relevanz so zu werten, wie er es für
richtig hält und jungen Menschen als moralischer Kompass zu dienen. Ob die Bundesregierung
insgesamt derselben Auffassung wie der Bundespräsident ist, kann ich nicht sagen. Das steht auch
gar nicht zur Debatte. Ich persönlich und als Mitglied einer christlichen Partei teile die Meinung des
Bundespräsidenten einschließlich seiner konkreten Äußerungen allerdings uneingeschränkt.“
Da die A-Partei für den 12. August 2017 unter dem Motto „Rote Karte für Merkel“ in Berlin eine
Demonstration gegen die Asylpolitik der Bundesrepublik angekündigt hat, lässt J am 5. August 2017
mittels einer Presseerklärung über die Homepage des Ministeriums erklären, dass es Zeit sei, endlich
juristische Mittel gegen die A-Partei zu ergreifen. Sprecher der A-Partei würden mittels der geplanten
Versammlung der Radikalisierung der Gesellschaft Vorschub leisten. Nicht der Kanzlerin, sondern den
Sprecherinnen und Sprechen der A-Partei müsste wegen der offen betriebenen Volksverhetzung die
„rote Karte“ gezeigt werden. Das Ministerium sei dabei zu prüfen, ob ein Parteiverbotsverfahren
eingeleitet werden könne.
Die A-Partei sieht sich durch die jeweiligen Äußerungen des B und des J sowie durch die
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Pressemitteilung auf der Homepage des Justizministeriums in ihrem Recht auf Chancengleichheit
verletzt. Der Meinungswettbewerb der Parteien dürfe nicht von staatlicher Seite beeinflusst oder
verfälscht werden. Dem Bundespräsidenten stehe es als „pouvoir neutre“ gar nicht zu, sich zu
politischen Parteien wertend zu äußern oder gar vor ihnen zu warnen. Insbesondere aber dürfe er
dies nicht in der heißen Phase des Wahlkampfs vor einer großen Gruppe von Erstwählern. Im Übrigen
verstießen die vom Bundespräsidenten ausgesprochenen „Warnungen“ auch gegen das
Sachlichkeitsgebot. Die Bezeichnung von Mitgliedern und Unterstützern der A-Partei als „Spinner“
verlasse den Boden einer sachlichen Diskussion und stelle eine unzulässige Schmähkritik dar. Soweit
der J sich die Äußerungen des B zu eigen macht und darüber hinaus eine eigene Stellungnahme zur
A-Partei veröffentliche, ist die A-Partei der Meinung, die Regierung müsse sich im Wahlkampf
ohnehin bei jeglicher Öffentlichkeitsarbeit zurückhalten.
Die A-Partei hat deshalb form- und fristgerecht das BVerfG angerufen und beantragt, festzustellen,
dass B und J durch ihre Äußerungen gegen ihre jeweiligen verfassungsmäßigen Pflichten verstoßen
haben.
Außerdem möchte die A-Partei erreichen, dass die Pressemitteilung noch vor der Versammlung am
12. August 2017 von der Homepage des Ministeriums verschwindet.
B hält dem entgegen, dass seine Äußerung zum einen keine angreifbare Maßnahme darstelle, er zum
anderen aber als Hüter der Verfassung klar Stellung beziehen könne. Auch J bezweifelt, dass seine
Äußerung eine angreifbare Maßnahme darstelle, weil er sich im Gespräch mit der Presse als
Privatperson geäußert habe. Außerdem habe er die Worte des B nicht noch einmal wiederholt, so
dass darin weder eine offizielle Warnung vor einer Partei noch eine ehrangreifende Äußerung liege.
Im Übrigen lägen sachliche Gründe vor, die Aussichten eines Parteiverbotsverfahren zu prüfen und
darüber müsse er als Justizminister die Öffentlichkeit auch informieren dürfen. Mit der Begrifflichkeit
der „roten Karte“ habe er zum einen darauf angespielt und zum anderen nur die Terminologie der A-
Partei aufgegriffen.
Wie wird das BVerfG über die Anträge der A-Partei entscheiden?
Zweiter Aufgabenteil:
Bundeskanzlerin K ist der Auffassung, man müsse sich mit den europäischen Partnern über ein
Neuordnung der Asylpolitik einigen. Einen deutschen Alleingang könne es innerhalb des geltenden
Dublin-Systems nicht geben. Bundesinnenminister I ist demgegenüber der Meinung, es sei endlich
Zeit zu handeln. Er möchte, dass an der deutschen Staatsgrenze geprüft werde, ob ein Asylbewerber
bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat registriert sei. In diesen Fällen müssten Personen direkt
an der Grenze zurückgewiesen werden, weil es sich gezeigt habe, dass die spätere Rückführung nur
unzureichend umgesetzt werde. Mit dem Vorwurf konfrontiert, dass eine solche Praxis mit dem
europäischen Recht nicht konform gehe, bezeichnet er dies als Defizit des Unionsrechts, das
Deutschland nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Nachdem keine Einigung innerhalb der
Bundesregierung erzielt werden konnte, weist I die Bundespolizei an, die Grenzen für solche
Asylbewerber zu schließen, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat registriert sind.
Welche verfassungsrechtlichen Möglichkeiten hat die K?
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Lösungshinweise:
Bei der Klausur handelt es sich inhaltlich um eine Arbeit im Bereich des unteren Schwierigkeitsgrads.
Es handelt sich im ersten Aufgabenteil in prozessualer und materieller Hinsicht um
Standardprobleme, die zudem sehr eng an die entsprechenden Urteile des BVerfG angelehnt sind.
Auch der zweite Aufgabenteil erfordert die Auseinandersetzung mit einer Standardfrage, wenngleich
im aktuellen Gewand. Der Umfang der Arbeit mit zwei Aufgabenteilen, verschiedenen Personen und
Anträgen erfordert allerdings eine zügige Bearbeitung.
Erster Aufgabenteil
A) Organstreitverfahren gegen B
I. Zulässigkeit des Antrags
1. Zuständigkeit des BVerfG
Das BVerfG entscheidet gem. Art. 93 I Nr. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 5, 63 f. BVerfGG im
Organstreitverfahren über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von
Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eine obersten Bundesorgans
oder anderer Beteiligter
2. Beteiligtenfähigkeit
a) Antragstellerin
(P) Art. 93 I Nr. 1 GG verweist auf die Statthaftigkeit des Organstreitverfahrens in
Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundes
Organes oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der
Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet
sind. § 63 BVerfGG beschränkt den Kreis der Antragsberechtigten im
Organstreitverfahren demgegenüber auf bestimmte Staatsorgane und Organteile, zu
denen politische Parteien nicht gehören. Der weiter gefasste Art. 93 I Nr. 1 GG
genießt als Verfassungsnorm Geltung Vorrang, so dass § 63 BVerfGG vor diesem
Hintergrund problematisch erscheint. Teilweise wird die Vorschrift als
verfassungswidrig und teilnichtig angesehen, so das eine Antragsberechtigung
unmittelbar auf das Grundgesetz gestützt wird. Das B könne durch eine
einfachgesetzliche Norm nicht in seinen Zuständigkeiten beschränkt werden. Eine
erweiternde Auslegung des § 63 BVerfGG komme wegen des eindeutigen Wortlautes
nicht in Betracht.
Andere Stimmen in der Literatur nehmen eine solche korrigierende Auslegung vor,
um die Verfassungswidrigkeit der Norm zu vermeiden.
Das BVerfG berücksichtigt den Wortlaut des § 63 BVerfGG bei der Bestimmung des
Kreises der Antragsberechtigten nicht, sondern erkennt die politischen Parteien als
„andere Beteiligte“ an.
„Der Antragstellerin steht zur Verfolgung ihres Anliegens der Organstreit offen. Sie macht geltend
als politische Partei durch eine Maßnahme des Antragsgegners als anderes Verfassungsorgan …
in ihrem Recht auf Chancengleichheit bei Wahlen gemäß Art. 21 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1 GG verletzt
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zu sein …“ BVerfGE 136, 323, 330 (Rn. 22).
Die A-Partei ist als politische Partei durch Art. 21 GG (ggf. i.V.m. Art. 38 GG) mit
eigenen Rechten ausgestattet. Nach allen vertretenen Ansichten kann sie trotz des
entgegenstehenden Wortlautes des § 63 BVerfGG daher antragsberechtigt im
Organstreitverfahren sein, sofern ihre Rechte als politische Partei in Rede stehen.
Hinweis: Machen Parteien dagegen Grundrechtsverletzungen geltend, so ist nicht
das Organstreitverfahren einschlägig. In diesem Fall steht Parteien nach
entsprechender Erschöpfung des Rechtswegs (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) die
Verfassungsbeschwerde offen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG).
b) Antragsgegner
Der Bundespräsident ist tauglicher Antragsgegner im Organstreitverfahren. Als
oberstes Bundesorgan im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 HS 1 GG ist er in § 63 Hs. 1
BVerfGG ausdrücklich genannt.
3. Antragsgegenstand
Tauglicher Antragsgegenstand ist jede rechtserhebliche Maßnahme oder
Unterlassung. Bei bloßen Meinungsäußerungen, an die keinerlei rechtliche
Auswirkungen genknüpft sind, fehlt es an der Rechtserheblichkeit (BVerfGE 57, 1, 7).
Die öffentliche Äußerung des Bundespräsidenten während des Wahlkampfes ist eine
rechtserhebliche Maßnahme i.S.d. § 64 BVerfGG, die mit dem Organstreitverfahren
angegriffen werden kann. Sie ist rechtserheblich, weil sie in die Chancengleichheit
der Parteien eingreifen kann.
„… Die Antragstellerin wendet sich gegen eine rechtserhebliche Maßnahme (…), indem sie
behauptet, der Antragsgegner habe die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner
Äußerungsbefugnisse überschritten und damit zulasten der Antragstellerin unzulässig in den
Wahlkampf eingewirkt …“ BVerfGE 136, 323, 331 (Rn. 22).
4. Antragsbefugnis
Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller geltend macht, dass er
(oder das Organ, dem er angehört), durch die Maßnahme oder Unterlassung des
Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und
Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist (§ 64 Abs. 1 BVerfGG). Die
Verletzung der A-Partei in ihren Rechten aus Art. 21 GG scheint jedenfalls möglich,
weil nicht ausgeschlossen ist, dass der Bundespräsident die Grenzen seiner
verfassungsrechtlich gewährleisteten Rederecht überschritten hat und dadurch das
Recht der A-Partei auf Chancengleichheit im Wahlkampf verletzt hat.
„Nach ihrem Vortrag erscheint es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der
Antragsgegner durch die angegriffene Äußerung das Recht der Antragstellerin auf
Chancengleichheit bei Wahlen verletzt hat.“
5. Form und Frist
§§ 23 Abs. 1, 64 Abs. 2 BVerfGG: schriftlich mit Begründung; §64 Abs. 3 BVerfGG:
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sechs Monate nach Bekanntwerden.
Laut Hinweis im SV wurde das Verfahren form- und fristgerecht eingeleitet.
Der Antrag der A-Partei ist zulässig.
II. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die gerügte Maßnahme oder Unterlassung
verfassungswidrig ist.
Auf eine subjektive Rechtsverletzung kommt es nach dem Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Nr.
1, § 67 S. 1 BVerfGG nicht an. Das BVerfG nimmt eine subjektive Rechtsverletzung
neuerdings in den Obersatz auf, ohne dies jedoch zu begründen. Für die Prüfung eines
Rechtsverletzung spricht die Natur des Organstreitverfahrens als kontradiktorisches
Verfahren.
1. Äußerungsrecht des Bundespräsidenten
Fraglich ist zunächst, ob der B überhaupt zu negativen Äußerungen über politische
Parteien befugt ist. Die Befugnisse des Bundespräsidenten sind weder in einem
Katalog seiner Zuständigkeiten noch in einer Generalklausel aufgeführt, sondern
finden sich in verschiedenen Vorschriften des GG (z.B. Art. 59, 60, 63, 64 GG).
Allgemeine Befugnisse ergeben sich ferner unmittelbar aus seiner Stellung als
Staatsoberhaupt. Dazu gehört neben einer Repräsentationsfunktion u.a. die
Wahrnehmung einer integrativen Rolle im Staatswesen und damit
zusammenhängend auch eine Einflussnahme auf die staatliche Willensbildung. Wie
er diese Rolle ausfüllt, liegt grundsätzlich im Ermessen des Amtsinhabers.
Bei staatlichen Äußerungen wird zunehmend eine gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage gefordert, vor allem wenn die Äußerung einen Eingriff in
subjektive Rechte darstellt. Überwiegend wird es jedoch für ausreichend erachtet,
wenn sich das Staatsorgan bei Äußerungen im Rahmen der ihm zugewiesenen
Aufgaben bewegt. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage bedarf es dann nicht.
„[22] Der Bundespräsident kann … den mit dem Amt verbundenen Erwartungen nur gerecht
werden, wenn er auf gesellschaftliche Entwicklungen und allgemein- politische
Herausforderungen entsprechend seiner Einschätzung eingehen kann und dabei in der Wahl der
Themen ebenso frei ist wie in der Entscheidung über die jeweils angemessene
Kommunikationsform. Der Bundespräsident bedarf daher, auch soweit er auf Fehlentwicklungen
hinweist oder vor Gefahren warnt und da- bei die von ihm als Verursacher ausgemachten
Kreise oder Personen benennt, über die seinem Amt immanente Befugnis zu öffentlicher
Äußerung hinaus keiner gesetzlichen Ermächtigung.“
Der B war daher grundsätzlich befugt, zu aktuellen gesellschaftliche Entwicklungen
Stellung zu beziehen und in diesem Zusammenhang auch Warnungen vor Gefahren
für die Demokratie auszusprechen und für mehr gesellschaftliches Engagement zur
Abwehr dieser Gefahren zu werben.
2. Grenzen des Äußerungsrechts
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Trotz der weitgehenden Freiheit ergeben sich Grenzen der Äußerungsbefugnis des
Bundespräsidenten unmittelbar aus dem Grundgesetz. Auch der Bundespräsident
übt Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 4 GG aus. Er ist daher gemäß Art. 1 Abs. 3
und Art. 20 Abs. 3 GG an die Grundrechte sowie an Gesetz und Recht gebunden. In
der Eile Formel (Art. 56 GG) kommt dies zum Ausdruck. Mittelbar ergibt sich das
auch aus den Immunitätsregeln sowie den Voraussetzungen für eine
Präsidentenanklage.
Daraus, dass der Bundespräsident nicht „über dem Gesetz“ steht, folgt, dass er das
Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG und,
soweit es um die Chancengleichheit bei Wahlen geht, aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 38
Abs. 1 Grundgesetz zu beachten hat.
Dieses Recht kann insbesondere dadurch verletzt werden, dass Staatsorgane die
Wahl unzulässig beeinflussen, wenn sie zugunsten oder zulasten einer politischen
Partei in den Wahlkampf eingreifen. Da alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20
Abs. 2 Satz 1 GG), folgt für die Staatsorgane die Pflicht die parteipolitische Neutralität
zu wahren. Auch negative Werturteile über die Ziele und Betätigung einer Partei
können die Chancengleichheit verletzen. Sie sind jedenfalls dann unzulässig, wenn
sie auf sachfremden Erwägungen beruhen und damit willkürlich erscheinen.
Für den Bundespräsidenten gelten aufgrund seiner besonderen Stellung als
Staatsoberhaupt im Ergebnis aber weniger strenge Neutralitätspflichten als für die
Bundesregierung.
„Weder steht der Bundespräsident mit den politischen Parteien in direktem
Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses, noch stehen im Mittel zur
Verfügung, die es ihm wie etwa der Bundesregierung ermöglichten, durch eine
ausgreifende Informationspolitik auf die Meinung-Willensbildung des Volkes
einzuwirken. Es gehört auch nicht zu seinen Befugnissen, die Öffentlichkeit
regelmäßig über radikale Bestrebungen zu informieren oder über einen Antrag auf
Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei (Art. 21 Abs. 2 GG) zu befinden.
Äußerungen des Bundespräsidenten haben andererseits kraft seiner Stellung
besonderes Gewicht, und eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem
Bundespräsidenten folgt anderen Gegebenheiten als die mit direkten politischen
Konkurrenten oder einer von ihnen getragenen Bundesregierung. Folglich sind die
Grenzen der Äußerungsbefugnis des Bundespräsidenten gesondert zu bestimmen.“
BVerfGE 136, 323, 334 f. (Rn. 30)
Äußerungen des Bundespräsidenten sind dann verfassungsrechtlich zu beanstanden
wenn er mit ihnen unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsaufgabe und
damit willkürlich zulasten einer Partei eingreift.
Wenn man die Äußerungen des B im Gesamtzusammenhang betrachtet, sind sie von
dem weiten Beurteilungsspielraum der Wahrnehmung seiner Integrationsfunktion
noch gedeckt.
Hintergrund der Äußerungen ist ein konkreter Anlass von Protesten der A-Partei und
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ihren Unterstützern und darauf folgendes Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit,
sodass der Vorwurf der Willkür nicht trägt. Auch gibt der Bundespräsident keine
eindeutige Wahlempfehlung für eine konkrete Partei ab, sondern verweist lediglich
darauf, dass politisches Engagement auf der Straße oder an der Wahlurne für die
Verteidigung der Demokratie unerlässlich ist. Aus dem Zusammenhang der
Äußerungen des B lässt sich aber indirekt der Schluss ziehen, dass er empfiehlt, die
A-Partei jedenfalls nicht zu wählen. Hintergrund dafür ist aber wiederum der
konkrete Anlass der Proteste der A-Partei und ihrer Unterstützerinnen und
Unterstützer gegen eine Flüchtlingsunterkunft und der Vorwurf, es an
Menschlichkeit vermissen zu lassen, und keine Willkür. (Andere Auffassung mit
entsprechender Begründung vertretbar).
Fraglich ist außerdem, ob die Verwendung des Wortes „Spinner“ von der
Äußerungsbefugnis mit umfasst ist. Die Bezeichnung als „Spinner“ ist ein negatives
Werturteil über die Antragstellerin. Isoliert betrachtet kann dieses durchaus als
diffamierend empfunden werden und auf eine unsachliche Ausgrenzung hinweisen.
Im Gesamtzusammenhang mit den Äußerungen des B lässt sich dieser Eindruck
möglicherweise relativieren. Es ließe sich argumentieren, dass der B der Auffassung
Nachdruck verleihen möchte, die Antragstellerin und ihrer Unterstützer ließen es an
Menschlichkeit vermissen, fänden sich aber einer Mehrheit gegenüber, die sich
gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zur Wehr setzt. Dann würde auch die
konkrete Wortwahl nicht zu einer Überschreitung des Äußerungsrechts im Hinblick
auf politische Parteien führen. Andere Auffassung gut vertretbar!
Im zu Grunde liegenden Fall vor dem BVerfG ergab sich klarer, dass der damalige
Bundespräsident eine Einordnung der NPD-Anhänger als unbelehrbar vornehmen
wollte:
„Die mit der Bezeichnung „Spinner Ausführungszeichen vorgenommene Zuspitzung
sollte den Teilnehmern an der Veranstaltung nicht nur die unbelehrbaren Zeit der so
angesprochenen verdeutlichen, sondern auch hervorheben, dass sie ihre Ideologie
vergeblich durchzusetzen hofften, wenn die Bürger ihnen „ihre Grenzen aufweisen“. In
dem der Antragsgegner, anknüpfend an die aus der Unrechtsherrschaft des
Nationalsozialismus zu ziehenden Lehren, zu bürgerschaftlichem Engagement
gegenüber politischen Ansichten, von denen seiner Auffassung nach Gefahren für die
freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen und die er von der
Antragstellerin vertreten sieht, aufgerufen hat, hat er für die dem Grundgesetz
entsprechende Form der Auseinandersetzung mit solchen Ansichten geworben und
damit die ihm von Verfassung wegen gesetzten Grenzen negativer öffentlicher
Äußerungen über politische Parteien nicht überschritten.“ BVerfGE 136, 323, 337 f.
(Rn. 36)
III. Ergebnis
Das Organstreitverfahren gegen B ist zulässig, aber unbegründet. (Andere Auffassung
vertretbar, wenn man entweder die indirekte Empfehlung, die A-Partei nicht zu wählen,
als unzulässige Einwirkung oder die Bezeichnung als „Spinner“ als unsachlich wertet und
daher eine Überschreitung der Äußerungsbefugnis annimmt.)
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B) Organstreitverfahren gegen J
I. Zulässigkeit
Zur Zulässigkeit des Organstreitverfahren gilt im Wesentlichen das oben Gesagte. Der J ist
tauglicher Antragsgegner, weil nicht nur die Bundesregierung als Ganze, sondern auch
einzelne Minister mit Rechten und Pflichten ausgestattet sind (Art. 65 Satz 2 GG).
Der Antrag der A-Partei gegen J ist zulässig.
II. Begründetheit
Im Gegensatz zum Bundespräsidenten unterliegen Staatsorgane aufgrund ihrer
herausgehobenen Stellung einem strikten Neutralitätsgebot, aus dem folgt, dass sie
grundsätzlich nicht zugunsten oder zulasten einer Partei in den Wahlkampf eingreifen dürfen
(BVerfGE 44, 125, 146). Es ist den Staatsorganen zu eigen, dass sie über mediale und
finanzielle Mittel verfügen, die geeignet sind, die Chancengleichheit der Parteien erheblich zu
beeinträchtigen, wenn sie zur Beeinflussung des Wahlkampfes eingesetzt werden.
Fraglich ist im vorliegenden Fall aber der Amtsbezug, d.h. ob J sich in seiner Funktion als
Bundesjustizminister geäußert hat oder als Parteipolitiker oder als Privatmann. Politiker,
auch wenn sie ein Amt bekleiden können vor Wahlen nicht alle Auftritte in der Öffentlichkeit
meiden. Aus dem Neutralitätsgebot folgt also nicht, dass Mitglieder der Bundesregierung
sind in der Wahlkampfphase gar nicht mehr in den Medien zu aktuellen Themen äußern
dürften. Je mehr allerdings das Amt Grundlage der Äußerung war, desto eher handelt es sich
bei einer Äußerung zulasten einer Partei um einen unzulässigen Eingriff in die
Chancengleichheit. Entscheidend ist daher, ob eine Äußerung tatsächlich als Staatsorgan
getätigt wurde und welche Eingriffsintensität diese hatte.
Der J gibt ein Interview. Er handelt sich dabei nicht um eine Inanspruchnahme hoheitlicher
Funktionen. Ob er das Interview als Bundesjustizminister oder als Parteipolitiker gibt, geht
aus dem SV nicht hervor. J distanziert sich aber ausdrücklich von seinem Amt. Er gibt an,
weder im Namen der Bundesregierung zu sprechen, sondern als Privatmann und
Parteipolitiker. Er spricht daher gerade nicht mit der Autorität des Amtes aus einer
herausgehobenen Stellung. Das spricht gegen eine Verletzung des Neutralitätsgebotes von
Mitgliedern der Bundesregierung. Auch ist die Eingriffsintensität im Übrigen eher gering
einzuschätzen, weil er die konkreten Äußerungen selbst nicht wiederholt.
III. Ergebnis
Der Antrag gegen J ist zulässig, aber unbegründet.
C) Einstweilige Anordnung
I. Zulässigkeit
1. Zuständigkeit
Das BVerfG kann gem. § 32 BVerfGG einen Zustand vorläufig regeln, wenn dies zu
Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem
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anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Immer dann, wenn ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens für den Antragsteller
unzumutbar ist bzw. zu einem nicht oder schwer wieder gut zu machenden Zustand
führt, kann einstweiliger Rechtsschutz nach § 32 BVerfGG beantragt werden (BVerfG,
Beschl. v. 17. 7. 2002 – 2 BvR 1027/02
2. Statthaftigkeit des Antrags
§ 32 BVerfGG setzt keine bestimmtes Hauptsacheverfahren voraus, so dass eine
einstweilige Anordnung beantragt werden kann, wenn in der Hauptsache ein
Organstreitverfahren einschlägig ist.
3. Antragsberechtigung
Jeder, der im Hauptsacheverfahren antragsberechtigt ist. Die A-Partei ist im
konkreten Fall der Rüge der Verletzung in ihrer Chancengleichheit als Partei im
Organstreit antragsberechtigt (s.o.).
4. Keine offensichtliche Unzulässigkeit der Hauptsache
Es bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Hauptsache.
5. Keine Vorwegnahme der Hauptsache
Durch die einstweilige Anordnung darf ein Zustand nur vorläufig geregelt werden.
Liegt darin zugleich die abschließende Entscheidung über die Hauptsache, ist der
Antrag unzulässig. Das BVerfG macht davon in engen Grenzen Ausnahmen.
Vorliegend begehrt die A-Partei, dass das Statement von der Homepage noch vor der
Versammlung entfernt wird. In der Hauptsache geht es um die Frage, ob der J ein
solches Statement, das terminologisch Bezug zur geplanten Versammlung hat, im
Übrigen aber auf ein mögliches Parteiverbotsverfahren hinweist, veröffentlichen
durfte oder ob dieses die Chancengleichheit der Parteien gem. Art. 21 Abs. 1 GG
(i.V.m. Art. 38 GG wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der Bundestagswahl)
verletzt. Diese Frage wird durch eine einstweilige Anordnung nicht endgültig
entschieden. Selbst wenn J das Statement vor der Versammlung vorerst von der
Internetseite entfernen muss, steht es im frei, im Falle des Obsiegens in der
Hauptsache das Statement wieder zu veröffentlichen und über die Möglichkeit der
Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens zu informieren. Es entfällt lediglich der
zeitliche Zusammenhang mit der Versammlung und ggf. der zeitliche Zusammenhang
mit der Bundestagswahl. Die Frage aber, welche Grenzen der Bundesregierung von
der Verfassung gesetzt werden, wenn sie sich zu Parteien äußert und in welcher
Form sie dies tun darf, bleibt bestehen.
6. Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis kann entfallen, wenn über die Hauptsache rechtzeitig
entschieden werden kann oder der Antragsteller sein Ziel auf anderem Weg leichter
erreichen kann. Dafür sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Insbesondere wird über
den Antrag in der Hauptsache nicht kurzfristig und vor der Versammlung entschieden
werden.
7. Form und Frist
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Eine Frist ist nicht vorgesehen. Aufgrund des Zusammenhangs von einstweiliger
Anordnung und Hauptsache, ist erstere unzulässig, wenn der Antrag in der
Hauptsache verfristet ist. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Antrag ist
schriftlich zu stellen und zu begründen, § 23 BVerfGG.
II. Begründetheit
Das BVerfG nimmt eine Folgenabwägung im Sinne einer Doppelhypothese vor. Eine
summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (wie bei §§ 80 Abs. 5, 123
VwGO) findet nicht statt. Trotzdem gilt, dass wenn der Antrag in der Hauptsache
offensichtlich unbegründet ist, auch Antrag gem. § 32 BVerfGG unbegründet ist. Ist die
Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, dann wird grundsätzlich auch eine Anordnung
gem. § 32 BVerfGG ergehen.
Wenn der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache weder offensichtlich begründet noch
unbegründet ist, findet eine Nachteilsabwägung statt.
Doppelhypothese: Abwägung der Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige
Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, gegenüber den
Nachteilen, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, sich das
Hauptsacheverfahren aber als anschließend als unbegründet erweisen würde.
Im vorliegenden Fall könnte erörtert werden, ob das Hauptsacheverfahren offensichtlich
begründet ist, wenn man davon ausgeht, dass zumindest in der heißen Wahlkampfphase
seitens des J auch nicht sachlich über die mögliche Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens
informiert werden dürfe. Der J nutzt sein Amt, um vor einer bisher nicht verbotenen und am
Wahlkampf beteiligten Partei zu warnen. Ein Parteiverbotsverfahren ist bisher nicht
eingeleitet, so dass der Hinweis auf die Möglichkeit im Vorfeld der Bundestagswahl einem
Werturteil des J bezüglich der Gefährlichkeit der A-Partei für die Demokratie gleichkommt.
Ein solches mit der Autorität des Amtes vorgetragenes Urteil über eine bisher nicht
verbotene Partei, ist offensichtlich geeignet, die Chancengleichheit einer Partei im
Wahlkampf zu beeinträchtigen. Hier sind verschiedene Auffassungen vertretbar.
Auch kann die Mitteilung als Boykott-Aufruf bezüglich der geplanten Versammlung
verstanden werden, so dass auch nicht ausgeschlossen erscheint, dass die A-Partei in ihrem
Recht aus Art. 8 Abs. 1 GG verletzt wird. Die Versammlungsfreiheit erfasst den gesamten
Vorgang des „Sich-Versammelns“ und kann durch faktische Maßnahmen beeinträchtigt
werden (zum Originalfall: BVerfGE 40, 225, 228 (Rn. 10)).
Geht man davon aus, dass eine Nachteilsabwägung vorzunehmen ist, überwiegen die
Nachteile für die A-Partei, wenn die „Warnung“ vor der Versammlung und in der weiteren
Wahlkampfphase auf der Homepage bestehen bleibt, sich in der Hauptsache aber
herausstellt, dass die Pressemitteilung verfassungswidrig ist. Die Beeinträchtigung in der
Chancengleichheit und in der Versammlungsfreiheit kann nicht nachträglich ausgeglichen
werden. Demgegenüber bleibt die Möglichkeit, im Anschluss an die Entscheidung über die
Möglichkeit eines Parteiverbotsverfahrens zu informieren und entsprechend vor der A-Partei
zu warnen bestehen, sollte sich der Antrag in der Hauptsache als unbegründet erweisen. Es
entfällt lediglich der zeitliche Zusammenhang zur Versammlung und entsprechend die
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terminologische Bezugnahme auf das Motto der Veranstaltung, die die Pressemitteilung
aufgreift.
III. Ergebnis
Der Antrag der A-Partei ist erfolgreich. Das BVerfG wird eine einstweilige Anordnung
erlassen, dass die Pressemitteilung von der Homepage vorübergehend, d.h. bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache zu entfernen ist. (siehe auch BVerfGE 40, 225)
Korrekturhinweis: Falls die Bearbeiterinnen und Bearbeiter ein Organstreitverfahren gegen J
auch hinsichtlich der Pressemitteilung bereits geprüft haben, kann sowohl im Rahmen der
Zulässigkeit als auch der Begründetheitsprüfung der eA auf die Hauptsache verwiesen
werden, dennoch ist die Praxis der Prüfung der Doppelhypothese zu erläutern.
Zweiter Aufgabenteil
Fraglich ist, ob K sich mit der Richtlinienkompetenz (Art. 65 S. 1 GG) gegenüber der
Ressortzuständigkeit der Minister (Art. 65 S. 2 GG), hier des I, durchsetzen kann und welche
Möglichkeiten das Grundgesetz zur Durchsetzung bietet.
Die Richtlinienkompetenz und die Ressortzuständigkeit stehen in einem
verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zu den Inhalten und zur Reichweite der Richtlinienkompetenz gegenüber der
eigenverantwortlichen Leitung der ministeriellen Geschäftsbereiche besteht nicht. In der
Praxis ist dies eine Frage, die regelmäßig politisch aufgelöst wird.
Grundsätzlich folgt aus der verfassungsrechtlichen Stellung des Amtes des Bundeskanzlers,
dass ein weiter Einschätzungsspielraum bezüglich des politischen Führungsanspruches
besteht. Begründen lässt sich dies damit, dass der Bundeskanzler die Gesamtverantwortung
für die Bundesregierung trägt (Art. 63,67, 68 GG). Ferner werden die Minister vom
Bundeskanzler ausgewählt (Art. 64 GG). Im vorliegenden Fall liegt es nahe, dass ein
innerstaatlich und europäisch so bedeutsames Thema wie die Frage der Grenzkontrollen im
Zusammenhang mit massenhaften Migrationsbewegungen eine zentrale Herausforderung
der Bundesregierung insgesamt ist. Es spricht daher vieles dafür, dass dieses Thema vom
politischen Führungsanspruch der K und damit von ihrer Richtlinienkompetenz umfasst wird.
Fraglich ist, ob die Zuweisung einer Thematik zu Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers
eine Einzelweisung gegenüber einem Bundesminister deckt. Dann könnte die K den I
anweisen, seinerseits die Anweisung an die Bundespolizei zurückzunehmen. Die K selbst ist
gegenüber den dem Innenministerium unterstellten Bundesbehörden nicht
weisungsberechtigt, weil sie nur die Richtlinien der Politik bestimmt und gerade nicht selbst
für die Ressorts zuständig ist.
Die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Einzelweisung der K an den I von ihrer
Richtlinienkompetenz umfasst wäre oder einen verfassungswidrigen Eingriff in die
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eigenverantwortliche Leitung des Geschäftsbereiches des I darstellt und dadurch das
Ressortprinzip verletzt, ließe sich wiederum im Wege des Organstreitverfahrens gem. Art. 93
Abs. 1 Nr. 1 GG vor dem Bundesverfassungsgericht klären.
Eine andere Möglichkeit, die das Grundgesetz der K bietet, ist den Bundespräsidenten um die
Entlassung des I zu bitten (Art. 64 Abs. 1 GG). Einem solchen Vorschlag hätte der
Bundespräsident zu entsprechen. Da es sich um eine politische Entscheidung handelt, steht
im kein Prüfungsrecht zu.