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Exegese des Neuen Testaments Eine Einführung Thomas Söding Ruhr-Universität Bochum

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Exegese des Neuen Testaments

Eine Einführung

Thomas Söding

Ruhr-Universität Bochum

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Söding, Das Neue Testament und seine Exegese 2

Exegese des Neuen Testaments

In Bochum wird die Exegese des Neuen Testaments nach allen Regeln der Kunst gelehrt und gelernt. Dafür gibt es Proseminare, die in die Methoden der Exegese einführen, Vorlesungen, die die Entstehung der Bibel erhellen und

einzelne Schriften auslegen, aber auch theologische Themen bearbeiten,

und Hauptseminare, in denen der Stoff vertieft wird, überdies Lektürekurse und Kolloquien.

Das Ziel des Studiums im Neuen Testament besteht darin, ein eigenes Urteil über den Sinn, die Bedeutung und die Entstehung neutestamentlicher Texte fällen zu können, so dass ein kritischer Umgang mit Kommentaren, mit Unterrichtsmaterialien und Predigtvorbereitungen möglich ist. Das setzt schrittweise sich erweiternde Kenntnisse über die Geschichte und die Welt der Bibel, über die Probleme und Chancen der Auslegung voraus.

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Söding, Das Neue Testament und seine Exegese 3

Einführung in die Exegese des Neuen Testaments

Diese Präsentation gibt einen ersten Eindruck vom Verständnis des Neuen Testaments und von den Fragen und Methoden der Exegese.

Sie konzentriert sich auf vier Themenbereiche:

1. Das Bild des Menschen

2. Das Verständnis der Offenbarung

3. Die Art und Weise der Theologie

4. Die Methoden der Exegese

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1. Das Menschenbild

Joh 19,1-5Und es trat Pilatus wieder heraus und sagte ihnen: „Siehe, ich führe ihn euch heraus, damit ihr erkennt dass ich keine Schuld an ihm finde.“ So kam Jesus heraus, er trug die Dornenkrone und den Purpurmantel.Und er sprach: „Seht, der Mensch!“

Honorè Daumier, Ecce homo (1851), Öl auf Leinwand, 163 x 130 cm Museum Folkwang, Essen

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1. Das Menschenbild

Das „Ecce homo“ – „Seht, der Mensch“ des Bildes und des Johannesevangeliums weist die Richtung:

Das Christentum hat zwar eine Heilige Schrift, ist aber keine Buchreligion, sondern stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Dieser Mensch ist Jesus von Nazareth, gesehen als Messias, als Menschensohn und Gottessohn, der die Herrschaft Gottes verkündet, vermittelt und verkörpert. Vom Menschenbild, das Jesus zeichnet und darstellt, ist im Christentum die Sicht Gottes, der Welt und des Menschen geprägt.

Joh 19,1-5Und es trat Pilatus wieder heraus und sagte ihnen: „Siehe, ich führe ihn euch heraus, damit ihr erkennt dass ich keine Schuld an ihm finde.“ So kam Jesus heraus, er trug die Dornenkrone und den Purpurmantel.Und er sprach: „Seht, der Mensch!“

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2. Offenbarung

Hieronymus Bosch, Johannes auf Patmos1504/05, Berlin, Gemäldegalerie

„Nicht vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe noch in unseren Tagen, nämlich am Ende der Regierung Domitians.“

Irenäus von Lyon, adversus haereses V 30,3(ca. 180 n.Chr.)

Offb 1,9„Ich, Johannes, euer Bruder und Leidensgenosse im Reich und in der Geduld Jesu, war auf der Insel Patmos wegen des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu. Ergriffen vom Geist am Tag des Herrn, hörte ich hinter mir eine Stimme, stark wie eine Posaune, die sagte: Was du siehst, schreibe es in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea.“

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2. Offenbarung

Was der Seher von Patmos über die Entstehung seines Buches sagt, die Kirchenväter konkretisieren und Hieronymus Bosch ins Bild gesetzt hat, prägt das christliche Offenbarungsverständnis.

Die Bibel ist nach christlichem Verständnis 100 % Gotteswort und 100 % Menschenwort. Die Bibel theologisch zu lesen, heißt, sie im Blick auf die Menschen und ihre Geschichte zu lesen, die die Bibel hervorgebracht und tradiert haben. Umgekehrt: Wer die Bibel als historisches Dokument und als Literatur liest, wird mit dem Glauben derer konfrontiert, denen sie verdankt ist.

Offb 1,9„Ich, Johannes, euer Bruder und Leidensgenosse im Reich und in der Geduld Jesu, war auf der Insel Patmos wegen des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu. Ergriffen vom Geist am Tag des Herrn, hörte ich hinter mir eine Stimme, stark wie eine Posaune, die sagte: Was du siehst, schreibe es in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden nach Ephesus, nach Smyrna, nach Pergamon, nach Thyatira, nach Sardes, nach Philadelphia und nach Laodizea.“

„Nicht vor langer Zeit wurde sie geschaut, sondern beinahe noch in unseren Tagen, nämlich am Ende der Regierung Domitians.“Irenäus von Lyon, adversus

haereses V 30,3(ca. 180 n.Chr.)

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2. Offenbarung

“Deus per hominem more hominum loquitur quia et sic loquendo nos quaerit.”

„Gott spricht durch Menschen nach Menschenart, weil er, so redend, uns sucht.“

Augustinus, De civitate Dei XVII 6,2Corpus Scriptorum Ecclesiastorum Latinorum

40, 2, 228

Augustinus hat das christliche Offenbarungsverständnis auf den Punkt formuliert. Er setzt an beim Grundmotiv der Verkündigung Jesu, das der Grundlinie des Alten Testaments entspricht: Gott ist auf der Suche nach den Menschen, um sie zu finden und in sein Haus, sein Reich, seine Familie zu holen. In dieser Suchbewegung entsteht die Bibel. Sie verdankt sich dem menschlichen Weg Gottes, sein Wort zu verkünden, um der Wahrheit willen.

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3. Theologische Wissenschaft

Zweites Vatikanisches Konzil

„Das Studium der Heiligen Schrift ist die Seele der ganzen Theologie.“(Dei Verbum 24)

Der Petersdom während einer Vollversammulng des Konzils

Die Ruhr-Universität Bochum mit der Katholisch-Theologischen Fakultät im Gebäude GA

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3. Theologische Wissenschaft

Für die Theologie ist es wichtig, an der Universität heimisch zu sein, weil der Glaube sich der kritischen Vernunft aussetzen muss, um über sich selbst Klarheit zu gewinnen.

Für die Universität ist es wichtig, eine Theologische Fakultät zu haben, weil die wissenschaftliche Vernunft zu eng wird, wenn sie die Frage nach Gott ausklammert.

Zweites Vatikanisches Konzil

„Das Studium der Heiligen Schrift ist die Seele der ganzen Theologie.“(Dei Verbum 24)

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4. Fragen und Methoden

Joh 18,37

„Du sagst, dass ich ein König bin, denn dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu bezeugen.“

Papyrus 52 (um 120)John Rylands Library Manchester

Joh 18,31-33 [Ansicht].37-38 [Rückseite]

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4. Fragen und Methoden

P 52 ist das älteste erhaltene Textfragment des Neuen Testaments, ein handtellergroßes Papyrusstück von 120 n. Chr., gefunden in Ägypten. Dieses Fragment bezeugt einen der höchsten Ansprüche, die ein Mensch überhaupt erheben kann.

Die Exegese nimmt diese Spannung auf und macht sie fruchtbar: Kritische Analyse der Texte und Theologische Interpretation gehen Hand in Hand,

Joh 18,37

„Du sagst, dass ich ein König bin, denn dazu bin ich geboren und in die Welt gekommen, um die Wahrheit zu bezeugen.“