16
Experimentelle Clntersuchungen fiber die Quellungsfiihigkeit der verschiedenen Muskelarten in $ iurelSsungen. Von Rudolf Arnold (,Zeitz). (Aus der reed. Klinik zu ,lena. Direktor: Geh. Rat P~-of. Dr. R. Stiutzing.) (P'i:~eganger) am ,~ Fe0rug~r 1914) D urch seine Arbeit fiber das Oedem hat M. H. Fi:cher r) neue Gesichtspunkte in die Frage nach der Entstehung des Oedems gebracht, indem er das i.ibergeordnete Problem: wieso vermag Proto- plasma r Wasser zu binden? zu 16sen versucht. Bisher hatte man lira nach den Ursachen des als klinisches Krankheitssymptom interessierenden Oedems gcforscht und zu seiaer Erklarur)g die verschiedensten Theoricn aufgesteltt. Von diese, er- langten vor allem zwei eine gr6Bere Bedeutung: die eine nahm an, dag eine Aenderung im Drucke des Blutes oder de)" Lyn:phe ffir die Entstehung des Oedems verantwortlieh zu macheu sei und dag infolge erhShten Druckes diese Fliissigkeiten gezwungen wiirden, dutch die Gefii~twand hindurchzutreten. Die zweite Theorie, die besonders durch Experimente yon Pflanzen- physiologen, wie W. Pfeffer und H. de Vries gestfitzt wurde, ging von der Annahme aus, dab die Zellen yon einer Mernbran umgeben wfirden, die ftir Wasser wohl d.urchg~ingig, ffir in Wasser gel6ste Stoffe aber undurchg~ingig sei. Wenn nun der osmotische Druck der die Zelle uragebenden Flfissigkeit gr6Ber oder geringer war als der- jenige, der innerhalb der Zelle herrschte, so sollte diese Wasser auf- nehmen oder abgeben. Die VerfeChter dieser Theorien suchten also die Ursache ffir die Oedembildung augerhalb der Zelle. jedenfalls nieht im Protoplasma der Zellen oder im Gewebe selbst. Diese letztere Auffassung ve~ttitt M,H. Fischer. Durch Versuche an Froschsehenkeln, die dicht oberhalb des Knies abgebunden wurden, und in Fliissigkeiten verschiedcner S~lure-und ~) M. H. Fischer, Das Oedem; deutsche Uebersetzung yon Karl Sehorr "),nd Wo. O~twald (Verlag vol, Theodor Steillkoplf, Dresdetl 1910). 27

Experimentelle Untersuchungen über die Quellungsfähigkeit, der verschiedenen Muskelarten in Säurelösungen

Embed Size (px)

Citation preview

Experimentelle Clntersuchungen fiber die Quellungsfiihigkeit der verschiedenen

Muskelarten in $ iurelSsungen. Von R u d o l f A r n o l d (,Zeitz).

(Aus der reed. Klinik zu ,lena. Direktor: Geh. Rat P~-of. Dr. R. S t i u t z i n g . ) (P'i:~eganger) am ,~ Fe0rug~r 1914)

D urch seine Arbeit fiber das Oedem hat M. H. F i : c h e r r) neue Gesichtspunkte in die Frage nach der Entstehung des Oedems

gebracht, indem er das i.ibergeordnete Problem: wieso vermag Proto- plasma r Wasser zu binden? zu 16sen versucht.

Bisher hatte man lira nach den Ursachen d e s als klinisches Krankheitssymptom interessierenden Oedems gcforscht und zu seiaer Erklarur)g die verschiedensten Theoricn aufgesteltt. Von diese, er- langten vor allem zwei eine gr6Bere Bedeutung: die eine nahm a n , dag eine Aenderung im Drucke des Blutes oder de)" Lyn:phe ffir die Entstehung des Oedems verantwortlieh zu macheu sei und dag infolge erhShten Druckes diese Fliissigkeiten gezwungen wiirden, dutch die Gefii~twand hindurchzutreten.

�9 Die zweite Theorie, die besonders durch Experimente yon Pflanzen- physiologen, wie W. P f e f f e r und H. de V r i e s gestfitzt wurde, ging von der Annahme aus, dab die Zellen yon einer Mernbran umgeben wfirden, die ftir Wasser wohl d.urchg~ingig, ffir in Wasser gel6ste Stoffe aber undurchg~ingig sei. Wenn nun der osmotische Druck der die Zelle uragebenden Flfissigkeit gr6Ber oder geringer war als der- jenige, der innerhalb der Zelle herrschte, so sollte diese Wasser auf- nehmen oder abgeben.

Die VerfeChter dieser Theorien suchten also die Ursache ffir die Oedembildung augerhalb der Zelle. jedenfalls nieht im Protoplasma der Zellen oder im Gewebe selbst. Diese letztere Auffassung ve~ttitt M,H . F i s c h e r .

Durch Versuche an Froschsehenkeln, die dicht oberhalb des Knies abgebunden wurden, und in Fliissigkeiten verschiedcner S~lure-und

~) M. H. F i s che r , Das Oedem; deutsche Uebersetzung yon Karl Sehor r "),nd Wo. O ~ t w a l d (Verlag vol, Theodor Steillkoplf, Dresdetl 1910).

27

4 1 ~ KOLLO'IDCHEMISCHE BEtHEFTE J3AND V, HEFT 11--12

Alkaleszenzgrade getaucht wurden, zeigte er, dab eine 6dernat6se Schwellung resp. eine Wasserzunahme der Gewebe auch nacb Auf- hebung jeder Zirkulation entstehen kann, und wollte damit die Unhalt- barkeit iener zuerst erw~ihnten Theorien erweisen.

Gr6Bere Versuchsreihen wurden notwendig, urn auch die zweite Theorie, die Annahme besonderer, f/ir Salze impermeabler Zetlmem- branen als nicht zwingend zu erweisen. Auch in dieser Richtung liegen M. H. F i s c h e r ' s Studien auf dem Qebiete der Kolloidchemie.

Wit teilen die Kolhfide nach dem Vorgange yon J. P e r r i n , Wo. O s t w a l d l ) , i-I. F r e u n d t i c h usw. e in in lyophile undlyophobe. Die Hauptmasse des lebenden Organismus besteht aus kolloidem Material; der gr~Bte Teil desselben geh6rt der lyophilen Gruppe der Kolloide an. Es war daher yon h6chstem Interesse, zunhchst einiges fiber die Quellung lyophiler Kolloide zu erfahren.

M. H. F i s ch e r w~ihlte unter den Vertretern dieser Gruppe das Fibrin und die Gelatine zu seinen Versuchen und land folgende Er~ gebnisse: Bringt man Fibrin in eine S~iuret6sung und in destilliertes Wasser, so quillt es in der S~iurel/Ssung sflirker als in Wasser. Beob- achtet man weiter die Fibrinquellung in fiquinormalen Ltisungen ver- schiedener Sauren, so ergibt sich, dab die Quellung am st~irksten in Salzsaure und am schw~ichsten in Schwefelsaure. erfolgt. F i s c h e r stellte eine Shurereihe auf, deren Reihenfolge den Grad der Quellung angibt: z.B. Salzsfture, Salpeters~iure, Essigs~urel Sehwefels~iure. Es hhngt also der Quellungsgrad yon der S/iurekonzentration ab, ]edoch nicht ill der Weise, da6 eine beliebige Steigerung der S~iurekonzen- tration eine paratlele Erh0hung des Queltungsgrades bewirkt; es wird vielmehr ein Maximum oder Optimum der Quellung erreicht, fiber das hiuaus eine Verminderung der Wasseraufnahme erfolgt (Rever- tiernng der Queltung).

Aehnlich liegen die Quellungsverh~iltnisse des Fibrins in Laugen- 16sungen.

Wenden wit uns ietzt den Quellungsversuchen M. H. F i s c h e r ' s nlit Gelatine zu, so ergeben sich hier manche Analogien zu denen mit Fibrin.

Betrachtet man die Versnche M. H. F i s c h e r ' s und die anderer Autoren vor ibm, wie die yon F. H o f m e i s t e r : ) , Wo. O s t w a l d ~ ) ,

t) Wo. O s t w a i d , Zur Systematik der Kolioide. (Kotl.-Zeit~chr. 1, 291 [fOo71L

'~) F. H o f m e i s t c . r , Archi~" L exper. Patholoff u. Phavm. 27, 395. ~) Wo. O s t w a l d , Plliiger's Arclnv 108, 563.

ARNOLD, QUELI.UNOSF./~HI(.iKEIT DER VERSCI'-IIED, MUSKELARTEN 413

Wo. P a u l i ~) und K. S p i r o 2 ) , so zeigt sich, dab Gelatine ebenso wie Fibrin in S/iurelBsunger~ st~irker quillt als in destilliertem Wasser, und dat~ auch Gelatine in verschiedenen S~urelfsungen in der oben angegebenen Reihenfolge verschieden stark quillt. Auch bei der Gelatine wird ein Konzentrationsopt';mum erreicbt, fiber das hinaus eine Vertnioderung der gebundenen Wassermengen eintritt.

Zwei wichtige Unterschiede in der Quellung des Fibrins und der Gelatine sind zu erw/ihnen. Zun/ichst vermag Fibrirl eine absolut gr6t~ere Wassermenge zu binden als Gelatine, sodantl abet erreicht Fibrin seine maximale Quellung in viel geringer konzentrierten S/iure- 16sungen als Gelatine.

Die Ausffihrungen Fi s c h e r ' s fiber die Quellung des Fibrins ulld der Gelatine in S/iurel6sungen sind ffir seine angeffihrten Versuche und f/ir die Erklarung unserer eigenen Versuchsergebnisse yon Be- deutung.

M. l-I. F ~s c h e r vergleicht n/imlieh die Verh/iltnisse bei der Quel-, lung dieser einfachen lyophilen Kolloide, der Gelatine und des Fibri~s, mit der _Art der Wasserbindung, wie sie im Muskel st~ttfindet.

Interessant sind Zun~ichst die in dieser Richtung nnternommeaen Versuche d. L oeb 's~) , .die zeigten, dag der Gast~'ocne~niusmuskel de.; t"rosehes .in versehiedenen S~iure- und LaugenlOsungen bedeuter~de Wassermengen bindet. 3 . L o e b zog daraus den ScJ~lug, da~ eill Muskel sein Gewicht nicht ~indert, wenn er sich in einer dem Blute isosmotischen L6sung befindet, dagegerJ sein (Sewicht zu-oder ab- nimmt, wenn die L6snng geringeren resp. h6heren Druck hat.

Auch andere Autoren, wie R. E. We b s t e r ~) und E. O v e r t o n "', kamen zu dem Sehlusse, da/~ die Wasserbindung nlJr auf (irund (,~n/x,- fischer Wirkungen zu erkltiren sei. W e b s t e r ' s ~ sorgf~iltige Ur:ter- suchungen zeigten unzweideutig, da~, eintache osmotische Wirkungen ganz auger Frage komme~:. E. O v e r l o n nahm an, dag die Zeile yon einer Membran unlgeben sei, die far einige St0ffe permeabel: f/Jr andere, z. B. Salze, .impern~eabel sei. Diese Theorie mag wohl die Aufnahme lipoidl6slictler Stoffe vers~tindlich i n a c b e n - - d e r os:no- tischen- Men~brane u~n d i e Zelle wurden ~ipoide Eigenscl:mfte~ zuge- sprochen .... ~lber nicht die .Aufnah~ne ~on Salzen, die doct~ nach- weislich in die Zelle einireten kOnnen.

~) Wo. Pau l i , Pflilger's Archiv 67, 219 ~) Ir S pi r o, [-|otmeisler's Beitr~ige zur cicero, t-'l~ysiol. 5, 276. ~) J a q u e s t..()eb, t-~fltige,'s Arct~iv 69, !; 71 175: 75, 303. -*) R a I p h W. 9/e 1~ s t e ~, l.Jl~iversity of Chicago Deceo~iat Poblicatiot~s 10. �9 ~) E. () v eJle.r~, Pfliig~er'.s Archiv r 115.

27*

~][4 KOLLOIDCHEMI$CHE BEIHEFTE BAND V, HEFT 11--1

Diese unbefriedigenden und teilweise den bekannten Tatsachen widersprechenden Ergebnisse der Untersuchungen dieser Autoren erafart M. H. F i s c h e r damit, dab keiner yon ihnen den zeitlichen Veriauf der Wasserbindung des Muskels unter verschiedenen Bedingungen unterst~chte. Er stellte solche Versuehe am Froschmuskel an unti erhielt dabei Resultate, die den oben angef/ihrten fiber d~e Quellung der Gelatine und des Fihrins ~thn|ich sind.

Der in eine S~urel6sung vetbrachte Muskel quillt in dieser Starker als in destilliertem Wasser. lit LiJsungen verschiedener Siiuren ist der Quellungsgrad ein verschieden hoher, und zwar g]eichfa]ls nach MaBgabe der oben erw~ihnlen S~iurereihe: Saizsiiure, Salpeterst~ure, Essigs~ure, Schwefels~iure. Der erreichte Que|lungsgrad des Muskets ist yon der jeweiligen S~iurekonzentration nut bis zu einem hestimmten Punkte abh,'tngig, tiber den hinaus weitere Konzentratianssteigerungen eine Verrninderung der Menge des gebundenen Wassers zur Folge hat.

Dutch die knalogien in der Wasserbindung durch tote KolhJide, Fibrin und Gelatine, und der Wasserbindung dutch den Muskel glaubt M. H. F i s c h e r zu der Fo[gerung berechtigt zu sein, ,,dal~ die Wasserbindung dutch den Muskei in erster Linie durch die Z u- s t a n d s [ o r m der in ibm e~thaltenen Kolloide bestimmt wird", d .h. mit anderen Worten: Jede osmotische Theorie oder die Annahme be- sonderer Zellmembranen ist hinf~illig oder unn6tig, wenn roan die K o ! l o i d e - - - u n d die Zellsubstanz besteht aus einem (Jemisch ver- schiedener kolloider L6sungen - - sis die maflgebenden f:aktoren ansieht, die die Menge des von den Geweben gebundenen Wassers bestimmen.

Die Hauptursache f/it die Entstehung des Oedems w/ire demnaeh also in einer fiber das normale Mal~ hinaus gesteigerten Affiniliit der Kolloide zu Wasser zu suchen, und die Hauptursache fi.ir diese Steigerung sieht M. H. F i s c h e r in einer Anh~iufung yon S~uren in den Geweben,

Ueber den z e i t l i c h e n A b l a u f der Oedembilduug, also der Quellnng, geben Fi s c h e r 's Versuche wertvoUe und interessante Auf- ~chlfisse. Es ergab sich, dab bis zu einer gewisseal Zeit ein Anstieg der gebundenen Wassermenge statffindet, dann aber ein Wasserverlust eintritt, in der graphischen Darstellung also die Kurve,:sich umkehrt (Revertierung). Die Erklarung dieser auff~illigen Erscheinung ist ein- real in dem ~v'erlust an Muskelsubstanz durch AuflOsung in der Siiure oder Laugenliisung zu suchen, der wohl nur eine kleine Rolle spielt, zudenl such in verschiedenen L6sungen m e i s t der gteiche bleibt. Autoiylische Vorg/inge sind dagegen ohne iede Bedeutung, wie ver-

ARNOLD, QUELLUNOSF,~FilOKEIT DER VERSCHIED. MUSKELARTI~N 415

gleichende Untersuchungen mit frischeu und acht Tage bei Zimmer- temperatur aufbewahrten Froschschenkeln ergaben: die Wasserbin- dungskurven waren die gleichen.

Von groBer Bedeutung fi.ir den nachfolgenden Wasserver|ust sind vielmehr vet allem folgende Tatsachen: Wenn man Gelatinestficke in bes t immt konzentrierten SiiurelSsungen der Queliung fiberliiBt, so zeigt es sich, dab bei jeder ErhShung der Konzentration der S~ture eine Vermehrung der Quellunlg stattfindet, jedoch wird ein Konzentrations- optimum erreicht, fiber das hinaus eine weitere Steigerung nicht mehr mit einem Anstieg der Quellungskurve, sondern mit einer Umkehr derselben beantwortet wird. M . H . F i s c h e r zeigte, dab die gleichen Verhaltuisse bei der Siiurequellung des Muskels bestehen und es im Muskel nach seiner Abtrennung vom K/Srper zur Bi~dung yon Sauren komme. Erreichen nun diese im Muskel gebildeten Siiuren eine ge- wisse Konzentration, die das Konzentrationsoptimum ffir die Quellung des Muskels fiberschreitet, so tritt eben ein Wasserverlust auf .

Die bisherigen Er6rtertmgen hat'ten den Zweck, die Wichtigkeit experimenteller Untersuchungen fiber die Quellungsverh/iltnisse des Muskets, besonders in S/iurel/3sungen, im Hinblick auf die so eifrig umstrittene Frage nach der tJ r s a c h e d e s O e d e m s darzulegen. Die Kolloidchemie hat noch in eine andere hiermit verwandte Frage neue Gesichtspunkte gebracht. Diese Frage lautet nach der Kontrak- tilit~it des Muskels.

Nachdem R o l l e t t vergebens nacb einer befricdigenden LSsung des F)roblems gesucht hatte, stellte T h. W. E n g e I m a n n 1) eine Theorie auf, die sich auf die Beobachtung der _M.uskelfasern unter dem Nicol stiJtzte uud besagte, dab die anisotrope Substanz bei der Kontrakfion auf Kosten der isotropen Substanz der Muakelfibrille wachse, und zwar durch Verschiebung von Fliissigkeit; daft es sich ferner bei der Muskelkontraktion urn eine direkte Umwandlung yon W~irme in mecha- nische Energie handele.

Dagegen zeigten F. M e i g s 2 ) und Mc. D o u g a l l : ~ ) , dal~ der absolute Unterschied zwischen isotroper und auisotroper, einfach- und doppeltbrcchender Substartz, nicht bestehe, es sicb vielmehr dabei urn

i) Th. W. E n g e l m a n n , Ueber den Ursprung der Muskelkraft (Le[pzi~ 1893).

~'~ F Meigs, Mechanic, theory of muscul, contraction. (Amer. Joum. of Physiology 14, 1905.)

a) Me, Dougal t , Theory of muscular contraction. (Journ. ol Anat. and Physiology 32, 1898.)

416 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND V, HEFT !1.-12

Fehlerque!len in der Methodik, tefls um graduelle und relative Unter- schiede in der Anisotropie handelt. Nach diesen Autoren geht die Wasserverschiebung bei der Kontraktion nicht, wie Th.W. E n g e l - m an n annahm, zwischen diesen beiden Substanzen vor sich, sondern zwischen der gesamten Fibrille und dem Sarkoplasma.

E n g e t m an n's Theorie war eine thermodynamische, da e r die Muskelkraft aus der bei der physiologischen Verbrennung entwickelten Wfirme ableitet. Th .W. E n g e l m a n n gibt an, daft ein Muskel bei einer Zuckung um 0,001 0 C warmer wird und die f/Jr die Konktrak- tion verf/igbare Energie durch Verbrennung yon Kohlehydraten zu COo und H~O geliefert wird, und berechnet daraus, dog nur 0,004 mg Kohlehydrat in jedem Qramm Muskelsubstanz verbrannt zu werden braucht, urn d~ : ganzen Effekt hervorzurufen. Die Temperatur der Verbrennungsherde, die doppeltbrechenden Teilchen des Muskels, sollen denn auch eine so hohe Tempera tur zeigen, daft nur ihre Kleinheit und geringe Zaht es verhindert, sie leuchten zu sehen.

Dieser thermodynamischen Theorie E n g e I m a n n's trat B l e - d e r m an n~) in seiner Abhandlung ,Ueber die vergleicbende Physio- logie der irritablen Substanzen" insofern entgegen, als er die Haupt- ursache f/Jr die Muskelkontraktionen in chemischen Vorg~ingen, in der Quelhmg der im Muskel enthaltenen Kolloide suchte.

Wie B i e d e r m a n n ausf/ihrt, zeigen die Vorg~inge bei der Quellung der Muskelfaser in vieler Beziehung Aehnlichkeit mit denen bei der Quellung gewisser Kolloide, besonders der einer weichen Ge- latinegallerte. Diese besitzt wie alle kontrakti!en Substanzen im Tier- reich in gedehntem Zustande die Eigenschaft der Doppeltbrechung, ist kontraktionsfahig, d. h. sie quillt in L6sungen chemischer Rea- genzien, z. B. S/iuren. Je starker nun die Dehnung wird, umso deut- licher tritt die Doppeltbrechung hervor, um so mehr steigt der Effekt der Kontraktion.

Es i s t d a s V e r d i e n s t v o n M . H e i d e n h a i n und A. R o l l e t t , z u -

erst auf den Zusammenhang zwischen Quellung urid Muskelkontraktion hir~gewiesen zu haben. Die anisotrope Substanz der Muskelfibrille quillt n~imlich in verschiedenen verd/Jnnten S~iuren z. B. in genau der

1) B iede rmann , Ueber die vergleichende Physiologie der itritablen Substanzen. (Ergebnisse der Physiologie 8, 1909.)

,2) A. R o 11 e t t, Kontraktilit/tt und Doppelbrechung der quergestreiften Mus- kelfasern. (Denkschrift der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien, 58, 1891.)

AI~NOLD, QUELLUNOSFJLHICINEIT DER VERSCHIED. MUSKELARTEN ~] 7

gleichen Weise wie bei der Muskelkontraktion, d. h. sie wird kiirzer

und voluminCiser.

Wie nun J. G r o b e r ~)in seiner Arbeit , U e b e r den 2 e i t l i c h e n

A b l a u f d e r Q u e l l u n g u n g e d e h n t e r K o l l o i d e " hervorhebt, werden im lebenden Muskel die eventuel] vorhandenen Quelltmgs- gelegenheiten ffir den Kontraktionsvorgang in FIage kom~nen. Solche

Quellungsgelegenheiten sind vorhanden; im tAtigen Muskel werden Siiuren, z. B. MilchsAure, gebildet, die eine Zeit fang in der unmittel-

baren Nlhe der Muskelelemente verweilend, diese beeinflussen k6nnen, und die so stattfindenden Quellungsvorgiinge sind ausreichend, um

die bei der Muskelkontraktion wirker~den KrMte zu erzeugen.

In seiner oben zitierten Arbeit machte d. G r o,~2 e r als erster den Versuch, den ,zeitlichen Ablauf der chemischen Quelltmg mit Rhck-

sicht auf ihre Heranziehung zur Erkl/~rung der Muskelkontraktion ~ festzustellen, und kam zu dem Ergebnis, daiS sich die ungedehnten Kolloide im zeitlichen Ablauf ihrer Quel]ung gleich den gedehnten verhalten, und daiS der Quelhmgsvorgang sowohl wie der der

Schrumpfung so schnell vor sich geht, daft man ibn mit der Schnellig- keit der Muskelkontraktion mid Erschlaffung vergleichen darf; womit die Auffassung der Muskelkontraktion als einer chemiscb verursachten

Kolloidquellung eine wichtige St~tze erhalten hat.

Diese wichtigen Beziehungen der S~lurequellung also zum Problem des Oedems sowohl wie zu dem der Muskelkontraktion waren uns

die Anregungen zu unseren nachfolgenden Versuchen.

Znn~ichst ist unseres Wissens das Verbalten der verschiedenen Muskelarten bei der Quelltmg in Sfiurel6sungen noch nicht genauer

untersucht worden. J. G r o b e r war der erste, der in dieser Richtung Versuche unternahm und die dabei gewonnenen Ergebnisse auf der Namrforscherversammlung 1912 in Mhnster vortrug. Er steltte damals

weitere Versuche als wfinschenswert hin und seiner gfitigen Anregung

sind wir bei den unserigen gefolgt.

Nach einer weiteren Arbeit G r o b e r ' s , die wit oben anfhhrten, waren ferner aus dem Verhalten dee verschieden gebautell Muskeln

bei der S~lurequellung Schl/~sse 7n erwarten, d ie zur Erkliirung der Natur des Quellungsvorganges, der Kontraktion des Muskels beitragen k6nnten.

~) J.(~rober, Ueber den zeitlidlen Vcrlauf der Quelltmg tmgedehnter K,~lloide. (Mflnch. reed. Wocherlschr. 1912, 2433.)

4 1 8 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND V, HEP'I" 11--12

Schliel~lich standen unsere Versuche in naher Beziehung zu denen yon M. H F i s c h e r angesteliten und liel~en Aufklarungen fiber die Beteiligung der verschiedenen Muskehl am ktinischen Oedem er~toffen.

Was nun diese Versuche anbelangt, so ist fiber die Technik bei ihrer Anordntmg folgendes zu bemerken: Um aus unseren Versuchen Ergebnisse zu erhalten, die den normalen und im Organismus herr- schenden Verh/iltnissen nach MSglichkeit entsprechen, wurde besonderes Oewicht darauf gelegt, Organstficke yon Menschen zu erhalten, b e i denen der Tod erst vor relativ kurzer Zeit erfotgt war. Sofort nach Er6ffnung der Leiche wurde }e ein Stfick aus dem Uterus, dem Herz und dem Pectoralis herausgeschnitten und in eine feuchte Kammer verbracht, die wit physiologischer KochsalztSsung beschickt war. ].')a- rauf wurden d ie ~inzetnen Gewebsstficke aufs sorgfaltigste yon allem anhahendem Biudegewebe befreit und in m6glichst gleichgrot~e , wfirfei- f6rmige Stficke zerschnitten. Danach wurde unverzfiglich die erste W~igung angeschlossen und darauf ledes gewogene Gewebsst/itck in eine bereitstehende, bekannt konzentrierte Siiur~16sung verbracht.

Uro bei den Versnchen normale Verhaltnisse wiederzugeben, wurde bei der .Auswahl der Gewebsstficke noch eine zweite Vorsicht angewendet. Es wurden nut yon solchen Leichen Muskelst/icke ge- nommen, bei denen die Iodesursache eine krankhaft veriinderte Wasserverteilung nicht beffirchlen lielL Es blieben also 12iille von Herzerkrankungen, Nierenerkrankungen, Typhus usw. ausgeschlossen; nur einmal wurden zu besonderem Zwecke die Organe einer tuber- kul/Ssen Leiche verwendet, wo ante mortem starke Wasserverluste dureh reichtiche diarrhoische Sttihle stattgeftmden hatten.

Was die Zeit anbelangt, die zwischen der Stunde des Todes und der Leichener6t~fnung lag, so wurden nach M6glichkeit nur solche Flille verwandt, bei denen dieser Zeitraum tunlichst kurz wari). Dal$ die Resultate der Untersuchungen durch eine etwas llingere Zwischen- pause erheblich getrt ibt w/irden; bratlchte nach den Versuchen M. H. Fi s c h e r 's nicht bef/Jrchtet zu werden. Hatte dieser doch festgestellt, da6 Quellungsversuche mit frischen u n d mit acht Tage bei Zimmer- temperatur aufbewahrten Froschschenkeln die gleichen Wasserbindungs- kurven lieferten.

1) Am .h~iu/igstei~ kamen Leichen zur Verwendung, bei denen tier Tod in den sp~iten Abendstunden des vorhergehenden Tages er/olgt war; die Entnahme der Organstficke erfolgte regelmliliig am 10 Uhr vormittags. Der Zeitraum zwische1~ der Stu~i~Le des Todes und der Leichen6ffntmg betrug also etwa 12 bis 16 Stunden.

,KRNOI,D, QUELLUNOSFRHIOKEIT DER VERSCHIED MUSKELARTEN 419

Die vervrandten S~iurel6sungen bestanden aus bestimm[ konzen~ trierten Verdiinnungen der Milch- und Satzs~iure, und zwar in folgen- den Konzentrationen: Milchs~lure 0,01, 0,1, 0,5 Proz.; Salzs~lure: 0,01, 0,025, 0,075, 0,1 Proz. Wir w~ihlten diese Konzentratk, nen, um bei weiteren Versuchen die im normalen Magensaft gebotenen S~ure- grade mit den bier verwandten vergleichen zu kennen.

Nachdem die Gewebsstiicke in die verscbiedenen S~iurel6sungen verbracht waren, blieben sie darin bis zur zweiten W~igung, die -- wie alle folgenden - - nach je drei Stunden gemacht wurde. Mittels mit Gummi~chlauch iiberzogener Pinzetten wurden die Gewebsstiicke aus der Plassigkeit herausgenomme,, unter Vermeiden jedes Druckes mit FlieBpapier gut getrocknet und dami auf die Wage gebracht. In der g!eichen Weise wurden mit jedem Gewebsst~ick noch drei weitere W~gungen mit je dreistiindiger Zwischenpause vorgenommen, worauf eine vierte folgte, die jedesmal genau 24 Stunden nach der ersten W~igung statffand.

Die Gewichtszunahmen wurden jedesmal tn Prozenten des An- fangsgewichtes ausgerechnet. Die so gewonnenen Zahlen wurden dann zu Kurven verwendet, welche die Versuchsergebnisse wiedergeben.

Wie J. Or o b 6 r a u f der Naturforscherversammtung zu MSuster 1912 demonstrierte, erh/flt man bei der Quellung yon Organen ge- sunder menschlicher Leichen in S~.uren zwei Arten yon Kurven: Die eine Art zeigt einen raschen Anstieg und nut' sehr getinge Neigung zar Umkehr; die andere Art weist einen wese~tlich langsameren An- stieg auf, daffir abet tritt bald eine Revertierung ehl, die teilweise bis unter:das Anfangsgewicht f~llt. Von diesen beiden Kurvenarten gehOrt die erstere Organen an, die viel Bindegewebe enthalten, die zweite hingegen wird von pa~'enchymat6sen Organen geliefert.

6O

O~

/ /

J

l i

�9 f / /

i | | | I

P e r ~ n

Fig. I Fi R, 2

4 ~ 0 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND V, HEFT 11-]2

Bei unseren Versuchen fiber die Siiurequellung der verschiedenen Muskelarten im menschlichen KOrper ergab sich, daf~ die eine Muskel- art, der Skeleftmuskel (meist der M. pectoralis) eine Quellungskurve iihnlich dem erstgeschilderten Typus zeigt. (Siehe Kurve I u n d iI.)

Die Kurven des Herz-und Uterusmuskels hingegen weisen Aehn- lichkeit mit denen yon parenchymatSsen Organen gewonnenen auf, d. h. dem allm~ihtich und nuc bis zu einer mtit~igen HShe erfolgenden Austiege folgt ein relativ starkes Abfallen der Kurve; dieses ist meist beim Herzmuskel viel ausgesprochener als beim Uterus. Auch hierfiber gibt Kurve I u n d II Aufschlug.

Die beiden bier mitgeteiJten Kurven sind Beispiele ffir zahlreiche ganz iihnlich gestaltete, w iewi r sie aus wiederholten Versuchen ge- wonnen haben. Es wurden nach der oben geschilderten Technik die Muskelstficke in stets gleichen Zwischenraumen gewogen, die Zunahme in Prozenten des Anfangsgewichts ausgedrfickt und die erhaltenen Werte als Kurven dargestellt. In diesen entspricht ein Teilstrich der Abszisse stets einem Zeitraum yon drei Stunden, ein Teilstrich der Ordinate einer Gewicht~zunahme yon 10 Prozent. Die hier ange- gebenen Zahlen stellen Einzelwerte dar, entsprechen also einem be- stimmten Versuche, geben iedoch zugleich Typen ab f~r die meisten unter gleichen Bedingungen aufgestellten Kurver~. Die Nluskeln ent- stammten immer menschlichen Leichen, deren Todesursache keine nachweisbare Ver/inderung in der Verteilung d e r K6rperfl/issigkeit abgab, die Saurekonzentrationen blieben die gleichen (0,025 Proz.), als Quellungslosung wurde stets Salzs~iure angewandt, und die Zeit- r~iume zwischen den einzetnen W/igungen waren stets die gl~ichen.

Wit berechneten nun ferner aus ether Anzahl yon Versuchen eine ldealkurve, welche die Mittelwerte der erreichten Quellungsgrade der einzelnen Muskelarten darstellen, und fanden dabei, dab die Quellung beirn Skelettmuskel am gr6t3ten, beim Herzmuskel am kleinsten ist; der Uterusmuske.l nimmt auch hier eine Mittelstellung ein (Kurve II1).

Zur Erkl/irung der Frage, wie wohl diese Unterschiede in dem Quellungsverm6gen der eif~zelnen Muskelarten zu deuten seien, zogen wir Versuche mit Organen frisch get6teter Tiere (Kaninchen und Hund) heran. Es wurde je ein Stfick Skelett-, Herz- und Uterusmuskel in den wie. oben angegeben koiazentrierten Sfiurel6sungen der Quellung ~iberlassen und aus den durch W/igungen gefundeneu Werten Kurven konstruiert, an denen folgendes bemerkenswert ist: Nicht wie beim Menschen erreicht bier der Skelettmuskel den h6chsten Grad der Quetlung, sondem (am deutlichsten beim weiblichen Kaninchen) der

ARNO[ D, QUEI.LUNOSFAHIOKE[ F DER VERSCHIED. MUSKELARTEN 42 ]

Uterus, der hier zum gr(il~ten Teil allerdings atls Bindegewebe besteht und nut sehr wenig ,Parenchym' , d. h. Muskelfasern besitzt. Auch der Uterus der Hfindin besitzt weit weniger Muskelsubstanz als der menschliche, und zeigt infolgedessen eine dem menschlichen Skelett- muskel ;ihnliche Quellungskurve.

/Pt

~t / - / I //

/

J

J J

J

U t e "ua

2~ Pwc ~o~

oj l 2 7 ~ r

Fig. 4

Auch diese Kurve stellt wie Kurve Ill [dealwerte dar, d .h . sie wurde aus den Nittelwerten einer gr6geren Anzahl yon W~gungen gewonnen. Die einzelnen W~igungen erfolgten in Zwischenr~umen

Fig. 3

Verhaiten sich nun die einzelnen Muskelarten beim Menschen in bezug auf den Grad der m6glichen Quellung so, daft der Skelett- muskel am meisten, der Herzmuskei am wenigsten quillt, und der Uterus eine Mittelstellung einnimmt, so ist diese Reihenfolge beim weiblichen Kaninchen und ttund insofern eine andere, als der Uterus die h6chsten Quellungswerte erreicht, daqn der Herzmuskel und zuletzt erst der Skelettmuskel folgt (Kurve IV).

7~ t ~

4 ~ 9 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND V, HEFT 11-:12

yon drei Stunden, als Quellungsmittel wurde 0,025prozentige SaJz- s/iurel6sung verwendet.

Die Ursache fiir die auffallenden Verschiedenheiten i~ dem WasserbindungsvermSgen der Muskeln des Kaninchens (H u n d es )u n d des Menschen sowohl wie i n dem der einzelnen Muskelarten selbst lieBen sich in verschiedenen Umst/inden suchen. Zun/ichst dfirfen wit

woh l annehmen, dat] die Art der einzelneiJ Muskelelemente dabei eine gewisse Rolle spielt, zeigt doch der Skelettmusket quergestfeifte Fasern, der Herzmuskel desgleichen, doch i n anderer Anordnang, und der Uterus schliet~lich glatte Muskelfasern. Wir sind uoch nicht ge- n/igend fiber die mikrochemischen Vorg/iNge in den verschieden ge- arteten Muskelfasern Uuterrichtet, um hier mehr als mehr oder weniger gut begrtindete Vermutungen aufzustellen. Es k6nnen hier zur Er- kl/irung vielleicht die oben erwtihnten Versuche (3r ob e r s fiber den zeitlichen Ablauf der Quellung kolloider Substanzen herangezogen werden, die zusammen mit den Anschauungen B i e d e r m a n n ' s und Wo. P a u l i ' s die Auffassung stiitzen, dab diese Quellungsvorg/inge es sind, die ausschlaggebend bei dem Kontraktionsvorgange wirken. Solche cytochemische Beobachtungen an einzelnen Muskelelementen in Siiuren wg.ren daher sehr erw/inscht.

Wenn wir welter den histologischen Bau-der ganzen Muskeln betrachten, so f/ilk der gr6flere oder geringere Anteil an Bindegewebe auf, und man ware versucht, den Gehalt eines Organs an Binde- gewebe in Beziehung zu setzen zu seinem QuellungsvermOgen, tlnd hierin dle Ursache ~ r die Verschiedenheit in der Quellung der ein~ zelnen Muskelarten zu suchen. Beim Kani:lchen besteht der Uterus zum weitaus gr6flten Teile aus Bindegewebe, und ~r zeigt auch den hSchsten Grad der Quellung. Auffallend ist dagegen aber, dab der Sketettmuskel des Kaninchens, der doch auch ein gut Tell binde- gewebiger Zwischensubstanz birgt, sich so ganz anders in seiner Quellungskurve verhiitt, wie wir vorhin sahcn. Der bindegewebige Anteil des menschlichen Skelettmuskels ist nicht viel gr6fSer als der beim Kaninchen, und doch zeigt er ein viel grOBeres Quellungsver- mi3gen; w/ihrend er zirka 120 Proz. an Gewicht zunehmen kann, er- reicht jener h/~chstens eine Gewichtssteigerung yon 1 8 - - 2 0 Proz. D a s B i n d e g e w e b e k a n n a l s o n i c h t d i e m a l ~ g e b e n d e U r - s a c h e f i i r d i e V e r s c h i e d e n h e i t e n in d e m Q u e l l u n g s v e r - h a l t e n de-r e i n z e t n e n M u s k e l a r t e n s e i n .

Diese Ursache nun in krankhaften V0rg/tngen , zumal in d e r Wasserverteilung zu suchen, ist nach unseren Versuchsanordnungen

ARNOLD, QUELLUNOSFAHIfiKEIT DEI~ VEI~SCItlED, MUSKELARTEN 423

nicht gut angfingig. Wie schon oben erwiihnt, verwandten wit' zu unseren Versucheu nut Material yon Leiehen, deren Todesursache keinen pathoiogisch-anatomisch nachweisbaren Einflul~ atlf die Vet'- teilung der KSrperfliissigkeiten auszuiiben vermochte. Andererseits w/ire es doch sehr verwunderlich, wenu wir bei wiederholten Uoter- suehungen an einem yon den verschiedensten Leichen stammenden Material stets die gleichen Arten der S,,iurequellung frir }ecle einz~lne Muskelart gefunden hiitten, Dagegen spricht.auch ferner ein wiede~- holter Kontrollversuch, den wir mit Stricken aug eitmm ganz frisch wegen Portiokarzinom exstirpierten Uterus vornahmer~, und der genau die gleichen Resultate ergab wie die Versuche, zu denen wir Uterus- teile aus Letchen verwandten. Hier sei auch noch einmal kurz auf die oben erwiibnten vergleichendeax Versuche M.H. Fi s c h e r's hin- gewiesen, die er mit ganz frischen und acht Tage bei Zimmertempe- ratu~ aufbewahrten Froschschenkeln anstelite.

Dag jedoch pathologische Zust~inde, namentlich in der Wasser- verteilung ira K6rper, grot~e Bedeutung ffir den QueUungsversuch in der yon uns verwendeten Anordnung haben, steht zu erwarten, und Kurve V bietet ein gutes Beispiel frir diese Annahme. Es handeite

J

jF

/

' t o t s .

I I

/

---- ot4

. . . . . ------ H @

Fig. 5

sich hier um Organstfieke von einer an Phthise verstorbenen Frau, die ante morlem schwere p,.of~,:o Diarrhoen gehabt hatte. Schon bei der Sektlon erwies stch die %l<e~ettmuskulatur als sehr ausgetrocknet;

424 KOLLOIDCHEMISCHE BIfIHEFTE BAND V, HEFT 11--12

dabei war die Leiche ebenso frisch, wie die sonst zu den Versuchen herangezogenen, d. h. die Stunde des Todes und die Zeit der Sektion lagen etwa 16---20 Stunden auseinander. Die hier erhaltene Quel- lungskurve liefl dann auch den im allgemeinen gewohnten Anstieg am Pectoralis erkennen, aber in einem Grade, der das iibliche Mag weit iibertrat. Die anderen Muskeln zeigten ein ganz normales Ver- halten. Ob die Siiurequellung des Skelettmuskels in diesem Falle our auf die durch DJ.:~rl'hoen bedingte veriinderte Wasserverteilung im KSrper, oder nicht auch auf nicht nachgewiesene Veriinderungen im Chemismus der Sark~plasmazellen zurfickzufiihren ist, kann noch nicht entschiedei~ werden.

Die bisher mitgeteilten Kurven wurden ausschlieBlich durch Quellung der verschiedenen Muskelarten in bestimmt konzentrierten SalzsiiureiOsungen gewonnen. Vergleichen wit diese Kurven mit solchen, die aus Versuchen hervorgehen, zu denen MJlchs~ture ver-.

l ~ } erI�9 ~ff., l r-~ �9

/

/

./! 6 O

so l / l . . . .

"~', i s ~ ; ~ I ~ --~"~--- . . . . . , , . , . , . ;e..,.

10~."g'r "_:'2"~ :f~ . . . . . . . . . . ~ S.,x s~., Mild x~,u~ I ........ i ........

FiR. 6

wandt wurde,, so ergibt sich bei gleichbleibender Konzentration die hlteressante Tatsache, dab im allgemeinen die Quellung der Muskel- substallZ, insbesondere des Pectoralis, in Salzs~ure hohere Grade er- reicht als in Milchsfiure; eine Beobachtung, die sich mit den Unter- suchungen M. H. F i s c h e r ' s deckt, dureh die er ,,as Reihen wm S/lm'e~ bekannt machte, in denen bei gleichbleibender Konze~Jtration

die Quellung in fortschreitendem Ma~e erfolgt. Ueber die Ergebnisse unserer Versuche in dieser Beziehung sotl die Kurve Vl Aufschlufl geben. Sie wurde dadurch erh~lten, da~ wit aus den bei wiederhollen Versuchen mit gleich konzentrierter Salz-Mitchsiiurel/~sung (bier

ARNOLD, QUELLUNGSFAHIOKEIT DER VERSCtlIED, MUSKELARTEN 42,~

0,01 Proz.) gefundenen Einzelwerten Mittelwerte berechneten und diese

als Kurven darstellten.

Kurz zu erwiihnen ist noch der Zusammenhang zwischen der Zeiteinheit und der in ihm erreichten H6he der Quellung. Unsere

Versuche ergaben, dab in Salzs~.ure sowohl wie in Milchsliure die Gewichtsztmahme des Skelettmuskels in den ersteu drei Stunden am gr6f3ten ist, wRhrend yon da an die Steigerung des Gewichtes all- m~ihlicher erfolgte. Die Verhiiltnisse bei der Quelhmg des Uterus- und Herzmuskels in dieser Beziehung sind insofern andere, als die Oewichtszunahme eine viel aUm~hlichere ist und in dem Zeitral, m �9 ler ersten 6 - - 9 Stunden gleichmlii~iger erfolgt.

Untersucht man nun den Grad der Quellung in verschiedenen Konzentrationen der Salzs~iure, so scheint es, dat~ speziell die 0,09-5- prozentige L6sung ein Optimum f{ir die Quellung der Muskelsubstanz

106

�9 . . . - , o,1~ He! ,~ 71 4, " " "

, ,5" l e0 ;i

2~ ,g

�9 3 6 9 12 75 18 2 f 24 .~toaden

Fig. 7

darstellt (Kurve VII). Diese Tatsache wirft vielleicht ein Licht auf die chemischen Vorggnge im Magen und macht den Vo.rteil begreif- lich, der darin bes~eht, daft die Magenschleimhaut gerade SaI~s~ure

und diese in der bekanmen Kouzentratiou liefert. Sie wfirde dem einen Hauptbestandteil unseret Nahrung, der Mu~kelsubstauT, so an- gepaflt sein.

Fassen wir da~ lgrgebnis unserer Versm:he zum Sc~IuB kurz zu-

sammen, so k6nner~ wir fo|gende Siitze formnlieren:

1. l'.'s lassen sich yon den verschiedenen Mtlskelar~en zwti Wy[)e"l yon .Quelhmgskurven gewinnen, yon denen die eine eineu starker,

426 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND V, HEFT 11--1~

Anstieg und geringe Umkehrtendenz zeigt, die andere dagegen einen langsamen Anstieg, aber eine erhebliche Revertierung.

2. Worin der letzte Orund ffir die verschiedei: starke Qt:eUung der einzelnen Mu.~kelarten liegt, ist heute nicht mit Bestimmtheit zu sagen; eine Bedeutung kommt wahrscheinlich dem Sarkoplasma, be- stimmt aber nicht dem Bindegewebe des Interstitiums zu.

3. Diejenige S/iure, in der Muskelfaserll am beslen quellen, ist die Salzs~iure, die optimale Konzentration derse|ben die vorJ 0,025 Proz.

4. Die von den einzelnen Muskelarten erreichtel~ Queilungswerte lassen die Auffassmig a|.~ durchaus berechtigt erscheinen, dab die kolloide Quellung eine glofle Rolle bei der Muskelkontraktion spiclt.

5. Die yon tins angesteltten Versuche bringen einen erneuten Beweis fiir M. H. Fi s c h e r's Theorie fiber die Etitstehung des Oedems, indem sie zeigen, dag nach Aufhebung ]eglicher Zirkulation lediglich unter dem EInflu~ yon S/Iurewirkungen Quellung stattfinden kann.

Zum Schlufl ist es mir eine angenehme Pflicht, meincm hoch~ verehrten Lehrer, Herrn Professor ,1. (.} r o b e r , auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank f~r seine Bem/Jhungen auszusprechen; ciesgleichen Herrn Prof. R /3s s l e f~ir die bereitwiilige Ueberlassung des verwandten Materials.