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Extremale des Lagrange-Funktionals Def. Ein Element x ∈K heißt Extremalkurve oder Extremal eines differenzierbaren Funktionals F , falls in diesem Punkt die Ableitung D auf eigentlichen Variationen verschwindet (d.h. gleich 0 ist) auf h, die h(t 0 )= h(t 1 )= 0 erf¨ ullen. Satz 2. L x - d dt L ˙ x = 0 g.d., w x (t ) ∈K ein Extremal des Langange-Funktionals mit Lagrange- Funktion L ist. Folgerung. Extremale des Lagrange-Funktionals sind die L¨ osungen der gew¨ ohnlichen Differentialgleichung (GDG) L x d dt L ˙ x = 0 Bemerkung. Die Gleichung heißt Euler-Lagrange-Gleichung und ist in der Physik von gr¨ oßter Bedeutung. Die Euler-Lagrange-Gleichung ist ein System von n gew¨ ohnlichen Differentialgleichungen auf n unbekannten Funktionen (x 1 (t ), ..., x n (t )), wie wir in der Erkl¨ arung zu den S¨ atzen 1 und 2 gesehen haben und wie wir auch in weiteren Beispielen sehen werden.

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Extremale des Lagrange-Funktionals

Def. Ein Element x ∈ K heißt Extremalkurve oder Extremal eines differenzierbaren Funktionals F , fallsin diesem Punkt die Ableitung D auf eigentlichen Variationen verschwindet (d.h. gleich 0 ist) auf h, die

h(t0) = h(t1) = ~0 erfullen.

Satz 2. ∂L∂x

− ddt

∂L∂x

= ~0 g.d., w x(t) ∈ K ein Extremal des Langange-Funktionals mit Lagrange-Funktion L ist.

Folgerung. Extremale des Lagrange-Funktionals sind die Losungen dergewohnlichen Differentialgleichung (GDG)

∂L

∂x− d

dt

∂L

∂x= ~0

Bemerkung. Die Gleichung heißt Euler-Lagrange-Gleichung und ist inder Physik von großter Bedeutung.

Die Euler-Lagrange-Gleichung ist ein System von n gewohnlichenDifferentialgleichungen auf n unbekannten Funktionen (x1(t), ..., xn(t)),wie wir in der Erklarung zu den Satzen 1 und 2 gesehen haben und wiewir auch in weiteren Beispielen sehen werden.

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Extremale des Langenfunktionals

Wir betrachten das Langenfunktional

L(x) =∫ t1

t0

x1(t)2 + ...+ xn(t)2dt.

Das ist ein Lagrange-Funktional mitL(x , x , t) = |x | =

x1(t)2 + ...+ xn(t)2.Aus geometrischen Grunden erwarten wir, dass Geradenstucke dieExtremale dieses Funktionals sind, weil die Geraden kurzesteVerbindungskurven sind. Die E-L-Gleichungen bestatigen das: Wir haben

∂L

∂x≡ ~0,

∂L

∂x=

1√

x1(t)2 + ...+ xn(t)2

x1(t)...

xn(t)

und daher lauten die E-L-Gleichungen

ddt

∂L

∂x= d

dt

1√

x1(t)2 + ...+ xn(t)2

x1(t)...

xn(t)

=

0...0

.

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ddt

∂L

∂x= d

dt

1√

x1(t)2 + ... + xn(t)2

x1(t)

.

.

.xn(t)

=

0

.

.

.0

.

Wenn eine Ableitung gleich 0 ist, so ist die Funktion eine Konstante, alsohat die Losung die Eigenschaft

1√

x1(t)2 + ...+ xn(t)2

x1(t)...

xn(t)

=

v1...vn

fur einen (konstanten) Vektor v = (v1, ..., vn)T .

Man sieht ubrigens sofort, dass |v | = 1, sonst gabe es gar keine Losung.Die Losungen sind also die Kurven, die in jedem Punkt den Vektor vtangieren. Damit sind sie (beliebig umparameterisierte) Geraden.

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Extremale der Wirkungsfunktionals

Wirkungsfunktional. W (x) :=∫ t1

t0|x(t)|2dt =

∫ t1

t0(x1(t)

2 + ...+ xn(t)2)dt

Das ist ein Lagrange-Funktional mitL(x , x , t) = |x |2 = x1(t)

2 + ...+ xn(t)2. Wir haben

∂L

∂x≡ ~0,

∂L

∂x=

2x1(t)...

2xn(t)

,

und daher lauten die E-L-Gleichungen

ddt

∂L

∂x= d

dt

2x1(t)...

2xn(t)

=

2x1(t)...

2xn(t)

=

0...0

.

Die Losungen sind also affin parametrisierte Geradenstucke

x(t) = x0 + tv .

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Wesentliche Unterschiede zwischen Extremalen von Langen- und

Wirkungsfunktional

Wir haben gesehen, dass die Bahnen von Losungen gleich sind und dasses Geradenstucke sind. Die Extremalen sind aber verschieden: Fur dasWirkungsfunktional sind sie affin parametrisierte Geraden, fur dasLangenfunktional sind sie beliebig (also nicht nur affin) parametrisierteGeraden. Wir sehen also, dass die Losungsmenge fur dasLangenfunktional viel großer ist als fur das Wirkungsfunktional.

Auf dem Level von Differentialgleichungen hat das damit zu tun, dass dieE-L-Differentialgleichungen fur das Wirkungsfunktional folgendeEigenschaft haben: Alle hochsten Ableitungen der Unbekanntenx1(t), ..., xn(t) (im unserem Fall die zweiten Ableitungen x1(t), ..., xn)sind Funktion niedrigerer Ableitungen (einschließlich der Unbekanntenselbst sowie der Koordinaten x1, ..., xn).

Aus der Theorie der GDG wissen wir, dass Differentialgleichungen mitdieser Eigenschaft eindeutig durch die Anfangsbedingungen bestimmtsind, in unserem Fall durch Anfangspunkt und Anfangsvektor.

Die E-L-Gleichungen fur das Langenfunktional haben diese Eigenschaftnicht (versuchen sie es rechnerisch nachzuweisen, z.B. in kleinerenDimensionen)

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Bernoulli-Lagrange-Hamilton-Prinzip

Die Natur sucht optimale Wege.Mathematische Umformulierung: Mehrere (oder sogar fast alle)physikalischen Prozesse verlaufen entlang von Extremalen einesLagrange-Funktionals.

Bemerkung. Die Formulierung ist absichtlich vage – man kann dieseexperimentale Beobachtung nicht praziser formulieren. Um komplizierterephysikalische Prozesse zu beschreiben, muss man auch die Definition desLagrange-Funktionals erweitern: Z.B. muss man eine mehrdimensionale“Zeit” erlauben, nicht-glatte Lagrange-Funktionale gestatten und soweiter.

Bemerkung. Außerdem ist es nicht immer trivial, zu einemphysikalischen Prozess ein geeignetes Lagrange-Funktional zu finden.

In Rahmen von klassischen Mechanik kommen die oben genanntenSchwierigkeiten nicht vor: Es gibt bestimmte Regeln zur Konstruktion desLagrange-Funktionals.

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Beschreibung des 1. und 2. Newtonschen Gesetzes im Rahmen der

Lagrange-Mechanik

Lex prima. Ein Korper verharrt im Zustand der Ruhe oder dergleichformigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Krafte zurAnderung seines Zustands gezwungen wird.

Lex secunda. Die Anderung der Bewegung ist der Einwirkung derbewegenden Kraft proportional und geschieht in Richtung derjenigengeraden Linie, in welcher jene Kraft wirkt.

Fakt. Wegen des Energieerhaltungsgesetzes (dies ist eine weitereexperimentelle Beobachtung) ist das Kraftfeld immer ein (negatives)Gradientenvektorfeld fur eine Funktion. In der Physik nennt man dieseFunktion die potentielle Energie:

F = − grad(U) = −(

∂U∂x1

, ..., ∂U∂xn

)T

.

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Bewegung eines Teilchens im Kraftfeld.

Die Bewegung freier Teilchen im Kraftfeld der potentiellen Energie U

kann man mit Hilfe der Lagrange-Funktion

L = K − U = 12m|x |2 − U(x) = 1

2m(x1(t)2 + x2(t)

2 + x3(t)2)− U(x).

beschreiben.

Also hangt die Funktion L(x , y , t) nicht von t ab und lautet

L(x , y , t) = 12m(y1(t)

2 + y2(t)2 + y3(t)

2)− U(x1, x2, x3).

Wir schreiben jetzt die E-L-Gleichungen fur dieses Lagrangefunktionalauf. Offensichtlich stimmen sie mit den Newton-Gleichungen aus der lexsecunda uberein. Wir haben

∂L

∂x= −

∂U∂x1∂U∂x2∂U∂x3

,∂L

∂x=

mx1(t)mx2(t)mx3(t)

,

also lauten die E-L-Gleichungen:

m

x1(t)x2(t)x3(t)

= −

∂U∂x1∂U∂x2∂U∂x3

.

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Die E-L-Gleichungen fur die Bewegung eines freien Teilchens im Kraftfeld der potentiellen Energie U

lauten:

m

x1(t)x2(t)x3(t)

= −

∂U∂x1∂U∂x2∂U∂x3

Da nach unserer Definition der potentiellen Energie das (negative)Gradientenfeld

∂U∂x1∂U∂x2∂U∂x3

mit der Kraft ubereinstimmt, muss die Beschleunigung, also x , zur Kraftproportional sein, wie in der lex secunda.

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Lex prima

Wir betrachten jetzt den Spezialfall U ≡ const, d.h. es wirken keineKrafte. Dieser Fall ist (bis auf den Koeffizienten m

2 ) identisch mit demoben betrachteten Fall des Wirkungsfunktionals. So sind die Extremalenetwa die affin parametrisierten Geraden. Folglich:

Lex prima. Ein Korper verharrt im Zustand der Ruhe oder dergleichformigen Translation, sofern er nicht durch einwirkende Krafte zurAnderung seines Zustands gezwungen wird.

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Mehrere Teilchen

Wir werden mit 3 Teilchen arbeiten und in Dimension 2. Das ist abernicht wesentlich. Sie werden sehen, dass man dieselbe Methode furbeliebig viele Teilchen und in beliebiger Dimension anwenden kann.Die Bewegung von Teilchen (der Massen m1, m2, m3) werden wir durchdie vektorwertigen Funktionen

x(t) =

(

x1(t)x2(t)

)

, y(t) =

(

y1(t)y2(t)

)

, z(t) =

(

z1(t)z2(t)

)

beschreiben, also ist der Vektor, der die Lage aller Teilchen beschreibt,6-dimensional:

(x1(t), x2(t), y1(t), y2(t), z1(t), z2(t))T .

Wir nehmen an, dass die Teichen uber die potentielle Energie U(x , y , z)irgendwie miteinander wechselwirken. Bspw. ware moglich:

U(x , y , z) = m1m2

|x−y | +m1m3

|x−z| +m1m3

|y−z| .

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Wir konnen dann die Veranderung des Systems mit Hilfe desLagrangefunktionals vonL = 1

2m1|x |2 + 12m2|y |2 + 1

2m3|z |2 − U(x , y , z) beschreiben.

Auch hier werden wir sehen (wenigstens fur den SpezialfallU(x , y , z) = U1(y , z) + U2(x , z) + U3(x , y)), dass dieE-L-Gleichung aquivalent zur Newton-Gleichung ist.

Bemerkung. Der SpezialfallU(x , y , z) = U1(y , z) + U2(x , z) + U3(x , y) entspricht derSituation, dass die Wechselwirkung zweier Teilchen nicht voneinem dritten Teilchen abhangt.

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Wir konnen dann die Veranderung des Systems mit Hilfe des Lagrangefunktionals vonL = 1

2m1|x|

2 + 12m2|y|

2 + 12m3|z|

2 − U(x, y, z) beschreiben.

Fur diese Lagrangefunktion sieht die E-L-Gleichung wie folgt aus: DieDimension ist n = 3× 2 = 6 und es ist

ddt

m1x1(t)m1x2(t)m2y1(t)m2y2(t)m3z1(t)m3z2(t)

=

m1x1(t)m1x2(t)m2y1(t)m2y2(t)m3z1(t)m3z2(t)

= −

∂U∂x1∂U∂x2∂U∂y1∂U∂y2∂U∂z1∂U∂z2

.

Wenn z.B. U(x , y , z) = U1(y , z) + U2(x , z) + U3(x , y) gilt, sehen dieersten 2 Gleichungen wie folgt aus:

(

m1x1m1x2

)

= −(

∂U∂x1∂U∂x2

)

= −(

∂U2

∂x1+ ∂U3

∂x1∂U2

∂x2+ ∂U3

∂x2

)

,

und der Vektor −(

∂U2

∂x1+ ∂U3

∂x1∂U2

∂x2+ ∂U3

∂x2

)

ist der Vektor der Krafte, welche die

Teichen Z und Y auf das Teilchen X ausuben.

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Allgemeine Regel zur Auswahl der Lagrange-Funktion beimechanischen Systemen

• L = K − U, wobei K die kinetische und U die potenzielle Energie ist

◮ Dabei sind sowohl die kinetische, als auch die potentielle Energieadditiv: Wenn ein Teilsystem potentielle Energie U1 und kinetischeEnergie K1 hat und ein anderes disjunktes Teilsystem die potentiellebzw. kinetische Energie U2 bzw. K2, dann hat die Vereinigung derSysteme die Energien U = U1 + U2 bzw. K = K1 + K2.

◮ In euklidischen Koordinaten hat das Teilchen der Masse m diekinetische Energie K = m

2 |x |2.

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Beispiel: Pendel

Ein Massenpunkt bewege sich reibungslos auf der Kurve y = −√1− x2

im Feld der Schwerkraft.In diesem Fall ist die Dimension 1, da die x-Koordinate des Punktes dieLage des Punktes eindeutig bestimmt. Wenn die x-Koordinate sich gemaßeiner Funktion x(t) andert, bewegt sich das Teilchen in R

2 auf der Kurve

(

x(t)

−√1− x2

)

und der Geschwindigkeitsvektor in 2-dimensionalen kartesischenKoordinaten ist

ddt

(

x(t)

−√1− x2

)

=

(

xxx√1−x2

)

, sodass K = m2 x

2(1 + x2

1−x2 ) =m2

x2

1−x2 .

Die potentielle Energie U ist offensichtlich −mg√1− x2, also ist

L(x , x , t) = m2

x2

1−x2 +mg√

1− x2.

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L(x, x, t) = m2

x2

1−x2+ mg

1 − x2

Dann lauten die E-L-Gleichungen (man dividiert noch durch m):

x

1− x2+

4x2x

1− x2

2

=4x2x

1− x2

2

− gx√

1− x2.

Wir erhalten schließlich die Differentialgleichung fur die Beschreibung derBewegung:

x = −gx√

1− x2.

(An der Tafel werde ich geometrisch erklaren, dass man diese Gleichungeinfach mittels der Newton-Gesetzte bekommen kann).

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Beispiel dafur, dass die GDG fur die Bewegung einfacheraus der E-L-Gleichung zu bekommen ist als aus denNewton-Gesetzen

Ein Massenpunkt bewege sich im Feld der Schwerkraft reibungslos aufder Parabel y = x2.Die Dimension ist in diesem Fall 1, da die x-Koordinate des Punktes dieLage des Punktes eindeutig beschreibt. Wenn die x-Koordinate sichgemaß einer Funktion x(t) andert, bewegt sich das Teilchen in R

2 auf derKurve

(

x(t)x(t)2

)

und der Geschwindigkeitsvektor lautet in 2-dimensionalen kartesischenKoordinaten

ddt

(

x(t)x(t)2

)

=

(

x

2xx

)

. Es ist also K = m2 x

2(1 + 4x2).

Die potentielle Energie U ist offensichtlich mgx(t)2. Also ist

L(x , x , t) = m2 x

2(1 + 4x2)−mgx2.

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L(x, x, t) = m2x2(1 + 4x

2) − mgx

2

Die E-L-Gleichungen lauten daher

ddt

∂L∂x

= ddt(mx(1+4x2)) = mx(1+4x2)+4mx2x = ∂L

∂x= 4mx2x−2mgx .

Nach algebraischen Manipulationen bekommen wir:

x = − 2gx1+4x2 ,

was wieder den Newton-Gesetzen entspricht.Jedoch ist es in diesem Falleine nicht-triviale Aufgabe, die Newtonschen Gesetze zu verwenden.

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Die Lagrange-Gleichungen hangen nicht vomKoordinatensystem ab.

Die Newton-Gesetzte sind dagegen nur in “inertialen”Koordinatensystemen anwendbar!

Def. Sei U1,U2 ∈ Rn. Eine Abbildung φ : U1 → U2 heißt ein

(C∞-)Diffeomorphismus, wenn sie bijektiv ist, C∞-glatt, und wenn dieUmkehrabbildung f −1 : U2 → U1 ebenfalls differenzierbar ist (und dannautomatisch C∞-glatt nach dem Satz uber die Umkehrfunktion).

Bsp. Polarkoodinaten kann man als Diffeomorphimus

φ(r , θ) = (r cos(θ), r sin(θ)).

auffassen. Dieser Diffeomorphismus ist aufU1 := {(r , φ) ∈ R

2 | r > 0, φ ∈ (−π, π)} definiert. Sein Wertebereich istU2 := R

2 \ {(x , y) ∈| x ≤ 0, y = 0}.

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Def. Sei L : Rn × Rn × R → R eine Lagrange-Funktion und φ ein

Diffeomorphismus. Definiere den Pull-back der Lagrange-Funktion alsFunktion L, gegeben durch

L(x , y , t) := L(φ(x),Dx (y), t).

Dabei ist das Differential Dx die lineare Abbildung, die φ(x + ξ)− φ(x)bis zur 2. Ordnung (in ξ) approximiert:

φ(x + ξ) = φ(x) + Dx(ξ) + O(|ξ|2).

Wiederholung. Aus der Analysis II folgt die Existenz dieser linearenAbbildung Dx . Sie ist eine Abbildung von R

n nach Rn, deren Matrix (die

sogenannte Jacobi-Matrix) die Eintrage[

∂φi

∂xj(x)]

hat.

Bsp. Fur φ(r , θ) = (r cos(θ), r sin(θ)) ist

D(r ,φ)(ξ) =

(

cos(θ) −r sin(θ)sin(θ) r cos(θ)

)(

ξ1ξ2

)

=

(

cos(θ)ξ1 − r sin(θ)ξ2sin(θ)ξ1 + r cos(θ)ξ2

)

.

Bsp. Sei L(x , y , t) = m2 |y |2 und φ(r , θ) = (r cos(θ), r sin(θ)). Dann ist

L((r , θ), ξ1, ξ2, t) =m

2

(

cos(θ)ξ1 − r sin(θ)ξ2sin(θ)ξ1 + r cos(θ)ξ2

)∣

2

=m

2

(

ξ21 + r2ξ22)

.

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Differential als lineare Abbildung (Analysis II)

Die partiellen Ableitungen (z.B. in Dimension 2) kann man als

Komponenten der Matrix

(

∂φ1

∂x∂φ1

∂y∂φ2

∂x∂φ2

∂y

)

=(

∂φ∂x

∂φ∂y

)

auffassen. Diese

Matrix definiert (fur jedes p = (x , y) ∈ U) eine lineare Abbildung

Dφp : R2 → R2, Dφp(ξ) =

∂φ1∂x

∂φ1∂y

∂φ2∂x

∂φ2∂y

(

ξ1ξ2

)

=

ξ1∂φ1∂x

+ ξ2∂φ1∂y

ξ1∂φ2∂x

+ ξ2∂φ2∂y

.

Diese Abbildung heißt Differential von f im Punkt p und ist diejenigelineare Abbildung, welche die Funktion φ(x)− φ(p) in der Umgebung desPunktes p am besten approximiert. Das bedeutet:

φ(x) = φ(p) + Dpφ(x − p) + o(x − p).

Insbesondere gilt: Fur jedes p ∈ U und jeden Vektor X ∈ R2 ist die

Richtungsableitung im Punkt p in Richtung X der Vektor

Xφ(p) := ddtφ(p + tX )|t=0 = dpφ(X ).

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Kettenregel fur Differentiale

Selbstverstandlich definiert man das Differential u.s.w. nicht nur fur dieAbbildungen von R

2 nach R2, sondern auch fur die Abbildungen f von

Un ⊆ Rn nach R

m. In diesem Fall ist die Jacobi-Matrix eine m× n Matrix(

∂fi∂xj

)

(i = 1, ...,m; j = 1, ..., n) und das Differential dfp eine lineare

Abbildung von Rn → R

m.

Die Kettenregel aus Analysis II besagt, dass das Differential (im Punkt p)der Verkettung der Abbildungen h und g , f = h ◦ g , mit der Verkettungder Differenzial-Abbildungen ubereinstimmt: Dpf = Dg(p)h ◦ Dpg .Letzteres wird in Koordinaten durch das Matrizenprodukt derJacobi-Matrix von h (im Punkt g(p)) und der Jacobi-Matrix von g (imPunkt p) dargestellt.

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Satz 3. Sei x(t) eine Extremalkurve des Funktionals L und φ einDiffeomorphismus. Dann ist φ ◦ x(t) ein Extremal des Funktionals L furden Pull-back L der Lagrange-Funktion L.

Bemerkung. Der Beweis im Skript von Stilianos Louca ist fehlerhaft.Beweis. Nach Definition des Pull-back und des Differentials Dxφ ist

L(φ ◦ x) =∫ t1

t0

L(φ(x(t)), ˙φ(x(t)), t)dt

=

∫ t1

t0

L(x(t), x(t), t)dt.

Fur jede eigentliche Variation x + h von x ist φ(x + h) auch eineeigentliche Variation von φ(x). Die entsprechende Funktion h ist dann

h = φ(x + h)− φ(x).

Glattheit von h ist offensichtlich und es ist

h(t0) = φ(x(t0)− h(t0))− φ(x(t0)) = ~0 (h(t1) = ~0 entsprechend), sodass

h eine eigentliche Variation ist.

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Weil das Intervall [t0, t1] kompakt ist, gibt es eine Konstante C ,sodass der ε-kleinen Storung h eine Cε-kleine Storung von h

entspricht.Wenn das Differential D auf eigentlichen Variationen verschwindet,ist L(x + h) = L(x) bis auf Terme, die quadratisch klein bzgl. ‖h‖sind. Dann ist aber L(φ(x + h)) = L(φ(x)) bis auf Terme, diequadratisch klein bzgl. ‖h‖ sind, also ist auch φ(x) einExtremal.