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35 taz.thema SONNABEND/SONNTAG, 1./2. JUNI 2013 die verlagsseiten der taz.die tageszeitung www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen & Helmut Dachale | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen: Söntke Tümmler FAHR RAD! ANZEIGE Rund 230 innerdeutsche Stre- cken bieten sich zurzeit als Rad- fernwege an, aber aufgepasst, sagt Wolfgang Richter, Touris- mus-Referent beim ADFC: „Es gibt Qualitätsunterschiede.“ In der aktuellen Auflage von „Deutschland per Rad entde- cken“ (2013/14) präsentiert der ADFC wieder eine vorzeigbare Auswahl mit einer Gesamtstre- cke von rund 50.000 Kilome- tern. Und so ganz nebenbei er- fährt man in der umfangreichen Broschüre, dass die Radwegspla- ner schon seit Längerem an ei- nem ganz großen Rad drehen. Ih- re Vision: ein D-Routen-Netz. Be- stehend aus zwölf „Premiumrou- ten“, so Richter, die zwischen Bay- ern und dem hohen Norden, dem äußersten Westen und dem Osten als Fahrrad-Direktverbin- dungen fungieren sollen. Und nach Möglichkeit auch noch eu- ropäisch eingebettet sind. Wer al- so Deutschland per Rad verlas- sen möchte: D-Route. Denn so könnte man sich darauf verlas- sen, dass auch hinter der Staats- grenze die gleichen Orientie- rungsschilder den Weg weisen. Allerdings: Bei der Verwirkli- chung wird der Radwegebau nicht neu erfunden, vornehm- lich werden bereits bestehende Radwege mittels einheitlicher Wegweisung zusammengeführt. Es werden also Megastrecken entstehen, sukzessive. Als vollen- det gelten bisher die D-Route 12, der Oder-Neiße-Radweg (628 Ki- lometer), und die Nr. 3, der ei- gentliche Vorzeigekandidat. „Schön und gut“, lesen wir dazu in „Deutschland per Rad entde- cken“ – „aber wozu das alles?“ Gute Frage. Wolfgang Richter beantwortet sie in etwa so: Pre- miumrouten bieten den Radtou- risten Qualität. Eben durch ihre durchgängige Ausschilderung, aber etwa auch durch die hohe Dichte von fahrradfreundlicher Gastronomie. Und deshalb sind sie wie geschaffen für die inter- nationale Vermarktung. So dürf- te es nicht erstaunen, dass die D- Route 3 als ein Gemeinschafts- werk realisiert worden ist, das der Deutsche Tourismusverband koordiniert hat. Ein Pilotprojekt mit Referenzcharakter, an dem auch der ADFC beteiligt war. Mittlerweile hat er sie offiziell begutachtet und mit drei Ster- nen ausgezeichnet. Die Bundes- Deutschland auf neuen Wegen RADFERNWEGE Damit ist die Republik eigentlich gut versorgt, aber jetzt soll’s noch besser werden: Gedacht für längere Touren kreuz und quer durch Deutschland, von Grenze zu Grenze, entsteht das D-Routen-Netz Wer Deutschland per Rad verlassen möchte, ist auf D-Routen gut aufgehoben VON HELMUT DACHALE Deutschland, ein einziger Rad- weg. Womit nicht der innerstäd- tische Holperparcours gemeint ist, zumeist kaum breiter als ein Handtuch und dazu noch vollge- parkt. Vielmehr der Weser- oder Aller-Radweg, der Ochsenweg oder auch der Kraut-und-Rüben- Radweg, der tatsächlich so heißt und pfälzische Gemüseäcker und Obstplantagen erschließt. Derartige Radwege, postuliert der Fachausschuss Tourismus des ADFC (Allgemeiner Deut- scher Fahrrad-Club) sind „über- regionale, beschilderte Radrou- ten, die vornehmlich dem touris- tischen Fahrradverkehr dienen und bestimmte Mindeststan- dards aufweisen“. So sollten sie mindestens 150 Kilometer lang sein und sich durch „naturnahe Routenführung“ auszeichnen. Rund 230 innerdeutsche Strecken bieten sich zurzeit als Radfernwege an Foto: Adam Rose/Gallery Stock/Plainpicture minister für Verkehr und Wirt- schaft haben das Projekt finanzi- ell unterstützt. Gut so, meint Rai- mund Jennert, stellvertretender ADFC-Bundesvorsitzender, denn Fahrradtourismus sei „ein be- deutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland, und gerade im ländlichen Raum sehr wichtig für mittelständische Betriebe“. Jennert bezieht sich dabei auf ein ähnliches Bekenntnis des Bun- destages, das der kürzlich als Be- schluss verabschiedete. Zurück zur D-Route 3, für Wolfgang Richter die „bedeu- tendste West-Ost-Verbindung für Radtouristen“. Über 960 Kilo- meter führt sie zwar nicht gerade von der Maas bis an die Memel, aber doch von der niederländi- schen zur polnischen Grenze. Dazwischen liegen Ebenen, Flusslandschaften, aber auch Hügel und Berge, und irgend- wann geht’s mitten durch Berlin. Wenn man denn das alles will. Am Hauptbahnhof von Gü- tersloh stehen drei Radtouristen mit gut beladenen Fahrrädern, Männer im fortgeschrittenen Al- ter. Holländer, die bereits etliche Kilometer zurückgelegt haben, um überhaupt den deutschen Startpunkt der D 3, Vreden im westlichen Münsterland, zu er- reichen. Und nun möchten sie am liebsten irgendeinen Zug nehmen. Richtung Osten. In drei Stunden wären sie in Goslar, müssten zwar in Hannover um- steigen, aber die Züge transpor- tieren halt auch Fahrräder. Verlo- ckend, denn damit hätten sie das Weserbergland und den halben Harz elegant überbrückt. „Für uns zu steil, zu anstrengend“, grinst einer der drei, „wir kom- men ja aus dem Flachland.“ Aber das Gute an diesem Radweg sei- en nicht zuletzt die Bahnhöfe. „Die findet man ja überall.“ „Deutschland per Rad entde- cken“ 2013/14, hg. vom ADFC, 92 Seiten. Infos zu Radfernwegen und Radregionen. Kostenlos in vielen Fahrrad- und ADFC-Info-Läden

FAHR RAD! 35 - taz

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taz.thema SONNABEND/SONNTAG, 1./2. JUNI 2013

die verlagsseiten dertaz.die tageszeitung

www.taz.de | [email protected] | fon 030 • 25 90 23 14 | fax 030• 25 10 694 Impressum Redaktion: Lars Klaaßen & Helmut Dachale | Foto-Red.: Ann-Christine Jansson | Anzeigen: Söntke Tümmler

FAHR RAD!

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Rund 230 innerdeutsche Stre-cken bieten sich zurzeit als Rad-fernwege an, aber aufgepasst,sagt Wolfgang Richter, Touris-mus-Referent beim ADFC: „Esgibt Qualitätsunterschiede.“

In der aktuellen Auflage von„Deutschland per Rad entde-cken“ (2013/14) präsentiert derADFC wieder eine vorzeigbareAuswahl mit einer Gesamtstre-cke von rund 50.000 Kilome-tern. Und so ganz nebenbei er-fährtman in der umfangreichenBroschüre, dass die Radwegspla-ner schon seit Längerem an ei-nemganzgroßenRaddrehen. Ih-re Vision: ein D-Routen-Netz. Be-stehendauszwölf „Premiumrou-ten“, soRichter,diezwischenBay-ern und dem hohen Norden,dem äußersten Westen und demOsten als Fahrrad-Direktverbin-dungen fungieren sollen. Undnach Möglichkeit auch noch eu-

ropäischeingebettetsind.Weral-so Deutschland per Rad verlas-sen möchte: D-Route. Denn sokönnte man sich darauf verlas-sen, dass auch hinter der Staats-grenze die gleichen Orientie-rungsschilder denWeg weisen.

Allerdings: Bei der Verwirkli-chung wird der Radwegebaunicht neu erfunden, vornehm-lich werden bereits bestehendeRadwege mittels einheitlicherWegweisung zusammengeführt.Es werden also Megastreckenentstehen, sukzessive.Alsvollen-det gelten bisher die D-Route 12,der Oder-Neiße-Radweg (628 Ki-

lometer), und die Nr. 3, der ei-gentliche Vorzeigekandidat.„Schön und gut“, lesen wir dazuin „Deutschland per Rad entde-cken“ – „aber wozu das alles?“

Gute Frage. Wolfgang Richterbeantwortet sie in etwa so: Pre-miumrouten bieten den Radtou-risten Qualität. Eben durch ihredurchgängige Ausschilderung,aber etwa auch durch die hoheDichte von fahrradfreundlicherGastronomie. Und deshalb sindsie wie geschaffen für die inter-nationale Vermarktung. So dürf-te es nicht erstaunen, dass die D-Route 3 als ein Gemeinschafts-werk realisiert worden ist, dasderDeutscheTourismusverbandkoordiniert hat. Ein Pilotprojektmit Referenzcharakter, an demauch der ADFC beteiligt war.Mittlerweile hat er sie offiziellbegutachtet und mit drei Ster-nen ausgezeichnet. Die Bundes-

Deutschland auf neuen WegenRADFERNWEGE Damit ist die Republik eigentlich gut versorgt, aber jetzt soll’s noch besser werden: Gedacht fürlängere Touren kreuz und quer durch Deutschland, von Grenze zu Grenze, entsteht das D-Routen-Netz

Wer Deutschland perRad verlassenmöchte,ist auf D-Routen gutaufgehoben

VON HELMUT DACHALE

Deutschland, ein einziger Rad-weg. Womit nicht der innerstäd-tische Holperparcours gemeintist, zumeist kaum breiter als einHandtuch und dazu noch vollge-parkt. Vielmehr der Weser- oderAller-Radweg, der Ochsenwegoder auch der Kraut-und-Rüben-Radweg, der tatsächlich so heißtund pfälzische Gemüseäckerund Obstplantagen erschließt.Derartige Radwege, postuliertder Fachausschuss Tourismusdes ADFC (Allgemeiner Deut-scher Fahrrad-Club) sind „über-regionale, beschilderte Radrou-ten,dievornehmlichdemtouris-tischen Fahrradverkehr dienenund bestimmte Mindeststan-dards aufweisen“. So sollten siemindestens 150 Kilometer langsein und sich durch „naturnaheRoutenführung“ auszeichnen.

Rund 230 innerdeutsche Strecken bieten sich zurzeit als Radfernwege an Foto: Adam Rose/Gallery Stock/Plainpicture

minister für Verkehr und Wirt-schaft haben das Projekt finanzi-ell unterstützt. Gut so,meint Rai-mund Jennert, stellvertretenderADFC-Bundesvorsitzender, dennFahrradtourismus sei „ein be-deutender Wirtschaftsfaktor inDeutschland, und gerade imländlichen Raum sehr wichtigfür mittelständische Betriebe“.Jennertbezieht sichdabei aufeinähnliches Bekenntnis des Bun-destages, das der kürzlich als Be-schluss verabschiedete.

Zurück zur D-Route 3, fürWolfgang Richter die „bedeu-tendste West-Ost-Verbindungfür Radtouristen“. Über 960Kilo-meter führt siezwarnichtgeradevon der Maas bis an die Memel,aber doch von der niederländi-schen zur polnischen Grenze.Dazwischen liegen Ebenen,Flusslandschaften, aber auchHügel und Berge, und irgend-wann geht’smitten durch Berlin.Wennman denn das alles will.

Am Hauptbahnhof von Gü-tersloh stehen drei Radtouristenmit gut beladenen Fahrrädern,Männer im fortgeschrittenen Al-ter. Holländer, die bereits etlicheKilometer zurückgelegt haben,um überhaupt den deutschenStartpunkt der D 3, Vreden imwestlichen Münsterland, zu er-reichen. Und nun möchten sieam liebsten irgendeinen Zugnehmen. Richtung Osten. In dreiStunden wären sie in Goslar,müssten zwar in Hannover um-steigen, aber die Züge transpor-tierenhalt auchFahrräder.Verlo-ckend, denndamit hätten sie dasWeserbergland und den halbenHarz elegant überbrückt. „Füruns zu steil, zu anstrengend“,grinst einer der drei, „wir kom-men ja aus demFlachland.“ Aberdas Gute an diesem Radweg sei-en nicht zuletzt die Bahnhöfe.„Die findet man ja überall.“

■ „Deutschland per Rad entde-cken“ 2013/14, hg. vom ADFC, 92Seiten. Infos zu Radfernwegen undRadregionen. Kostenlos in vielenFahrrad- und ADFC-Info-Läden

36 1./2. JUNI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG taz.thema | FAHR RAD!

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Seit 2009 wird in BremenBikepolo gespielt. Daniel, wie ei-nige seiner Freunde auch,kommt aus der Fahrradkurier-szene. Bei den EuropäischenFahrradkuriermeisterschaftenim gleichen Jahr in Berlin, an de-nen er teilnahm, gab es im Rah-menprogramm ein Bikepolo-Turnier. „Absolut faszinierend“,erinnert er sich, „zu Hause binich gleich in den Baumarkt undhab mir ein paar Teile gekauft,umeinen Schläger zu bauen. An-gefangen zu spielen haben wirdann auf unseren Kurierrädern.Einfach drauf los.“

Zunächst spielten die „Bike-BoysBremen“aufRädern fürdenStraßenverkehr. Zwarmit starrerÜbersetzung, aber die war zugroß. Später wurde die Überset-zungwesentlich kleiner, esmussim Spiel also recht schnell getre-ten werden. Und die Bauweiseder Laufräder wurde robuster.Mittlerweile mit 36 oder gar 48Speichen. Außerdem kamenBremsen dazu. Die sind notwen-dig, um auf demCourt abrupt zustoppenoderdasHinterradbeimBremsvorgang in die Luft zu he-ben. Dann kann der Spieler aufdem Vorderrad drehen und zü-gig in eine andere Richtung be-schleunigen. Natürlich geht dasauch schon mal schief, und derFahrer landet hart auf dem As-phalt.

Bikepolo wird rund um denGlobus gespielt. Auch in Indone-sien, Kolumbien, China, Peruoder Polen. Die meisten Clubsoder Teams gibt es in den USAmit knapp 200. In Europa spie-len die meisten Polo-Enthusias-ten in Großbritannien, Frank-reich, Italien und natürlich inDeutschland. Bei den kommen-den Deutschen Meisterschaftenin Oberhausen (5. bis 7. Juli) sind50 Teams angemeldet. Manchevon ihnen sind bereits etabliert.Sowie die letztjährigen EM-Fina-listen „Edisons“ aus Frankfurt,„tough shit“ (München), „Bam-bule“ (Berlin) oder die „Polonau-ten“ aus Wendelstein bei Nürn-berg. Die treten übrigens auf Rä-dern an, mit denen eigentlichRadball gespieltwird. „Das ist einganzanderes Spielmitdenen“, soder Bremer Daniel.

Auch wenn das Street- oderParkplatz-Bikepoloerst sorichtigin diesem Jahrtausend populärwurde, ausgeübt wurde dieseSportart schon vor gut einhun-dert Jahren. Zunächst spieltenViererteams auf Rasen. Bereits

1891 wurde ausgerechnet in Ir-land das erste Match ausgetra-gen – auf einem Rugbyfeld. Zwi-schen den „Rathclaren Rovers“und dem „Ohne Hast CyclingClub“, ebenfalls einer irischenMannschaft, die sich jedoch die-sen hübschen deutschen Namenzugelegt hatte. Bei den Olympi-schen Spielen 1908 in Londonfand sogar ein Demonstrations-wettbewerb im Bikepolo statt.Wieder spielten die „Rovers“,diesmal gegen den „DeutschenRadfahrer Bund“. Es endete 3:1für die Iren.

HeutewirdnichtnuraufPark-plätzen gespielt, auch in Park-häusern oder in Rollsportstadi-en. Meistens informell, die nochjunge Szene pfeift auf die Ver-einsmeierei, kennt wenig festeStrukturen außerhalb der jewei-ligen Meisterschaften. Für Dani-el, wie eigentlich für die gesamteSzene, steht Fair Play an ersterStelle. „Wir spielen gegeneinan-der und trotzdem miteinander.Und wenn jemand mal über dieSträngeschlägt,dannwirdervonallensanktioniert.“Spaßstehtanerster Stelle, Turniere haben ei-nengemischtenWettkampf-undPartycharakter. Vermutlich hatsich so einer der vielenBikepolo-Ausdrücke etabliert. Cheating,alsoschummeln,bedeutet,völlignüchternzuspielen. Jedenfalls inAustralien.

Fahrrad statt FuryBIKEPOLO Wenn „Bambule“ gegen die „Polonauten“ antritt, bleiben die Pferde im Stall,die Schläger aber werden gebraucht. Hardcourt Bikepolo ist ein echter Asphaltsport

Cheating, alsoschummeln, bedeutet,völlig nüchternzu spielen

VON JÜRGEN FRANCKE

Nein, Daniel spielt kein Eisho-ckey. Auch wenn er gut einge-packt auftaucht mit dickenHandschuhen,Knie-undSchien-beinschützern und eben einemEishockeyhelm. Er trifft sich mitseinen Kumpels auf einem Park-platz am Rande des Bremer We-serstadions. Und er hat auch einFahrrad dabei, Marke „Wenigdran“, dazu trägt er einen leich-ten Aluschläger in der Hand. Andessen Ende befindet sich einHartplastikzylinder. Das ist derSchlägerkopf. „Vielmehrbrauchtman eigentlich nicht, um Bike-polo zu spielen“, sagt Daniel, 32Jahre alt. „Ambesten ist es natür-lich,wennmindestenssechsLeu-te zusammenkommen. Schließ-lich besteht eineMannschaft ausdrei Spielern.“

Daniel und seine Freunde le-gen gleich los. Sich aufwärmen?Nicht nötig. Und wie sie da aufdie beiden improvisierten Tore,jedes ungefähr so breit, wie einFahrrad lang ist, losrauschen,wird schnell klar, warum Helmund Protektoren sinnvoll sind.HardcourtBikepolowird,wiederName schon sagt, auf Beton oderAsphalt gespielt. Ziemlichschnell und manchmal ein we-nig ruppig. Mit dem traditionel-len Radpolo, gepflegt von nocheinigen regulären Vereinen, hatdas wenig zu tun.

Gelenkt wird das Rad mit derlinkenHand. Auf der linken Seitedes Stummellenkers befindetsich auch der einzige Bremshe-bel. Daniel hat an seinem RadVorder- und Hinterbremse syn-chronisiert. Zwei Bremsen, einHandgriff. In der rechten Handhält der Spieler den Schläger. Esseidenn,man ist ein „Leftie“.Unddamit gilt es halt, den Ball, einentennisballgroßen „Streethockey-Ball“ und damit ganz schön hart,ins gegnerische Tor zu schießen.Manchmal aus voller Fahrt.„Richtig geil, wennman den Ballgenau mittig erwischt“, erläutertDaniel in einer Spielpause. Mit-tig heißt aber immer: mit denbeiden runden Enden desSchlägerzylinders. Denn dieLängsseiten des Schlägerkopfsdürfen ausschließlich zum Pas-sen benutzt werden.

Heute wird nicht nur auf Parkplätzen gespielt, auch in Parkhäusern oder in Rollsportstadien Foto: Xinhus/imago

haben sind, das Material nichtbeschädigen – aber offensicht-lichebenfalls geeignet sind, vieleSchlösser innerhalb von weni-genMinuten zu öffnen.

Der aktuelle Test bestätigtaber auch Bekanntes: Bügel-schlösser sind noch am ehestenin der Lage, Fahrraddiebe in Ver-zweiflung zu treiben. Testsiegersind zwei dieser Machart, ihrePreise liegen zwischen80und85Euro. Nicht eines Blickes gewür-digt wurden diesmal billige Spi-ralkabelschlösser, bei denen sichunter einer dünnen PlastikhautDrahtverkabelungversteckt.Vondiesen sogenannten „Geschenk-bändern für Diebe“, so StiftungWarentest, wüsste man ja sowie-so, „dass sie sich oft in wenigerals 15 Sekunden knacken lassen“.

Was also tun? Stiftung Waren-test rät, Fahrräder über dieHaus-ratversicherung abzusichernoder eine separate Fahrradversi-cherung abzuschließen. Ein Rat-schlag, der das plötzliche Ver-

schwinden eines Bikes nicht ver-hindern kann, allenfalls denNeukauf beschleunigen könnte.DassdieBenutzungeinesSchlos-ses, vorzugsweise eines Bügel-schlosses, doch sinnvoll, weil zu-mindest diebstahlerschwerend

Bolzenschneider trifft auf BügelDIEBSTAHLSCHUTZ Fahrradschlösser sind schwer und deshalb gerade auf Radreisen unbeliebt. Sind siewenigstens sicher? Stiftung Warentest sagt: Nur in ganz wenigen Fällen – und rät zu einer Versicherung

Als unverzichtbarer Basisschutzgegen Fahrradklau gilt das guteFahrradschloss. Nur: Welches istdenn gut, also unknackbar? Die-se Frage hat mal wieder die Stif-tung Warentest gestellt und aufihre Art beantwortet. Mit Tester-gebnissen. Diesmal jedoch sinddie so ausgefallen, dass sie Her-stellerwütendmachenundFahr-radbesitzer in den Alarmmodusbringen könnten (test 04/2013).

Lediglich 5 von 37 Schlössernerhielten ein „gut“, gleich 17 hin-gegensind jetzt als „mangelhaft“gebrandmarkt.NachAussagederZeitschrift haben ihre Tester alleKandidaten mit Sägen, Bolzen-schneidern, Zangen und mit an-derem Grobwerkzeug bearbei-tet. „Ein Haufen Schrott – das istalles, was von den meisten Fahr-radschlössernamTestendeübriggeblieben ist“, bilanziert sie.Auch filigrane Picking-Instru-mente kamen zum Einsatz. Dienennt man „intelligent“, weil sieunauffälligerund leiser zuhand-

sein kann, drängt sich auf beimBlick auf die Gesamtzahlen: Imvergangenen Jahr sind knapp330.000 Velos in Deutschlandals gestohlen gemeldet worden,nahezu so viel wie im Jahr zuvor.Aber doch erheblich weniger alsnoch vor einigen Jahren. 1994zum Beispiel waren es noch weitüber eine halbe Million Fälle.Und gerade in den letzten zehnJahren ist nicht nur von Herstel-lern, auch von Verbänden wiedem Allgemeinen DeutschenFahrrad-Club unablässig für dieBenutzung von Fahrradschlös-sern getrommelt worden.

Zu den Sicherheits-Grundre-geln, die der ADFC propagiert,gehört das Anschließen an ei-nem fest verankerten Gegen-stand. Etwa an einem vertrau-enswürdigen Fahrradständeroder – noch besser – einer Ab-stellanlage, die gut einsehbar ist.Doch dafür sei,man ahnt es, „einsicheresSchloss“nunmaldieVo-raussetzung. PAUL DA CHALET

2012 wurden knapp330.000 Velos inDeutschland alsgestohlen gemeldet

SONNABEND/SONNTAG, 1./2. JUNI 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG 37www.taz.de | [email protected] | FAHR RAD!

Events, bei denen Fantasy-Rol-lenspiel, ADFC-Ortsgruppenaus-fahrtunddieRequisitenkammerdes britischen Serienklassikers„Der Doktor und das liebe Vieh“zusammenkommen. Und Karri-more-Taschen? Findet man ei-gentlich nur noch an Schubert-&-Schefzyk-Reiserandonneu-ren, die einen wie die anderenhergestellt in den 80er Jahren.Samstag morgens auf dem Bio-markt wird solch Veteranenstilgern vorgeführt.

Der heutige Markt der Radta-schen ist fest in der Hand vonOrtlieb und seinen Epigonen.Rechtbaldmachtensichauchan-dere Hersteller daran, Fahrrad-fahrermitwasserdichtenBehält-nisse aus Planenmaterial zu ver-sorgen. Firmen wie Vaude oderAgu, aber auch Carradice habenlängst Planentaschen im Pro-

weit. ImFalle der Radtaschen ausKunststoff ist dies vor allem diePrüfsiegelpresse mit ausgepräg-ter Schadstoffspürnase. Sie sorg-tedafür, dassPVCbinnenkürzes-ter Zeit aus den Planentaschender führenden Hersteller ver-schwand. Und neuerdings stößtman im Internet, in zahlreichenFixie- und Urban-Vintage-Blogsund -Foren auf Bestrebungen,dieKunststofftaschenganzallge-mein zum „No Go“ zu erklären.Brooks,Hersteller gediegener Le-dersättel, hat anscheinend dar-auf reagiert – und bietet jetzt ei-ne andere Art von Kunststoffpla-nentaschen an: in gedecktenFarbtönenundmithistorischan-mutendenApplikationen, garan-tiert wasserdicht. Und wennschon nicht ökologisch korrekt,so doch stilecht. Spätestens jetztmuss die Jutetasche passen.

Wie wir lernten, denKunststoff zu liebenFAHRRADTASCHEN Die Plastikeinkaufstüte soll verboten werden, beidenRadtaschen ist derKunststoff ersteWahl unddürfte es bleiben.Aus guten Gründen, die auch etwas mit der Natur zu tun haben

Die ersten Radtaschen

aus Lkw-Plane

revolutionierten den

weltweiten Markt

VON GUNNAR FEHLAU

Jute ist gut, Leinen ebenso, Plas-tik aber das Böse schlechthin.Auch dann, wenn es sich Kunst-stoff nennt. Die konsequenteEinhaltung dieses Glaubensbe-kenntnisseswürdedasLebenwe-niger lebenswert machen, zu-demgefährlicher und teurer. AlsBeweis für diese These ließensich Kondome anführen. Oder,noch besser, die Radtaschen. Siekommen schließlich in jeder Le-benslage und in aller Öffentlich-keit zum Einsatz.

Wer sich auf Radreisen auf Ju-tebeutel oder Stofftaschen ver-lässt, muss stets auf gutesWetterhoffen. Sollte es regnen, ein völ-lig natürliches Ereignis, werdennicht nur Ross und Reiter nass,sondern in kurzer Zeit auch diekomplette Ausrüstung. Mit ver-heerenden Folgen für die Moral.Das durfte auchHartmutOrtliebaufeinerRadtourerleben.GenauindemMomenttotalerVerzweif-lung und lauten Fluchens überdie Unzulänglichkeit desMateri-als und seine Entscheidung, mitdem Rad in einem südengli-schen Landregengebiet herum-zufahren, überholte ihn ein Lkwmit Planenaufbau. Den jungenOrtlieb schoss eine Idee durchden Kopf, die sein Leben und dasMillionen von Radlern verän-dern sollte. Kurz danach, im Jahr1982, nähte er seinen ersten SatzRadtaschen aus Lkw-Plane. Dasrevolutionierte den weltweitenMarkt der Panniers und ließ ihnzum Innovationsführer einer ge-samten Branche aufsteigen. Da-mals, in den 80er Jahren, warendas Radfahren und die Taschen-produktion fest in der Hand derJutebeutel-Menschen. Die Ta-schen kamen von Carradice undKarrimore aus Großbritannienoder Cannondale aus den USA.Siewarenwederregendichtnochgünstig, aber Stand der Technik.

Das hat sich gewaltig geän-dert: Cannondale näht keineRadtaschen mehr in den USA,sondern liefert MountainbikesausAsien. Carradice-TaschenausgewachsterBaumwolle sindzwarimmer noch einMust-have, aberan sich nur noch bei Tweed-Run-Veranstaltungen. Das sind

Wasser muss Radreisenden den Spaß nicht verhageln. Das ist auch Plastik zu verdanken Foto: Anja Lehmann/Ostkreuz

gramm. Mit zahlreichen Paten-ten und regelmäßigen Neuerun-gen versucht Platzhirsch Ortliebjedoch, seine Vorreiterrolle undseinen Marktanteil auszubauen.Generell gilt: Ob Hinterrad- oderLenkertasche, es gibt kaum eineRadtaschenversion, die nichtauch als wasserdicht angebotenwird. Anders als bei den Ein-kaufstüten im Supermarkt ist al-len Plastikradtaschen gemein,dass siemeistdeutlichmehrkos-ten als ihre Stoff-Pendants. Obdas „teuer“ ist, liegt wie immerim Auge des Betrachters.

Man kauft allerdings keines-falls einfach nur eine Planenta-sche, die wasserdicht ist. Nein,man kauft das sichere Gefühl,abends nach einer Tour beliebi-ger Länge bei egal welchemWet-ter nach einer Dusche garantierttrockene Kleidung aus der Ta-sche holen zu können. Und erstdieses gute Gefühl lässt den Re-gen fürRadler erträglichwerden.Doch wenn Lebensfreude undGenuss ins Spiel kommen, sinddie Spaßbremsen meist nicht

Festival mit 100.000 Rädern

Heute und morgen (1./2. Juni)wird in Berlin wieder ökologischkorrekt gefeiert. Am Branden-burger Tor präsentiert sich das18. Umweltfestival mit 250 Aus-stellern, Verbänden und Initiati-ven, Straßentheater, Livemusikund einem „Boulevard derMobi-lität“. Erstmals wird ein „GroßerPreis“ vergeben. Das Festival un-

ter dem Motto „Lebensraum Zu-kunft!“ organisiert die Grüne Li-ga, der ADFC ist zuständig für dietraditionelle Fahrradsternfahrtam Sonntag. Zu dieser größtenFahrraddemonstration weltweitwerden wieder 100.000 Men-schen undmehr erwartet.www.adfc-berlin.dewww.grueneliga-berlin.de

Afrika von oben nach unten

Die Tour d’Afrique – ein 12.000Kilometer langes Abenteuer fürdie ganz Harten. So liest es sichimgleichnamigenBuchvonHar-dy Grüne. Das Rennen 2011, andemerteilnahm,dauertewieüb-lich vier Monate und führte vonKairo nach Kapstadt. Ein Quasi-Selbstversorger-Rennen:DasGe-päck wird befördert, während

der Renntage ist für die Verpfle-gung imGroßen undGanzen ge-sorgt, zwei Mechaniker küm-mern sich um die Räder, auchMediziner sind dabei. Leistun-gen, die zu bezahlen sind. Grüneerzählt voneiner Tortur, diemanauch genießen kann.■ Hardy Grüne: „Tour d’Afrique“.Delius Klasing Verlag