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REPETITORIUM AUS ZIVILRECHT Familienrecht I Eherecht Univ.-Ass. Mag. Constantin Hofer

Familienrecht I Eherecht - univie.ac.at · oder Nichtigerklärung der Ehe, Ehegattenunterhalt. 8 Charakter und Prinzipien

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REPETITORIUM AUS ZIVILRECHT

Familienrecht I

Eherecht

Univ.-Ass. Mag. Constantin Hofer

Page 2: Familienrecht I Eherecht - univie.ac.at · oder Nichtigerklärung der Ehe, Ehegattenunterhalt. 8 Charakter und Prinzipien

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Bedeutung der Familie

• Urform der sozialen Gemeinschaft

• Übernahme vieler Aufgaben durch Institution wie den Staat

• Paradigmenwechsel von patriarchalischem zu partnerschaftlichem Modell

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Begriff

• Familienrecht (im obj Sinn) = Summe der Normen, welche die durch Ehe und Verwandtschaft begründeten Rechtsbeziehungen regeln

• Regelungsbereiche

» Eherecht

» Kindschaftsrecht inkl Adoption

» Sachwalterschaftsrecht (Erwachsenenschutz)

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Familie und Verwandtschaft §§ 40 ff ABGB

• Familie: „… alle Stammeltern mit allen ihren Nachkommen“

• Verwandtschaft = Verhältnis zw den Stammeltern und ihren Nachkommen sowie das der Nachkommen zueinander (Blutsverwandtschaft + Adoption)

• Schwägerschaft = Verhältnis zw einem Gatten und den Verwandten des anderen

• Grad = misst die Verwandtschaftsnähe

• Gerade Linie = Verwandtschaft zw Vorfahren und Nachkommen

• Seitenlinie = Zwei Personen stammen von einer gemeinsamen Dritten Person ab

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Rechtsquellen

Beachte: keine geschlossene Regelung des Familienrechts!

• EheG 1938 (Eheschließung und Ehescheidung)

• §§ 40 – 100 ABGB (Familienverhältnis, Ehe, Verlöbnis, Ehewirkung)

• §§ 1217 – 1266 ABGB (eheliches Güterrecht)

• §§ 21 – 23 und §§ 137 – 235 ABGB (Kindschaftsrecht)

• §§ 268 ff ABGB (Sachwalterschaft; beachte: ErwSchG)

� Beachte: zahlreiche Novellen und Nebengesetze (zB EPG, PStG)!

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Exkurs: Verfahrensrecht

• Ordentliche Gerichtsbarkeit (§ 1 JN)

• Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte (§ 104a JN, § 49 Abs 2JN)

• Verfahren außer Streitsachen: zB einvernehmliche Scheidung, Abstammungsverfahren, Regelungen der Obsorge

• Streitiges Verfahren: zB Klage auf Ehescheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, Ehegattenunterhalt

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Charakter und Prinzipien

• Personenrechtlicher (betreffen Familienverhältnis als solches; zB Erziehungsrechte) und vermögensrechtlicher Charakter (insb Güterrecht)

• Häufig zwingende Normen

• Familienverhältnisse sind auf Dauer angelegt � erschwerte Auflösbarkeit

• Strenge Formvorschriften

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Die Ehe

• Ehe = die rechtlich anerkannte Lebensgemeinschaft zweier

Personen verschiedenen Geschlechts (Achtung: aufgehoben durch VfGH!) mit dem Zweck, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen

und einander Beistand zu leisten (§ 44)

• Prinzip der Einehe

• Auf Dauer angelegt, aber nicht unzertrennlich

• Zeugen von Kindern? � auch kinderlose Ehen sind vollgültig

• Eheliche Beistandspflicht

• Grundsatz der obligatorischen Zivilehe (§ 15 EheG)

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Die nichteheliche Lebensgemeinschaft

• Nichteheliche Lebensgemeinschaft = eine länger andauernde eheähnliche Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (Rsp)

» Auf Dauer angelegt, aber jederzeit lösbar

» Eheähnlich: auch gleichgeschlechtliche Paare

• Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft: bewegliche, nicht kumulative Elemente

• An Lebensgemeinschaft knüpfen gs keine Rechtsfolgen: keine Treuepflicht, keine Unterhaltsansprüche (Beachte: ao gesetzl Erbrecht gem § 748 nF)

• Keine analoge Anwendung der eherechtl Bestimmungen!

» Teilweise Gleichstellung: zB § 14 Abs 3 MRG (Eintritt in das Mietrecht im Todesfall des Mieters)

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Rechtsfolgen der Auflösung

• Mangels besonderer Vorschriften gilt allgemeines SchuldR:

• GesbR: Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft und Gemeinschafts-organisation mit konkreten Rechten und Pfl. (zB gemeinsamer Hausbau)

• Schenkungswiderruf und Irrtumsanfechtung: bei Schenkungsabsicht und grobem Undank oder Motivirrtum

• Bereicherungsrecht (§ 1435 p.a): wenn Leistung eine über die Befriedigung unmittelb Bedürfnisse hinausgehenden Zweck verfolgt („erkennbare Zweckbindung“), einen die Auflösung überdauernder Nutzen hat und dieser Zweck bei früherer Auflösung der Lebensgemeinschaft vereitelt wird

» Zweck ist zB Hochzeit, Fortbestehen der Lebensgemeinschaft

» Nicht: Wohnungs- und Lebenserhaltungskosten: Zweck geht nicht über Gegenwart hinaus � keine Zweckverfehlung

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Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – Fall 1

Hermann und Viktor sind seit Jahren ein gemeinsames Paar. In der

gemeinsamen Wohnung kochen und essen sie und teilen sich die

Kosten (Miete, Strom, Gas, Internet).

Wie ist ihre Beziehung zu beurteilen?

Quelle: Vgl Fall 41 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 48

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Die nichteheliche Lebensgemeinschaft – Fall 2

Hermann und Viktor sind seit Jahren ein gemeinsames Paar. Sie

beschließen ihre gemeinsame Wohnung zu renovieren (neuer

Boden und Anstrich) und teilen sich auch die Materialkosten iHv

EUR 10.000,-. Nach dem Anstrich gefällt Viktor die Farbe nicht und

er trennt sich von Hermann. Dieser bleibt alleine in der Wohnung.

Hat Viktor einen Anspruch auf Ersatz der Materialkosten und

Arbeitsleistungen?

Quelle: Vgl Fall 42 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 50 f

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Rechtsnatur

• Verlöbnis = das Versprechen von zwei Personen verschiedenen Geschlechts, einander zu heiraten (§ 45)

• Familienrechtlicher Vorvertrag

• Aber: Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages ist nicht durchsetzbar; Vertragsstrafen sind nichtig

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Abschluss

• Geltung der allgemeine Regeln des Vertragsrechts

• Keine Formvorschriften (auch konkludent; zB Ringtausch)

• Geschäftsfähigkeit

• Höchstpersönliches Geschäft

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Wirkungen

• Jederzeitiger (einseitiger) Rücktritt vom Verlöbnis

• Schadenersatz nach § 46: bei grundlosem Rücktritt oder bei Setzen einer Rücktrittsursache für den anderen

» Verschulden (str)

» „Wirklicher Schaden“: ersetzt wird der Vertrauensschaden, zB nutzlose Aufwendungen wie Vorbereitungskosten für Hochzeit

• Widerruf und Rückforderung der Schenkung nach § 1247 S 2, wenn in Hinblick auf Ehe etwas geschenkt wird und Ehe ohne Verschulden des Geschenkgebers nicht zustande kommt

• BereicherungsR unabhängig von der Ursache des Verlöbnisbruchs: bei Aufwendungen für Partner im Hinblick auf eine beabsichtigte und dann unterbliebene Eheschließung

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Das Verlöbnis – Fall 3

Die Studenten Ernst und Brigitte wollen heiraten sobald Ernst sein

Austauschsemester in London beendet hat. Während seiner

Abwesenheit bestellt Brigitte ein Brautkleid um EUR 1.300,-. Als

Ernst zurückkehrt will er nicht mehr heiraten.

Kann Brigitte ihre Ausgaben zurückbekommen?

Variante: Wie verhält es sich, wenn Ernst Brigitte aus Anlass der

Verlobung einen goldenen Ring geschenkt hat?

Quelle: Vgl Fall 2 und 3 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 1 f

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Voraussetzungen der Eheschließung

• Begründung der Ehe durch Vertag (§ 44), der fehlerfreie Einigung zwischen Braut und Bräutigam voraussetzt (§ 17 EheG)

• Die Willenserklärung muss auf Abschluss der Ehe iSd § 44 gerichtet sein

• Typenzwang: Ehe kommt mit gesetzlichem Inhalt zustande und gs keine Bestimmung der Rechtsfolgen der Ehe (zB Ausschluss von Beistandspflicht ist unwirksam)

• Voraussetzungen: Ehefähigkeit; keine Eheverbote; Form; Mitwirkung des Standesbeamten

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Die Ehefähigkeit

• Ehefähig = ehegeschäftsfähig + ehemündig

• Die Ehegeschäftsfähigkeit bestimmt sich nach den allg Regeln über die Handlungsfähigkeit (s § 102 EheG)

» Völlig Geschäftsunfähige können keine Ehe schließen (§ 2)

» Beschränkt Geschäftsfähige � Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten (§ 3 Abs 1 und 2) bzw bei Verweigerung ersatzweise durch Gericht, wenn keine gerechtfert Gründe für Verweigerung vorliegen (§ 3 Abs 2)

» Zustimmung des Sachwalters nach hA nur, wenn von Wirkungskreis auch Eheangelegenheiten umfasst

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Die Ehefähigkeit

• Ehemündigkeit: mit vollendetem 18. Lj (§ 1 Abs 1 EheG)

• Erklärung der Ehemündigkeit auf Antrag durch Gericht:

» Wenn 16. Lj vollendet ist und für Ehe reif erscheint und der künftige Ehegatte volljährig ist (§ 1 Abs 2)

» Die gerichtl Ehemündigerklärung beseitigt jedoch nicht den Mangel der Geschäftsfähigkeit � es bedarf daher weiterhin der Einwilligung des gesetzl Vertreters und des Erziehungsberechtigten

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Die Eheverbote

• Eheverbote iwS = Umstände, bei deren Vorliegen der Standesbeamte nicht trauen darf:

» Eheverbote ieS (§§ 6, 8-10 EheG)

» Verbote aus den Vorschriften über die Ehefähigkeit (§§ 1-3)

» Nichtigkeitsgründe

• Blutsverwandtschaft (§ 6): Blutsverwandte der geraden Linie und Geschwistern

• Annahme an Kindes statt (§ 10): solange Adoption besteht

• Doppelehe (§ 8): Prinzip der Einehe

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Form der Eheschließung

• Ehevertrag vor Standesbeamten des Trauungsortes

» Sonst absolut nichtig (Nichtehe; § 15 EheG)

» Auch vor „Scheinstandesbeamten“, wenn Ehe in Ehebuch eingetragen wurde (§ 15 Abs 2 EheG)

» Vor jeder Personenstandsbehörde (§ 19 Abs 1 PStG)

• Befragung der Verlobten, ob sie Ehe eingehen wollen (§ 18 Abs 2 PStG)

• Gs zwei Zeugen; außer Verlobte erklären Abweichendes (§ 18 Abs 3 PStG)

• Erklärung persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit (§ 17 Abs 1 EheG)

• Keine Bedingung oder Befristung der Erklärung (§ 17 Abs 2 EheG)

• Niederschrift über Erklärung samt Unterschrift (§ 18 Abs 4 PStG)

• Eintragung in zentrales Personenstandregister (§ 20 PStG)

• Ermittlung der Ehefähigkeit in einer mündl Verhandlung (§§ 14 ff PStG)

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Wirkung der Eheverbote iwS

• Schlichte Eheverbote: Übertretung berührt Ehegültigkeit nicht

• Nichtigkeit

• Aufhebbarkeit der Ehe

• Nichtehe

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Die mangelhafte Ehe – Allgemeines

• Fehlerfrei abgeschlossene Ehe = gegen kein gesetzliches Verbot verstoßen, keine Formvorschrift verletzt und kein Willensmangel vorliegt

• Minderwertige Fehler: berühren die Gültigkeit der Ehe nicht

» zB: Fehlen von Zeugen, einer Niederschrift oder Eintragung in das Personenstandregister

• Schwerwiegende Fehler: bewirken die Mangelhaftigkeit der Ehe

» zB: Verletzung der Formvorschriften des § 17 EheG, Verstoß gegen §§ 6 und 8 EheG, Geschäftsunfähigkeit oder mangelhafte Willensbildung

» Nichtigkeit oder Aufhebung der Ehe

» Klagerecht: Gatten, allenfalls Staatsanwalt

» Absolut unwirksame Nichtehe: wenn nicht einmal die elementarsten Voraussetzungen erfüllt sind (zB ohne Standesbeamten)

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Die Nichtigkeitsgründe

• Formmangel (§ 21 EheG): fehlende Form des § 17 EheG

• Mangel der Geschäftsfähigkeit (§ 22 EheG): wenn völlig geschäftsunfähig

• Namens- und Staatsangehörigkeitsehe (§ 23 EheG): Täuschung beider Partner über den Eheabschlusswillen ausschließlich oder vorwiegend zum Zweck der Verschaffung des Familiennamens oder der Staatsbürgerschaft (= Scheingeschäft)

• Wiederverheiratung bei Todeserklärung (43 Abs 1 EheG): wenn beide wussten, dass der für tot erklärte Ehepartner noch lebt

• Verstoß gegen Eheverbote (§§ 24, 25 EheG): Doppelehe, Ehe unter Verwandten

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Die Heilung der Nichtigkeit

• Ehe ist bei Heilung als von Anfang an gültig zu betrachten

• Nichtigkeit eines Formmangels heilt: wenn nach Eheschließung 5 Jahre miteinander als Gatten gelebt (§ 21 Abs 2)

• Fehlende Geschäftsfähigkeit heilt: wenn Gatte nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit zu erkennen gibt, dass er die Ehe fortsetzen will (§ 22 Abs 2)

• Namens- und Staatsangehörigkeitsehe heilt: wie bei Formmangel (§ 23 Abs 2 EheG)

• Doppelehe und Ehe unter Verwandten = aufgrund der Schwere des Nichtigkeitsgrundes unheilbar

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Geltendmachung der Nichtigkeit

• Mittels Klage

• Gerichtliches Urteil notwendig, um sich auf Nichtigkeit berufen zu können (§ 27 EheG)

» „Vernichtbarkeit“ tritt erst mit Rechtskraft des Urteils ein

• Klageberechtigt (§ 28 EheG): gs Ehegatten und Staatsanwalt

» Bei der Namens- und Staatsangehörigkeitsehe ist nur der Staatsanwalt klagslegitmiert

» Bei der Doppelehe auch der Ehegatte aus der ersten Ehe

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Folgen der Nichtigerklärung

• Richterliches Gestaltungsurteil mit ex tunc-Wirkung (Gatten gelten dann als von Anfang an nicht verheiratet); Kinder: ex nunc-Wirkung

• Vermögensrechtliche Beziehungen der Ehegatten:

» Wegen ex tunc-Wirkung haben Leistungen keinen Rechtsgrund mehr � BereichR: wenn beide Nichtigkeit gekannt haben!

» Sonst (einer oder beide gutgläubig): vermögensrechtl Beziehungen nach Scheidungsrecht (ex nunc-Wirkung; § 31 Abs 1 EheG)

» Ev Schadenersatz des schuldlosen Gatten

• Erhalt des früheren Familiennamen; Kinder behalten Namen

• Schutz gutgläubiger Dritter (§ 32 EheG): zB Schlüsselgewalt, wenn Dritter Nichtigkeit nicht kannte

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Die Aufhebung der Ehe

• Zumeist Willensmängel der Brautleute bei Eheabschluss

• Aufhebungsgründe sind taxativ; die §§ 870 kommen nicht zur Anwendung

• Mangelnde Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bei bloß beschränkter Geschäftsfähigkeit (§ 35 EheG)

• Irrtum (§§ 36, 37 EheG) über:

» Charakter des Geschäfts als Eheschließung

» Vorliegen einer Erklärung zum Eheabschluss

» Identität des Partners

» Eigenschaft des Partners (körperliche, geistige und charakterliche Mängel)

• Arglistige Täuschung und Drohung (§§ 38, 39 EheG)

• Wiederverheiratung im Falle einer Todeserklärung (§ 43 EheG): Aufhebung der ersten Ehe, wenn der überlebende Gatte eine neue Ehe eingeht

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Heilung der Aufhebbarkeit

• Fortsetzungswille des Aufhebungsberechtigten, bei

» Kenntnis über die Tatsachen, welche Aufhebung begründen, über ihre Tragweite und über das Aufhebungsrecht selbst

» Zeigen des Fortsetzungswillen nach Wegfall der die Aufhebbarkeit begründenden Umstände

• Heilung des Irrtums über Eigenschaften des Partners durch „Bewährung“ (§ 37 Abs 2 EheG):

» = wenn Aufhebungsverfahren mit Rücksicht auf das bisherige Eheleben sittlich nicht gerechtfertigt erscheint, insbes bei Wegfall des Aufhebungsgrundes oder langen und harmonischen Eheführung

» Keine Bewährung bei arglistiger Täuschung

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Geltendmachung der Aufhebung

• Geltendmachung der Aufhebung im Klagsweg

• Auflösung der Ehe mit Rechtskraft des Urteils (§ 34 EheG)

• Klagerecht mit einem Jahr befristet (§ 40 EheG):

» ab Entdeckung des Irrtums

» ab Wegfall der Zwangslage oder

» ab jenem Zeitpunkt, wo der gesetzliche Vertreter von der Eheschließung des beschränkt Geschäftsfähigen erfahren hat oder dieser voll geschäftsfähig geworden ist

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Die Aufhebung der Ehe

Folgen der Aufhebung

• Auflösung ab jetzt (ex nunc-Wirkung)

• Gleiche Rechtsfolgen wie bei Scheidung (§ 42 EheG):

„In den Fällen der §§ 35 bis 37 ist der Ehegatte als schuldig

anzusehen, der den Aufhebungsgrund bei Eingehung der Ehe kannte,

in den Fällen der §§ 38 und 39 der Ehegatte, von dem oder mit dessen

Wissen die Täuschung oder die Drohung verübt worden ist.“

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Die mangelhafte Ehe – Fall 4

Die 18-jährige Anja und der 16-jährige Benjamin wollen heiraten.

Benjamins Eltern sind jedoch dagegen. Kann eine gültige Ehe

zustande kommen?

Variante 1: Die volljährige Beate möchte ihren Vater heiraten.

Variante 2: Die volljährige Beate möchte Erwin heiraten, der sie

adoptiert hat.

Quelle: Vgl Fall 4 und 5 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 2 ff

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Die mangelhafte Ehe – Fall 5

Anja und Erwin werden von einem Pfarrer in der Kirche getraut.

Liegt eine gültige Ehe vor?

Variante: Ein Wiener Standesbeamter nimmt die Trauung in der

Wachau vor. Auf die Niederschrift wird vergessen.

Quelle: Vgl Fall 6 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 4 f

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Die mangelhafte Ehe – Fall 6

Der Algerier Ali heiratet Franziska nur um eine Arbeitsbewilligung

zu bekommen. Franziska ahnt davon jedoch nichts.

Quelle: Vgl Fall 9 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 5 f

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Die mangelhafte Ehe – Wiederholungsfrage

Wie unterscheiden sich die Geltendmachung und Wirkungen der

Nichtigerklärung einer Ehe von der Aufhebung?

Quelle: Vgl Fall 12 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 9 f

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Unterscheidung nichtige und aufhebbare EheNichtigkeit Aufhebung

Geltendmachung Klage Klage

Klagebefugnis • Gs StA und Ehegatten• Nur StA bei Namens- und

Staatsangehörigkeitsehe• Bei Doppelehe auch früherer Ehegatte

• Nur Ehegatte, dessen Willensbildung mangelhaft war

• Gesetzlicher Vertreter, solange Ehegatte in Geschäftsfähigkeit beschränkt ist

Klagefrist • Keine Klagefrist • 1 Jahr ab Entdeckung des Irrtums bzw der Täuschung, Wegfall der Zwangslage, Erlangen der Geschäftsfähigkeit

Wirkungen • Gs ex tunc (rückwirkende Beseitigung)• Bereicherungsrechtl Rückabwicklung (wenn

beide die Nichtigkeit gekannt haben)• Sonst: Regelung nach ScheidungsR (ex nunc)• Kindschaftsrecht: ex nunc (Kinder behalten

Namen; Ehemann gilt weiterhin als Vater)• Heilung möglich (5 Jahre gemeinsam gelebt;

Fortsetzungswille)

• Ex nunc (mit Zeitpunkt der Aufhebung)• Folgen wie bei Scheidung

• Heilung möglich (Fortsetzungswille;Bewährung bei Irrtum über Eigenschaften des Partners)

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Die Rechte und Pflichten im Allgemeinen

• Die Ehe ist eine umfassende (geistige, körperliche und

wirtschaftliche) Lebensgemeinschaft der Gatten (§ 90 ABGB)

• Die ehelichen Rechte und Pflichten sind zwingend, soweit sie auf unverzichtbare Prinzipien beruhen (zB Beistand und Treuepflicht)

• Ansonsten: dispositiv (Prinzip der „Familienautonomie“, zBHaushaltsführung, Berufstätigkeit, Wohnsitz)

• Rechte und Pflichten sind zw Ehegatten gleich(„Partnerschaftliche Ehe“; § 89)

• (Abschließende ?) Pflichten der Ehegatten in den §§ 90 ff

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Die Rechte und Pflichten im Allgemeinen

• Pflicht zur „Umfassenden eheliche Lebensgemeinschaft“ (§ 90):

» Gemeinsames Wohnen

» Treue (geschlechtliche Untreue; Störung des Vertrauensverhältnis)

» Beistand (immaterieller und materieller Natur)

» Anständige Begegnung

» Geschlechtsgemeinschaft?

• Ausmaß der Rechte und Pflichten: bestimmen sich nach Zumutbarkeit und sachlichen Rechtfertigung des Begehrens

• Einvernehml Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft (vgl § 91 Abs 1)

» Abgehen eines Gatten von Vereinbarung über Lebensgemeinschaft: wenn kein wichtiges Anliegen des anderen oder der Kinder entgegensteht oder persönliche Gründe als gewichtiger anzusehen sind (§ 91 Abs 2)

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Persönliche Wirkungen der Eheschließung – Fall 7

Berti und Viktoria sind verheiratet. Beim Besuch des gemeinsamen

Freundes Hannes bemerkt Berti eine seltsam vertraute Beziehung

zwischen Hannes und seiner Frau Viktoria. Um herauszufinden, ob

diese eine Affäre haben, beauftragt Berti einen Detektiv. Dieser

macht eindeutige Schnappschüsse der beiden auf einem

Spaziergang im Wald und verlangt daraufhin von Berti ein Honorar

iHv EUR 1000,-. Kann Berti Ersatz dieser Kosten verlangen?

Quelle: Vgl Fall 17 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 14 f

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Exkurs: Namensrecht der Ehegatten

• § 93 ABGB: Ehegatten führen gemeinsamen Familiennamen

» Familienname eines Gatten

» Doppelname aus dem Namen beider Gatten

» zB Herr Maier und Frau Müller-Schmitt heiraten: als Familienname kann Maier, Müller, Schmitt, Müller-Schmitt, Maier-Müller, Maier-Schmitt und Schmitt-Maier bestimmt werden

• Mangels Bestimmung eines gemeinsamen Namens behalten sie ihren bisherigen Familiennamen bei

• Derjenige Verlobte, der den Namen des anderen zu führen hat, kann seinen bisherigen Namen unter Setzung eines Bindestriches voran-oder nachstellen, wenn der gemeinsame Familienname nicht bereits aus mehreren Teilen besteht

Page 47: Familienrecht I Eherecht - univie.ac.at · oder Nichtigerklärung der Ehe, Ehegattenunterhalt. 8 Charakter und Prinzipien

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Pflicht zum gemeinsamen Wohnen § 90

• Nach § 90 sind die Gatten zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet: der Wohnsitz ist dabei gs einvernehmlich zu wählen

• Aber: gemeinsame Verlegung ist aus gerechtfertigten Gründen auf Verlangen eines Gatten möglich, außer bei gleichwertigen Gründen nicht mitzuziehen (§ 92 Abs 1)

• Vorübergehend gesondert Wohnung (§ 92 Abs 2):

» Zusammenlegen ist mit dem anderen unzumutbar (Unzumutbarkeit aus Person des Gatten)

» Aus sonst wichtigen persönlichen Gründen (betrifft jenen Teil, der gesonderte Wohnung nehmen will)

» Vereinbarung bei ausreichend sachl Gründen (zB beiderseitige Berufstätigkeit)

• „Wegweisung“ möglich (§ 382b Abs 1 EO): wenn aufgrund körperlichen Angriffes oder Drohung Zusammenleben unzumutbar

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Die Pflicht zum gemeinsamen Wohnen – Fall 8

Nachdem Lukas und Lara geheiratet haben, wohnen sie weiterhin

in verschiedenen Städten, weil sie ihre Professur in Graz behalten

möchte und er sein Kosmetikstudio in Wien. Ist das nach Eherecht

zulässig?

Quelle: Vgl Fall 19 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 16

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Die Pflicht zur Mitwirkung beim Erwerb des anderen (§ 90 Abs 2)• Teil der (materiellen) Beistandspflicht

• Tätigkeit dient der Erzielung des Lebensunterhalts der Gatten

• Mitwirkung beim Erwerb des anderen, soweit

» Nichts anderes vereinbart ist

» Zumutbar: abhängig insb von eigenem Beruf oder Haushaltsführung, Kindererziehung, Gesundheit, Fähigkeit

» Üblich: orientiert sich an Stand der Ehegatten und Umständen (zB Landwirtschaft, Handelsgewerbe; nicht: Angestellte)

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Anspruch auf Abgeltung § 98 Abs 2

• Der Gatte, der im Erwerb des anderen mitwirkt, hat Anspruch auf angemessene Abgeltung (§ 98)

• Familienrechtlicher Anspruch, der direkt auf Gesetz beruht

• Subsidiär gegenüber vertraglicher Vereinbarung

• Verjährung: 6 Jahre ab Ende des Monats, in dem Leistung erbracht wurde (§ 1486a)

• Höhe des Anspruches: nach Art, Dauer und Intensität der Leistung

» Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse, insbes der gewährten Unterhaltsleistungen (§ 98 S 2)

» hA: Gewinnbeteiligungsanspruch, jedoch: kein Vergütungs-anspruch wie bei Arbeitsverhältnis

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Die Pflicht zur Mitwirkung – Fall 9

Erwin betreibt ein Kaffeehaus. Seine Frau Erika unterstützt ihn seit

13 Jahren und verkauft hinter der Theke Kuchen. Beiden ist klar,

dass sie nicht seine Angestellte ist; sie wird auch nicht bezahlt.

Nach einem Streit verlangt sie Lohn für die letzten 13 Jahre Arbeit.

Wie ist die Rechtslage?

Quelle: Vgl Fall 18 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 15 f

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Unterstützung bei Obsorge der Stiefkinder § 90 Abs 3

• Erweiterte Beistandspflicht

• Angemessener Beistand: Einzelfallbezogen (Interessen des Stiefelternteils, Ehegatten und Kindes)

• Zudem: Gesetzl. Vertretungsmacht des Gatten (§ 90 Abs 3 S 2)

» Soweit es Umstände erfordern, insb, wenn der Obsorgeberechtigte verhindert ist

» Nur Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens

» Es wird nicht Kind sondern der verhinderte Ehegatte vertreten („gesetzliche Vertretung des gesetzlichen Vertreters“)

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Unterhalt

Vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten

• Einvernehmliche Gestaltung (§ 91 Abs 1)

• Kein Verzicht im Voraus (§ 94 Abs 3)

» Aber hA: Verzicht auf einzelne Unterhaltsleistungen oder Teile davon ist möglich

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Der gesetzliche Unterhaltsanspruch

Soweit nichts anderes vereinbart ist, haben die Ehegatten zur Deckung der

Bedürfnisse nach dem Gs der Gleichbehandlung, nach ihren Kräften und nach

der Gestaltung ihrer ehel Lebensgemeinschaft, beizutragen (§ 94 Abs 1).

• „Nach ihren Kräften“ zur Deckung der Lebensbedürfnisse beitragen�Anspannungstheorie (Ausbildungsstand, berufl Möglichkeiten, Gesundheit..)

• Beide sind zur Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn sie nur so ihrer Beitragspflicht nachkommen können

• Berücksichtigung der Haushaltsführung (§ 94 Abs 2): Beitrag zur Deckung der Bedürfnisse und Anspruch auf Unterhalt; Anrechnung eigener Einkünfte

• Gs Naturalunterhalt, auf Verlangen Geld, außer d wäre unbillig (§ 94 Abs 3)

• Bei Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes: bleibt der Gatte der ihn geführt hat, weiterhin unterhaltsber., außer bei Rechtsmissbr. (§ 94 Abs 2)

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Der gesetzliche Unterhaltsanspruch

• Höhe des Unterhaltsanspruches (Rsp)

» Nach Lebensverhältnissen und Leistungsfähigkeit

» Haushaltführende Gatte: 33 % vom Nettoeinkommen unter angemessener Berücksichtigung der eigenen Einkünfte

» Verdienender Gatte: 40 % vom gemeinsamen Einkommen abzüglich des eigenen Verdienstes

» Abzug für jedes unterhaltberechtigte Kind: 4 %

» aA: Halbierung des Einkommens („Halbteilung“)

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Unterhalt – Fall 10

Adam ist erfolgreicher Grafiker und verdient EUR 4.000,- netto. Seine Ehefrau

Eva führt den Haushalt und kümmert sich um die gemeinsamen zwei Kinder.

Wie sehen die gegenseitigen Unterhaltsansprüche der Ehegatten aus?

Variante 1: Eva hat Mathematik studiert und gibt neben der Haushaltsführung

hin und wieder Nachhilfestunden. Sie verdient durchschnittlich EUR 200,- pro

Monat.

Variante 2: Eva beginnt eine Affäre und verlässt den gemeinsamen Haushalt.

Variante 3: Eva ist ebenfalls erwerbtätig und betreibt ein Nachhilfeinstitut. Sie

erzielt damit einen Reingewinn von durchschnittlich EUR 1.200,- monatlich.

Quelle: Vgl Fall 24 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 20 ff

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Sonderregelung für das Wohnen § 97

• Dient eine Wohnung, über die ein Gatte verfügungsberechtigt ist, der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen:

» Anspruch, dass der über die Wohnung verfügungsberechtigte Gatte alles unterlässt und vorkehrt, damit der auf die Wohnungangewiesene Gatte sie nicht verliert

• Wohnungsbenützung ist Naturalunterhalt

• Anspruch nach § 97 erlischt mit Tod des Verfügungsberechtigten

• Unzulässig ist auch die Einschränkung des Benützungsrechts durch rein tatsächliches Verhalten (zB Austausch des Schlosses)

• Bei schuldhafter Pflichtverletzung � ev Schadenersatz

• Pflicht entfällt, wenn Erhaltung unzumutbar ist (§ 97 Abs 2)

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Haushaltsführung § 95

Beide Gatten sind zur gemeinsamen Haushaltsführung

verpflichtet.

• = Ausdruck der partnerschaftlichen Ehe

• Umfang der Mitwirkung richtet sich nach pers Verhältnissen (Berücksichtigung von berufl Belastung, Gesundheitszustandund Eignung)

• Der nicht berufstätige Gatte hat den Haushalt zu führen

• Mithilfe des berufstätigen Gatten nach Maßgabe des § 91: Einvernehml Gestaltung unter Beachtung von Ausgewogenheit und Rücksichtnahme

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Schlüsselgewalt § 96

Der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und keine Einkünfte hat, vertritt

den anderen bei den Rechtsgeschäften des täglichen Lebens, die er für den Haushalt

schließt und die den Lebensverhältnissen der Ehegatten entsprechen.

• = Vertretungsregel: Geschäftspartner wird der nicht handelnde Gatte � keine Anwendung, wenn beide Vertrag schließen

• Keine Bevollmächtigung und Offenlegung der Vertretung notwendig

• Aber: keine Vertretungsmacht, wenn der andere Ehegatte dem Dritten zu erkennen gibt, dass er nicht vertreten sein will

• Kann Dritter nicht erkennen, dass Ehegatte als Vertreter auftritt, dann haften beide solidarisch (§ 96 S 3)

• Geringe eigene Einkünfte schaden der Anwendbarkeit nicht!

• Einkünfte beider Gatten oder Haushaltsführung durch beide? � allgemeines Stellvertretungsrecht

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Das Ehegüterrecht

Das Ehegüterrecht regelt die vermögensrechtlichen Beziehungen

zwischen den Ehegatten.

• System der Gütertrennung: bisherigen Vermögensverhältnisse bleiben auch nach Eheabschluss unberührt

• System der Gütergemeinschaft: bisher getrenntes Vermögen wird Miteigentum beider

• Errungenschaftsgemeinschaft: Miteigentum am künftigen Erwerb

• Zugewinngemeinschaft: Gütertrennung, aber im Falle der Eheauflösung haben beide Anspruch auf Teil dessen, was der andere während der Ehe erworben hat

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Der gesetzliche Güterstand während der Ehe

• Wenn durch Ehepakte nichts anderes vereinbart �Gütertrennung:

» Jeder Gatte behält das in die Ehe Eingebrachte und wird Alleineigentümer des von ihm Erworbenen (§§ 1233, 1237)

» Jeder Gatte ist alleiniger Gläubiger bzw Schuldner

• Volle Gütertrennung nur bis zur Nichtigerklärung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe � danach Aufteilung unabhängig von Eigentumsverhältnissen

• Vereinbarung über gemeinsame Vermögensverwaltung ist zulässig

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Ehepakte

Ehepakte sind Verträge zur Regelung d. Vermögensverhältnisse zw

Gatten (§ 1217)

• Kein Ehepakt, wenn Hauptzweck Vermögensverschiebung zwPartnern ist (zB bei Kauf- und Tauschverträgen zw Gatten)

• Seit 2009: nur mehr Gütergemeinschaft und Erbvertag gesetzlich geregelt � aber Vertragsfreiheit

• Vertragspartner sind idR Ehepartner oder Brautleute; Dritte nur zugunsten eines Ehegatten

• Notariatsaktpflichtig (§ 1 NotAktsG): um Manipulation von Vermögenswerten zum Nachteil der Gl zu verhindern; Rsp: Heilungdurch nachfolgende Erfüllung

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Arten der Gütergemeinschaft

• Allgemeine Gütergemeinschaft

» Umfasst gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen

• Beschränkte Gütergemeinschaft

» Umfasst nur bestimmtes Vermögen; iZw nur das gegenwärtige

» Nur künftig Erworbenes (Errungenschaftsgemeinschaft)

» Oder gesamte Fahrnis und Errungenschaft (Fahrnisgemeinschaft)

• Gütergemeinschaft unter Lebenden

» Es kommt sofort zum Miteigentum am einbezogenen Vermögen

• Gütergemeinschaft auf den Todesfall

» Unter Lebenden Gütertrennung; mit Tod Vereinigung und Teilung

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Gütergemeinschaft unter Lebenden

• Zweck = Zusammenlegung des Vermögens der Ehegatten

• Jeder Ehegatte erhält sofort am Gesamtgut Miteigentum

» Quoten richten sich nach der Vereinbarung; iZw gleich groß

• Daneben Eigenvermögen („Eigengut“)

» Vorbehaltsgut: alles was vereinbarungsgemäß nicht unter Gütergemeinschaft fallen soll

» Sondergut: Rechte die nicht übertragbar sind (zB Urheberrechte)

• Ehepakt ist nur Titel für Eigentumserwerb am Gesamtgut

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Verfügungsberechtigung am Miteigentumsanteil?

• Gs kann jeder Miteigentümer frei über seinen ideellen Anteilam Gesamtgut verfügen

• Aber: aufgrund des Ehepakts ist im Innenverhältnis ein Verfügungsverbot (mit schuldrechtl Wirkung) anzunehmen (würde dem Zweck der Vermögensgemeinschaft widersprechen)

» Bei rechtswidriger Verfügung (fehlender Zustimmung) � SE

• aA: Gesamthandeigentum, sodass nur beide gemeinsam oder mit Zustimmung des anderen verfügungsberechtigt sind

• Wirkung gegenüber Dritten durch Eintragung eines Veräußerungs- und Belastungsverbot gem § 364c

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Haftung und Endigungsgründe

• Haftung

» Gemeinsam eingegangen Schulden: (zB Kredit für gemeinsames Haus) haften das Gesamtgut und das Eigenvermögen jedes Ehepartners für die ganze Schuld

» Ebenso bei Schulden zum Nutzen des Gesamtguts, zB Verwaltungskosten(„Gesamtgutschulden“; aA Haftung nur mit Gesamtgut ohne Eigenvermögen)

» Sonderschulden: Für Schulden die ein Ehegatte allein eingegangen ist oder die ihn sonst persönlich betreffen, haften bei allg Gütergemeinschaft dessen Eigenvermögen und das ganze Gesamtgut (§ 1235 S1); bei beschränkter Gütergemeinschaft nur sein Eigenvermögen und sein Anteil am Gesamtgut

• Bei Tod eines Gatten, ist das Gesamtgut aufzuteilen: Aktivvermögen gelangt gem den Quoten (iZw zur Hälfte) an Überlebenden und an Nachlass (§ 1234)

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Scheidung und Aufhebung der Ehe

• Wird die Ehe geschieden oder aufgehoben, so bestimmen beide Partner einvernehmlich über das gemeinschaftliche Vermögen

• Mangels Einigung (und Anwendung der §§ 81ff):

» Wurde die Ehe ohne oder mit gleichem Verschulden geschieden, so sind die Ehepakte als aufgehoben anzusehen und erlöschen(§ 1266 S 1): jeder erhält Eingebrachte samt Zuwachs zurück

» Trifft hingegen einen Partner das alleinige oder überwiegende Verschulden, so hat der andere das (Wahl-)Recht, ob Ehepakte erlöschen sollen oder das Gesamtgut wie bei Tod geteilt werden soll (§ 1266 S 2)

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Nichtigkeit

• Die Nichtigerklärung einer Ehe führt zu einer rückwirkenden Aufhebung (ex tunc) der Ehepakte, sodass der ursprüngliche Zustand wiederherzustellen ist (§ 1265)

• Hat jedoch auch nur einer der Ehegatten bei der Eheschließung die Nichtigkeit nicht gekannt, so treten die Folgen der Scheidung ein (§ 31 EheG; allenfalls Wahlrecht und Schadenersatzanspruch des Schuldlosen gegen den Schuldigen)

• hA: Aufteilungsregeln der §§ 81 ff EheG sind leges speciales zu den §§ 1265 ff

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Gütergemeinschaft auf den Todesfall

• Änderung der Vermögensverhältnisse der Gatten erst im Zeitpunkt des Ablebens eines Partners

• Zu Lebzeiten kann jeder Gatte über seine Güter frei verfügen; aber dingl Anwartschaftsrecht aus Gütergemeinschaft auf den Todesfall bei Eintragung im Grundbuch (§ 1262)

• Mit dem Tod entsteht die Gütergemeinschaft

» Ermittlung des Aktivvermögen: durch Abzug der Schulden vom Gemeinschaftsvermögen

» Dieses wird in zwei Hälften geteilt: die eine Hälfte fällt dem überlebenden Gatten zu, die andere bildet den Nachlass des Verstorbenen (§§ 1234, 1235)

» Auch diese Hälfte erwirbt uU der überlebende Partner � wenn Erbe

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Ehegüterrecht – Fall 11

Sebastian und Anna haben im Jahr 2015 geheiratet und eine allgemeine

Gütergemeinschaft unter Lebenden vereinbart. Anna hat ein 2010 geerbtes

Grundstück in die Ehe eingebracht. 2017 erwirbt Sebastian ein Motorrad und

finanziert den Kauf mittels Kredit.

1. Wer ist Eigentümer der Liegenschaft und des Motorrad?

2. Haftet auch Anna für Sebastians Kreditverbindlichkeit?

Quelle: Vgl Fall 25 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 23 ff

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Inhalt

I. Einleitung

II. Das Eherecht1. Allgemeines

2. Das Verlöbnis

3. Die Eheschließung

4. Die mangelhafte Ehe

5. Persönliche Wirkungen der Eheschließung

6. Das Ehegüterrecht

7. Die Ehescheidung

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Die Ehescheidung

Zwei Hauptgedanken der Scheidungsgründe

• Verschuldensprinzip

» Scheidung, wegen so grober Verletzung der ehelichen Pflichten, dass Zusammenleben nicht mehr zumutbar ist

• Zerrüttungsprinzip

» Wiederherstellung der ehel Lebensgemeinsch. ist nicht mehr zu erwarten

» Eine Ehe ist unheilbar zerrüttet, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft objektiv beendet ist (obj Zerrüttung) und dies mindestens einem von ihnen bewusst ist (subj Zerrüttung)

• Verschulden alleine reicht für eine Scheidung nicht aus, es bedarf immer auch einer Zerrüttung

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Arten der Ehescheidung – Überblick

• § 49 EheG: Scheidung wegen Verschuldens (Eheverfehlungen)

• §§ 50-52 EheG: Scheidung aus anderen Gründen (Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten; Geisteskrankheit; Ansteckende oder ekelerregende Krankheit)

• § 55 EheG: Auflösung der häuslichen Gemeinschaft

• § 55a EheG: Einvernehmliche Scheidung

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Die Scheidung wegen Verschuldens

Eine Ehegatte kann die Scheidung verlangen, wenn der andere durch

Setzen einer schweren Eheverfehlung oder durch ehrloses oder

unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so zerrüttet hat, dass die

Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden

Lebensgemeinschaft nicht mehr erwarten kann (§ 49 EheG).

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Die Scheidung wegen Verschuldens

• Schwere Eheverfehlung ieS: Verhalten ist mit Wesen der Ehe als einer umfassenden Lebensgemeinschaft unvereinbar:

» Insb Zufügung körperlicher Gewalt und schweren seelischen Leides oder (verschuldeter) Ehebruch (§ 49 S 2 EheG) und

• Jeder Verstoß gegen eheliche Pflichten, der objektiv geeignet ist, die Ehe zu zerrütten (§§ 44, 90 ff)

» Sonstige Treuepflichtverletzungen; künstliche Befruchtung ohne Wissen des Ehegatten; grobe Vernachlässigung der Kindererziehung; Verletzung der Unterhaltspflicht

» Grundlose und beharrl Verweigerung von Geschlechtsverkehr od Fortpflanzung (str)

» Nichtbesuchen der Ehegattin während des Wochenbettes im Spital

• Ehrloses oder unsittliches Verhalten: Verstöße gegen rechtliche und sittliche Normen (zB Alkohol- und Spielsucht; religiöser Fanatismus; Hang zur Kriminalität)

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Die Scheidung wegen Verschuldens

• Die schwere Eheverfehlung muss schuldhaft gesetzt werden

» Fehlt bei Deliktsunfähigkeit, Verhalten unter Einfluss von Gewalt oder Drohungen; Drogeneinfluss (ev Einlassungsfahrlässigkeit)

• Es muss zudem immer Zerrüttungskausalität vorliegen

» Dh schuldhafte Eheverfehlung muss kausal für die Zerrüttung sein

» stRsp: Ausreichend ist es aber auch, wenn Eheverfehlung Beitragzur unheilbaren Zerrüttung geleistet hat

» Ist die Ehe unheilbar zerrüttet und kann eine tiefere Zerrüttung ausgeschlossen werden, dann sind weitere Verfehlungen ohne Relevanz

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Ausschluss des Scheidungsrechts wg Verschuldens

• Wenn der verletzte Partner selbst eine Eheverfehlung begangen hat und deshalb seine Klage sittlich nicht gerechtfertigt ist (§ 49 S 3 EheG; Aufrechnung der Eheverfehlungen):

» Oder wenn die Verfehlungen des Kl massiv überwiegen

• Aber keine schuldh Eheverfehlung bei entschuldbarer Reaktionshandlung als Reaktion auf ehewidr. Verhaltens des anderen (zB Verlassen der Wohnung nach Beschimpfung)

• Kein Recht auf Scheidung, wenn Verfehlung verziehen oder als nicht ehezerstörend empfunden wird (§ 56 EheG) und Wille zur Fortsetzung besteht

» Verzeihung ist ein innerer Vorgang, kann sich aber aus Verhalten ableiten lassen (zB Wiederaufnahme des Geschlechtsverkehrs)

• Kein Recht auf Scheidung bei Verzicht auf bereits entstandene Scheidungsrechte

• Geltendmachung des Scheidungsbegehrens wg Verschuldens binnen Frist von sechs Monaten ab Kenntnis des Scheidungsgrundes (§ 57 EheG)

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Scheidung aus anderen Gründen

• Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten (§ 50 EheG)

» Wenn Ehe wegen Verhalten des geistig gestörten Partners so tief zerrüttet ist, dass die Wiederherstellung einer entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann

» Geistige Störungen: sind auch Störungen minderer Stufe wie nervöse Störungen (Neurosen) oder geistige Anomalien (Melancholie, Hysterie)

» Scheidungsgrund ist nicht die geistige Störung, sondern das dadurch bedingte objektiv ehewidrige Verhalten, das die Gemeinschaft zerstört hat

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Scheidung aus anderen Gründen

• Geisteskrankheit (§ 51 EheG)

» = jede geistige-psychische Anomalie, die eine geistige Lebensgemeinschaft (insb Kommunikationsfähigkeit) ausschließt (zB Schizophrenie, Autismus)

» Tatbestand = Aufhebung der geistigen Gemeinschaft zwischen den Gatten durch Geisteskrankheit, sodass ihre Wiederherstellung nicht mehr erwartet werden kann

» Es kommt nicht darauf an, ob der Kranke besondere Ehewidrigkeiten begangen hat!

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Scheidung aus anderen Gründen

• Ansteckende oder ekelerregende Krankheit (§ 52 EheG)

» Wenn die Heilung oder die Beseitigung der Ansteckungsgefahr in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist

• zB AIDS, Geschlechtskrankheiten, offene Tuberkulose, Lepra

» „Ekel erregend“ = wenn der Ekel nach einem obj Maßstab in der körperlichen Beschaffenheit des Kranken seine Ursache hat

• zB großflächige Schuppenflechte, bestimmte Formen von Hautkrebs; künstlicher Darmausgang

» Zudem einseitige Zerrüttung erforderlich (hA)

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Vermeidung von Härten

„Härteklausel“ (§ 54 EheG)

• Scheidung der §§ 50-52 EheG widerspricht Beistandspflicht

• Zur Vermeidung der ärgsten Härten berücksichtigt § 54 EheG die Situation des Kranken:

» Scheidung ist unzulässig, wenn sie „sittlich nicht gerechtfertigt ist“ (= idRden kranken Partner „außergewöhnlich hart treffen würde“)

» Abhängig von gesamten Lebensumständen der Gatten (insb Dauer der Ehe, Lebensalter, Anlass der Erkrankungen)

» Keine Anwendung der Härteklausel, wenn die häusliche Gemeinschaft seit sechs Jahren aufgehoben ist (§ 55 Abs 3)

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Auflösung der häuslichen Gemeinschaft § 55 EheG

• Ist die Ehe vollkommen und unheilbar zerrüttet und die häusliche Gemeinschaft seit mind 3 Jahren aufgehoben, so kann jeder Gatte die Scheidung begehren (§ 55 EheG)

• Häusliche Gemeinschaft: Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft

» Wenn Gatten in gemeinsamer Wohnung getrennte leben und Kontakt meiden, gilt die häusliche Gemeinschaft trotzdem als aufgehoben

» Gelegentl. Kontakt, Hilfestellung oder Geschlechtsverkehr schadet nicht

» Rein obj Trennung reicht nicht, zumindest ein Partner muss auch subj die Trennung wollen

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Auflösung der häuslichen Gemeinschaft

• Das Recht auf Scheidung hat auch jener, der für die Zerrüttung der Ehe verantwortlich ist:

» aber: Widerspruchsrecht des Bekl gem § 55 Abs 2 EheG, dass KlZerrüttung alleine oder überwiegend verschuldet hat und den Bekl die Scheidung härter träfe als den Kl die Abweisung des Begehrens

» Bei Verschulden des Klägers und überwiegendem Interesse des Bekl � Abweisung der Klage

• Scheidungsbegehren ist jedenfalls (also ohne Zerrüttungs- oder Verschuldensprüfung) stattzugeben, wenn häusliche Gemeinschaftder Gatten seit 6 Jahren aufgehoben ist (§ 55 Abs 3)

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Schuldspruch – Scheidung wegen Verschulden

• Verschulden ist im Urteil auszusprechen (§ 60 Abs 1 EheG)

• Bei Klage und Widerklage:

» ggf Verschulden beider Teile festzustellen, außer

• Überwiegen der Schuld eines Partners (§ 60 Abs 2):

» wenn dieses erheblich schwerer als das des anderen ist (Berücksichtigung des Grades an Verschulden und dessen Bedeutung für die Zerrüttung)

» Erstverfehlungen und ältere Verfehlungen sind gewichtiger

• Feststellung des Verschuldens auch d Mitverschuldensantrag

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Schuldspruch – Scheidung aus anderen Gründen

• Auch hier hat Bekl Widerklage und Mitverschuldensantrag um Verschulden des Kl geltend zu machen (§ 61 Abs 1 und 2 EheG)

• Ausspruch des Zerrüttungsverschuldens: Auf Antrag des Bekl; wenn die Ehe nach § 55 geschieden wird und der Kl Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat (§ 61 Abs 3)

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Einvernehmliche Scheidung (§ 55a)

• Zum Schutz vor Übereilungen � 4 Voraussetzungen:

1. Mind halbjährige Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft

2. Beiderseitiges Zugeständnis der unheilbaren Zerrüttung

3. Einigung über die wesentlichen Scheidungsfolgen (Obsorge der Kinder, Recht auf persönlichen Kontakt und Unterhaltspflicht ihnen gegenüber; vermögensrechtlichen Ansprüche und Unterhalt der Gatten zueinander)

4. Gemeinsamer Scheidungsantrag

• Vereinbarung über Scheidungsfolgen ist vor Gericht abzuschließen und ist ein Vergleich

• Entscheidung erfolgt im Außerstreitverfahren mit Beschluss

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Arten der Ehescheidung – ÜberblickArt der Scheidung Schuldspruch

• § 49 EheG: Scheidung wegen Verschuldens (Eheverfehlungen)

• Alleiniges oder überwiegendes Verschulden

• Gleichgeteiltes Verschulden

• §§ 50-52 EheG: Scheidung aus anderen Gründen (Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten; Geisteskrankheit; Ansteckende oder ekelerregende Krankheit)

• Mit Schuldspruch (bei Widerklage oder Verschuldensantrag)

• Ohne Schuldspruch

• § 55 EheG: Auflösung der häuslichen Gemeinschaft

• Mit Schuldspruch (Schuld an Zerrüttung gem § 61 Abs 3)

• Ohne Schuldspruch

• § 55a EheG: Einvernehmen • Kein Schuldspruch

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Ehescheidung – Fall 12

Konrad und Elgin heiraten 2005. 2006 bekommen sie eine gemeinsame Tochter.

2007 beginnt Elgin ein Verhältnis mit Rainer, das drei Jahre dauert bis Konrad

davon erfährt. Konrad verzeiht ihr und setzt die Ehe fort, allerdings überwacht

er aus Eifersucht ihr Handy und macht ihr regelmäßig Vorwürfe. Im Anschluss

an regelmäßigen Streit zieht er immer wieder für ein paar Tage zu seiner

Mutter. Ab 2013 kehrt er nicht mehr zu seiner Frau und seiner Tochter zurück.

Sie vereinbaren vorübergehend getrennt zu leben, fahren jedoch gemeinsam

auf Urlaub und halten Kontakt. In der selben Zeit entwickelt sich eine enge

Freundschaft zwischen Elgin und ihrem Nachbarn, ein Liebesverhältnis kann

jedoch nicht festgestellt werden.

2017 bringt Konrad die Scheidungsklage gem § 49 ein, es folgt die Widerklage

Elgins. Beide begehren die Scheidung aus alleinigem Verschulden des jeweils

anderen.

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Ehescheidung – Fall 12

1. Was sind die Voraussetzungen einer Scheidung aus

Verschulden?

2. Welche Verhaltensweisen sind hier als Eheverfehlungen zu

qualifizieren?

3. Welche der Eheverfehlungen können (zeitlich gesehen) noch

geltend gemacht werden?

4. Was hat das Gericht im Scheidungsurteil auszusprechen?

Quelle: Vgl Fall 27 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 27 f

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Folgen der Scheidung

• Ehe wird mit Rechtskraft der gerichtl E „ab jetzt“ („ex nunc“) aufgelöst

» Damit erlöschen gs die aus der Eheschließung entstandenen wechselseitigen Rechte und Pflichten

» Eheliches Gebrauchsvermögen und Ersparnisse sind aufzuteilen

• Eine Schenkung, die unter Voraussetzung des Weiterbestehens der Ehe gegeben wurde, kann zurückgefordert werden (§ 1266 analog; zudem: § 901; § 948; § 1435 analog)

• Gemeinsame Kinder führen den bish Familiennamen weiter; ändert sich der Name eines Elternteils, so kann der Familienname des Kindes jedoch erneut bestimmt werden (§ 157 Abs 2)

• Beide Elternteile bleiben gs mit Obsorge betraut

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Folgen: Name des geschiedenen Gatten

• Ein geschiedener Gatte behält den Namen, den er während der Ehe geführt hat (§ 62)

• Er kann aber dem Standesbeamten in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde erklären, wieder einen früherrechtmäßig geführten Namen anzunehmen (§ 93a Abs 2)

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Ehescheidung – Fall 13

Sabrina Huber hat bei der Eheschließung den Familiennamen ihres

Mannes Ernst Müller angenommen. Darf Sabrina auch nach der

Scheidung den angenommen Familiennamen führen?

Quelle: Vgl Fall 29 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 32

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Folgen: Unterhalt – Überblick 1

1. Angemessener Unterhalt nach §§ 66 f EheG: entfällt bei eigener zumutbarer Erwerbstätigkeit

2. Lebensbedarfsunterhalt nach § 68a EheG: bei Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit wegen Pflege oder Aufopferung in allen Scheidungsfällen

3. Unterhaltsbeitrag nach § 68 EheG: bei gleichem Verschulden

4. Billigkeitsanspruch nach § 69 Abs 3 oder § 69a Abs 2 EheG: bei Zerrüttungsscheidung ohne Schuldausspruch und bei einvernehmlicher Scheidung ohne wirksame Vereinbarung

5. Angemessener Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG iVm § 94 ABGB: für Haushaltsführenden bei eigener unzumutbarer Tätigkeit

6. Notdürftiger Unterhalt nach § 73 Abs 1 EheG: bei selbstverschuldeter Bedürftigkeit

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Unterhalt bei Scheidung aus Verschulden

• § 66 EheG: Unterhaltsanspruch gg alleine / überwiegend Schuldigen

• Angemessener Unterhalt, soweit die zu erwartenden eigenen Einkünfte des Berechtigten nicht ausreichen

• Höhe des Unterhalts: richtet sich nach den Lebensverhältnissen und entspricht gs dem Unterhalt bei aufrechter Ehe

• Verpflichtung des Berechtigten zu zumutbarer Erwerbstätigkeit, um eigenen Bedarf zu decken � Anspannungstheorie

» Fortsetzung während der Ehe ausgeübten Tätigkeit ist zumutbar; Wiederaufnahme ist eher zumutbar als Neubeginn; Berücksichtigung von Alter, Gesundheit, Kinder, Vorbildung etc

• Keine Heranziehung der Vermögenssubstanz des Berechtigten

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Unterhalt bei Scheidung aus Verschulden

• Bei Gefährdung des eigenen Unterhalts des Verpfl ist nur so viel leisten, als mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse beider Gatten der Billigkeit entspr (§ 67 Abs 1)

» Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen gg Kindern und etwaigen neuen Ehegatten und sonstigen Verpflichtungen (zB Kreditrückzahlungen)

» Verwandte haften vorrangig für Unterhalt bei Gefährdung (§ 71)

• Entfall der Unterhaltspflicht bei Gefährdung des eigenen Unterhalts zur Gänze, wenn der Berechtigte den Unterhalt aus zumutbarer Verwertung des Vermögensstammes bestreiten kann (§ 67 Abs 2)

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Unterhalt bei Scheidung aus Verschulden

• Sind beide Gatten an der Scheidung gleich schuld, so haben sie gegeneinander prinzipiell keine wechselseitigen Unterhaltsansprüche (§ 68)

• Aber: dem Teil, der nicht in der Lage ist, sich selbst zu ernähren kann zu Lasten des anderen ein Unterhaltsbeitrag gem § 68 zugestanden werden, wenn dies nach den gegebenen Umständen der Billigkeit entspricht

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„Lebensbedarfsunterhalt“

• § 68a EheG: Unterhaltsanspruch nach Bedarf, unabhängig vom Verschulden:

1. Solange wegen Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder keine Berufstätigkeit zugemutet werden kann (Vermutung bis Vollendung 5. Lj)

2. Wenn sich der Gatte schon während der Ehe der Haushaltsführung, der Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder oder der Betreuung von Angehörigen gewidmet hat und ihm wegen des dadurch bedingten Mangels an Erwerbsmöglichkeiten nicht zugemutet werden kann, sich ganz oder teilweise selbst zu erhalten

3. Unterhalt zur Abdeckung des konkreten Lebensbedarfs � 15% - 33% des Einkommens des Verpflichteten (aber: Minderung, wenn Gewährung unbillig wäre)

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Unterhalt bei Scheidung aus anderen Gründen

• Scheidung nach §§ 50 – 52 mit Schuldspruch: es gelten die Regeln über die Scheidung wegen Verschuldens (Angemessener Unterhalt nach §§ 66 f)

• Scheidung nach §§ 50 – 52 ohne Schuldausspruch: der Gatte, der die Scheidung verlangt hat, hat dem anderen Unterhalt zu gewähren, soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Vermögens- und Erwerbsverhältnisse der geschiedenen Gatten und der unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht (Billigkeitsanspruch nach § 69 Abs 3)

• Scheidung nach § 55 mit Schuldausspruch: Unterhaltsanspruch des bekl Gatten wie bei aufrechter Ehe (Angem Unterhalt nach § 69 Abs 2 EheG iVm § 94 ABGB)

• Einvernehmliche Scheidung: bedarf keiner gesetzl Regelung, weil Vereinbarung Scheidungsvoraussetzung ist

» mangels wirksamer Vereinbarung (zB wegen Geschäftsunfähigkeit oder Irrtumsanfechtung): Billigkeitsanspruch nach § 69a Abs 2 iVm § 69 Abs 3 EheG

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Art der Unterhaltsgewährung

• Anders als regelmäßig bei aufrechter Ehe – nur Unterhalt in Form von Geld (§ 70 EheG):

» Regelmäßig als Rente monatlich im Voraus, oder

» Abfindung in Kapital, wenn dafür wichtige Gründe vorliegen und der Verpflichtete nicht unbillig belastet wird

• Dispositiv � siehe § 80 EheG (Unterhaltsverträge)

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Begrenzung und Wegfall des Anspruchs• Wegen sittlichen Verschuldens bedürftig � nur „notdürftiger Unterhalt" (§ 73)

» zB maßloser Alkoholmissbrauch oder Spielsucht

• Anspruch verwirkt: bei schweren Verfehlungen nach Scheidung ggü Verpfl oder bei Führung eines ehrlosen oder unsittl Lebenswandels gegen dessen Willen (§ 74)

» zB Raubversuch der geschiedenen Frau gegen früheren Gatten

• Unterhalt entfällt: mit Wiederverheiratung bzw Begründung einer EP (§ 75)

» Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft (str)

» Nach stRsp ruht Unterhaltsanspruch während Lebensgemeinschaft; Offenlegungspflicht über Lebensgemeinschaft

» aA: Unterhalt, soweit die Bedürfnisse in Lebensgemeinschaft nicht gedeckt werden

• Unterhaltsanspr erlöschen: mit Tod des Berechtigten (§ 77); bei Tod des Verpfl geht Schuld auf Nachlass/Erben über (Herabsetzung des Anspr beantragen gem § 78)

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Folgen: Unterhalt – Überblick 2Art der Ehescheidung Schuldspruch Unterhaltsanspruch

• § 49 EheG: Scheidung wegen Verschuldens(Eheverfehlungen)

• Alleiniges oder überwiegendes Verschulden

• Gleichgeteiltes Verschulden

• Anspruch des minder bzw nicht Schuldigen: §§ 66 f (angem U) bzw 68a (LebensbedarfsU)

• Gs keine gegenseitigen Ansprüche; aber: Anspruch des bedürftigen Teils: §§ 68 (Unterhaltsbeitrag), 68a (LebensbedarfsU)

• §§ 50-52 EheG: Scheidung aus anderen Gründen (Auf geistiger Störung beruhendes Verhalten; Geisteskrankheit; Ansteckende oder ekelerregende Krankheit)

• Mit Schuldspruch (bei Widerklage oder Verschuldensantrag)

• Ohne Schuldspruch

• Anspruch des Bekl: § 69 Abs 1 iVm §§ 66 f (angemU); § 69b iVm 68a (LebensbedarfsU); Anspruch des Kl: § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU)

• Anspruch des Bekl:§ 69 Abs 3 (BilligkeitsU); Anspruch des Kl: § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU)

• § 55 EheG: Auflösung der Gemeinschaft

• Mit Schuldspruch (Schuld an Zerrüttung gem § 61 Abs 3)

• Ohne Schuldspruch

• Anspruch des Bekl: § 69 Abs 2 iVm § 94 ABGB (angem U) bzw § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU); Anspruch des Kl: § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU)

• Anspruch des Bekl: § 69 Abs 3 (BilligkeitsU) bzw bzw § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU); Anspruch des Kl: § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU)

• § 55a EheG: Einvernehmen • Kein Schuldspruch • Bei fehlender Vereinbarung: § 69a Abs 2 iVm § 69 Abs 3 (BilligkeitsU) bzw § 69b iVm § 68a (LebensbedarfsU)

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Ehescheidung – Fall 15

SV wie Fall 12 (Konrad und Elgin; Affäre � gleiches Verschulden).

Konrad hat ein Nettoeinkommen von EUR 2.700,-. Elgin hat sich

während der Ehe um die gemeinsame Tochter und um Konrads

erkrankte Mutter gekümmert und kein eigenes Einkommen gehabt.

1. Welche Unterhaltsansprüche bestehen nach der Scheidung

zwischen Konrad und Elgin?

2. Welche Unterhaltsansprüche würden bei Scheidung wegen

alleinigem/überwiegendem Verschulden eines der Gatten

bestehen?

Quelle: Vgl Fall 30 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 32 ff

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Ehescheidung Fall 16

Albert und Doris haben vor einem halben Jahr beschlossen sich zu trennen, teilen sich jedoch weiterhin die Wohnung. Beide schlafen in getrennten Betten, essen zu unterschiedlichen Zeiten und verabreden sich mit neuen Partnern. Nun wollen sie sich so schnell wie möglich scheiden lassen und die Scheidungsfolgen erst später regeln. Sie geben daher bei Gericht völlig unbedacht an, dass Albert die Wohnung und Doris Ausgleichszahlungen beikommen sollen und keine gegenseitigen Unterhaltsansprüche bestehen. Bei Gericht gestehen sie die unheilbare Zerrüttung ein, die der Richter nicht weiter überprüft und werden sofort geschieden. Wurde die Ehe ordnungsgemäß geschieden? Ist die Scheidungsfolgenvereinbarung gültig?

Quelle: Vgl Fall 32 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 35 f

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Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse §§ 81 – 98 EheG

• Jeder Ehegatte hat das Recht, binnen 1 Jahr ab Rechtskraft der Ehescheidung, Aufhebung oder Nichtigkeit die gerichtl Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse zu verlangen

• Mangels Vereinbarung über Aufteilung oder mangels Antrag auf Aufteilung:� Gütertrennung, sodass jeder Gatte sein Eigentum behält

• Entgegen der Gütertrennung bei aufrechter Ehe wird die Auflösung der Ehe vom Prinzip der ehelichen Güterteilhabe beherrscht, da hier die Aufteilung des Vermögens vorgesehen ist

• Die Aufteilung bei Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung ist verschuldensunabhängig; aber Billigkeitserwägungen

• Auflösung der Ehe durch Tod � erbrechtlichen Vorschriften

• Einvernehml Scheidung � keine Anwendung der §§ 81 ff, weil ohnedies Vereinbarung über vermögensrechtl Ansprüche vorliegt

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Gegenstand der Aufteilung

• Aufzuteilen sind das ehel Gebrauchsvermögen und ehel Ersparnisse (§ 81 Abs 1)

» Aber nur der während der Ehe gemeinsam erzielte Erwerb (eheliche „Errungenschaft“)

• Eheliches Gebrauchsvermögen = körperl Sachen, die während der Ehe dem Gebrauch beider Gatten gedient haben; hiezu gehören auch Hausrat und Ehewohnung (§ 81 Abs 2)

» Umfasst ist alles was der Lebensführung gedient hat (zB Möbel, Bilder, Elektrogeräte, Teppiche), selbst bei hohen Kosten (zB Reitpferd, Wochenendhaus)

• Eheliche Ersparnisse = Wertanlagen, welche die Gatten während der Ehe angesammelt haben und die üblicherw. zur Verwertung bestimmt sind (§ 81 Abs 3)

» zB Bargeld, Wertpapiere, Sparbuch, Briefmarkensammlung

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Ausnahmen der Aufteilung

• Von der Aufteilung sind gem § 82 ausgenommen:

1. In die Ehe eingebrachte Sachen, Ererbtes oder von Dritten Geschenktes

2. Sachen, die dem persönlichen Gebrauch eines Gatten alleine oder der Ausübung seines Berufes dienen

3. Sachen, die zu einem Unternehmen gehören

4. Unternehmensanteile, sofern es sich nicht um bloße Wertanlagen handelt (dann Ersparnis)

• Sachen, die ein Ehegatte dem anderen geschenkt hat, sind in die Aufteilung einzubeziehen, falls es sich um Ersparnisse oder Gebrauchsvermögen handelt

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Ehewohnung und Hausrat § 82 Abs 2

• Ehewohnung und Hausrat sind als Gebrauchsvermögen aufzuteilen, wenn sie während der Ehe erworben wurden (§ 81 Abs 2)

• Zudem sind sie aufzuteilen (§ 82 Abs 2):

» Wenn sie ein Ehegatte in die Ehe eingebracht, geerbt oder von einem Dritten geschenkt erhalten hat und

» ein Ehegatte oder gemeinsames Kind an Weiterbenützung ein Versorgungsbedürfnis hat oder dies vereinbart wurde

• Nicht aufzuteilen sind Sachen, welche zwar während der Ehe, aber mit Ersparnissen aus der Zeit vorher angeschafft worden sind

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Unternehmen und Schulden

• Begründung der Ausnahme: Wertsteigerung eines Unternehmens hat verschiedene Gründe und kann schwer in Zusammenhang mit der ehel Lebensgemeinschaft gebracht werden und Aufteilung gefährde den Bestand von Betrieben und damit Arbeitsplätze

• Aber: Herausnahme des Unternehmens führt zu einer gewissen Ungleichbehandlung von Unternehmern und Nichtunternehmern

• Ausnahme der bloßen Wertanlage (Z 4) = wenn keine Mitwirkung an der Unternehmensführung oder maßgebender Einfluss

• Aber: Berücksichtigung des Unternehmens nach Billigkeit als Vermögenswert bei Aufteilung der sonstigen vorhandenen Ersparnisse

• Erträge eines Untern. unterliegen der Aufteilung, außer wenn sie reinvestiert werden

• Schulden, die mit dem Gebrauchsvermögen und den Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen (insb zu ihrer Anschaffung dienen) sind bei der Aufteilung zu berücksichtigen (§ 81 Abs 1)

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Aufteilungsgrundsätze

• Vermögen ist nach Billigkeit zu teilen (Berücksichtigung des Beitrages jedes Gatten zum Erwerb des Vermögens, des Kindeswohls und Schulden; § 83 Abs 1)

• Nach dem Trennungsgrundsatz (§ 84) sollen sich Lebensbereiche nach Scheidung möglichst nicht berühren

• § 83 erfasst über § 81 hinaus die sonstigen, mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängenden Schulden (aber keine innerlicher Zusammenhang wie bei § 81 erforderlich; zB Schulden zur Finanzierung eines teuren Urlaubs)

• Gericht kann gem § 92 entscheiden wer von beiden im Innenverhältnis zur Zahlung von Kreditverbindlichkeiten verpflichtet ist und kann bei solidarischer Haftung beider auf Antrag aussprechen, dass derjenige Gatte der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, Hauptschuldner, der andere Ausfallsbürge wird

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Gerichtliche Teilung

• Gerichtl Aufteilung erfolgt auf Antrag im außerstr Verf (§§ 93 ff AußStrG)

• Richterliche Möglichkeiten zur Herbeiführung eines billigen Ausgleichs:

» Übertragung und Neubegründung dingl oder schuldrechtl Rechte (zB Mietverhältnis) zugunsten eines Gatten an Sachen des anderen (§ 86)

» Ehewohnung: Anordnung der Übertragung des Eigentums/dingl Rechtes oder Eintritt in das Benützungsverhältnis von einem Gatten auf den anderen, außer durch Vereinbarung ausgeschlossen („opt-out“; § 87)

» Anordnungen des Gerichts wirken nicht dingl, sondern schaffen bloß einen Titel, welcher erst vollzogen werden muss (vgl auch § 93)

» Soweit eine gerechte Aufteilung durch Sachzuteilung nicht möglich ist, sind Ausgleichszahlungen anzuordnen (§ 94)

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Ausgleich von Benachteiligungen• Um die Minderung des Ausgleichanspruchs durch die vorzeitige Verringerung von

Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse zu vermeiden, ist gem § 91 Abs 1 der Wert des Fehlenden in die Aufteilung einzubeziehen,

» wenn ein Gatte in den letzten zwei Jahren Gebrauchsvermögen oder Ersparnisse in einer Weise gemindert hat, die der Gestaltung der Lebensverhältnisse der Ehegatten widersprach

• Sonstige nachteilige Verfügungen können bei der Billigkeitsentscheidung berücksichtigt werden

• Gem § 91 Abs 2 EheG ist der Wert ehel Gebrauchsvermögens und ehel Ersparnisse, die in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden Gatten ein Anteil zusteht, eingebracht oder für dieses Unternehmen verwendet wurden, in die Aufteilung einzubeziehen ist

» � unbefristete Berücksichtigung!

» Zu berücksichtigen ist allerdings, ob der Bestand des Unternehmens gefährdet ist und ob eingebrachte Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammen

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Geltendmachung und Übertragbarkeit des Aufteilungsanspruchs

• Der Anspruch auf Aufteilung erlischt, wenn er nicht binnen eines Jahres nach Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird (§ 95 EheG)

• Der Aufteilungsanspruch ist nur dann übertragbar, verpfändbar, und vererblich wenn anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wurde

• Ist ein Ehegatte nach der Scheidung verstorben, so kann der Aufteilungsanspruch gegen seine Verlassenschaft geltend gemacht werden

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Verhältnis zu Ehepakten

• Soweit es um das eheliche Gebrauchsvermögen und die Ersparnisse geht, sind die §§ 81 ff gegenüber Bestimmungen über die Wirkung der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung auf die Ehepakte (§§ 1265 f) leges speciales

• Aber: die Anwendung der §§ 81 ff kann vertraglich ausgeschlossen werden; dann kommen §§ 1265 f zur Anwendung

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Aufteilung – Fall 17

Hermann und Valerie lassen sich scheiden. Sie bewohnten eine Villa in

Wien. Hermann ist alleiniger geschäftsführender Gesellschafter einer

GmbH. Ihre Freizeit verbrachten sie in einem Strandhaus am Attersee,

das Valerie vom Erbe ihrer Tante gekauft hat, und auf einem Segelboot,

das Hermann Valerie geschenkt hat. Zudem haben beide Aktien,

wertvollen Goldschmuck mit Diamanten, den Hermann von seinem

Ersparten bezahlt hat und Valerie gerne trägt.

EUR 5 Millionen hat Hermann vor einem Jahr in seine GmbH

eingebracht, was Valerie erst jetzt erfährt.

Es liegt keine Vereinbarung über das Ehevermögen im Fall der Scheidung

vor. Valerie stellt sechs Monate nach Rechtskraft des Scheidungsurteils

einen Antrag auf gerichtliche Aufteilung des Ehevermögens.

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Aufteilung – Fall 17

1. Hat Valerie den Antrag rechtzeitig gestellt?

2. Welche Vermögenswerte fallen in die Aufteilungsmasse und

welche sind von der Aufteilung ausgenommen?

3. Inwieweit sind die EUR 5 Millionen Einlage bei der Aufteilung zu

berücksichtigen?

4. Nach welchen Kriterien erfolgt die Aufteilung?

5. Welche Möglichkeiten hat das Gericht bei Aufteilung einzelner

Vermögenswerte?

Quelle: Vgl Fall 34 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 38 ff

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Aufteilung – Fall 18

SV wie Fall 17. Hermann und Valerie haben zur Finanzierung eines

Autos gemeinsam einen Kredit aufgenommen, der zum Zeitpunkt

der Scheidung bereits zur Hälfte bezahlt ist. Was passiert damit im

Aufteilungsverfahren?

Quelle: Vgl Fall 35 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 43

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Vertragliche Regelung der Scheidungsfolgen • Allgemeine Grenzen der Privatautonomie und sonstige zwingende Bestimmungen

• zB Vereinbarung über die Obsorge gem § 179 ABGB oder über den Unterhalt

• Aufteilung des Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse soll möglichst einvernehmlicherfolgen; Gericht kann bei Unbilligkeit davon abweichen (§ 97 Abs 2 EheG)

• Ehewohnung: Gemäß § 82 Abs 2 EheG kann vereinbart werden, dass die Wohnung jedenfalls der Aufteilung unterliegt (Opt-in-Vereinbarung)

• Gem § 87 EheG kann vereinbart werden, dass kein dingliches Recht an der Ehewohnung übertragen werden darf (Opt-out-Vereinbarung)

» Aber: Gem § 97 Abs 3 kann Gericht bei deutlicher Verschlechterung der Lebensverhältnisse von Vereinbarung über Ehewohnung abweichen (zB bei drohendem Verlust des Arbeitsplatzes)

• Vorausvereinbarungen über ehel Ersparnisse und über die Ehewohnung bedürfen Form eines Notariatsaktes; über ehel Gebrauchsvermögen � Schriftform (§ 97 Abs 1)

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Ehevertrag und Aufteilung – Fall 19

Während aufrechter Ehe haben Hermann und Valerie einen

Ehevertrag in Notariatsaktform abgeschlossen: „An den

Rechtsverhältnissen bezüglich der Eigentumswohnung soll sich

auch im Fall der Scheidung nichts ändern.“ Hermann hat die

Wohnung schon vor der Eheschließung gekauft und ist als

Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Valerie will nicht aus der

Wohnung ausziehen, zumal sie sich nur eine wesentlich kleinere

und bescheidenere Wohnung leisten könnte. Sie beantragt die

Aufteilung der Wohnung.

Quelle: Vgl Fall 36 aus Maier/Nitsch/Reidinger, Bürgerliches Recht II 43 f

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Exkurs: Überblick über die sozialversicherungsrechtlichen Folgen

• Mit der Scheidung verliert der nicht selbst versicherte Gatte in der Krankenversicherung den Versicherungsschutz (vgl § 123 ASVG; Gegenausnahme Beamte)

• Bei Vorversterben des früheren Ehegatten kann der andere bis zur Höhe seines Unterhaltsanspruches eine Witwen- bzw Witwerpension beziehen (s zB §§ 258, 264 ASVG), wenn der Verstorbene zur Leistung eines Unterhalts verpflichtet war