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Programmwerkstatt Berlin Transfer 21 Bildung für eine nachhaltige Entwicklung www.blk21-be.de Fächerübergreifendes Projekt „Lebensmittel Wasser – ökonomische, ökologische, politisch/soziale Aspekte“ nach dem Unterrichtskonzept des Selbstorganisierten Lernens (SOL) durchgeführt im 11. Jahrgang der Gymnasialen Oberstufe des Oberstufenzentrums Verkehr, Wohnungswirtschaft und Steuern Dudenstr. 35-37, 10965 Berlin Autorinnen: Dorothea Kreter / Christiane Schalau

Fächerübergreifendes Projekt „Lebensmittel Wasser ... · Mittlerweile sind fächerübergreifende Projek-te im gesamten 11. Jahrgang eine feste Institution geworden. Zwei Projektwochen

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Programmwerkstatt BerlinTransfer 21 Bildung für eine nachhaltige Entwicklung www.blk21-be.de

Fächerübergreifendes Projekt„Lebensmittel Wasser – ökonomische,

ökologische, politisch/soziale Aspekte“

nach dem Unterrichtskonzept des Selbstorganisierten Lernens (SOL)durchgeführt im 11. Jahrgang der Gymnasialen Oberstufe des

Oberstufenzentrums Verkehr, Wohnungswirtschaft und SteuernDudenstr. 35-37, 10965 Berlin

Autorinnen: Dorothea Kreter / Christiane Schalau

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Impressum

Projektleitung Prof. Dr. Gerhard de HaanFreie Universität Berlin

HerausgeberProgrammwerkstatt Berlin – Transfer 21Freie Universität BerlinProjektleitung Hilla MetznerArnimallee 914195 BerlinTel.: 030/83856471e-mail: [email protected]

Berlin 2006

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Planungsbedingungen

2.1 Zielgruppe2.2 Bezug zum BLK-Programm2.3 Curriculumbezug2.4 Rahmenbedingungen am Oberstufenzentrum Verkehr, Wohnungswirt-

schaft, Steuern 2.5 Was ist SOL?2.6 Ablaufplan und Durchführung2.7 Resümee

3. Materialien

3.1 Wochenplan3.2.1 Expertengruppe politisch-soziale Aspekte3.2.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit3.3.1 Expertengruppe ökologische Aspekte3.3.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit3.4.1 Expertengruppe ökonomische Aspekte3.4.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit

3.5 Präsentationsthema: Uganda – Frauen sammeln Wasser3.6 Präsentationsthema: Staudammprojekt in Kurdistan3.7 Präsentationsthema: Umgang mit Wasser in Neuseeland3.8 Präsentationsthema: Staudammdebatte Ebrodelta3.9 Rückblende der Schüler (Auswertung)

4. Gesamtreflexion

5. Beteiligte Lehrer und Lehrerinnen

6. Literaturliste

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1. Einleitung

Schule muss verändert werden – und ist veränderbar. Als einige Lehrerinnen und Lehrer (im Weiteren wird zur Vereinfachung nur die männliche Form benutzt, dsgl. für Schüler) der gymnasialen Oberstufe des Oberstufen-zentrums Verkehr, Wohnungswirtschaft und Steuern in Berlin-Tempelhof1 vor ca. 10 Jahren anfingen, fächer-übergreifende Projekte zu Themen der Nachhaltigkeit durchzuführen, war das im Schulalltag unserer Schule noch etwas Besonderes. Die Projektphasen mussten per Konferenzbeschluss bewilligt werden, es gab nur einzelne Klassen oder Kurse, die Projektunterricht durchführten. Mittlerweile sind fächerübergreifende Projek-te im gesamten 11. Jahrgang eine feste Institution geworden. Zwei Projektwochen im Schuljahr gehören zum Profil der Gymnasialen Oberstufe. Zu Anfang jedes Schuljahrs werden diese beiden Wochen in der Schuljahres-planung mitberücksichtigt und zeitlich festgelegt. Die durch den PISA-„Schock“ ausgelösten Diskussionen um die Notwendigkeit der Verbesserung der Unterrichtsqualität und -organisation hat die an dem im Folgenden dargestellten Unterrichtsprojekt „Wasser“ beteiligten Lehrer und Schüler natürlich auch erreicht. Wenn wir die Entwicklung betrachten, die in den letzten fünf Jahren dazu geführt hat, Unterrichtsinhalte und -formen inno-vativ zu verändern, sind wir davon überzeugt, dass sich die viel beschworene Lernkultur in unserem Schulalltag positiv verändert hat. Dass diese Entwicklung möglich war, hat vor allem mit unserer Teilnahme am BLK–Programm „21“ zu tun. Eine entscheidende Erfahrung waren die durch das BLK- Programm organisierten Fortbildungen bei Birgit Landherr und Martin Herold zum Konzept des Selbstorganisierten Lernens (SOL)2. Dieser systemische Ansatz des Unter-richtens und Lernens schuf den Rahmen, um als Kollegen interdisziplinär zusammenzuarbeiten und Handlungs-kompetenz und vernetztes Denken bei den Schülern zu fördern. Mit den vorliegenden Materialien wollen wir inhaltliche und organisatorische Anstöße geben, neue Formen des fächerübergreifenden Unterrichts zu erproben. Die Organisationsstruktur ist veränderbar. Das Projekt „Was-ser“ kann natürlich auch im fortlaufenden Unterricht durchgeführt werden, evtl. mit nur zwei anstatt mit drei Fächern.

2. Planungsbedingungen

In diesem Kapitel sind Informationen zusammengefasst, die bei der Planung und Umsetzung für die vorgestellte Unterrichtseinheit eine Rolle spielten.

2.1 Zielgruppe

„Lebensmittel Wasser – ökonomische, ökologische politisch-soziale Aspekte“ wurde als fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt in der Klassenstufe 11 (Gymnasiale Oberstufe) konzipiert und nach dem Konzept des Selb-storganisierten Lernens (SOL) durchgeführt. Beteiligt waren die Fächer Wirtschaftswissenschaft, Naturwissen-schaften (Chemie/Biologie/Physik) sowie Politische Wissenschaften.SOL ist ein komplexer Unterrichtsansatz. Die Darstellung des Systems beschränkt sich hier weitestgehend auf den inhaltlichen Bezug zu unserem Projektthema und dem daraus folgenden Unterrichtsarrangement. Dass das Konzept SOL mehr als eine Methode ist, wird im Abschnitt 2.5 erläutert.

Das vorhandene Material kann durch Variation der Fragestellungen problemlos auch auf die Fächer Geographie, Ethik/Religion, Deutsch u.a. übertragen werden und ggf. reduziert bzw. erweitert werden. Insofern wäre es auch bei didaktischer Reduktion ab Klassenstufe 9 anwendbar. Das Material richtet sich an Lehrer und Lehrerinnen, die Interesse an der Zusammenarbeit mit Fachkollegen ha-ben, aber auch fächerübergreifend arbeiten wollen und die mit dem Unterrichtskonzept SOL Eigenverantwort-lichkeit und Gestaltungskompetenz der Schüler fördern wollen.

� DasOberstufenzentrumVerkehr,WohnungswirtschaftundSteuernbestehtauseinerBerufsschule,Berufsfachschule,FachoberschulesowieeinerGymnasialenOberstufe(BeruflichesGymnasium)

� Dr.MartinHerold/Dr.BirgitLandherr,SOL,SchneiderverlagHohengehren,�000,�003(TheorieundPraxisbände)ImInternetunter:www.sol-mlf.de

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2.2 Bezug zum BLK-Programm „21“

Zwischen 1999 und 2004 nahm unsere Schule am BLK-Programm „21 - Bildung für eine nachhaltige Entwick-lung“ teil. Wir arbeiteten im Set „Nachhaltige Stadt“ an dem Schwerpunkt „Schule und Lebensumwelt“. Konkret setzten wir uns mit der Frage „Was passiert mit dem Flughafen Tempelhof, wenn er geschlossen wird?“ ausein-ander. Diese Arbeit haben wir in den Werkstattmaterialien Nr. 5 des BLK-Programms3 dokumentiert. Die guten Erfahrungen, die wir mit der fächerübergreifenden und fächerverbindenden Projektarbeit zum Thema „Nachnut-zung des Flughafens Tempelhof“ gemacht hatten, veranlassten uns, ein zweites, globaleres Thema nachhaltiger Entwicklung zu behandeln. Das Thema „Wasser“ war im Jahr 2003, dem „internationalen Jahr des Süßwassers“ nahe liegend und bot genug Anlass, verstärkt auf die Bedeutung des Wassers für eine nachhaltige Entwicklung hinzuweisen, sie zu erarbeiten und die Schüler für dieses Thema zu sensibilisieren. Das im Juni 2003 erschienene Heft „21“4 mit dem Schwerpunktthema „Wasser“ gab Anregungen, eine kulturori-entierte, interdisziplinäre Perspektive auf das Thema in den Vordergrund zu rücken. Unsere bereits im Flughafen-projekt gewonnenen Erfahrungen, ökologische, ökonomische als auch politisch-soziale Sichtweisen zu verbin-den, halfen uns dabei, das Thema „Wasser“ fächerübergreifend anzupacken.

2.3 Curriculumbezug

Das Projekt „Lebensmittel Wasser – ökonomische, ökologische politisch-soziale Aspekte“ wurde in den Schul-jahren 2003/2004 und 2004/2005 durchgeführt. Der dargestellte Curriculumbezug bezieht sich jedoch auf die neuen, ab dem Schuljahr 2005/2006 gültigen Berliner Rahmenlehrpläne der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport. Diese Rahmenlehrpläne sind inhaltlich mit dem Kapitel 1 „Grundlagen“ identisch. Gefordert wird dort „(...) eine erweiterte Allgemeinbildung sowie eine wissenschaftspropädeutische Grundbil-dung, die zum lebenslangen, weiteren Wissenserwerb befähigen und das Erlernen der Methoden zur nachhal-tigen Wissensgenerierung und -vernetzung fördern soll.“5 Dies bedeutet für die Unterrichtsentwicklung, „(...) dass über das sachlich-fachliche Wissen und Können hinaus das eigenverantwortliche Lernen in Kooperation mit der Lerngruppe, das nachhaltig wirksame Lernen sowie das Lernen des Lernens angestrebt werden. Im Zentrum steht die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler, nicht die Stoffvermittlung.“ Der Unterricht nach dem systemischen Ansatz SOL erscheint dafür besonders geeignet. Auch das geforderte fächerübergreifende Arbeiten bzw. Lernen wird mit diesem Wasser-Projekt erreicht.

Im Weiteren werden die Bezüge zu den einzelnen Rahmenlehrplänen der einzelnen Fächer dargestellt.

2.3.1 Politikwissenschaft�

In den Leitgedanken zur Grundkonzeption des Unterrichtsfachs wird verpflichtend auf die fächerübergreifen-de und fächerverbindende Vernetzung zu anderen Fächern hingewiesen.(Siehe besonders Kapitel 2.2 und 2.3 „Fächerübergreifender und fächerverbindender Unterricht“, S. 8f.) Auch die Einbeziehung aktueller Themen im Einvernehmen mit den Lernenden wird betont (S. 8).Die problemorientierte Behandlung des Themas „Wasser“ aus politisch-sozialer Sicht lässt sich hervorragend den meisten, auf Seite 8 aufgelisteten Kategorien (Schlüsselfragen für den Unterricht) zuordnen, z. B. „Macht und Interesse“, „Macht und Verantwortung“, „Solidarität und Pluralität“, „Konflikt(-austragung, -lösung) und Konsens“.Besonders die zu erwerbenden zentralen Kompetenzen und Fachkompetenzen (S. 10ff.), spiegeln die Fähig-

3 Werkstatt-MaterialienNr.5,PartizipativesLernen,NachnutzungvonfreienFlächenimstädtischenRaum,BLKProgramm��,Berlin�00�� „��“DasMagazinfürzukunftsfähigeBildung,Nr.�/�003,Juni�003,Hrsg.KoordinierungsstelledesBLK-Programms„��“-Bildungfüreine

nachhaltigeEntwicklung“,Prof.Dr.GerharddeHaan,FreieUniversitätBerlin5 CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,gültigabSchuljahr

�005/�006,Kap.�.�Bildungsziele/Unterrichtsentwicklung6 CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,Politikwissenschaften,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,

gültigabSchuljahr�005/�006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_politikwissenschaft.pdf

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keiten wider, die die Schüler in der Auseinandersetzung mit dem Thema „Wasser“ zeigen sollten. Von den vielen Kompetenzen seien nur beispielhaft diese herausgegriffen: „Die Schüler erlangen die Fähigkeit (...) komplexe gegenwärtige und zukünftige politische Probleme in Deutsch-land, Europa und anderen Teilen der Welt aufgrund einer soliden Wissensbasis zu erklären und zu beurteilen, Lösungsmöglichkeiten simulativ anzubahnen, Entscheidungen zu treffen und Stellungnahmen zu verfassen (...), ihre Arbeitsergebnisse in verschiedenen Präsentations- und Visualisierungstechniken, z.B. Overhead-Folie, Plakat, Beamer, Cluster, Mind-Map zu veröffentlichen und ergebnisorientiert zu beurteilen.“ (S. 11)

2.3.2 Naturwissenschaften7/8/9

Die neuen Rahmenlehrpläne der Fächer Biologie, Chemie und Physik decken sich inhaltlich im Kapitel 2 mit den „Aufgaben und Zielen der naturwissenschaftlichen Fächer in der gymnasialen Oberstufe“. Die im Projekt Wasser zu erwerbenden Fähigkeiten spiegeln in besonderer Weise die dort geforderten Kompetenzen wider. Einige sol-len nur beispielhaft genannt werden: „Kommunikations- und Teamfähigkeit, die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe an gesellschaftlichen Diskussionen über aktuelle, naturwissenschaftlich geprägte Fragen“ (Kap. 2.2 Naturwissen-schaftliche Kompetenz), „in Gruppen gezielt zu arbeiten, gegebenenfalls die Rolle des Gruppensprechers oder Moderators zu übernehmen“ (Kap. 2.4 Kommunikative Kompetenz), „Aussagen aus unterschiedlichen Perspek-tiven und Sachzusammenhängen (zu) betrachten“ und „naturwissenschaftliche Aspekte aus Fragekomplexen anderer Fachgebiete heraus(zu)finden“ (Kap. 2.5 Kompetenz zur Reflektion).Folgende Fachinhalte lassen sich zuordnen:

2.3.2.1 Chemie7

Die Unterrichtsreihe „Trinkwasser“ mit dem Wasserkreislauf, der Trinkwasserproblematik und der Möglichkeit der Bewertung von (Stoff)-Kreisläufen im Sinne der Nachhaltigkeit.

2.3.2.2 Biologie8

Die Themen „Aufrechterhaltung von Lebensprozessen – Homöostase“ und „Störung der Homöostase“ mit dem Fachinhalt „biologische Regulationsmechanismen“.

2.3.2.3 Physik9

Das Thema „Energie“ unter Einbeziehung von fachübergreifenden Aspekten.

2.3.3 Wirtschaftswissenschaften10

Wie die anderen Rahmenlehrpläne betont auch der Rahmenlehrplan Wirtschaftswissenschaften den fächerver-bindenden bzw. fachübergreifenden Unterrichtsansatz (s. Kap. 2.3, S. 8). „Welche fachübergreifenden bzw. fächerverbindenden Aspekte ausgesucht und behandelt werden, ist von der Schule abhängig, der hier auch die Möglichkeit einer Schwerpunktbildung eingeräumt wird. Erstrebenswert ist, dass pro Semester mindestens ein fachübergreifendes Projekt durchgeführt wird.“ (S.8)In den Aufgaben und Zielen des Faches wird betont, dass die Schüler Wirtschaft als einen „existenziellen Bereich gesellschaftlichen Lebens in seiner Notwendigkeit, seiner historischen Entwicklung, seiner Verknüpfung mit anderen Bereichen, z. B. Umwelt“ analysieren lernen sollen.

Die ökonomische Realität soll nicht nur „(...) monokausal, sondern auch als vernetzt, funktional, prozesshaft, wan-delbar, Ideologien ausgesetzt und interessenbestimmt“ begriffen werden (S. 8).

� CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,Chemie,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,gültigabSchul-jahr�005/�006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_chemie.pdf

� CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,Biologie,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,gültigabSchul-jahr�005/�006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_biologie.pdf

� CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,Physik,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,gültigabSchul-jahr�005/�006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_physik.pdf

�0CurriculareVorgabenfürdiegymnasialeOberstufe,Wirtschaftswissenschaften,BerlinerSenatsverwaltungfürBildung,JugendundSport,gültigabSchuljahr�005/�006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_wirtschaftswissenschaft.pdf

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Die Themen „Einführung in das Fach“ und „grundlegende Zusammenhänge“ mit Vernetzungsmöglichkeiten, z. B. „die Erde als vernetztes System“ (Kap. 4.2, S. 15) stellen einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Thema „Wasser“ dar.

2.4 Rahmenbedingungen am Oberstufenzentrum Wohnungswirtschaft, Verkehr und Steuern

Das Projekt wurde in der Klassenstufe 11 der gymnasialen Oberstufe des Oberstufenzentrums Verkehr, Woh-nungswirtschaft und Steuern in allen 11. Klassen (vierzügig, ca. 100 Schüler und 15 Lehrer) durchgeführt. Im Laufe der letzten Jahre hat sich im Jahrgang 11 eine Organisationsstruktur von Klassenteams entwickelt. Die Kollegen der Fächer Wirtschaftswissenschaften11, Politikwissenschaft und Naturwissenschaften bilden Klassen-teams, die von der Abteilungsleitung vor jedem Schuljahr so weit wie möglich nach den Wünschen der Kollegen eingerichtet werden. Diese Teams sorgen nach Absprachen bereits im Vorfeld der Projektwoche dafür, dass die Schüler die notwendigen methodischen Fähigkeiten (z. B. Methoden zur Texterarbeitung, Teamarbeit usw.) für die Projektarbeit im Unterricht aller Fächer erlangen. In der Projektwoche wird die reguläre Stundentafel ausgesetzt. Die Betreuung der Schüler erfolgt schwerpunkt-mäßig durch die Klassenteams. Für diese Kollegen bedeutet das, dass sie neben der Projektarbeit auch noch ihren normalen Unterricht erteilen müssen. Diese Doppelbelastung wird allerdings dadurch kompensiert, dass die Schüler in der Projektphase weitgehend selbstorganisiert arbeiten. Außerdem unterstützen die nicht am Pro-jekt beteiligten Kollegen die Arbeit. Ein weiterer ganz wichtiger Aspekt, der sowohl der Selbstorganisation der Schüler als auch der Entlastung aller beteiligten Lehrer dient, ist die Selbstähnlichkeit der Projektinhalte und der Struktur: Alle Klassen arbeiten parallel zu gleichen Zeit und am gleichen Thema (s. Kapitel 2.5). Diese Parallelität ermöglicht eine Vervielfachung von Ansprechpartnern. Die Schüler können auch die Lehrer aus den Parallelklas-sen ansprechen, wenn sie Unterstützung brauchen.

Die Unterrichtsstrategie des Selbstorganisierten Lernens (SOL) hat sich in unserer Projektarbeit bewährt, weil sie einen Rahmen bietet, der uns erlaubt sowohl als Lehrer miteinander als auch mit den Schülern in Freiräumen zu arbeiten, die im traditionellen Unterrichtsgeschehen kaum möglich sind.

2.5 Was ist SOL?

SOL ist ein Ansatz, Schülern schrittweise selbstständiges und selbstverantwortliches Arbeiten beizubringen. Andererseits bedeutet das, dass Lehrer allmählich ihre Rolle als Wissensvermittler zu Gunsten der eines Lernbera-ters verändern.Wie passiert das? In ihrem Artikel „Lernen und SOL“ 12 erläutert Marianne Necker-Zeiher die grundlegenden Prinzipien dieses systemischen Unterrichtsansatzes.

„(...) Die Ausgangsfrage (...) lautet: Wie komme ich vom lehrerzentrierten zum lehrer- unabhängigen Lernen?Alle in der Schule Tätigen wissen, dass Loslassen allein zunächst wenig mehr als Chaos erzeugt. Individualisie-rung des Lernens wird mehr Raum gegeben, was mit den Aufgaben von und den Erwartungen an Schule sowie mit ihrer Tradition und ihrem Selbstverständnis wenig zu tun hat. Deshalb werden im Konzept SOL klare Struk-turen und Abläufe vorgegeben. Erst mit zunehmender Erfahrung und Routine (von Schülern und Lehrern) kann man in Bezug auf inhaltliche und zeitliche Anforderungen bei der Anwendung dieses Konzepts von Selbstorga-nisation sprechen. Gleichwohl stehen die Lerner als Akteure des Lernprozesses von Anfang an im Mittelpunkt, es werden auch kommunikative und soziale Anforderungen gestellt sowie personale und methodische Kompe-tenzen ausgebildet.

��WirtschaftswissenschaftenistanunsererGyOKernfach;im��.Jg.wirdesfünfstündigunterrichtet;inderKursphaseisteseinobligato-rischesLeistungsfach

��MarianneNecker-Zeiher,[email protected]

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Zu den einzelnen Bestandteilen des Konzepts:

Die grundsätzliche Zielorientierung gilt nicht nur für die Planung des Unterrichts, sondern auch für den Lernpro-zess. Deshalb bilden Ziel- oder Lernvereinbarungen eine Grundlage für Beobachtung und Bewertung und bieten sich als Instrument zur Einführung einer neuen Feedbackkultur an. Hier fungieren Lehrer als Berater im Lernpro-zess, in dem die Schüler nicht nur am Ende einer Sequenz über die Produktbewertung (Klassenarbeit, Referat etc.) Rückmeldung erhalten, sondern auch während des Prozesses in regelmäßigen Abständen. (...)

Der zeitliche Raum hierfür ergibt sich aus der anderen Organisation des Unterrichts, für die drei Elemente von zentraler Bedeutung sind: Advance Organizer, Gruppenpuzzle und Sandwichprinzip.Ein Advance Organizer (A.O) ist als Lernlandkarte zu verstehen. Er dient dazu, einen Überblick über das ganze Thema zu geben (das später arbeitsteilig in Teilthemen erarbeitet wird), liefert eine „Vorausstruktur“ für das neu zu Lernende und schafft Klarheit für die Zielorientierung.Ein A.O. bildet die inhaltliche Planung, die Themenbereiche der Wissensvermittlung in einer SOL-Unterrichtsein-heit ab, und zwar in vernetzter, nicht-linearer Form. Die neuen Themen werden – auf das Wesentliche reduziert – visualisiert und in ihren inhaltlichen Zusammenhängen dargestellt. Dazu wird an bereits Bekanntem aus die-sem Wissensbereich angeknüpft, indem solche Themen als Anker ebenfalls abgebildet und ihre Verknüpfung mit dem Neuen aufgezeigt wird. Die neurobiologische Erkenntnis, dass ein wesentlicher Vorgang beim Lernen in der Herstellung von Verbindungen zwischen Neuem und Unbekanntem besteht, wird hier für die Unterrichtspraxis umgesetzt.

Eine klare Orientierung ist auch für das Gruppenpuzzle (= Quergruppen) nötig, die Organisationsform für ar-beitsteilige Gruppenarbeit in Stamm- und Expertengruppen. Hier wird die Erkenntnis umgesetzt, dass Lernkompetenzen an Wissen angekoppelt werden müssen: Die inhalt-liche Arbeit an Sachthemen, die Erarbeitung von neuem Wissen, die Abgleichung unterschiedlichen Verstehens, die Überprüfung mit Hilfsmitteln, die Wiedergabe und Vermittlung des neuen Wissens in der Stammgruppe stellen anspruchsvolle Aufgaben für die hier selbstständig arbeitenden Schülergruppen dar. Wissen, Können, Sachwissen, Prozesskenntnisse, Erkennen der Situationsangemessenheit, selbstverantwort-liches Arbeiten – entscheidende Voraussetzungen für Lernen nach der Schule und lehrerunabhängiges Lernen in der Schule – sie können hier eingeübt werden.

In dieser Phase entstehen die zeitlichen Freiräume, in denen Lehrer ihre Beraterrolle wahrnehmen können: als Begleiter und Beobachter des Lernprozesses und als Berater bei der Besprechung des Lern- und Leistungs-standes und der Rückmeldung zu Lernvereinbarungen. Auch bietet sich hier die Möglichkeit zur Schulung der eigenen diagnostischen Kompetenzen.

Die Strukturierung des Lernprozesses erfolgt im Konzept SOL auch über das Sandwichprinzip. In dieses muss das Gruppenpuzzle eingebaut werden.Den Anfang einer SOL-Einheit bildet der A.O., der vom Lehrer (mit seinem Fachwissen) eingeführt und erklärt wird. Der Lehrer präsentiert hier zu Beginn die Struktur des neuen Themas und schafft damit nicht nur Überblick, sondern auch Transparenz. Anders als im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch, in dem der Lehrer diese Struktur natürlich auch kennt, aber sie zurückhält, bis die von ihm angeleiteten Schüler sie mehr oder weniger nachvollzogen haben, fällt hier das Überraschungsmoment der Auflösung am Ende weg. Die Motivation ent-steht durch das Interesse, das über die Präsentation geweckt wird, und über das Sich-ernst-genommen-fühlen der Schüler.

Danach werden die Inhalte im Gruppenpuzzle erarbeitet und zwar im Wechsel von individuellem Arbeiten (Le-sen, Zusammenfassen, Nachschlagen, Schreiben etc.) und kollektivem Arbeiten (Austausch, Diskussion, Überar-beitung) in den Gruppen.Da man nicht davon ausgehen kann, dass nach einem Durchgang alle Schüler alle Informationen vollständig und korrekt aufgenommen und wiedergegeben haben, gibt es weitere Arbeitsphasen, in denen das neu Gelern-te überprüft, ergänzt und korrigiert werden kann. Hier bieten sich zur Durchführung verschiedenste Methoden an, z. B. diverse Kartenmethoden. Auch diese Phasen finden weiter in den (Stamm-)Gruppen statt und bieten

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dadurch Raum, nach je individuellen Bedürfnissen der Gruppenmitglieder zu üben und zu vertiefen. Am Ende kann aber durchaus auch eine zusammenfassende Darstellung oder ein Gespräch im Plenum stehen. Die variierenden Übungen über einen längeren Zeitraum mit einem regelmäßigen Wechsel von Input und Wie-dergabe sowie individuellem und kollektivem Arbeiten bilden zusammen mit dem A.O. und dem Gruppenpuzzle ein „Sandwich“ – eine SOL-Einheit. (...)“.

Wie eingangs erwähnt, hat sich in unserer GyO in den letzten Jahren durch SOL die viel beschworene Lernkultur positiv verändert. Gemeinsame Planung, Vorbereitung und Durchführung in Lehrerteams sind genauso wichtig geworden wie die gute Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler in Experten- und Stammgruppen.

2.� Ablaufplan und Durchführung

Wir verfahren nach folgendem Organisationsschema:

1. Phase (ca. 8-10 Wochen vor der Projektwoche): Vorbereitungstag der ca. 16 Kollegen. Dieser Vorbereitungstag hat sich mittlerweile als feste Einrichtung in unserer Projektarbeit institutionalisiert. Durch Unterstützung un-serer Abteilungsleitung ist es möglich, die notwendige gemeinsame Vorbereitungsarbeit aus der Schule heraus zu verlagern.An diesem Tag stimmen wir die inhaltlichen Schwerpunkte der o. g. Aspekte ab. Es hat sich als praktisch erwie-sen, diese Aspekte den Fächern WW, PW und NW zuzuordnen.Jedes Klassenteam ist also eine Stammgruppe, die sich aus drei Experten zusammensetzt.

Organisationsform der Lehrer nach SOL:

Stammgruppen (SG): jede 11. Klasse

11a 11b 11c 11dWW WW WW WWNW NW NW NWPW PW PW PW

Expertengruppenbereiten Material und Arbeitsaufträge vor; informieren ihre SG

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3. Phase: Am ersten Tag der Projektwoche arbeiten die Schüler in ihren Expertenteams. Sie bearbeiten zusam-men die Fragestellungen und bereiten Informationsblätter für ihre Stammgruppen vor. Sie üben die Weiterver-mittlung ihres Themenschwerpunkts, überlegen sich z. B. Kontrollfragen oder legen zentrale Begriffe fest. Die inhaltliche Überprüfung der Infoblätter auf Vollständigkeit und Richtigkeit erfolgt durch die jeweiligen Ex-pertenlehrer in Kolloquien mit den Gruppen.

Die jeweiligen Expertenlehrer der vier Klassen bereiten ihren Schwerpunkt im Team vor, dadurch verringert sich der Arbeitsaufwand für jeden Einzelnen erheblich.

Die Schwerpunkte der im Januar 2004 und 2005 stattgefundenen Projektwoche waren die folgenden:

1. ökonomische Aspekte:

2. ökologische Aspekte:

3. politisch-soziale Aspekte:

Wasser als ProduktionsfaktorKonkurrierende Wassernutzung: Wasser in Unternehmen und HaushaltenWasser als lebensnotwendiges Gut

Wasser als Überträger von KrankheitenWasserkreislauf und dessen NutzungMenschenrecht auf Wasser

Bedeutung von Wasser in den WeltreligionenWasser, ein geographisch und sozial ungleich verteiltes Gut.

2. Phase (ca. 10-14 Tage vor der Projektwoche): Die Lehrerteams stellen in ihren Klassen den A. O. vor:Die Schüler haben sich in Stammgruppen aufgeteilt und entscheiden in ihrer jeweiligen Stammgruppe, wer Experte für welchen Aspekt sein will. Der Einfachheit halber ordnen sich die Experten (Schüler wie Lehrer) den Farben des Nachhaltigkeitsdreiecks zu (s. auch Schema der Organisationsstruktur nach SOL / Phase 1).Die von den Lehrer-Expertenteams erstellten Materialien (Reader von ca. 18-20 Seiten) werden verteilt. Die Schü-ler bereiten sich individuell vor. Die Aufgaben zur Stofferschließung müssen von ihnen als schriftliche Hausarbeit in der Woche vor Projektbeginn bei dem betreuenden Expertenlehrer abgegeben werden. Spätestens zu Beginn der Projektwoche erhalten sie die Schüler korrigiert zurück.

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4. Phase: Am zweiten Tag sind die Schüler wieder in ihren Stammgruppen. Sie vermitteln sich gegenseitig ihr „Experten-Wissen“.

So berichten die Ökologen z. B. über den Wasserkreislauf, die Bedeutung des Wassers im Allgemeinen und für den Menschen im Besonderen.Die Ökonomen informieren über das Wasser als Produktionsfaktor und die globale Wasserkrise und die Exper-ten für die politisch-sozialen Aspekte erläutern, dass es ein Menschenrecht auf Wasser gibt. Sie weisen auf die Diskrepanz zwischen diesem Anspruch und der Realität (z. B. Privatisierung des Wassers – Wasser als Wirtschafts-gut) hin.

Da man nach einmaliger Vermittlung nicht davon ausgehen kann, dass alle Informationen vollständig und kor-rekt aufgenommen wurden, dienen weitere Methoden zur Ergänzung und Vertiefung. Die Experten stellen z. B. ihre Kontrollfragen, die „Nicht-Experten“ erklären die zentralen Begriffe auf den Karten usw.

Da es in dieser Phase darum geht, dass sich die Schüler nicht nur gegenseitig schlau machen, sondern auch die jeweils anderen Aspekte des Themas integrieren, müssen die neuen Informationen aber auch miteinander verknüpft werden. Dazu eignet sich vor allem die Methode des Strukturlegens. Dafür verwenden die Schüler alle Begriffskarten und legen sie in eine für sie sinnvolle zusammenhängende Struktur. Ob sie die Vernetzung auch verstanden haben, zeigt sich durch das gegenseitige Erklären dieser individuellen Strukturen in der Stammgrup-pe oder bei einem Kurzvortrag im Plenum.

FotosausKlasse��b;�.Halbjahr�003/0� Expertenarbeit

FotosausKlasse��b;�.Halbjahr�003/0�:KartenabfrageinderStammgruppe

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5. Phase: Am dritten und vierten Tag bearbeiten die Schüler Präsentationsaufgaben (s. u.). Jede Gruppe beschäf-tigt sich mit einem anderen Schwerpunkt des Themas Wasser. Einerseits geht es dabei um die Anwendung und Vertiefung des Expertenwissens. Zum anderen soll den Schülern die Problematik einer nachhaltigen Wassernut-zung bewusst werden.

Bei der Auswahl der Präsentationsthemen war uns wichtig, dass• die Schüler Wasser als ein globales Thema, das sie auch persönlich betreffen kann, kennen lernen. Fast alle

Kontinente sind beispielhaft berücksichtigt worden.• die Schüler Beispiele für eine gelungene nachhaltige Entwicklung erfahren, sowie auch Beispiele, bei denen

die ökologischen, sozialen oder politischen Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung aufgrund einseitiger ökonomischer und politischer Entscheidungen missachtet wurden bzw. werden.

• unterschiedliche Formen der Schüleraktivität bei der Präsentation gefördert werden, z. B. Rollenspiel, Vor-trag, Wandzeitung.

Der Kreativität der Schüler sind keine Grenzen gesetzt. Es gelingt ihnen meistens „spielend“, die Komplexität des Themas zu erfassen und zu vermitteln. Sie sind in der Lage mit Experten von „draußen“ zu diskutieren, die extra zu diesem Tag eingeladen werden (z. B. eine Mitarbeiterin aus dem Haus des Senators für Stadtentwicklung oder ein Klimaexperte aus dem Bundesmi-nisterium für Umwelt.)

Die Präsentationsthemen:

Die Präsentationsthemen waren bewusst so gewählt, dass zwei Beispiele einer gelungenen nachhaltigen Ent-wicklung und zwei Negativbeispiele erarbeitet und präsentiert werden sollten.

Uganda – Frauen sammeln WasserEin gutes Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung ist das Regenwasserprojekt der Frauen des Oruchinga-Tals im Südosten Ugandas. Finanziert von „Brot für die Welt“ und organisatorisch unterstützt von der Agency for Coope-ration and Research in Development (ACORD) schaffte es eine Gruppe von Frauen ihr Wasserproblem zu lösen, indem sie sich Wassertanks bauten, in denen Regenwasser gesammelt wird. Die siebenseitigen Materialien zei-gen, wie die Situation der Frauen vor dem Regenwasserprojekt im Jahr 1996 war und was sich seitdem verändert hat. Das Leben der Frauen und ihrer Familien hat sich in sozialer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Sicht enorm verbessert. Die Frauen sind unabhängiger von ihren Männern geworden, ihre Arbeitslast hat sich verringert, sie sind wirtschaftlich autark, sie können ihre Kinder in die Schule schicken. Ihre Lebenserwartung ist gestiegen.Die Schüler wenden ihr in den Expertengruppen gewonnenes Wissen an: Die Frauen im Oruchinga-Tal haben das Menschenrecht auf Wasser verwirklicht; die Schüler begreifen, dass sauberes Wasser und Gesundheit finanziell gefördert und solidarisch unterstützt werden müssen; Kampf um sauberes Wasser bedeutet Kampf um soziale und ökonomische Gerechtigkeit. Die Präsentation erfolgt in Form eines Vortrages und einer Wandzeitung.

Staudammprojekt in KurdistanAuf der Grundlage eines sechsseitigen Arbeitspapiers war es die Aufgabe, die kulturellen, politisch-sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte des Südostanatolien-Projekts (GAP) zu erarbeiten, als Ergebnis eine Wandzeitung zu erstellen und diese der Klasse zu präsentieren.Anhand des Materials erarbeitete diese Stammgruppe die offizielle Planung und positive wirtschaftliche Bewer-tung dieses Staudammprojektes durch die türkische Regierung. Die problematischen Umweltauswirkungen, die sozialen Probleme, die sich durch die Umsiedlung großer Bevölkerungsteile ergeben, und die internationalen Probleme der Wasserverteilung in dieser Region waren ebenso Inhalte. Durch die Beschäftigung mit diesem Thema wurden die Schüler mit einem Beispiel einer nicht nachhaltigen Entwicklung sensibilisiert.

Umgang mit Wasser in NeuseelandAuf der Grundlage eines neunseitigen Arbeitspapiers war es die Aufgabe, die kulturellen, politisch-sozialen, öko-

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logischen und wirtschaftlichen Aspekte eines Konfliktes um den Bau einer Kläranlage im Nordosten Neuseelands zu erarbeiten, als Ergebnis eine Wandzeitung zu erstellen und diese der Klasse vorzustellen.Anhand des Materials bearbeitete diese Stammgruppe die folgende Situation:In Neuseeland klagten im Jahre 1978 Maori vom Stamm der Ngati Pikiao gegen Pläne für eine Kläranlage. Die Ngati Pikiao leben am Nordufer des Rotoiti-Sees und am Oberlauf des Flusses Kaituna – und in diesen Fluss sollten die Abwässer nach der Reinigung fließen. Die Kultur der Maori zieht jedoch eine scharfe Grenze zwischen Wasser, das der Ernährung des Menschen dient und Wasser zu sonstigem Gebrauch. Durch die geplante Ab-wasserleitung drohten dem Stamm schwere wirtschaftliche Einbußen, der Fluss hätte für tabu erklärt werden müssen – inklusive aller Fische und aller durch ihn bewässerten Pflanzen. Über die Klage urteilte das „Waitan-gi-Tribunal“: ein Gerichtshof, eigens für Beschwerden der Ureinwohner eingerichtet. Das Tribunal gab den Maori in allen Punkten Recht. Das Abwasser gehöre nicht in den Fluss; es sei eine Ausweichlösung zu finden. Techniker entwickelten daraufhin eine Methode, das geklärte Abwasser in das Fichtenwäldchen von Whakarewarewa zu leiten: Dort wird es seither erfolgreich als Dünger genutzt. Zusätzlich enthielt das Arbeitspapier eine Zusammen-fassung der geschichtlichen Entwicklung von Neuseeland und Informationen zur Abwasserreinigung.Dieses Thema zeigte den Schülern ein gelungenes Beispiel nachhaltiger Entwicklung.

Staudammdebatte EbrodeltaIn diesem zweiten Negativbeispiel einer nicht nachhaltigen Entwicklung geht es um den Kampf um das Wasser des Ebro. Die spanische Regierung hatte aufgrund des so genannten Nationalen Wasserausbauplans (SNHP) die Umleitung gewaltiger Wassermengen aus dem feuchten Norden in den trockenen Südosten des Landes geplant. Die Abschöpfung des Wassers der Kleinbauern im Norden sollte zu Gunsten der ständigen Bewässerung von Orangenplantagen im Süden für den Massentourismus und den europäischen Markt erfolgen.Die Schüler hatten die Aufgabe, auf der Grundlage von Informationen über den nationalen Wasserplan Spaniens (besonders über die Situation am Ebro und über die Region Murcia) und eines Films „Gestohlenes Wasser – Stau-dammwahn in Spanien“ (arte/orb 2002) ein Rollenspiel vorzubereiten und zu präsentieren. Die unterschied-lichen Aspekte der Nachhaltigkeit sollten durch die entsprechende Wahl der Figuren in einem Streitgespräch dargestellt werden.

Der Kampf von Umweltschützern führte dazu, dass die EU in Brüssel im Sommer 2004 auf diese Proteste reagier-te, da die Pläne der Spanier gegen geltendes EU-Recht verstießen und jeglichen Anspruch auf Subventionen vermissen ließen. Der Ebro soll nun doch nicht umgeleitet werden.13

Trotz dieser veränderten Situation stellen wir die Materialien leicht modifiziert zur Verfügung. Ergänzt durch aktuelle Materialien und eine veränderte Aufgabenstellung könnte diese Präsentationsaufgabe ein geeignetes Beispiel für eine Entwicklung sein, die sich im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig zum Positiven gewendet hat.

6. Phase: Die Ergebnisse werden präsentiert.

FotoausKlasse��b:Präsentation„Staudammde-batteEbrodelta“

�3www.wwf.de/naturschutz/wasserplan-spanien�/Interview/G.Schmid

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FotoausKlasse��b:Präsentation„Uganda–FrauensammelnWasser“

FotoausKlasse��b:Präsentation„Staudammpro-jektinKurdistan“

Durch die Präsentation können die Schüler zeigen, ob es ihnen gelungen ist, die Experteninhalte richtig einzu-bringen und miteinander zu verknüpfen.Die zuschauenden Schüler werden dabei aktiv in die Bewertung einbezogen. Da das Basiswissen zum Thema bei allen Schülern gleichermaßen vorbereitet wurde, sollte allen auch das Bewerten der Präsentationen möglich sein. So notieren sich die Zuschauer z. B. welche Expertenaspekte berücksichtigt wurden, welche falsch erklärt wurden bzw. fehlten.Durch die unterschiedlichen Aufgabenstellungen in den Stammgruppen sind die Präsentationen auch für die Zuschauer abwechslungsreich. Die Schüler können sich immer wieder neu auf das Thema einlassen, weil es keine direkten Wiederholungen gibt. Die Gefahr der Redundanz wird minimiert. Außerdem berücksichtigen die verschiedenen Aufgabentypen die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler sich zu präsentieren. Es gibt z. B. Schüler, die großes Darstellungstalent im Rollenspiel zeigen, während andere ihre Kreativität in die Gestaltung einer Wandzeitung stecken.

2.7 Resümee

Und wie ist das Resümee? Überwiegend positiv. Nach mündlichem „Blitzlicht“ und schriftlichem Feedback14 be-tonen die Schüler, wie viel sie in dieser Woche gelernt haben, viel mehr als in einer „normalen“ Schulwoche. Die intensive Auseinandersetzung mit Teilaspekten des Themas als Experte, der sich Wissen nicht nur aneignet, sondern auch weitergeben muss, fordert und fördert fachliche, soziale und personale Kompetenzen.Wie komplex das Thema Wasser ist, erfahren die Schüler in der Vermittlung der verschiedenen Aspekte. Die Beschäftigung mit Wasser ist mehr als die naturwissenschaftliche Sicht, mehr als die ökonomische oder politisch-soziale.Wasser ist ein Kulturgut. Die Schüler erfahren, dass sich eine neue Wasserkultur entwickeln müsste. Das Missverhältnis, das sich im Umgang mit Wasser zwischen Industrienationen, wie Deutschland und 3.-Welt-Ländern zeigt, wird erfahren. Die Schüler entwickeln Empathie und Solidarität (z. B. mit den Frauen des Regen-

��SieheKapitel3.�0,RückblendederSchüler

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wasserprojekts in Uganda oder Menschen einer fernen und fremden Kultur, wie die der Maori). Sie hinterfragen ihr eigenes Wasserkonsumverhalten kritisch.Bei einigen Stammgruppen, die das Südostanatolien-Staudammprojekt bearbeiteten, gab es einen hohen Anteil türkischstämmiger Schüler, deren Familien teilweise sogar aus der Region kommen. Eine Schülerin berichtete über eigene Erfahrungen anlässlich eines Besuchs bei den Großeltern. Sie konnte von den Auswirkungen dieses Großprojekts auf die Umwelt berichten, z. B., dass der Wasserspiegel des Euphrat gesunken sei. Die Schüler sagten, dass sie besonders motiviert gewesen seien, sich mit einer Aufgabe auseinander zu setzen, auf die sie sich durch ihre Herkunft und Kultur beziehen können.

Alles in allem: Die Schüler betonen die Stärkung ihrer Selbstständigkeit z.B. bei Zeit- und Gruppenmanagement, die Erhöhung der Selbstverantwortung für das eigene Lernen (z. B. durch die Erfahrung, etwas wirklich verstan-den zu haben, weil man es einem anderen erklären muss), sowie die Vernetzung unterschiedlicher Aspekte eines Themas.

Alle Beteiligten, Schüler als auch Lehrer, rücken näher aneinander.

Wir Lehrer bekommen in diesen Projektphasen viel mehr von unseren Schülern mit, weil wir sie anders und intensiver kennen lernen und umgekehrt empfinden die Schüler das auch so. Die beschränkte Fachsicht eines Lehrers erweitert sich. Die Kooperation mit Kollegen anderer Fächer ermöglicht den „Blick über den Tellerrand“. Diese Erfahrung schätzen die Kollegen schon ab der Vorbereitungsphase des Projekts als enorm bereichernd ein. Die Arbeit im Team wird als besonders wichtige Erfahrung eingeschätzt. Die kollegiale Zusammenarbeit hat sich über die Projektphasen hinaus etabliert.

Allerdings: „Viel mehr Arbeit als sonst!“ stöhnen Schüler und Lehrer!!! Angesichts von Mehrarbeit durch Stunde-nerhöhungen und andere Verschlechterungen in der Schule gibt es durchaus kritische Stimmen von Kollegen: „... zusätzliche Belastungen durch Absprachen, mehr Termine, notwendige Koordination etc.“

Trotz alledem bleibt die Erfahrung, dass ein solches SOL-Projekt nachhaltig Sonne in den Schulalltag bringt. Die Schüler sind in der Lage, selbstständig zusammenzuarbeiten (ein Lehrer muss also nicht immer allgegenwär-tig sein), das Einzelkämpfertum der Kollegen geht zurück, der fachliche Horizont erweitert sich. Außerhalb der fächerübergreifenden Projektphasen arbeiten die Schüler auch im Fachunterricht ganz selbstverständlich nach SOL-Prinzipien.

FotoausKlasse��b Präsentation„UmgangmitWasserinNeuseeland“

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3. Materialien

3.1 Wochenplan

Projekt: „Lebensmittel Wasser – ökonomische, ökologische, politisch-soziale Aspekte“

3./4. Januar 05 Einführungstag: Vorstellung des Themas (Advance organizer) Stammgruppenbildung Aufteilung in die Expertengruppen“ Verteilung des Materials

Mi, 12.1.: Abgabe der Hausarbeiten der SchülerFr, 14.1.: Rückgabe der korrigierten Hausarbeiten

Wochenplan (Mo – Fr)

Wann? Was? Wie?

1. Tag MontagBeginn: 9.00 Uhr

Ende:15.00 Uhr

Arbeit in Expertengruppen:1. Besprechung der Texte2. Bearbeitung der Aufgabenstellungen3. Erstellung eines Infoblattes 4. Erstellung von je 5 Begriffkarten und Fragestellungen für die

spätere Sicherung in den Stammgruppen

Kolloquien: Überprüfung der Infoblätter und Begriffkarten!Wichtig!: Die Infoblätter müssen anschließend kopiert werden!

Experten werden durch die jeweiligen Expertenlehrer entlassen.

Teamarbeit

Hausarbeit:Individuelle Pla-nung der Vermitt-lung

2. Tag Dienstag1. Block

2. Block

3. Block

Vermittlung in den Stammgruppen:1. Information durch die Experten und Beantwortung der Exper-

tenfragenAchtung: Die Infoblätter werden erst anschließend verteilt!2. Sicherung: gegenseitiges Erklären der Begriffskarten und 3. anschließendes Strukturlegen4. Auslosung der Stammgruppen- und der Präsentationsthemen5. Vorüberlegungen zur Präsentation

Teamarbeit

TeamarbeitIndividuellTeamarbeit

3. und4. Tag

Mittwoch /Donnerstag 1.-3. Block

Präsentationsvorbereitung Teamarbeit

5. Tag Freitag1.-3. Block

Präsentationen Teamarbeit

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3.2.1 Expertengruppe politisch-soziale Aspekte

Gliederung

I.

II.

1.

1.11.21.31.41.5

2.2.12.22.32.4

Arbeitsauftrag

Leitfragen zur Stofferschließung

Das Menschenrecht auf Wasser

Einleitung und Rechtsquellen Wasser schafft Leben (religiöse und kulturelle Grundlagen des Rechts auf Wasser) Vereinte Nationen bestätigen das Menschenrecht auf WasserDer Fluss der internationalen Diskussion ... (internationale Konferenzen über den Zugang zu Wasser)Die politische Auseinandersetzung um eine Liberalisierung des Wasserbereichs (GATS)

Wasser – ein geographisch und sozial ungleich verteiltes GutJährliche Wasserentnahme der Haushalle nach Kontinenten und in DeutschlandMenschen ohne WasserversorgungKindersterblichkeit und Trinkwasser Mittlere Niederschlagsmengen weltweit

I. Arbeitsauftrag

Bereiten Sie die Arbeit in der Expertengruppe vor, indem Sie das Material wie folgt durcharbeiten!1. Verschaffen Sie sich zunächst einen groben Überblick über Texte und Schaubilder: Worum geht es?2. Unterstreichen und markieren Sie wichtige Aussagen und/oder Schlüsselbegriffe!3. Schlagen Sie unbekannte Begriffe und Sachverhalte nach und machen Sie sich kurze schriftliche Notizen ( i n

Listenform)!4. Beantworten Sie erst dann schriftlich die Fragen zur Stofferschließung (stichpunktartig, in eigenen Worten)!

II. Leitfragen zur Stofferschließung

zu 1.1:1. Was ist unter den so genannten Solidarrechten zu verstehen?2. In welchen internationalen Rechtsquellen sind diese Solidarrechte verankert?3. Warum ist das „Menschenrecht auf Wasser“ ein Solidarrecht?

zu 1.2:4. Welche Rolle spielt das Wasser a) im Hinduismus? b) im Islam? c) im Judentum und Christentum?5. Erklären Sie die Zwischenüberschrift „Wasser ist keine Ware“ – was ist es dann?

zu 1.3:6. Wie versuchen die Vereinten Nationen dem Menschenrecht auf Wasser weltweit Geltung zu verschaffen?7. a) Was sind die wichtigsten Inhalte des „Allgemeinen Kommentars 15 zum Recht auf Wasser“ vom Nov. 2002?

b) Worin genau liegt die Bedeutung dieses Kommentars?

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zu 1.4:8. Welches Ziel hat sich die „Internationale Staatengemeinschaft“ bezüglich der Versorgung der Menschheit

mit Wasser gesetzt?9. Erstellen Sie eine Zeitleiste: Welche Konferenzen haben hierzu wann, wo und mit welchem Ergebnis stattge-

funden?

zu 1.5:10. Was ist GATS?11. Welche Auswirkungen hat die Privatisierung der Wasserversorgung?

zu 2.1 bis 2.4:12. Werten Sie die fünf Schaubilder hinsichtlich der Ungleichheit des Wasserverbrauchs und der Wasserversorgung aus!

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1. Das Menschenrecht auf Wasser

1.1 Einleitung und Rechtsquellen

Die Geschichte der Menschenrechte und Menschenwürde ist zugleich eine Geschichte ihrer Verletzung und Schändung, sie ist aber auch eine Geschichte hartnäckiger Versuche, diesen Menschenrechten Geltung zu verschaffen. Heute dienen international die einschlägigen Artikel aus der Allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte als oberste Richtschnur.

Die Bandbreite der Menschenrechte reicht von Freiheitsrechten (z. B. Bekenntnisfreiheit, Pressefreiheit, Versamm-lungsfreiheit) über Sozialrechte (z. B. Recht auf Arbeit und Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit), bis hin zu Solidarrechten. Die Solidarrechte (dahinter steckt der alte Gedanke von der Brüderlichkeit!) als so genannte „dritte Menschenrechtsgeneration“ werden vor allem von den Entwicklungsländern gegenüber den reichen Industriestaaten angemahnt. Die Verfechter dieser Solidarrechte glauben, dass es ohne ihre Verwirklichung, vor allem in den Entwicklungsländern, kein menschenwürdiges Leben für die Masse der Bevölkerung geben wird. Zu den Solidarrechten gehören in erster Linie das Recht auf Frieden, das Recht auf Entwicklung und auf eine sau-bere Umwelt. Das Recht auf ausreichende Nahrung wird in diesem Zusammenhang auch als ein Menschenrecht definiert.Die wichtigsten internationalen Rechtsquellen zu den Solidarrechten sind Art. 22, 25 und 28 der Allgemeinen Er-klärung der Menschenrechte (nachzulesen in der Minibroschüre von amnesty international) und Art. 11 und 12 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 (1976 in Kraft getreten), die wie folgt lauten:

Artikel��(1)DieVertragsstaatenerkennendasRechteinesjedenaufeinenangemessenenLebensstandardfürsichundseineFamiliean,einschließlichausreichenderErnährung,BekleidungundUnterbringung,sowieaufeinestetigeVerbes-serungderLebensbedingungen.DieVertragsstaatenunternehmengeeigneteSchritte,umdieVerwirklichungdiesesRechtszugewährleisten,underkennenzudiesemZweckdieentscheidendeBedeutungeinerinternationalen,auffreierZustimmungberuhendenZusammenarbeitan.

(�)InAnerkennungdesgrundlegendenRechtseinesjeden,vorHungergeschütztzusein,werdendieVertragsstaa-teneinzelnundimWegeinternationalerZusammenarbeitdieerforderlichenMaßnahmen,einschließlichbesondererProgramme,durchführen.

a) zurVerbesserungderMethodenderErzeugung,HaltbarmachungundVerteilungvonNahrungsmittelndurchvolleNutzungdertechnischenundwissenschaftlichenErkenntnisse,durchVerbreitungderernährungswissen-schaftlichenGrundsätzesowiedurchdieEntwicklungoderReformlandwirtschaftlicherSystememitdemZieleinermöglichstwirksamenErschließungundNutzungdernatürlichenHilfsquellen;b) zurSicherungeinerdemBedarfentsprechendengerechtenVerteilungderNahrungsmittelvorrätederWeltunterBerücksichtigungderProblemederNahrungsmitteleinführendenundausführendenLänder.

Artikel��(�)DieVertragsstaatenerkennendasRechteinesjedenaufdasfürihnerreichbareHöchstmaßankörperlicherundgeistigerGesundheitan.(�)DievondenVertragsstaatenzuunternehmendenSchrittezurvollenVerwirklichungdiesesRechtsumfassendieerforderlichenMaßnahmen

a) zurSenkungderZahlderTotgeburtenundderKindersterblichkeitsowiezurgesundenEntwicklungdesKindes:b) zurVerbesserungallerAspektederUmwelt-undderArbeitshygiene;c) zurVorbeugung,BehandlungundBekämpfungepidemischer,endemischer,Berufs-undsonstigerKrankheiten;d) zurSchaffungderVoraussetzungen,diefürjedermannimKrankheitsfalldenGenussmedizinischerEinrichtungen

undärztlicherBetreuungsicherstellen.

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1.2 Wasser schafft Leben – Das Recht auf Wasser

Alle Menschen haben ein Recht auf Wasser. Das lehren viele Religionen der Welt und das ist auch die Überzeugung derer, die sich heute für die Anerkennung des Menschenrechts auf Wasser engagieren. In den nächsten Abschnitten stellen wir die religiösen und kulturellen Grundlagen des Rechts auf Wasser dar (1.2), gehen auf die Debatten und Beschlüsse der Vereinten Nationen zu diesem Menschenrecht ein (1.3) und geben dann einen Einblick in die Debatten auf Internationalen Konferenzen über den Zugang aller zum lebenswichtigen Wasser (1.4).

MenschenRecht WASSER Brot für die Welt

Mai ni Mwoyo – Wasser ist Leben!

Das ist seit vielen Jahrhunderten die Erfahrung der Kikuyu in Kenia. Und es ist auch die Erfahrung von Völkern in allen Regionen der Welt. Vom Wasser war und ist abhängig, wann die Felder bestellt werden, wohin die Familien mit den Herden ziehen, ob es Überfluss oder Mangel an Nahrungsmitteln gibt. Ohne Wasser gibt es kein Leben; dieses Wissen hat die Menschen seit vielen Jahrtausenden dazu veranlasst, sorgsam mit dem kostbaren Nass umzugehen und Quellen und Brunnen zu hüten. Alle großen Kulturen der Welt entstanden an Flüssen und anderen Gewässern, zum Beispiel an Nil, Euphrat und Tigris.

Wasser schafft Leben – die Botschaft

Wasser ist heilig - dieser Glaubenssa-findet sich in vielen Religionen der Welt. Dies gilt zum „Beispiel für viele afrikanische „Naturreligionen“,aber auch für Judentum, Chris-tentum, Islam und Hinduismus, in vielen der Religionen gibt es Was-sergöttinnen und Wassergötter, und das lebenswichtige Gut wird als Geschenk der Götter verstanden und gepriesen, im Hinduismus gilt das Wasser als Urquelle des Lebens, und das Wasser bringt auch die Seelen zum Ort des ewigen Lebens oder bis zu einer irdischen Wieder-geburt. Die Asche vieler verstor-

bener Hindus wird in den Ganges gestreut, und diese letzte Reise soll zur Unsterblichkeit führen. Vanda-na Shiva, eine bekannte indische Sprecherin der Umwelt- und Frauenbewegung, schreibt über das Wasser: „Seit Menschengeden-ken gelten Wasserquellen als heilig. Erst die Erfindung von Wasserhahn und Plastikflasche ließ uns verges-sen, dass Wasser eine Gabe der Natur ist, bevor es durch Leitungen fließen und dem Verbraucher in Plastikbehältern verkauft werden kann. In Indien ist jeder Fluss heilig. Flüsse gelten als Verkörperung und partielle Erscheinungsweise von Gottheiten.“

Der Islam ist in den Wüstenregi-onen Arabiens entstanden. So kann es nicht überraschen, dass die Leben spendende Kraft des Wassers sehr bewusst war und ist. Die islamischen Mystiker verglei-chen Allah mit einem grenzenlosen Ozean, den Menschen in seiner Vergänglichkeit aber mit einem zerbrechlichen Boot, das in den Wellen treibt.

Allah schenkt den Menschen, allen anderen Lebewesen und den Pflanzen das Wasser. Besonders in den Paradiesvorstellungen nimmt das Wasser eine wichtige Rolle ein. Die Beschreibungen des Paradie-ses im Koran wurden zum Vorbild vieler arabischer Gartenanlagen, und die Wasserspiele sind Ausdruck der Großzügigkeit, mit der Allah den Lebewesen das kostbare Nass

schenkt. Auch die Oase in der Wüste ist ein Zeichen der Zuwendung Allahs zu den Menschen.

„Istiqua“, das Gebet um Regen, ist seit jeher für Muslime, gerade im Mittleren Osten, von großer Bedeutung. Wasser ist das Urbild des Reinen, und die Waschungen vor dem Gebet dienen der äußeren und inneren Reinigung. Das Trinken aus einer heiligen Quelle in der Nähe von Mekka gehört zu den re-ligiösen Pflichten der Pilger. Wasser steht den Gerechten und Recht-gläubigen reichlich zur Verfügung.

Wasser – ein biblisches Thema

Für Juden und Christen hat Was-ser ebenfalls eine große religiöse Bedeutung. Die Israeliten lebten in einer wasserarmen Region, und der Besitz von Quellen und Brunnen war überlebenswichtig. Das Wasser wurde als göttliches Ge-schenk verstanden, und schon die Schöpfungsgeschichten erzählen davon, wie dort Leben und ein Paradies entstehen, wo reichlich Wasser fließt. In der Bibel wird aber auch vom Kampf um das tägliche Wasser berichtet, ebenso von den Gefahren, die durch Überschwem-mungen entstehen. Der drama-tische Bericht von der großen Flut und dem Holzkasten des Noah gehört zu den bekanntesten Geschichten des Alten Testaments. Es ist eine Mahnung, sorgsam mit der Schöpfung umzugehen,

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und zugleich eine Geschichte der Hoffnung, dass nach Wasserkatas-trophen ein Neuanfang möglich ist. (......)

Auch bei der Heilung spielt Wasser eine ganz reale Rolle, wie der Bericht über die Heilung des Blinden zeigt, der von Jesus zum Teich Siloah geschickt wird, wo er sein Auge waschen sollte - und danach wieder sehen konnte (Johannes 9,1-7). Es gibt nach christlichem Verständnis eine tiefe Verbindung zwischen dem irdischen Wasser und dem Wasser des Lebens. Dieses umfassende Verständnis von Wasser prägt auf vielfältige Weise den jü-dischen und christlichen religiösen Alltag. Als Stichworte seien hier nur die Taufe, das Pilgern zu heiligen Quellen und die Einbeziehung der reinigenden Kraft des Wassers in religiöse Zeremonien erwähnt, in dieser religiösen Praxis gibt es viele Anknüpfungspunkte für eine Beschäftigung mit dem Menschen-recht auf Wasser. Dies gilt auch für religiös inspirierte kulturelle Traditionen wie zum Beispiel die Brunnenfeste in vielen süddeut-schen Dörfern und Städten.

Wasser ist keine Ware

In früheren Zeiten war es unbe-stritten, dass die Menschen ein Recht auf Wasser hatten. Wasser zu reichen war ein Zeichen von Gast-freundschaft, Wasser zu verweigern die Ursache von Konflikten und gewaltsamen Auseinanderset-zungen. Das Recht auf Wasser gehört zu den ältesten schriftlich festgelegten Rechten. Aus dem 17. Jahrhundert vor Christus sind babylonische Vorschriften über die Wassernutzung und Strafen bei ei-ner Verletzung dieser Regelungen überliefert. Dass dieses Recht auf Wasser so oft beachtet wurde, hängt auch mit den religiösen

Überzeugungen der Menschen zusammen. Auch heute hat Religi-on eine große Bedeutung, wenn es darum geht, das Recht auf Wasser zu begründen und durchzusetzen.

Wasser ist keine Ware, sondern ein Geschenk des Schöpfers. Diese religiös begründete Überzeu-gung spielt auch in den heutigen Debatten über die Kommerzia-lisierung und Privatisierung des Wassers eine wichtige Rolle. Die in Jahrtausenden gewonnene Ein-sicht und Glaubensüberzeugung, dass Wasser ein Mittel zum Leben ist, das niemandem vorenthalten werden darf, auch dem nicht, der es nicht bezahlen kann, gewinnt in einer Zeit neue Aktualität, in der Wasser „vermarktet“ werden soll.

1.3 Vereinte Nationen bestätigen das Menschen-recht auf Wasser

Das Recht auf Wasser ist gemäß den UN ein wirtschaftliches, soziales und kulturelles Menschenrecht. Zugang zu Wasser gehört zu einem „angemessenen Lebensstandard“ und dieser gilt seit langem als einer der „Staatszwecke“. Um dem Menschenrecht auf Wasser zur Gel-tung zu verhelfen, müssen Staaten alles dafür tun, dass jeder und jede Zugang zu ausreichend Wasser hat. Wenn man dieses Recht verwirk-lichen will, bedeutet das, sich mit einer Vielzahl von Interessen auseinander zu setzen und damit auch mit Machtfragen. Besonders in Situationen der Unterdrückung sind Menschenrechte Instrumente, um Staaten und ihre Behörden in die Pflicht zu nehmen. Staaten sol-len jede Person vor Unterdrückung schützen und Mindeststandards an Lebensqualität sicherstellen. Bei Staaten, die diesen Pflichten nicht nachkommen, sollten sich die Opfer solcher Menschenrechtsver-

letzungen vor Gericht dagegen wehren können.

Das Menschenrecht auf Wasser im internationalen Recht

In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 taucht das Wort Wasser zwar nicht auf, das Konzept des Rechts auf Wasser wird aber auf indirekte Weise anerkannt - als Konsequenz von Art. 25: „Jeder Mensch hat das Recht auf einen Lebensstandard angemessen für Gesundheit und Wohlfahrt...“ Wie sollten Gesundheit und Wohlfahrt realisiert werden, wenn Wasser vorenthalten wird?

1976 traten in Ergänzung zur Allgemeinen Erklärung der Men-schenrechte die beiden Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie über bür-gerliche und politische Rechte in Kraft. Diese Rechte wurden in den 90er Jahren weltweit aufgewertet, zum Beispiel durch die kritische Begutachtung der von den Staaten alle fünf Jahre abzuliefernden Men-schenrechtsberichte. Die Staaten-berichte werden jeweils einem Ex-pertenkomitee vorgelegt, vor dem Regierungen Rede und Antwort stehen müssen. Beim Menschen-recht auf Wasser handelt es sich um den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die Berichtspflicht der Staaten bietet der Öffentlichkeit die Möglichkeit, Verletzungen des Rechts auf Wasser bei der Vorlage dieser Berichte im Menschenrechtssystem in Genf international darzustellen. Men-schenrechtsorganisationen stellen dem Ausschuss zunehmend ihre eigenen „Parallelberichte“ mit Informationen zur Verfügung, die im Staatenbericht falsch oder überhaupt nicht dargestellt wur-den. Der Ausschuss konfrontiert Regierungsvertreter häufig mit solchen „wunden Punkten“.

MenschenRecht WASSER Brot für die Welt

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Internationale Rechtswege für Opfer von Menschenrechtsver-letzungen sind noch schwach entwickelt. Auf UN-Ebene gibt es bisher kein Beschwerdeverfahren für Opfer von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Men-schenrechtsverletzungen. Aber ein wirtschaftliches und soziales Menschenrecht wie das Recht auf Wasser holt die Opfer von Mangel und Unterdrückung aus der Rolle der Bittsteller und bringt den Staat auf die Anklagebank. Dies stärkt die Verhandlungsposition und das Selbstbewusstsein der Opfer. Die UN-Menschenrechts-vereinbarungen sind für etwa 150 Staaten auf der Welt geltendes internationales Recht. Staatliche Behörden und mächtige Kon-zerne geraten zunehmend unter Legitimationsdruck gegenüber dem UN-Menschenrechtssystem, der internationalen Öffentlichkeit sowie anderen Staaten.

Internationaler Menschenrechts-gesetzgebung gebührt Vorrang vor staatlichen Verpflichtungen aus Wirtschaftsverträgen. Man könnte sagen: „Menschenrecht bricht Handelsrecht“. Gerade im Bereich Wasser besteht ein erheb-liches Konfliktpotenzial für die Zukunft - und möglicherweise ist dies einer der Gründe, warum sich die USA, die dem Pakt über wirt-schaftliche, soziale und kulturelle Rechte nicht beigetreten sind, der Verbindlichkeit dieser Menschen-rechte oft widersetzen.

Ein wichtiger Schritt, dem Recht auf Wasser mehr Beachtung zu geben, war im Jahre 2001 die Ernennung des UN-Sonderbericht-erstatters zum Recht auf Wasser, El Hadji Guisse, durch die UN-Unter-kommission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. Dies ist eine Unterkommission der

Menschenrechtskommission. Sein Bericht soll 2004 vorgelegt werden.

Der UN-Kommentar für das Recht auf Wasser

Bahnbrechend für die offizielle Bestätigung des Menschenrechts auf Wasser durch die Vereinten Nationen ist der „Allgemeine Kommentar 15“ zum Recht auf Wasser vom November 2002. Er ist der jüngste der „Allgemeinen Kommentare“ des UN-Ausschusses über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte. Solche „Kommentare“ sind Auslegungen der internationalen Menschen-rechtsvereinbarungen, die zwar keinen offiziellen Rechtsstatus haben, aber sehr einflussreich für die Interpretation der Pakte sind. In den Auseinandersetzungen um die Wasserversorgung der Armen und der zukünftigen Generationen kann der Kommentar zu einem wichtigen Bezugspunkt werden.

„Wasser ist eine begrenzte natür-liche Ressource und ein für Leben und Gesundheit wesentliches Öffentliches Gut.“ Diese Formulie-rung in §1 schreibt die öffentliche Verantwortung für den Zugang aller zu Wasser fest: Staaten müssenunter allen Umständen den Zu-gang zu Wasser achten, schützen und gewährleisten. Politikmaß-nahmen, die die Wasserversorgung von Risikogruppen verschlechtern, gelten als „retrogressive Maßnah-men“ und sind nach dem Pakt verboten (§19). Der Kommentar äußert sich deutlich gegen eine weitgehende Kommerzialisierung des Wassers: „Wasser muss als sozi-ales und kulturelles Gut behandelt werden und nicht in erster Linie als Wirtschaftsgut.“ (§11)

Der Kommentar schließt private Dienstleistungen in der Wasser-

versorgung nicht grundsätzlich aus, sieht die Mitgliedsstaaten aber in der Pflicht zu erheblichen Regulationen: „Wenn Wasserversor-gungseinrichtungen (wie Wasser-leitungsnetze, Wassertankwagen, Zugang zu Flüssen und Brunnen) von Dritten betrieben oder kontrolliert werden, so müssen die Vertragsstaaten diese daran hindert, den gleichberechtigten, erschwinglichen und physisch möglichen Zugang zu ausrei-chendem, sicherem und annehm-baren Wasser zu gefährden. Um solchen Missbrauch zu verhindern, muss in Übereinstimmung mit dem Pakt und diesem Kommentar ein wirksames Regulierungssystem geschaffen werden, was unab-hängiges Monitoring, eine echte Beteiligung der Öffentlichkeit und die Auferlegung von Strafen für Zuwiderhandlung einschließt.“ (§24)

Nach §25 sind Vertragsstaaten verpflichtet, Wasser bereitzustel-len, wenn Einzelne oder Gruppen anders nicht an Wasser kommen können. Wasser muss sich jeder leisten können. „Es muss sicherge-stellt sein, dass diese Versorgungs-leistung unabhängig davon, ob sie privat oder öffentlich erbracht wird, für alle erschwinglich ist.“ (§27) Dazu gehören die folgenden Pflichtmaßnahmen: Nutzung kostengünstiger Technologien, angemessene Preispolitik wie kos-tenloses oder preiswertes Wasser sowie Einkommensergänzungen. .Unter keinen Umständen darf einer Person das Existenzminimum an Wasser entzogen werden.“ (§56)

Staaten haben die Verpflichtung, die Mittel für die umfangreichen Investitionen für Wassersysteme aufzubringen. In §41 heißt es: „Ist ein Staat nicht willens, das Höchst-maß seiner Mittel für die Verwirk-lichung des Rechts auf Wasser

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einzusetzen, so verletzt dies seine Pflichten nach dem Pakt.“ Und §51 lautet: „Wo die Umsetzung des Rechts auf Wasser an regionale oder örtliche Behörden delegiert wurde, behält der Vertragsstaat dennoch seine Verpflichtungen nach dem Pakt, und er muss deshalb dafür sorgen, dass diese Behörden hinreichende Mittel zu ihrer Verfügung haben, um die notwendige Wasserversorgung und die Versorgungseinrichtungen zu erhalten und auszubauen.“

Im Falle unzureichender Mittel hat der Staat eine Nachweispflicht (§41). Dazu gehört auch, dass er um internationale Hilfe nachge-sucht hat. Und: „Zur Vermeidung jedweden Zweifels möchte der Ausschuss betonen, dass es insbe-sondere den Vertragsstaaten und anderen Akteuren, die zu helfen in der Lage sind, obliegt, internatio-nale Hilfe und Zusammenarbeit zu Verfügung zu stellen... welche Entwicklungsländer in die Lage versetzt, ihren Kernverpflich-tungen nachzukommen.“ (§38) Mit „anderen Akteuren“ sind im Sprachgebrauch des Ausschusses internationale Organisationen wie zum Beispiel die Weltbank, der In-ternationale Währungsfonds und die Weltgesundheitsorganisation gemeint.

Das Recht auf Wasser in der Ent-wicklungszusammenarbeit

Für „Geberländer“ wie Deutschland bedeutet das Menschenrecht auf Wasser weit mehr als lediglich die Förderung von Wasserprojekten und -politik. Auch unser Land ist gegenüber den Menschen, die an Wassermangel leiden oder deren Zugang zu Wasser bedroht ist, völkerrechtlich in der Pflicht. Dies gilt sowohl für die bilaterale Zu-sammenarbeit als auch für die Rolle

Deutschlands in internationalen Organisationen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds.

Die internationalen Schutz-pflichten bedeuten nach §33, dass Vertragsstaaten Schritte unterneh-men müssen, um zu verhindern, dass ihre eigenen Staatsbürger oder Firmen den Zugang zu Wasser von Einzelnen und Gemeinschaften in anderen Ländern zerstören. „Verträge über die Liberalisierung des Handels dürfen die Fähigkeit eines Landes, die volle Verwirkli-chung des Rechts auf Wasser zu sichern, nicht beschneiden oder verhindern.“ (§35) Mitgliedsstaaten müssen innerhalb internationaler Finanzinstitutionen und Entwick-lungsbanken dafür sorgen, „dass das Recht auf Wasser bei deren Kreditvergabepolitik, in Kreditver-trägen und bei sonstigen internati-onalen Maßnahmen berücksichtigt wird.“ (§36) Die Staatengemein-schaft und internationale Regie-rungsorganisationen müssen Ein-zelstaaten bei diesen Aufgaben im Sinne einer sofortigen Umsetzung unter Einsatz aller verfügbaren Ressourcen unterstützten. Dies sollte auch der bilateralen Entwick-lungszusammenarbeit Richtschnur sein. Er gibt Nichtregierungsorga-nisationen und Basisbewegungen im Süden (aber auch im Norden) ein Instrument in die Hand zur Beurteilung von Entwicklungszu-sammenarbeit.

Wie geht es weiter?

Für eine weitere Verankerung des Rechts auf Wasser im Menschen-rechtssystem der UN sollte das Recht auf Wasser ein Sonderpunkt der Richtlinien für die erwähnten Staatenberichte werden. Das würde eine separate Diskussion dieses Menschenrechts im Rahmen der Staatenberichte erleichtern.

Eine weitere Stärkung könnte das Menschenrecht auf Wasser 2004 durch den Sonderbericht der UN erfahren. Der weitreichendste Vorschlag wäre eine internationale Konvention zum Recht auf Wasser. Eine solche Konvention würde detaillierte Standards zum Recht auf Wasser ins internationale Recht einführen, die über den Allge-meinen Kommentar noch hinaus-gehen und außerdem rechtlich bindend sind.

Abschließend kann festgestellt werden, dass die Position von Nichtregierungsorganisationen und Basisbewegungen in der Auseinandersetzung mit staatli-chen Behörden oder Wasserkon-zernen durch die im „Allgemeinen Kommentar“ erarbeiteten interna-tionalen Standards zum Menschen-recht auf Wasser gestärkt wird.

1.4 Der Fluss der internatio-nalen Diskussion...

Bis zum Jahr 2015 soll die Anzahl der Menschen halbiert werden, die keinen Zugang zu Trinkwasser ha-ben. Dieses Ziel der internationalen Staatengemeinschaft wurde beim so genannten Milleniumsgipfel der Staats- und Regierungschefs der Vereinten Nationen im Jahre 2000 vereinbart. Das Gipfeltreffen für eine nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im Jahre 2002 hat dieses Ziel bestätigt und um den Zugang zu sanitären Einrichtungen erweitert.

Oft wird das Ziel als ehrgeizig oder sogar illusionär bezeichnet. Dabei nimmt es sich bescheiden aus vor dem Hintergrund des Vorhabens der Internationalen Wasserdekade, die die UN-Wasserkonferenz 1977 in Mar del Plata ausgerufen hatte. Ziel der Dekade war es, bis zum Ende der 80er Jahre allen Menschen aus-

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reichendes Trinkwasser zugänglich zu machen.

Zwar erhielten nach UN-Angaben durch die verstärkten Anstren-gungen dieser Jahre 1,6 Milliarden Menschen erstmals Zugang zu sauberem Wasser und 750 Millionen zu sanitären Einrichtungen. Aber das Ziel blieb dennoch unerreicht. Ausgangs- und Mittelpunkt der Internationalen Wasserdekade in den 80er Jahren waren die Anerkennung des Rechtes jedes Menschen auf ausreichendes Trinkwasser und die vorrangige Verantwortung des Staates für seine Verwirklichung. Dies änderte sich in den 90er Jahren. Ein Pa-radigmenwechsel der offiziellen Diskussion in Richtung Kommerzia-lisierung und Ökonomisierung des Wassersektors fand statt. Treibende Kräfte in diese Richtung waren vor allem Weltbank und Internationaler Währungsfonds. Sie gingen dazu über, neue Kredite für den Wasser-sektor an Länder des Südens davon abhängig zu machen, dass öffent-liche Subventionen abgebaut, kostendeckende Tarife eingeführt und der Einstieg ausländischer Unternehmen ermöglicht wur-den. Dies leitete die Privatisierung der Wasserversorgung in vielen Metropolen des Südens ein. Es wird angenommen, dass das Konzept von Wasser als öffentlichem Cut zu Verschwendung führt. Die privat-wirtschaftliche Wasserbewirtschaf-tung nach Marktgesetzen hinge-gen führe zu mehr Sparsamkeit und Effizienz.

Diese Argumentation spiegelt sich auch in der Schlusserklärung der Wasserkonferenz von Dublin 1992 wider, in der erstmals Wasser als „Wirtschaftsgut“ charakterisiert wird. Auch die Formulierung des relativ unkonkreten Wasserkapitels der Agenda 21 der Umweltkonfe-renz in Rio 1992 wurde von diesem

Konzept mit geprägt, immerhin wurden in Dublin und Rio ökolo-gische und soziale Zielsetzungen neben dem wirtschaftlichen Aspekt deutlich hervorgehoben, zum Beispiel durch den Zusatz, dass Wasser als Wirtschaftsgut betrach-tet werden solle, „ohne das Recht auf Zugang zu Wasser zu beein-trächtigen“. Seither haben sich die Akzente in der internationalen Diskussion deutlich in Richtung der Bevorzugung technologiein-tensiver Modelle unter privatwirt-schaftlicher Regie verschoben.

Wortführend dabei ist wiederum vor allem die Weltbank. Sie hat in enger Kooperation mit den globalen Wasserversorgungs-unternehmen internationale Foren außerhalb des UN-Systems geschaffen, die zunehmend den Ton der internationalen Wasser-politik angeben. Das bekannteste Instrument dafür ist die Weltwas-serkonferenz, die vom World Water Council (der unabhängig von den Vereinten Nationen ist) veranstal-tet wird und seit 1997 alle drei Jahre tagt, zuletzt im März 2003 in Kyoto, Japan, im Unterschied dazu vertreten viele UN-Organi-sationen weiterhin einen Ansatz, der vom Recht jedes Menschen auf Wasser geleitet ist. Jedoch wird ihr Gewicht beeinträchtigt durch die Finanznot der UN und die Zer-splitterung der Zuständigkeit auf verschiedene UN-Organisationen.

Die internationale Süßwasserkonfe-renz in Bonn 2001 war ein Versuch, Rechtsansatz und Kommerziali-sierungansatz unter einen Hut zu bringen. Im Vorfeld des Johannes-burg-Gipfels praktizierte sie unter starker Beteiligung von Nicht-regierungsorganisationen bei-spielhaft partizipati-ve Methoden und endete mit einem deutlichen Votum für die Beibehaltung der öffentlichen Verantwortung im

Wassersektor, ohne private Beteili-gungen im Rahmen so genannter Public-Private-Partnerships aus-zuschließen. Gleichzeitig wird im Konferenzbericht gefordert, dass eine unabhängige Überprüfung der bisherigen Privatisierungser-fahrungen im Wassersektor statt-finden und die Weltbank, IWF und bilateralen Geber nicht länger die Privatisierung zur Vorbedingung für neue Kredite im Wassersektor machen sollten. Die Beschlüsse des Nachhaltigkeitsgipfels in Johannes-burg 2002 blieben dahinter zurück.

Die Konferenzdokumente ent-halten die Aufforderung zu verstärkten öffentlich-privaten Kooperationen im Wassersektor, selbstverständlich mit der obli-gatorischen Redewendung der Armutsorientierung versehen. Je-doch gab es keine konkreten oder verbindlichen Vereinbarungen zur Umsetzung der Ziele. Vielmehr wurde eine neue Kategorie der Entwicklungszusammenarbeit erfunden und in den Mittelpunkt gestellt - die so genannten Typ-Il-Partner-schaften, bei denen es sich um freiwillige Kooperationen zwischen Staaten, Unternehmen und eventuell zivilgesellschaft-lichen Organisationen handelt. Jedoch fehlen jegliche Kriterien und Mechanismen für deren Ergebniskontrolle. Ebenfalls ent-täuschend war, dass die Konferenz an ihrem eigentlichen Auftrag vorbei die Wasserkrise vornehmlich als Management- und Investi-tionsproblem behandelte und die ökologische Dimension des nachhaltigen Schutzes der Wasser-ressourcen vernachlässigt wurde.

Die bereits erwähnte dritte Welt-wasserkonferenz, die im März 2003 in Kyoto, Japan, stattfand, war geprägt von heftigen Diskussi-onen um Privatisierungskonzepte für den Wassersektor. Es gelang

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den zahlreichen Kritikerinnen und Kritikern aus Nichtregierungsorga-nisationen und Entwicklungslän-dern, eine einseitige Befürwortung von Privatisierungsmodellen aus der Abschlusserklärung heraus zu halten, ebenso die beabsichtigte Befürwortung öffentlicher Sub-ventionen und Risikoabsicherung für die internationalen Aktivitäten globaler Wasserversorgungsunter-nehmen. In der Abschlusserklä-rung heißt es nun lediglich, dass die Konferenz zu keiner gemeinsamen Bewertung von Privat-Öffent-lichen-Partnerschaften gekommen ist. Gleichzeitig vermeidet das Dokument aber auch eine positive Bezugnahme auf die Feststellung des Menschenrechts auf Wasser durch die Vereinten Nationen. Viele Delegierte, sowohl aus dem Regierungs- als auch aus dem

Nicht-Regierungsspektrum, fuhren unzufrieden nach Hause, da es zu keinen konkreten Absprachen kam, die über eine Wiederholung der Beschlüsse von Johannesburg hinausgehen. Kritisiert wird auch, dass nach wie vor große Projekte wie der Bau von Bewässerungsan-lagen oder Staudämmen verfolgt würden, anstatt die globalen Anstrengungen auf den Schutz der wasserspendenden Ökosysteme sowie auf die größtmögliche Ver-breitung angepasster und kosten-günstiger Wasserver- und -entsor-gungssysteme zu richten, die die Menschen selbstbestimmt und nachhaltig einsetzen könnten.

Täglich müsste laut UNICEF 280.000 Personen neu der Zugang zu Trinkwasser ermöglicht werden, damit die Hälfte der heute davon

ausgeschlossenen 1,2 Milliarden Menschen bis 2015 versorgt sein könnte. Bei den sanitären Einrich-tungen müssten es sogar 384.000 pro Tag sein, denn gegenwärtig bleiben rund 2,4 Milliarden Men-schen davon ausgeschlossen. Ob diese in Johannesburg bestätigten Milleniumsziele erreicht werden können, ist nach Auffassung vieler Fachleute nicht in erster Linie ein finanzielles, sondern ein politisches Problem. Die UNESCO kritisierte in diesem Zusammenhang in dem jüngst erschienenen Weltwasser-bericht die Regierungen, die ihre Trägheit der letzten Jahre überwin-den müssten. Dazu wird es noch einigen zivilgesellschaftlichen Engagements bedürfen.

Quellenangabezu�.�bis�.�:BrotfürdieWelt:Wasserfüralle-eineglobaleHerausforderung.Stuttgart�003.

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1.5 Die politische Auseinandersetzung um eine Liberalisierung des Wasser-bereichs (GATS)

Es sind die größeren Wasserunternehmen in Europa, die die Nutznießer dieses Abkommens sind.Von welchem Abkommen ist hier die Rede?

GATS-Abkommen: Das „General Agreement on Trade in Services“15 ist ein Vertrag im Rahmen der Zusammen-arbeit von mehr als 140 Ländern in der Welthandelsorganisation (WTO). Die WTO wurde Mitte der 90er Jahre gegründet, um den Welthandel zu fördern, Handelsbarrieren abzubauen und insbesondere eine Liberalisierung der Handelsbeziehungen voranzubringen. Mit der Gründung der WTO ging der Abschluss des GATS-Vertrages über eine internationale Liberalisierung des Dienstleistungssektors einher, der am 1. Januar 1995 in Kraft trat.Anders als beim Handel mit Gütern, bei dem es wesentlich um die Beseitigung von Zollschranken geht, berührt das GATS innerstaatliche Regelwerke rund um die Erbringung von Dienstleistungen, zum Beispiel im Banken-, Gesundheits- oder Bildungswesen und der Wasserversorgung.Es gibt eine Reihe von Grundprinzipien, zu denen sich alle GATS - Mitgliedsstaaten verpflichten mussten. Auslän-dischen Anbietern von Dienstleistungen soll der Marktzugang ermöglicht und zu diesem Zweck sollen Handels-hemmnisse beseitigt werden.

Der Druck, die Wasserversorgung in die internationalen Liberalisierungsprozesse einzubeziehen, ist groß. Aus der Sicht der internationalen Wasserunternehmen sind vor allem die Schwellenländer von Interesse, weil hier größere Bevölkerungsschichten über ein wachsendes Einkommen verfügen und damit als kaufkräftige Abnehmer priva-ter Wasserangebote in Frage kommen.Problematisch ist auch, dass Subventionen zu keinen Verzerrungen auf dem Dienstleistungsmarkt führen dürfen, d. h., dass eine Regierung nicht privatisierte Wasserbetriebe nicht subventionieren darf, da sie sonst gegen die GATS-Vereinbarungen verstoßen würde. Ebenso wird befürchtet, dass die GATS-Vereinbarungen sich negativ auf den Beschäftigungssektor auswirken. Angesichts der zunehmenden nationalen und internationalen Konkur-renz werden Unternehmen versuchen, ihre Kosten (z. B. Lohnkosten) zu senken.

Es geht in den Debatten um die Liberalisierung des Dienstleistungsbereichs im Kern um die Frage, ob nach und nach alle Lebensbereiche den Gesetzen des Marktes unterworfen werden sollen. Die GATS-Kritiker beharren darauf, dass alle Menschen den Zugang zu den Grundgütern des Lebens und öffentlichen Dienstleistungen wie der Wasserversorgung haben müssen. Ebenso gilt es, die Notwendigkeiten einer nachhaltigen Entwicklung zu beachten.

Einer der Hauptförderer einer Kommerzialisierung und Liberalisierung aller Lebensbereiche ist die Europäische Union. Die von der EU geforderten Liberalisierungsmaßnahmen spiegeln zu einem großen Teil die Interessen europäischer Konzerne wider.Gleichzeitig hält die EU ihre eigenen Wasserversorgungssysteme bisher aus den GATS-Verhandlungen heraus, was in manchen Ländern des Südens bitter kommentiert wird, als neuer Beleg für die unfairen Doppelstandards der Industrieländer.

Seit Ende der 90er Jahre gibt es zunehmend internationale Kritik gegen den GATS-Prozess. Das Dienstleistungs-abkommen GATS ist ein WTO-Abkommen, das nur auf Druck der Industrieländer zustande gekommen ist. Dem-entsprechend einseitig ist der Nutzen, den diese Länder mit ihren multinationalen Dienstleistungskonzernen aus diesem Abkommen ziehen können. Arme Länder können wenige grenzüberschreitende Dienstleistungen zur Verfügung stellen, müssen sich aber ihrerseits verpflichten, ihre Märkte gegenüber ausländischen Investoren zu öffnen.

�5http://de.wikipedia.org/wiki/GATS

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Beispiele für Privatisierung der Wasserversorgung:• Manila, Hauptstadt der Philippinen hat ca. 8. Mill. Einwohner, davon haben 1/3 keinen Trinkwasseranschluss.• Seit 5 Jahren ist die Wasserversorgung in den Händen der privaten Unternehmung „MAYNILAD“.• Es bestand zwischen der Unternehmung und der Stadt ein Vertrag, dass sich die Verhältnisse in 10 Jahren

verbessern sollten, der aber gekündigt worden ist, da die versprochenen Investitionen nicht aufgebracht werden konnten.

• Inzwischen ist das Wasser zweimal teurer als vor 5 Jahren und das marode Leitungsnetz steht kurz vor dem Zusammenbruch.

• Lediglich die Managergehälter sind gestiegen.

• Auch in Indien ist die Privatisierung fortgeschritten. Das Unternehmen Coca-Cola benutzt im südindischen Staat Kerala 1,5 Mill. Liter pro Tag, das bedeutet, dass im Umkreis von 3 km der Coca-Cola-Fabrik alle Brunnen und Flüsse ausgetrocknet sind.

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2. Wasser – ein geographisch und sozial ungleich verteiltes Gut

1.1 Jährliche Wasserentnahme der Haushalte nach Kontinenten und in Deutschland

2.2 Menschen ohne Wasserversorgung

Schaubild 1:

Schaubild 2:

Schaubild 3:

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3.3 Kindersterblichkeit und Trinkwasser

Quellenangabezu�.�bis�.�:SauberesWasserfüralle,SchriftenreihederVereinigungDeutscherGewässerschutzBand6�,Bonn�00�,S.��,�5,��

2.4 Mittlere Niederschlagsmengen weltweit

Schaubild 4:

Schaubild 5:

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3.2.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit

Expertengruppe politisch-soziale Aspekte

Arbeitsaufträge

A. Textverständnis

Klären Sie in Ihrer Gruppe an Hand Ihrer Aufzeichnungen noch offene Fragen zur Stofferschließung. Falls not-wendig, wenden Sie sich an Ihre(n) Expertenlehrer(in).

B. Erstellen eines Info-Blatts

1. Beschreiben Sie die religiösen und kulturellen Grundlagen des Rechts auf Wasser.2. Erläutern Sie, was das Menschenrecht auf Wasser bedeutet und untersuchen Sie kritisch die Möglichkeiten

der Umsetzung dieses Rechts.3. Beschreiben Sie den Ansatz, Wasser zu kommerzialisieren bzw. privatisieren.4. Nennen Sie Schwierigkeiten und Probleme, die sich aus dem Konflikt zwischen dem Menschenrecht auf

Wasser und der Kommerzialisierung von Wasser ergeben können.5. Stellen Sie dar, inwieweit Wasser ein sozial ungleich verteiltes Gut ist.

Erstellen Sie ein Info-Blatt, das auf 1-2 DIN-A4-Seiten die o.g. Punkte in Stichworten darstellt. Das Info-Blatt soll die Mitglieder Ihrer jeweiligen Stammgruppe klar und verständlich informieren.Denken Sie an eine übersichtliche Gliederung und an Überschriften. Orientieren Sie sich an den Vorlagen „Er-stellung eines Informationsblattes – Worauf muss ich achten“ und „Gelungenes Beispiel für ein Infoblatt“.

C. Zentrale Begriffe und Kontrollfragen für die Vermittlung in den Stammgruppen

Einigen Sie sich auf fünf zentrale Begriffe Ihres Themenschwerpunkts und formulieren Sie fünf Fragen, die für die Überprüfung dieser Begriffe in der Stammgruppe geeignet sind. Schreiben Sie die zentralen Begriffe auf rote Karten, so dass jede Stammgruppe über ein Set von fünf Begriffskarten Ihres Schwerpunkts verfügt.

Denken Sie bei Ihrer Arbeit daran, sich zunächst einen Arbeits- und Zeitplan zu machen. Bestimmen Sie einen Moderator, Zeitnehmer und Protokollanten. Ihr Info-Blatt muss zu einem mit Ihrem Expertenlehrer verabrede-ten Zeitpunkt zur Vorlage fertig sein, um dann für die Endfassung noch einmal überarbeitet werden zu können.

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3.3.1 Expertengruppe ökologische Aspekte

Inhalt:

1. Einleitung

2. Der Wasserkreislauf

3. Künstliche Wasserreservoirs und ihre Nutzung

4. Ohne Wasser kein menschliches Leben

4.1 Die Bedeutung des Wassers für den Menschen

4.2 Warum ist Wasser lebensnotwendig

5. Wasser kann Krankheiten und Tod bringen5.1 Bilharziose5.2 Cholera

5.3 Die Armutsfalle

6. Wasserknappheit – bald in 64 Ländern

7. Wasser und Umweltschutz

8. Aufgaben

Arbeitsauftrag:

Bereiten Sie die Arbeit in der Expertengruppe vor, indem Sie das Material wie folgt durcharbeiten:

1. Bearbeiten Sie das Material nach der „Fünf-Stufen-Methode“.2. Schlagen Sie unbekannte Begriffe und Sachverhalte nach und machen Sie sich kurze schriftliche Notizen (in

Listenform).3. Beantworten Sie erst dann schriftlich die Fragen zur Stofferschließung auf Seite 10 (stichpunktartig, in eige-

nen Worten).

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1. Einleitung

Das weltweite Wasserproblem besteht eigentlich aus zwei Problemen: Wie kann der Wasserbedarf gedeckt werden und was passiert mit dem Abwasser? Beide Fragen betreffen Milliarden von Menschen. Weltweit ist heute jeder fünfte Erdbewohner ohne Zugang zu einer ausreichenden Wasserversorgung – mehr als 1,2 Milliar-den Menschen müssen entbehren, was uns selbstverständlich erscheint. Noch schlimmer sieht es bei sanitären Einrichtungen und der Abwasserentsorgung aus. Jeder zweite Mensch auf der Welt verfügt nicht über sanitäre Einrichtungen; das Abwasser von knapp drei Milliarden Menschen fließt weder durch eine Kanalisation noch in eine Kläranlage. Das hat schlimme Folgen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass in den Entwick-lungsländern achtzig Prozent aller Krankheiten deshalb entstehen, weil das Trinkwasser verunreinigt ist. Rund 25 Millionen Menschen sterben jedes Jahr aus diesem Grund.

2. Der Wasserkreislauf

„AllesistausdemWasserentsprungen,alleswirddurchdasWassererhalten“,sagte einst Johann Wolfgang von Goethe. Seit die Menschheit aus dem Weltraum auf ihren Heimatplaneten geblickt hat, könnte sie dem Dichterfürsten umso mehr Recht geben: Blau über blau, Wasser überall. Eine enorme Menge, selbst wenn die etwa 97,5 Prozent davon abgerechnet werden, die (weil salzhaltig) nicht trinkbar sind. Auch die zweieinhalb Prozent Süßwasser sind für den Menschen jedoch nicht immer ohne weiteres zugänglich: Etwa 69 Prozent dieser Menge sind in Gletschern und Polkappen gefroren, 30 Prozent verbergen sich als Grundwasser in den Tiefen der Erde. Weniger als ein Prozent allen Wassers auf Erden ist Oberflächenwasser in Flüssen und Seen. Dies macht schätzungsweise 100.000 Kubikkilometer aus – ein Vorrat, der sich nicht verbraucht, sondern im geschlossenen Kreislauf von Nie-derschlag und Verdunstung immer wieder erneuert.Würde er auf einen Schlag gesammelt und an die sechs Milliarden Erdbewohner verteilt, entfiele auf jeden rein rechnerisch der respektable Anteil von knapp 16,6 Millionen Liter Süßwasser. Leider wirklich nur rechnerisch.

Quelle:http://www.trinkwasser.ch/dt/html/bildergallerie/frameset.htm?pages/wasserkreislauf.htm~RightFrameAbb.�Wasserkreislauf

3. Künstliche Wasserreservoirs und ihre Nutzung

Staudämme werden gebaut, seit sich die Menschheit mit der Bewässerung von Feldern und der Gewinnung von Trinkwasser beschäftigt. Heute befassen sich verschiedene Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit den Vor- und Nachteilen des Staudammbaus, zumal sich die sozialen, ökonomischen und ökolo-gischen Bedingungen gerade in den letzten 50 Jahren drastisch verändert haben. Die Wiege der Wasserstautechnik befindet sich in Mesopotamien. Etwa 3.200 vor Christus entstand der Juwa-Damm (im heutigen Jordanien). Er diente dem Stau eines Zuflusses zum Euphrat, vermutlich zur Schaffung eines Trinkwasserreservoirs. Der älteste vollständig erhalten gebliebene Staudamm wurde um 1.300 vor Christus am Orontes-Fluss in Syrien gebaut. Zahlreiche Erdwälle aus jener Zeit waren Teil eines aufwändigen Bewässerungs-systems.

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Im 20. Jahrhundert konnte durch Baustoffe, wie Zement und Beton, und den Einsatz von riesigen Maschinen eine gewaltige Ausweitung der Konstruktionsmöglichkeiten von Staudämmen erreicht werden. Bis 1950 wurden angesichts steigender Bevölkerungszahlen und kontinuierlichen Wirtschaftswachstums immer mehr Staudäm-me gebaut. Weltweit entstanden mindestens 45.000 Großstaudämme (Höhe von mindestens 15 Meter über dem Fundament oder ein Speichervolumen von über 3 Millionen Kubikmeter) als Reaktion auf die Nachfrage nach Strom oder Wasser. Heute hat fast die Hälfte der Flüsse auf der Welt mindestens einen Großstaudamm. Gigantische Projekte, wie der Jangtse-Staudamm in China, werden weiterhin geplant und verwirklicht. In vielen Fällen stellt die Wasserkraft eine konkurrenzlos billige Energiequelle dar und Wasserkraftwerke pro-duzieren im Gegensatz zu Wärmekraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen beheizt werden, keine schädlichen Emissionen. Auf der Internetweite http://www.wasserkraft.de der Firma e-on finden Sie gut aufbereitete Informationen zur Wasserkraftnutzung. Klicken Sie sich durch die Geschichte, die technischen Grundlagen und vergessen Sie nicht das Wissensquiz!

Während sich kleine und mittlere Anlagen in der Regel problemlos in bestehende Ökosysteme integrieren lassen, treten bei Großprojekten von etlichen hundert bis zu einigen tausend Megawatt Leistung oft schwer wiegende ökologische und soziale Folgen auf. In den Entwicklungsländern stellt die Nutzung der Wasserkraft mit ca. 45 % Anteil noch vor Erdöl die wichtigste Stromquelle dar und soll in den nächsten Jahrzehnten stark ausgebaut werden. Ein Paradebeispiel für den öko-logisch bedenklichen Ausbau der Wasserkraft ist Brasilien (größtes Wasserkraft-Werk der Welt Itaipu mit 12.600 MW). Hier soll die Verdopplung der Kraftwerkskapazität vor allem durch den Bau gigantischer Wasserkraft-Werke erzielt werden. Über den jeweiligen Wirkungsgrad, die Folgen für die in der Umgebung lebenden Menschen und die ökolo-gische Verträglichkeit streiten sich Wissenschaftler, Ökologen, Politiker und Nachbarstaaten. Gerade in den letzten Jahren ist eine harte Kontroverse über Effizienz und die Entstehung möglicher Schäden bei der Nutzbar-machung der so genannten „erneuerbaren“ Energie Wasserkraft entstanden. Im Jahr 2000 hat die unabhängige Weltkommission für Staudämme (World Commission of Dams, WCD) in ihrem Bericht, der in dreijähriger Forschungsarbeit entstanden war, einen Kriterienkatalog zum Staudammbau erarbei-tet. Nach ihren Erkenntnissen sollen bestehende oder zukünftige Großstaudamm-Projekte auf fünf verschiedene grundsätzliche Fragen geprüft werden: Gerechtigkeit (Verteilung von Nutzen und Kosten auf alle Beteiligten und Betroffenen), Effizienz (Überwiegt der gesamte Nutzen die Schäden und Risiken und sind die Prognosen realistisch?), partizipative Entscheidungsfindung (Haben alle Beteiligten eine ausreichende Möglichkeit der Mitbestim-mung?), Nachhaltigkeit (Wie sieht es langfristig mit der sozialen, ökologischen und ökonomischen Bilanz zwischen den Generationen im nationalen und internationalen Zusammenhang aus?) und Rechenschaftspflicht (alle Kriterien müssen über die gesamte Lebensdauer eines Staudamms in regelmäßigen Abständen überprüft werden).

Quelle:http://www.discovery.de/de/pub/specials/technik/staudaemme.htm

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4.1 Die Bedeutung des Wassers für den Menschen

Es gibt Orte, an denen, wer Durst hat, nicht einfach einen silbernen Hahn aufdrehen kann, um das lebenswich-tige Nass aus der Wand strömen zu lassen. Nach dem Prinzip „Was nichts kostet, ist nichts wert“ lassen vor allem die Bewohner der wasserreichen Industrienationen es in solchen Mengen durch den Abfluss fließen, als wollten sie sich ihrer persönlichen 16,6 Millionen Liter möglichst schnell entledigen. An der Spitze des Weltverbrauchs stehen die Vereinigten Staaten: Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind zwischen Cape Cod und Honolulu verbraucht im Durchschnitt 350 Liter pro Tag. Aber auch Europa steht in der Bilanz nicht eben sparsam da: Ein Norweger braucht 260 Liter, ein Italiener 249, ein Deutscher immerhin noch 128. Zum Vergleich: Auf einen Senegalesen entfallen 29 Liter, auf einen Inder 25. Und 1,1 Milliarden Menschen weltweit müssen mit weniger als zwanzig Litern pro Tag auskommen. Nach Angaben der Deutschen Welthungerhilfe braucht auch ein europäischer Haushalt im Durchschnitt pro Bewohner nur drei Liter täglich zum Kochen oder Trinken. Der Rest geht für hygi-enische Erfordernisse und die Annehmlichkeiten westlichen Lebensstils drauf: Otto Normaleuropäer (oder Jose, Alessandro, Lars-Ole, Francois oder Mortimer) gießt die Topf- und Gartenpflanzen, lässt das Wasser in Bad und Dusche über den gestressten Körper rinnen oder hält damit Haus, Geschirr, Kleidung und Auto sauber.

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4.2 Warum ist Wasser lebensnotwendig

Der Mensch besteht zum größten Teil aus Wasser. Beim Säugling sind es rund 85 %, beim Erwachsenen noch 75 %. Wasser ist für alle Organe absolut lebensnotwendig. Das gesamte Körperwasser verteilt sich zu etwa 10 % auf die Blutflüssigkeit, zu etwa 20 % auf die Gewebeflüssigkeit in dem Raum zwischen den Zellen und zu etwa 70 % auf die Zellflüssigkeit, das heißt auf den Raum innerhalb der einzelnen Zellen, wobei unser Gehirn sogar aus ca. 90 % Wasser besteht. > Alle Gewebe im Körper müssen mit Flüssigkeit versorgt werden.

Nieren, Leber und Magen brauchen, um ihre lebenswichtigen Aufgaben erfüllen zu können, ausreichend Flüs-sigkeit.

> Wasser > dient als Reaktionspartner und Lösungsmittel für die im Körper stattfindenen biochemischen Umsetzungen, > transportiert Nährstoffe, Mineralstoffe, Spurenelemente und Sauerstoff zu den Zellen, > beseitigt Abbauprodukte aus dem Stoffwechsel und > ist an der Regulation der Körpertemperatur beteiligt.

> Auch in der Zelle erfolgt der Austausch von Stoffen über das Wasser.

UnserKörperverliertständigWasser,wennwirausatmen,wennwirschwit-zen,wennwirUrinausscheidenundbeimStuhlgang(s.Tab.�).

Der Mensch scheidet im Laufe eines Tages in unseren Breiten durchschnittlich ca. 2,5 l Wasser aus. Wassermangel wird verursacht durch ein Missverhältnis zwischen Wasseraufnahme und Wasserverlust über Haut, Lunge, Niere oder/und Darm. Die wasserreichsten Organe – Blut, Gehirn, Leber und Muskulatur – reagieren auf Wasserverluste besonders empfindlich. Menschen können zwar bis zu 14 Tage und länger ohne Nahrung auskommen, aber selbst bei günstigen klimatischen Bedingungen nur wenige Tage ohne Wasseraufnahme überleben. Ein Flüssigkeitsverlust von ca. 3 % verringert bereits die Speichelsekretion und die Harn-Produktion. Ab 5 % tritt Herzrasen auf, und die Körpertemperatur steigt an. Die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Ver-längert sich der Zeitraum ohne Flüssigkeitszufuhr, erleidet der Organismus schwere gesundheitliche Schäden, die Schlackenstoffe im Körper lösen sich nicht auf, Gifte werden nicht abtransportiert, der Körper vergiftet sich selbst, Krämpfe treten auf.

Durch die Flüssigkeitsverluste wird das Blut dick und zähflüssig. Dies führt dazu, dass das Blut vom Herzen nicht mehr schnell genug durch die Adern gepumpt werden kann. Trotz Steigerung der Herzfrequenz wird im Extrem-fall noch ein Viertel der normalen Blutmenge pro Minute durch das Herz gepumpt. Der Blutdruck fällt ins Boden-lose, das Gehirn kann nicht mehr optimal mit Sauerstoff versorgt werden. Die Folgen der Unterversorgung sind Unkonzentriertheit, Zerstreutheit, Müdigkeit und Bewusstseinsstörungen. Da das Gehirn gegen Sauerstoffman-gel besonders empfindlich reagiert, kommt es bei dauerhaftem Wassermangel zu irreversiblen Schädigungen. Es kann zu Verwirrtheit führen, wenn Teile von Gehirnzellen austrocknen.Bei Flüssigkeitsverlusten zwischen 15 und 20 % des Körpergewichts ist der Kreislauf nicht mehr in der Lage, den Herzmuskel ausreichend zu versorgen. Es kommt zum Tod durch Kreislaufversagen. Verdursten ist ein elender Tod.

Ausscheidungen in lbei Raumtem-peratur

bei heißemWetter

bei langer schwerer kör-perlicher Aktivität

Urin 1,4 1,2 0,5Haut 0,35 1,3 0,35Lunge 0,35 0,25 0,65Schweiß 0,1 1,14 5,0Stuhl 0,1 0,1 0,1Gesamt 2,3 3,3 6,6

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5. Wasser kann Krankheiten und Tod bringen

Südlich des Mittelmeers oder des Rio Grande sieht es anders aus. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben weltweit 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, müssen stattdessen aus Flüssen und Seen schöpfen, aus Bächen, Tümpeln oder Grundwasserbrunnen. Viele - meistens sind es die Frauen - müssen dazu Tag um Tag oft stundenlang wandern - beladen mit Kanistern oder sonstigen Behältern, die auf dem Rückweg, da gefüllt, noch umso schwerer sind. Auch wenn Wasser direkt vor dem Haus fließt, geht es den Anwohnern nicht unbedingt besser: In vielen menschlichen Ansiedlungen dienen Flüsse und Seen zugleich als Abwasserkanal. Unabsichtlich zynisch klingt da der hymnische Ausruf des französischen Dichters Antoine de Saint-Exupéry, der rühmte: „Wasser, du selbst bist das Leben!“ Von wegen: In der trüben Brühe schwimmen Krankheitserreger, die Tausenden von Menschen jeden Tag den Tod bringen können.

5.1 BilharzioseMindestens die Hälfte aller Menschen weltweit leidet an Krankheiten, deren Ursache verschmutztes Wasser ist. Etwa an der Schistosomiasis, besser bekannt unter ihrem früheren Namen „Bilharziose“ – nach dem Arzt Theodor Bilharz, der den Erreger 1852 in Kairo entdeck-te. 200 Millionen Erkrankungen pro Jahr vermutet die Weltgesundheitsbehörde WHO. Diese Menschen sind Opfer der „Pärchenegel“ (Schistosomen), knapp zwei Zentimeter lange Saugwürmer, die sich (daher der Name) jeweils zu zweit umeinander ringeln. Ihre Larven leben in schmutzigem Wasser. Wenn ein Mensch in den verseuchten Fluss oder See hineinsteigt, bohren sie sich in die Haut und wandern durch die Lymphgefäße in die Leber. Von dort befallen die ausgewachsenen Schis-tosomen auch die übrigen Organe bis hin zu Lunge und Gehirn; 20.000 Menschen sterben pro Jahr an den Folgen. Kot und Urin der Kranken enthalten die Eier der Würmer: Wo es keine Abwasserleitungen und Kläran-lagen gibt, gelangen sie mit den menschlichen Aus-scheidungen ins Wasser und entwickeln sich dort (mit Wasserschnecken als Zwischenwirt) zu neuen Larven – der Unglücks-Kreislauf beginnt von neuem.

5.2 CholeraBesonders die Cholera zeigt, wie sehr Krankheit durch Wasser ein Problem der Armut und nicht des Kontinents ist. Im 19. Jahrhundert grassierte sie noch in den Armenvierteln Europas, forderte zum Beispiel 1892 in Hamburg 8.605 Opfer. Die Erreger bleiben im Verdauungssystem des Menschen lange aktiv und können mit den moder-nen Verkehrsmitteln heute mühelos ganze Ozeane überspringen. Bis 1991 war die Cholera in Südamerika nicht aufgetreten; dann brach sie vor allem über Peru herein. Mehr als 300.000 Menschen erkrankten im Laufe der schweren Epidemie, fast 3.000 starbenDie Zahl der weltweit gemeldeten Cholerafälle stieg innerhalb eines Jahres von knapp 70.000 (1990) auf knapp 600.000 (1991). In einem Rückblick auf das Jahr 1992 kam die Weltgesundheitsorganisation zu einem ernüch-ternden Fazit: „Solange nicht erkennbare Fortschritte gemacht werden, um den Lebensstandard in den Entwick-lungsländern zu heben, die Versorgung mit sauberem Wasser und ungefährlicher Nahrung sicherzustellen, sowie die allgemeine sanitäre Situation zu verbessern, wird sich die siebte Cholerawelle mit Sicherheit nicht beenden lassen.“

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5.3 Die Armutsfalle Die meisten „Wasser-Opfer“ pro Jahr (3,1 Millionen Menschen) sterben nach WHO-Angaben an Durchfallkrank-heiten: Amöbenruhr, Bakterielle Ruhr, Typhus, Cholera, Diarrhöe. 80 Prozent der Opfer dieser Seuchen sind Kin-der unter fünf Jahren. Untersuchungen zeigen, dass Kindersterblichkeit unmittelbar mit dem Zustand des Was-sers zusammenhängt: So beträgt sie zum Beispiel in Kambodscha und Äthiopien um 200 pro Tausend, während weniger als 20 Prozent der Einwohner Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Andersherum verhält es sich in Ländern wie den USA, Schweden oder Neuseeland, wo nahezu 100 Prozent der Menschen an eine funktionieren-de Wasserversorgung angeschlossen sind: Dort liegt die Kindersterblichkeit bei etwa zehn pro Tausend. Die Botschaft ist klar: Krankheiten aus verschmutztem Wasser sind Armutskrankheiten. Sie häufen sich vor allem in Entwicklungsländern mit rascher Verstädterung, wo sich Slums bilden: In solcher Umgebung wird sauberes Wasser zum Schatz, nicht nur, weil es nur in geringen Mengen fließt, sondern auch, weil sein Preis in vergleichs-weise astronomische Höhen steigt. Dass Menschen ohne Leitungsanschluss den ambulanten Verkäufern für sauberes Wasser das Zehnfache zahlen müssen wie die Wasserhahnbesitzer, ist „Normalzustand“ in den Entwick-lungsländern. Inzwischen wird Wasser sogar international gehandelt, z. B. verkauft die Türkei an Israel.Noch schlimmer ist es in Indonesien und Haiti: In Surabaya ist das Wasser vom Händler 20 bis 60 Mal so teuer wie aus der Leitung, in Port au Prince sogar hundert Mal. Arme Familien müssen laut Welthungerhilfe bis zu einem Fünftel ihres Einkommens für Wasser ausgeben - eine Armutsfalle, aus der solche Familien kaum entrinnen können. Denn: Wer entweder all sein Geld oder all seine Zeit für die Suche nach Wasser aufwenden muss, kann nichts sparen, bleibt arm und vom sauberen Wasser abgeschnitten.

6. Wasserknappheit – bald in 64 Ländern

Und dann gibt es noch die Menschen, für die Nebensache ist, ob sie sich Wasser leisten können – weil ohnehin kaum welches da ist. 436 Millionen Einwohner haben die 26 Staaten, in denen nach der Definition des World-watch-Instituts derzeit Wasserknappheit herrscht. Das heißt, dass pro Einwohner weniger als ein Kubikmeter pro Jahr zur Verfügung steht - umgerechnet weniger als 2,74 Liter pro Tag. Die Tendenz ist weiter steigend: Im Jahr 2050 wird – so schätzt die Deutsche Welthungerhilfe – für ein Viertel der Weltbevölkerung (Prognosen zufolge also für dann 2,25 Milliarden Menschen) Wassermangel zum Alltag gehören oder mit unschöner Regelmäßig-keit wiederkehren. Liegen diese Gebiete heute noch vor allem im Mittleren Osten und Nordafrika, wird in den kommenden 50 Jahren voraussichtlich das südliche Afrika zur Wasser-Problemzone werden. Schätzungen für das Jahr 2025 sprechen von drohender Wasserknappheit in 31 Ländern Afrikas, 14 Ländern Lateinamerikas und 19 Ländern in Asien. Dass sich das Problem weltweit ausbreitet, zeigt sich schon jetzt: Aus 100 Städten Chinas wurde in den vergangenen Jahren von Wassermangel berichtet. Bis zum Jahr 2010 wird das Problem die meis-ten Städte in den Entwicklungsländern erreicht haben – als am stärksten gefährdet gelten Kairo, Lagos, Dhaka, Peking, Schanghai, Bombay, Kalkutta, Djakarta, Karatschi und Sao Paulo. Mexiko City ist schon heute nicht mehr in der Lage, seine 20 Millionen Einwohner mit ausreichend Trinkwasser zu versorgen – vom Einwohnerzuwachs ganz zu schweigen. In Bangkok und Djakarta dringt Salzwasser aus dem Meer ins Grundwasser ein. In Dhaka verschwinden 62 Prozent des Wassers durch Lecks im Leitungsnetz, in Manila 58, in Seoul 42 Prozent, und der jährliche Verlust aus den Wasserleitungen von Kenias Hauptstadt Nairobi würde den Verbrauch von Mombasa (der zweitgrößten Stadt des ostafrikanischen Landes) völlig abdecken. Das war es also mit den 16,6 Millionen Litern für angeblich jeden Menschen – egal, ob in L.A. oder Lima, in Kaiserslautern oder in Kapstadt, in Dhaka oder Detroit.

Wie verschieden wahr all diese Zahlen sind, wie unterschiedlich der Wert des Wassers von Ort zu Ort, von Le-bensstil zu Lebensstil gesehen wird, zeigt ein letzter Vergleich am Beispiel der Menge, die ein Reisbauer braucht, um einen Hektar seines Feldes zu bewässern. 15.000 m3 Wasser benötigt er oder 15 Millionen Liter. Vier Jahre reicht diese Menge für hundert Familien auf dem Land. Drei Jahre für hundert Nomaden mit 450 Stück Vieh. Zwei Jahre für hundert Familien in der Stadt. Für hundert Gäste eines Luxushotels gerade mal 55 Tage.

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7. Wasser und Umweltschutz

Ohne Wasser funktioniert kein Ökosystem auf Erden. Pflanzen und Tiere - der Mensch eingeschlossen - können nur durch Wasser überleben. Gelangen Schadstoffe in die Flüssigkeit, geraten komplexe Lebensgemeinschaften aus dem Gleichgewicht, können Tier- und Pflanzenarten aussterben und der Mensch ernsthaft krank werden. Oft entstehen solche Schadstoffe als Abfallprodukt von Landwirtschaft und Industrie. Und nicht nur in den hochin-dustrialisierten westlichen Ländern haben die Menschen in den vergangenen Jahrzehnten zu erkennen begon-nen, dass ungebremstes wirtschaftliches Wachstum auch Risiken birgt - nicht nur für das Überleben der Natur, sondern auch wegen der teils gravierenden Schäden für die Gesundheit des Menschen.

Beispiel 1: Wenn in Trockengebieten der Mensch Wasser aus Staudämmen für die Landwirtschaft nutzt, dann droht dem bewässerten Land und den Unterläufen der Flüsse die Versalzung.In Trockengebieten (aride Gebiete) übersteigt die Verdunstung die Niederschläge. Bewässerungswasser löst zunächst Salze aus tieferen Schichten der Böden. Das Austrocknen des Oberbodens erzeugt einen Kapillarsog, der das Wasser nach oben bringt, es verdunsten lässt und das Salz bleibt kristallin zurück. Solche Böden bringen erhebliche Ertragseinbußen mit sich.Wird durch Flutungen dieses Salz in die Fließgewässer ausgewaschen, droht dort eine Versalzung. Sowohl für das menschliche Trinkwasser und damit direkt für den Menschen als auch für die Wasserfauna entstehen Probleme. Steigt der Salzgehalt über fünf Promille, können die meisten Süßwasserfische sich nicht mehr fortpflanzen, die Art verschwindet langsam – was aus ökologischer Sicht fast dasselbe ist, als wenn alle Exemplare sofort sterben.

Beispiel 2: Solange der Mensch noch mit Öl, Erdgas und Kohle heizt und fährt, steigen schwefel- und stickstoff-haltige Gase in die Atmosphäre auf. Dort bewirken sie, dass aus den Wolken der berüchtigte „Saure Regen“ fällt, der Böden und Gewässer versauern lässt. In Schweden und Norwegen sind bereits mehr als 4.000 Seen von dieser Versauerung betroffen; aus vielen Flüssen dort sind die Lachse und Forellen verschwunden. Gefahr droht den Lebewesen dabei nicht nur von der Säure selbst, sondern auch von Metallionen von Aluminium, Kupfer, Kadmium, Zink und Blei: Die Säure wäscht sie aus dem Boden, so dass sie das Wasser noch zusätzlich belasten.

Beispiel3: Verstärktes Wachstum an Land kann dem Leben im Wasser den Tod bringen. Wenn Düngersubstanzen (vor allem Phosphate und Nitrate aus der Landwirtschaft, der Industrie und den Haushalten) in einen See gelan-gen, machen sie ihn „eutroph“. Das griechische Wort heißt soviel wie „gut ernährt“ und bedeutet, dass der Dün-ger den Wuchs von Pflanzen, insbesondere im Wasser schwebenden kleinen Algen („Phytoplankton“) verstärkt. Nach ihrem Tod sinken diese Organismen in viel größeren Mengen auf den Boden des Sees als vorher. Wenn sie dort biologisch zersetzt werden, zehrt das Sauerstoff im Wasser auf: Fische und andere Organismen, die viel Sauerstoff brauchen, weichen anspruchsloseren Arten. Im Extremfall schwindet aller Sauerstoff und sterben alle Fische. Der Prozess verstärkt sich durch „interne Düngung“ – denn wenn Sauerstoff fehlt, löst sich zusätzliches Phosphat aus den Sedimenten am Seegrund. Hinzu kommt, dass manches Phytoplankton (etwa einige Blaual-gen) auch zusätzlich Giftstoffe produziert. Im Extremfall wird ein „eutrophes“ Gewässer zu einer stinkenden Klo-ake. Nicht unbedingt „biologisch tot“ – aber umgestiegen auf eine Biologie, die nicht mehr Sauerstoff freisetzt, sondern Schwefelwasserstoff und Methan. Ein solches Gewässer in einen intakten Lebensraum zurückzuverwan-deln, dauert Jahre und ist mit großem Aufwand verbunden: Im schwedischen Trummen-See zum Beispiel musste dazu der komplette phosphatbelastete Seegrund ausgebaggert werden.

Beispiel 4: Auch hierzulande arbeiten Landwirte mit Kunstdünger und bringen Gülle aus. Bei nicht sachge-rechter Anwendung gelangt ein Teil des Düngerstickstoffs ins Grundwasser: Eine Gefahr nicht nur für das Wasser: Im Verdauungstrakt des Menschen können sich die Nitrate in giftige „Nitrite“ und die Krebs erzeugenden Nitrosa-mine umwandeln. Damit weniger Nitrat in das Grundwasser gelangt, zahlen viele Wasserwerke inzwischen Prämien an Landwirte, wenn sie in Wasserschutzgebieten auf gewässerschonende Bewirtschaftung umsteigen - etwa auf Dünger ver-zichten oder auf ökologische Landwirtschaft umstellen.

Beispiel 5: Wenn der Mensch Durst hat, rettet ihn das Wasser. Wenn er dagegen Hunger hat, gräbt er sich oft das Wasser ab. Der Boden, auf dem Weizen und Mais, Äpfel oder Bananen wachsen, trinkt mehr Wasser als der

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schwitzende Mensch, der auf ihm arbeitet. Ohne künstliche Bewässerung von Menschenhand wäre nirgendwo Landwirtschaft möglich, wo weniger als 250 Millimeter Niederschlag im Jahr niedergehen. Liegt die Regenmen-ge zwischen 250 und 500 Millimeter pro Jahr, bringt Landwirtschaft ohne Zusatz-Wasser weder hohen noch sicheren Ertrag. Eine hungrige und stets wachsende Menschheit legt deshalb immer neue Nutzfelder auf Flächen an, die von allein nicht zum Acker taugen, und bringt das dazu nötige Wasser mit: Im 20. Jahrhundert hat sich die künstlich bewässerte Anbaufläche verfünffacht, sagen Zahlen der UN-Welternährungsbehörde „Food and Agriculture Organization“ (FAO). Das Problem, das sich dabei ergibt: Das Wasser, das sie schluckt, fehlt danach oft anderswo.Jeder sechste Hektar der heutigen Weltackerfläche wäre ohne künstliche Bewässerung nie zum Acker geworden – 250 Millionen Hektar sind es weltweit insgesamt. Diese Flächen sind zugleich extrem ungleich verteilt: Sieben Zehntel der Bewässerungsfläche liegt in den Entwicklungsländern. In Indien müssen 35 Prozent der Ackerfläche „fremdversorgt“ werden. In China sind es 50 Prozent, in Ägypten 100 Prozent. Und noch eine ungleiche Bilanz: Auf den künstlich bewässerten Flächen wachsen zwar stolze 40 Prozent von allem, was die Menschheit pro Jahr erntet – sie erntet es aber (so erklärt die Deutsche Welthungerhilfe) nur mithilfe von zwei Dritteln ihres gesamten Verbrauchs an Süßwasser, wodurch zusätzlich auch noch die Gefahr der Versalzung erhöht wird (s. Beispiel 1).

Was haben wir damit zu tun?„Ökologischer Rucksack“ heißt dieses Phänomen: Wer etwas konsumiert, verbraucht nicht nur das, sondern auch etliche unsichtbare Ressourcen, die nötig waren, es herzustellen. Das gilt nicht nur für Fleisch – auch für Blumen, Bananen, Orangen. Für Euro-Bananen aus Teneriffa zapfen die Plantagenbesitzer zwischen La Laguna und Los Cristianos die letzten Grundwasserreserven aus dem kargen Vulkangestein der Kanarischen Insel. Der Durst Kaliforniens und seiner Früchte saugt das Flusssystem des Colorado leer. Nicht nur der Blick in den verschwen-derisch bewässerten „Sunshine State“ bringt die eher fragwürdigen Seiten westlichen Lebens zu Tage: Swim-ming-pools, Autowäsche, Gartenpflege – auch der Wasserbedarf für die Herstellung der Nahrung hängt letztlich vom Lebensstil ab. Wer wie so viele Bürger der reichen Industrieländer lieber von tierischem Eiweiß lebt als von pflanzlichem, verschwendet Ressourcen: Für jede Kalorie, die der Mensch durch Fleischverzehr gewinnt, muss bei der Aufzucht des Viehs Getreide verfüttert werden, bei dessen Verzehr er sieben Kalorien gewinnen könnte. Extrem negativ schlägt es in der Wasserbilanz zu Buche, wenn erst eine Pflanze getränkt werden muss, damit das Futtertier des Menschen sie anschließend vertilgen kann. 9.000 Liter Wasser braucht es auf diese Weise, bis ein 180-Gramm-Steak auf unserem Teller landet.

Wasserverbrauch für Produkte

Für die Herstellung von... ...werden ? Liter Wasser benötigt

1 kg Brot1 kg Reis1 kg Geflügelfleisch1 kg Rindfleisch1 Auto

1000 Liter2000 Liter6000 Liter15.000 Litermind. 20.000 Liter

Quelle:SauberesWasserfüralle,SchriftenreihederVereinigungDeutscherGewässerschutz,Band6�,Bonn�00�

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8. Aufgaben

Zu 1.1. Begründen Sie, weshalb es wichtig ist sich genauer mit dem Thema Wasser zu beschäftigen.

Zu 2.2. Beschreiben Sie den Wasserkreislauf in Abb. 1. Stellen Sie im Rahmen Ihrer Ausführungen eine begründete

Hypothese auf, wodurch der Wasserkreislauf angetrieben wird!3. Geben Sie die Wasserverteilung der Erde in Form zweier Kreisdiagramme („Torten“) wieder,

Kreisdiagramm a: Verteilung des GesamtwassersKreisdiagramm b: Verteilung des Süßwassers.

Zu 3.4. Beschreiben Sie das Grundprinzip und die wesentlichen Teile eines Wasserkraftwerks.5. Nennen Sie die drei Arten von Wasserkraftwerken und geben Sie ihre bevorzugte Verwendung an.6. Welche Vor- bzw. Nachteile haben Staudammprojekte? Zur Bearbeitung dieser Frage muss Kapitel 7 mit

einbezogen werden!

Zu 4.1:7. Geben Sie den Wasserverbrauch der verschiedenen Nationen in Form eines Balkendiagramms wieder.8. Stellen Sie die Bedeutung des Wassers für den Menschen dar.

Zu 4.2:9. Berechnen Sie, wie viel Liter Wasser Ihr Körper enthält. Gehen Sie davon aus, dass Sie zu ca. 70 % aus Wasser

bestehen.10. Begründen Sie, weshalb aktives Leben an einen ausreichenden Wassergehalt der Organismen gebunden ist!11. Erläutern Sie, durch welche Faktoren der Wasserverlust beeinflusst wird!12. Wie viel Wasser müssen Sie täglich mindestens trinken?

Zu 5.:13. Erläutern Sie die Probleme, die sich aus dem fehlenden Zugang zu sauberem Trinkwasser ergeben können.

Zu 6.:14. Welche prinzipiellen Ursachen für Wasserknappheit gibt es?

Zu 7.:15. Stellen Sie dar, welche Probleme sich aus den menschlichen Eingriffen in den Wasserkreislauf ergeben kön-

nen.

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3.3.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit

Expertengruppe: Ökologische Aspekte

Arbeitsaufträge

A. Textverständnis

Klären Sie in Ihrer Gruppe an Hand Ihrer Aufzeichnungen noch offene Fragen zur Stofferschließung. Falls not-wendig, wenden Sie sich an Ihre(n) Expertenlehrer(in).

B. Erstellen eines Info-Blatts

Stellen Sie das Info-Blatt zusammen her (1-2 DIN-A4-Seiten). Es soll die Mitglieder Ihrer jeweiligen Stammgruppe klar und verständlich informieren. Denken Sie an eine übersichtliche Gliederung und an Überschriften.Berücksichtigen Sie bei der Erstellung Ihres Info-Blattes auf jeden Fall die drei nachfolgenden Aspekte:• Verteilung des Wassers auf der Erde unter Einbeziehung des Wasserkreislaufes,• Vor- und Nachteile von Staudammprojekten,• Bedeutung des Wassers für das Leben im Allgemeinen und den Menschen im Besonderen,• Probleme, die sich aus der Wasserknappheit und /oder -verschmutzung ergeben.

C. Zentrale Begriffe und Kontrollfragen für die Vermittlung in den Stammgruppen

Einigen Sie sich auf fünf zentrale Begriffe Ihres Themenschwerpunkts und formulieren Sie fünf Fragen, die für die Überprüfung dieser Begriffe in der Stammgruppe geeignet sind. Schreiben Sie die zentralen Begriffe auf grüne Karten, so dass jede Stammgruppe über ein Set von fünf Begriffskarten Ihres Schwerpunkts verfügt.

De nken Sie bei Ihrer Arbeit daran, sich zunächst einen Arbeits- und Zeitplan zu machen. Bestimmen Sie einen Moderator, Zeitnehmer und Protokollanten.Ihr Info-Blatt muss zu einem mit Ihrem Expertenlehrer verabredeten Zeitpunkt zur Vorlage fertig sein, um dann für die Endfassung nocheinmal überarbeitet werden zu können.

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3.4.1 Expertengruppe ökonomische Aspekte

1.1 Arbeitsaufträge zur individuellen Vorbereitung

1.2 Natur als Produktionsfaktor

1.2 Nachhaltiges Wirtschaften

2. Die globale Wasserkrise

3. Daten und Fakten zur Wasserkris

4. Wasser – Wasserknappheit

5. Staudämme

6. Ist Wassersparen ökologischer Unsinn?

7. Daten: Wasserverbrauch, Wassergewinnung, Abwasserbeseitigung

I. Arbeitsaufträge zur individuellen Vorbereitung auf die Projektwoche:

Bereiten Sie sich auf die Arbeit in der Expertengruppe Ökonomie vor! Orientieren Sie sich dabei an folgenden Arbeitsaufträgen und Leitfragen zur Stofferschließung!

I. Verschaffen Sie sich zunächst einen groben Überblick über Texte und Schaubilder!

II. Markieren Sie wichtige Aussagen und Schlüsselbegriffe!

III. Schlagen Sie unbekannte Begriffe nach und notieren Sie ihre Bedeutung!

IV. Dokumentieren Sie sorgfältig Ihre bei der Bearbeitung von III. verwendeten Quellen! Bitte beachten Sie für diesen Aufgabenteil:„AusdemInternet“ oder „beigoogle“– sind keine ordentlichen Quellenangaben – Gleiches gilt für die Fundstelle „Bibliothek“!

V. Bearbeiten Sie abschließend nachfolgende Aufgaben zur Stofferschließung und halten Sie Ihre Ergebnisse schriftlich fest:

Zu 1.: Definieren Sie mit eigenen Worten den Begriff der „Nachhaltigkeit“!

Zu 2.: Benennen Sie aufbauend auf Ihren in 1. gewonnenen Kenntnissen Fälle, in denen mit der Ressource Was-ser nicht nachhaltig umgegangen wird!

Zu 3.: Erläutern Sie die Bedeutung der Formulierung „konkurrierende Wassernutzung“!

Zu 4.: Beschreiben Sie mit eigenen Worten die Aussagen des Schaubildes „Verfügbarkeit von Frischwasser 1995 und 2025“!

Zu 5.: Notieren Sie sich verschiedene ökonomische Bedeutungen von Staudämmen!

Zu 6.: – keine-

Zu 7.: Beschreiben Sie mit eigenen Worten kurz den Inhalt der 4 verschiedenen Tabellen!

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1.1 Natur als Produktionsfaktor

In der traditionellen Volkswirtschaftslehre wird üblicherweise vom Produktionsfaktor Boden statt vom Produkti-onsfaktor Natur gesprochen. Folgende Nutzungsmöglichkeiten des Bodens lassen sich unterscheiden:Anbaufläche für Land- und Forstwirtschaft, Abbau von Bodenschätzen und Energiequellen (z.B. Erdgas), Standort für Produktionsstätten und Infrastruktur (z.B. Straßen, Telefonleitungen), Lagerstätte für Abfälle aus Produktion und Konsum (z. B. Abfalldeponien).

Neben dem Boden werden aber auch andere Teilbereiche der Na-tur als Produktionsfaktoren genutzt. Dazu ge-hören beispielsweise: Wasser, Wind und Sonne zur Energiegewinnung, Witterungsverhältnisse für die landwirt-schaftliche Produktion, Klima, intakte Landschaften und unbelastete Gewässer für die Touris-musbranche,Luft und Wasser für die Aufnahme von Abgasen und Schadstoffen (= Depo-niefunktion).

Während diese Faktoren lange als unerschöpfbar und unveränder-lich angesehen wurden, ist inzwischen die begrenzte Belastbarkeit der Natur unübersehbar (z.B. Klimaveränderungen, Luft- und Wasserverschmutzungen). Die Natur ist somit über den Faktor Boden hinaus großenteils als knappes Gut anzusehen. Daher wird zuneh-mend vom Produktionsfaktor Natur oder (ökologische) Umwelt gesprochen. Dazu gehören neben solchen Naturer-scheinungen wie Sonne, Wind, Luft und Wasser sowohl die nicht erneuerbaren Rohstoffe (z. B. Boden-schätze) als auch die erneu-erbaren Rohstoffe (z. B. Wald- und Fischbestände)1.

Der Produktionsfaktor Natur (ökologische Umweit) umfasst alle Teilbereiche der belebten und unbe-lebten Natur, wie Boden, Sonnenlicht, Lufthülle der Erde, Klima, Wasser, Pflanzen und Tiere.

Bestimmte Nutzungen des Bodens führen dazu, dass ande-re Bereiche der Natur geschädigt werden. Daraus können sich Rückwirkungen auf das gesamte Ökosystem ergeben. Mit der vermehrten Nutzung des Bodens als Siedlungs- und Verkehrsfläche gehen bei-spielsweise folgende ökologischen Probleme einher:

Flächenversiegelung durch Bebauung und Asphaltierung mit der Folge, dass die Versickerung von Regenwasser und die Erneuerung der Grundwasservor-räte verhindert sowie der Lebensraum der Tier- und Pflanzenwelt eingeschränkt wird,

Zerschneidung der Land-schaft durch Verkehrswege mit der Folge, dass empfindliche Tier- und Pflanzenarten sich auf-grund dieser unüberwind-baren Hindernisse zurückziehen oder aussterben, Zunahme des Individual-verkehrs mit der Folge zusätzlicher Luftbelastung durch Abgase, die wiederum Gesundheitsschäden, Pflanzen-schäden (Waldsterben) und Klimaveränderungen (Treibhauseffekt) verursachen.

Die vermehrte Abholzung von Waldbeständen – insbesondere in den Entwicklungsländern -führt beispiels-weise dazu, dass jedes Jahr ca. 50 000 Tier- und Pflanzenarten unwieder-bringlich ausgerottet werden, das beim Verbrennen von Holz entstehende Kohlendioxid (CO2) zum Treibhauseffek{. und damit zu weltweiten Klimaver-änderungen beiträgt, sich das durch die Regenwälder beeinflusste regionale Klima verän-dert und zu Dürreka-tastrophen und Ausdehnung von Wüstenregionen beiträgt.Der übermäßige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Überdüngung (z. B. durch die bei der Massentier-haltung anfallende Gülle) führt zu einer Vergiftung der Böden und zu einer Belastung des Grundwassers (z. B. Nitrat).

�Erneuerbare(regenerierbare)natürlicheRessourcensinddurchnatürlicheWachstums-prozessevergrößerbar.Dennochsindvieleerneuer-barenatürlicheRessourcengleichzeitigaucherschöpfbar(z.B.durchAusrottungvonTier-undPflanzenarten).

�InderForstwirtschaftbesagtdasNachhaltigkeitsprinzip,dassnichtmehrHolzgeschla-genwerdensoll,alsseitdemletztenMalnachge-wachsenist,

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Nachhaltiges Wirtschaften2

Angesichts der vielfältigen Umweltprobleme ist 1992 auf einer Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro die nachhaltige Entwicklung (sustainable development) als ein verbindliches Ziel internationaler Politik formuliert worden.3

1.2 Nachhaltiges Wirtschaften

Nachhaltige Entwicklung ist ein Leitbild, das auf eine umweltverträgliche Entwicklung abzielt. Dadurch sollen sowohl alle derzeit auf der Welt lebenden Menschen als auch die künftigen Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können und gleiche Lebenschancen erhalten.

Nachhaltige Entwicklung bedeutet u.a., dass die Weltbevölkerung nur nachwachsende und erneuerbare Ressourcen nutzen soll. Das gilt sowohl für Rohstoffe als auch für Energieträger. Nicht nachwachsende Ressourcen sind demnach höchstens so lange einzusetzen, bis Alternativen gefunden worden sind. Beispiele sind der Ersatz fossiler Energieträger wie Kohle und Erdöl durch Wasser-, Wind- und Sonnenenergie sowie Biomasse. Insgesamt sollen die Länder Innovationen im Umweltbereich fördern und ihre Energie-, Verkehrs-, Agrar- und Wirtschaftspolitik so gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstört werden.

Wesentliches Merkmal öffent-licher Güter ist es, dass niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann (z.B. Polizeiwesen, Landesverteidigung, Infrastruktur wie Verkehrswege, Dämme, Stra-ßenbeleuchtung u.Ä.). Auch wich-tige Teilbereiche der Natur weisen dieses für öffentliche Güter kenn-zeichnende Merkmal auf. Wegen der fehlenden privaten Eigentums-rechte an Luft und anderen natür-lichen Ressourcen kann auch bei diesen Gütern niemand von deren Nutzung ausgeschlossen werden. Güter, für die das Ausschlussprin-zip nicht anwendbar ist, können

nicht auf Markten gehandelt werden. Die Ursache liegt darin, dass sich viele Personen als Trittbrettfahrer verhalten. Sie wollen die öffentlichen Güter zwar nutzen, sind aber nicht bereit, dafür eine Gegenleistung zu erbringen, weil sie wissen, dass sie nicht von der unentgeltlichen Nutzung dieser Güter ausgeschlossen wer-den können. Weil der Markt bei der Bereitstellung öffentlicher Güter versagt, muss für die Inanspruchnahme dieser Güter keine direkte Gegenleistung (z.B. Kaufpreis, Miete o. Ä.) erbracht werden. Bei Gütern, für deren Nutzung nichts bezahlt werden muss, gibt es aber keinen wirtschaftlichen Anreiz, sparsam mit ihnen umzugehen. Sie werden daher häufig überbeansprucht.

Dies gilt auch für die Natur, die von Unternehmen unentgeltlich als Produktionsfaktor genutzt werden kann, indem sie beispielsweise als Auffangbecken für Emissionen (Gase, Ruß, Abwässer usw.) dient. (= Deponiefunk-tion der Umwelt). Infolge der Überbeanspruchung ergeben sich Umweltbelastung und Umweltverschmutzung. Gesamtwirtschaftlich verursachen Luftverschmutzung, Gewässerverunreinigung, Bodenbelastung usw. aber sehr wohl erhebliche Kosten. So geht beispielsweise der Fischbestand in belasteten Gewässern zurück,

3Dersog.Rio-ErklärungüberUmweltundEntwicklungvon����sind��0Staaten,dar-unterauchDeutschland,beigetreten.

Quelle:unbekannt

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aufgrund von Luftverschmutzung treten Atemwegserkrankungen auf und bei verseuchtem Boden sind die Nutzungsmöglichkeiten als Bau- oder Ackerland eingeschränkt. Solche Kosten, die nicht demjenigen angelas-tet werden, der sie verursacht hat, werden als soziale oder externe Kosten bezeichnet. Sie belasten in Form von Beeinträchtigungen, Schäden oder finanziellen Aufwendungen zur Schadenbeseitigung die Allgemeinheit bzw. solche Personen, die nicht für die Entstehung dieser Kosten verantwortlich sind.

Quellenangabezu�.�und�.�: Lüpertz,Viktor,ProblemorientierteEinführungindieVolkswirtschaftslehre,Darmstadt�00�,S.��–-�5

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2. Die globale Wasserkrise Sauberes Trinkwasser wird weltweit immer knapper. In vielen Ländern gibt es bereits eine Wasserkrise, vielerorts gibt es Konflikte darüber, wer das kostbare Nass nutzen darf, und die Beiastung der Abwäs-ser mit chemischen Stoffen nimmt immer bedrohlichere Formen an. In manchen afrikanischen Ländern herrscht schon heute eine akute Wasserkrise, in anderen Weltregionen wird sie für das nächste oder über-nächste Jahrzehnt prognostiziert. Auch wasserreiche Städte wie Hamburg, so wird im ersten Teil dieser Broschüre dargestellt, müssen sich Sorgen um die Zukunft der Wasserversorgung und Wasserqualität machen.

„Was wird aus denen, die sich das Wasser nicht mehr leisten können“, fragt Perez Odera, die Direktorin von CISS, einer Partnerorganisation von „Brot für die Welt“ in Kisumu/ Kenia. Wasser ist teuer geworden für die Menschen, die keinen Zu-gang zum eigenen Brunnen oder zu einer preiswerten öffentlichen Wasserversorgung haben. Beson-ders in Afrika, Asien und Latein-amerika sind die Auswirkungen einer zunehmenden Wasserkrise unübersehbar: Brunnen und Fluss-läufe trocknen aus, so dass Klein-bäuerinnen ihre Felder nicht mehr bewässern können, Kinder sterben an Krankheiten, die durch verun-reinigtes Trinkwasser übertragen werden, und viele Familien müssen einen großen Teil ihrer mageren Einkünfte ausgeben, um we-nigstens einige Liter Wasser zum Waschen und Kochen zu kaufen. Die ärmeren Bevölkerungsgrup-pen, und hier vor allem die Frauen, trifft die Wasserkrise am härtesten. Sie erhöht die Gesundheits- und Ernährungsrisiken und vergrößert die soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen Wasserbesitzern und Wasserlosen.

Dass die gegenwärtige Ent-wicklung im Wassersektor nicht nachhaltig ist, haben inzwischen auch viele Regierungen und Entwicklungsinstitutionen er-kannt. Sie setzen zur Überwindung dieser Probleme zunehmend auf privatwirtschaftliche Lösungen. Dagegen formiert sich in Ländern

des Südens Widerstand, weil be-fürchtet wird, dass sich die Wasser-probleme mit einer Privatisierung noch verschärfen. Das kostbare Gut wird so zu einer Ware, die zu einem möglichst hohen Preis

verkauft wird. Gefordert sind daher auch die Partner im Norden, sich für das Menschenrecht auf Wasser einzusetzen.

Die Wasserkrise hat viele Ursachen und Auswirkungen. Da ist zunächst die ökologische Dimension. Die Süßwasserressourcen sind be-grenzt und nur in beschränktem Umfang erneuerbar. Durch Boden-erosion, Abholzung, Klimaverände-rung und Gewässerverschmutzung werden Wasserkreisläufe unterbro-chen oder zerstört. Das wiederum hat weitreichende Rückwirkungen

auf Böden, Seen, Flüsse und Vege-tation.

Wasser begrenzt mehr und mehr die Entwicklungsmöglichkeiten. Diese wirtschaftliche Dimensi-

on tritt am deutlichsten in der Landwirtschaft hervor, aber auch im industriellen Bereich und bei vielen Dienstleistungen, etwa im Tourismus. Eng damit verknüpft ist die soziale Dimension. Von Was-sermangel und unzureichender Infrastruktur sind vor allem die ärmeren Bevölkerungsgruppen betroffen. Unzureichender Zugang zu Wasser, Krankheiten und hohe Wasserrechnungen lösen oft eine Abwärtsspirale der Verarmung und Verelendung aus.Die Verknappung und die unglei-chen Zugangsmöglichkeiten zu

ImSüdentragenhauptsächlichFrauendieFolgenunzureichenderWasserversorgung.

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Wasser bringen enorme politische Herausforderungen mit sich, in den Konflikten zwischen verschiedenen Nutzern zu vermitteln, so zum Beispiel zwischen Landwirtschaft und Naturschutz oder zwischen Stadt und Land. Devisenbringende Wirtschaftsbereiche und städtische Verbraucher konkurrieren mit länd-lichen Gebieten und der Bewässe-rungslandwirtschaft um das knap-pe Gut Wasser. Bei der Suche nach Interessenausgleich und gerechten

Lösungen muss auch die kulturelle Dimension berücksichtigt werden, hat Wasser doch in vielen Kulturen einen besonderen Stellenwert.

Nicht nur in den Ländern des Südens, auch in Industrieländern wie Deutschland ist der Umgang mit den Wasserressourcen in vielen Fällen nicht nachhaltig. Auch bei uns gibt es zudem Bestrebungen, das bestehende und weitgehend bewährte System der kommunalen

Wasserversorgung zu privatisieren. So sehen sich die Menschen bei uns plötzlich mit ähnlichen Fragen konfrontiert wie die Menschen im Süden: Ist Wasser ein öffentliches Gut oder eine Ware wie jede ande-re? Gibt es ein Menschenrecht auf Wasser? Wie könnte ein nachhal-tiger Umgang mit der lebenswich-tigen Ressource aussehen? Und schließlich: Wie kann ein gerechter Zugang zu Wasser für alle sicherge-stellt werden?

3. Daten und Fakten zur Wasserkrise

Nur ein geringer Teil der scheinbar unermesslichen Wasserressourcen der Erde, gerade einmal 2,53 Pro-zent, sind Süßwasser. Davon sind 69,7 Prozent in Gletschern und Polarkappen gebunden. Weitere 30 Prozent sind Grundwasser und damit nur begrenzt für die Men-schen zugänglich. So steht nur ein Bruchteil der gesamten Wasser-ressourcen für die menschliche Nutzung zur Verfügung. Anders als die meisten anderen Güter und Produkte ist Wasser aber nicht zu ersetzen.

In den vergangenen sieben Jahr-zehnten hat sich der weltweite Wasserverbrauch versechsfacht und ist damit doppelt so schnell gewachsen wie die Weltbevölke-rung. Höhere Ansprüche, moder-ner Lebensstil und vor allem die rasante Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft treiben die Nachfrage ständig weiter in die Höhe. Bis 2025, so die Befürch-tungen, werden drei Milliarden Einwohner in 48 Ländern unter Wassermangel leiden.

Die Unterschiede im Pro-Kopf-Ver-brauch sind gewaltig: In Südkali-

fornien mit seinen ausgedehnten Gärten und großen Swimming-pools liegt er bei über 3.000 Litern am Tag und damit hun-dertmal höher als im afrikanischen Sahel. In Deutschland verbraucht jeder Mensch durchschnittlich 130 Liter am Tag. Als Mindestwasser-bedarf für Trinkwasser, sanitäre Einrichtungen, zum Waschen, Kochen und Reinigen gelten nach UN-Angaben 50 Liter pro Tag und Person. Um mit dem wachsenden Bedarf Schritt zu halten, wurden bereits die meisten größeren Flüs-se der Erde durch Dämme gestaut.

Kanäle transportieren das Wasser über Hunderte von Kilometern in die Metropolen und Bewässe-rungsgebiete. Immer mehr, immer tiefere Brunnen werden gebohrt, um neue Grundwasserreserven zu erschließen.

Mit der wachsenden Nutzung des Wassers nimmt auch seine Ver-schmutzung zu. Chemiebetriebe und Raffinerien, Papierfabriken und Gerbereien leiten Abwässer mit giftigen Chemikalien und Metallen in den Wasserkreislauf zurück. Agrarchemie, die insbe-

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sondere in der Bewässerungsland-wirtschaft eingesetzt wird, belastet Seen, Flüsse und Grundwasser. Ungereinigte Abwässer aus Indus-trie und Haushalten machen das Lebensmittel zu einer tödlichen Gefahr: 80 Prozent aller Krank-heiten in den Ländern des Südens, so die Weltgesundheitsorganisa-tion WHO, sind auf unsauberes Wasser und unzulängliche sanitäre Einrichtungen zurückzuführen. Jedes Jahr sterben 2,4 Millionen Kinder an diesen Krankheiten.

Auch Umweltzerstörung redu-ziert die Wassermenge, die für die Nutzung zur Verfügung steht: Mit der Verringerung der Vegetation durch Überweidung und Verlust von Wäldern, mit der modernen monokulturellen Landwirtschaft, durch Bodenversiegelung (durch Straßen, asphaltierte Parkplätze etc.) und ausufernde Städte sinkt die Aufnahme und Speicherfähig-keit des Bodens. Statt die Grund-wasservorrätete aufzufüllen, fließt der Regen weitgehend ungenutzt in die Kanalisation, Flüsse und Meere -wobei die Wassermassen auf dem Weg oft weitere Zerstö-rungen verursachen

Hohe Investitionen erforderlichWasser gilt als öffentliches Gut, von dessen Nutzung niemand aus-geschlossen werden darf. Dieses

Verständnis vom Wasser und die hohen Kosten für den Aufbau einer Infrastruktur sind die Gründe dafür, dass die Verantwortung für die Wasserversorgung bislang sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern überwiegend in den Händen des Staates oder der Gemeinden liegt. Erhebliche Mittel flossen in den vergangenen Jahrzehnten in den Entwick-lungsländern in den Ausbau des Wassersektors: Etwa 30 Milliarden US-Dollar im Jahr, so schätzt die

britische Nichtregie-rungsorganisation WaterAid, werden in die Versorgung mit Trinkwasser und sani-tären Einrichtungen investiert.

Davon wird der weit-aus größte Teil von Regierungen, Städten und Gemeinden auf-gebracht, 17 Prozent aus Mitteln der Ent-wicklungszusammen-

arbeit. Etwa 15 Prozent stammen aus privaten Quellen, vom Bauern, der eine Dieselpumpe kauft, bis zum multinationalen Konzern, der eine Kläranlage errichtet und betreibt. Dennoch haben nach wie vor laut WHO mehr als 1,1 Milliarde Menschen keinen Zugang zu aus-reichendem, sicherem Trinkwasser. Mehr als doppelt so viele haben keine geregelte, sichere Abwas-serentsorgung. Die große Mehrheit dieser Menschen, 80 Prozent, lebt in ländlichen Regionen.

Besonders in ländlichen Gebieten im Süden bestehen vielfach tradi-tionelle Gemeinschaftsrechte, die oft verbunden sind mit gemein-schaftlichen Bodenrechten. So haben etwa in Indien Nutzergrup-pen gemeinsam Staubecken und Bewässerungssysteme angelegt. Doch solche Gemeinschaftsrechte

werden zunehmend ausgehöhlt, staatlichem Wasserrecht unter-geordnet oder durch mächtige Einzelinteressen privatisiert. Damit sind auch viele ursprüngliche Ge-meinschaftsaktivitäten zum Schutz und zur Nutzung von Wasser verloren gegangen, traditionelle Bewässerungsanlagen und Stau-seen verfallen.

Beim Weltgipfel für eine nachhal-tige Entwicklung in Johannesburg 2002 bestand weitgehend Einig-keit, dass tief greifende Reformen für eine umfassende Lösung der Wasserkrise notwendig sind. Strittig sind die Lösungswege, ins-besondere die zentrale Frage, wie die notwendigen Investitionen fi-nanziert werden sollen. Angesichts der Schuldenlast von Regierungen, strapazierten städtischen Haushal-ten und öffentlichen Versorgungs-unternehmen, deren Einnahmen nicht ausreichen, um die Kosten zu decken, richten sich manche Hoffnungen auf eine stärkere Rolle der privaten Wirtschaft. Andere be-fürworten hingegen Reformen im Rahmen des bestehenden Systems öffentlicher Versorgung, wobei eine größere Partizipation der Nut-zer und der Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle spielen soll.

Durstige LandwirtschaftDie Landwirtschaft ist weltweit mit einem Anteil von 70 Prozent der größte Wasserverbraucher, die Industrie nutzt 20 Prozent, die Haushalte 10 Prozent. In manchen Regionen in Asien und Afrika liegt der Anteil der Landwirtschaft weit über 80 Prozent. Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen, vor allem durch die Ausweitung der künstlich bewäs-serten Flächen und die Einführung neuer Reis- und Weizensorten, die sehr viel ertragreicher sind, aber auch eine regelmäßige

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Wasserversorgung sowie Agrar-chemie benötigen. Seit Anfang der sechziger Jahre hat sich die nutzbare Bewässerungsfläche in den Entwicklungsländern auf 202 Mio. Hektar mehr als verdoppelt. Das ist etwa ein Fünftel ihrer land-wirtschaftlichen Nutzfläche. 2030 sollen es 242 Mio. Hektar sein.

Diese „Grüne Revolution“, die Modernisierung und Kommerzia-lisierung der Landwirtschaft, hat zweifelsohne dazu beigetragen, die Nahrungsmittelversorgung von Millionen Menschen zu verbessern. Gleichzeitig verursacht sie aber auch gravierende Probleme. So wird immer mehr kostbares Grund-wasser zur Bewässerungslandwirt-schaft genutzt. Das führt dazu, dass in vielen Regionen der Grund-wasserspiegel rasch fällt. Nur die reichen Bauern können in neue, noch stärkere Pumpen investieren. Wem das Geld dafür fehlt, gerät entweder in Abhängigkeit von den „Waterlords“ oder verliert sein Land. Die alten offenen Brunnen, oft die wichtigste Wasserquelle für die ärmeren Bevölkerungsgruppen und ihr Vieh, trocknen aus, ebenso Bäche und kleinere Flüsse.

Die Bewässerungslandwirtschaft ist vielfach nicht nur der größte Wassernutzer, sondern auch der größte Verschwender: Weltweit verschwindet mehr als die Hälfte des bereitgestellten Wassers in den großen Bewässerungskanälen, in den Zuleitern zu den einzel-nen Feldern und durch schlechte Bewässerungstechniken. Damit ist der Wassereinsatz nicht nur unnötig hoch, sondern schädigt auch durch Versumpfung und Versalzung die Bodenfruchtbar-keit, also die Ernährungs- und Lebensgrundlage. Dagegen ist die Effizienz der Wassernutzung im Regenfeldbau mit durchschnittlich 65 bis 75 Prozent erheblich höher.

Durch geeignete Maßnahmen wie den Bau von Schutzdämmen und Wasserspeichern kann sie weiter erhöht werden und gleichzeitig die Bodenschädigung durch Erosion, das Ausschwemmen fruchtbaren Bodens, verringert werden

Vielfach werden in der Bewäs-serungslandwirtschaft Agrar-produkte für die kaufkräftigeren Mittelschichten, die Industrie und den Export angebaut. Die Ent-scheidung der Bauern richtet sich also nicht mehr nach den natür-lichen Gegebenheiten wie Was-serverfügbarkeit oder -bedarf der Anbauprodukte, sondern nach den Gewinnaussichten. Reis aber be-nötigt doppelt so viel Wasser wie Weizen, auch Zuckerrohr, Baum-wolle, Gemüse, Blumen und viele Obstsorten brauchen viel Wasser. Diese Entwicklung wird durch die Globalisierung verstärkt: Die Libe-ralisierung der Agrarmärkte erhöht den Konkurrenzdruck für die Land-wirte und forciert die Vermarktung von Exportprodukten. Dadurch, dass Produkte wie Orangen unter hohem Wassereinsatz für auslän-dische Märkte produziert werden, findet ein „virtueller Wasserexport“ von Süd nach Nord statt. Insofern „essen‘ wir mehr Wasser als wir trinken!

Lecke LeitungenDie Landwirtschaft ist nicht allein für die Wasserkrise verantwort-lich. Die rasche Urbanisierung verschärft die Krise und schafft zusätzliche Probleme. Weltweit nimmt die städtische Bevölkerung jedes Jahr um mehr als 60 Millio-nen Menschen zu. Es wachsen vor allem die Städte im Süden: Gab es 1975 nur fünf Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, darunter drei im Süden, so waren es 25 Jahre später zwanzig, von denen lediglich drei in Industri-eländern liegen. In den Millio-

nenmetropolen ist nicht nur der individuelle Verbrauch etwa durch zahlungskräftige Mittelschichten und Industrien weitaus größer. Es entstehen auch gewaltige Mengen hochgradig belasteter Abwässer.

Vorbild für den Ausbau der städ-tischen Infrastruktur von Wasserlei-tungen und Kanalisation im Süden der Welt war die Versorgung in den Industrieländern: ein aufwändiges, kostspieliges System, das hohe Instandhaltungskosten erfordert. Aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gründen wurde jedoch der Wasserpreis in den Län-dern des Südens meist so niedrig gehalten, dass damit die Kosten nicht annähernd gedeckt wurden. Mehr noch: In Accra zum Beispiel, der Hauptstadt Ghanas, wird die Hälfte des Wassers, das das staatli-che Versorgungsunternehmen lie-fert, nicht bezahlt – die Zahlungs-moral, insbesondere von Behörden und anderen Großabnehmern, ist niedrig und viel von dem kostba-ren Nass versickert aus undichten Leitungen in den Boden, bevor es die Kunden erreicht. Das Geld, um die Leitungen zu reparieren, fehlt – ein Teufelskreis.

In vielen Ländern verschlimmern Missmanagement und Korruption die Situation zusätzlich. Wie in Accra hielten Ausbau und Instand-haltung der Infrastruktur vielfach nicht Schritt mit dem Wachstum der Städte. Für die ärmeren Wohn-gebiete, viele davon illegal und ungeplant errichtet, blieb kaum Geld übrig. 90 bis 95 Prozent der Haushaltsabwässer und 70 Prozent der Industrieabwässer fließen in den Entwicklungsländern unge-klärt in Flüsse, Seen und Meere.

Zudem reichen die Wasserquellen auf dem Stadtgebiet wie Brunnen, Flüsse oder Seen längst nicht mehr aus. Unter vielen Großstädten

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4. WasserDas Vorhandensein von Wasser ist Grundvoraussetzung füt die Mehrzahl der biologischen Prozesse auf der Erde. Wasser ist an der Bildung von Böden und an der Formung von Landschaften beteiligt. Für den Menschen ist Süßwasser zugleich wichtigstes Lebensmittel und Grundlage für die Erzeugung aller Nahrungsmittel. Die weltweit zu beobachtende Verknappung der Süßwasserressourcen begrenzt die Ausweitung der Nahrungs-mittelproduktion, bedroht die menschliche Gesundheit und ist Gegenstand regionaler Verteilungskonflikte. Die Verschmutzung von Grundwasser Fließgewässern und Weltmeeren übt zusätzlichen Druck auf die Wasser-ressourcen aus.

Asiens und Lateinamerikas fällt wegen übermäßiger Wasserent-nahme der Grundwasserspiegel um mehr als einen Meter im Jahr. Um den wachsenden Bedarf von Städten zu decken, werden immer neue Staudämme, Fernleitungen und Aufbereitungsanlagen geplant und gebaut.So versorgen riesige Staudämme im Hochland von Lesotho die rasch wachsenden südafrikanischen Städte wie Johannesburg.

Die Folgen unzulänglicher Wasser-versorgung und maroder Infra-struktur tragen insbesondere die ärmeren Bevölkerungsgruppen. Die meisten Bewohner von Ar-menvierteln sind auf Brunnen und Flüsse, die verunreinigtes Wasser liefern, auf verschmutzte Kanäle oder auf private Tankwagen ange-wiesen. Oft zahlen sie überhöhte Preise an private Wasserlieferanten und Brunnenbesitzer. Es sind vor allem die Frauen, deren Budgets durch die hohen Wasserpreise für andere Zwecke nicht mehr reichen oder die mitten in der Nacht

aufstehen müssen, weil nur um diese Zeit Wasser aus der Gemein-schaftspumpe kommt.

Ohne Wasser keine nachhaltige Entwicklung Da Wasser vielfach knapp, müh-sam zu gewinnen und gleichzeitig überlebenswichtig ist, wurde es Jahrtausende lang meist umsichtig eingesetzt. In vielen Kulturen und Ländern wurden ausgeklügelte Systeme der Wasserbewirtschaf-tung entwickelt. Die Reisterrassen in Asien und die kunstvollen Brun-nenanlagen im indischen Bundes-staat Gujarat sind eindrucksvolle Beispiele dafür. Der technologische Fortschritt, der sich unter anderem im Bau immer größerer Staudäm-me und der Einführung von Mo-torpumpen niederschlägt, hat alles verändert. Plötzlich, so scheint es, gibt es Wasser im Überfluss, man braucht nur den Wasserhahn aufzudrehen oder die Pumpe anzustellen. Aber nicht nur die Versorgung, auch die Umwelt ist gefährdet, wenn Wasserkreisläufe dauerhaft und umfassend gestört

werden, wenn Flüsse wie der Gelbe Fluss in China, Feuchtgebiete und Seen wie der Aralsee und der Tschadsee austrocknen. Damit werden die Voraussetzungen für den Kampf gegen Hunger, Krank-heit und Armut untergraben. Zudem schafft es wachsenden Konfliktstoff zwischen verschie-denen Nutzern. muss gleichzeitig die Wasserversorgung verbessert und die Belastung der Abwässer vermindert werden. Denn unge-reinigte Abwässer machen alle Fortschritte bei der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser wieder zunichte. Das schlägt sich auch im Doppelziel des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg nieder, bis 2015 die Zahl der Menschen, die keinen aus-reichenden Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen haben, zu halbieren. Es reicht allerdings nicht aus, Millionen neuer Wasserhähne und Toiletten zu installieren, es muss auch so umsichtig mit dem Wasser umgegangen werden, dass es für alle zur Verfügung steht.

Situation: Die weltweiten Frisch- oder Süßwasser-vorkommen lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen:l. Regenwasser, das im Boden gespeichert, anschließend verdampft oder von Pflanzen aufgenom-men wird („grünes Wasser“); 2. Erneuerbares Grund- und Oberwasser („blaues Wasser“). Von den jährlich weltweit verfügbaren 40 000 km3 „blauen“ Wassers nutzte die Menschheit I995 etwa 3800 km3 (10%). 2100

km3, also mehr als die Hälfte dieser Menge, wurde verbraucht, d.h. verdampft oder in Nahrungsprodukte eingebunden. Die andere Hälfte wurde – mit erheb-lich reduzierter Qualität – an Grund- und Oberflä-chengewässer zurückgegeben. Zwischen 1900 und 1995 hat sich die globale Wasserentnahme mehr als versechsfacht und ist damit mehr als doppelt so schnell gewachsen wie die Weltbevölkerung.

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Wasserknappheit

GlobaleWas-serentnahme��00-�000)in�.000km3/Jahr

Die Frischwasservorkommen sind gobal sehr inhomogen verteilt. Während in wasserreichen Regionen wie dem Amazonas und dem nördlichen Amerika (Kanada/Alaska) nur ein Bruchteil der Res-sourcen genutzt wird, liegt dieser Anteil in ariden und semiariden Zonen bei 80-90%. 1995 litten mehr als 4O% der Weltbevölkerung unter „Wasserstress“ (Wasserangebot < 1700 m3 pro Person und Jahr) oder Wasserknappheit (<1000 m3). Dieser Anteil wird sich voraussichtlich bis 2025 auf knapp 50% erhöhen. Zu den neuen Gebieten mit Wasserstress werden etwa 10 Mio. Menschen entlang der Flüsse Volta, Farah, Nil, Narmada, Euphrat und Tigris gehören.

Die Zahl der Menschen mit Zugang zu saube-rem Trinkwasser wächst zwar dank hoher, v a. nach 1980 eingesetzter Investitionen mittlerweile schneller als die Bevölkerung, dennoch waren 1995 rund 1,4 Mrd. Menschen unzureichend mit sauberem Was-ser versorgt. Noch gravierender ist das Problem unzureichender Sanitäreinrichtungen für 3,3 Mrd. Menschen (Anga-ben für 2000; 1990 lag diese Zahl noch bei 2,6 Mrd.).

Laut WHO starben 1998 allein 3,4 Mio. Menschen, die Hälfte davon Kinder, an Krankheiten, die auf unzu-reichende Versorgung mit Wasser zurückzuführen sind. Den schlechten Zustand der Flüsse dokumen-

tiert der Ende November 1999 vorgelegte Bericht der Weltwasserkommission. Demnach sind weltweit mehr als die Hälfe der großen Flüsse stark verschmutzt oder von Austrocknung bedroht. Schlechte Um-weltbedingungen an Wasserläufen trugen dazu bei, dass 1998 rund 25 Millionen Menschen umsiedeln mussten. Die Zahl der Umweltflüchtlinge lag damit erstmals über der der Kriegsflüchtlinge; (WA 2002, Sp. 1285/86). Ursachen: Der zunehmende Druck auf die Wasser-ressourcen ist neben dem Bevölkerungswachstum auf die Zunahme von Bewässerungslandwirtschaft sowie industrieller und privater Nutzung zurückzu-führen. 70 % der globalen Wasserentnahme entfallen auf die Landwirtschaft. Die bewässerten Flächen haben sich von 153 Mio. in 1966 auf 271 Mio. ha in 1998 nahezu verdoppelt. Auf diesen 17% der weltwei-ten Ackerfläche werden 40% der Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung produziert. 70% dieser Flächen liegen in Asien. Ein Großteil der in den letzten Jahr-zehnten erreichten Steigerung der Nahrungsmit-telproduktion wäre nicht ohne die Ausweitung der Bewässerung möglich gewesen. Der Wasserverbrauch der Landwirtschaft hat allein seit 1960 um 60% zuge-nommen. Problematisch ist dabei die zunehmende Beanspruchung von Grundwasserreserven, die sich nur langsam erneuern und gleichzeitig die wich-tigste Trinkwasserquelle für den Menschen darstel-len. Ein Großteil des in der Landwirtschaft genutzten Wassers verdunstet oder geht anderweitig verloren. Die Effizienz der Bewässerungslandwirtschaft wird global auf 43% geschätzt, wobei große Unterschiede zwischen trockenen Regionen (58% Effizienz) und wasserreichen Regionen (31 %Effizienz) bestehen. Negative Folgen für die Grundwasserneubildung gehen von der fortschreitenden Entwaldung in den Wassereinzugsgebieten wichtiger Flussläufe aus.

Quelle:FischerWeltalmanach,Frankfurt/M.,�00�,S.����ff.

Aus:www.linz.at/images/Umweltbelastung.pdf

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5. Staudämme

Staudämme werden seit Jahrtausenden gebaut und dienen der Trinkwasserbereitstellung, der Stromer-zeugung und der landwirtschaftlichen Bewässerung. Infolge des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums hat sich die Zahl der Großstaudämme (Höhe der Stau-mauer >15m) weltweit seit 1950 von 5750 auf über 41000 versiebenfacht. Weltweit wurden rund 40-80 Mio. Menschen durch den Bau von Staudämmen vertrieben bzw. umgesiedelt. An 14% aller Flussläufe stehen Staudämme, fast 60% der 227 größten Flüsse (Wasserfluss > 350 m3/sec) sind stark (37%) oder moderat (23%) durch Staudämme, Begradigungen oder Umleitungen fragmentiert. 1998 waren weltweit 349 Staudämme mit Höhen von mehr als 60m im Bau. Die größten Vorhaben sind am Jangtse (China, 38 Dämme), an Euphrat und Tigris 19 Dämme) und an der Donau geplant. Die einzigen unbeeinträchtigten großen Flüsse gibt es in den Tundra-Regionen Nord-amerikas und Russlands.

Durch die zahlreichen Umleitungen und Was-serentnahmen reduziert sich die Wassermenge am Unterlauf der Flüsse erheblich. Viele Flüsse erreichen deshalb in der Trockenzeit ihre Mündungen nicht mehr (u.a.Colorado, Huang He(gelber Fluss), Ganges, Nil, Syrdarys und Amudarya). Die rechnerische „Auf-enthaltsdauer“ eines Wassertropfens hat sich (von der Quelle an gerechnet) für 236 große Flussläufe im Mittel auf einen Monat verdreifacht.Mit dem am 16.11.2000 vorgelegten Bericht der 1997 gegründeten Weltkommission für Staudäm-me (World Commission on Dams) liegt erstmals eine weltweite Inventarisierung und Bewertung von Stau-dammprojekten vor, Die Hauptaussagen des Berichtes:– Staudämme haben einen wichtigen Beitrag zur

menschlichen Entwicklung geleistet.

– In zu vielen Fällen wurde ein – vor allem was Mensch und Umwelt betrifft – unzumutbarer und oft unnötiger Preis bezahlt, um diesen Nutzen zu erlangen. Dieser wurde von vertriebenen bzw. umgesiedelten Menschen, der flussabwärts leben-

den Bevölkerung, dem Steuerzahler und der Umwelt getragen.– Die mangelnde Gerechtigkeit bei der Verteilung

des Nutzens hat – gerade im Vergleich zu anderen Alternativen – Zweifel am Sinn vieler Staudämme geweckt.

– Durch das Zusammenführen all derer, deren Rechte berührt sind, entstehen die Voraussetzungen für einen positiven Ausgleich.

– Verhandlungen als Ansatz zur Entscheidungsfin-dung verbessern die Wirksamkeit von Wasser- und Energieprojekten.

Politische Maßnahmen Im Gegensatz zum globalen Klima oder zur stra-tosphärischen Ozonschicht handelt es sich bei den Süßwasserreserven um nationale oder regionale Güter. Zu ihrem Schulz bedarf es nationaler und lände-rübergreifender Strategien. Aus der Abhängigkeit von Süßwasserzuflüssen aus Nachbarstaaten können Konflikte resultieren, vor allem dann, wenn Wasser-knappheit herrscht und die Nutzung des Flusswas-sers nicht über Verträge geregelt ist. Als solche Ge-fahrenherde müssen die Anrainerstaaten von Ganges, Nil, Jordan, Euphrat und Tigris sowie Amudarja und Syrdarja (Zentralasien) betrachtet werden. Wie der drohenden Wasserknappheit in vielen Entwicklungs-ländern begegnet werden könnte,

beschreibt die im August 1998 unter der Ägide des Weltwasserrates (WWC) in Stockholm gegründete Weltwasserkommission (World Commission for Water) in einem auf dem 2. Weltwasserforum vom 17.-22.3.2000 in Den Haag vorgelegten Bericht („World Watcr Vision“). Das von 2000 bis 2005 reichende Szenario sieht Investitionen in effiziente Bewässe-rungstechniken, Wasser- und Abwasseraufbereitung in Höhe von 180 Mio. US-$ pro Jahr, insgesamt 4500 Mio. US-$ vor. Diese Investitionen müssten vor allem aus der Privatwirtschaft kommen und durch Kosten deckende Wasserpreise stimuliert werden.

Abbildung�:AnzahlvonGroßstaudäm-menweltweit(nachLändern)

Quelle:SchätzungenderWCD,mitBezugaufICOLDundanderenQuellenwww.dams.org/report/wcd_uberblick.htm

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6. Ist Wassersparen ökologischer Unsinn?

VonThomasKlugeundEngelbertSchramm

Sparsamer Umgang mit Wasser ist ein beliebtes Ökologie-Thema. Doch inzwi-schen zeigt sich, dass eine Reduktion des Wasserverbrauchs neue Probleme mit sich bringt. Kanalisationen, in denen zu wenig Abwasser fließt, müssen mit Frischwasser durchgespült werden, damit die Fäkalien nicht liegen bleiben und irgendwann das Netz verstopfen. Um Auslastungsprobleme zu vermeiden, wird von einigen Experten gefordert, mit dem Wassersparen aufzuhören.

Deutschland ist – was Niederschlä-ge, Teiche und Seen, Bäche und Flüsse angeht – ein wasserreiches Land. Von einigen niederschlags-armen Gebieten, insbesondere im Regenschatten der Mittelgebirge, und von extremen Wetterer-eignissen abgesehen, haben daher hierzulande die meisten Ökosysteme von Natur aus kaum unter Wasserstress zu leiden. Die Gletscher der Alpen spenden dem Rhein selbst in extrem trockenen Sommern ausreichend Wasser, so dass Schiffe fahren und die am Ufer befindlichen Kraftwerke zur Elektrizitätserzeugung mit Wasser gekühlt werden können.

Die gute natürliche Ausgangslage wurde seit dem 19. Jahrhundert genutzt, um in Deutschland eine heute fast flächendeckende Frisch-wasserversorgung, aber auch eine entsprechende Abwasserentsor-gung zu installieren. Die mittel-europäische Form der Siedlungs-wasserwirtschaft galt lange Zeit als mustergültig. Doch spätestens mit dem Wandel von der Indus-triegesellschaft zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft zeigen sich Schwächen des aufgebauten-Systems.

Zum Beispiel in Niedersachsen, das in weiten Teilen von den Harzwas-serwerken versorgt wurde. Schon

während der NS-Zeit wurden im Harz Stauseen gebaut, aus denen mitteldeutsche Industriestandorte wie Wolfsburg mit Wasser versorgt wurden; die Harzwasserleitungen reichen 300 Kilometer weit west-wärts bis nach Bremen, so dass das eigentlich gute Harzwasser gechlort werden musste, um die lange Weg- und Zeitstrecke ohne Keimbelastung zu überstehen.

Sinkender Verbrauch – steigende PreiseDurch Wegfall von wasserinten-siven Industriebetrieben einerseits, Einführung von wassersparenden Technologien in Betrieben und Haushalten andererseits hat in den letzten Jahren die Nachfrage nach dem Harzwasser abgenommen. Die Stadt Bremen beispielsweise konnte sich in den letzten Jahren von der Harzwasserversorgung abkoppeln und mit billigerem Grundwasser aus dem Umland versorgen. Die Harzwasserwerke „sitzen“ nun auf ihrem Stauseewas-ser. Sie haben eine Überkapazität zu verwalten.

Ökonomisch heißt das: Die einmal aufgebauten Wasserinfrastruk-tur-Investitionen für Leitungen, Stauwerke, Pumpwerke usw. und die laufenden Kosten für deren Betrieb müssen alleine von den verbleibenden Verbrauchern

bezahlt werden. Bis zu 80 Prozent der anfallenden Kosten sind in der deutschen Wasserversorgung fix, nur der Rest ist verbrauchsabhän-gig (z.B. Kosten für Chemikalien zur Wasseraufbereitung oder für Pum-penergie). Folglich werden sich die Wassergebühren erhöhen, weil die gleich bleibenden Fixkosten auf immer weniger Verbrauchsmen-gen und Verbraucher umgelegt werden: Je weniger verbraucht wird, umso mehr steigen die Kos-ten pro gelieferter Wassermenge. Nach der gleichen Logik steigen auch die Gebühren im Abwasser-bereich.

Wasserverschwendung als Ausweg?Angesichts von Überkapazitäten und steigenden Gebühren fordern viele Wasserversorgungsunter-nehmen, aber auch Kommunal-politiker/-innen und selbst Wis-senschaftler (vgl. Leist/Margoulas 2002), mit dem Wassersparen auf-zuhören und wieder mehr Wasser zu verbrauchen. Dadurch würde nicht nur ein weiterer Gebührenan-stieg verhindert; vielmehr könnten so auch Auslastungs Probleme in der Wasserinfrastruktur vermieden werden.

Ist Wassersparen ökologischer Unsinn? Ist das „Weiter so wie bisher“ auch unter dem Aspekt der

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Nachhaltigkeit richtig? Die Gegner des Wassersparens vergessen hier die ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgeprobleme des hohenWasserverbrauchs. Die als Frischwasser entnommenen Wasserressourcen fehlen den artenreichen Feuchtbiotopen und steigender Verbrauch erhöht den Druck auf diese Ökosysteme, aus denen Wasser entnommen wird. Beispielsweise hat das Abpumpen von Grundwasser in sensiblen Landschaften wie der Lüneburger Heide, dem Vogelsberg und dem Hessischen Ried zu austrock-nenden Quellsümpfen und Grä-ben, zu sprunghaftem Artenverlust und zu Wasserstress bei Pflanzen und Tieren geführt.

Das Abpumpen von Grundwasser führt auch zu Bodenabsenkungen, die Setzrisse an Gebäuden verur-sachen. In den Quellregionen pro-testiert die Bevölkerung deshalb immer wieder gegen bestehende Fernwasserleitungen.Die Gegner des Wassersparens übersehen auch, dass der ver-ringerte Wasserverbrauch den Versorgern durchaus Einsparungen bringt, wenn diese nicht mehr die zum Teil verschmutzten Grundwas-servorkommen nutzen und deren Wasser sehr kostenaufwändig reinigen müssen. So wird mittler-weile zur Versorgung Frankfurts auf die Wasservorkommen in der Nähe des dortigen Flughafens weitgehend verzichtet. Denn die im Winter eingesetzten harnstoff-haltigen Enteisungsmittel haben eine extreme Nitratbelastung des Wassers verursacht. Wassersparen kann so sogar zu Gebührensen-kungen führen.

Krise als ChanceIn der gegenwärtigen Situation ist vorausschauendes Denken gefragt. Die sinkende Nachfrage macht es möglich, zum jeweils geeig-

neten Zeitpunkt viele der großen Infrastruktursysteme, zum Beispiel Fernversorgungswassersysteme, zu reduzieren und durch auf Dauer günstigere dezentrale Strukturen zu ersetzen. Entsprechendes gilt auch für die Abwasserbeseitigung und die Dimensionierung der zum Teil aus ökologischen und hygie-nischen Gründen nachzurüstenden Kläranlagen.

Insbesondere zu Zeiten, in denen neue Ersatzinvestitionen für die Sanierung bestehender Wasserin-frastrukturen anstehen, führt ein Umbau nach Maß zu nachhaltigem Wirtschaften (Schramm 2000). Alleine für die Abwassersysteme Deutschlands wird der Sanie-rungsbedarf auf 50 Milliarden Euro geschätzt. Aus Gründen der Nach-haltigkeit sollten die bereits be-stehenden Systeme nicht einfach erneuert werden. Vielmehr geben undichte Kanäle und nachzurüs-tende Kläranlagen – ebenso wie sanie rungsbedürftige Systeme der Wasserversorgung – die Chance für eine schrittweise Anpassung an die veränderten Randbedingungen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass sich die Probleme durch den Bevölkerungsrückgang in Deutschland und die Auswir-kungen des Klimawandels (z.B. konstant niedrigere Pegelstände des Rheins in etwa 30/40 Jahren, da immer weniger Gletscherwasser zufließt) noch verschärfen können.

Deutschland am WendepunktGegenwärtig befindet sich

Deutschland daher vor einem Wen-depunkt: Im Grunde stehen die vor 150 Jahren eingeführten System-lösungen in Frage. Wie sinnvoll ist zum Beispiel die bestehende Kombination der Frischwasserver-sorgung mit der Beseitigung von Fäkalien, Urin und Flüssigabfällen. In der Kanalisation der Städte vermischen sich unterschiedlichs-te Stoffe, die mit Wasser aus den

Haushalten, Gewerbe-betrieben und Fabriken transportiert werden, zu einem problematischen Cocktail, der trotz großer und kapitalintensiver Anstrengungen bei der umwelttechnischen Nachrüstung der Klärwerke nur teilweise

aus den Flüssen zurückgehalten werden kann. Der eigentlich sehr nährstoffhaltige Klärschlamm wird wegen seiner Schadstoffbelastung in der Mehrzahl der Fälle ver-brannt. Dennoch ist das aus den Kläranlagen in die Fließgewässer eingeleitete Abwasser nicht voll-ständig gereinigt; es ist mit Krank-heitserregern belastet und kann aufgrund der noch enthaltenen Chemikalien und Nährstoffen aus landwirtschaftlichen Flächen in Sommermonaten zu „Schwarzen Löchern“ in Nordund Ostsee füh-ren, in denen das Leben abstirbt.

Was, wenn die im Haushaltsab-wasser vorhandenen Stoffe als Ressource begriffen werden, als Energieträger und Düngemittel? Bei Umstellung der im 19. Jahr-hundert eingeführten Schwemm kanalisation auf abwasserfreie Sys-teme würde die Hälfte des gegen-wärtigen Frischwasserverbrauchs der öffentlichen Wasserversorgung entfallen. Die ökologische Fachwelt bis hin zum Direktor des UN-Um-weltprogramms Klaus Töpfer (1998) fordert: Statt Abwasser als mobiles Transportband für Abfälle

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zu begreifen, sollten enthaltene Stoffe am Ursprungsort durch die Trennung der Stoffströme besser verwertbar gemacht werden (vgl. Kluge 2000, Lange/Otterpohl 2000). Das trifft sich mit der all-tagsökologischen Einsicht: Warum sollte eigentlich bestes Quellwas-ser nicht für Trinkwasserzwecke reserviert werden? Warum wird es mit Fäkalien oder Urin vermischt, um hinterher wieder eine extrem schwierige und teure Trennung zu versuchen?

Deutschland, ein Entwick-lungslandBisher haben die Politik, aber auch die Wissenschaft nur unzureichend erkannt, dass eine nachhaltige Lösung für Probleme im eigenen Land auch eine Lösung für die krisenhaften Wasserprobleme bedeuten könnte, die vor allem in den Ländern des Südens in den nächsten Jahrzehnten eintreten werden. Von allen ökologischen und sozialen Krisen bedroht die globale Wasserkrise das Überleben der Menschheit am meisten, so das alarmierende Resümee des jüngst vorgestellten Weltsüßwasserbe-richts (UNESCO 2003). Gerade in den Megastädten des Südens, wo 2020 vermutlich zwei Drittel der Erdbevölkerung auf engem Raum zusammenleben werden, ist eine angepasste Wasserinfrastruktur unentbehrlich, um Armut, men-schenunwürdige Verhältnisse und Umweltverschmutzung zu besiegen.

Die Menschen auf der südlichen Halbkugel ausreichend mit Wasser zu versorgen und geeignete Sys-teme zur Beseitigung von Fäkalien und Urin aufzubauen, ist eine vor-dringliche Aufgabe der Entwick-lungszusammenarbeit. Bis 2015 soll die Zahl der Menschen ohne sauberes Trinkwasser und ohne Abwasserentsorgung halbiert wer-den, so der Beschluss des Weltgip-

fels von Johannesburg im Herbst 2002. In der entwicklungspoli-tischen Diskussion um die Umset-zung dieser Beschlüsse wird in der Regel davon ausgegangen, dass die Wasserinfrastruktur in Deutsch-land als vorbildlich anzusehen ist. Dabei wird ausgeblendet, dass wasserpolitisch auch Deutschland ein Entwicklungsland ist, weil die seit 150 Jahren aufgebaute Infrastruktur aus ökologischen und aus sozio-ökonomischen Gründen umgebaut werden muss.

Vorbild für den SüdenEine Verknüpfung der Debatten um den nachhaltigen Umbau unserer Ver- und Entsorgungs-systeme und um den Aufbau der Wasserinfrastruktur in den Län-dern des Südens ist notwendig. Wenn eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit deutscher Wasserversorger mit Ländern des Südens gewollt wird, muss thematisiert werden, dass die bei uns aufgebauten Wasserinfrastruk-tursysteme nicht übertragbar sind. In den Megastädten des Südens ist schließlich anders als in rei-chen Industrienationen - weder das Kapital zum Aufbau und zur Erhaltung noch zum Betrieb dieses Systems vorhanden. Auch fehlen dort für Wasserinfrastrukturen nach europäischem Muster die verfügbaren Wassermengen und das Kapital.

Deutsche Wasserversorgungsun-ternehmen wollen sich in Zeiten der Privatisierung immer stärker in anderen Ländern engagieren. Sie müssen jedoch mit Akzeptanz- und Imageproblemen rechnen, wenn sie in Ländern des Südens wassersparende Systeme errichten, die täglich weniger als 50 Liter pro Kopf zur Verfügung stellen, und gleichzeitig in Deutschland, wo der Verbrauch bei 121 Litern liegt, gegen Wassersparen plädieren.

Denn im Süden ist in der Regel nur das aus dem Norden glaubwürdig, was sich die Menschen der Nord-halbkugel selbst leisten.Nur wenn in Deutschland und anderen Industrieländern die Wasserinfrastruktur für eine nach-haltige Entwicklung umgebaut wird, können Blaupausen entste-hen, die auf die Megastädte des Südens übertragbar sind. Für die deutschen Versorgungsunterneh-men, die Sanitärwirtschaft und die beratenden Ingenieure besteht die Chance, Wasserkonzepte hier in großem Stil auszuprobieren um sie dann in andere Länder erfolgreich exportieren zu können.

AutorenDr. phil. Thomas Kluge, PD, geb. 1948 in Kiel. Studium der Rechts- und Sozialwissenschaften. Lehrtä-tigkeit an der Universität Kassel, FB Regional- und Landschaftsplanung.Forschungsschwerpunkte: Was-serforschung; Umweltplanung; Regionale Nachhaltigkeit.Dr. phil. Engelbert Schramm, geb. 1954 in Fulda. Studium der Biolo-gie, Chemie und Erziehungswis-senschaften. Forschungsschwer-punkte: Wissenschaftsforschung; Wasser und Stoffströme.

Literatur-Kluge,Th.(�000):WasserundGe-sell-

schaft.VonderhydraulischenMa-schi-neriezurnachhaltigenEntwicklung,Opladen.

-Lange,J.,R.Otterpohl(�000,z.Aufl.):Abwasser.Handbuchzueinerzukunfts-fähigenWasserwirtschaft,Donau-eschingen-Pfohren.

-Leist,H.J.;Margoulas,G.(�00�):WasserspareninDeutschlandistUn-sinn,FrankfurterRundschau��.3.�00�.

-Schramm,E.(�000):AmBilddesKreis-laufs.Perspektivenfürdenstädti-schenUmgangmitWasser.In:KunstundAusstellungshallederBundesrepu-blikDeutschland(Hrsg.):Wasser,Köln,S.3��-353.

-Töpfer,K.(����):FüreinenMarshall-planderWasservorsorgeinderWelt.Korre-spondenzAbwasser��/����.

-UNESCO(�003):WaterforPeople.WaterforLife.TheUnitedNationsWorldWaterDevelopmentReport.UNESCOPubli-shing/BerghahnBooks.

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7. Daten: Wasserverbrauch, Wassergewinnung, Abwasserbeseitigung

3.4.2 Arbeitsaufträge für die Expertengruppenarbeit

EXPERTENGRUPPE ÖKONOMIE

1. Erläutern Sie die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten von Süßwasser als Produktionsfaktor!

2.1 Definieren Sie die Begriffe „freies Gut“ und „Wirtschaftsgut“!2.2 Untersuchen Sie mögliche Gründe für die Entwicklung von Süßwasser zum Wirtschaftsgut! Gehen Sie in Ihrer

Antwort auch auf die Ursachen für die zunehmende Wasserknappheit ein!

3. Untersuchen Sie in Grundzügen die Entwicklung des Süßwasserverbrauchs weltweit und in Berlin! Gehen Sie in Ihrer Antwort auch auf die Bedeutung der Abwasserbeseitigung ein!

4. Erläutern Sie unter Bezugnahme auf die Süßwassernutzung den Begriff „soziale Kosten“!

5. Erarbeiten Sie für das Konzept einer nachhaltigen Nutzung von Süßwasser einen Stichwortkatalog! Untersu-chen Sie in diesem Zusammenhang, ob Wassersparmaßnahmen in den Ländern des Nordens eine sinnvolle Maßnahme sein könnten!

6. Erstellen Sie zur Vermittlung Ihrer Arbeitsergebnisse in der Stammgruppe ein Info-Blatt (eine DIN-A-4-Seite, 12-Punkt-Schrift), auf dem in Stichwörtern Ihre Antworten zu den fünf o. a. Aufgaben zusammengefasst sind!

7. Einigen Sie sich in Ihrer Expertengruppe auf fünf zentrale Begriffe aus der Bearbeitung Ihres Themas und schreiben Sie diese Begriffe auf blaue Karten (pro Karte ein Begriff)! Diese Begriffskarten dienen auch der Vermittlung der Expertenergebnisse in den Stammgruppen, so dass jede Stammgruppe alle fünf Karten benötigt.

Quelle:www.bwb.de/medien/pdf/GB_�00�_neu.pdf

Quelle:StatistischesBundesamt,Datenreport�00�,Bonn�00�,S.3��www.destatis.de/download/veroe/datenreport0�n.pdf

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3.5 Präsentationsthema: Uganda – Frauen sammeln Wasser

Aufgabenstellung:

a) Verschaffen Sie sich mit Hilfe eines Atlas und des vorliegenden Arbeitsmaterials einen Überblick über die geographische und wirtschaftliche Struktur Ugandas und des Gebiets des Oruchinga-Tals.

b) Markieren Sie farblich unterschiedlich die wirtschaftlichen (blau), politisch-sozialen (rot) und ökologischen (grün) Aspekte des Wasser-Projekts der Frauen im Oruchinga-Tal.

c) Entwickeln und gestalten Sie unter den angegebenen Gesichtspunkten eine oder mehrere Wandzeitungen in Plakatform.Folgende Gesichtspunkte sollten unbedingt berücksichtigt werden:• Die Situation der Frauen in Uganda allgemein

und speziell der Frauen im Oruchinga-Tal vor Beginn des Projekts im Jahr 1996.

• Wie wurde das Projekt in Gang gesetzt?• Wie hat sich das Leben der Frauen und ihrer Fa-

milien in sozialer, wirtschaftlicher und gesund-heitlicher Hinsicht verändert?

• Inwieweit sehen Sie in dem Projekt den Gedan-ken einer nachhaltigen Entwicklung verwirkli-cht?

d) Präsentieren Sie die Plakate der Klasse. Jedes Mitglied Ihrer Stammgruppe sollte einen kurzen Redebeitrag liefern (ca. 3 Minuten).

Quelle:www.ipicture.de/landkarte/landkarte_uganda.html

Oruchinga-Tal

1. Hintergrundinformationen zu Uganda

1.1 Grunddaten

Uganda DeutschlandStaatsform: Präsidiale Republik BundesrepublikFläche: 241.139 km2 357.022 km2

Bevölkerung: 22,2 Mio. 82,403 Mio.Bevölkerungsdichte: 113 Einw./km2 231 Einw./km2

jährl. Bevölkerungswachstum:- 3,2% 0,2%Säuglingssterblichkeit: 8,3% 0.4%Lebenserwartung: - Männer 42 Jahre 74 Jahre

- Frauen 42 Jahre 81 JahreAnalphabetenrate:

- Männer 22% 1%- Frauen 43% 1%

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 300 US$ 25 120 US$

1.2 Land und Leute

Ugandas Staatsgebiet wird vom Äquator durchschnitten und besitzt ein ausgeprägtes innertropisches Klima. Da Uganda Teil des ostafrikanischen Hochlands ist und zum größten Teil zwischen 1.000 und 1.300 m über dem Meeresspiegel liegt, wird das Klima allerdings gemildert. Je nach Höhenlage schwanken die Jahresmittelwerte zwi-schen 15°C und 27°C. Größere Temperaturschwankungen im Jahresverlauf finden auf Grund der Tropenlage kaum

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statt. Die durchschnittliche Jahresniederschlagsmenge liegt bei 1.000 bis 2.000 mm, wobei der Nordosten und Westen deutlich trockener sind als der Süden. (...) Die Bestände an tropischem Regenwald wurden zur Gewinnung von Ackerflächen stark dezimiert und bedecken mittlerweile nur noch knapp 8 % der Staatsfläche. Uganda ist ein Nil-Staat und liegt in der „Region der Großen Seen“. Ein Großteil des Victoria-, des Albert- und des Edward-Sees liegen auf seinem Territorium. Der Fischreichtum dieser Seen sichert für viele in Uganda das Überleben.In den letzten Jahrzehnten mehrten sich die Anzeichen für eine schleichende Klimaverschlechterung. Die Durch-schnittstemperaturen sind in ganz Uganda angestiegen. Daneben gibt es verstärkt Heuschreckenplagen. Schwär-me aus dem Sahel dringen weiter in Richtung Äquator vor und gefährden die Ernten. Schließlich ist noch die fortschreitende Verschmutzung der großen Seen durch Abwässer aus Städten, Bergbau und der Landwirtschaft als akute Umweltbelastung zu nennen, denn die großen Seen stellen die wichtigsten Trinkwasserspeicher der Region dar.Uganda ist mit seinen über 20 Mio. Einwohnern einer der am dichtesten bevölkerten Staaten Afrikas. Etwas 13 % der Gesamtbevölkerung leben in Städten. (...) Das jährliche Bevölkerungswachstum wird mit drei Prozent ausgewiesen. Da heute 50 % der Bevölkerung jünger als 15 Jahre sind, wird sich dieses Wachstum weiter fortsetzen und nur langsam verflachen. (...)

1.3 Rolle der Frauen

In der Verfassung von 1995 werden in Art. 33 Männer und Frauen gleich gestellt, Gesetze, Sitten und Gebräuche, die die Rechte bzw. den Status von Frauen beeinträchtigen, wurden damit verboten. Die Durchsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte der Frauen bleibt jedoch mehr als fraglich.Die gesellschaftliche Realität der Frauen in Uganda sieht folgendermaßen aus: Frauen sind wesentlich ärmer als Männer, ihre Alphabetisierungsrate ist unterdurchschnittlich niedrig. Frauen sind zwar für die Sicherung der Fami-lie zuständig, der rechtlich gesicherte Zugang zu Land bleibt ihnen jedoch oftmals verwehrt. Sie sind für den größ-ten Teil der Hausarbeit zuständig und müssen nebenbei noch die Felder bewirtschaften. Hinzu kommt die oftmals sehr beschwerliche und zeitintensive Arbeit des täglichen Brennholz- und Wasserholens. Während die Frauen als Konsequenz der Doppelbelastung durchschnittlich 15-18 Stunden am Tag arbeiten, beträgt die durchschnittliche Arbeitszeit der Männer 8-10 Stunden.Traditionelle Rechtsvorstellungen verstärken vor allem in den ländlichen Gebieten die Benachteiligung der Frauen. Verheiratete Frauen können beispielsweise ohne die Zustimmung ihres Ehemannes keinen Pass beantragen. Häusliche Gewalt von Seiten des Ehemanns wird als natürliches Recht angesehen. Selbst bei Vergewaltigung gibt es praktisch keine Verfolgung der Täter. Nach allgemeiner Einschätzung dürfte noch einige Zeit vergehen, bis eine gleichberechtigte Stellung von Männern und Frauen möglich ist. (...)

1.4 Geschichte und Politik

Bis in das 19. Jahrhundert war das Gebiet des heutigen Uganda das Königreich Buganda. In dieses Gebiet waren im ersten Jahrtausend unserer Zeit Bantu-Völker eingewandert. Buganda knüpfte im Lauf des 19. Jahrhundert Han-delsbeziehungen bis an den Indischen Ozean und wurde für die europäischen Kolonialmächte interessant. Ab 1872 fielen britisch-ägyptische Truppen von Sudan her in Buganda ein und nachdem sich Großbritannien und Deutsch-land über ihre Interessen in Afrika geeinigt hatten, wurde das Königreich 1894 offiziell britisches Protektorat.Bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1962 blieb Uganda unter britischer Verwaltung.Uganda wurde 1963 eine Republik und erlebte in den sechziger und siebziger Jahren schwierige Zeiten. 1971 übernimmt Idi Amin nach einem Militärputsch die Macht und übt eine Schreckensherrschaft aus. Oppositionelle werden verfolgt und umgebracht, in das Land eingewanderte Asiaten werden Repressionen ausgesetzt. Auch nach der Vertreibung des Diktators Idi Amin im Jahr 1979 kommt das Land nicht zur Ruhe. 1986 übernimmt der jetzige Präsident Museveni die Macht. Ihm gelingt es, Anerkennung im In- und Ausland zu erlangen und durch Wirtschafts- und Währungsreformen einen Wirtschaftsaufschwung herbeizuführen. Das Land hat eine Präsidialver-fassung. Das Mehrparteiensystem wurde nach umstrittenen Wahlen abgeschafft, es kommt zu Menschenrechtsver-letzungen. Seit 1997 kommt es immer wieder zu Angriffen von Rebellenorganisationen, was dazu geführt hat, dass über 80.000 Menschen das Land verlassen haben.

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1.5 Gesundheitswesen

Von der britischen Kolonialverwaltung ererbte Uganda ein verhältnismäßig gut ausgebautes und funktionierendes Gesundheitswesen, das jedoch unter dem Diktator Idi Amin genauso wie die Volkswirtschaft ruiniert wurde. (...) Auch nach Einsetzen der wirtschaftlichen Erholung ist die medizinische Versorgung für weite Teile der Bevölkerung schlecht, insbesondere auf dem Land. ( ...) Armut, schlechte Ernährungs- und Hygieneverhältnisse, begrenzte Be-handlungsmöglichkeiten und weite Verbreitung von AIDS führen zu der durchschnittlichen Lebenserwartung von nur 43 Jahren. Die vorherrschenden Krankheiten sind Malaria, Tuberkulose, Durchfälle und AIDS. (...)

2. Jeder Tropfen Regen ist ein Geschenk des Himmels

Etwa 71.000 Menschen leben im Oruchinga-Tal im Südwesten Ugandas. Einzige Wasserquelle der Region ist der Fluss Kagera an der Grenze zu Tansania; das wenige vorhandene Grundwasser ist aufgrund hoher Mineralienanteile ungenießbar für Mensch und Tier. Das ablaufende Regenwasser ist verschmutzt und führt beim Gebrauch ohne Vorbe-handlung zu Krankheiten.Frauen und Kinder müssen bis zu acht Kilometer gehen, bis sie an eine Wasserquelle kommen. Danach werden die Wasserkanister wieder acht Kilometer zurückgeschleppt. Das kostet viel Zeit und Energie. Deshalb haben Frauen weniger Zeit für die Arbeit im Haushalt oder Tätigkeiten, mit denen sie Geld verdienen könnten. Kinder können oft nicht zur Schule gehen, weil sie beim Wasserholen mithelfen müssen. Die Mädchen werden nicht selten auf dem Weg zur Wasserquelle sexuell belästigt oder vergewaltigt.

Die Landbevölkerung muss also Wege suchen, um Wasser zu beschaffen. In der Region regnet es zweimal jährlich mit einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge zwischen 800 und 1200 mm. Deshalb kann Wasser gewonnen werden. Unterstützt wird sie dabei von der Agency for Cooperation and Research in Development (ACORD). Diese Organisation ist ein Konsortium, das von internationalen und nicht-kirchlichen Hilfswerken finanziell unterstützt wird. In Uganda bietet ACORD Schulungen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse für die ländliche Bevölkerung an.

Im Februar 1996 besuchten acht Vertreterinnen von Frauengruppen aus dem Oruchinga-Tal mit ACORD-Mitarbeitern Kenia, um etwas über die „Regenwasser-Ernte“ zu lernen. Zwei Wochen lang war die Gruppe unterwegs und schaute sich Wassertanks an, die kenianische Frauen in Eigenregie gebaut hatten. Zurück aus Kenia bekam jede Frauen-Gruppe Material zum Bau eines Demonstrationsbeckens und technische Beratung von ACORD.Als ideale Partnerinnen für die weitere Verbreitung der Regenwasser-Nutzung im Tal erwiesen sich Frauen, die sich in Sparvereinen zusam-

menschlossen: Zehn bis 15 Frauen sparen gemeinsam für einen Regenwasser-Tank. Erst wenn dann alle Frauen einen Tank haben, sind diese nicht mehr gemeinsamer Besitz, sondern gehören jedem Gruppenmitglied selbst.

So entstanden mit der Zeit immer mehr neue Wassertank-Gruppen. Über 200 unterstützt ACORD in der mo-mentanen Phase: durch technische Hilfe bei der Konstruktion und der Instandhaltung der Wassertanks, Tipps für Hygiene und Gesundheitspflege, durch Hilfe beim Materialtransport und bei der Finanzierung der Tanks. Der Lebensstandard der Bevölkerung im Oruchinga-Tal hat sich durch die „Regenwasser-Ernte“ enorm verbessert: Kinder gehen wieder zur Schule, da sie kein Wasser mehr herbeischaffen müssen, und die Mütter haben mehr Zeit, die sie zum Beispiel in landwirtschaftliche Arbeit, Hygienemaßnahmen oder den Aufbau einer Viehzucht investieren können. Kosten und Finanzierung Gesamtkosten (drei Jahre); € 229.400,- Träger: ACORDFinanzierung: „Brot für die Welt“ € 122-800.- Eigenbeitrag €106.600,-

UgandischeKinderkönnenoftnichtzurSchulegehen,weilsiefürsWasserholenzuständigsind.Foto:HelmutHess,„BrotfürdieWelt“

Weitere InfosSandundSteinesowiezweiDrittelderKos-tenfürdenBaueinesWassertanksstreckendieFrauengruppenimAllgemeinenvor,derRestwirdvonder„BrotfürdieWelt“-Part-nerorganisationACORDfinanziertDerBe-trag,deneineGruppefüreinenTankspart,beläuftsichinderRegelaufca.�65Euro.

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2.1 Lehren aus einem Besuch in Kenia und neue Entwicklungen

Die acht Frauen aus dem Oruchinga-Tal in Uganda, die im Februar 1996 mit Mitarbeitern von ACORD Kenia besuchten, brachten von diesem Besuch weit mehr mit als das Wissen rund um den Bau der Wassertanks zur Regenwasser-Ernte.Beeindruckt von den guten sanitären Einrichtungen in Kenia entschie-den sie, mit jedem Wassertank auch eine Latrine zu bauen. Sie über-nahmen die Idee, Brennholz sparende Öfen herzustellen und lernten wie vorteilhaft es ist, Vieh in Ställen und umzäunten Weiden aufzuzie-hen. Dass die kenianischen Schwestern völlig eigenverantwortlich hart arbeiteten, gab den Frauen aus Uganda Mut, sich selbst in der „Regenwasser-Ernte“ zu engagieren. Und auch die gute Kooperation zwischen Jung und Alt war eine Erfahrung, die die Frauen in ihren eigenen Gruppen verwirklichen wollen – in manchen Gruppen ließen sie später sogar Männer zu.Während in den kenianischen Gruppen alle Mitglieder denselben wirtschaftlichen Standard hatten, nahmen die Frauengruppen aus dem Oruchinga-Tal auch Mitglieder mit weniger Kapital auf. Sie schufen eine neue Technik für die Untergrundbecken für die „Regenwasser-Ernte“ – mit Plastikfolie ausgekleidete Becken kosten nur ein Fünftel der zylinderförmigen Eisenzementbecken. Mit einer Wasserquelle am Haus ist es dann auch armen Men-schen möglich, sich nach weiteren Einkommensquellen umzuschauen, um später einen haltbareren Wassertank zu bauen.Sofort sichtbar ist die bessere Wohnsituation der Familien, die Regenwasser ernten. Die meisten mussten zuerst Geld für Wellblech zum Auffangen des Regenwassers sparen, und nahmen dies gleich zum Anlass. ein neues Haus aus Ziegelsteinen zu bauen. Ohne die stetige Sorge um Wasser erhöhte sich die Motivation, sich neuen Heraus-forderungen zu stellen. Bei vielen Gruppen existieren deshalb bereits Pläne für neue Aktivitäten für die Zeit nach der Fertigstellung der Wassertanks: von landwirtschaftlichen Tätigkeiten bis zu Lebensmittelverarbeitung und -vermarktung. Durch den guten Ruf bei den Frauengruppen wird ACORD eine wichtige Rolle bei der Ver-sorgung mit Informationen und bei der Beratung zur Entwicklung realistischer Strategien für neue Arbeitsfelder spielen. Auch die gesundheitliche Situation der Menschen im Tal hat sich verbessert. Als Folge der schweren Dürre waren im Juli 1999 die meisten Nachbartäler von einer Cholera-Epidemie betroffen. ACORD ist davon überzeugt, dass das Wasser- und Latrinenprogramm dazu geführt hat, dass sich die Cholera im Oruchinga-Tal nicht verbreitet hat.

2.2 Enid Kyomugishas Leben hat sich verändert

„Ich war eine von acht Landfrauen, die 1996 für eine Reise nach Kenia ausgewählt wurden, um zu sehen, wie Bäuerinnen im Laikipia-Distrikt Regenwasser nutzten. Davor war ich Hausfrau und vom Eigenanbau abhängig. Außerdem war ich Mitglied einer Frauengruppe, die Hand-arbeiten zum Verkauf herstellte“, erzählt Enid Kyomugisha, 42-jährige Mutter von sieben Kindern.Das Verdiente reichte weder für die Deckung der familiären Bedürf-nisse noch für die Schulgebühren ihrer Kinder. „Durch den Besuch in Kenia lernte ich, dass es uns besser gehen würde, wenn wir Wasser vor der Haustür hätten. Davor stapfte ich mit meinem Kanister auf dem Kopf täglich zwei Stunden, um Wasser zu holen.“ Nach der Schu-

lung in Kenia erzählte Enid Kyomugisha ihrer Frauengruppe von der Idee, Tanks selbst zu bauen, damit regelmä-ßig Wasser zur Verfügung steht. Und tatsächlich: In Eigenleistung, mit technischer Unterstützung von ACORD, bauten die Frauen wenig später den ersten Wassertank. „Mit dem Verkauf unserer Handarbeiten schaffen wir es, in einem Jahr zwölf Tanks zu bauen“, erzählt Enid Kyomugisha stolz. „Ich bin überglücklich, weil ich keine weiten Wege mehr gehen muss, um Wasser zu holen. Unsere finanzielle Lage hat sich dadurch verbessert; ich habe jetzt mehr Spielraum, mich mehr um meine Bananenplantage zu kümmern. Der Ertrag ist bereits gestiegen.“

DerRegenfließtausDachrinnenzueinemWassertank,derbiszu�0.000Literfasst.Foto:FranziskaKrisch

VielederFrauengruppenrealisierennochweitereProjekte,wenndieWassertanksgebautsind,zumBeispieldieAnschaffungvonVieh.Foto:ACORD

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Da jede der Frauen inzwischen ihren Wassertank vor der Haustür stehen hat, macht die Frauengruppe jetzt mit der Heifer-Idee weiter. Diese wurde 1944 von Dan West, Bauer aus dem amerikanischen Bundesstaat Indiana, begründet. Ein Mitglied einer Gruppe bekommt eine Kuh geschenkt. Die erste Färse („Heifer“) wird dann einem weiteren Gruppenmitglied kostenlos abgegeben.Enid Kyomugisha war die Erste, die eine Kuh geschenkt bekam. Jeden Tag bekomme ich 15 Liter Milch. Zehn werden verkauft und die restlichen fünf sind für meine Familie. Unsere Kinder gehen jetzt in eine weiterführen-de Schule, und ich wurde in das Exekutiv-Komitee unseres Dorfes gewählt‘, sagt sie abschließend.

DasGesprächmitEnidKyomugishaführteACORD.

2.3 Das Leben der Witwe Jackline KakwiiniDieFrauenschlie-ßensichzuSparver-einenzusammen,umdenBauderWassertankszufinanzieren.Foto:HelmutHess,„BrotfürdieWelt“

Jackline Kakwiini lebt auf einem Hügel in Katembe Parish. Haupteinnahmequelle der Menschen dort ist der Anbau von Bananen, die sie jedoch hauptsächlich für den Eigenbedarf benötigen. Regelmäßig Wasser gibt es hier nicht; der Regenablauf enthält alle möglichen Verunreinigungen. „Seit ich vor 22 Jahren geheiratet habe, gehörte es zu meiner Routine, Wasser zu holen. Nachdem ich täglich zehn Kilometer dafür gegangen bin, konnte ich keine andere bedeutende Arbeit mehr erledigen“, erzählt Jackline.1987 starb ihr Ehemann an Cholera. Das hatte verheerende Auswirkungen für die Familie: Die Kinder muss-ten beim Wasserholen helfen. Mit dem mageren Einkommen aus der Bananenplantage war es ihnen nicht möglich, weiter die Schule zu besuchen. Die Witwe hat schlechte Erinnerungen an diese Zeit: „Meine Familie wurde immer ärmer und dadurch auch häufig krank. Ich konnte mich nicht mehr um das Wohlergehen der Kinder kümmern.“Als dann „Brot für die Welt“ ein Projekt zur Regenwassergewinnung und zur Verbesserung der sanitären Anlagen unterstützte, schloss sich Jackline Kakwiini einer Frauen-Wassertank-Gruppe an. Wir begannen, Geld für Wassertanks zu sparen. Irgendwann war ich an der Reihe und errichtete einen neun Kubikmeter fassenden Wassertank. Seither bekomme ich sauberes Wasser direkt vor meinem Haus. Dies gab mir genügend Zeit, meine Bananenplantage zu verbessern. Mein Einkommen stieg dadurch“, berichtet sie stolz.Ihre Kinder gehen nun regelmäßig zur Schule, Gesundheitszustand und Hygiene im Haushalt haben sich ver-bessert. Durch den Verkauf von Bananen konnte die Mutter auch ihr Haus renovieren - und hat einen Traum: „Als Nächstes spare ich für ein neues Haus. Wenn alle Frauen unserer Gruppe einen Tank besitzen, stellen wir einen neuen Spar- und Kreditplan auf. Und wieder bekommt reihum jede Frau im Losverfahren Geld, um für weitere Dinge des täglichen Lebens investieren zu können“.Das Gespräch mit Jackline Kakwiini führte ACORD.

Quellen:TeilI:BrotfürdieWelt(Hg.)JederTropfenRegenisteinGeschenkdesHimmels,Stuttgart�003(Textabschnittevonmirleichtgekürztundmodifiziert,bes.�.�;Anm.D.Kreter))Teit�:www.brot-fuer-die-welt.de/uganda

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3.� Präsentationsthema: Staudammprojekt in Kurdistan

Präsentationsthema: Staudammprojekt in Kurdistan

Aufgabenstellung

a) Orientieren Sie sich in einem Atlas über die geographische und wirtschaftliche Struktur des Staudammpro-jektgebietes.

b) Markieren Sie im Text des vorliegenden Arbeitsmaterials wirtschaftliche, politisch-soziale und ökologische Aspekte des Staudammprojektes.

c) Entwickeln und gestalten Sie unter den angegebenen Gesichtspunkten eine oder mehrere Wandzeitungen in Plakatform.Folgende Gesichtspunkte sollten unbedingt berücksichtigt werden:– Offizielle Planung: Was ist geplant, wem soll es nutzen?– Folgen des Bewässerungslandbaues:I) Folgen für die Menschen der Region und an den unteren FlussläufenII) Folgen für die Umwelt– Hypothesen zur Problemlösung

d) Präsentieren Sie Ihre Plakate der Klasse; jedes Mitglied Ihrer Stammgruppe sollte einen Redebeitrag von ca. 3-4 Minuten halten.

1. Das Südostanatolien-Projekt (GAP):1.1 Hoffnung für einen Ungunstraum

In einer großen deutschen Tageszeitung wurde 1990 berichtet, dass die Menschen in Urfa, in Südostanatolien, sehr unter der Trockenheit litten. Die Böden seien aufgerissen, die Ebenen ohne Baum und Strauch und die Zie-gen und Schafe fänden kaum mehr Nahrung. Im Südosten der Türkei lähme die alljährliche Sommerhitze von bis zu 60 Grad im Schatten alles Leben.Die übers Land verstreuten Dörfer seien von weitem kaum auszumachen. Die aus Lehm gebauten Häuser verschwänden für das Auge in den endlosen Flächen nahe der syrischen Grenze. Die Dorfbrunnen versickerten oft für mehrer Tage oder Wochen und die Bauern klagten, dass das Wasser für sie und die Tiere nicht reiche. Die Tiere schlürften das bräunliche Wasser vom Abwaschen. Im letzten Jahr habe die Dürre die gesamte Weizenernte zerstört, klagten die Bauern. Sie hofften, so viel geerntet zu haben, wie sie Saatgut eingesetzt haben. Von der Landwirtschaft könnten die z.T. achtköpfigen Familien nicht ernährt werden. Die Söhne müssten als Tagelöhner in der 350 Kilometer entfernten Cukurova-Ebene bei Adana arbeiten. Die Bauern müssten ihre Notgroschen, nämlich das Jungvieh, verkaufen.Der Südosten der Türke zähle zu den ärmsten Regionen des Landes, wird berichtet. Die Analphabeten- und Arbeitslosenrate läge weit höher als im türkischen Durchschnitt. Es gäbe weniger Lehrer, weniger Ärzte, weniger Industrie. Die Klein- und Kleinstbauern wanderten in die Groß-städte und fristeten dort ebenso mittellos wie zuvor – ihr Leben in den Gecekondus, den Armenvierteln. Sie träumten davon, dass das Wasser käme......

1.2 Ein Bewässerungsprojekt und seine Folgen „Ne mutlu türküm Diyene“. Glücklich ist, wer sich Türke nennen darf. Die riesigen Lettern auf dem Staudamm des Atatürk-Stausees sind Programm. Hier manifestiert sich der Stolz der türkischen Nation, ein »Jahrhundertprojekt« zu realisieren, hier soll der Sprung in die Neuzeit stattfinden. Mehr als zehn Jahre baute die türkische Republik im Südosten der Türkei zwischen den Städten Adiyaman und Urfa einen der größten Staudämme der Welt, die Stauhöhe beträgt 160 m. Mit seinen 800 Quadratkilometern Fläche ist der Stausee etwa anderthalb Mal so groß wie der Bodensee. Der Atatürk-Damm ist Teil des aufwendigen, integrierten Entwicklungsprogramms »Güney-dogu Anadolu Projesi« (SüdostanatolienProjekt = GAP), das im Endzustand 22 Staudämme aufweisen soll und mit 19 Energiegewinnungsanlagen bis zu 8.000 kWh vor allem in den westtürkischen Energiesektor liefern soll. Daneben verspricht sich die Türkei durch Bewässerungsanlagen die Steigerung der landwirtschaftlichen Produk-tion (besonders in der Harran-Ebene auf einer Fläche von 1,6 Mio. ha). Nicht zuletzt kann die Türkische Republik

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mit Hilfe der Staudämme die Wassermengen bestimmen, die von Euphrat und Tigris nach Syrien und in den Irak fließen, die Türkei wird zur regionalen Wassersupermacht; Konflikte mit den Nachbarn sind vorprogrammiert.Rainer Stoodt, Konfliktstoff Wasser (www.uni-muenster.de)

Zielvorstellungen der GAP-Behörde bis zum Jahre 2005- Erhöhung des Staatseinkommens um 12 %;- landwirtschaftlicher Produktionsüber schuss für den Export;- Ausbau der regionalen Industrieproduk tion um 10 % jährlich;- Ernährung von 80 Mio. Menschen aus eigener Produktion;- Aufstockung der Zahl der in der regionalen Landwirtschaft Beschäftigten auf 3,3 Mio

durch 1,8 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze;- Steigerung der Landesenergieerzeugung um 22 % - Ausweitung der anteiligen regionalen Bewässerungsflächen von derzeit 3 % auf 53 % - Steigerung des Fremdenverkehrs auf 400000 Besucher jährlich.“NachVolkerHöhfeld:Türkei.SchwellenlandderGegensätze.Gotha:Klett-Perthes���5,S.�3�

1.3 Südostanatolien ist Kurdistan

Kurdistan, reich an Ressourcen-Erdöl, Kupfer, Kohle und vor allen Dingen Wasser, ist bis Ende der 70er Jahre von der Türkei in allen Bereichen in einem unterentwickelten Status gehalten worden. In Kurdistan wurden bisher lediglich zwischen 3 und 5 % des Kulturlandes bewässert. Der große Rest wurde nicht bewässerungstechnisch genutzt, weil die türkische Regierung bisher im Zuge der Politik der bewussten Unterentwicklung Kurdistans die reichhaltigen Wasservorräte im »Südosten« zur landwirtschaftlichen Bewässerung nicht einsetzte. Dies soll sich durch die GAP-spezifischen Vorhaben grundlegend ändern: landwirtschaftliche Entwicklung im großen Stil ist angesagt. Mit modernster Technologie, dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln soll die Agrarproduktion um ein Vielfaches gesteigert werden, um damit die Märkte des Nahen Ostens zu erobern ... Ziel der Agrarspezialisten ist eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung nach dem Rotationsprinzip. An vorderster Stelle stehen der Anbau von Baumwolle, Sommer- und Winterweizen, Sommer- und Wintergemüse, Mais, Soja-bohnen, Erdnüsse, Pistazien, Weintrauben und Zitrusfrüchte.In der Viehzucht soll der Rinder- und Schafzucht Vorrang gegeben werden ...

Durch einen Blick auf die Landverteilung lassen sich zwei große Besitzergruppen ausmachen. Etwa 70 % des Landes ist Staatseigentum, etwa 25 % gehört kurdischen Aghas (Großgrundbesitzer) und der bescheidene Rest verteilt sich auf die Masse der Bauern, wobei knapp die Hälfte, 45 %, zu den Landlosen gehört. Auch wenn der Masterplan diese Landverteilung andeutungsweise feststellt und eine Landreform, die letzte war 1973, überfällig ist, so bleibt immer noch die Frage, ob die Masse der Menschen etwas von den großen Versprechen abbekom-men wird, die unter dem Stichwort »Disparitätenabbau« (Abbau von Ungleichheiten) gehandelt werden....Bisher bewirtschafteten die Bauern das Land in kleinen und mittleren Parzellen. Durch GAP soll eine großflächige Nutzung mit modernsten Maschinen, Kunstdüngern und Pestiziden vorgenommen werden, um optimale Ern-teerträge zu erzielen. Solche Investitionen kann aber die Mehrheit der Bauern nicht leisten, so dass das Projekt vorwiegend den Großgrundbesitzern nutzen wird, »da diese gegenüber den Kleinbauern mehr Kapitalkraft, größere politische Macht, einen höheren Bildungsstand und eine größere Akzeptanzbereitschaft gegenüber Neuerungen besitzen«. Der Masterplan beklagt zudem das im Vergleich zum Durchschnitt der Türkei niedrige Bildungsniveau. Da aber in der zukünftig voll mechanisierten Landwirtschaft Agrarspezialisten benötigt werden, werden lese- und schreibkundige Menschen aus der Westtürkei die Arbeitsplätze erhalten. Die Masse der Land-arbeiter wird vermutlich ebenfalls aus der Westtürkei kommen. Welche Arbeitsplätze und Einkommensverbesse-rungen, welche Reichtümer für die Kurdinnen und Kurden abfallen werden, wird sich zeigen ....HeidiHinz-Karadeniz/RainerStoodt,DieWasserfalle,S.��ff

Nicht abzusehen sind auch die sozioökonomischen Folgen, die die Entwicklung zur Agroindustrie mit sich brin-gen wird. In der GAP-Region leben z. Zt. etwa 4,5 Mio. Menschen. Nach Beendigung des Projekts sollen es über 12 Mio. sein. Mit der Zwangsumsiedlung tausender kurdischer Familien in die Westtürkei soll die Ansiedlung

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türkischer Familien aus der dicht besiedelten Schwarzmeeregion einhergehen. Eine beträchtliche Anzahl land-loser Bauern sieht sich aufgrund der Zerstörung ihres traditionellen Lebens- und Arbeitsraumes, der Subsistenz-wirtschaft, gezwungen, die Heimat zu verlassen, um in den rapide wachsenden Elends-Vierteln der türkischen Großstädte und der kurdischen Städte ... ein karges Dasein zu fristen und mit Tagesjobs den Lebensunterhalt zu bestreiten. Bereits die Umsiedlung der überfluteten Dörfer bereitete der Türkei massive Probleme. Zahlreiche DorfbewohnerInnen, die seit 1985 durch das Ansteigen des Atatürk-Sees evakuiert werden mussten, haben bis heute noch nicht die vereinbarte Entschädigungssumme erhalten, die landlose Bevölkerung ging sowieso leer aus.Nach Aussage von DorfbewohnerInnen erhielten die Großgrundbesitzer aufgrund ihres Einflusses bei den Behörden umgehend Entschädigungszahlungen. Dazu kam, dass sie, im Wissen um Entschädigung, Land in den zu überflutenden Gebieten aufkauften. Dieselben kaufen nun in dem ausgewiesen Tourismusbereich am Atatürk-See wiederum Land, das später an internationale Hotelketten weiterverkauft werden soll. So werden die Reichen immer reicher, während ein Großteil der vertriebenen kurdischen Bevölkerung weiter verarmt.Rainer Stoodt, Konfliktstoff Wasser (www.uni-muenster.de)

2. Umweltauswirkungen der Staudammprojekte

Von hohem Rang sind auch die Umweltauswirkungen der Staudämme. Flüsse und ihr Umland sind in hohem Grade voneinander abhängig und stehen in vielfachen Wechselwirkungen. Die Folgen des Baus von Staudäm-men wirken auf die gesamten Fließgewässerlandschaften. Diese Effekte betreffen erstens das Fließgewässer und seine Aue selbst, zweitens die gefluteten Territorien, drittens die Umgebung und die Region der neuen Wasserkörper, viertens die Veränderung der Landnutzung im Umland, aber auch in der weiteren Region. Eine Gesamt-Umweltverträglichkeitsprüfung fand für GAP nicht statt (Hinz-Karadeniz/Stoodt 1993). Weder existiert eine systematische Aufnahme des ökologischen Zustandes der Region, noch wurden die zu erwartenden Ände-rungen der Ökosysteme analysiert....

2.1 Auswirkungen auf die Flüsse und ihre Ökosysteme

Der Charakter der Flüsse wird grundlegend verändert. Nach Fertigstellung von GAP werden innerhalb der Türkei je etwa 50 % der ca. 750 km Fließstrecke des Euphrat und der ca. 325 km des Tigris in Standgewässer umgewan-delt sein. Dies hat gravierende Auswirkungen auf diese Ökosysteme. Der Stoffhaushalt ändert sich dramatisch. Der Eintrag von Sauerstoff ist geringer als bei fließendem Wasser. Das Selbstreinigungsvermögen der Flüsse wird drastisch reduziert, Nähr- und Schadstoffe reichern sich an. Der Sauerstoffgehalt des Wassers sinkt insbesondere in den Sommermonaten. Die an das Fließgewässer angepassten Lebensgemeinschaften können in den Standge-wässern nicht existieren. Da in der Region natürliche Seen weitgehend fehlen, ist kaum ein Einwandern von an stehende Gewässer angepasste Organismen möglich. Die biologische Vielfalt nimmt daher drastisch ab.

Von besonderer Problematik ist die Unterbrechung des Sedimenttransportes. In den von GAP betroffenen ariden bzw. semiariden (trocknen, bzw. halb trocknen) Gebieten werden bei Regenfällen große Mengen von Bodenma-terial erodiert (ausgespült), welches in die Flüsse gelangt. Durch die Staudämme ist der Transport dieses Sedi-ments unterbunden. Die Stauseen entwickeln sich zu Sedimentfallen, die von diesem Material innerhalb weniger Jahrzehnte aufgefüllt werden. Im Rahmen von GAP sollen zwar Maßnahmen zum Erosionsschutz in Form von Aufforstungen durchgeführt werden, um dem Problem der Sedimentation zu begegnen. In der Realität ist davon in der Region nicht viel zu sehen. Im Gegenteil, nahezu alle großen Waldgebiete werden durch die Sicherheits-kräfte seit Jahren systematisch geschädigt und vernichtet, angeblich zur Bekämpfung des Terrorismus. Dabei werden die Wälder mit Herbiziden vergiftet, regelmäßig kahl geschlagen und aller größeren Bäume entblößt sowie unter Einsatz von Brandbeschleunigern wie Napalm abgebrannt ....

Unterhalb der Staudämme (hier sind vor allem die Länder der Flussunterläufe, Syrien und Irak, betroffen) kommt es durch fehlenden Sedimentnachschub zu Erosion des Flussbettes und der Ufer. Das Flussbett kann in kurzer Zeit mehrere Meter tiefer gelegt werden. Dieser Effekt tritt im Bereich mehrerer zehn bis hunderter Kilometer

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unterhalb des Dammes auf. Mit der Vertiefung des Flussbettes fallen auch die Grundwasserstände in der Aue. Dadurch wird die natürliche Vegetation geschädigt, für die Landwirtschaft kann Bewässerung erforderlich wer-den, Brunnen versiegen. Bei verschiedenen Großstaudämmen wurde als Effekt ein Sedimentmangel im Bereich der Flussmündungen beobachtet, der zu Erosion der Küsten ... führt ... Eine Folge für das Mündungsgebiet von Euphrat und Tigris ist die zunehmende Versalzung durch eindringendes Meerwasser, da der Fluss der Flut zu wenig Sedimente entgegensetzen kann).

Die Staudämme des GAP-Projektes verändern und reduzieren den Wasserabfluss flussabwärts erheblich. Dieser Effekt tritt insbesondere während der Flutung der Stauseen, aber auch im laufenden Betrieb auf. Die geplante Bewässerung von 1,7 Mio. ha Land im Rahmen des GAP-Projektes wird erhebliche Wassermengen den Flüssen entziehen und damit besonders in den wasserarmen Sommermonaten für stark verringerte Abflüsse sorgen. Die Dynamik der Wasserstände wird weitgehend zerstört, indem die Abflussspitzen zum Befüllen der Stauseen genutzt werden. Diese Dynamik ist jedoch für lebensfähige Auen unabdingbar. Die Biozönosen (Lebensge-meinschaften) der Fließgewässerlandschaft sind an das Abfluss- und Überflutungsregime des jeweiligen Flusses angepasst. Die Pflanzen- und Tierwelt ist von diesen Zyklen in wesentlichen Lebensfunktionen wie Fortpflan-zung und Vermehrung, Ruhephasen und Migration abhängig. Die saisonalen Überflutungen erfüllen mehrere ökologische Funktionen: sie lagern nährstoffreiche Sedimente ab und düngen damit die Aue, sie halten Altarme offen und füllen Feuchtgebiete und Standgewässer der Aue mit Wasser auf. Die Veränderung des Abfluss- und Überflutungsregimes durch Staudämme gefährdet den Fortbestand der Artenvielfalt der Fließgewässerland-schaft weit über den Stausee hinaus ....

2.2 Veränderungen des Umlandes

Welche Auswirkungen der Bau der großen Stauseen auf die Umgebung hat, ist kaum untersucht. Veränderungen des lokalen und regionalen Klimas durch die neuen großen Wasserflächen sind wahrscheinlich .... Ein Feuchterwerden des Klimas durch die hohe Verdunstung der Wasserflächen ist möglich. Im Umland der Stauseen bleibt der Grundwasserspiegel ganzjährig auf relativ gleich bleibend hohem Niveau. Dies kann, durch das Fehlen der Unterbrechung des kapillaren Aufstieges mineralreichen Grundwassers in den Sommermonaten, zu Bodenversalzung führen. Dies gilt besonders, wenn die Überschwemmungen, welche Salze auswaschen, ausbleiben ...

2.3 Auswirkungen durch Veränderungen der Landnutzung

Die von den Staudammprojekten betroffenen Gebiete werden derzeit regional sehr verschieden genutzt. In wei-ten Teilen spielt Regenfeldbau ohne Bewässerung eine große Rolle. Neben den häufig relativ intensiv wirtschaf-tenden Großgrundbesitzern gibt es noch einen nicht unbedeutenden Anteil von Kleinbauern (teilweise Pächter), die in extensiver Weise wirtschaften (arbeitsintensiv). Weite Gebiete mit steppenartiger Vegetation werden als extensives Weideland genutzt.

Durch die Bewässerungsprojekte und die Vertreibung großer Teile der ansässigen Bevölkerung werden diese meist der Subsistenz dienenden Produktionsformen verdrängt. Traditionelle relativ umweltschonende Landnut-zungsformen mit hoher Vielfalt an Kulturen und Sorten und einer reichen Kulturlandschaft verschwinden. Große Flächen werden in intensivem Bewässerungsfeldbau mit Kulturen für den Export bestellt. Großen Raum nimmt beispielsweise intensiver Baumwollanbau ein. Durch diese Intensivierung steigt der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden sowie schweren Landmaschinen mit allen bekannten negativen Auswirkungen für die Agrarö-kosysteme. Die extensive Bewässerung birgt unter den ariden Verhältnissen eine große Gefahr der Bodenver-salzung (siehe dazu den folgenden Text). Dieser wird in der Regel durch „Spülung der Äcker“ und Ableitung des salzreichen Wassers entgegengewirkt. Dieses Wasser erhöht allerdings dann den Salzgehalt von Flüssen und Standgewässern mit gravierenden Folgen für deren Ökosysteme und die Nutzbarkeit des Wassers ...

Versalzung, Vernässung und Pestizideinsatz führen zu gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung.

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Trinkwasser und Boden werden belastet. Durch das Bevölkerungswachstum im Projektgebiet steigt die Verun-reinigung des Wassers durch Abfälle. Mangelnde Versorgung mit Trinkwasser führt in diesem Zusammenhang zu einer Zunahme von Krankheiten wie Cholera, Hepatitis und Typhus. Die Zunahme der stehenden Gewässer durch Stauseen und Bewässerungsflächen führt auch zu einem Anwachsen der Populationen von Moskitos und Schnecken, die ihrerseits zur Ausbreitung von Malaria bzw. Bilharziose beitragen ...Stefan Michel, Staudammprojekte in der Türkei und Kurdistan

2.4 Problem der Versalzung

Nicht zuletzt ist die Versalzung ein ständiger Begleiter der Bewässerungslandwirtschaft in Trockengebieten. Diese Gebiete charakterisieren sich ja durch eine Verdunstungsrate, die im Jahresmittel die Niederschläge über-steigt. Wird unter solchen Klimaverhältnissen Wasser zur Bewässerung auf eine Parzelle geleitet, dringt es in den Boden ein und löst dort stets vorhandene Salze auf. Die hohe Temperatur trocknet den Oberboden rasch aus und erzeugt so einen kapillaren Wasseraufstieg, der mit der Kristallisation der gelösten Salze einhergeht. Die na-türlichen Niederschläge reichen an Trockenstandorten nicht aus, die angereicherten Salze wieder auszuwaschen. Über Jahre hinweg können sich daher große Mengen Salz im Wurzelbereich der meist auf hohen Salzgehalt sehr empfindlich reagierenden Nutzpflanzen ansammeln und die Erträge erheblich beeinträchtigen. Peter Rottach, Ohne Wasser nichts zu beißen?

2.5 Schlussfolgerungen

Bleibt abschließend zu überlegen, welche Möglichkeiten des Natur- und Menschenschutzes beim aktuellen Stand der Bauarbeiten verbleiben, welche Forderungen in der weiteren Planung unbedingt Beachtung finden müssen.Die schon realisierten Planungen lassen sich nicht mehr rückgängig machen, trotzdem erscheint hier eine sofor-tige Umweltverträglichkeitsprüfung unumgänglich. Nur eine sofortige Analyse der schon eingetretenen Verän-derungen macht eine effektive Schadensbegrenzung möglich ...Es muss ein Landnutzungskonzept gefunden werden, das nicht auf eine Profitmaximierung, sondern auf eine langfristig mögliche Nutzung angelegt ist! Ein solches Landnutzungskonzept beinhaltet immer Elemente des ökologischen Anbaus, wie beispielsweise Fruchtwechsel, organische Düngung, geringer Maschineneinsatz, Bau-mintegration. Verbesserungen in der Bewässerung selber müssen dabei auf einen minimalen Verbrauch zielen. Diese Form des Landbaus erfordert allerdings auch eine intensive Bewirtschaftung des bewässerten Landes. Nur die Umstellung auf eine arbeitsintensive Landwirtschaft mit geringen Betriebsgrößen – hierfür wäre wiederum eine umfassende Bodenreform dringende Voraussetzung – kann den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und damit die von der Umsetzung des Projekts erhoffte langfristige Existenzsicherung der regionalen Bevölkerung und die Anhebung der Produktivität garantieren ... ThomasMeyer,VonderBeherrschungderNaturzurSchadensbegrenzung

3. Kalter Krieg um Wasserrechte: Die internationale Dimension

Wasser und Wassernutzung im Euphrat- und Tigris-Gebiet, das bedeutet schon seit Jahrzehnten Streit um die Wasserrechte an den beiden Flüssen und eine Vielzahl von nicht koordinierten Aktivitäten und Projekten in den beteiligten Ländern Türkei, Irak und Syrien. Obwohl die zur Verfügung stehende Wassermenge in Euphrat und Tigris bei guter gemeinsamer Planung für die Projekte aller beteiligten Parteien ausreichen würde, gibt es seit Beginn der intensiven Wassernutzung in den siebziger Jahren einen regelrechten „Kalten Krieg“ um die Wasser-rechte in der Region. Mehrfach, zuletzt 1990, standen militärische Auseinandersetzungen kurz bevor. Bis heute konnten sie in letzter Sekunde immer noch abgewendet werden.Wer benötigt wie viel Wasser? Welche Projekte haben vorrangige Bedeutung für die gesamte Region? Welche Länder sind in der Lage das Wasser sinnvoll zu nutzen? Wer verschwendet mit seinen Projekten das kostbare Gut? Über diese Fragen streiten sich die Anrainerstaaten im Zweistromland.

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Fakt ist: Syrien und Irak sind für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung und zur Energieerzeugung abhän-gig vom Wasser des Euphrat und Tigris. Fast 80 Prozent seines Oberflächenwassers erhält Syrien aus anderen Ländern, insbesondere natürlich aus der Türkei, der Irak immerhin mehr als 60 Prozent. Wassermangel ist an der Tagesordnung. ... Als Unteranrainer der beiden Flüsse sind der Irak und Syrien zudem darauf angewiesen, dass die Türkei, in deren Staatsgebiet die Quellen der Ströme liegen, genug Wasser für die anderen Länder übrig lässt. Aber auch die Türkei beklagt den Wassermangel im eigenen Land und hat mit ihrem gigantischen Südostanatoli-enprojekt den Kampf um das Wasser in eine neue Dimension gelenkt.Spätestens seit dem vollständigen Absperren des Euphrats für fast einen Monat im Jahr 1990 zur Erstbefüllung des türkischen Atatürk-Staudamms ist das Ausmaß des Konfliktpotentials und die Brisanz der Situation im Zweistromland klar geworden. Die Türkei ist jederzeit in der Lage, Syrien und Irak regelrecht den „Wasserhahn“ abzudrehen und das lebensnotwendige Nass vorzuenthalten. Sollte dieses irgendwann für längere Zeit wirklich geschehen, ist ein kriegerischer Konflikt durchaus wahrscheinlich.

Quelle:INAMOBeiträge:KonfliktstoffWasser,Heft5/6���6,Mesopotamien:Wasserknappheitund/oderMachtspiel

Anmerkungen�) Sedimente:SchwebstoffeundSande,dievomFlussmitgeführtundschließlichabgelagertwerden.�) KapillarerAufstieg:MechanismusdesWasseraufstiegsineinemBodenporensystem.3)Aridraum:RegionmithöhererVerdunstungalsNiederschlägen�)Masterplan:GesamtkonzeptdesGAP-Projektes5)Subsistenzwirtschaft:Wirtschaftsform,diegeradenurdasÜberlebensichert.3.�Präsentationsthema:UmgangmitWasserinNeuseeland

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3.7. Präsentationsthema: Umgang mit Wasser in Neuseeland

Präsentationsthema: Umgang mit Wasser in Neuseeland

Aufgabenstellunga) Verschaffen Sie sich mit Hilfe der Karten im vorliegenden Arbeitsmaterial einen Überblick über das Gebiet

rund um den Rotoiti-See und den Fluss Kaituna.b) Erarbeiten Sie mit Hilfe des vorliegenden Arbeitsmaterials kulturelle, politisch-soziale, ökologische und wirt-

schaftliche Aspekte des Konfliktes um den Bau einer Kläranlage im Nordosten Neuseelands.c) Entwickeln und gestalten Sie unter den angegebenen Gesichtspunkten eine oder mehrere Wandzeitungen in

Plakatform.Folgende Gesichtspunkte sollten bei b) und c) unbedingt berücksichtigt werden:– die Funktionsweise von Kläranlagen und deren biologischer Sinn;– das Verhältnis der Maori zur Natur und zu natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere dem Wasser.

In diesem Zusammenhang:– die Klage vor dem Waitangi-Tribunal: die Ausgangssituation, der Ausgang der Klage und Folgen;– die Interessen der am Konflikt unmittelbar beteiligten und der vom Konflikt indirekt betroffenen Parteien;– eine abschließende Einschätzung der Lösung des Konflikts: Was hat der Ausgang für wen gebracht?

d) Präsentieren Sie Ihre Plakate der Klasse.

1. Hintergrundinformationen zu Neuseeland

1.1. Die Maori und die Kulturen des Pazifischen Ozeans

Aotearoa, „Land der weißen Wolke“ ist der Maori-Name für Neuseeland, als dessen Entdecker der Niederländer Tasman seit 1642 gilt. Tatsächlich war Aotearoa von den Maori schon lange Zeit vorher besiedelt worden.Eine der erstaunlichsten Leistungen in der Menschheitsgeschichte ist die Seefahrerkunst ozeanischer Völker, mit der sie die Inseln des Pazifik über ungeheure Wasserdistanzen hinweg besiedelten. Zur gleichen Zeit machten unsere antiken Argonauten und alten Wikinger-Helden nur vergleichsweise kurze Hüpfer über See von Land zu Land, und es dauerte noch einmal nahezu tausend Jahre, ehe sich Columbus mit seinen dickbauchigen Schif-fen über den Atlantik wagte. Zu dieser Zeit war bereits der gesamte pazifische Raum von mikronesischen und polyne-sischen Stämmen, die miteinander verwandt sind, besiedelt. Ihre kühnen Routen führten sie bis Hawaii als nördlichsten und Neuseeland als südlichsten Markstein, und sie gelangten bis zur im äußersten Südosten verloren liegenden Osterinsel, diesem »einsamsten Punkt der Erde«. Die Osterinsel wurde schon in dieser frühen Zeit zum Sprungstein für Entde-ckungsfahrten zur südamerikanischen Küste auf der Höhe von Chile und Peru, ebenso wurde die mittelamerikanische Küste von Hawaii aus entdeckt (vgl. Karte).

Mit den mikronesischen und polynesischen Stämmen wanderte ihre hoch entwickelte Pflanzenbau- und Me-galithkultur, die von den matriarchalen austronesischen Völkern Südostasiens und Indonesiens abstammt, über den pazifischen Raum. Einen Nachweis für diesen Zusammenhang liefert uns die Linguistik, welche die poly-nesischen Sprachen auf die austronesischen zurückführen kann, andere liefern die Funde der Archäologie und Ethnologie. Die Schiffe, mit denen die ozeanischen Völker Tausende von Kilometern auf offenem Meer überquerten, schei-nen uns einfach und haben dennoch außerordentliche Seetüchtigkeit. Die größten ihrer Schiffe waren Dop-pelkanus, nach dem Auslegerprinzip gebaut und je zwei aneinander gebunden, mit denen sie wochen- und monatelange Entdeckungsfahrten über die Weite des Pazifik unternahmen.

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Diese Reisen wurden nicht aus purer Entdeckerlust oder Gier nach Schätzen unternommen, sondern aus der Not um bebaubares Land, das – gemessen an den winzigen Inselketten in der riesigen Wasserwüste des Ozeans – äu-ßerst knapp ist. Hunger, Verarmung, aufkommender Streit wegen Landknappheit trieben diese Menschen immer wieder in der Hoffnung aufs Meer hinaus, ein neues, bebaubares Inselchen zu entdecken.Diese Suche führte die Polynesier in Zonen, die von dem subantarktischen Gürtel auf der Südhalbkugel (Neusee-land) quer über äquatoriale Gebiete bis zum subtropischen Gürtel auf der Nordhalbkugel (Hawaii) reichen. Wie viele Menschen auf dieser Suche nach bebaubarem Land nie an ihr Ziel gelangten, ist unbekannt. Nachgewiesen ist jedoch, dass sie diese Reisen nicht dem Zufall überließen, sondern sie wohl organisiert mit Frauen und Kin-dern, mit gezüchteten Pflanzen und Tieren antraten. Denn eine Zufallsreise könnte nicht die vielfältigen Funkti-onen gewährleisten, die zur Neuansiedlung eines Stammes auf unbekannten Inseln erforderlich sind.Segeln war dabei die wichtigste Fortbewegungsart, denn durch Rudern lassen sich die ozeanischen Distanzen nicht überwinden. Heimkehr zu einmal zurückgelassenen Archipelen war deshalb meist unmöglich, nur in wenigen Fällen entstanden durch günstige Winde Routen, die in beide Richtungen befahren werden konnten (Beispiel Tahiti-Hawaii). Die Bewältigung dieser Aufgabe setzt eine hohe Navigationskunst voraus, die einzelne Inselpunkte in der Uferlosigkeit des Ozeans wiederfinden lässt. Es ist erwiesen, dass die Polynesier nach den Sternen navigierten, von deren Bewegung sie hervorragende Kenntnisse besaßen.

Quelle:http://matriarchat.net/welt/maori.html

Die Ankunft in ihrer neuen Heimat ist noch heute ein wichtiger, Gemeinsamkeit stiftender Mythos: Aus jeder Bootsbesatzung, die vor rund 1000 Jahren nach Neuseeland kam, sei einer der heutigen Maori-Stämme hervor-gegangen.Für die Polynesier war und ist die ganze Natur belebt. Jedes Ding – ob Baum, Pflanze, Stein oder Boot - hat eine mana, eine eigene spirituelle Kraft. Land ist also für die Maori nicht nur Wirtschaftsgrundlage, sondern hat zentrale Bedeutung für ihre Kultur und Geschichte. In der Kultur der Maori wird diese mana durch ein Muster, das »koru«, symbolisiert: Seine Bögen und Wellen variieren eine Grundform – die Spirale des Farnblatts, bevor es sich entfaltet. Auf allen Gegenständen, die den Polynesiern besonders wichtig waren, fand sich dieses Muster – auf den Schnitzereien in den Versammlungshäusern, auf den Bugsteven der Kriegskanus, auf Waffen, Musikins-trumenten und landwirtschaftlichen Geräten: Es verlieh den Gegenständen »mauri« (Lebenskraft) und »mang« (Prestige).

Das neue Land der Maori war viel größer als ihre Heimatinseln in Ostasien. Es bot Holz für Häuser Stein für Werkzeuge, und es gab Wälder voller Vögel. Aber es war kälter - von den heimischen Nahrungspflanzen wuchs hier nur die Süßkartoffel, sodass die Neuankömmlinge anfangs ein Jäger- und Sammlerdasein fristen mussten. Doch später entdeckten sie neue Getreidepflanzen und wurden wieder Bauern. Land und Gewässer waren Stammeseigentum, und alle Beschlüsse, die den Stamm betrafen, konnten nur einstimmig gefasst werden. Oft ging es dabei auch um Krieg gegen andere Stämme. Man muss sagen: Obwohl sie in einer fruchtbaren und para-diesischen Umgebung lebten, liebten die Maori den Krieg. Dieser begann stets mit dem »haka«, einem martia-lischen Kriegstanz: Zu lautem, rhythmischem Stampfen und durchdringendem Sprechgesang wurden die Furcht erregenden Schlag- und Stoßwaffen aus Jade, Walknochen oder Holz geschwungen, dabei streckten die Krieger als Drohgebärde immer wieder ruckartig ihre Zunge heraus.Die Anführer trugen das »moku«, eine schwarze Tätowierung, die das ganze Gesicht bedeckte: Sie war das Statussymbol der Tapfersten. Der Tätowierungsvorgang selbst war überaus schmerzhaft: Mit Sticheln aus den Flügelknochen von Seevögeln oder aus Haizähnen brachte der stammeseigene Tätowierungskünstler die Tinte aus Ruß, verbrannter Baumrinde und ausgelassenem Hundefett unter die Haut. Gründe für Kriege gab es reichlich: Man wollte Lebensmittel erbeuten, Frauen entführen, Sklaven gefangen neh-men – oder Rache nehmen für ein Unrecht, vermeintlich oder tatsächlich begangen von den Angehörigen eines anderen Stammes.

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1.2. Die Maori und die englische Krone: vom Umgang einer Kolonialmacht mit den neuseeländischen „Ureinwohnern“

Außergewöhnliches geschah 1769, als ein seltsamer, gigantischer »weißer Vogel« über das Meer herangesegelt kam und »Kobolde« mit weißen Gesichtern das Land betraten: die Mannschaft der »Endeavour«, angeführt vom englischen Captain Cook. Bereits beim ersten Landeversuch in der Bay of Islands töteten die »Kobolde« einen Maori aus weiter Entfernung mit einem »Feuerstock«. Auf die Verblüffung folgte alsbald Begeisterung: Auf so eine Waffe hatten die Maori nur gewartet. Der Handel mit Gewehren begann sofort, und die Nachfrage war riesig. Viele Stämme richteten diese neuen Waffen schnell gegen ihre alten Feinde und verursachten schreckliche Blutbäder. Statt des üblichen Zweikampfes Mann gegen Mann konnte man nun einen feindlichen Häuptling aus großer Entfernung töten. Durch die blutigen Kämpfe und die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten waren bald ganze Landstriche menschenleer – die Stämme entweder ausgerottet oder geflohen. Erst als alle Stämme dieselbe Bewaffnung hatten, hörte das schreckliche Gemetzel auf. Auch die Einführung einer neuen Religion half beim Befrieden der Maori: Das Christentum zeigte ihnen, dass es ein anderes Glaubenssystem gab, in dem ein Leben ohne Krieg möglich war.Neben Gewehren und Religion hatten die Weißen auch viele neue Techniken mitgebracht. Nägel wurden zu wertvollen Handelsobjekten; Metallbeile ersetzten die Muschelbeile und erleichterten den Boots- und Hausbau; die Kartoffel verschaffte den Maori zum ersten Mal so etwas wie Freizeit, da ihr Anbau viel weniger arbeitsinten-siv war als der der Süßkartoffel.

Zunächst waren nur wenige englische Siedler auf die Insel gekommen, doch allmählich wurden die »pakehas« immer zahlreicher: Wal- und Robbenfänger aus England, Strafgefangene aus Australien, und besonders die Franzosen begannen, das Land für sich zu entdecken. Gesetzlosigkeit machte sich breit. Um ihren Anspruch auf Neuseeland abzusichern, sandten die Engländer 1839 Kapitän William Hobson als Gouverneur auf die Insel. Er schloss am 6. Februar 1840 mit den Maori den berühmten Vertrag van Waitangi, benannt nach dem Fluss Waitan-gi, dem »Fluss der weinenden Wasser«. Im Nachhinein ein passender Name für einen Vertrag, der eigentlich aus dem Geist des viktorianischen Humanismus heraus als partnerschaftliches Abkommen mit den Einheimischen gedacht war – tatsächlich aber das umstrittenste Kapitel der neuseeländischen Rechtsgeschichte einläutete.Mit seiner Unterzeichnung kam Neuseeland als Kolonie unter die Kontrolle der Königin von England; den Maori wurde eine Selbstverwaltung zugesprochen, sie durften also frei über ihr Land, ihre Wälder und ihre Fischgründe verfügen; außerdem erhielten sie alle Rechte eines britischen Staatsbürgers. Doch gravierende Missverständnis-se waren vorprogrammiert: Die englische Version des Vertrages ließ sich gar nicht genau in die Maori-Sprache übersetzen, da die keine Wörter für Staat, Eigentum oder Privatbesitz kennt. Die Maori glaubten, »kavanatanga« (Souveränität) und »tino rangatiratanga« (völlige Selbstbestimmung) erlangt zu haben. Tabak, Decken und ande-re Geschenke taten ein Übriges, dass im Laufe von einigen Monaten 500 Häuptlinge den Vertrag unterschrieben. »Nur der Schatten des Landes wird an die Königin übergehen, der Kern bleibt in unserer Hand, den Maori. Wir haben nun jemanden, der am Steuer steht – vorher wollte jeder steuern, und wir fuhren nie geradeaus«, erklärte beispielsweise Häuptling Nopera Panakareao seinem Stamm.

Doch bald mussten die Maori erkennen, dass sie es waren, denen nur der Schatten des Landes geblieben war. Sie bekamen es zu spüren, als die Zahl der Einwanderer immer mehr anstieg. Die fremden Siedler brauchten Grund und Boden, aber die Maori wollten nicht verkaufen; um ihre Gemeinsamkeit zu stärken, wählten sie sogar einen König. Die britische Königin legte das als feindlichen Akt aus und schickte im Jahr 1860 Soldaten in die Kolonie – der fünf Jahre dauernde Krieg zermürbte die Maori völlig. Mit allen Mitteln wurde nun versucht, die Maori von ihrem Grund und Boden zu vertreiben: Land, das einem Stamm gemeinsam gehörte, wurde einzelnen Maori zugesprochen, die sich nun durch den Verkauf an Siedler persönlich bereichern konnten und diese Chance auch wahrnahmen. Doch vom Erlös blieb ihnen nichts übrig: Denn vor dem Verkauf musste das Land - zu Lasten des Verkäufers! – zu horrenden Kosten vermessen werden, die »zufällig« genau dem Kaufpreis entsprachen. So verloren die Maori Land und Geld, Heimat und Besitz. Und bald wurden sie sogar zur Minderheit im eigenen Land. Krankheit, Armut, Entkräftung und die Unfähigkeit, sich auf neue Entwicklungen der Technik und der Landwirtschaft einzustellen, sorgten dafür, dass die Maori-Bevölkerung stark abnahm: Gab es 1840 noch 140 000 Maori, so waren es zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerade noch 42 000 – heute stellen sie zehn Prozent der vier Millionen Einwohner Neuseelands.

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Dennoch: Verglichen mit allen anderen Elendsgeschichten europäischer Eroberung und Besiedelung, ging es auf Neuseeland fast human zu: Weder wurden die Maori wie Kaninchen gejagt und abgeschossen wie die Aborigi-nes in Australien, noch wurden sie an den Rand der Vernichtung getrieben wie Nordamerikas Indianer. Und von Anfang an gab es auch Heiraten zwischen Weißen und Maori. Aber die Kultur der Einheimischen geriet nun langsam in Vergessenheit. Von ihrem Land vertrieben, wurden aus den kraftvollen Naturburschen in den Städten allmählich arbeitslose Almosenempfänger, viele Jugendliche schlossen sich kriminellen Gangs an, andere versanken im Alkohol.

1.3 Umdenken in der neuseeländischen Gesellschaft

Erst in den 1960er Jahren, Neuseeland war längst ein selbstständiger Staat, begann die Wende: Die Protestmär-sche und Landbesetzungen einer Maori-Bewegung führten schließlich 1975 zu dem von der Regierung einge-setzten »Waitangi-Tribunal« – einer weltweit einzigartigen Institution, bei der sich die Stämme über die unge-rechten Enteignungen in der Vergangenheit beschweren können. Quelle:P.M.MagazinHeft�/�00�,S.��ff,M.Oertl

Die Entschädigungen beziehen sich dabei nicht nur auf Rückgabe von Land und Fischereirechten oder schlicht Geld, sondern auch auf kulturelle Bereiche wie den Schutz heiliger Stätten und die Zulassung der Maori-Sprache vor Gerichten. Seit 1987 ist Maori als Amtssprache anerkannt. 1985 verabschiedete die Labour-Regierung ein Ge-setz, das es den Maori ermöglichte, gegen sämtliche Verletzungen des Vertrages von Waitangi zu klagen. Mehr als 200 Klagen wurden eingereicht, in denen Anspruch auf etwa 50 Prozent der Fischereiwirtschaft und große Teile des Landes erhoben wird. Landrechte dürfen dabei nur auf Gelände im Staatsbesitz erhoben werden. Die Regierung sah sich vielfach gezwungen, den Forderungen der Maori nachzugeben. 1987 wurde sie vom Obersten Gericht Neuseelands verpflichtet, vor jeder Nutzung von Staatsland durch Dritte die Besitzansprüche der Maori zu klären. In vielen Anspruchsverfahren wird man jedoch Kompromisse finden müssen. Denn dass die Maori jemals die gesamte Südinsel zurückerhalten werden, die zwei Drittel der Fläche Neuseelands ausmacht, darf zu Recht bezweifelt werden. Beide Inseln zusammengenommen, sind den Maori von den insgesamt etwa 27 Millionen Hektar nicht einmal zwei Millionen Hektar verblieben. Quelle:http://www.gfbv.de(WebsitederGesellschaftfürbedrohteVölker);gekürztundleichtumformuliert

2. Wasser und Umweltschutz

2.1. Einleitung

Ohne Wasser funktioniert kein Ökosystem auf Erden. Pflanzen und Tiere – der Mensch eingeschlossen können nur durch Wasser überleben. Gelangen Schadstoffe in die Flüssigkeit, geraten komplexe Lebensgemeinschaften aus dem Gleichgewicht, können Tier- und Pflanzenarten aussterben und der Mensch ernsthaft krank werden. Oft entstehen solche Schadstoffe als Abfallprodukt von Landwirtschaft und Industrie. Und nicht nur in den hochin-dustrialisierten westlichen Ländern haben die Menschen in den vergangenen Jahrzehnten zu erkennen begon-nen, dass ungebremstes wirtschaftliches Wachstum auch Risiken birgt – nicht nur für das Überleben der Natur, sondern auch wegen der teils gravierenden Schäden für die Gesundheit des Menschen.In Zeiten kriselnder Weltwirtschaft scheint der Umweltschutz allerdings selbst dort an Bedeutung verloren zu ha-ben, wo vor Jahrzehnten die ersten Öko-Bewegungen entstanden. Auch dort, wo soziale Sicherungssysteme die Frage des Arbeitsplatzes für die Betroffenen nicht sofort zu einer Frage des nackten Überlebens machen wie es in manchen Entwicklungsländern der Fall ist, .werden wirtschaftliche Belange oftmals für bedeutsamer erachtet als die (ebenso „lebenswichtige“) Lösung ökologischer Probleme oder die Schonung der natürlichen Ressourcen.„WirvergiftenausGierdieFlüsseundElementederNatur,selbstdas,wasunslebenlässt“,klagte schon vor fast 2.000 Jah-ren der römische Philosoph und Naturkundler Plinius der Ältere. Auch heute ist sein Ausspruch aktueller denn je.

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2.2. Andere Völker, andere Sitten – auch beim Umgang mit der Natur

Trotz weltweiter Bemühungen – die immer noch geringen Erfolge auf dem Weg zum sauberen Wasser geben keinen Anlass zum selbstzufriedenen Innehalten. Noch ist viel zu erforschen, viel zu klären und weltweit viel gegenseitiges Verständnis zu schaffen. Denn was beim einen Volk als Umweltschutz par excellence gilt, kann für das andere ein grauenvoller Frevel sein.

Wasser, das der Ernährung des Menschen dient, und Wasser zu sonstigem Gebrauch. Dass der Kaituna ein „Nah-rungswasser“ sei, zeige schon sein Name: „Kai“ heißt „Nahrung“, „Tuna“ heißt „Aal“. Die Maori führten aus, nach ihren Schöpfungsmythen seien Menschen, Wälder, Tiere, Flüsse und Meere miteinander verwandt. Der Mensch sei „Kaitiaki“ (brüderlicher Hüter) der Natur; er müsse sie achten wie Eltern, Großeltern und Lehrer. Abwasser (und sei es noch so sauber) in einen Fluss zu leiten, bedeute.

Ein Beispiel bietet Neuseeland: Dort klagten im Jahre 1978 Maori vom Stamm der Ngati Pikiao gegen Pläne für eine Kläranlage. Die Ngati Pikiao leben am Nordufer des Rotoiti-Sees und am Oberlauf des Flusses Kaituna - und in diesen Fluss sollten die Abwässer nach der Reinigung fließen. Unmöglich, erklärten die Maori: Ihre Kultur ziehe eine scharfe Grenze zwischen hingegen, ein Familienmitglied zu beleidigen, gar zu schlagen. Aber auch an westlich gedachten Argumenten ließen es die Maori nicht fehlen: Abwässer erhöhten das Krankheitsrisiko der Anwohner und minderten den Wert des Flusses für Schwimmer und Angler. Werde die Abwasserleitung gebaut, drohten dem Stamm schwere wirtschaftliche Einbußen: Die Ältesten müssten den Fluss für tabu erklären - inklu-sive allen Fischen und allen durch ihn bewässerten Pflanzen.

2.3. Abwasser düngt Fichten: der Konflikt um eine Kläranlage

Über die Klage urteilte das „Waitangi-Tribunal“: ein Gerichtshof, eigens für Beschwerden der Ureinwohner einge-richtet und benannt nach dem „Waitangi-Vertrag“, mit dem sich die Maori im Jahre 1840 der englischen Kolonial-herrschaft unterwarfen. Das Tribunal gab ihnen in allen Punkten Recht. Das Abwasser gehöre nicht in den Fluss; es sei eine Ausweichlösung zu finden und das „Gesetz über Wasser und Erdboden“ (Water and Soil Conservation Act) von 1967 im Hinblick auf die Maori-Tradition zu ändern. Die Techniker entwickelten daraufhin eine Methode, das geklärte Abwasser in das Fichtenwäldchen von Whakarewarewa zu leiten: Dort wird es seither erfolgreich als Dünger genutzt.

„Umgeleitet‘ auf die neue Anlage wurden zudem alle staatlichen Zuschüsse. Auch das Parlament Neuseelands fügte sich dem Richtspruch und verabschiedete ein „Ge-setz über die Behandlung der natürlichen Lebensgrundla-gen“ (Resource Management Act), das 1991 in Kraft trat: Es erkennt „das Verhältnis der Maori zu Land, Gewäs-

sern und anderen Naturschätzen“ als „Angelegenheit nationaler Bedeutung“ an. Wer immer in Neuseeland mit natürlichen Ressourcen umgeht, muss jetzt Maori-Prinzipien Rechnung tragen. Die Technik, geklärte Abwässer in den Boden statt in Flüsse zu leiten, setzt sich im „Land der großen weißen Wolke“ (so der Maori-Name der Inseln) immer mehr durch.

Diverse Plantagen profitieren von billigem Düngerund die Tourismusbranche von sauberen Flussufern und Stränden. Ein Mal mehr ist also erwiesen: Wasserschutz ist Umweltschutz, und der nützt dem Menschen – auch in barer Münze. Und auch wer kein Maori spricht, wer nicht weiß, was „wai mate“ (krankes Wasser) oder „wai ora“

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(heiliges Wasser) bedeutet und den Fluss hinterm Haus nicht unbedingt mit seinem Großvater gleichsetzen möchte auch der könnte dennoch einsehen, dass der Mensch die Natur schon deshalb rücksichtsvoll behandeln sollte, weil sie für ihn eine Art größeres Wohnzimmer ist, dessen Zustand ihm nicht egal sein kann.

Quellen:�.SauberesWasserfüralle.Schriftenrei-hederVereinigungDeutscherGewässerschutzBand6�,Bonn�00�.S.33;3�-��.�.LonelyPlanetNewZealand.�thedition����,p.3��.

3. Abwasserreinigung

3.1. Zur Entwicklung der Abwasserbehandlung

Wo Menschen leben, erzeugen sie Abfälle. Die Stoffe, die Menschen nicht verwerten können, die für sie also Abfall darstellen, bedeuten zum Teil gleichzeitig für andere Organismen, besonders für Bakterien. eine wesentliche Wachstumsgrundlage. Ihre Stoffwechselprodukte dienen dem Pflan-zenwachstum als Nährstoffe, die Pflanzen wiederum sind Nahrung für Tiere und

Menschen. So schließt sich ein Kreislauf. Vielleicht ohne die näheren Zusammenhänge zu kennen, handelten Menschen in ländlichen Siedlungen seit Jahrtausenden so, dass dieser Kreislauf erhalten blieb, indem sie viel-fach ihre Exkremente gemeinsam mit denen der Tiere als Dünger auf die Felder brachten. Dagegen wurden im städtischen Siedlungsbereich schon im Altertum Methoden entwickelt. Fäkalien in Gewässer einzuleiten. Flüsse waren besonders gut geeignet. den Unrat aus dem engeren Wohnbereich abzutransportieren. Zum Beispiel leitete die „Cloaca maxima“, die Teil der altrömischen Kanalisation war, die Abwässer in den Tiber.

Im europäischen Mittelalter wurde der Abfallbeseitigung weniger Bedeutung beigemessen. Unrat und Brauch-wasser ließ man oberirdisch in Rinnsteinen den Gewässern zufließen. Dabei versickerte ein Teil des Abwassers und mischte sich dem Grundwasser bei; dadurch wurde das Trinkwasser, das man aus Brunnen und Fließge-wässern im Stadtgebiet gewann, mit Abwasserinhaltsstoffen verschmutzt; zum Teil seuchenartig auftretende Krankheiten wie Cholera und Typhus waren die Folge.Erst als diese Zusammenhänge erkannt, Krankheiten erregende Bakterien und der Infektionsweg entdeckt waren, wurde versucht, Abhilfe zu schaffen. Die Einführung der Schwemmkanalisation und des Wasserklosetts ließ die Möglichkeit zu, die Fäkalien durch unterirdische Röhren auch über längere Strecken zu transportieren. Diese Neuerung bedeutete bei weitem nicht, dass nun eine Abwasserreinigung vorgenommen worden wäre; die Fäkalien wurden ungereinigt in die Gewässer eingeleitet. Da diese Abwässer fast ausschließlich leicht abbaubare Stoffe enthielten, konnte das biologische Selbstreinigungsvermögen besonders der großen Flüsse die Ver-schmutzungen noch verkraften. (...)

Der Zustand der Fließgewässer allgemein verschlechterte sich nach dem Zweiten Weltkrieg schnell durch• die stürmische Entwicklung der Industrie, besonders der mit Wasser nutzenden Produktionsverfahren (sie

belastete die Gewässer mit neuen Inhaltsstoffen, deren Wirkungen bis dahin unbekannt waren),

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• die Vergrößerung der Städte, die Modernisierung der Wohnungen mit Bad und WC sowie die Kanalisierung der Kleinstädte und Gemeinden (damit waren enorme Steigerungen der Abwassermengen verbunden),

• das veränderte Konsumverhalten der Menschen in einigen Bereichen (z. B. Hygiene, technische Küchenhilfen usw.).

Zwei Ursachen trafen somit zusammen: der schnelle Anstieg häuslicher und industrieller Abwassermengen sowie eine starke Zunahme der Schadstoffe. Die vermehrt durch menschliches Handeln verursachte Verschmut-zung veränderte das ökologische Gleichgewicht der Gewässer; dies ist auffällig sichtbar an spontanen Katastro-phen wie etwa Fischsterben (...)

3.2. Verfahren der Abwasserreinigung

Die Erkenntnis, Abwässer vor der Einleitung in die Gewässer reinigen zu müssen, entstand um die Jahrhundert-wende angesichts ökologischer Katastrophen. (...) Heute kennen wir (A) mechanische, (B) biologische und (C) chemische Verfahren, die zur Abwasserreinigung benutzt werden können.Die mechanische Abwasserreinigung (A) entfernt gröbere Schadstoffe mit Sieben und Rechen. Mit Absetzver-fahren werden feinere Schwebestoffe zum Absinken gebracht, während in Schwimmverfahren Fette oder Öle entfernt werden. Diese mechanische Abwasserreinigung reicht aber bei weitem nicht aus und wird heute vor allem durch biologische Klärstufen ergänzt.

Die biologische Abwasserreinigung (B) basiert, wie verschieden die Methoden auch sein mögen, auf dem Abbau der Abwasserinhaltsstoffe durch Mikroorganismen. Hier hat sich die Methode der Belebtschlammbecken weitgehend durchgesetzt:Belebtschlammbecken: Technische Anlagen, in denen der zum Abbau der organischen Abwasserinhaltsstoffe notwendige Sauerstoff im Überschuss eingeblasen oder durch Umwälzanlagen eingerührt wird. Es entwickeln sich die sog. „Belebtschlammflocken“ aus organischen und anorganischen Abwasserinhaltsstoffen und daran ansitzenden Bakterien, die den Abbauprozess leisten. Die beim Eintrag des Sauerstoffes entstehende Wasserbe-wegung hält die Flocken ständig in der Schwebe, so dass sie allseitig mit den abzubauenden Inhaltsstoffen und Sauerstoff Kontakt haben. Belebtschlammanlagen haben eine hohe Reinigungswirkung; sie sind das Kernstück der meisten Kläranlagen für kommunales Abwasser und werden auch vielfach zur Reinigung industrieller Ab-wässer eingesetzt (...)Das so gereinigte Abwasser wird den natürlichen Gewässern wieder zugeleitet. Im Nachklärbecken bleibt ein Schlamm zurück, der zu einem geringen Teil in das Belebtschlammbecken rückgeführt wird, um dort eine Verarmung an Mikroorganismen zu vermeiden. Der größte Teil gelangt in den Faulturm, wo er gemeinsam mit dem Abfall, der mechanisch abgesondert wurde unter Sauerstoffabschluss ausgefault wird. Als Endprodukt der Faulung entsteht der Klärschlamm und das Faulgas Methan, das zur Energiegewinnung genutzt werden kann.Mit dem zweistufigen Klärverfahren kann erreicht werden. dass die leicht abbaubaren Inhaltsstoffe dem Abwas-ser weitgehend entzogen werden. Im Auslauf der Kläranlage und im Klärschlamm sind allerdings beträchtliche Mengen von Pflanzennährstoffen enthalten, vor allem Phospate und Nitrate. Diese bewirken in Flüssen und Seen, in die sie geleitet werden ein übermäßiges Wachstum der Produzenten und damit auch der Konsumenten und Destruenten, die stark sauerstoffzehrend wirken, damit die Gewässer eutrophieren und diese dadurch im schlimmsten Falle zum Umkippen bringen.

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Durch eine chemische Abwasserreinigung (C) können die Phosphate unter den eutrophierenden Stoffen aus dem Abwasser entfernt werden. Im Umkreis von besonders eutrophierungsgefährdeten Gewässern werden in den Kläranlagen mit speziellen chemischen Verfahren die Phosphate ausgefällt, entweder im biologischen Teil der zweistufigen Anlage oder in einer speziellen dritten Reinigungsstufe, die im Auslauf der zweistufigen Kläran-lage errichtet wird.

Quelle:FunkkollegMenschundUmwelt,6.AbwasserundGewässerverschmutzung,Tübingen,����

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3.8 Präsentationsthema: Staudammdebatte Ebrodelta

S t a m m g r u p p e n a u f g a b e –> S P A N I E N

Vorbereitung Zusammen mit Stammgruppen anderer 11. Klassen sehen Sie einen Film zur Einführung: „Gestohlenes Was-ser – Staudammwahn in Spanien“. Weiterhin erhalten Sie ein ergänzendes Informationsblatt zum nationalen Wasserplan Spaniens.

Aufgabenstellung:Bereiten Sie als Gruppe ein Rollenspiel vor! Im Rahmen des Rollenspiels sollen Sie dem Publikum am kommen-den Freitag zeigen, welche gesellschaftlichen Konflikte und Interessengegensätze zum Thema Wasser in Spanien bestehen. Ferner sollen Sie mögliche Lösungsstrategien zur Konfliktüberwindung entwickeln und im Rollenspiel darstellen. Aus diesem Grund sind die zugewiesenen Rollen relativ offen, es kommt also darauf an, jede Rolle kreativ und konstruktiv auszufüllen.

Situation:Die Zeitung „El Mundo“ hat nachfolgende Personen zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung einge-laden:– Einen lokalen Politiker aus der Ebro-Region – er tritt für wirtschaftliche Ansiedelungen aller Art ein.– Einen Interessenvertreter des Verbandes spanischer Agrar-Exporteure und Großbauern.– Einen Vertreter von GREENPEACE.– Einen Vertreter der Interessengemeinschaft betroffener Bürger. Mitglieder dieser Interessengemeinschaft sind

bereits betroffene oder von der Umsiedlung in Folge von Staudammprojekten bedrohte Bürger.Moderiert wird die Veranstaltung von einem „El Mundo“-Journalisten.

Das Rollenspiel endet nach der Verabschiedung der Diskussionsteilnehmer mit dem Verlesen der Nachricht des nächsten Tages in „El Mundo“. Auf einer DIN-A-4-Seite sind die grundsätzlichen Probleme der Region, in der Ver-anstaltung offensichtlich gewordene Diskrepanzen zwischen den Teilnehmern sowie diskutierte Kompromiss-strategien in journalistischer Form festzuhalten. Ihre Zeitungsseite wird anschließend auf DIN-A-3 großkopiert und als Gruppenergebnis in Form einer Wandzeitung in der Schule ausgehangen.

EVENTUALROLLE für Stammgruppen mit 6 Gruppenmitgliedern: In Ihrem Rollenspiel wird zusätzlich die Rolle eines Professors für Wasserwirtschaft der Universität Saragossa vergeben.

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Artikel aus dem Euronatur-Magazin 1/2004 Der nationale Wasserplan Spaniens: Eine gesamteuropäische Katastrophe

Nestos, Acheloos, Guadiana. Riesige Staudämme greifen massiv in das Ökosystem dieser Flüsse in Griechen-land und Portugal ein. Das Wasser wird zur Stromerzeugung aber vor allem für Landwirtschaft und Tourismus verbraucht und die langfristigen Folgen für alle flussabwärts gelegenen Feuchtgebiete sind katastrophal. Allen diesen Projekten ist eines gemeinsam: Sie wurden erst durch die Euromilliarden aus den Strukturfonds der Europäischen Union ermöglicht. An die Spitze dieser Entwicklung hat sich die spanische Regierung mit ihrem nationalen Plan zur Wasserversorgung oder „Plan Hidrológico Nacional“ (PHN) gestellt. Das potentielle Ausmaß der Naturzerstörungen, die dieser beinhaltet, ist atemberaubend. Über das gesamte Land verteilt, sollen bis 2008 sage und schreibe112 neue Staudämme gebaut werden – 16 bestehende Staumauern sollen erweitert werden. Außerdem ist geplant, über eine Pipeline jährlich rund 860 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Unterlauf des Ebro in Nordspanien zu zapfen, um dem trockenen Süden des Landes (vor allem den Provinzen Valencia, Murcia und Andalusien) mehr „Gerechtigkeit“ bei der Wasserverteilung zukommen zu lassen. Die Pipeline in den Süden soll eine Gesamtlänge von 845 Kilometern haben und bis nach Almería reichen. Weitere 190 Millionen Kubikme-ter sollen über eine Entfernung von 179 Kilometern zur Versorgung Barcelonas abgeleitet werden. Die umge-leitete Wassermenge entspricht einem Drittel des gesamten Trinkwasserverbrauchs Spaniens. Die Regierung in Madrid hat das Projekt bereits verabschiedet. Ob der Plan Wirklichkeit wird, hängt nun von der EU-Kommission ab, die das Vorhaben am 17. Dezember 2003 beraten hat. Auf Drängen von Umweltverbänden und der großen spanischen Gegenbewegung wurde eine Entscheidung auf das Jahr 2004 vertagt.

Ganze Ökosysteme sind bedroht Die Staudamm- und Kanalbauten mit der dazugehörigen Infrastruktur bedrohen die Lebensräume zahlreicher seltener Tier- und Pflanzenarten, darunter auch die des kurz vor dem Aussterben stehenden Pardelluchses. Der größte Schaden aber droht durch die geplante Ebroumleitung. Die genannten Wassermengen machen in etwa 10 % des Ebro-Durchflusses aus, und werden im Unterlauf und im Delta fehlen. Teile dieser wertvollen Feuchtge-biete fallen dann trocken und nicht nur der seltenen Süßwassermuschel Margaritifera auricularia droht dann das Aus. Insbesondere das in weiten Teilen unter Naturschutz gestellte Ebrodelta, mit über 250 dort vorkommenden Vogelarten eines der artenreichsten Flussdeltas der Welt, ist von der Zerstörung bedroht. Auch spült der Fluss weniger Sedimente ins Mittelmeer, was wiederum den Küstenökosystemen schadet. Die langfristigen Folgen eines derart massiven Eingriffs in den Naturhaushalt sind kaum abzuschätzen. Agrarindustrie und Tourismus sind durstig 40 % des umgeleiteten Wasser sollen der Trinkwasserversorgung zur Verfügung stehen. Nach Meinung von Ex-perten wird das Wasser aber unter Umständen gar nicht die notwendige Trinkwasserqualität haben. Im Übrigen bezieht sich der veranschlagte Trinkwasserbedarf nicht nur auf die lokale Bevölkerung, sondern weitgehend auch auf den durch den Massentourismus an der Mittelmeerküste verursachten, enormen Wasserbedarf in den Sommermonaten. So würde ein beträchtlicher Teil des am Ebro abgezapften Wassers in den Swimming-Pools der Hotelburgen an der Costa Blanca landen. Der Rest ist weitgehend für die intensive Landwirtschaft vorgese-hen, deren Massenproduktion von Obst und Gemüse zu einem großen Teil nach Nordeuropa exportiert wird. Alternativen gibt es durchaus: So könnte die Wasserversorgung durch Wasserrecycling, Wassereinsparungen und notfalls auch durch den Bau neuer Meerwasserentsalzungsanlagen nicht nur naturschonender, sondern auch noch wesentlich günstiger gesichert werden. Um eine nachhaltige Wasserversorgung zu gewährleisten, müsste langfristig dann auch ein Umdenken in Landwirtschaft und Tourismus einsetzen und politisch entsprechend gefördert werden.In der Provinz Murcia beispielsweise fallen bei einer durch die starke Sonneneinstrahlung extrem hohen Ver-dunstungsrate nur 300 mm Jahresniederschlag. In den benachbarten Provinzen Andalusien und Valencia sieht es ähnlich aus. Trotzdem konzentriert sich hier der Großteil des – im höchsten Maße Wasser verbrauchenden – Anbaus von Obst und Gemüse. Der Bewässerungsfeldbau in Spanien nahm zwischen 1965 und 1996 um 80 % zu. Um die Bewässerung zu ermöglichen, wurde massiv Oberflächenwasser (Stauseen bzw. Flüsse) genutzt bzw. in das Grundwasserregime eingegriffen. Heute werden 3,5 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche be-wässert. Rund 80% des gesamten in Spanien verbrauchten Wassers fließen in die Landwirtschaft.

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Anstatt über landschaftsangepasste Alternativen für Landwirtschaft und Tourismus nachzudenken, möchte man nun also mit allen Mitteln erreichen, dass der enorme Durst dieser Wirtschaftszweige auch in Zukunft gestillt werden kann. Nach den Plänen der spanischen Regierung soll das Vorhaben rund 23 Milliarden Euro kosten und 30 % der Finanzierung möchte man aus dem EU-Strukturfonds bestreiten. Selbst wenn alles nach Plan laufen sollte (Projekte dieser Dimension sind selten billiger abgeschlossen worden, als ursprünglich geplant ...), würde dieser gigantische Umweltfrevel den europäischen Steuerzahler also knapp sieben Milliarden Euro kosten. (...)Und genau das ist das Problem. Die Liste der Verbrechen an Natur und Umwelt in Europa durch EU-Subventi-onen ist lang: Staudämme in Spanien, Portugal und Griechenland, Ausweitung der industriellen Fischerei um die Azoren, Kanaren und Madeira oder die Verlegung der Via-Baltica-Verkehrstrasse mitten durch den Biebrza-Natio-nalpark im Nordosten Polens. (...)

Seit dem Jahr 2000 gibt es die europäische Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) und die empfiehlt den Mit-gliedstaaten die „Vermeidung einer weiteren Verschlechterung sowie Schutz und Verbesserung des Zustands der aquatischen Ökosysteme [...]“ und die „Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung auf der Grundlage eines langfristigen Schutzes der vorhandenen Ressourcen“. Das hört sich gut an und man sollte bei solchen Leitlinien annehmen, dass man sich als EU-Bürger keine Sorgen um die Verwendung entsprechender Mittel machen müsste. Wie aber kann es dann angehen, dass angesichts solch klarer Maximen überhaupt über eine Subventionierung des PHN aus EU-Mitteln diskutiert wird? Nun, scheinbar muss man heutzutage nur laut genug „nachhaltig“ sagen, um im gleichen Atemzug das Gegenteil tun zu können. Dabei ist die Wasserrahmenrichtlinie längst nicht die einzige EU-Vorgabe, die durch das Projekt geradezu lächerlich gemacht wird: Durch die Maßnah-men des PHN werden 109 international anerkannte wichtige Vogelhabitate (Important Bird Areas, siehe Karte) und über 100 nach EU-Recht ausgewiesene Natura 2000-Gebiete geschädigt. Also Naturgebiete die nach den EU-Richtlinien (FFH und Vogelschutzrichtlinie) einen besonderen Schutz genießen sollten. Was ist dieser Schutz wert, wenn die gleiche EU-Verwaltung Milliarden für die Beeinträchtigung oder gar Zerstörung dieser Gebiete ausgibt? (...)

rosafarbeneFlächen:nachEU-VogelschutzrichtliniegeschützteunddurchdenPHNbedrohteIBA-GebietebeigefarbeneFlächen:durchdenPHNbedrohteIBA-GebieteEinViertelallerwertvollenVogelhabitateSpaniens(ImportantBirdAreas(IBA))wür-denvomNationalenWasserplan(PHN)betroffensein.(KarteauseinerStudievonSEO/Birdlife,Spanien)

http://www.euronatur.org/PHN_Artikel_Magazin_0�_0�.htm

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3.9 Rückblende der Schüler des OSZ Verkehr (Auswertung)

Die folgenden Rückblendebögen wurden von allen Schülern der vier Projektklassen ausgefüllt. Für die folgende Auswertung wurden aber nur 19 Fragebögen einer Klasse berücksichtigt.

Rückblende zur SOL-Unterrichtsphase/Projektwoche: Bitte notieren Sie stichwortartig, was Ihnen gefallen hat bzw. nicht so gut gefallen hat.

Vorbereitungsphase

Vorstellung des Themas/Advance OrganizerAspekte Nennungen

gute, übersichtliche Vorstellung 6 man weiß, worum es geht 4 interessantes Thema 8

wenig Infos über Arbeitsweise 1 zu kurz 1 unklar 2

Individuelle Texterarbeitung zu HauseAspekte Nennungen

Texte gut verständlich 5 intensive Beschäftigung möglich 3 Fragen gut zur Erschließung 5 gute Nachschlagemöglichkeiten 2

zusätzliche, zeitaufwendige Arbeit 6 Wiederholungen innerhalb des Materials 2 Stress durch falsche Einschätzung der Arbeitsdauer 1

SOL-Unterrichtsphase/Projektwoche

Arbeit in der ExpertengruppeAspekte Nennungen

gute Zusammenarbeit 9 gute Arbeitsteilung 7 Arbeit außerhalb des Klassenraums 2 Jeder konnte seine Meinung äußern 3

ungleiche Arbeitsanteile 2 kein wirkliche Meinungsaustausch 1 Konflikte 2 Zeitmangel 2

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Arbeit in der StammgruppeAspekte Nennungen

gute und gleichberechtigte Vermittlung durch die Experten 7 intensive Zusammenarbeit 6 gute Stimmung 1 kleine Gruppe 1 eigenständige Arbeit 1

uninteressierte Gruppenmitglieder 3 unentschuldigtes Fehlen von Gruppenmitgliedern 3 unterschiedliche Meinungen 2

Betreuung durch den/die LehrerAspekte Nennungen

Lehrer waren bei offenen Fragen immer ansprechbar 7 Lehrer haben zusätzliche Tipps gegeben 5

Anwesenheit der Lehrer war zu gering 4 Inhalt wurde zu stark vorgeschrieben 4 Eigene Kreativität wurde eingeschränkt 3

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3.9 Vorlage für eigene Rückblende

Rückblende zur SOL-Unterrichtsphase/Projektwoche: Bitte notieren Sie stichwortartig, was Ihnen gefallen hat bzw. nicht so gut gefallen hat.

Vorbereitungsphase

Vorstellung des Themas/Advance OrganizerAspekte Nennungen

gute, übersichtliche Vorstellung man weiß, worum es geht interessantes Thema

wenig Infos über Arbeitsweise zu kurz unklar

Individuelle Texterarbeitung zu HauseAspekte Nennungen

Texte gut verständlich intensive Beschäftigung möglich Fragen gut zur Erschließung gute Nachschlagemöglichkeiten

zusätzliche, zeitaufwendige Arbeit Wiederholungen innerhalb des Materials Stress durch falsche Einschätzung der Arbeitsdauer

SOL-Unterrichtsphase/Projektwoche

Arbeit in der ExpertengruppeAspekte Nennungen

gute Zusammenarbeit gute Arbeitsteilung Arbeit außerhalb des Klassenraums Jeder konnte seine Meinung äußern

ungleiche Arbeitsanteile kein wirkliche Meinungsaustausch Konflikte Zeitmangel

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Arbeit in der StammgruppeAspekte Nennungen

gute und gleichberechtigte Vermittlung durch die Experten intensive Zusammenarbeit gute Stimmung kleine Gruppe eigenständige Arbeit

uninteressierte Gruppenmitglieder unentschuldigtes Fehlen von Gruppenmitgliedern unterschiedliche Meinungen

Betreuung durch den/die LehrerAspekte Nennungen

Lehrer waren bei offenen Fragen immer ansprechbar Lehrer haben zusätzliche Tipps gegeben

Anwesenheit der Lehrer war zu gering Inhalt wurde zu stark vorgeschrieben Eigene Kreativität wurde eingeschränkt

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Resümee: Aus dem Projekt „Wasser“ nehme ich folgende Erkenntnisse und Erfahrungen mit …

Aspekte NennungenWasser muss man schätzen / ist lebensnotwendig 9Das Thema kann aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden 3Gute Zusammenarbeit durch kleine Gruppen möglich 4Positiv war die Selbstständigkeit (auch beim Lösen von Konflikten) 4Eine gute Präsentation erfordert Engagement 1Positiv war die Erfahrung, einen Vortrag auch vor einer größeren Gruppe halten zu können 2Kompromisse führen zu Erfolgen 1Mit der Zeit wurde zu verschwenderisch umgegangen 1

4. Gesamtreflexion

Was sind die wichtigsten Erfahrungen aus diesem Projekt, die wir weitergeben können?Die ab Schuljahr 2005/06 geltenden Rahmenlehrpläne für die Sek. II des Landes Berlin fordern fächerübergrei-fende Unterrichtsprojekte. Die Unterrichtsstrategie des Selbstorganisierten Lernens bietet eine hervorragende Möglichkeit, diese Anforderungen umzusetzen.

Ein Ziel unseres Projekts ist es, die Schüler zu selbstorganisiertem Lernen zu befähigen. Kritiker werden zuerst die straffe Organisation und die vorgegebenen Materialien bemängeln. Nach unserer Erfahrung hat sich aber gezeigt, dass die Fähigkeit zur Eigenständigkeit und Verantwortung zunächst in einem festen Rahmen geübt werden muss.Das Erlangen von Kompetenzen wie Arbeitsplan erstellen, Zeitmanagement, Teamfähigkeit usw. erfordert Zeit. Das Konzept SOL ist inhaltlich orientiert. Die sozialen, personalen und methodischen Kompetenzen werden nicht losgelöst, sondern an konkreten Problemstellungen erarbeitet. Die Schüler werden zunehmend sicherer und unabhängiger von Vorgaben. Sie gewinnen Sicherheit darin, Ziele zu formulieren, Zielklarheit zu entwickeln, eigenständig zu recherchieren, Material zusammenzustellen und komplexe Aufgaben zu bearbeiten. Sie lernen sich und andere zu motivieren und erfahren, dass sie für ihre Lernprozesse und Lebensgestaltung selbst verant-wortlich sind. Gleichermaßen wichtig ist die Erkenntnis, Problemstellungen des 21. Jahrhunderts nicht eindimensional be-trachten und lösen zu können, sondern die Vernetzung von Ökonomie, Politik und Ökologie als vordringliche Aufgabe zu sehen – und danach zu handeln.

Neben den inhaltlichen und methodischen Aspekten, die bereits im Resümee, in Kapitel 2.7. reflektiert wurden, ist der zentrale Punkt unseres Erachtens die Bereitschaft als Team zusammenarbeiten zu wollen. Dies ist nicht als Aufruf zur Selbstausbeutung aufzufassen. Vielmehr besteht die Notwendigkeit bestimmte organisatorische Strukturen (z. B. Einrichtung von Klassenteams, Vorbereitungstage usw.) zu schaffen.Die Organisation eines fächerübergreifenden SOL-Projekts ist machbar, wenn sich einige Kollegen finden, die Interesse daran haben. Das klingt einfach, ist aber die Basis für das weitere Gelingen. Ganz entscheidend ist natürlich die Unterstützung durch die Schul- bzw. Abteilungsleitung. Es hat sich als vorteilhaft herausgestellt, ein Organisationsteam zu bilden. Das heißt, ca. drei Kollegen sind für die Koordination von Terminen (z.B. „Vorberei-tungstag“ der Kollegen), Fertigstellen von Materialien für die Schüler, Erstellung und Vorstellung des Advance Organizers, Erstellung von Wochenplänen für Schüler und Lehrer usw. zuständig. Das selbstorganisierte Lernen produziert auch selbstorganisiertes Lehren.

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5. Beteiligte Lehrerinnen und Lehrer

Antje BaierHanna Bialke-EllinghausenClaudia BrückmannGustav DanielCornelia FabelHarriet FörsterSusanne KleinKarin Krause-HinzmannDorothea KreterWolfgang NiedrichOlaf RitzChristiane SchalauDietlinde SteinbergBettina UrbanHelmut WeigandMichael Zeiher

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4. LiteraturlisteBLK Programm 21Werkstatt-Materialien Nr.5. Partizipatives Lernen. Nachnutzung vonfreien Flächen im städtischen Raum, Berlin 2002

Brot für die Welt (Hg.)Jeder Tropfen Regen ist ein Geschenk des Himmels, Stuttgart 2003

Brot für die Welt (Hg.)Wasser für alle – eine globale Herausforderung, Stuttgart 2003

Euronatur-Magazin 1/2004

Fischer Weltalmanach, Frankfurt am Main, 2002

Funkkolleg Mensch und Umwelt, Abwasser und Gewässerverschmutzung, Tübingen, 1981

Herold, Martin /Landherr, Birgit SOL Selbstorganisiertes Lernen Ein systemischer Ansatz für Unterricht. Band 1.Chemie.Biologie.Ernäh-rungslehre.Hohengehren: Schneider Verlag, 2005

Herold, Martin /Landherr, Birgit SOL Selbstorganisiertes Lernen Ein systemischer Ansatz für Unterricht. Band 2.Deutsch.Englisch.Mathe-matik.VWL.BWL.Wirtschaft und Recht. Hohengehren: Schneider Verlag, 2005

Hinz-Karadeniz, Heidi und Rainer Stoodt Die Wasserfalle : vom Kampf um Öl zum Kampf um Wasser: Aufstieg und Fall eines Großprojektes in Kurdistan. Gießen, Focus, 1993

INAMO Beiträge: Konfliktstoff Wasser, Heft 5/6 1996Mesopotamien: Wasserknappheit und/oder Machtspiel

Kluge, Thomas & Engelbert Schramm: „Ist Wassersparen ökologischer Unsinn?“, ohne weitere Angabe

Koordinierungsstelle des BLK-Programms „21“ Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Prof. Dr. Gerhard des Haan. (Hg.) „21“ Das Magazin für zukunftsfähige Bildung, Nr.2/2003, Juni 2003, Freie Universität Berlin

Lonely Planet New Zealand, 7th edition 1994, p. 392

Lüpertz, Viktor Problemorientierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, Darmstadt 2002

Meyer, Thomas: „Von der Beherrschung der Natur zur Schadensbegrenzung“, keine weitere Angabe

Natura, Ökologie, Stuttgart 1997

Politik & Unterricht: „Menschen ohne Wasserversorgung“, aus „Wasser“

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Oertl, MarianneGrausame Geschichte mit Happy End. P.M. Magazin Heft1/2004, S.82 ff. Hamburg: Gruner und Jahr

Schriftenreihe der Vereinigung Deutscher GewässerschutzSauberes Wasser für alle, Band 67, Bonn 2002

Struck, Ernst: Sozialgeographische und geopolitische Aspekte des Südostanatolien-Projektes (GAP), in: Passauer Schriften zur Geographie 1993, H. 13, S. 119

WBGU, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung: „Jährliche Wasserentnahme der Haushalte nach Konti-nenten“, 1997

World Comission on dams, siehe jetzt www.unep-dams.org

Werkstatt-Materialien Nr. 5, Partizipatives Lernen, Nachnutzung von freien Flächen im städtischen Raum, BLK Programm 21, Berlin 2002

Internetquellen:

www.brot-fuer-die-welt.de/uganda

www.bwb.de/medien/pdf/GB_�00�_neu.pdf

Curriculare Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe, Wirtschaftswissenschaften, Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, gültig ab Schuljahr 2005/2006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_wirtschaftswissenschaft.pdf

Curriculare Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe, Politikwissenschaften, Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, gültig ab Schuljahr 2005/2006, www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_politikwissenschaft.pdf

Curriculare Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe, Chemie, Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, gültig ab Schuljahr 2005/2006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_chemie.pdf

Curriculare Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe, Biologie: Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, gültig ab Schuljahr 2005/2006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_biologie.pdf

Curriculare Vorgaben für die gymnasiale Oberstufe, Physik, Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, gültig ab Schuljahr 2005/2006,www.senbjs.berlin.de/schule/rahmenplaene/curriculare_vorgaben/cv_physik.pdf

www.discovery.de/de/pub/specials/technik/staudaemme.htm

www.gfbv.de

www.linz.at/images/Umweltbelastung.pdf

http://matriarchat.net/welt/maori.html

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Michel, Stefan, Staudammprojekte in der Türkei und Kurdistanwww.rivernet.org/turquie/reisbed.htm

Rottach, Peter, Ohne Wasser nichts zu beißen?www.forumue.de/pdfs/�0030�.pdf

Statistisches Bundesamt, Datenreport 2002, Bonn 2002,www.destatis.de/download/veroe/datenreport0�n.pdf

Stoodt, Rainer, Konfliktstoff Wasser www.uni-muenster.de/PeaCon/wuf/wf-��/���0�00m.htm

www.trinkwasser.ch/dt/html/bildergallereie/frameset.htm?pages/wasserkreislauf.htm-RightFramewww.wasserkraft.de

www.wikipedia.org/wiki/gats