4
A. Hn~R~I~-~: Gefahrenbei der Versorgungfrischer Kehlkopfverletzungen. 487 D. Angemeldete, aus Zeitmangel nicht mehr gehaltene Vortriige. 42. IlerrA.H~Ru~rx~-N-3/[ainz. Fehler und Gefahren bei der Yersorgung frischer Kehlkopfverletzungen. (Mit 1 Textabbildung.) Der Grund ffir posttraumatische Kehlkopfstenosen ist meistens die falsche oder unzureichende Versorgung des Kehlkopfes bzw. des Kehlkopf gerfistes bei der Verletzung selbst. Im Kriege nnd im Frieden kommen infolge der zunehmenden ]V[otori- sierung ]~ehlkopfverletzungen in Gestalt yon Frakturen und Verlet- zungen usw. vor und verlangen n~eistens infolge der Atemnot die sofortige Nottracheotomie. Diese Tracheotomie wird in vielen Fi~llen nicht in unseren laryngologischen, sondern in den chirurgischen Abtei- lungem und Kliniken ausgefiihrt. Sind Weichteilverletzungen vorhanden, so werden diese chirurgisch versorgt. Damit ist zun~chst einmal die ]~ehandlung yore. Standpunkt des Chirurgen Bus abgesehlossen. Erst wenn nach Tagen oder nach Wochen de1' Chirurg die Kaniile entfernen will, treten die Verletzungsfolgen am Kehlkopf selbst in Erscheinung, die die Tracheotomie notwendig machten. Es entsteht fiir uns das Krank- heitsbild des sog. erschwerten Dekaniilements. Fiir gew6hnlich kommt erst jetzt der Chirurg auf die Idee, den Laryngglogen zuzuziehen. ])ieser wird nunmehr feststellen, dab Teile des Schildknorpels oder des I~ing- knorpels durch die Schleimhaut in d~s Lumen des Kehlkopfes durchge- spieBt sind. In anderen F~illen kann die Schleimhaut des Hypopharynx nnd des 0sophagus durch Knorpelfragmente perforiert worden sein. Peri- ehondritische und entziindliche Ver~nderungen kSrmen sich anschlieBen und ein monatelanges, vielleicht jahrelanges Kranksein zur Folge haben. Wir mfissen als Laryngologen uns grundsgtzlich auf den Standpunkt stellen, dab jede I(ehlkopfverletzung, sowohl die stumpfen als such die scharfen, die komplizierten und die nnkomplizierten, nach Anlegen der Nottracheotomie in unsere H~nde gehSren. Genau wie der Chirurg das Schienen eines komplizierten oder unkomplizierten Bruches bei der ersten Versorgung als NotmaBnahme betrachtet nnd die definitive Ver- sorgung erst in der Klinik nach Anfertigung yon l~Sntgenbildern usw, und unter ihrer Kontrolle vornimmt, genau so miissen wit die Tr~cheo- tomie, die den Patienten lediglich aus der Gefahr des Erstickens heraus- bringg, als NotmaBnahme zur Beseitigung der ersten Gefahr betraehten. Die definitive Versorgung der Kehlkopffraktur muB unmittelbar nach der Tracheotomie und nach LTberwinden des ersten Sehockes erfolgen. Wir diirfen keineswegs daranf warren, bis infolge der Frakturen und infolge der Verlagerung der einzelnen Knorpelfragmente mit ihren zahl- 1-eichen Muskelansgtzen soviel narbige Veri~nderungen und Verwach- sungen zustande kommen, dab sp~ter vielleicht nut noch nach j ahrelanger Behandlung gerade noch ein miiSiges gesultat erreicht wird. Daher

Fehler und Gefahren bei der Versorgung fischer Kehlkopfverletzungen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Fehler und Gefahren bei der Versorgung fischer Kehlkopfverletzungen

A. Hn~R~I~-~: Gefahren bei der Versorgung frischer Kehlkopfverletzungen. 487

D. Angemelde te , aus Ze i tmange l n ich t m e h r geha l tene Vortriige.

42. IlerrA.H~Ru~rx~-N-3/[ainz. Fehler und Gefahren bei der Yersorgung frischer Kehlkopfverletzungen. (Mit 1 Textabbildung.)

Der Grund ffir posttraumatische Kehlkopfstenosen ist meistens die falsche oder unzureichende Versorgung des Kehlkopfes bzw. des Kehlkopf gerfistes bei der Verletzung selbst.

Im Kriege nnd im Frieden kommen infolge der zunehmenden ]V[otori- sierung ]~ehlkopfverletzungen in Gestalt yon Frakturen und Verlet- zungen usw. vor und verlangen n~eistens infolge der Atemnot die sofortige Nottracheotomie. Diese Tracheotomie wird in vielen Fi~llen nicht in unseren laryngologischen, sondern in den chirurgischen Abtei- lungem und Kliniken ausgefiihrt. Sind Weichteilverletzungen vorhanden, so werden diese chirurgisch versorgt. Damit ist zun~chst einmal die ]~ehandlung yore. Standpunkt des Chirurgen Bus abgesehlossen. Erst wenn nach Tagen oder nach Wochen de1' Chirurg die Kaniile entfernen will, treten die Verletzungsfolgen am Kehlkopf selbst in Erscheinung, die die Tracheotomie notwendig machten. Es entsteht fiir uns das Krank- heitsbild des sog. erschwerten Dekaniilements. Fiir gew6hnlich kommt erst jetzt der Chirurg auf die Idee, den Laryngglogen zuzuziehen. ])ieser wird nunmehr feststellen, dab Teile des Schildknorpels oder des I~ing- knorpels durch die Schleimhaut in d~s Lumen des Kehlkopfes durchge- spieBt sind. In anderen F~illen kann die Schleimhaut des Hypopharynx nnd des 0sophagus durch Knorpelfragmente perforiert worden sein. Peri- ehondritische und entziindliche Ver~nderungen kSrmen sich anschlieBen und ein monatelanges, vielleicht jahrelanges Kranksein zur Folge haben.

Wir mfissen als Laryngologen uns grundsgtzlich auf den Standpunkt stellen, dab jede I(ehlkopfverletzung, sowohl die stumpfen als such die scharfen, die komplizierten und die nnkomplizierten, nach Anlegen der Nottracheotomie in unsere H~nde gehSren. Genau wie der Chirurg das Schienen eines komplizierten oder unkomplizierten Bruches bei der ersten Versorgung als NotmaBnahme betrachtet nnd die definitive Ver- sorgung erst in der Klinik nach Anfertigung yon l~Sntgenbildern usw, und unter ihrer Kontrolle vornimmt, genau so miissen wit die Tr~cheo- tomie, die den Patienten lediglich aus der Gefahr des Erstickens heraus- bringg, als NotmaBnahme zur Beseitigung der ersten Gefahr betraehten. Die definitive Versorgung der Kehlkopffraktur muB unmittelbar nach der Tracheotomie und nach LTberwinden des ersten Sehockes erfolgen. Wir diirfen keineswegs daranf warren, bis infolge der Frakturen und infolge der Verlagerung der einzelnen Knorpelfragmente mit ihren zahl- 1-eichen Muskelansgtzen soviel narbige Veri~nderungen und Verwach- sungen zustande kommen, dab sp~ter vielleicht nut noch nach j ahrelanger Behandlung gerade noch ein miiSiges gesultat erreicht wird. Daher

Page 2: Fehler und Gefahren bei der Versorgung fischer Kehlkopfverletzungen

488 A. H ~ M A ~ :

mfissen wit naeh der Verletzung den frakturierten Kehlkopf mit sei,nen verschobenen Knorpeln zun~tehst einmM richtig stellen, ihn aufriehten, seine Konturen wiederherstellen und dann wie jede sonstige Fraktur entsprechend sehienen, d. h. so fixieren, dab er in der Normallage ffir die ngchsten Woehen bis zur Heilung fixiert bleibt. Wir gehen dabei so vor, dab wit den P~/tienten mit Morphium-A~ropin oder SEE in iiblicher Weise vorbereiten. Alsdann wird wie znr Traeheoskopie oder 0sophago- skopie der Rachen sehonend unempfindlich gemacht. In jedem Fall ist zusgtzlieh die Angsthesierung des Nervus laryngeus superior beiderseits unbedingt erforderlich. Fa#t wie zur Totalexstirpation des Kehlkopfes werden aueh zur Unempfinctliehmaehung des gesamten Halsteiles rechts und links die Austrittsstellen der sensiblen Halsnerven hinter dem Sternokleidomastoideus beiderseits unempfindlich gemaeht. Wet fiber die modernen Narkoseapparate verffigt, der kann nach Ersetzen der Trachealkanfile durch die Intubation mit Lachgas unter Curarewirkung mit groBem Vorteil bei vSllig entspannter Muskulatur arbeiten. Erst, wenn votlkommene Angsthesie eingetreten ist, wird nunmehr dan Tra- cheoskopierohr, und zwar ein nicht zu diekes, in die Glottis eingeffihrt. Meistens ist diese erheblich verschwollen. Gelegentlieh sieht man dann schon den Knorpel im Kehlkopflumen durehspiegt daliegen; manchmal finder sieh aueh nur ein hoehgradiges I-Igmatom im Kehlkopflumen oberhalb und unterhalb der Stimm- und Taschenlippen. Man geht dann dutch die Stimmritze hindurch. 1Viii einem hSrbaren Knirsehen, ghnlieh dem Knirsehen, wie wit es beim Aufrichten der Nasenbein- frakturen kennen, rfickt das zusammengedriiekte Kehlkopfgeriist aus- einander. Der eingespieBte Knorpel verschwindet unter der Sehleim- haut wieder in seine Normallage. Hat man die Aufrichtung des Kehl- k o p f e s vorgenommen, so zieht man .das Rohr zuriick und ffihrt es nun in den Hypopharynx ein: Aueh bier habe ieh wiederholt Ver- letzungen der Schleimhaut naeh der SpeiserShre zu und naeh dem Schlundrachen gesehen, verursacht durch Knorpelperforationen. Beim Einfiihren in die SpeiserShre wird man nun gelegentlieh erleben, dab ein neues Krepitieren des Knorpels auftritt , und dab der Knorpel, der vorher aufgerichtet war, in seine pathologische Stellung wieder zuriick- fgllt. Darum habe ieh mir sich stets zum Grundsatz gemacht, zuerst den I-Iypopharynx zu untersuchen und zu revidieren. Es hat das den Vorteil, dab man die Ver/~nderungen sieht, wie sie urspriinglich vor- handen waren. Je tz t erst, nachdem der I typopharynx kontrolliert worden ist, fiihrt man die Tracheoskopie mit Aufriehtung des Kehl- kopfgerfistes dutch, denn beim Aufriehten des Kehlkopfgeriistes pflegen auch die in den Hypopharynx eingesPiefiten Knorpelteile in ihre Normal- lage zuriickzukehren und unter der Schleimhaut zurfiekzutreten. In vielen Fgllen ist nach der Aufrichtung des Kehlkopfes seine Schienung

Page 3: Fehler und Gefahren bei der Versorgung fischer Kehlkopfverletzungen

Fehler und Gefahren bei der Versorgung frischer Kehlkopfverletzungen. 489

~hnlieh wie bei einer wenig ausgedehnten Fraktur der Nase nicht not- wendig, weft die Tendenz zum Zuriiekkehren in die pathologische Stel- lung verhiiltnismggig sehr gering ist, wenn die Fraktur innerhalb der ersten 3 Tage aufgeriehtet wird. In manchen schweren Fgllen abet sind wir doch gezwungen, den Kehlkopf zu sehienen und ruhigzustellen, n~mlieh dann, wenn infolge sehwerer Zertriimmerungen d~s Kehlkopf- geriist sich spontan nieht h~lt und in sieh wieder zusammenf~llt.

Wie fiihren wit nun die Sehienung des Kehlkopfes aus? Von auBen kSnnen wir den :Keh!kopf nieht

sehienen. Wit miissen also eine Sehienung yon innen vornehmen, d. h. wit mtissen einen, dem KehlkopL lumen entspreehenden ]3ol- zen oberhalb der Traehenal- kan/ile einlegen. Dieser Bolzen dar faber nieht starr sein, weil es bei dem ver- letzten, versehwollenen und empfindliehen Kehlkopf leieht zu Deeubitalge- schwiiren und Nekrosen kommt. A m meisten hat sich uns ein ausgestopfter Fingerling bew~hrt.

Wit maehen das so, dag wit 2 Fingerlinge wegen der besseren Festigkeit iiberein- Abb. 1. Ausgestopfter Fingerling im Kehlkopf zum anderstiilpen und das Lu- Schienen und Fixieren bei Knorpelfrakturen des

Larynx. men des inneren Fingerlings mit Wat te oder Gaze auf etwa Fingerdieke ausstopfen. Der Fingerling wird nun an einem Faden fixiert. Der Faden wird durch den Kehlkopf zum Traeheostoma herausgeleitet. Man zieht alsdann den Fingerling in den Kehlkopf herunter, so dab die Kuppe des Fingerlings gerade in die Glot- tis zu liegen kommt. Der Faden wird an der Kaniile oder der Halshaut fixiert. Dieses Vorgehen hat den weiteren Vorteil, dag die Pat ienten sich nicht versehlueken, weft der Kehikopf verschlossen ist. Weiterhin hat die ,,elastische Sehienung" mit dem Gummifingerling den Vorzug, dab der Gummi nieht mit der Sehleimhaut verklebt. Darum kann Sekret, das nach dem I~ehlkopfinneren abflieBen m6ehte, ungehindert abflieBen. F a r gew6hnlieh haben wir diese ,,Kehlkopfsehiene" naeh etwa 8--14

Page 4: Fehler und Gefahren bei der Versorgung fischer Kehlkopfverletzungen

490 VOGEL:

Tagen entfernt. Heute, unter Penicillin- und Demuschutz, braucht man nicht einmal diese Zeit.

Wet einige Male solehe schweren Frakturen des Kehlkopfes mit dem durehgespieBten Knorpelstficken im Hypoloharynx und im KehlkopL lumen gesehen hat, und beobachtet hat, wie unter Krepi~ieren der Kehl- kopfknorpel in die Normallage zuriiekkehrg, der wird fiir immer davoa iiberzeugt sein, 1. wie notwendig die sofortige Versorgung des Kehl- kopfes durch den Laryngologen unmittelbar nach dem Unfall ist, der wird 2. pathologisch-anatomisch es verstehen, warum es bei dem durch- gespieBten Knorpel in der SpeiserShre zur Phlegmone des Kehlkopfes und oft zur t6dlichen Mediastinitis gekommen ist, und der wird 3. erstaunt sein, wie sehnell sich naeh der Aufrichtung und Schienung die Funktion des Kehlkopfes in bezug auf Atmung, Stimme nnd reflektori- schem VerschluBmechanismns wieder herstellen l~gt.

43. Herr VO~EL-Kiel. Atypische Sinusthrombosen. (Mit 3 Text~ abbildungen.)

Das klinische Bild der Sinusthrombose ist jedem Ohrenarzt gelgufig. Wir haben dabei eine Vorstellung yon pygmischem oder septischem Fieber, Schfilte]frSsten und Metastasen, sgarker Hyperleukocytose und Linksverschiebnng des Blutbildes, grauer blasser Gesichtsfarbe, grockener Zunge und schleehtem frequentem Puls.

Da die Sinusthrombose aber nicht immer so gekennzeichnet ist, so m6chte ich im l~ahmen des Kongregthemas ,,Fehler und Gefahren" kurz einige Fglle sehildern, in denen die meisten typischen Zeichen fehlten nnd welche deshalb in Gefahr geraten, verkannt zu werden und auch tatsgchlich anfangs verkannt wurden. Diese Tatsachen sind natiir- lich nieht neu und unter anderem auch in den groBen Arbeiten yon I-IAY- ~1a~ und yon MARX, SEIFERTH und HIBLE~ erwghnt. Doch bilden diese Fglle eine Ausnahme, auf die e's sich lohnt hinzuweisen.

.Fall 1. Karl Kr., 19 Jahre (Abb. 1). Aufnahme in die Klinik am 25. 2. 50. ttier wurde zun~chst ein unkomplizierter akuter exaeerbierter chronischer Mittel- ohrprozeg links vorget~uscht. Nach Paracentese, Fieberabfall, Versiegen der Sekretion, Abblassen des Trommelfells. Kein Druckschmerz am Warzenfortsatz. Das Blutbild zeigte eine leicht entzfindliche Vergnderung bei normaler Gesamt- teukocytenzahl, starker Zungenbelag mit Foetor, etwas Druckschmerz im rechten Kieferwinkel, welcher auf eine Drtisenschwellung und einen Herpes labialis bezogen wurde. Es folgte ein fieberfreier Tag und die Ohrei~erung ging zurtick. Am n~chsten Tag hatte er 38 ~ Am Tage darauf bekam der Patient pl6tzlich FrSsteln und 39,3 ~ ])as linke Ohr flng wieder an zu laufen. Einen Schfittelfrost sol]re er am Tage vor seiner Aufnahme auch gehabt haben. Bei der nun ~r Radikal- operation ergab sich ein Cholesteatom und eine jauchige Thrombose, nieht nur des Sinus, sondern auch der ganzen v~ jugularis bis in den thorakalen Teil,