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filmab! 2002 #2

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Das unabhängige Magazin zum 12. filmkunstfest Schwerin. Herausgegeben vom Jugendmedienverband MV.

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"filmab! - Zeitungsprojekt zumF i l m K u n s t F e s t "Praxisseminar für jugendlicheM e d i e n m a c h e r

http://filmab.jmmv.de

Herausgeber: Jugendmedienverband Mecklenburg -Vorpommern e.V.Budapester Str. 718057 RostockFon: 0381 / 4 92 32 54Fax: 0381 / 2 00 34 57http://[email protected]

Redaktionsanschrift:Wismarsche Str. 12619053 SchwerinFon: 0385 / 5 91 80 90

V.i.S.d.P.: Falko Fleischmann [ff]Layout: Niels Richter [nr]Internetseiten: Matthias Baumgart [mab]Redaktion: Sabrina Bindzau [sb], AlexanderMasche [am], Birgit Krumme [bk], Juliane"Juschi" Schirmann [ju], Emanuel Hanske[ema], Friederike Richter [fri], Tobias"Toasty" von Mach [115], Ulla-KajaRadeloff [ukr], Ulrike von Malottki [uvm]Beratung: Johannes Barthen, Sorina MiersBelichtung & Druck: c/w ObotritendruckAuflage: 400 Exemplare

Die Meiunug der Autoren entspricht nichtimmer der der gesammten Redaktion.

Gruß und Dank an: das Festivalteam (insbe-sondere Trevor Peters, Hasso Hartmann,Sabine Wagner), die Landeszentrale für pol.Bildung, Landesjugendamt MV, c/wObotritendruck (Herr Kweton & alleMitarbeiter, die extra für uns an denFeiertagen aufstehen), die Deutsche Bank24 Schwerin (Herr Richert und HerrStroeck), Olympus, Centermanagement"Wurm", "terra nord" (Frau Christen),Katastrophenschutz Landkreis Ludwigslust,Jugendhaus Dr.-Külz-Straße, die AGJG,Johannes Barthen und an Sorina Miers

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Editorial, die Zweite.

Direkt unter unserem Fenster, vor demCapitoleingang, trötet die "1.Bolschewistische Kurkapelle" unverzagtgegen das die Stadt beherrschende, monoto-ne Dröhnen aus wattstarken Bassboxen derJob-Parade an. Unbeeinflußt dessen öffnetdas FilmKunstFest seine Pforten. Wie sagtees Trevor Peters auf der Pressekonferenz imso gar nicht dem Job-Parade-Fieber verfalle-nen Schleswig-Holstein-Haus so schön: "DasFilmKunstFest ist jedenfalls keinEtikettenschwindel".

Wir von der filmab! geben uns alle Mühe,dem gerecht zu werden. Die letzten Artikelsind eingetrudelt, ein Großteil der Redaktionkann sich schlafen legen. Der Rest, allesdruckereigerecht aufzuarbeiten, liegt auf denSchultern des Layouters.

Die Zeiger unserer Uhren rücken immer wei-ter vor, dem Abgabetermin entgegen. Aberwir werden wieder pünktlich sein! Wir nutzeneinfach die besten uns zur Verfügung stehen-den Mittel: von guter Laune, Musik bis hin zuselbstgemachter Marmelade.

Ein Lob an die fürsorglichen Mütter unsererRedakteure, die einfach leckere Päckchenpackten!

Ich werde mir jetzt noch einen Kaffeekochen, dann beginnt der Endspurt.

[ff]

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“Wie war das mit dem FilmKunstFest?”

Vor uns liegt eine Filmrolle mit der Aufschrift"Die Geschichte des FilmKunstFestes". Wirspulen sie zurück bis zum Anfang. Das dauertetwas, denn schließlich ist dieses schon das12. Fest dieser Art.

1991. Die Filmlandschaft im Osten nach derWende verlangt nach frischem Wind. InMecklenburg-Vorpommern findet sich eineGruppe zusammen, die Leute aus der Film-und Kinoszene der ehemaligen DDR vereint.Sie legen die Grundsteine für den FilmvereinM-V und das Landesfilmzentrum. IhrEngagement ist so überzeugend, dass dieWahl des neuen Austragungsortes für dasFilmfestival der Bundeszentrale für politi-sche Bildung auf Schwerin fällt.

Ein Team unter der Leitung von DieterSchuhmann übernimmt dieFestivalorganisation. So werden unter demAspekt der politischen Bildung Filme gezeigt,die vor 2 Jahren noch die Zensur zum Feindgehabt hätten. Und mit dem Ausbau derSpielstätten erhält endlich auch die breiteMasse Zugang zu dieser Filmwelt.Von Anfang an mit im Konzept verankert sindder Spiel- und Kurzfilmwettbewerb. DiePreisgelder nutzen die Gewinner für neueProduktionen. Die Filmbranche wird belebt.Von Jahr zu Jahr wird die Arbeit desOrganisationsteams professioneller und dieKunde vom jungen Filmfest dringt in dieFerne.

"Der Film ist das Ensemble der Künste." DieseErkenntnis war ausschlaggebend, das Filmfestzu einem FilmKunstFest werden zu lassen.Dazu wurde auch der Leitspruch "KulturelleVielfalt leben" kredenzt. Und die reicht vonAusstellungen über Autorenlesungen bis zuLivemusik.Bei der Auswahl der Filme bedient man sichaus dem Spektrum der deutschsprachigen

Jahresproduktion. Dabei sucht dieFestivalleitung speziell sozial und kulturellengagierte Filme fernab der kommerziellenUnterhaltungsindustrie.Die fortwährend steigenden Besucherzahlenbestätigen das Interesse am etwas anspruchs-vollerem Film.

Seit 1995 gibt es den sogenanntenLänderschwerpunkt. Darin werden neueProduktionen aus einem jährlich wechselndenLand vorgestellt. Mit einer Filmreihe berei-chert Polen dieses Jahr das Programm. Polenist ein wahres Filmland und hat in dieserHinsicht viele Talente hervorgebracht. Aufwirtschaftlicher und politischer Ebene ver-dichten sich die Kontakte. Aber darüber, wel-che Veränderungen das Alltagsleben in Polenin den letzten Jahren durchlaufen hat, wissenwir doch noch recht wenig.

Womit wir in der Gegenwart angekommenwären. Seit zirka einem halben Jahr laufendie Vorbereitungen zum 12. FilmKunstFest,über die Hasso Hartmann und Trevor Peterswie schon in den letzten Jahren wachen.Heute steht die Eröffnung an. Wir sindgespannt...

[ukr]

" E s h a t n i e m a n d g e s a g t ,d a s s e s l e i c h t w i r d ! "

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Andreas Dresden und die “Halbe Treppe”

Im Hinterhof des Schleswig-HHolstein-HHaus fand heute dieEröffnungspressekonferenz des FilmKunstFestes statt.

Die kleine, gemütlich rustikale Scheune bot neben einerFotoausstellung auch Platz für eine Menge neugieriger Journalisten.Der Tisch am Ende des Raumes, auf den sich alle Augen richteten,war besetzt mit allerhand Prominenz,. Selbstverständlich anwesendwaren Hasso Hartmann und Trevor Peters, die Festivalleitung. Linksund rechts von ihnen Dr. Viola Völzer aus den BildungsministeriumMV, Prof. Dr. Dietger Pforte von der Stiftung Kulturfonds, DorisHeinze, Norddeutscher Rundfunk, Regisseur Andreas Dresen und derSchauspieler Thorsten Merten ("Halbe Treppe").

Auf die Fragen der Zuhörer wurde mit viel Humor geantwortet. DieFakten wurden mit ein paar Anekdoten und Hintergründen aufge-lockert. Auf eine grobe Abhandlung des FilmKunstFestprogrammesfolgt die intensive Auseinandersetzung mit A. Dresen und T. Merten.Ihr mehrfach ausgezeichneter Film ist der diesjährige Eröffnungsfilmdes FilmKunstFestes und wird im Herbst deutschlandweit in denKinos anlaufen. Was steckt nun also hinter diesem Film, der noch Großes verspricht? DieAufmerksamkeit in der letzten Hälfte der Pressekonferenz galt ganzdiesem Thema. Die "Halbe Treppe" haben mittlerweile schon einigeim Kino gesehen.

Wollen wir also die andere Hälfte entdecken und schauen hinter dieKulissen.Der deutsche Filmpreis bescherte Andreas Dresen eine beträchtlicheSumme, mit der er beschloss, ein Experiment in Angriff zu nehmen.Kein ernst zunehmender Produzent hätte ein solch ungewissesProjekt finanziert. Aber nicht das Geld, sondern die Idee machteinen Film. Ohne Drehbuch und ohne genaue Vorstellung über denFilmablauf fuhr das Team nach Frankfurt/Oder um die digitaleLowbugdetproduktion zu verwirklichen.

Die Schauspieler waren dem Regisseur schon aus frühererZusammenarbeit bekannt. Ihre Charaktere arbeiteten sie gemeinsamwährend des Drehs aus. Jeder am Set erhielt die gleiche Bezahlungund trug die gleiche Verantwortung.Beim Spazieren durch die Großstadt überlegte sich das Team, welcheBerufe die Figuren des Films ausüben könnten, so dass eine beson-dere Authentizität hergestellt wird. Dabei stießen sie auf die Kneipe"Halbe Treppe", die Namensgeber und Handlungsort des Films wird.Ein Journalist versucht Parallelen zur dänischen Dogmafilme herzu-stellen. Doch Regisseur A. Dresen blockt. Er hält die Musik für einenwichtigen Bestandteil seines Filmes und die ist im Dogmamanifestals verboten deklariert.

Wenn jetzt jemand, der den Film noch nicht gesehen hat, Lustbekommt, sich ihn doch noch anzuschauen, bietet sich ihm dieMöglichkeit am Samstag. Denn da wird der Film wiederholt. Damitsoll der großen Nachfrage entgegnet werden. Die erste Aufführungim Rahmen der Eröffnungsveranstaltung war mehr als ausverkauft.

[ukr&115]

Die andere Hälfte der Treppe

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“Escape to paradise” Spielfilm

Der 40-jährige Sehmuz Karadag, seineFrau Delal und ihre drei Kinder sindkurdischer Herkunft und haben sichaus der Türkei in die Schweiz geret-tet. Vorrübergehend kommen sie ineinem Asylzentrum unter, wo sie mitFlüchtlingen aus anderen Ländernzusammentreffen. Viele von ihnenbesitzen Narben oder werden vonAlpträumen geplagt. So auch derKurde Sehmuz, welcher in seinemHeimatland gefangen genommenwurde und in einem Gefängnis aufmenschenverachtende Art und Weisegequält, geschlagen uns Misshandeltwurde. Nach der Meinung eines kurdi-schen Landmannes klingen dieSchicksale für die Asylbehörden nichtecht genug und Sehmuz muss mit sei-ner Familie nachweisen, das sieFlüchtlinge sind. Alleine ein paarNarben am Körper sind nicht weiterrelevant und als Beweislage für dieBehörden nicht ausreichend.Folterdokumente, eine Anklageschriftoder eine Haftbescheinigung vomGefängnis würde sie nur überzeugen.Da Sehmuz damals die Augen verbun-den wurden, war es ihm nicht mög-lich, sich an den genauen Standortder Foltergeschehnisse zu erinnern.Somit ist seine Geschichte schonunglaubwürdig und die ganze Familiehat große Angst, wieder nach Hausein ihr Land zurück zu kehren.

Deshalb versuchen sie krampfhaft umAsyl in der Schweiz zu kämpfen undmüssen dafür wieder jede Menge übersich ergehen lassen. Verhöre, zahlrei-che Fragestellungen und erneuteErinnerungen an die vergessenenQualen, lassen Sehmuz verzweifeln.Man spürt die drückende Angst undPanik der Familie, alleine bei demGedanken, wieder zurück in dieTürkei zu müssen. Die Geschichteberuht auf wahren Begebenheiten,die mit direkt Betroffenen entwickeltwurden. Nino Jacusso arbeitet mitElementen des "Real Acting"- d.h.reale Personen agieren in einer direktaus dem Leben stammenden dramati-sierten Story vor der Kamera. Durchdas Real Action gewinnt der Film aneiner hohen Authentizität, welchedurch die Kameraführung, die Ton-und Lichtgestaltung, das Dekor unddie Musik verstärkt wird. Auf dieseWeise kann das Publikum einFamilienschicksal nachvollziehen, dasfür Tausende von anonym bleibendenAsylbewerbern steht.

Nino Jacusso wurde 1955 inSüditalien geboren, 1960emigrierteer in die Schweiz. Später absolvierteer in München sein Studium an derFilmhochschule. Heute arbeitet er alsAutor, Regisseur undMedienpädagoge.

(sb)

Flucht ins Paradies Der Spielfilm "Escape to Paradise" von Jacusso ist besonders sehenswert, daer Träume und Hoffnungen von Asylbewerbern gut darstellt und dabei stetsdie knallharte Wirklichkeit im Vordergrund lässt.

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“Happiness is a warm gun” Spielfilm

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T o t ?

Manchmal beginnt das Leben erstnach dem Tod. Und manchmal mussman nachhelfen. So wie bei PetraKelly (Linda Olansky) - ermordetvon ihrem Liebhaber Gert Bastian(Herbert Frisch). Ermordet? DerLiebhaber erschießt sich danachselbst. Suizid? Zweifacher Freitod?Oder "Happiness is a warm gun"?Gerade noch im Gestern, den frü-hen Achtziger und schon sind sieprojiziert in die surrealistische

Welt Nichtzeit. Jahre die verfliegen, alles beim alten und doch neu. Zeit - nurnoch der Augenblick zwischen dem Eindringen der Kugel in den Kopf und deren einnisten imGehirn bis jedes Ringen nach dem Weiterleben erlischt. Das Sterben wird zum Zeitraffer...Petra Kelly erwacht in einer Transitzone auf dem Flughafen, den sie nicht verlassen darf, da sietot ist. Hier trifft sie auch wieder auf Gert - ebenfalls tot. Jetzt beginnt erst ihr Kampf in derWelt der Lebenden ums Überleben.Und plötzlich ist Petra eine Grünenabgeordnete, die wie ein Relikt wirkt. Ein Relikt in derAltherrenpartei des Opportunismus: "Wie kann man mit der Waffe in derHand gegen den Frieden sein?"Doch was fühlt man beim Sterben? Plötzlich ist das typische Bild des Ablebens in Fragegestellt: Schmerzen? Hat man Schmerzen? Starke? Keine? Ist es erotisierend? Ist es Sinneslust,die Weiterführung der Sexualität, der Erotik? Und dann, was kommt dann?

Für die beiden Antihelden vonThomas Imbach beginnt jetzt erstein rasantes irreales und exzessi-ves Leben. Die Beiden wirken ineiner morbiden, statischen Weltsehr infernalisch, dämonisch, abergleichzeitig labil undz e r b r e c h l i c h . . .Imbach skizziert in "Happines is awarm gun" mit einer filigranen,segmentartigen Detailgenauigkeitdie Psyche seinerHauptdarstellerin Petra. Eine Frau- mimosenhaft, ängstlich, zer-brechlich wie Porzellan, dochgleichzeitig dominant, zielsicher,durchschlagend. Es eine Masse anFragmenten aus visuellen undakkustischen Reizen - nur imZusammenhang ein Bild ergebend,doch aber schon hart an der Grenzeeiner Bewußtlosigkeit der Sinnedurch eine absoluteReizüberflutung. Die Erkenntnis,das Verstehen kommen - wennauch erst nach dem drittenmalS e h e nImmer und immer wieder wird dieFrage nach einerExistenzberechtigung gestellt:Müssen wir sogar noch nach demTod um unser Leben kämpfen?

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Ausstellungseröffnung

Ausstellungseröffnung:Zebrowski & Niedenthal

Noch vor der Eröffnungsveranstaltung imKino wurde gestern Nachmittag die Foto-und Plakatkunstausstellung im Schleswig-Holstein-Haus feierlich eröffnet.Es werden Fotografien von ChrisNiedenthal und Plakate von LeszekZebrowski gezeigt.Begleitend zur diesjährigenFilmländerreihe Polen gibt es Werke ver-schiedener Künstler aus diesem Land zusehen.Niedenthal und Zebrowski sind zwei vonihnen und waren zur gestrigen Vernissageanwesend. Dort sprachen selbstverständ-lich die beiden Künstler, sowie OBKwaschik und von der FestivalleitungHasso Hartmann und Trevor Peters.Insbesondere Peters hatte sich um dieseAusstellung gekümmert und konnte dieeine oder andere Anekdote zum Bestengeben. So "schmuggelte" er zum Beispieldas diesjährige Filmkunstfestplakat, dasvon Leszek Zebrowski gestaltet wurde,über die Grenze. Zu Chris Niedenthalmachte er das Publikum darauf aufmerk-sam, dass Niedenthal, der in London gebo-ren und aufgewachsen ist, eine sehrtypisch englische Eigenschaft hat: Erspielt sein eigenes Können herunter.Niedenthal meint selbst zur Entstehungseiner Fotos: "Ich war einfach zum richti-gen Zeitpunkt am richtigen Ort."Nach dem offiziellen Programmpunktbekam jeder die Möglichkeit dieKunstwerke eingehend zu betrachten undhier und da mit anderenKunstinteressierten oder den Künstlernein Wort zu wechseln.Passend zur Kunst aus Polen wurde ein

großes Buffet aufgebaut, welches polni-sche Spezialitäten feilbot. Es gab vielleckeren Kuchen, eingelegte Paprika undwie Trevor Peters ankündigte: "Römersalatmit saurer Sahne."Nach dem Genuss der Kunst setzten sichdie meisten Gäste zum Genuss derKulinaritäten nach draußen auf die Wiesedes gemütlichen Hinterhofes. DieAtmosphäre wurde durch die nun erschei-nenden Sonnenstrahlen aufgewertet.Dadurch ermöglichte sie ein sehr gemütli-ches Beisammensein und die Gespräche,die in den Austellungsräumen begannen,wurden draußen fortgeführt.

"Kann man Angst, Verzweiflung, Freude, Euphorie und andere Gefühlszustände im einfarbigenPlakat zeichnen?Kann man eine Zeichnung begehen, die eine Aufzeichnung der eigenen psychischen Spannungin einem begrenzten Augenblick des Schaffens ist?"

- Gedanken von Leszek Zebrowski

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Ausstellungseröffnung

Chris Niedenthal:Seine Fotos zeigen hauptsächlich Menschen.Er empfiehlt dem Betrachter: "Gucken sie in die Augen. Alle haben von derHoffnung geträumt, dass es sie geben soll,hat die Geschichte gezeigt. Auch wenn siehoffnungslos aussehen, schauen sie genau indie Augen, denn sie werden trotzdem einenFunken Hoffnung haben." SeineFarbfotografien entstanden in den 80er undteilweise in den 90er Jahren fast ausschließ-lich in Polen - nur zwei Bilder sind vomMauerfall in Berlin, da sie sich so fließendeinreihen. Niedenthal zeigen Menschen imAufbruch, Hoffnungslosigkeit und Hoffnungoder einfach das Leben. Alle verbindet dietiefe Menschlichkeit, die sie prägt. EinGroßteil der Bilder wurde aufgenommen,kurz nachdem das Kriegsrecht am 13.Dezember 1981 über Polen verhängt wurde:Ältere Frauen stehen an diesem Tag mitKerzen in der Hand zusammen. Sie wirken zutiefst erschüttert und aufgewühlt. Doch beimBlick in die Augen kann man diesesFünkchen Hoffnung aufblitzen sehen, vondem Niedenthal bei der Vernissage sprach. Dieses und noch viele andere Photos sindnicht nur im Schleswig - Holstein - Haus,sondern auch im Wurm zu besichtigen.

Leszek Zebrowski:Der 1950 geborene Maler, Graphiker undBühnenbildner spezialisierte sich aufZeichnung, Satirezeichnung, Graphik,Bühnenbild und natürlich auf diePlakatmalerei. Seine Plakate sind typischeVertreter des unverwechselbaren PolnischenStils. Mit seinen Plakaten hatte er schonüber 200 Ausstellungen und gewann mehre-re Auszeichnungen und Preise.Die ausgestellten Bilder sind in einem erfri-schend neuen expressiv-surrealistischen Stilgehalten, die zuweilen an Neojugendstil-oder Popartzeichnungen angelehnt sind. Daswichtigste, so Zebrowsky, sei auch bei allden technischen Neuerungen, das Könnenund die Fähigkeit Plakate gestalten zu kön-nen. Von den neuartigen buntenReklameplakaten, einer"Kommerzbewegung" hält er nichts.Die ausgestellten Plakate strahlen eine"empfindsame Sentimentalität", welche aufseine tiefe Naturverbundenheit zurück zuführen ist. Es ist eine graphische Malerei diean Plastik, manchmal an Collage erinnert. Essind Bilder, welche die Wirklichkeit scho-nungslos darstellen.Er selbst sagt über die Ausstellung:"Schauen sie sich das einfach an!" - demkann man sich nur anschließen.

[emh+fri]

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Bücher, die das Leben schreibt!!

Jeder kennt den am 23. Februar 1899 gebore-nen Autor Erich Kästner. Ein Schriftsteller fürdie ganze Familie. Gedichte, Kaberetttexte,Romane und Zeitungsartikel. Nach dem erstenWeltkrieg beendete Kästner die Schule undging nach Leipzig, später dann auch nachRostock und Berlin, um dort die FächerGermanistik, Geschichte, Philosophie undTheatergeschichte zu studieren. Seine direkteArt, die Gesellschaft zu kritisieren, wurdenicht von jedem geliebt. DieNationalsozialisten verbrannten seine Bücher,verhängten ein absolutes Schreibverbot undverfolgten ihn. Kästner blieb trotzdem inDeutschland und schrieb unter einem anderenNamen weiter.

1956 wurde Kästner mit dem GroßenBundesverdienstkreuz ausgezeichnet, 1970erhielt er den kulturellen Ehrenpreis der StadtMünchen.Kästner schrieb nicht nur Bücher fürErwachsene, gerade seine Kinderbücher ver-zauberten die Welt. Ob menschliche, sozialeoder materielle Sorgen und Probleme, Kästnerstellte sie kritisch dar.

Seine Kinderbücher wurden mehrfach ver-filmt. Dieses Jahr werden fünf Kinderfilmevon Kästner auf dem Film Kunst Fest gezeigt.Kästner schreibt nicht, wie schön das Lebenist, sondern erzählt über die großen und klei-nen Sorgen seiner Figuren. Zwei Mädchen, diein sich Spiegelbild finden und dadurch fest-stellen, dass sie gar nicht so alleine sind, wieMutter oder Vater immer vorgaben.Scheidungen sind heutzutage nichts seltenes,aber besonders schlimm, wenn Kinder darun-ter leiden müssen.

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Kinderkino

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Um Freunde, die bei Problemen unter dieArme greifen, geht es in "Emil und dieDetektive".Emil wird im Zug nach Berlin bestohlen undrennt nun seinem Geld buchstäblich hinter-her, denn er kennt den Dieb. Auf seinerAbenteuerreise durch die Stadt lernt er dieBande von Pony kennen. Sie schließen sichihm an und gemeinsam jagen sie den Räuber.

Kinder, die sich helfen, ohne zu fragen wassie denn bekommen, gibt es auch im Film"Das fliegende Klassenzimmer". Dort werdenaber auch die Fragen geklärt, ob sich Mut undDummheit miteinander vergleichen lassenoder der in einem Eisenbahnwaggon lebende

Nichtraucher wirklich allein bleiben will. WerFreunde hat, der kann sich glücklich schätzen.Wer keine echten Freunde besitzt,istbestimmt ganz schön einsam.

Kästner schrieb aber auch ein Buch mit spre-chenden Tieren, welches als Zeichentrickfilmumgesetzt wurde. Die Tiere sind erbost überdie Menschen, die nur auf Konferenzen Redenhalten, aber keine Taten folgen lassen. Kinderleiden unter Krieg, Hungersnot undNaturkatastrophen, aber die Erwachsenenreden und reden nur.

In unserer Zeit hat sich nicht viel geändert, esfallen immer noch Bomben vom Himmel unddie Politiker reden um den heißen Brei. Wirmüssen lernen, unsere Zukunft selbst in dieHand zu nehmen, denn sonst wird sich nichtviel ändern.

Ich finde, jedes Kind sollte Bücher vonKästner gelesen haben, um sich von seinerPhantasie beflügeln zu lassen.

Eric

h Kä

stne

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Kinderkino

Samstag, 4.5.02, ab 14:00 Uhr Kinder-FFilm-Fete mit Emil und die Detektive

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Früh am Morgen erwacht Indien, alles istnoch ruhig, der Sturm steht unmittelbarbevor.

Die Sonne steigt höher und die Straße fülltsich mit aufregendem Leben. Und inmittendieses Chaos entstehen Bilder - überall:Auf dem Sandboden, in der Kamera undauf Häuserwänden. Parallel zumTagesverlauf auch das Alter der Technik:Im warmen Licht der Morgensonne erstellteine Frau aus farbigen SandstaubMandalas. Inmitten der Fußgängerzonesteht ein Mann mit einer altmodischenKamera: Er taucht für einen kurzenMoment unter das schwarze Tuch und -klick - er löst aus. Der Fotografierte kanndaraufhin ein Passfoto in der Hand halten. Irgendwo, es ist schon etwas später amTage, wird eine riesige Reklame an eineHäuserwand gemalt. Keine moderneTechnik, für die jedoch hier geworbenwird, unterstützt die Maler hierbei, sieklettern schlicht mit einem Pinsel in derHand auf einem Bambusgerüst.Am Abend wechselt der Schauplatz von derStraße zu einem Jahrmarkt mit vielenKarussells und Riesenrädern. Die Kindererleben Höhenflüge und die Unterschiedezu unserer Kultur verschwinden im Nichts.Bilder strömen, mal ganz schnell, dannwie im Zeitraffer und zwischendurch ver-weilt eines für kurze Zeit auf derLeinwand. Diese Bilder - eine Galerie unzähligerMomentaufnahmen eines Tages irgendwoin Indien. Wie im staccato tauchen hierund da Rikschas, Marktstände, Mopedsund unzählige Menschen auf. Alle sindbeschäftigt und eilen nach kurzweili-gem Aufenthalt fort, so plötzlich wiesie erschienen. Ein kurzes Intermezzoirgendwann im Laufe des Tages.

Die Kamera schwenkt umher, ein anderesMal bildet ein bewegtes Puzzle aus ver-schiedenen Kameraperspektiven fürAbwechslung. Als würde der Zuschauer inein Kaleidoskop schauen, sammeln undverstreuen sich die Bilder.

"The day slows down as it progresses" istgeprägt von diesem steten Kommen undGehen, nichts verweilt für mehr als einenAugenblick. Pulsierend und zuweilen sehrnervenaufreibend wirkt der Ton, manchmalkommt er der Grenze zu einem Gefühl vonKopfschmerzen gefährlich nahe.Der Kurzfilm ist aufregend, und trotz dervielen Momentaufnahmen bildet alles insich eine Einheit, die vielleicht nichtsofort ins Auge fällt. Doch das reizvollwirkt der Film nicht zuletzt desHandlungsortes wegen.

"The day slows down as it progresses",Thomas Bartels,

Kurzfilm 13:30 min

[fri]

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“The day slows down as it progresses” Kurzfilm

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““WWeennnn eess rreeggnneett......””Der Film beginnt mit einer monoton sprechenden Stimme aus dem Dunkeln: "Mein Vater und ich mögen es,wenn's regnet." Geräusche von prasselndem Regen werden langsam eingespielt. Wenn es regnet, ist die Straße naß. Wenn die Straße naß ist, können zum Beispiel Motorradfahrer viel leich-ter die Kontrolle über ihre Maschine verlieren. Es gibt eine Menge Motorradunfälle, wenn es regnet...Du kannst sofort hirntot sein, aus und vorbei, aber dein Herz schlägt weiter und weiter und immer nocheinmal. Es liebt dich und will noch nicht aufhören.

In Jan Richters (Oliver Boken) Nase steckt ein Schlauch. Er verhilft seinem schwachen Körper zum tieferenAtmen. Jan ist herzkrank. Seine Lippen sind vertrocknet, die Wangen eingefallen. Er liegt im Bett und war-tet von dort aus sehnlichst auf ein Spenderorgan, auf ein funktionierendes Stück aus einer leblosen Hülle.Der noch pulsierende Muskel einer Leiche soll ihm zu neuem Leben verhelfen. Jan bleiben vier Wochen,sechs Wochen vielleicht, wer weiß das schon? Unwichtig. Es gibt doch sowieso kein Herz für Jan...Er ist ans Bett gefesselt; zu schwach, um aufzustehen. Schlafen, trinken, Tabletten schlucken, dösen, wei-nen. Und immer wieder dieses unsägliche Warten. Merkst du, wie es dich zerfrisst, ganz so, wie es auch dieKrankheit tut? Jan wartet darauf, das ein anderer Mensch stirbt. Jemand fremdes. Ein Selbstmörder vielleicht. Das sindHelden für Jan und seinen Vater - insofern sie einen Organspenderausweis besitzen.Der Name Richter, Jan steht ganz oben auf der Warteliste für ein neues Herz. Nur die Zeit verrinnt trotz-

dem nicht langsamer.Mit langen, dürren Fingern tappt Jan auf der Fernsehbedienung herum. Seine verweinten Augen liegen tiefin den Höhlen.

Jan bemerkt Veränderungen im Verhalten seines überaus geliebten Vaters (Karl Kranzkowsky). Diesermöchte Jan auf einmal wieder in eine Klinik einweisen, vernachlässigt Jan und wirktunfreundlich. Schließlich findet Jan eine Anzeige für Särge.Ein schrecklicher Verdacht bewahrheitet sich: Jans Vater will sichumbringen, um seinem Sohn ein gesundes Leben zu schenken."Ich will dein Herz nicht haben!" schreit Jan in die Nacht. Mitletzter Kraft reißt er den Strick durch, mit dessen Hilfe sichJans Vater umbringen wollte. Zusammen liegen sie zit-ternd, erschöpft aber lebendig im Laub. Plitsch, Platsch,Tropfen fallen vom Himmel. "Mein Vater und ich freu-en uns immer, wenn es regnet..."

Der Kurzfilm von Gudrun Falke zeigt, trotz derGesamtlänge von nur rund zehn Minuten, die per-verse Zwiespältigkeit von Organtransplantationen:Betroffene müssen einerseits unbestimmte Zeitauf ihr lebensrettendes Organ warten, anderer-seits stirbt dafür immer jemand anderes. Ist dieseine Last, mit der man leben kann? Gudrun Falkehat den Film deshalb so gut in Szene gesetzt,weil man wirklich glaubt, der Vater würde sei-nem Sohn lieblos gegenübertreten. Falke pflanztden Zuschauern den Glauben ein, der Vaterwolle seinen Sohn umbringen. Daher wirktdas Ende von "Wenn es regnet" sanft undgefühlvoll auf den Zuschauer ein.Erleichterung macht sich breit,Hoffnung keimt zusammen mit dem fal-lenden Regen auf.

[ju]

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“Wenn es regnet” Kurzfilm

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“Benny X” Kurzfilm

Benny X, den letzten Song geträumt Lautes Gebrüll, beklemmende Enge, Mädel, die nicht wissen, ob sieweinen oder jubeln sollen. Sie würden alles für Benny X (KenDuken) tun, wenn Sie ihn nur ein einziges Mal berühren könnten.Benny ist ein naiver Tennie-Star, der von einer ganzen Generationjunger Mädchen vergöttert wird. Auch die kleine, schwerkrankeSandra ist fasziniert von ihrem Idol. Nur einmal seine Hände hal-ten, ihm tief in die Augen blicken, davon träumt sie. Ihre Mutter(Catrin Strieböck) ist verzweifelt und versucht die Krankheit ihresKindes zu verdrängen. So macht sie sich auf den Weg, um den größ-ten Wunsch ihrer Tochter zu erfüllen. Sie möchte den Star dazu bewegen ihre Tochter zu Hause zu besu-chen.

Der 1974 in Essen geborene Regisseur Florian Baxmeyer, der zur-zeit in Hamburg Film-Regie studiert, schuf einen sehr emotionalenStreifen. Die Hilflosigkeit und Hoffnung, die Catrin Striebeck mitihrer Mimik und Gestik bewegend darstellt, lässt den ZuschauerEindrücke in ihre Gedankenwelt gewinnen.. Ken Duken, der schonan der Seite von Franka Potente und Götz George in"Schlaraffenland" einen bleibenden Eindruck hinterließ, stelltauch in diesem Film sein schauspielerisches Können unter Beweis.Ein anspruchsvoller Kurzfilm, hervorragend besetzt und sehrgefühlvoll inszeniert.

Benny X, Deutschland 2001, 10 min

[am]

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Capitol 19.00 Uhr Kinder-KKinoDas fliegende Klassenzimmer von KurtHoffmann

11.00 Uhr Kinder-KKinoDie Konferenz der Tierevon Curt Linda

21.30 Uhr RegiereiheJakob der Lügner von Frank Beyer

Capitol 215.30 Uhr RegiereiheDer Aufenthalt von Frank Beyer

18.00 Uhr RegiereiheKönigskinder von Frank Beyer

20.00 Uhr NDR-SSpecialDie Hoffnung stirbt zuletzt von MarcRothemund

22.15 Uhr Maria SchraderAimée und Jaguarvon Max Färberböck

Capitol 315.00 Uhr LänderreiheDie Verliebten von Piotr Weresniak

17.30 Uhr RegiereiheDas große Fest von Frank Beyer

20.00 Uhr Filmschule LodzStudentenfilmeberühmter Absolventen:Roman Polanski, Krzysztof Kieslowski,Andrzej Wajda und Krzysztof Zanussi

22.30 Uhr LänderreiheGar nicht komisch von Marek Koterski

Capitol 49.00 Uhr KinoseminarDie Unbestechlichen von Alan J. Pakula

17.00 Uhr WettbewerbEscape to Paradise, SF von Nino JacussoThe day slows down …KF von Thomas Bartels

19.30 Uhr WettbewerbUtopia Blues, SF von Stefan HauptBenny X, KF von Florian Baxmeyer

22.00 Uhr WettbewerbHappiness is a warm gun SF von ThomasImbachWenn es regnet, KF von Gudrun Falke

Capitol 59.15 Uhr KinoseminarEasy Rider von Dennis Hopper

16.30 Uhr Maria SchraderI was on Mars von Dani Levy

18.30 Uhr WettbewerbHalbe Treppe SF von Andreas DresenPassion fatale, KF von Alla Churikova

21.00 Uhr LänderreiheMontag von Witold Adamek (Polen)

Anderswo11.00 Uhr und 15.00 UhrSTAATLICHES MUSEUMExperimentelle Filme von Ryszard Wasko

20.00 Uhr SPEICHERBarbara Thalheim und Jean Pacalet - Lieder

22.00 Uhr Festivalzentrum WURMMusik "After Blues"

24.00 Uhr Festivalzentrum WURMFilmtalkmit Knut Elstermann und den Stars desWettbewerbs

DDaass PPrrooggrraammmmffüürr ddeenn 0022..0055..22000022der 2. Tag des FilmKunstFestes