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Flugunfälle – Rechtliche Aspekte Horizon Pilotenschulung Sara Andrea Behrend Dr. Laurent Chassot Marco Novoselac 11. Dezember 2015

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Flugunfälle – Rechtliche Aspekte

Horizon Pilotenschulung

Sara Andrea BehrendDr. Laurent ChassotMarco Novoselac

11. Dezember 2015

Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Einleitung/Fall

• Herr Beat Bruch ist Pilot und bewirbt per Internet Rundflüge an Bord des ihm gehörenden Kleinflugzeuges im Kanton Solothurn. Diese Rundflüge erfolgen gegen Entgelt, wobei dieses Entgelt nur die Kosten deckt (Treibstoff, Wartung, Hangar und persönliche Spesen des Piloten).

• Herr Guido Guck, begeisterter Hobby-Fotograf, bucht einen „Foto-Rundflug“ bei Herrn Bruch.

• Während des Rundfluges in der Nähe des Juras sichtet Herr Guck verschiedene Heissluftballone und will diese fotografieren.

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• Damit Herr Guck bessere Motive erhält, fliegt Pilot Bruch nahe an einen der farbigen Ballone heran und umkreist ihn von unten her im Steigflug mit einer scharfen Rechtskurve. Während Herr Guck ein Foto nach dem anderen schiesst, touchiert Pilot Bruch die Ballonhülle des Ballons versehentlich mit dem Flügel.

• Infolgedessen stürzt der Ballon ab. Dabei wird der Ballon-Pilot Peter Pech, ein Top-Manager der UBS mit ca. CHF 2 MioJahresgehalt, verheiratet und zwei Kinder, getötet und seine Passagierin, Gertrud Glück, verletzt. Der Ballon gehörte dem Verein Hotair. Pilot und Passagierin waren Vereinsmitglieder.

• Da der Ballon auf ein Haus stürzt, wird auch noch das Dach des Hauses stark beschädigt.

• Flugzeugpilot Bruch und Passagier Guck landen unverletzt

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Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Versicherungsfragen

• Haftungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Flugunfalluntersuchung

• ICAO Annex 13

• EU VO Nr. 996/2010

• Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen (VSZV)

• Zweck: Verhütung von weiteren Zwischenfällen (nur!)

• Zuständige Stelle: SUST

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Unfalluntersuchung: Meldepflicht

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• VSZV

Unfalluntersuchung: Verwendung von Informationen

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• VSZV

• + Art. 14 VO 996/2010: Schutz sensiblerSicherheitsinformationen

Unfalluntersuchung: Verwendung von Informationen• Aber: (VSZV)

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Unfalluntersuchung: Mitwirkung

• Akteneinsicht

• Stellungnahme auf Berichtsentwurf (innert 60 Tage)

• Aber: Kein Anspruch auf Änderung des Berichtes

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Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Gewerbsmässigkeit

• Neue Definitiongemäss EG VO Nr. 216/2008:

• „gewerbliche Tätigkeit“ Betrieb eines Luftfahrzeugs gegen Entgelt oder sonstige geldwerte Gegenleistungen, der der Öffentlichkeit zur Verfügung steht oder der, wenn er nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, im Rahmen eines Vertrags zwischen einem Betreiber und einem Kunden erbracht wird, wobei der Kunde keine Kontrolle über den Betreiber ausübt

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Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Haftungsfragen/Haftungsgrundlagen

• Übereinkommen von Montreal (MÜ)

• Schweizerisches Luftfahrtgesetz (LFG)

• Schweizerische Luftfahrtverordnung (LFV)

• Schweizerische Lufttransportverordnung (LTrV)

• Schweizerisches Obligationenrecht (OR)

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Haftungsfragen/MÜ

• Übereinkommen von Montreal (MÜ)– CH 2005 in Kraft getreten– 120 Staaten– Haftung Luftfrachtführer

• Def.: Vertraglich (Beförderungsvertrag) verpflichtet zur Beförderungvon Reisenden, Gepäck, Fracht mit Luftfahrzeug

• Vertragshaftung

– Internationale Beförderungen• Abgangs- und Bestimmungsort in verschiedenen Vertragsstaaten

– Gewerbsmässige Beförderung (Luftfahrtunternehmen)– Entgeltliche private Beförderung

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Haftungsfragen/MÜ

• Übereinkommen von Montreal (MÜ)– Haftung für Personenschäden

• Tod oder Verletzung• Unfall an Bord Luftfahrzeug• Bis SZR 113’100 (Sonderziehungsrecht = ca. CHF 1.38 pro

Reisender kausal• Ab SZR113’100 Verschuldenshaftung

– Meiste Bestimmungen direkt anwendbar

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Haftungsfragen/Fall

• Ist das MÜ anwendbar?

• Nein, da keine internationale Beförderung

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Haftungsfragen/LFG

• Anwendungsbereich: CH Luftraum

• Haftungsbestimmung: Art. 64 LFG

“Für Schäden, die von einem im Fluge befindlichen Luftfahrzeugeiner Person oder Sache auf der Erde zugefügt wurden, ist durchden Halter des Luftfahrzeuges Ersatz zu leisten, sofern feststeht, dass der Schaden entstanden und vom Luftfahrzeug verursachtworden ist.”

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Haftungsfragen/LFG

– Schaden• Personenschaden durch Körperverletzung oder Tötung: Kosten,

Erwerbsausfall, Versorgerschaden• Sachschäden

– Im Fluge befindliches Luftfahrzeug• Beginn Abflugmanöver bis Beendigung Anfunftsmanöver

– Person oder Sache auf der Erde• Ansprüche Dritter

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Haftungsfragen/LFG

– Vom Luftfahrzeug verursacht• Kausalhaftung: Kein Verschulden nötig; Betriebshaftung

(ausgeprägte Tendenz des in Frage stehenden Betriebes zurHerbeiführung von Schäden = Gefährungshaftung)

– Halter • Verfügungsgewalt über Luftfahrzeug; braucht nicht Eigentümer zu

sein; eigene Rechnung und Gefahr (BGer)

• Zusammenstoss in der Luft: Solidarhaftung (Art. 66 LFG)– “Wird ein Schaden auf der Erde dadurch verursacht, dass zwei

oder mehrere Luftfahrzeuge zusammenstossen, so sind beideHalter dieser Luftfahrzeuge den geschädigten Dritten alsSolidarschuldner verpflichtet.”

– Haftung für ganzen Schaden (am Boden)– Passagiere sind keine Drittpersonen

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Haftungsfragen/Fall

• Ist das LFG anwendbar?

• Ja

• Beide Halter haften gegenüber Hauseigentümer für die Beschädigung des Daches

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Haftungsfragen/LFV

• Gewerbsmässig/nicht gewerbsmässig– Gewerbsmässigkeit (Art. 100 LFV)

„Flüge gelten als gewerbsmässig, wenn:a. für sie in irgendeiner Form ein Entgelt entrichtet wird, das mehr als die Kosten für Luftfahrzeugmiete, Treibstoff sowie Flugplatz- und Flugsicherungsgebühren decken soll; undb. sie einem nicht bestimmten Kreis von Personen zugänglich sind.“

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Haftungsfragen/LFV

– Gewerbsmässigkeit Art. 3 EG Verordnung Nr. 216/2008• Gewerbliche Tätigkeit• Betrieb eines Luftfahrzeugs gegen Entgelt oder sonstige geldwerte

Gegenleistungen,• der der Öffentlichkeit zur Verfügung steht oder,• wenn er nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, im Rahmen

eines Vertrags zwischen einem Betreiber und einem Kunden erbracht wird,

• wobei der Kunde keine Kontrolle über den Betreiber ausübt

– BAZL interpretiert neu Art. 3 VO Nr. 216/2018 im Lichte des Art. 100 LFV

– -> Erweiterung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit um Vertrag und Kontrolle

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Haftungsfragen/LFV

• Folgen Gewerbsmässigkeit:– Besondere Bewilligung BAZL– Anwendbarkeit EU OPS– Lizenz (CPL)– Besonderes medizinisches Tauglichkeitszeugnis (Medial Class 1)– Flugscheine– Voraussetzung Bewilligung: Sicherstellung Haftpflichtansprüche

bei Tod und Körperverletzung SZR 250‘000 pro Reisender

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Haftungsfragen/LFV

• Pflicht Abschluss HaftpflichtversicherungLuftfahrzeughalter für Schäden Dritter auf der Erde (Art. 123 LFV)– Voraussetzung Zulassung zum Verkehr (Art. 18 LFV)

• Höhe der Sicherstellung (Art. 125 LFV)– Je nach Abfluggewicht SZR 750’000 – 700’000’000

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Haftungsfragen/LFV

• Sicherstellung Haftpflichtansprüche Reisende durchLuftfahrzeughalter (Art 132a LFV)

“Die minimale Sicherstellung für Haftpflichtansprüche der Reisenden beträgt 250’000 Sonderziehungsrechte je Reisenden. Bei nichtgewerbsmässigen Flügen, die mit einem Abfluggewicht biszu 2’700 kg durchgeführt werden, kann die minimaleSicherstellung unter diesem Betrag liegen, muss aber mindestens100’000 Sonderziehungsrechte je Reisenden betragen.”

– Voraussetzung Zulassung zum Verkehr (Art. 18 LFV)

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Haftungsfragen/Fall

• LFV anwendbar?

• Ja

• Halter bräuchte Betriebsbewilligung als gewerbsmässigerLuftfrachtführer

• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung SZR 250‘000 je Reisender

• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung für Schäden Dritter am Boden

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Haftungsfragen/LTrV

• Art. 1 Abs. 1 lit. a LTrV

“Diese Verordnung gilt, soweit nicht das Übereinkommen von Montreal anwendbar ist, für jede Inlandbeförderung und internationale Beförderung von Reisenden, Reisegepäck oderGütern, die durch Luftfahrzeuge ausgeführt wird:a. Gegen Entgelt;b. Unentgeltlich von einem Luftfahrtunternehmen mit einerBetriebsbewilligung.”

– Private unentgeltliche Beförderung -> Keine Anwendung

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Haftungsfragen/LTrV

– Inlandbeförderung (Art. 3 lit. f LTrV)“Beförderung, bei der nach Vereinbarung der Parteien Abgangsortund Bestimmungort in der Schweiz oder auf dem Flughafen Basel-Mülhausen liegen, ohne dass eine Zwischenlandung im Auslandvorgesehen ist.”– Gegen Entgelt

• Form Entgelt spielt keine Rolle (Art. 100 Abs. 1 lit. a LFV)• Gewinnerzielung spielt keine Rolle• BGer: Austauschverhältnis oder Interessengemeinschaft• Austauschverhältnis: Parteien schulden sich gegenseitig

Leistungen wovon mindestens zwei im Austauschverhältnis• Interessengemeinschaft: Gemeinsames Unternehmen der

Luftbeförderung steht im Vordergrund = Gemeinsames Vorhaben; kein Austausch der Leistungen = unentgeltlich

– Beförderungsvertrag

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Haftungsfragen/LTrV

• Luftfrachtführer (Art. 3 lit. f LTrV)“Wer die Beförderung von Reisenden, Gepäck oder Güternübernimmt.”– Per Vertrag

• Beförderungsschein (Art. 5 LTrV)– Abgangs- und Bestimmungsort– Angabe Zwischenlandepunkte Ausland– Hinweis Haftungsbeschränkung, falls privater Flug und

weniger als 2’700 kg Abfluggewicht -> SZR 100’000 Versicherungsobligatorium

– Beweisfunktion – keine Gültigkeitsvoraussetzung

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Haftungsfragen/LTrV

• Tod und Körperverletzung von Reisenden (Art. 7 LTrV):

“Der Luftfrachtführer haftet für Tod und Körperverletzung der Reisenden im Falle eines Unfalles an Bord des Luftfahrzeugs oderbeim Ein- und Aussteigen.Er kann seine Haftung für Schäden, die den Betrag von 100’000 Sonderziehungrechten je Reisenden nicht übersteigen, wederausschliessen noch beschränken.Er haftet nicht für Schäden, die 100’000 Sonderziehungsrechte je Reisenden übersteigen, wenn er nachweist, dass:der Schaden nicht auf eine Pflichtverletzung oder eine anderewiderrechtliche Handlung oder Unterlassung des Luftffrachtführers, seiner Angestellten oder seiner Beauftragten zurückzuführen ist; oderDer Schaden ausschliesslich auf eine Pflichtverletzung oder eineandere widerrechtliche Handlung oder Unterlassung eines Drittenzurückzuführen ist.”

11.12.2015 31

Haftungsfragen/LTrV

– Kausale Haftung bis SZR 100’000– Entlastungsbeweis ab SZR 100’000 (Umkehr der Beweislast)

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Haftungsfragen/Fall

• LTrV anwendbar?

• Flugzeug: Nein, Passagier hatte keinen Schaden

• Ballon: Nein, Private unentgeltliche Beförderung

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Haftungsfragen/OR

• Falls LTrV keine Regelungen enthält

• Unentgeltliche Beförderung durch Luftfrachtführer ohne Betriebsbewilligung oder Gefälligkeitsluftbeförderung mit Eigeninteresse

• OR 97 falls Luftbeförderungsvertrag geschlossen„Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstandenen Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.“

• Vermutetes Verschulden bei Vertragsverletzung

• Exkulpation möglich (Umkehr der Beweislast)

• Haftung betragsmässig unlimitiert

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Haftungsfragen/OR

• Ausservertragliche Verschuldenshaftung OR 41

„Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.“

– Existenz Schaden• Personen- oder Sachschaden

– Verursachung durch Haftpflichtigen• Adäquater Kausalzusammenhang: „Ein Ereignis, das nach dem

gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der Erfahrung des Lebens an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass der Eintritt dieses Erfolges durch jenes Ereignis allgemein begünstigt erscheint.“ (BGer)

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Haftungsfragen/OR

– Widerrechtlichkeit• Eingriff in absolut geschütztes Rechtsgut (Leben, körperliche

Integrität)• Schädigendes Ereignis verstösst gegen Gebote der Rechtsordnung,

die dem Schutze des verletzten Rechtsgutes dienen

– Verschulden• Absicht/Vorsatz = gewollte Rechtswidrigkeit• Fahrlässigkeit: Mangelnde Sorgfalt; Durchschnittsmassstab –>

Sorgfalt, die Mensch mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Eigenschaften unter gleichen Umständen beachten würde

• Beweislast Kläger

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Haftungsfragen/OR

• Anwendungsbereich– Reine Gefälligkeit (kein Bindungswille/kein Eigeninteresse)– Drittschäden in der Luft

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Haftungsfragen/Fall

• OR anwendbar?

• Ja

• OR 41: Ausservertragliche Haftung des Flugzeugpiloten gegenüber Passagier, Nachkommen des Piloten und Ballonverein

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Haftungsfragen/Zusammenfassung

• Gesetze– MÜ

• Kausale Haftung Personenschäden an Bord bis SZR 113‘000 • Ab SZR 113‘000 verschuldensabhängig/unlimitiert

– LFG• Gefährdungshaftung für Personen und Sachschäden am Luftverkehr

Unbeteiligter am Boden (Dritthaftung)• Solidarhaftung Drittschäden am Boden bei Zusammenstössen

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Haftungsfragen/Zusammenfassung

– LFV• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung Luftfahrzeughalter

Schäden Dritter am Boden; Nachweis durch Versicherungsausweis; Höhe Sicherstellung; alle Flüge

• Pflicht Abschluss Haftpflichtversicherung Reisende durch Luftfahrzeughalter SZR 250‘000; nichtgewerbsmässig mit Abfluggewicht von < 2‘700 kg mindestens SZR 100‘000

11.12.2015 40

Haftungsfragen/Zusammenfassung

– LTrV• Haftung gegenüber Flugreisenden Tod oder Körperverletzung für

Unfall an Bord bis SZR 100‘000 kausal• Ab SZR 100‘000 falls Nachweis, dass Schaden nicht Folge

Pflichtverletzung/widerrechtliche Handlung Luftfrachtführer oder Schaden Folge Pflichtverletzung/widerrechtliche Handlung Dritter scheitert

• Private entgeltliche Flüge und gewerbsmässige Flüge

– OR• Unlimitierte vertragliche Haftung; Exkulpation möglich;

Unentgeltliche private Beförderung• Ausservertragliche Verschuldenshaftung; Exkulpation möglich; alle

Flüge

11.12.2015 41

Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Versicherungsfragen/Notwendige Versicherungen• Art. 70 LFG

– Haftpflichtversicherungspflicht des Halters ist Pflicht

• Notwendige Versicherungen für Lufttauglichkeit– Dritthaftpflicht Boden– Passagierhaftpflicht

• Empfohlene Versicherungen– Dritthaftpflicht generell– Einheitsdeckung (Dritte und Passagiere)– Kaskoversicherung

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Versicherungsfragen/Gesetzlicher Deckungsverlust• Art. 14 VVG

– „Der Versicherer haftet nicht, wenn der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das befürchtete Ereignis absichtlich herbeigeführt hat.

– Hat der Versicherungsnehmer oder der Anspruchsberechtigte das Ereignis grobfahrlässig herbeigeführt, so ist der Versicherer berechtigt, seine Leistungen in einem, dem Grade des Verschuldens entsprechenden Verhältnisses zu kürzen.“

• Dispositives Recht; kann vertraglich geändert werden

• Kürzungen in der Praxis: 10%-50%

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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln

• Ausschlussklauseln und Obliegenheiten mit Bezug auf rechtswidrige Flüge in Kasko- und Haftpflichtversicherungen sind üblich

• Risiko: Verlust Versicherungsdeckung

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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln

• Beispiel Kaskoversicherung

“Einschränkungen des Versicherungsumfangs (Ausschlüsse)Der Versicherungsschutz erstreckt sich (unter Vorbehalt der luftrechtlichen Sonderbestimmungen) nicht auf Schäden, wenn das versicherte Luftfahrzeug vorsätzlich ohne die vorgeschriebenenAusweise und Bewilligungen für die Besatzungsmitglieder oder das versicherte Luftfahrzeug verwendet wird. Die Verpflichtung zurLeistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehen, wenn das Luftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Ver-sicherungsnehmers und ohne dessen Verschulden ohne die vorge-schriebenen Ausweise und Bewilligungen geführt wird.”

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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln

• Beispiel Dritthaftpflichtversicherung

“Einschränkungen des Versicherungsumfangs (Ausschlüsse)Der Versicherungsschutz erstreckt sich (unter Vorbehalt der luftrechtlichen Sonderbestimmungen) nicht auf Ansprüche– wenn das versicherte Luftfahrzeug vorsätzlich ohne die

vorgeschriebenen Ausweise und Bewilligungen für die Be-satzungsmitglieder oder das versicherte Luftfahrzeug verwendetwird.”

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Versicherungsfragen/Ausschlussklauseln

• Wie funktionieren diese Klauseln in der Praxis?– Handelt es sich dabei um einen Ausschluss (Art. 33 VVG) oder um

eine gefahrspräventive Obliegenheit (Art 29 VVG)?– Unterscheidung: Falls die Klausel ein bestimmtes Verhalten vom

Versicherten verlangt, ist eher eine Obliegenheit anzunehmen– Ausweise und Bewilligungen garantieren die Einhaltung von

gesetzlichen Vorschriften und dienen damit der Sicherheit und der Gefahrsprävention

– Solche Vertragsklauseln sind daher eher als Obliegenheiteneinzustufen

– Folge: Wenn die Verletzung der Obliegenheit keinen Einfluss auf den Eintritt des befürchteten Ereignisses und auf den Umfang der demVersicherer obliegenden Leistung gehabt hat, muss der Versichererdennoch für Schäden aufkommen (Art. 29 Abs. 2 VVG)

– Fehlende Gerichtspraxis -> Keine Rechtssicherheit

11.12.2015 48

Versicherungsfragen/Fall

• Deckungsverlust aufgrund Gewerbsmässigkeit ohne notwendige Bewilligungen/Lizenzen– Gegenargumentation im Sinne Obliegenheit ohne Kausalität

möglich

• Falls Pilot grobfahrlässig gehandelt hat -> Reduktion der Leistungen

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EMPFEHLUNGEN

• Notwendige und empfohlene Versicherungen abschliessen

• Versicherungsverträge und Versicherungsbedingungen durchlesen und verstehen

• Aufpassen bezüglich Art. 14 VVG und der Folgen der Gewerbsmässigkeit

11.12.2015 50

Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

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Strafrechtliche Folgen - Allgemeines

Rechtsquellen:

• Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB)

• Militärstrafgesetzbuch (MStG)

• Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)

• Nebenstrafrecht: Strassenverkehrsgesetz (SVG), Betäubungsmittelgesetz (BetmG), Luftfahrtgesetz (LFG) etc.

11.12.2015 52

Vorsatz und Fahrlässigkeit

Vorsatz: Vorsätzlich verübt ein Delikt, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 StGB).

Fahrlässigkeit: ein Straftatbestand wird verwirklicht durch die pflichtwidrige Nichtvoraussicht des voraussehbaren Erfolgs. Der Täter will das strafbare Verhalten nicht. Er handelt aber durch die Nichtvoraussicht des rechtswidrigen Erfolges nicht mit der erforderlichen Sorgfalt (er verletzt Sorgfaltspflichten; Art. 12 Abs. 3 StGB).

11.12.2015 53

Strafverfahren

Welche Straftatbestände könnten vorliegend relevant sein?

Ballon-Pilot Peter Pech ist tot: fahrlässige Tötung?

Art. 117 Strafgesetzbuch:

Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

( Vergehen)

11.12.2015 54

Strafverfahren

Passagierin Gertrud Glück ist verletzt: fahrlässige schwereKörperverletzung?

Art. 125 Strafgesetzbuch:

1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt.

( Vergehen)

11.12.2015 55

Strafverfahren

Das Hausdach an der Absturzstelle ist beschädigt: Sachbeschädigung?

Art. 144 Strafgesetzbuch:

1 Wer eine Sache, an der ein fremdes Eigentums-, Gebrauchs- oder Nutzniessungsrecht besteht, beschädigt, zerstört oder unbrauchbar macht, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Die fahrlässige Sachbeschädigung ist im StGB nicht geregelt, also nicht strafbar.

11.12.2015 56

Strafverfahren

Störung des öffentlichen Verkehrs

Art. 237 Strafgesetzbuch:

1. Wer vorsätzlich den öffentlichen Verkehr, namentlich den Verkehr auf der Strasse, auf dem Wasser oder in der Luft hindert, stört oder gefährdet und dadurch wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Bringt der Täter dadurch wissentlich Leib und Leben vieler Menschen in Gefahr, so kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren erkannt werden.

2. Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

11.12.2015 57

Übertretung nach Art. 91 LFG

1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig:

a. Verkehrsregeln verletzt;

b. Vorschriften über den Flugbetrieb verletzt, die der Sicherheit von Menschen oder Sachen dienen;

c. ein Luftfahrzeug führt oder betreibt, ohne die vorgeschriebenen Papiere zu besitzen;

[…]

Übertretungen = Delikte, die mit Busse bedroht sind.

11.12.2015 58

Strafverfahren - Zuständigkeit

BAZL (Art. 98 Abs. 2 LFG): Übertretungen im Sinne von Art. 91 LFG werden nach den Verfahrensvorschriften des Verwaltungsstrafrechtsgesetzes durch das BAZL verfolgt und beurteilt.

Gemäss Art. 98 Abs. 1 LFG unterstehen die an Bord einesLuftfahrzeuges begangenen strafbaren Handlungen unterVorbehalt von Art. 98 Abs. 2 LFG der Bundesstrafgerichtsbarkeit (z.B. Fehlverhalten des Piloten).

Kantonale Strafverfolgungsbehörden: strafbares Verhaltenausserhalb des Luftfahrzeuges (z.B. durch einePflichtwidrigkeit eines Fluglotsen am Boden).

11.12.2015 59

Zwischenfazit: Strafrechtliche Folgen fürPilot Bruch

• Busse wegen Verkehrsregelverletzung

• Freiheits- oder Geldstrafe wegen Störung des öff. Verkehrs oder Gefährdung

• Freiheits- oder Geldstrafe wegen fahrlässiger (schwerer) Körperverletzung und Tötung

• Auferlegung der Kosten im Strafverfahren

11.12.2015 60

Administrativmassnahmen – RechtlicheGrundlage:

Art. 92 LFG

Bei der Verletzung der Bestimmungen dieses Gesetzes oder der von den zuständigen Behörden gestützt darauf erlassenen Verordnungen und weiteren Vorschriften oder der Bestimmungen einer zwischenstaatlichen Vereinbarung über die Luftfahrt kann das BAZL, unabhängig von der Einleitung und vom Ausgang eines allfälligen Strafverfahrens, folgendeMassnahmen verfügen:

11.12.2015 61

Administrativmassnahmen – RechtlicheGrundlage (Art. 92 LFG):

a. den zeitweiligen oder dauernden Entzug oder eine Einschränkung des Geltungsbereiches von erteilten Bewilligungen, Erlaubnissen und Ausweisen;

b. die Beschlagnahme von Luftfahrzeugen, deren weiterer Gebrauch die öffentliche Sicherheit gefährden würde oder deren missbräuchliche Verwendung zu befürchten ist.

11.12.2015 62

Verordnung der UVEK über die Verkehrsregeln für LuftfahrzeugeArtikel 1

Die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge richten sich:

a. in erster Linie nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012;

b. ergänzend nach der vorliegenden Verordnung.

Die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 = Standardised European Rules of the Air ("SERA-Verordnung") ist seit dem 1. Februar 2015 in Kraft für die Schweiz.

11.12.2015 63

SERA-Verordnung Kapitel 2 –Vermeidung von Zusammenstössen

SERA.3205 Annäherung

Ein Luftfahrzeug darf nicht so nah an anderen Luftfahrzeugen betrieben werden, dass die Gefahr eines Zusammenstosses besteht.

11.12.2015 64

SERA-Verordnung Kapitel 2 –Vermeidung von ZusammenstössenSERA.3210 Ausweichregeln

[…]

1. Annäherung im Gegenflug. Nähern sich zwei Luftfahrzeuge im Gegenflug oder nahezu im Gegenflug, haben beide, wenn die Gefahr eines Zusammenstosses besteht, nach rechts auszuweichen.

2. Kreuzen der Flugrichtung. Kreuzen sich die Flugrichtungen zweier Luftfahrzeuge in nahezu gleicher Höhe, so hat das Luftfahrzeug, bei dem sich das andere Luftfahrzeug auf der rechten Seite befindet, auszuweichen; jedoch haben stets auszuweichen

i) motorgetriebene Luftfahrzeuge, die schwerer als Luft sind, denLuftschiffen, Segelflugzeugen und Ballonen;

[…]

11.12.2015 65

Administrative Massnahmen: Zwischenfazit für Pilot BruchEr hat die Verkehrsregeln nach der SERA-Verordnung verletzt(Annäherung, so dass die Gefahr eines Zusammenstossesbestand; die Gefahr hat sich verwirklicht / Nichtausweichenbei einem Ballon).

Mögliche administrative Massnahmen:

• Lizenzentzug für einige Monate;

• Untersagung von Passagierflügen bis ein erfolgreicherRefresher-Kurs absolviert ist.

• Auferlegung der Kosten im Administrativverfahren

11.12.2015 66

Folgen für Pilot Bruch

Mögliche strafrechliche Folgen:

• Busse wegen Verkehrsregelverletzung;

• Freiheits- oder Geldstrafe wegen Störung des öff. Verkehrs oder Gefährdung;

• Freiheits- oder Geldstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung und Tötung?

• Auferlegung der Kosten im Strafverfahren.

Mögliche administrative Massnahmen:

• Lizenzentzug für einige Monate;

• Untersagung von Passagierflügen bis ein erfolgreicher Refresher-Kurs absolviert ist;

• Auferlegung der Kosten im Administrativverfahren.11.12.2015 67

Überblick

• Einleitung/Fall

• Flugunfalluntersuchung

• Gewerbsmässigkeit

• Haftungsfragen

• Versicherungsfragen

• Strafrechtliche und administrative Folgen

• Schlussfolgerungen

11.12.2015 68

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

11.12.2015 69