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Fluidmechanik IIEinfuhrung in die Dynamik der Fluide
Nikolaus A. Adams
Lehrstuhl fur Aerodynamik und StromungsmechanikTechnische Universitat Munchen
2
Version Wintersemester 2014/2015
Letzte Anderung: SH, 9. Januar 2015
Vorlesungs-Website Fluidmechanik II:
http : //www.aer.mw.tum.de/lehre/wintersemester/fluidmechanik− ii
Ansprechpartner:
Dr. S. Hickel , [email protected]
Inhaltsverzeichnis
1 Wirbel-Stromungen 7
1.1 Definitionen und Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2 Gesetz von Biot-Savart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.3 Wirbeltransportgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.4 Wirbelsatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2 Potentialstromungen 19
2.1 Geschwindigkeitspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Bernoulli-Gleichung fur Potentialstromungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3 Zweidimensionale, inkompressible Potentialstromungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.3.1 Wichtige Fakten aus der komplexen Analysis: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.3.2 Komplexe Darstellung zweidimensionaler Potentialstromungen . . . . . . . . . . . . 26
2.3.3 Elementarstromungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.3.4 Uberlagerungen von Elementarstromungen (Singularitatenmethode) . . . . . . . . . 34
2.3.5 Berechnung der Reaktionskrafte (Krafte auf einen umstromten Korper) . . . . . . . 39
2.3.6 Methode der konformen Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2.3.7 Umstromung der ebenen Platte mit Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
2.3.8 Umstromungen zweidimensionaler Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
2.4 Umstromung von Tragflugeln endlicher Spannweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2.5 Instationare Potentialstromungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3 Grenzschichten 53
3.1 Die Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
3.1.1 Blasius Grenzschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
3.1.2 Von Karman Impulsintegral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
3.1.3 Pohlhausen Grenzschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.1.4 Falkner-Skan-Grenzschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
3.2 Stromungsablosung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
3.3 Zusammenbruch der laminaren Stromung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
3.4 Numerische Berechnung allgemeiner zweidimensionaler Grenzschichten . . . . . . . . . . . . 66
4 INHALTSVERZEICHNIS
A Mathematischer Anhang 69
A.1 Einsteinsche Summations-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
A.2 Abschatzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
A.3 Vektoranalysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
A.4 Navier-Stokes-Gleichungen in Komponentenschreibweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
B Grenzschichtprogramm 75
Nomenklatur
Lateinische Buchstaben:
Ca Auftriebsbeiwert
Cf Reibungsbeiwert
Cp Druckbeiwert
Cw Widerstandsbeiwert
D Widerstand
d Profildicke
E Energie
F Kraft
F (t) (zeitabangige) Bernoulli-Konstante
F (z) komplexes Potential
s Profilwolbung
G Kraftpotential
g Erdbeschleunigung
l Lange
L Auftrieb
M Dipolmoment
m Masse
n Normale
p Druck
Q Quellenstarke
q Geschwindigkeitsbetrag
R Radius
S Flache
t Zeit
U Referenzgeschwindigkeit
u Geschwindigkeit in x-Richtung
V Volumen
V Volumenstrom
v Geschwindigkeit in y-Richtung
Griechische Buchstaben:
α Anstellwinkel
6 INHALTSVERZEICHNIS
δ Grenzschichtdicke
δ99 99%-Grenzschichtdicke
Γ Zirkulation
γ Zirkulationsverteilung
µ dynamische Viskositat
ν kinematische Viskositat
ρ Dichte
τ Schubspannung
Φ Potentialfunktion
Ψ Stromfunktion
ω Wirbelstarke
Ω Mittlere Winkelgeschwindigkeit
Koordinaten:
x, x1 Koordinate eines kartesischen Koordinatensystems
oder Axialkoordinate eines Zylinderkoordinatensystems
y, x2 Koordinate eines kartesischen Koordinatensystems
z, x3 Koordinate eines kartesischen Koordinatensystems, komplexe Variable
θ Koordinate eines Zylinderkoordinatensystems (Winkel)
oder Argument der komplexen Variable z
r Radialkoordinate eines Kugel- oder Zylinderkoordinatensystems
θ Langenkoordinate eines Kugelkoordinatensystems
ψ Breitenkoordinate eines Kugelkoordinatensystems
u, u1 Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung (kartesische oder Zylinderkoordinaten),
in r-Richtung (Kugelkoordinaten)
v, u2 Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung oder φ-Richtung
w, u3 Geschwindigkeitskomponente in z-Richtung (kartesische Koordinaten),
in r-Richtung (Zylinderkoordinaten), in ψ-Richtung (Kugelkoordinaten)
Indizes:
W Wand
∞ unendlich
Kapitel 1
Wirbel-Stromungen
1.1 Definitionen und Grundbegriffe
Als Wirbel bezeichnet man eine drehende Bewegung von Fluidelementen um ein gemeinsames Zentrum. Der
Begriff des Wirbels ist daher eher intuitiv und mathematisch nicht prazise formulierbar. Das Vorhandensein
eines Wirbels bedeutet nicht notwendigerweise, daß Fluidelemente rotieren mussen und umgekehrt :
Um den rotationsbehafteten Anteil u(ω) der Bewegung eines Fluidelementes (FE) vom rotationsfreien Anteil
u(Φ) trennen zu konnen, verwendet man die (ohne weitere Beachtung der Randbedingungen bis auf ein
Potentialfeld eindeutige) Helmholtz-Zerlegung :
Ein gegebenes Geschwindigkeitsfeld laßt sich in einen rotationsfreien Anteil u(Φ) und einen divergenzfreien
aber rotationsbehafteten Anteil u(ω) zerlegen:
u = u(ω) + u(Φ) , (1.1)
mit:
1. ∇ · u(ω) = 0 −→ divergenzfreier Anteil,
2. ∇× u(Φ) = 0 −→ rotationsfreier Anteil.
Als Wirbelstarke bezeichnet man die Rotation des Geschwindigkeitsvektors:
ω = ∇× u(ω) = ∇× u = rot u =
∂u3
∂x2− ∂u2
∂x3
∂u1
∂x3− ∂u3
∂x1
∂u2
∂x1− ∂u1
∂x2
=
∣∣∣∣∣∣∣∣∂∂x1
u1 e1
∂∂x2
u2 e2
∂∂x3
u3 e3
∣∣∣∣∣∣∣∣ (1.2)
Beispiel
8 1 Wirbel-Stromungen
1. Starrkorperrotation mit dem Geschwindigkeitsfeld
u(x) =
−x2Ω
x1Ω
0
Die Wirbelstarke betragt dann (Ω ist die Winkelgeschwindigkeit)
ω =
0
0
2Ω
2. Potentialwirbel mit dem Geschwindigkeitsfeld
u(x) =
−x2/r
2
x1/r2
0
mit r =
√x2
1 + x22. Die Wirbelstarke betragt
ω =
0, r 6= 0
unbestimmt , r = 0
Obwohl das Geschwindigkeitsfeld intuitiv aussieht wie ein Wirbel, ist die Wirbelstarke (bis auf den
Koordinatenursprung) uberall identisch null. Ein Fluidpartikel dreht sich also nicht.
3. Rankine-Wirbel: Man kann sich das Modell eines realen Wirbels zusammengesetzt denken aus einer
Festkorperrotation im Kern, r ≤ r0 und einem Potentialwirbel ausserhalb r > r0:
r rr
u realer Wirbel
r
ω
00
θ
In einem realen Wirbel verlauft die Wirbelstarke bei r0 im Gegensatz zum Rankine-Modell glatt.
Die Folgerungen dieser Beobachtungen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Wirbel haben in der Regel ein rotationsbehaftetes Geschwindigkeitsfeld. Als Sonderfall tritt der Potentialwirbel
auf, der nur in seinem Ursprung r = 0 rotationsbehaftet ist.
2. Nicht alle rotationsbehafteten Stromungen stellen Wirbel dar.
Als Potentialfeld bezeichnet man ein Geschwindigkeitsfeld mit verschwindendem rotationsbehafteten An-
teil: Φ mit u(Φ) = ∇Φ und ∇× u(Φ) = ∇×∇Φ = 0.
1 Wirbel-Stromungen 9
Die Zirkulation Γ eines Geschwindigkeitsfeldes u bezglich der Kontur S, die eine Flache A einschließt, ist
definiert als das Integral der Tangentialgeschwindigkeit entlang von S
Γ(S) =
∮S
u · ds . (1.3)
n ist die Oberflachennormale auf A und ds ist ein infinitesimales Kurvenelement von S.
u
ds
n
A
S
Ein Zusammenhang zwischen Zirkulation Γ und der Rotation von u ist gegeben durch den Stokes’schen
Integralsatz . Allgemein gilt fur ein stetig differenzierbares Geschwindigkeitsfeld u:∮S
u · ds =
∫A
(∇× u) · n dA . (1.4)
Aus dem Stokes’schen Integralsatz resultiert dann folgender Zusammenhang zwischen Zirkulation und Ro-
tation des Geschwindigkeitsfeldes:
Γ(S) =
∮S
u · ds =
∫A
ω · n dA . (1.5)
Ganz analog zur Stromlinie definiert man die Wirbellinie als Integralkurve des Wirbelstarkefeldes ω:
dxωds
= ω(x(s), t) (1.6a)
xω(s = 0) = x0 . (1.6b)
s ist der Kurvenparameter.
In der parameterfreien Darstellung lautet diese Definition:
dx1
ω1=
dx2
ω2=
dx3
ω3. (1.6c)
Analog zur Stromflache definiert man die Wirbelflache als eine von Wirbellinien aufgespannte Flache und die
Wirbelrohre als eine Rohre, deren Mantel aus Wirbellinien besteht. Als Wirbelfaden bezeichnet man eine
Wirbelrohre mit infinitesimal kleinem Querschnitt, sodaß die Fluideigenschaften uber eine Querschnittflache
als konstant angenommen werden konnen.
Gegenuberstellung der Eigenschaften der Wirbelstarke und der Geschwindigkeit:
10 1 Wirbel-Stromungen
Wirbelstarke ω(x) Geschwindigkeit u(x)
∇ · ω ≡ 0 ∇ · u = 0 gilt fur inkompressibles Fluid
Wirbellinien: Integralkurven von ω Stromlinien: Integralkurven von u
Wirbelrohre: Mantel besteht aus Wirbellinien Stromrohre: Mantel besteht aus Stromlinien
Zirkulation Γ =∫Aω · n dA Volumenstrom V =
∫Au · n dA
Galilei-invariant nicht Galilei-invariant
1.2 Gesetz von Biot-Savart
Der divergenzfreie aber rotationsbehaftete Anteil des Geschwindigkeitsfeldes gemass (1.1) erfullt folgende
Gleichung
∆u(ω) = −∇× ω . (1.7)
Fur ein unbegrenztes Gebiet V ′ und unter der Annahme, daß ω = 0 außerhalb eines begrenzten Gebietes
ist, hat (1.7) die Losung
u(ω)(x) = − 1
4π
∫V ′
r × ω′
‖r‖3dV ′ (1.8)
wobei ω′ = ω(x′) und r = x− x′. Gleichung (1.8) nennt man das Gesetz von Biot-Savart . Hierin ist x ein
fester Bezugspunkt und x′ ein Punkt des Integrationsvolumens V ′.
Ist die Wirbelstarke konzentriert in einer Kurve (Wirbelfaden) mit konstanter Zirkulation Γ und verschwindet
ansonsten, vereinfacht sich das Volumenintegral in (1.8) zu einem Linienintegral entlang des Wirbelfadens
S:
u(x) =Γ
4π
∫S′
ds′ × r‖r‖3
(1.9)
x’
r
x
du
x
x
dV’
x
2
3
1
Der Spezialfall eines endlich langen, geraden Wirbelfadens wird besser in einem entlang der Wirbelfadenachse
ausgerichteten Zylinderkoordinatensystem behandelt:
1 Wirbel-Stromungen 11
P
rr
x’
S’ x
r
θ α
α
α
1
2
Γ
Mit P bezeichnet man den sogenannten Aufpunkt, an dem die vom Wirbelfaden induzierte Geschwindigkeit
bestimmt werden soll. Der von einem Punkt auf der x-Achse x′ nach P zeigende Vektor wird als r mit der
radialen Komponente r bezeichnet. α ist der Winkel, den dieser Vektor mit der x-Achse einschließt.
Um (1.9) fur diesen Fall zu berechnen benotigt man noch eine Beziehung zwischen dx′ und dα, die aus
folgender Uberlegung resultiert, worin l der Abstand zwischen x′ und dem Schnittpunkt der Senkrechten
durch P auf der x-Achse ist. Dieser Abstand wird so gemessen, daß er < 0 ist, wenn α > 90:
r = l tanα ist unabhangig von α. Dann ist
dr = dl tanα+ldα
cos2 α= 0⇒ dl = − rdα
sin2 α
l nimmt ab, wenn x′ zunimmt, also :
dx′ = −dl =rdα
sin2 α.
Mit dieser Beziehung laßt sich (1.9) nach kurzer Rechnung auswerten und man erhalt fur die Umfangskom-
ponente der Geschwindigkeit in einem Zylinderkoordinatensystem, das entlang des Wirbelfadens ausgerichtet
ist:
uθ = − Γ
4πr(cos(α2)− cos(α1)) (1.10)
Die Wirbelstarke zeigt gemaß folgender Abbildung von links nach rechts und die Geschwindigkeit zeigt in
die Zeichenebene hinein:
Wirbelfaden
senkrecht zur Zeichenebeneuθ
rα α1
2
Fur den Grenzfall des unendlich langen geraden Wirbelfadens (α1 → 0, α2 → π) ergibt sich :
uθ =Γ
2πr. (1.11)
Reiht man unendlich viele dieser unendlich langen geraden Wirbelfaden mit konstanter Wirbelstarke entlang
der x1-Achse aneinander, so erhalt man die unendlich ausgedehnten, ebenen Wirbelschicht . Fur jeden
12 1 Wirbel-Stromungen
Wirbelfaden ist die Wirbelstarke konstant gleich
ω =
0
0
ω
.
Um einen kleinen Querschnitt (dx1, dx2) wie in der folgenden Abbildung eingezeichnet
dΓ
x1x1
x2
x2
x3
d
d
P
berechnet man die Zirkulation:
dΓ = ωdx′2dx′1 = γ(x′1)dx′1 = γdx′1 .
Hierbei wurde ωdx′2 = γ(x′1) zusammengefaßt. Da ω und dx′2 jeweils konstant sind, ist aber auch γ(x′1)
konstant und somit unabhangig von x′1 gleich γ.
Der Beitrag eines Wirbelfadens der Starke dΓ mit Ursprung in x′1 ⇒ r2 = (x1−x′1)2 +x22 (da Wirbelschicht
in x′2 = 0 liegt) berechnet man aus Gleichung (1.11) als
duθ =dΓ
2πr
bzw. in kartesischen Koordinaten
du =dΓ
2πr
−x2/r
(x1 − x′1)/r
0
.
Eine Integration der Beitrage der Einzelwirbelfaden liefert die gesamte induzierte Geschwindigkeit:
u1 =
+∞∫−∞
−dΓ x2
2πr2= − γ
2π
+∞∫−∞
x2 dx′1
r2=
γ
2π
−∞∫+∞
x2[(x1−x′
1)2
x22
+ 1]x2
2
dx′1
=γ
2π
−∞∫+∞
1
x′′12 + 1
dx′′1 =γ
2πatan x′′1
∣∣∣−∞+∞
=γ
2πatan
x1 − x′1x2
∣∣∣∣+∞−∞
,
1 Wirbel-Stromungen 13
mit
x′′12
=(x1 − x′1)2
x22
⇒ dx′′1 = −x2dx′1 .
Das Ergebnis fur die u1-Komponente ist:
u1 =
−γ2 , x2 > 0γ2 , x2 < 0
.
Fur die u2-Komponente erhalt man:
u2 = − γ
2π
+∞∫−∞
x1 − x′1r2
dx′1 = − γ
2π
+∞∫−∞
x′′1dx′′1
(x′′12 + 1)
= − γ
2πlim
l→+∞
+l∫−l
x′′1dx′′1
x′′12 + 1
= 0
Mit diesem Ergebnis kann man das Geschwindigkeitsprofil in einer reibungsfreien Scherschicht (mit negativer
Zirkulationsverteilung) skizzieren (gepunktete Linie fur den Fall mit Reibung):
X1
X 2
u (x )1 2
Eine solche Wirbelschicht ist instabil gegen kleine Storungen, die man sich z.B. als kleine sinusformige
Abweichungen der Position der einzelnen Wirbelfaden aus der (x1, x2)-Ebene vorstellen kann. Diese Ab-
weichungen werden zunachst exponentiell angefacht, bis große Deformationen der Wirbelschicht auftre-
ten. Diesen Vorgang nennt man Kelvin-Helmholtz Instabilitat . Diese wird in der Vorlesung “Turbulente
Stromungen”genauer besprochen.
Das Biot-Savart Gesetz wurde formuliert fur unbeschrankte Gebiete ohne Berandungen. Wie konnen nun
Rander, z.B. feste Wande, beschrieben werden ? Fur reibungsfreie Stromung gilt entlang einer festen Wand
eine kinematische Bedingung: die Normalenkomponente der Geschwindigkeit zur Wand verschwindet und
Stromung gleitet an der Wand, d.h. die Wand ist eine Stromlinie bzw. Stromflache. Man vergleiche diese
Randbedingung mit der Haftbedingung fur reibungsbehaftete Stromungen (siehe Vorlesung Stromungslehre
I).
Zur Erfullung dieser Randbedingung kann man das sogenannte Spiegelungsprinzip anwenden :
14 1 Wirbel-Stromungen
u P
Pu’u
u
h
h
I
I’
Γ
−Γ
P
r
r
Man spiegelt den Wirbel I mit entgegengesetzter Zirkulation auf die andere Seite der Wand und erhalt so
einen weiteren Wirbel I ′ mit der Zirkulation −Γ. I ′ induziert u′P in P mit −u⊥ normal zur Wand, weswegen
die Normalenkomponente der uberlagerten Geschwindigkeit auf der Wand verschwindet.
1.3 Wirbeltransportgleichung
Die Bedeutunge der Navier-Stokes Gleichungen als Transportgleichungen fur den Impuls hat fur die Wir-
belstarke die Wirbeltransportgleichung fur den Wirbelstarkevektor ω. Diese Gleichung erhalt man durch
Bildung der Rotation der Impulsgleichung. Fur Stromungen mit konstanter Dichte unter den Annahmen
1. Inkompressible Stromung, ∇ · u = 0
2. außeres Kraftfeld ist Potentialfeld f = −∇G
3. Dichte konstant ρ = const
lautet die Wirbeltransportgleichung
∂ω
∂t+ (u · ∇)ω = (ω · ∇)u+ ν∆ω (1.12)
Die Summe der Terme auf der linken Seite ist die materielle Ableitung der Wirbelstarke und wird auch
mit Dω/Dt abgekurzt (siehe auch Vorlesung Stromungslehre I). Der erste Term auf der rechten Seite
ist der sogenannte Wirbelstreckungsterm , der zweite Term auf der rechten Seite ist die Diffusion von
Wirbelstarke.
Mit der Zerlegung des Geschwindigkeitsvektors u in eine zur Wirbellinie und damit zu ω parallele und in eine
dazu senkrechte Komponente u = u‖ + u⊥ kann man den Wirbelstreckungsterm (ω · ∇)u schreiben als
(ω · ∇)u = ‖ω‖∂u‖
∂s+ ‖ω‖∂u⊥
∂s,
1 Wirbel-Stromungen 15
wobei s ein Kurvenparameter der Wirbellinie ist. Der Wirbelstreckungsterm ist von zentraler Bedeutung fur
die Dynamik des Wirbelstarkefeldes ω insbesondere bei turbulenten Stromungen.
∂u‖
∂s> 0 : Streckung des lokalen Wirbellinienelements
∂u‖
∂s< 0 : Stauchung des lokalen Wirbellinienelements
∂u⊥∂s
: Kippen des Wirbellinienelements
Fur eine zweidimensionale Stromung in der (x1, x2)-Ebene besitzt die Wirbelstarke ω nur noch eine Kom-
ponente ω3 in x3-Richtung, die man dann einfach als ω bezeichnet. Der Wirbelstreckungsterm (ω · ∇)u
verschwindet identisch und die zweidimensionale Wirbeltransportgleichung lautet
∂ω
∂t+ u1
∂ω
∂x1+ u2
∂ω
∂x2= ν
(∂2ω
∂x21
+∂2ω
∂x22
). (1.13)
Fur Stromungen mit nicht-konstanter Dichte kann man auf gleiche Art und Weise wie fur Stromungen mit
konstanter Dichte eine Transportgleichung fur die spezifische Wirbelstarke ω/ρ herleiten. Fur den Fall einer
reibungsfreien Stromung erhalt man
D
Dt
(ω
ρ
)=
(ω
ρ· ∇)u+
1
ρ3(∇ρ×∇p) . (1.14)
Der erste Term auf der rechten Seite ist wieder die Wirbelstreckung, der zweite Term ist der sogenannte
barokline Drall . Fur den hier betrachteten reibungsfreien Fall verschwindet die Diffusion von Wirbelstarke.
In einer sogenannten barotropen Stromung ist die Dichte alleine eine Funktion des Druckes und daher
verschwindet der barokline Drall
ρ = ρ(p)⇒ ∇×(
1
ρ∇p)
= 0 .
Das Gegenteil einer barotropen Stromung ist die barokline Stromung . Die Resultierende der auf ein Fluid-
element wirkenden Druckkrafte geht nicht durch den Massenmittelpunkt des Fluidelements. Daraus resultiert
ein barokliner Drall.
1.4 Wirbelsatze
Satze, die Aussagen uber die Erhaltung Wirbelstarkefluß durch Flachen machen, wurden von Helmholtz
(1858) unter Verwendung der elektrodynamischen Analogie formuliert. Lord Kelvin (mit burgerlichem Namen
Thomson) hat 1868 darauf aufbauend das Konzept der Zirkulation eingefuhrt und Satze zur Erhaltung der
Zirkulation von Vektorfeldern entlang geschlossener Kurven hergeleitet.
Der Kelvinsche Wirbelsatz lautet :
Satz 1 In einer reibungsfreien, barotropen Stromung, deren Volumenkraft eine Potentialkraft ist, bleibt die
Zirkulation um eine geschlossene materielle Kurve zeitlich konstant.
Die folgende Skizze illustriert den Kelvinschen Wirbelsatz. Mit s wird der Kurvenparameter bezeichnet, mit
ds ein inkrementelles Kurvenelement.
16 1 Wirbel-Stromungen
dsds
S(t )
S(t )
FE
FE
0
1
s
s
Die Zirkulation um die materielle Kurve S(t) ist
Γ =
∮S(t)
u · ds .
Die zeitliche Ableitung von Γ ist
dΓ
dt=
d
dt
∮S(t)
u · ds .
Die Kurve S(t) wird durch 0 ≤ s ≤ 1 parametrisiert, damit sind s und t unabhangige Variable. Also kann
man Integration und Differentiation vertauschen und es gilt
dΓ
dt=
d
dt
1∫0
u · ∂x∂sds =
1∫0
(du
dt· ∂x∂s
+ u · ddt
∂x
∂s
)ds .
Durch Verwenden der Abkurzung fur die materielle Ableitung und aufgrund der Tatsache, daß∮S(t)
∂u · u∂s
ds = 0
erhalt man dann
dΓ
dt=
∮S(t)
Du
Dt· ds .
Mittels des Stokes’schen Integralsatzes folgt dann
dΓ
dt=
∫A(t)
(∇× Du
Dt
)· ndA .
Hierin ist A(t) eine beliebige einfach zusammenhangende von S(t) eingeschlossene Flache. Setzt man fur
die materielle Ableitung der Geschwindigkeit die Impulsgleichung fur eine reibungsfreie Stromung ein (siehe
Vorlesung Stromungslehre I)
Du
Dt= −1
ρ∇p+ f ,
dann erhalt man unter den Annahmen
1 Wirbel-Stromungen 17
1. barotrope Stromung und daher
∇×(
1
ρ∇p)
= 0
2. f ist eine Potentialkraft und daher
∇× f = −∇×∇G = 0
die Aussage des Kelvinschen Wirbelsatzes
dΓ
dt= 0 .
Die historisch vorher entstandenen Helmholtzschen Wirbelsatze lauten unter Verwendung der Zirkulation
folgendermaßen. Es wird vorausgesetzt, daß die Stromung reibungsfrei ist, daß die auftretende Volumenkraft
f ein Potential hat und daß die Stromung barotrop ist.
Der I. Helmholtzsche Wirbelsatz lautet:
Satz 2 Rotationsfreie Fluidelemente bleiben fur alle Zeiten rotationsfrei.
Man kann diesen Satz beweisen, indem man fur eine beliebige das infinitesimal kleine Fluidelement umschließ
Kurve, die eine infinitesimal kleine Flache dA einschließt die Zirkulation Γ = ωndA berechnet. Da uber die-
ser infinitesimal kleinen Flache ω ∼ const. und n ∼ const ist gilt fur die Zirkulation zu einem Zeitpunkt t0
also Γ(t0) = 0, wegen ω(t0) = 0. Wegen des Kelvinschen Wirbelsatzes bleibt diese Eigenschaft aber fur alle
Zeiten erhalten und somit bleibt fur das betreffende Fluidelement ω = 0.
Der II. Helmholtzsche Wirbelsatz lautet:
Satz 3 Fluidelemente, die zu irgendeinem Zeitpunkt zu einer Wirbellinie gehoren, bleiben fur alle Zeiten
auf dieser Wirbellinie. D.h. Wirbellinien bewegen sich mit dem Fluid, sind daher materielle Linien.
Der Beweis dieses Satzes erfolgt ebenfalls mittels des Kelvinschen Wirbelsatzes, indem man zunachst zeigt,
daß eine Flache, die jemals eine Wirbelflache war, diese Eigenschaft fur alle Zeiten beibehalt. Dies kann
man einsehen, wenn man die Zirkulation entlang einer Kurve auf dieser Wirbelflache berechnet, die also
verschwinden muß. Wegen des Kelvinschen Wirbeltheorems muß dies fur die Kurve auch zu spateren Zei-
ten gelten, und daher bleibt die Wirbelflache eine Wirbelflache. Anschließend argumentiert man, daß die
Schnittlinie zweier Wirbelfachen eine Wirbellinie ist und diese daher fur alle Zeiten eine Wirbellinie bleibt.
Der III. Helmholtzsche Wirbelsatz lautet:
Satz 4 Fur eine Wirbelrohre bezeichnet man Γ =∮S
u · ds auch als Intensitat der Wirbelrohre. Hierbei ist
S eine die Wirbelrohre umschließende Kurve. Fur zwei beliebige solcher Kurven S1 und S2 gilt
Γ1 =
∮S1
u · ds = Γ2 =
∮S2
u · ds .
Außerdem bleibt die Intensitat einer Wirbelrohre fur alle Zeiten konstant.
18 1 Wirbel-Stromungen
Der Beweis ist wie folgt. ∇ · ω ist eine Vektoridentitat. Fur ein rohrenformiges Volumen V , daß durch eine
Mantelflache A und durch die beiden Endflachen A1 und A2 bestimmt ist folgt damit nach dem Gauß’schen
Integralsatz∫V
∇ · ωdV =
∫A
ω · ndA+
∫A1
ω · ndA+
∫A2
ω · ndA = 0 .
Auf der Mantelflache A gilt ω · n = 0 und daher ist∫A1
ω · ndA+
∫A2
ω · ndA = 0 .
Nach dem Stokes’schen Integralsatz gilt dann (beachte Orientierung von n und Umlaufsrichtung)
−∫S1
ω · ndA+
∫S2
ω · ndA = 0 ,
und somit die erste Behauptung. Die zweite Behauptung ist wieder eine Folge des Kelvinschen Wirbelsatzes.
Folgerungen:
1. Wenn man eine Wirbelrohre streckt und dadurch ihre Querschnittsflache reduziert, muß die Wir-
belstarke zunehmen.
2. Eine Wirbelrohre mit nicht-verschwindender Intensitat kann nicht im Inneren eines Stromungsgebietes
enden. Sie muß entweder an einer Wand enden, oder einen Ring bilden.
Eine Begrundung fur die zweite Folgerung lautet : wenn eine Wirbelrohre im Inneren eines Gebietes enden
wurde, dann mußte an dieser Endquerschnittsflache ω = 0 sein und daher Γ = 0. Dies widersprache aber
dem III. Helmholtzschen Wirbelsatz.
Kapitel 2
Potentialstromungen
ω = 0
ω = 0
Nach einer Idee von Prandtl kann man die Umstromung eines Korpers unterteilen in einen rotationsbehafteten
Anteil in unmittelbarer Korpernahe und einen naherungsweise rotationsfreien Anteil . Im rotationsbehafte-
ten Anteil wird das Fluid durch Reibung auf die Korpergeschwindigkeit verzogert oder beschleunigt. Fur
eine reibungsbehaftete Stromung nimmt das Fluid an der Wand die Wandgeschwindigkeit an. Diese dunne
wandnahe Schicht nennt man Grenzschicht (siehe Kapitel 3). Fur viele praktische aerodynamische Proble-
me ist die Grenzschicht dunn, sodaß die Korperumstromung mit guter Naherung durch eine rotationsfreie
Stromung um eine leicht aufgedickte Korperkontur beschrieben werden kann. Der von der Grenzschicht
ausgehende Reibungswiderstand kann so alleine naturlich nicht berucksichtigt werden. Dieser Reibungswi-
derstand macht den Großteil des Gesamtwiderstandes aus, so z.B. ist der Anteil des Reibungswiderstandes
fur ein Verkehrsflugzeug im Reiseflug ca. 80%.
2.1 Geschwindigkeitspotential
Fur eine rotationsfreie Stromung ist die Geschwindigkeit u der Gradient einer Potentialfunktion Φ
u = ∇Φ . (2.1)
Wegen ∇ × ∇Φ ≡ 0 ist das Geschwindigkeitsfeld rotationsfrei. Eine Stromung deren Geschwindigkeitsfeld
gemaß (2.1) aus einer skalaren Funktion berechnet werden kann, nennt man Potentialstromung .
Fur eine inkompressible Stromung folgt wegen ∇ · u = 0 :
∆Φ =∂2Φ
∂x21
+∂2Φ
∂x22
+∂2Φ
∂x23
= 0 . (2.2)
20 2 Potentialstromungen
Diese Gleichung nennt man Laplace-Gleichung . Losungen der Laplace-Gleichungen heißen harmonische
Funktionen.
Die Laplace-Gleichung hat folgende Eigenschaften :
1. Die Laplace-Gleichung ist eine lineare Differentialgleichung daher ist das Superpositionsprinzip von
Losungen gilt andwendbar. Wenn ∆Φ1 = 0 und ∆Φ2 = 0 dann ist auch Φ = Φ1 + Φ2 eine Losung
∆Φ = ∆Φ1 + ∆Φ2 = 0.
2. Die Laplace-Gleichung ist eine elliptische partielle Differntialgleichung, daher existiert eine eindeutige
Losung auf einem einfach zusammenhangenden Gebiet V , wenn folgendes fur die Randbedingungen
gilt:
(a) Das Gebiet V ist beschrankt und hat den Rand A. Dann muß entweder eine Neumann-
Randbedingung in folgender Form vorgeschrieben werden : ∂Φ∂n
∣∣A
= n · ∇Φ|A gegeben auf
A und Φ gegeben an einem Punkt auf A (ansonsten ist die Losung nur eindeutig bis auf eine ad-
ditive Konstante); oder es muß eine Dirichlet-Randbedingung in folgender Form vorgeschrieben
werden Φ|A gegeben auf A.
(b) Der Bereich V ist unbeschrankt. Dann muß die Losung folgende Bedingung erfullen: Φ→ const
fur ‖x‖ → ∞, ansonsten ware sie physikalisch unsinnig: die uber das Gebiet V integrierte
kinetische Energie ‖∇Φ‖2/2 ware unbeschrankt. Die Losung Φ wird durch diese Bedingung
alleine aber nicht eindeutig bestimmt.
3. Fur eine instationare Stromung erfullt Φ(x, t) die zeitunabhangige Laplace-Gleichung ∆Φ = 0 in jedem
Zeitpunkt t.
Ist das Gebiet V nicht einfach zusammenhangend, dann muß die Losung Φ ebenfalls nicht eindeutig sein. Um
eine eindeutige Losung zu erreichen, muß noch eine weitere Eigenschaft bekannt sein, z.B. die Zirkulation
um einen eingebetteten Korper. Diese Tatsache außert sich in der Kutta-Joukowski Bedingung fur die
Umstromung von Profilen, die in Abschnitt 2.3.7 besprochen wird.
Diese Eigenschaften der Laplace-Gleichung haben eine wichtige Konsequenz fur die Darstellung von Stromungen
entlang fester Wande mittels der Potentialtheorie.
Potential−strömung
reale, reibungs−behaftete Strömung
x
x1
2
In der Beschreibung der Stromung mittels Potentialtheorie kann man nur erreichen, daß die Wand nicht
durchstromt wird, denn wegen u · n, wobei n der Wandnormalenvektor ist, folgt
∇Φ · n =∂Φ
∂n= 0 .
2 Potentialstromungen 21
Damit ist fur Φ eine Neumann-Randbedingung bekannt und entlang der Wand darf keine weitere Rand-
bedingung gefordert werden. Die in der Vorlesung Stromungslehre I besprochene Haftbedingung ist ein
Reibungseffekt und kann von einer rotationsfreien und daher reibungsfreien Potentialstromung nicht erfullt
werden.
Eine Wandkontur ist in einer Potentialstromung immer eine Stromlinie, da die Geschwindigkeit an der Wand
immer tangential zur Wandoberfache gerichtet ist. Daher kann eine Wand auch als Stromlinie aufgefaßt wer-
den, was eine Moglichkeit zur Darstellung von festen Wanden, ohne tatsachlich einen das Stromungsgebiet
zu begrenzen, bietet. Da jede Stromlinie eine Wand darstellen kann, muß nur dafur gesorgt werden, daß
an der Stelle einer Wand eine Stromlinie vorliegt. Das kann entweder durch das zuvor besprochene Spiege-
lungsprinzip, oder allgemeiner durch das Uberlagern von Elementarstromungen, wie sie in Abschnitt 2.3.3
besprochen werden, erreicht werden.
2.2 Bernoulli-Gleichung fur Potentialstromungen
Bereits in der Vorlesung Stromungslehre I wurde die Bernoulli-Gleichung durch Integration der Impulsglei-
chung entlang einer ausgezeichneten Kurve besprochen. Es wurde gefunden, daß man ein einfaches Integral
der Impulsgleichung fur eine reibungsfreie Stromung mit einem Potential fur die Volumenkraft angeben kann
unter der Bedingung, daß man entweder entlang einer Stromlinie integriert, oder daß die Rotation des Ge-
schwindigkeitsfeldes, also die Wirbelstarke, identisch verschwindet. Man erhalt dann die Bernoulli-Gleichung,
im letzteren Fall mit einer auf dem ganzen Gebiet gultigen Konstante.
Fur ein Fluid konstanter Dichte erhalt man die Bernoulli-Gleichung fur Potentialstromungen
∂Φ
∂t+
1
2‖∇Φ‖2 +
p
ρ+G = F (t) (2.3)
Diese Gleichung hat folgende Eigenschaften:
1. sie gilt im gesamten Stromungsgebiet mit derselben (moglicherweise zeitabhangigen) Bernoulli-Konstanten
F (t),
2. sie gibt einen Zusammenhang zwischen Druck p und Potentialfunktion, daher kann also p aus Φ bzw.
∇Φ berechnet werden,
3. da (2.3) nichtlinear ist, sind aber die Druckanteile p1 und p2 zweier Potentialfunktionen Φ = Φ1 + Φ2
im allgemeinen nicht superponierbar p 6= p1 + p2.
2.3 Zweidimensionale, inkompressible Potentialstromungen
Zur Vereinfachung wird fur zweidimensionale Stromung folgende Nomenklaturvereinbarung getroffen:
x1 = x , x2 = y , u1 = u , u2 = v, ‖u‖2 = u2 + v2 = q2 .
Eine zweidimensionale inkompressible Stromung (nicht nur Potentialstromungen !) kann vollstandig durch
eine skalare Funktion, die Stromfunktion , beschrieben werden. Die Stromfunktion ist nichts anderes als
22 2 Potentialstromungen
ein exaktes Integral der inkompressiblen Kontinuitatsgleichung ∇ · u = 0. Diese ist immer erfullt, wenn die
Stromfunktion Ψ definiert wird durch :
∂Ψ
∂y= u ,
∂Ψ
∂x= −v . (2.4)
Die Stromfunktion hat folgene Eigenschaften:
1. Linien Ψ(x, y) = const sind Stromlinien:
dΨ = 0⇒dx|Stromlinie
u=dy|Stromlinie
v
2. Die Differenz von Ψ1 und Ψ2 auf zwei Stromlinien S1 und S2 entspricht dem Volumenfluß V21 zwischen
diesen Stromlinien :
Vab =
Ψ2∫Ψ1
dΨ = Ψ2 −Ψ1 .
Dies gilt fur eine 2D Konfiguration mit Einheitsbreite in der x3 Koordinate. Fur eine Breite b bekommt
man fur den Volumenfluß dann b V21.
Ψ = Ψ
Ψ = Ψ
S
Sb
a
n
udy
dx
1
2
1
2
Stromlinien
x
y
Vab
Linien Ψ = const sind also definitionsgemaß Stromlinien. Linien mit konstanter Potentialfunktion Φ(x, y) =
const bezeichnet man als Potentiallinien :
dΦ = 0⇒ ∂Φ
∂x︸︷︷︸=u
dx+∂Φ
∂y︸︷︷︸=v
dy = 0
⇒ dx
v= −dy
u
2 Potentialstromungen 23
Ψ=
Φ=const
const
Φ
Ψ
Aufgrund der Definitionen von Stromfunktion und Potentialfunktion folgt
∇Φ · ∇Ψ =∂Φ
∂x
∂Ψ
∂x+∂Φ
∂y
∂Ψ
∂y= −uv + uv = 0 ,
und somit bilden Potential- und Stromlinien orthogonale Kurvenscharen.
Zwischen Potentialfunktion und Stromfunktion gelten weiterhin gemaß Definition die
Cauchy-Riemann-Differentialgleichungen, die fur die komplexen Beschreibung von Potentialstromungen von
Bedeutung sind (siehe Abschnitt 2.3.2):
u =∂Φ
∂x=∂Ψ
∂y(2.5a)
v =∂Φ
∂y= −∂Ψ
∂x(2.5b)
Oft ist eine Darstellung von Potential- und Stromfunktion in Polarkoordinaten zweckmaßig:
x
y
r
u
u
uθ
φr
θ
Die Geschwindigkeitskomponente in radialer Richtung wird aus den kartesischen Komponenten gemaß fol-
gender Vorschrift berechnet
ur = q cos(φ− θ) = q(cosφ cos θ + sinφ sin θ) = cos θ u+ sin θ v ,
die Geschwindigkeitskomponente in Umfangsrichtung gemaß
uθ = q sin(φ− θ) = − sin θ u+ cos θ v .
24 2 Potentialstromungen
In vektorieller Schreibweise erhalt man also folgende Transformationsvorschrift
ur,θ =
[ur
uθ
]=
[cos θ sin θ
− sin θ cos θ
][u
v
](2.6)
Zwischen den Koordinaten besteht folgender Zusammenhang
x = r cos θ , y = r sin θ .
Durch Anwendung der Kettenregel bestimmt man die partiellen Ableitungen der Potentialfunktion in Polar-
koordinaten als
⇒ ∂Φ
∂r=∂Φ
∂x︸︷︷︸=u
∂x
∂r︸︷︷︸=cos θ
+∂Φ
∂y︸︷︷︸=v
∂y
∂r︸︷︷︸=sin θ
= u cos θ + v sin θ = ur
und
∂Φ
∂θ=∂Φ
∂x︸︷︷︸=u
∂x
∂θ︸︷︷︸=−r sin θ
+∂Φ
∂y︸︷︷︸=v
∂y
∂θ︸︷︷︸=r cos θ
= r(−u sin θ + v cos θ) = ruθ .
Wegen der Orthogonalitat von Stromlinien und Potentiallinien
∇Φ · ∇Ψ = 0
Wird der Gradientenoperator in dieser Gleichung in Polarkoordinaten ausgedruckt (siehe Anhang), so erhalt
man die Forderung
∂Φ
∂r
∂Ψ
∂r+
1
r
∂Φ
∂θ
1
r
∂Ψ
∂θ= 0
⇒ ur∂Ψ
∂r+ uθ
1
r
∂Ψ
∂θ= 0
Diese Gleichung ist erfullt, wenn
∂Ψ
∂r= −uθ
1
r
∂Ψ
∂θ= ur
Also besteht in Polarkoordinaten folgender Zusammenhang zwischen Potentialfunktion und Stromfunktion
ur =∂Φ
∂r=
1
r
∂Ψ
∂θ(2.7a)
uθ =1
r
∂Φ
∂θ= −∂Ψ
∂r(2.7b)
2.3.1 Wichtige Fakten aus der komplexen Analysis:
Eine komplexe Zahl z = x+iy reprasentiert einen Vektor mit den Komponenten x und y, aber so geschrieben,
daß die imaginare Einheit i =√−1 die zweite Komponente des Vektors anzeigt. Mittels dieser Schreibweise
konnen der reellen Analysis entsprechende Operationen definiert werden. Die Menge aller komplexe Zahlen
wird als C = x+ iy|x, y ∈ R , i =√−1, bezeichnet.
Man kann eine komplexe Zahl in kartesischen Koordinaten oder in Polarkoordinaten darstellen:
2 Potentialstromungen 25
Kartesische Koordinaten Polarkoordinaten
Im
Re
z
z=x+iy
z=x−iy
θ
−θ x
y
x, y ∈ R r, θ ∈ Rz = x+ iy z = reiθ
Re(z) = x r = |z| =√x2 + y2
Im(z) = y θ = atan yx = arg(z)
eiθ = cos θ + i sin θ ⇒ |eiθ| = 1
Die letzte Zeile bezeichnet man als Eulersche Relation .
Das konjugiert Komplexe von z erhalt man durch Spiegelung an der x-Achse:
z = x− iy = re−iθ
z z = |z|2 = r2
1
z=
1
reiθ=
1
r2z =
z
|z|2=
z
z z
Eine Funktion f(z) = fR(x, y) + ifI(x, y) nennt man analytisch, wenn fR und fI stetig differenzierbar sind
und die Cauchy-Riemann-Differentialgleichungen erfullen.
Eine Funktion f(z) heißt konform, wenn f(z) analytisch ist und f ′(z) 6= 0 gilt. Die Abbildung z → z′ = f(z)
ist dann winkeltreu und es gilt θ′ = θ.
z z’
S
S
S
S
f(z)θθ’
2
11
2
Wichtige elementare Funktionen sind:
1. die Exponentialfunktion:
ez = ex+iy = ex eiy
2. die trigonometrischen Funktionen:
cos z =eiz + e−iz
2, sin z =
eiz − e−iz
2i
26 2 Potentialstromungen
3. der Logarithmus:
ln z = ln(reiθ) = ln r + iθ = |z|+ iarg(z) + i2πk
mit dem Hauptzweig k = 0 und dem k-ten Nebenzweig k 6= 0.
Eine Funktion ist komplex differenzierbar, wenn
f ′(z0) = limz→z0
f(z)− f(z0)
z − z0
unabhangig vom Weg der Annaherung z → z0 existiert.
Jede auf einem Kreisring konvergente Laurentreihe stellt dort eine analytische Funktion dar
f(z) =
∞∑n=−∞
anzn .
Laurent-Reihen sind eine Verallgemeinerung der aus der reellen Analysis bekannten Potenz-Reihen.
Die komplexe Integration entspricht dem Wegintegral in zwei Raumdimensionen. Wenn man eine Funktion
komplex integriert muß man also zunachst den genauen Integrationsweg angeben. Ist aber f(z) analytisch
auf einem Gebiet A bis auf isolierte Singularitaten (Punkte z, in denen f(z) nicht definiert ist) und trifft
bzw. umlauft der Integrationsweg S keine Singularitat, dann ist das Integral wegunabhangig:
∫S
f(z)dz =
∫S1
f(z)dz =
∫S2
f(z)dz = · · · =b∫a
f(z)dz = F (b)− F (a)
S
S
S
1
2
3
a
b
Umlauft oder trifft ein geschlossener Integrationsweg S, der ganz in A liegt, Singularitaten, so ist
1
2πi
∮S
f(z)df =∑p
νS(p)Resf(zp) .
Hierin ist p der Index der Singularitat in A, νS(p) die Umlaufzahl dieser Singularitat und Resf(zp) das
Residuum von f in zp.
2.3.2 Komplexe Darstellung zweidimensionaler Potentialstromungen
Nach im vorigen Abschnitt angegebenen Satz uber die komplexe Differenzierbarkeit existiert ein komplexes Potential
F (z) = Φ(x, y) + iΨ(x, y) (2.8)
2 Potentialstromungen 27
mit z = x + iy, i2 = −1, F, z ∈ C; x, y,Ψ,Φ ∈ R. F (z) ist eine analytische Funktion und stellt
eine zweidimensionale Potentialstromung in der komplexen Zahlenebene dar. Da die komplexe Ableitung
von F (z) in z existiert, muß dF/dz unahangig vom Weg der Annahrung z + dz → z sein. Man kann daher
einmal dz = dx wahlen und erhalt
dF
dz=∂Φ
∂x+ i
∂Ψ
∂x,
oder man wahlt dz = idy und erhalt
dF
dz=
1
i
∂Φ
∂y+∂Ψ
∂y=∂Ψ
∂y− i
∂Φ
∂y
Da dF/dz in beiden Fallen gleich sein muß, mussen Φ und Ψ die Cauchy-Riemann-Differentialgleichungen
(2.5) erfullen. Aus diesen folgt wiederum:
∂2Φ
∂x2=
∂2Ψ
∂y∂x= −∂
2Φ
∂y2⇒ ∆Φ = 0 (2.9a)
∂2Ψ
∂y2=
∂2Φ
∂x∂y= −∂
2Ψ
∂x2⇒ ∆Ψ = 0 (2.9b)
Φ und Ψ erfullen also jeweils die Laplace Gleichung. In der reellen zweidimensionalen Betrachtung von
Potentialstromungen ist ∆Φ = 0 eine Folge der Divergenzfreiheit der Geschwindigkeit, und ∆Ψ = 0 ei-
ne Folge der Rotationsfreiheit der Geschwindigkeit. In der komplexen Betrachtung stellt der Realteil des
komplexen Potentials F (z) die Potentialfunktion und der Imaginarteil die Stromfunktion der zugehorigen
Stromung dar.
In der komplexen Beschreibung definiert man eine komplexe Geschwindigkeit als komplexe Ableitung von
F (z) nach z:
w(z) =dF
dz=∂Φ
∂x+ i
∂Ψ
∂x= u− iv = (ur − iuθ)e
−iθ = qe−iα , (2.10)
mit z = reiθ, q = |w|, α = atan(v/u).
α
−α
v
u
y
x
w=u−iv
w=u+iv
Man beachte, daß in der vektoriellen Darstellung die komplexe Geschwindigkeit gerade dem an der x-Achse
gespiegelten Geschwindigkeitsvektor enspricht. Daher ist das konjugiert Komplexe w = u+iv die Darstellung
des physikalischen Geschwindigkeitsvektors in der komplexen Ebene z .
28 2 Potentialstromungen
z
x
y
u
v
u
Man kann w auch darstellen in Polarkoordinaten :
w = (ur − iuθ)e−iθ
x
y
u
z=r eiθ
θ
rur
uθ
oder durch den Geschwindigkeitsbetrag q = |w| = |w| und den vom Geschwindigkeitsvektor mit der reellen
Aches eingeschlossenen Winkel α :
w = qe−iα
x
y
u
αq
Die komplexe Zirkulation wird folgendermaßen berechnet :
ΓC =
∮S
w(z)dz =
∮S
(u− iv)(dx+ idy)
∮S
(udx+ vdy) + i
∮S
(udy − vdx)
= Γ + iQ
(2.11)
Hierin ist Γ =∮S
(udx + vdy) gemass (1.3) die relle (physikalische) Zirkulation. Q =∮S
(udy − vdx) =∮S
(nxu+ nyv)ds =∮S
u · nds ist der Volumenstrom durch die Kurve S, der aus den von S eingeschlossenen
Quellen resultiert.
2 Potentialstromungen 29
S
nu
x
y
2.3.3 Elementarstromungen
In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Elementarstromungen zur Beschreibung zweidimensionaler Po-
tentialstromungen mittels des Superpositionsprinzips anhand ihrer komplexen Darstellung besprochen.
Parallelstromung
Bei einer Parallelstromung handelt es sich um eine konstante Stromung in eine feste Richtung, die also durch
parallele Geschwindigkeitsvektoren dargestellt wird.
w
x
y
Die komplexe Geschwindigkeit laßt sich daher leicht angeben als
w(z) = U − iV = const . (2.12a)
Daraus folgt das komplexe Potential durch Bildung der Stammfunktion (wobei die beliebige Integrations-
konstante hier zu Null gesetzt wurde)
F (z) = (U − iV )z . (2.12b)
Da F (z) keine Singularitaten aufweist verschwindet die komplexe Zirkulation identisch :
ΓC = 0
30 2 Potentialstromungen
Quellen- und Senkenstromung
Die Quellen- und Senkenstromung ist charakterisiert durch eine radiale Anordnung von Geschwindigkeits-
vektoren, deren Betrag unabhangig von der Umfangskoordinate θ ist. Im Ursprung weist diese Stromung
daher eine Singularitat auf.
w
x
y
Potentiallinie
Stromlinie
Die Stromlinien sind offensichtlich vom Ursprung ausgehende Strahlen, Potentiallinien sind konzentrische
Kreise um den Ursprung. Wird eine Quell- oder Senkenstrarke Q vorgegeben, so kann man die Geschwin-
digkeit leicht in Polarkoordinaten angeben (der Quotient 2π wird in Kurze klar werden)
ur =Q
2πr, uθ = 0 .
Daher erhalt man die komplexe Geschwindigkeit aus
u = ur cos θ − uθ sin θ =Q
2πrcos θ
und
v = ur sin θ + uθ cos θ =Q
2πrsin θ
als
⇒ w = u− iv =Q
2πre−iθ
=Q
2πr2re−iθ =
Q
2πzzz
=Q
2πz.
(2.13a)
Das komplexe Potential dieser Quelle (Senke) mit Ursprung in z = 0 folgt nach Bestimmung der Stamm-
funktion bis auf eine irrelevante Integrationskonstante als
⇒ F (z) =Q
2πln z . (2.13b)
Wenn der Ursprung in z = z0 und nicht in z = 0 liegt, kann man das komplexe Potential durch eine einfache
Abbildung bestimmen als
F (z) =Q
2πln(z − z0) . (2.13c)
2 Potentialstromungen 31
Q ist die Quellenstarke, fur Q > 0 spricht man von einer Quelle fur Q < 0 von einer Senke. Dies ist konsistent
mit der Definition der komplexen Zirkulation
ΓC =
∮S
w(z)dz =Q
2π(ln |z|+ iarg(z))
∣∣∣∣S
= iQ
2π2π = iQ ,
woraus auch der Grund fur die eingangs erwahnte Normierung um 2π ersichtlich wird.
Potentialwirbel
Einen Potentialwirbel kann man erzeugen, indem man die Geschwindigkeitsvektoren der Quellen- oder Sen-
kenstromung um 90 dreht. Wiederum kann daher im Ursprung keine eindeutige Geschwindigkeit angegeben
werden und es liegt daher wieder eine Singularitat im Ursprung vor.
w
x
y
Potentiallinie
Stromlinie
In Polarkoordinaten kann man die Geschwindigkeit wieder leicht angeben, wenn die Zirkulation Γ vorgegeben
wird :
ur = 0 , uθ =Γ
2πr.
Mittels Transformation auf kartesische Koordinaten
u = ur cos θ − uθ sin θ = − Γ
2πr2y
v = ur sin θ + uθ cos θ =Γ
2πr2x
findet man die komplexe Geschwindigkeit
⇒ w = u− iv = − Γ
2πr2y − i
Γ
2πr2x
= −iΓ
2πr2(x− iy) = −i
Γz
2πzz
= −iΓ
2πz
(2.14a)
und durch Bildung der Stammfunktion bis auf eine irrelevante Integrationskonstante das komplexe Potential
des Potentialwirbels mit Ursprung in z = 0
⇒ F (z) = −iΓ
2πln z . (2.14b)
Ein Potentialwirbel mit Ursprung in z = z0 kann wieder leicht durch eine Koordinatentransformation be-
stimmt werden
F (z) = −iΓ
2πln(z − z0) . (2.14c)
32 2 Potentialstromungen
Das Vorzeichen der Zirkulation bestimmt den Umlaufsinn : Γ > 0 bedeutet Umlauf im math. pos. Sinn,
Γ < 0 bedeutet Umlauf im math. neg. Sinn. Gemaß Definition der komplexen Zirkulation muß fur den
Potentialwirbel ΓC = Γ gelten, was man durch kurze Rechnung bestatigt
ΓC =
∮S
w(z)dz = −iΓ
2π
ln |z|+ i arg(z)︸ ︷︷ ︸=θ
∣∣∣∣∣∣2π
θ=0
=Γ
2π2π = Γ .
Dipol
Eine weitere Elementarstromung kann man erzeugen, wenn man eine Senke in ε und eine Quelle in −εsuperponiert und dann den Grenzfall ε→ 0 betrachtet:
F (z) =Q
2πln(z + ε)︸ ︷︷ ︸Quelle
− Q2π
ln(z − ε)︸ ︷︷ ︸Senke
=Q
2πlnz + ε
z − ε
Fur ε→ 0
F (z) =Qε
πz.
Ware nun Q beschrankt dann wurden sich Quelle und Senke annihilieren und man erhielte keine besonders
interessante Stromung. Wenn aber Q ∝ 1/ε erlaubt wird, dann ist limε→0
Qε beschrankt. Man bezeichnet daher
M = limε→0
Qε als Dipolmoment da die Potentiallinien den Feldlinien eines elektrischen Dipols entsprechen.
Man kann dann fur das komplexe Potential des Dipols schreiben
F (z) =M
πz(2.15a)
woraus die komplexe Geschwindigkeit
w(z) =dF
dz= − M
πz2(2.15b)
folgt. Verschiebt man den Ursprung nach z = z0 gilt
⇒ F (z) =M
π(z − z0)(2.15c)
w
x
y
+Q −Q
Potentiallinie
Stromlinie
2 Potentialstromungen 33
Keilstromung
Betrachten wir zunachst unmotiviert die folgende Funktion
F (z) = Czn = Crneinθ , n > 0 . (2.16a)
Da sie analytisch ist, stellt sie irgendeine Potentialstromung dar, deren komplexe Geschwindigkeit
⇒ w(z) =dF
dz= nCzn−1 = nCrn−1ei(n−1)θ (2.16b)
ist. In Polarkoordinaten erhalt man durch Vergleich mit der Transformationsbeziehung fur die Geschwindigkeit
w = (ur − iuθ)e−iθ
woraus
ur = nCrn−1 cosnθ (2.16c)
und
uθ = −nCrn−1 sinnθ (2.16d)
folgt. Offensichtlich beschreibt dieses komplexe Potential die Stromung entlang eines Keiles mit dem Offnungswinkel
Θ = π/n
w
w
x
y
θ=π/n
Die zugehorige Potentialfunktion lautet
Φ = Crn cosnθ , (2.16e)
und die Stromfunktion ist
Ψ = Crn sinnθ . (2.16f)
Folgende Spezialfalle sind von besonderer Bedeutung :
1. n = 3, Θ = π/3
34 2 Potentialstromungen
2. n = 2, Θ = π/2
3. n = 3/2, Θ = 2π/3
4. n = 1, Θ = π
5. n = 2/3, Θ = 3π/2
6. n = 1/2, Θ = 2π
2.3.4 Uberlagerungen von Elementarstromungen (Singularitatenmethode)
Eingangs dieses Kapitels wurde das Superpositionsprinzip fur Potentialstromungen beschrieben. Aus der Li-
nearitat der Laplace-Gleichung fur das Potential Φ folgt, daß zwei Losungen der Laplace Gleichung uberlagert
werden konnen und wiederum eine Losung der Laplace-Gleichung darstellen. Dies gilt dann ebenso fur die
Stromfunktion, die fur eine Potentialstromung ebenfalls eine harmonische Funktion sein muß:
∆Φ1 = 0 , ∆Φ2 = 0 , ∆Ψ1 = 0 , ∆Ψ2 = 0
mit
Φ = Φ1 + Φ2 , Ψ = Ψ1 + Ψ2
folgt daher
⇒ ∆Φ = 0 , ∆Ψ = 0 .
Um zu erreichen, daß feste Wande Stromlinien werden, wird das Superpositionsprinzip genutzt, um Stromungen
auf einem unbeschrankten Gebiet V entsprechend durch Elementarstromungen zusammenzusetzen. Die mei-
sten der hierzu in Frage kommenden Elementarstromungen weisen eine Singularitat auf, wie im vorigen Ab-
schnitt besprochen, daher spricht man auch von der Singularitatenmethode. Da das Superpositionsprinzip
2 Potentialstromungen 35
fur Potential und Stromfunktion gilt, muß es auch fur das komplexe Potential F gelten. Die Vorgehensweise
wird nun anhand wichtiger Beispiele erlautert.
Umstromung eines Halbkorpers
Die Umstromung eines Halbkorpers kann durch die Uberlagerung von Parallelstromung und Quelle modelliert
werden.
oo
Q > 0
Ux
y
Das zugehorige komplexe Potential lautet :
F (z) = U∞z +Q
2πln z ,
woraus man die komplexe Geschwindigkeit
w(z) = U∞ −Q
2πz
bestimmt. Fur die spatere Anwendung der Bernoulli-Gleichung zur Berechnung des Druckes benotigt man
noch den Geschwindigkeitsbetrag, resp. dessen Quadrat
q2 = |w|2 = U2∞ +
QU∞πr
cos θ +Q2
4π2r2.
Ausgezeichnte Punkte der Stromung sind die sogenannten Staupunkte . Diese Punkte sind Definiert durch
die Bedingung w = 0, also u = v = 0. Man sieht sofort, da es nur einen Staupunkt ist, der auf der reellen
Achse in zs = −Q/(2πU∞) liegt.
Diejenige Stromlinie, die durch den Staupunkt geht bezeichnet man als Staustromlinie . Zur Herleitung
einer Bestimmungsgleichung fur die Staustromlinie berechnet man zunachst den Wert der Stromfunktion
auf der Stromlinie durch den Staupunkt. Eine Stromlinie is ja definiert durch Ψ = const und wenn man
Ψ(zs) berechnet hat man den gesuchten Wert der Konstanten. Zunachst identifiziert man Ψ(z) als den
Imaginarteil fon F (z), ausgedruckt in Polarkoordinaten liefert das
Ψ(z) = U∞r sin θ +Q
2πθ .
Ausgewertet in zs erhalt man Ψ(zs) = Q/2 und somit als Vorschrift fur die Staustromlinie
ΨS(z) = U∞r sin θ +Q
2πθ =
Q
2.
36 2 Potentialstromungen
Die Staustromlinie ist identisch mit der Korperkontur, da der Staupunkt auf dem Korper liegt. Daher kann
man die Halbweite des umstromten Korpers bestimmen aus der y-Koordinate der Staustromlinie
h =Q
2πU∞(π − θ)
Fur θ → 0 erhahlt man hmax = Q2U∞
. Dies ist also die Halbweite des Korpers fur x → ∞. Die Tatsache,
daß der Korper in x→∞ offen sein muß entspricht der Tatsache, daß im Inneren des Korpers eine Quelle
liegt und kein Fluid uber die Staustromlinie (d.h. die Wand) hinweg aus dem Korper austreten kann. In der
Tat erhalt man aus 2hmaxU∞ = Q die Bestatigung der Massenerhaltung.
Mittels der Bernoulligleichung kann man den Druck entlang der Korperkontur berechnen, indem man den
Geschwindigkeitsbetrag q auf der Staustromlinie berechnet und qs(θ) erhalt. Dieses qs kann man in die
Bernoulli-Gleichung einsetzen und nach dem Druck auflosen. Anschließend normiert man den Druck mit
ρU2∞/2 und erhalt den sogenannten Druckbeiwert
Cp = 2p− p∞ρU2∞
= 1−(
q
U∞
)2
,
der den dimensionslosen Wanddruck darstellt.
Umstromung eines geschlossenen Korpers
Die Umstromung eines geschlossenen Korpers kann durch Uberlagerung einer Parallelstromung mit einer
Quelle in z = −x0 und einer Senke in z = x0 modelliert werden.
xu
Q > 0 Q < 0
y
oo
Man erhalt fur das komplexe Potential
F (z) = U∞z +Q
2πlnz + x0
z − x0.
Die komplexe Geschwindigkeit ist dann
w(z) = U∞ −Q
π
x0
z2 − x20
.
Umstromung des ebenen Kreiszylinders mit Radius R
Eine sehr wichtige Stromung ist die Umstromung eines ebenen Kreiszylinders. Der Zylinder habe den Radius
R. Man kann diese Stromung durch eine Uberlagerung von Parallelstromung mit einem Dipol erzeugen.
2 Potentialstromungen 37
S1 S2 x
y
θ
Das komplexe Potential ist
F (z) = U∞
(z +
R2
z
), M = πR2U∞ ,
wobei man noch bestatigen muß, daß diese Wahl von M tatsachlich als Staustromlinie einen Kreis um den
Ursprung mit dem Radius R ergibt.
Die komplexe Geschwindigkeit berechnet man als
w(z) = U∞
(1− R2
r2e−2iθ
),
und den Geschwindigkeitsbetrag, resp. dessen Quadrat als
q2 = U2∞
(1− 2R2
r2cos 2θ +
R4
r4
).
Die Staupunkte mit u = v = 0 liegen offenbar in zs = ±R und als Staustromlinie erhalt man nach kurzer
Rechnung
r = R ,
also den gewunschten Kreis um den Ursprung mit dem Radius R.
Den Geschwindigkeitsbetrag auf Zylinderwand berechnet man als
q = 2U∞| sin θ| ,
Woraus der Wand-Druckbeiwert
Cp = 2p− p∞ρU2∞
= 1− 4 sin2 θ
folgt.
Umstromung des ebenen Kreiszylinders mit Radius R und verschobenen Staupunkten
Bei der Darstellung der Stromung um eine ebene Platte wird die Kreiszylinderumstromung als Ausgangspunkt
genommen, die Lage der Staupunkte aus dem vorhergegangenen Beispiel wird sich aber dann als nicht korrekt
herausstellen. Es stellt sich nun die Frage, wie man die Lage der Staupukte bei der Kreiszylinderumstromung
38 2 Potentialstromungen
beeinflussen kann. Dazu uberlagern wir eine Parallelstromung mit je einem Dipol und einem Potentialwirbel
im Ursprung. Das zugehorige komplexe Potential ist
F (z) = U∞
(z +
R2
z
)− i
Γ
2πln z ,
woraus sich die komplexe Geschwindigkeit
w(z) = U∞
(1− R2
z2
)− i
Γ
2πz
ergibt.
Die Staupunkte mit u = v = 0 liegen in
zsR
=rsReiθs = iγ ±
√1− γ2 , γ =
Γ
4πU∞R
Also laßt sich die Lage der Staupunkte durch die Wahl von Γ wie gewunscht beeinflussen.
Untersuchen wir zunachst den fur Anwendungen wichtigen Fall, in dem die Staupunkte auf dem Zylinder
liegen. Dann ist also rs = R und sin θs = γ mit |γ| ≤ 1.
S x
y
θ
1 S2
Der fur Anwendungen weniger wichtige Fall ist derjenige mit abgehobene Staupunkten. Dies ist der Fall
wenn |γ| > 1 und
θs =
π/2
3π/2.
S
ϑ
y
x
2 Potentialstromungen 39
2.3.5 Berechnung der Reaktionskrafte (Krafte auf einen umstromten Korper)
Es soll nun untersucht werden, ob man einen allgemeinen Ausdruck fur die Kraftwirkung einer Potential-
stromung um einen beliebigen geschlossenen Korper angeben kann.
ds
dx
dy
p
s
S
w ∝
z
Γ
y
x
Auf ein Kurvenelement der Korperkontur ds wirkt eine resultierende Druckkraft mit den Komponenten
dKx = −pdy und dKy = pdx. Daraus kann man eine infinitesimale komplexe Kraft definieren als
dK = dKx − idKy = −ip(dx− idy) = −ipdz .
Also ist die gesamte auf den Korper mit der Kontur S wirkende komplexe Kraft gegeben durch
K = Kx − iKy = −i
∮S
pdz ,
wobei Kx und Ky die x- und y-Komponenten der physikalischen (vektoriellen) Kraft auf den Korper sind.
Offenbar benotigt man zur Berechnung der Kraft den Druck auf der Korperkontur. Dazu zieht man die
Bernoulli-Gleichung heran
p+ρ
2= p∞ +
ρ
2U2∞ = const
(es soll wie zuvor keine weitere außere Kraft wirken). Da
q2 = ww =dF
dz
dF
dz
ist, gilt also
K = iρ
2
∮S
dF
dzdF .
Nun geht es darum, dF/dz entlang der Korperkontur, die ja eine Stromlinie ist, auszuwerten. Die Anderung
der Stromfunktion entlang der Korperkontur muß also verschwinden
∂Ψ
∂s= 0 .
Wenn man nun also eine inkrementelle Anderung von F entlang von S betrachtet, gilt also
dF |S =
(∂Φ
∂s+ i
∂Ψ
∂s
)S
ds =∂Φ
∂s
∣∣∣∣S
ds .
40 2 Potentialstromungen
Dasselbe gilt fur dF , wenn man in der Klammer + durch − ersetzt. Also gilt
dF |S = dF∣∣S,
woraus sofort die Blasius-Formel
K = iρ
2
∮S
(dF
dz
)2
dz (2.17)
folgt. Zu bemerken ist, daß man oft nicht p, sondern p−p∞ bestimmen kann, da p∞ oft nicht explizit gegeben
ist. Da aber∮S
p∞dz = 0 hebt sich der Anteil des konstanten Umgebungsdruckes aus der Blasiusformel heraus.
Die Frage stellt sich nun, ob man die Blasius-Formel alleine mittels der zur Modellierung der Korperumstromung
verwendeten Elementarstromungen auswerten kann. Dies ist in der Tat moglich, obwohl der Beweis etwas
umstandlich ist. Er wird daher im folgenden nur skizziert.
Es soll also die auf einen zylindrischen Korper wirkende Kraft einer Stromung, die nach der Singula-
ritatenmethode durch Uberlagerung von Elementarstromungen, deren Singularitaten im Inneren des Korpers
liegen, modelliert wurde, berechnet werden. Gemaß den Ergebnissen der Funktionentheorie ist der Inte-
grationsweg gleichgultig, solange alle Singularitaten umlaufen werden. Wenn man sich auf die Elementar-
stromungen Parallelstromung, Potentialwirbel, Quellen- und Senken und Dipole beschrankt, dann kann man
folgenden allgemeinen Ansatz fur dF/dz angeben:
dF
dz= W∞ −
i
2π
∑l
Γlz − zl
+1
2π
∑m
Qmz − zm
− 1
π
∑n
Mn
(z − zn)2
Der erste Term auf der rechten Seite steht fur die Parallelstromung, der zweite Term fur alle Potentialwirbel,
jeweils mit Ursprung zl, der dritte Term fur alle Quellen und Senken, jeweil mit Ursrpung zm, der vierte
Term fur alle Dipole, jeweils mit Ursprung zn. Die Singularitaten in zl, zm, zn liegen jeweils im Inneren des
Korpers. Man kann diesen Ansatz fur dF/dz auch allgemeiner machen, indem man dF/dz druch den Haupteil
einer Lauentreihe darstellt. Der Nebenteil der Laurentreihe verschwindet wegen der Abklingbedingung fur
|z| → ∞.
An dieser Stelle nimmt man ein Ergebnis der Funktionentheorie, den Residuensatz zur Hilfe, der besagt, daß∮ (dF
dz
)2
dz = i2π · (Summe der Residuen von(dF/dz)2) .
Die weitere Vorgehensweise ist wie folgt :
1. Zunachst verschiebt man den Ursprung z = 0 des Koordinatensystems in das Korper-Innere.
2. Dann entwickelt man alle Elementarstromungen jeweils in Laurent-Reihen, z.B. fur die Quellen und
Senken
Qmz − zm
= Qm
(1
z+zmz2
+ · · ·)
oder fur die Dipole
Mn
(z − zn)2= Mn
(1
z2+
2znz3
+ · · ·).
2 Potentialstromungen 41
3. Aus diesen Reihenentwicklungen setzt man dF/dz gemaß dem Elementarstromungsansatz wieder zu-
sammen und bildet (dF/dz)2. Die entstandene Reihe sortiert man nach Faktoren 1/z, 1/z2, 1/z3,
. . ..
4. Alle Beitrage mit den Faktoren 1/z2, 1/z3, . . . haben Stammfunktionen, daher verschwinden die Rin-
gintegrale dieser Ausdrucke. Nur Terme mit dem Faktor 1/z bleiben nach Ringintegration ubrig. Die
bezuglich z konstanten Faktoren dieser Terme sind einmal die Gesamtzirkulation Γ =∑l Γl, d.h.
die Summe der Zirkulationen aller Potentialwirbel, und Q =∑mQm, d.h. die Summe aller Quell-
und Senkenstarken. Nur diese konnen einen Beitrag zum Vorfaktor von 1/z haben. Da es sich aber
um einen geschlossenen Korper handelt, muß Q = 0 sein (siehe oben modelliertes Beispiel der Um-
stromung eines einfachen geschlossenen Korpers durch Quelle und Senke). Das Gesamtdipolmement
M =∑nMn liefert keinen Beitrag, da der fuhrende Term in der Reihenentwicklung der entsprechenden
Dipolanteile in dF/dz proportional zu 1/z2 ist. Letztlich bleibt ubrig(dF
dz
)2
= 2W∞
(−i
Γ
2π
)1
z
Also ist
K = iρ
2
∮S
(dF
dz
)2
dz = W∞ρΓ
2π
∮S
1
zdz
Da∮z−1dz = 2πi folgt daraus die sogenannte Kutta-Joukowski-Formel zur Berechnung der Reaktionskraft
um einen umstromten zylindrischen (ebenen und geschlossenen) Korper mit der Berandung S, der durch
eine Uberlagerung von Elementarstromungen dargestellt wird. Hierbei ist Γ ist die Gesamtzirkulation entlang
S.
K = iρW∞Γ = iρ(U∞ − iV∞)Γ . (2.18)
Man kann die Kraftresultierende zerlegen in eine Komponente senkrecht zur Korper-Anstromung, diese ist
der Auftrieb
L = −ρΓq∞ = −ρΓ√U2∞ + V 2
∞ , (2.19a)
und in eine Komponente parallel zur Korper-Anstromung, diese ist der Widerstand
D = 0 . (2.19b)
Die Tatsache, daß der Widerstand eines zylindrischen Korpers in einer zweidimensionalen Potentialstromung
gemaß Gleichung (2.19b) verschwindet stellt das d’Alembertsche Paradoxon dar. Dieses Ergebnis ist ein
offensichtlicher Widerspruch zur Realitat und ist in der Vernachlassigung von Reibungseffekten begrundet.
Man beachte, daß die Kutta-Joukowski-Formel somit ebenfalls aussagt, daß die Kraft auf einen geschlossenen
Korper in einer zweidimensionalen Potentialstromung stets senkrecht zur Anstromung wirkt.
2.3.6 Methode der konformen Abbildung
Wenn man komplexere Stromungen durch eine einfache Koordinatentransformation auf die Umstromung des
Kreiszylinders zuruckfuhren konnte, ware mit der verfugbaren Losung fur diese Stromung auch die Losung
fur die komplexeren Stromungen bekannt.
42 2 Potentialstromungen
z=f(z’)
z z’y
x
y’
x’
a
a’
R
iR
−iR
−R
SS’
=const
=constΦ
Ψ
α
Grundlage dieser Vorgehensweise ist der Riemannsche Abbildungssatz :
Satz 5 Zwischen der komplexen Zahlenebene z′ und der komplexen Zahlenebene z gibt es eine eindeutige
Abbildung z = f(z′), fur die der geschlossene Bereich mit der Berandung S das Bild eines Kreises mit der
Berandung S′ ist. Diese Abbildung ist eine konforme Abbildung , d.h. sie ist analytisch und uberall im
Inneren von S′ ist df/dz′ 6= 0. Konforme Abbildungen sind winkeltreu, d.h. sie lassen von zwei Kurven in
einem Punkt eingeschlossene Winkel unverandert.
Die Folgerungen des Riemannschen Abbildungssatzes sind wie folgt:
1. Ein komplexes Potential in z′ stellt ein komplexes Potential in z dar.
2. Potential- und Stromlinien in z′ werden in Potential- und Stromlinien in z abgebildet.
3. Die Geschwindigkeit transformiert sich gemaß
w(z) =dF
dz=dF
dz′dz′
dz= w(z′)
1dfdz′
. (2.20)
Eine oft verwendete Abbildungsfunktion ist die sogenannte Joukowski-Abbildung
z = f(z′) = z′ +R2
z′. (2.21)
Wir wollen nun untersuchen, welche Geometrien wir mittels dieser Abbildung auf den Kreis mit dem Radius
R um den Ursprung zuruckfuhren konnen. Zunachst stellt man fest, daß wegen der Tatsache, daß z = f(z′)
eine konforme Abbildung auf dem Inneren von S darstellt, alle kritischen Punkte mit df/dz′ = 0 auf dem
Rand S bzw. S′ liegen mussen. Inbesondere heißt das, daß die Winkeltreue fur Punkte auf dem Rand nicht
erfullt sein muß. Deswegen laßt sich auch ein Profil wie in obiger Skizze mit einem Knick in a auf einen
2 Potentialstromungen 43
Kreis abbilden. Speziell fur die Joukowski-Abbildung stellt man fest, daß die kritischen Punkte in z′ = ±Rliegen.
Setzt man z′ = z′S′ = Reiθ′ , dann sieht man, daß der Kreis mit um den Ursprung mit dem Radius R
in der z′ -Ebene auf das Intervall −2R ≤ x ≤ 2R, y = 0 in der z -Ebene abgebildet wird mit der
Polarkoordinatendarstellung zS = 2R cos θ′.
2.3.7 Umstromung der ebenen Platte mit Anstellung
Der erste Schritt zur Profilumstromung ist die Stromung um ein infinitesimal dunnes und nichtgekrummtes
Profil, also eine ebene Platte aber mit Anstellung, d.h. mit einer Anstromungsrichtung nicht-parallel zur
Platte. Die Ausgangskonfiguration ist die Umstromung eines Kreisylinders mit Einheitsradius in der z′ -
Ebene
a’
b’
q
z’
α
Zunachst transformiert man das komplexe Potential des entlang der reellen Achse angestromten Zylinders
entsprechend der in der Skizze dargestellten Antromung unter einem Winkel α. Dazu wird die unabhangige
Koordinate um einen Winkel −α gegen die reelle Achse verdreht und man erhalt
F (z′) = q∞e−iα
(z′ +
e2iα
z′
).
Daraus erhalt man die komplexe Geschwindigkeit
w(z′) = q∞e−iα
(1− e2iα
z′2
).
Mittels Anwendung der Joukowski-Abbildung (2.21) kann man jetzt aus der bekannten komplexen Geschwin-
digkeit in der z′ -Ebene die komplexe Geschwindigkeit in der z -Ebene bestimmen. Hierbei verwendet man
zweckmaßigerweise
df
dz′= 1− 1
z′2.
man erhalt
w(z) =dF
dz=dF
dz′dz′
dz= w(z′)
1dfdz′
= q∞e−iαz′2 − eiα
z′2 − 1.
Durch die Joukowski-Abbildung wird der Zylinder auf eine ebene Platte zwischen −2 ≤ x ≤ 2 und mit y = 0
in der z -Ebene abgebildet, zusammen mit den zugehorigen Stromlinien und Potentiallinien.
44 2 Potentialstromungen
q
b
z
a
Durch eine Betrachtung der jeweiligen Grenzfalle kann man fur die Staustromlinie folgende Aussagen treffen:
Staustromlinie
Auf dem Korper Weit vom Korper entfernt
Kreiskontur in z′ : z′SSL = eiθ′
Platte in z : zSSL = 2 cos θ′
Gerade in z′ : z′SSL = reiα
Gerade in z : zSSL = reiα
Zur Bestimmung des Druckverlaufes entlang der Platte bestimmt man zunachst den Verlauf des Geschwin-
digkeitsbetrags entlang der Platte
q = q∞|sin(θ′ − α)|| sin θ′|
.
Dieses Ergebnis wird in die Bernoulligleichung mit Umgebungsdruck p∞ und ohne weitere außere Kraft, also
G = 0, eingesetzt und man erhalt nach Entdimensionierung den Druckbeiwert entlang der Platte
Cp =p− p∞ρ2q
2∞
= 1− sin2(θ′ − α)
sin2 θ′.
In der folgenden Skizze ist der Verlaufes des Druckbeiwertes schematisch dargestellt. Die durchgezogene
Linie stellt den Verlauf von Cp auf der Oberseite dar, die gestrichelte Linie den Verlauf auf der Unterseite.
Man beachte die Saugspitzen an der Vorder- und Hinterkante), die durch die erzwungene Umstromung einer
infinitesimal kleinen Kante etnstehen und einer plotzlichen Richtungsanderung der Geschwindigkeit entspre-
chen. Um diese plotzliche Geschwindigkeitsanderung bei verschwindend kleiner Oberflache zu erreichen, muß
der Druck einen unendlich großen Betrag annehmen.
2 Potentialstromungen 45
–2
–1
0
1
2
Cp
–1.5 –1 –0.5 0.5 1 1.5
x
Das Auftreten von Druckspitzen ist ahnlich unphysikalisch wie das d’Alembertsche Paradoxon und eine Folge
der Potentialstromungsannahmen. Zumindest im Bereich der Plattenhinterkante entspricht die auftretende
Druckspitze aber nicht im entferntesten dem, was man in einer realen Stromung beobeachet, wahrend an
der Vorderkante in der Tat auch in der Realitat Druckspitzen (wenn auch nicht unendlich große) auftre-
ten. In der Realitat bewirkt der Reibungseffekt eine Stromungsablosung nahe der Vorderkante, wodurch die
Stromlinienkrummung der Umstromung reduziert und damit die Druckspitze geglattet wird. Dieser Effekt
kann daher mittels der Potentialtheorie nicht beschrieben werden. Außerdem erzeugt die oben dargestellte
Plattenumstromung wegen des symmetrischen Cp-Verlaufes auf der Ober- und Unterseite keinen Druckre-
sultierende, daher also auch keinen Auftrieb. Dies widerspricht ebenfalls der experimentellen Beobachtung.
In dem Zusammenhang erinnern wir uns, daß die Umstromung um einen geschlossenen Korper durch die ge-
gebenen Randbedingungen alleine nicht eindeutig bestimmt ist (nicht einfach zusammenhangender Bereich).
Wir haben also die Freiheit noch eine weitere Bedingung aufzupragen mit dem Ziel ein glattes Abfließen der
Stromung an der Plattenhinterkante zu erreichen. Dies ist die sogenannte Kutta-Joukowski Bedingung ,
die die bestmogliche Darstellung der realen Stromung mittels der Potentialtheorie erreicht. Eine physikalisch
sinnvolle Plattenumstromung sieht also folgendermaßen aus:
q
z
a
Die Forderung des glatten Abfließens an der Hinterkante wird durch Hinzufugen eines Potentialwirbels
mit geeigneter Zirkulation und mit Zentrum im Koordinatenursprung erreicht. Das entsprechend korrigierte
46 2 Potentialstromungen
komplexe Potential lautet
F (z′) = q∞
(e−iαz′ +
eiα
z′
)− iΓ
2πln z′ .
Nun soll erreicht werden, daß der hintere Staupunkt b auf der Plattenoberseite an die Hinterkante in den
Punkt c verschoben wird. In der z′ -Ebene entspricht dies einem Verdrehen der Staupunktlage auf dem
Einheitskreis um einen Winkel α entsprechend der folgenden Skizze.
zz’z’’
a
b
a
b
c
d
c
α
αα
In der z′′ -Ebene haben wir die Staupunktlage fur die Umstromung eines Kreiszylinder mit Zirkulation als
Funktion der Zirkulation Γ bereits berechnet :
sin θ′′S =Γ
4πq∞.
Um also zu erreichen, daß θ′′S = −α muß alse
Γ = −4πq∞ sinα
sein. Mittels des komplexen Potentials berechnet man dann die komplexe Geschwindigkeit als
w(z) = q∞
(cosα− i sinα
z′ − 1
z′ + 1
).
Zur Berechnund der auf die Platte wirkenden Kraft wendet man die Kutta-Joukowski-Formel (2.18) und
erhalt fur den Auftrieb
L = 4πρ sinα q2∞
und naturlich fur den Widerstand D = 0.
2.3.8 Umstromungen zweidimensionaler Profile
Bei der aerodynamischen Auslegung von Tragflugeln, Propellern oder Turbinenschaufeln benotigt man
zunachst eine Aussage uber die aerodynamischen Kennzahlen eines zwei-dimensionalen Schnittes durch
den Flugel oder das Blatt.
2 Potentialstromungen 47
Profilsehne
Skelettlinie
α
dL
zy
x
Woo
α
s
In dieser Skizze ist l die Sehnenlange, s(x) ist die Skelettlinie, d(x) ist die Profildicke und α ist der An-
stellwinkel. Die Skelettlinie laßt sich geometrische als die Verbindungslinie der Mittelpunkte in das Profil
einbeschriebener Kreise konstruieren. Die Profildicke ist dann der Durchmesser dieser Kreise. Hat man Wi-
derstand (der naturlich bei einer potentialtheoretischen zweidimensionalen Betrachtung verschwindet) und
Auftrieb des Profils ermittelt, dann kann man folgende dimensionslose Kennzahlen definieren:
1. den Widerstandsbeiwert pro Einheitsbreite
Cw =D
l ρ2q2∞, (2.22a)
2. den Auftriebsbeiwert pro Einheitsbreite
Ca =L
l ρ2u2∞. (2.22b)
In folgender Abbildung sind Verlaufe von Ca(α) schematisch dargestellt.
llwinkel
kel, der
ölbung
net man den
ellwinkel. Bei
inkelzunahme
blösung auf.
48 2 Potentialstromungen
Man kann zeigen, daß fur kleine α naherungsweise ein linearer Verlauf gilt.
Ca = 2π(α+ 2
smaxl
).
Daruberhinaus kann man fur kleine Profilkrummungen, d.h. kleines smax = maxx
(s(x)) zeigen, daß
Ca = 2π(α+ 2
smaxl
)also
α0 ' −2smaxl
gilt. Ein nicht-symmetrisches Profil erzeugt also auch bei einem verschwindenden Anstellwinkel α = 0
einen Auftrieb, wobei erst bei dem sogenannten Nullauftriebswinkel α0 kein Auftrieb mehr erzeugt wird.
Beispielsweise sind die Tragflugelprofile von Verkehrsflugzeugen nicht-symmetrisch, die von Kunstflugzeu-
gen aber (meist) symmetrisch. In der Skizze sind die von der Potentialtheorie vorhergesagten Verlaufe im
Vergleich zu realen Verlaufen skizziert. In der Realitat tritt bei großeren Anstellwinkeln eine sogenannte
Stromungsablosung auf (siehe hierzu Kapitel 3), die ein Reibungseffekt ist. Lost die Stromung um ein Profil
ab, bricht der Auftrieb abrupt ein, oft verwendet man in der Fliegerei fur diesen Zustand den englischen
Ausdruck stall. Der Anstellwinkel, bei dem man den maximalen Auftrieb erreicht, wird mit αmax bezeichnet.
Fur komplexere Korperformen oder Profilgeometrien sind die Methode der konformen Abbildung und die
Singularitatenmethode kaum noch von Hand losbar. In diesen Fallen algorithmisiert man die Vorgehenswei-
se und berechnet die Losung numerisch. Im Falle der konformen Abbildung wird die Korperkontur durch
einen Polygonzug mglichst genau angenahert. Anschließend wird dieser Polygonzug mittels der sogenannten
Schwarz-Christoffel -Abbildung auf den Einheitskreis abgebildet. Diese Vorgehensweise ist recht kompliziert
und nicht vom ebenen Fall auf den dreidimensionalen Fall ubertragbar, findet daher in der Praxis kaum
noch Anwendung. Im Falle der Singularitatenmethode geht man meist so vor, daß das Problem zunachst
zerlegt wird in das der Auftriebserzeugung und das der Verdrangung. Auftrieb wird, wie oben bereits dar-
gestellt durch Anstellung und Wolbung eines Profils erzeugt und durch Elementarwirbel dargestellt und
kann mit der sogenannten Skelett-Theorie , wie unten skizziert, berechnet werden. Verdrangung wird durch
die Profildicke erzeugt und durch Quellen, Senken und Dipole dargestellt und kann mit der sogenann-
ten Tropfentheorie bestimmt werden. Eine vollstrandige Beschreibung mittels Potentialtheorie erhalt man
dann durch Uberlagerung der Ergebnisse von Skelett-Theorie und Tropfen-Theorie. Diese Vorgehensweise
laßt sich sowohl relativ leicht algorithmisieren, als auch auf den dreidimensionalen Fall (unter Aufgabe der
komplexen Beschreibung) ubertragen. Zur numerischen Losung zerlegt man die Korperoberflache in kleine
Vierecke (Panele), die mit diskreten Elementarstromungen belegt werden. Unter Aufpragung von Randbe-
dingungen (Wand, Symmetrie, Kutta-Joukowski-Bedingung) konnen die Starken der Elementarstromungen
(Zirkulation, Quellstarke, Senkenstarke, Dipolmoment) numerisch berechnet werden, sodaß man das Po-
tentialstromungsfeld anschließend durch Uberlagerung der Elementarstromungen bestimmen kann. Dieses
Verfahren nennt man Panel-Verfahren und ist heute noch gebrauchlich fur aerodynamische Entwurfsrech-
nungen.
Singularitatenmethode zur Berechnung der Umstromung ebener Profile
Als Skelett bezeichet man ein Profil ohne Dicke aber mit Anstellung und Wolbung. Dieses Skelett kann
mit einer Potentialwirbelverteilung modelliert werden und stellt die Auftriebswirkung eines Profils infolge
2 Potentialstromungen 49
Anstellung und Wolbung dar. Die resultierende Berechnungsmethode nennt man Skelett-Theorie.
Als Tropfen bezeichnet man ein Profil mit Dicke aber ohne Anstellung und Wolbung. Dieser Tropfen kann
durch eine Quellen- und Senkenverteilung und ggfs. durch eine Dipolverteilung modelliert werden und stellt
die Verdrangungswirkung eines Profils infolge Dicke dar. Die resultierende Berechnungsmethode nennt man
Tropfen-Theorie.
Segen der Superponierbarkeit von Potentialstromungen kann man also die Stromung um ein Profil in die Bei-
trage von Skelett und Tropfen zerlegen, zunachst einzeln losung und anschließend wieder zusammensetzen.
In diesem Abschnitt stellen wir nur die Skelett-Theorie kurz dar. Dir Tropfen-Theorie folgt analog.
Ein auf sein Skelett reduiertes Profil ist in der folgenden Abbildung skizziert:
Sehne l x
y
Γy=s(x)
γd = dx
Potentialwirbel−verteilung:
Skelettlinie:
Die Skelettlinie y = s(x) ist mit einer Potentialwirbelverteilung γ(x) = dΓ/dx belegt. Die Gesamtzirkulation
um das Profil berechnet man daher gemaß
γ(x) =dΓ
dx⇒ Γ =
l∫0
γ(x)dx .
Meist sind die Profile schwach gewolbt, d.h. die induzierte v-Komponente der Geschwindigkeit ist klein im
Vergleich zur Anstromungsgeschwindigkeit: v/q∞ 1. Da die Skelettlinie eine Stromlinie darstellt, folgt
daraus sofort: ds/dx 1. Diese Tatsache kann man nutzen und die Wirbelverteilung kann naherungsweise
auf die Sehne verschoben werden (d.h. in y = 0):
l x
y
Γy=s(x)
γd = dx
Potentialwirbel−verteilung:
Skelettlinie:
Sehne
w
50 2 Potentialstromungen
Die Potentialwirbelverteilung γ(x) muß nun so bestimmt werden, daß eine vorgegebene Form der Skelettlinie
(die ja eine Stromlinie sein muß) erreicht wird. Zur Losung dieses Problems wird γ(x) in eine Potenzreihe
entwickelt, die nach wenigen Termen abgebrochen wird. Die Koeffizienten der abgebrochenen Potenzreihe
lassen sich dann bestimmen. Diese Vorgehensweise wird in Monographien zur Aerodynamik detailliert be-
sprochen. Einfacher ist die Situation, wenn γ(x) bekannt ist, denn damit kann der Auftrieb des Profils nach
der Kutta-Joukowski-Formel direkt berechnet werden:
L = −ρΓq∞ = −ρq∞
l∫0
γ(x)dx .
Es muß noch berucksichtigt werden, daß γ(x) so gewahlt oder berechnet werden muß, daß die Kutta-
Joukowski-Bedingung an der Profil-Hinterkante erfullt ist. Betrachtet man ein kleines Profilelement
x
y
s(x)
(x)γu
u
γ
γ
+
−
dann lauten die vom Wirbelelement dΓ = γ(x)dx an der Stelle x induzierten Geschwindigkeiten (siehe
Wirbelschicht in Abschnitt 1.2) an der Oberseite der Skelettlinie u+γ = −γ(x)/2 und an der Unterseite der
Skelettlinie u−γ = γ(x)/2. Am Ende der Skelettlinie in x = l muß aber die Kutta-Joukowski-Bedingung
gelten. Um glattes Abfließen zu erreichen, mussen damit die Geschwindigkeiten an der Ober- und Unterseite
der Skelettlinie gleich sein: u+γ (l) = u−γ (x), das kann aber nur der Fall sein, wenn γ(l) = 0 ist.
2.4 Umstromung von Tragflugeln endlicher Spannweite
Betrachtet man einen Tragflugel endlicher Spannweite, so kann die Auftriebswirkung nachwievor mit ei-
nem Potentialwirbel mit nichtverschwindendet Zirkulation modelliert werden, denn das Ergebnis des Kutta-
Joukowski Formel laß sich auf den dreidimensionalen Fall ubertragen. Was passiert aber nun an den Trag-
flugelenden ? Als Folgerung des III. Helmholtz’schen Wirbelsatzes kann der auftriebserzeugende Trag-
flugelwirbel nicht einfach dort einen Anfangs- bzw. einen Endpunkt haben. Der Tragflugelwirbel muß also
zu einem geschlossenen Wirbelfaden erganzt werden und es ergibt sich folgendes Bild:
2 Potentialstromungen 51
UooL
Tra
gflü
ge
lwirb
el
Randwirbel
Randwirbel
Anf
ahr
wirb
el
x
xx
1
2
3
Betrachten wir nun einen Schnitt in der (x2, x3)-Ebene entlang der Tragflugelhinterkante:
v i
induzierteVertikalgeschwindigkeit
p
p
o
u
x
x2
3
Wie man nun erkennt, sind die Randwirbel das Resultat der Tatsache, daß der Druck auf der Unterseite pu
großer ist als derjenige auf der Obserseite po. Die nun senkrecht auf der Schnittebene stehenden Randwirbel
induzieren ihrerseits eine Vertikalgeschwindigkeit vi, wodurch die effektive Anstromung ein einer (x1, x3)-
Ebene (gestrichelte schwarze Linie) verdreht wird :
52 2 Potentialstromungen
oo
oo
x
x L
U
U
L
D
v i
I
1
3
Nach dem Satz von Kutta-Joukowski muß der Auftrieb L senkrecht zur effektiven Anstromung in der
(x1, x3)-Ebene stehen. Im zweidimensionalen Fall (in x2-Richtung unendlich ausgedehnter Tragflugel) liegen
Auftrieb L∞ und effektive Anstromgeschwindigkeit U∞ wie in der obigen Skizze blau eingezeichnet vor. Im
Fall des endlichen Tragflugels induzieren, wie erwahnt, die Randwirbel eine abwarts gerichtete Geschwin-
digkeitskomponente vi, sodaß die effektive Anstromung in −x3-Richtung verdreht wird. Dies enstpricht der
rot eingetragenen effektiven Anstromgeschwindigkeit U und dem rot eingetragenen resultierenden Auftrieb
L. Man kann L zerlegen in L = L∞ +DI , wobei L∞ die fur die Leistungsdaten des gesamten Tragflugels
relevante Auftriebskomponente senkrecht zu ungestorten Anstromung ist, wahrend DI der Flugrichtung
entgegenwirkt also eine Widerstandskraft ist. Diese Kraft bezeichnet man als den induzierten Widerstand .
Er ist ein reibungsfreies Phanomen, das in dreidimensionalen Potentialstromungen auftreten kann.
2.5 Instationare Potentialstromungen
Wird ein Korper in einem Fluid beschleunigt, ensteht trotz reibungsfreier Beschreibung ein Widerstand,
da zuvor stationares Fluid durch die Verdrangungswirkung des Korpers in Bewegung gesetzt wird. Dazu
muß eine Kraft aufgebracht werden. Diese Kraft lasst sich fur Potentialstromungen durch Hinzufugen einer
virtuellen Masse zu der Masse des Korpers berucksichtigen. Diese Masse ist proportional zu der vom Korper
verdrangten Fluidmasse, wobei die Proportionalitatskonstante von der Korperform abhangt.
Kapitel 3
Grenzschichten
Die Auflosung des im vorigen Kapitel formulierten d’Alembert’schen Paradoxons besteht in der Erkenntnis,
daß zwar die Stromung um einen Korper in weiterer Entfernung vom Korper recht gut mittels der Potenti-
altheorie vorhergesagt werden kann (sofern keine komplexe Geometrien und daher eine nahezu rotationsfreie
Stromung vorliegt), die Stromung in umittelbarer Wandnahe aber rotationsbehaftet ist und dort die Rei-
bungskrafte sozusagen konzentriert in einer dunnen Schicht wirken. Diese Erkenntnis wurde von Prandtl um
1905 in der sogenannten Prandtl Hypothese formuliert:
Satz 6 Bei einer Korperumstromung sind die Reibungskrafte außerhalb einer dunnen Schicht nahe der Wand
vernachlassigbar. Uber diese Schicht hinweg nimmt die Fluidgeschwindigkeit die Wandgeschwindigkeit an. Es
gilt die Haftbedingung : Fluidpartikel haften an der Wand in reibungsbehafteten Kontinuumsstromungen.
Diese Schicht nennt man Grenzschicht .
Die Prandtl Hypothese ist in der folgenden Abbildung illustriert:
oouu
δ
ω = 0
ω = 0
u=0
δ
Bei der aerodynamischen Auslegung von Tragflugeln nutzt man diese Tatsache und koppelt die Berechnung
der Außenstromung mit einem potentialtheoretischen Verfahren oder einem genaueren Verfahren, welches
die reibungsfreien Impulsgleichungen lost (Euler-Gleichungen), um eine um die Grenzschicht aufgedickte
Korperkontur mit einem Grenzschichtberechnungsverfahren.
54 3 Grenzschichten
3.1 Die Grenzschichtgleichungen
Fur die Grenzschicht kann man aus den Navier-Stokes-Gleichungen vereinfachte Gleichungen unter Ausnut-
zung der besonderen geometrischen Eigenschaften der Grenzschicht herleiten. Dies sind die sogenannten
Grenzschichtgleichungen .
Um die geometrischen Besonderheiten einer Grenzschicht zu erkennen, betrachten wir folgende Skizze:
°°
δδ(x)
u( )=U
y
x
δ
U = Uδ
Die Grenzschicht zeichnet sich durch folgende Geschwindigkeitsskalen und Langenskalen aus:
Geschwindigkeitsskale in x-Richtung U = Uδ : Geschwindigkeit am Grenzschichtrand in x-Richtung,
Langenskale in x-Richtung l (z.B. Sehnenlange eines Profiles),
ρ : Dichte des Fluides (hier ρ = const angenommen),
Langenskale in y-Richtung δ(x) : Grenzschichtdicke mit u(δ) = Uδ.
Mit diesen Skalen kann man in den Navier-Stokes-Gleichgungen auftretende Geschwindigkeitsgradienten
folgendermaßen abschatzen. Betrachten wir zunachst den reibungsfreien Fall, in dem sich keine Grenzschicht
ausbildet. Dann ist die Langenskale in y-Richtung nicht δ wie im reibungsbehafteten Fall, sondern die gleiche
Langenskale wie in x-Richtung, namlich l. Also kann man ∂u/∂y abschatzen durch
∂u
∂y∼ U
l.
In der reibungsbehafteten Stromung kann aber ∂u/∂y abgeschatz werden durch eine finite Differenz zwischen
den Werten am Grenzschichtrand und an der Wand
∂u
∂y∼ Uδ − 0
δ − 0=U
δ.
Da δ l wird ∂u/∂y in einer reibungsfreien Betrachtung viel zu klein abgeschatzt, d.h. die reibungsfreie
Theorie versagt und kann Grenzschichtphanomene nicht beschreiben.
3 Grenzschichten 55
Die Geschwindigkeitsskalen einer Grenzschicht in x-Richtung haben wir mit U = Uδ ermittelt. Was ist nun
die Geschwindigkeitsskale in y-Richtung ? Mit den beiden Geschwindigkeitsskalen konnte man dann folgende
Abschatzung machen:
u = O(U) , v = O(V ) .
Hierin bezeichnet O das sogenannte Landau-Symbol (siehe Anhang A).
Die Geschwindigkeitsskalen V gewinnt man aus einer Analyse der stationaren, inkompressiblen Konti-
nuitatsgleichung
∂u
∂x+∂v
∂y= 0
als
V ∼ δ
lU . (3.1)
Betrachten wir die stationare Impulgleichung in y-Richtung
u∂v
∂x+ v
∂v
∂y= −1
ρ
∂p
∂y+ ν
∂2v
∂x2+ ν
∂2v
∂y2,
dann stellen wir durch Analyse der Großenabschatzungen fur die einzelnen Terme im Grenzfall Re → ∞fest, daß alle Terme bis auf den Druckgradienten verschwinden. Some wird die reduziert Impulsgleichung in
y-Richtung fur Grenzschichten reduziert zu
∂p
∂y= 0 . (3.2)
Als Folge ist der Druck p konstant in y uber die Grenzschicht hinweg und nur von x abhangig. Daher ist p(x)
ist gegeben durch den Druck in der Außenstromung und die resultierenden Druckkrafte auf einen umstromten
(schlanken) Korper mit ausgebildeter und anliegender Grenzschicht (siehe hierzu auch Abschnitt 3.1) sind
alleine das Ergebnis der reibungsfreien Außenstromung. Diese Tatsache macht man sich bei Windkanaltests
zunutze: der Auftrieb als Druckresultierende (bzw. auch der induzierte Widerstand) sind bei anliegender
Stromung bei hohen Reynoldszahlen naherungsweise unabhangig von der Reynoldszahl. Dies gilt nicht fur
den Widerstand (insbesondere den Reibungswiderstand).
Die Großenabschatzung fur die Terme der stationaren x-Impulsgleichung liefert:
u∂u∂x +v ∂u∂y = − 1ρdpdx +ν ∂
2u∂x2 +ν ∂
2u∂y2
↓ ↓ ↓ ↓ ↓O[U2
l
]O[δlU
Uδ
]O[
1ρρU2
l
]O[ν Ul2]O[ν Uδ2]
↓ ↓ ↓ ↓ ↓O[1] O[1] O[1] O
[1Re
]O[l2
δ21Re
]Was passiert mit nun l2
δ21Re fur Re→∞ ? Hierzu macht man eine Fallunterscheidung:
1. : δ2
l2 → 0 langsamer als 1Re ⇒. Dann ist
O[l2
δ2
1
Re
]= O
[1
Re
].
Dieser Fall wurde bedeuten, daß fur große Re der Grenzfall der reibungsfreien Stromung ohne Grenz-
schicht vorliegt. Dann kann die Haftbedingung an der Wand aber nicht erfullt werden, und somit ist
der Fall physikalisch unsinnig.
56 3 Grenzschichten
2. : δ2
l2 → 0 schneller als 1Re . in diesem Fall multipliziert obige Abschatzung mit δ2
l2 Re. Fur große Re
verschwinden dann alle Terme bis auf ν ∂2u∂y2 . Als Resultat ware also u(y) = const. · y. Dies ist eine
spezielle Losung die im allgemeinen nicht vorliegt und daher ebenfalls zu einem physikalisch unsinnigen
Ergebnis fuhrt.
3. : δ2
l2 → 0 so schnell wie 1Re . In diesem Fall folgt also
δ
l∼√
1
Re=
√ν
U∞l(3.3)
und somit
O[l2
δ2
1
Re
]= O[1]
Die fur eine Grenzschicht vereinfachten Impulsgleichungen stellen zusammen mit der Kontinuitatsgleichung
die Grenzschichtgleichungen dar:
∂u
∂x+∂v
∂y= 0 , (3.4a)
u∂u
∂x+ v
∂u
∂y= −1
ρ
dp
dx+ ν
∂2u
∂y2, (3.4b)
Die Losung dieser Gleichungen kann mit den folgenden Randbedingungen (im allgemeinen numerisch) be-
rechnet werden. An der Wand gilt die Haftbedingung
u(x, y = 0) = 0 , (3.4c)
v(x, y = 0) = 0 . (3.4d)
Am Einstromrand gilt die Einstromrandbedingung
u(x = x0, y) = u0(y) . (3.4e)
Am außeren Rand bei großen y gilt die Außenrandbedingung
u(x, y →∞) = U∞ , (3.4f)
die in der numerische Behanldung meist bei einem festen y, daß ausreichend groß gewahlt wird, aufge-
pragt wird. Man beachte daß die Grenzschichtgleichung vom parabolischen Typ in x sind. Eine zusatzliche
Randbedingung in x, stromab vom Einstromrand, darf daher nicht aufgepragt werden.
Im Sinne der gekoppelten Potentialstromungs-Grenzschicht-Verfahren ware es sinnvoll, die Außenrandbe-
dingung durch die vom potentialtheoreitschen Verfahren gelieferte Wandgeschwindigkeit uν=0(x, y = 0)
auszudrucken. Hierzu macht man die wandnormale Koordinate zunachst auf einmal in der reibungsfrei-
en Betrachtung und dann in der reibungsbehafteten Betrachtung dimensionslos. Man erhalt also y = y/l
bzw. y∗ = y/δ als dimensionslose Wandabstande. Mit (3.3) kann man y∗ = y√Re/l =
√Rey schreiben,
repsektive y = y∗/√Re. Wahlt man nun in der reibungsbehafteten Beschreibung einen dimensionslosen
Wandabstand y∗ fest und betrachtet wie sich der zugehorige Wandabstand y bei wachsendem Re verhalt ,
3 Grenzschichten 57
stellt man fest, daß y → 0. D.h. insbesondere y∗ = 1, d.h. der Grenzschichtrand, stimmt in der reibungs-
freien Betrachtung im Grenzfall großer Reynoldszahlen mit der Position der Wand in y = 0 uberein. Daher
konnen wir alternativ zu (3.4f) auch vorschreiben, daß
u(x, y = δ) = uν=0(x, y = 0) . (3.4g)
Weiterhin kann man der Druck vollends eliminieren, indem man ausnutzt, daß in der Außenstromung die
Bernoulli-Gleichung gilt, und man erhalt folgenden Zusammenhang zwischen p(x) und Uδ(x) :
−1
ρ
dp
dx= Uδ
dUδdx
. (3.5)
Alternativ zu (3.4b) erhalt man dann:
u∂u
∂x+ v
∂u
∂y= Uδ
dUδdx
+ ν∂2u
∂y2. (3.6)
3.1.1 Blasius Grenzschicht
Ein wichtiger Spezialfall ist die Grenzschicht an einer ebene Platte mit dp/dx = 0. In diesem Fall gelten
folgende Randbedingungen:
u(x ≥ 0, y →∞) = Uδ(x) = U∞ , (3.7a)
u(x > 0, y = 0) = 0 , (3.7b)
v(x > 0, y = 0) = 0 . (3.7c)
Die Einstromrandbedingung ist:
u(x = 0, y > 0) = U∞ . (3.7d)
Die Grenzschichtgleichungen vereinfachen sich zu
∂u
∂x+∂v
∂y= 0 , (3.7e)
u∂u
∂x+ v
∂u
∂y= ν
∂2u
∂y2. (3.7f)
Die Losung dieser Gleichungen wurde in allgemeiner Form von Blasius 1908 ermittelt. Hierzu machte Blasius
einen Ahnlichkeitsansatz , der erlaubte die beiden unabhangigen Variablen x und y auf eine unabhangige
Variable η zuruckzufuhren. Die physikalische Begrundung fur den Ahnlichkeitsansatz ist wie folgt. Zunachst
macht man x und y mit den jeweiligen Langenskalen dimensionslos:
x∗ = x/l , y∗ =y
δ=
y√νlU∞
.
Da wegen des parabolischen Charakters der Grundgleichungen die Grenzschicht an einer Stelle x unbeeinfluß
von der Langenskale l sein sollte, muß diese Langenskale eliminierbar sein. Eine Kombination von x∗ und y∗
so, daß die Langenskale l herausfallt, liefert die Ahnlichkeitsvariable
η =y∗√x∗
=y√
νx/U∞. (3.8)
58 3 Grenzschichten
Entsprechend entdimensionalisiert man die x-Geschwindigkeit und die Stromfunktion:
u∗ =u
U∞,
f(η) =ψ√νxU∞
. (3.9)
Druckt man die dimensionslosen Geschwindigkeiten durch die Stromfunkion aus, so erhalt man
u∗ = f ′(η) , (3.10a)
v∗ =v√
νU∞/x=
1
2(ηf ′ − f) . (3.10b)
Eingesetzt in die Grenzschichtgleichgungen liefern diese Ausdrucke folgende gewohnliche Differentialglei-
chung fur f(η):
f ′′′ +1
2ff ′′ = 0 . (3.11a)
Diese Differentialgleichung wird erganzt durch folgende Randbedingungen:
u(x, y = 0) = 0⇒ f ′(η = 0) = 0 , (3.11b)
v(x, y = 0) = 0⇒ f(η = 0) = 0 , (3.11c)
u(x, y →∞) = U∞ ⇒ f ′(η →∞) = 1 , (3.11d)
u(x = 0, y) = U∞ ⇒ f ′(η →∞) = 1 . (3.11e)
Diese Differentialgleichung stellt ein nichtlineares gewohnliches Randwertproblem dar, das nicht mehr ge-
schlossen gelost werden kann. Die Losung wird numerisch, meist durch ein sogenanntes Schießverfahren,
bestimmt und liefert als Ergebnis die sogenannte Blasius-Grenzschicht .
Anstelle der Grenzschichtdicke δ verwendet man in der Praxis oft die sogenannte 99%-Grenzschichtdicke ,
deren allgemeine Definition lautet
δ99 = y(u = 0.99U∞) . (3.12)
Fur die Blasius Grenzschicht ist die Verwendung dieser Definition der Grenzschichtdicke angebracht, da
u(y = δ) = U∞ nur asymptotisch fur y →∞ erreicht wird.
Fur Blasius Grenzschicht ermittelt man aus der Losung der obigen Differentialgleichung folgende Abhangigkeit
von der sogenannten Lauflangen-Reynoldszahl Rex = Ux/ν, wobei x die von der Plattenvorderkante ge-
messene”Lauflange“der Grenzschicht ist:
δ99
x=
4.9√Rex
, (3.13)
mit
Rex =U∞x
ν.
Typische Werte fur (3.13)sind z.B. fur Wasser mit U∞ = 1m/s, bei einer Lauflange von 1m, Rex ' 67000
und δ99 ' 0.019 m.
3 Grenzschichten 59
Die allgemeine Definition des sogenannten Reibungsbeiwertes ist
Cf =τWρ2U
2∞, (3.14)
wobei die Wandschubspannung
τW = ρν∂u
∂y
∣∣∣∣y=0
(3.15)
verwendet wird.
Fur die Blasius Grenzschicht verhalt sich Cf (x) gemaß
Cf =0.664√Rex
. (3.16)
Die allgemeine Defintion des Widerstandsbeiwertes pro Einheitsbreite ist
Cw =1
l
l∫0
Cfdx . (3.17)
Fur die Blasius Grenzschicht ist
Cw =1.328√Rex
. (3.18)
Man kann auch die Vertikalgeschwindigkeit in Abhangigkeit von x angeben als
v
U∞=
1
2
1√Rex
(ηf ′ − f) , (3.19)
Man stellt fest, daß v fur y →∞ einen endlichen Wert annimmt
v
U∞' 0.861
1√Rex
, (3.20)
was in der physikalischen Realitat nur bedingt sinnvoll ist, da man erwartet, daß in großer Entfernung von
der Grenzschicht der Verdrangungseffekt der Grenzschicht verschwindet. Dieser Widerspruch illustriert die
Gultigkeitsgrenzen der Grenzschichtbeschreibung.
Ein besser definiertes Langenmaß fur die Grenzschicht als die Grenzschichtdicke ist die Verdrangungsdicke ,
deren allgemeine Definition lautet :
δ1 =
∞∫0
(1− u
Uδ
)dy . (3.21)
Beachte hierbei, daß fur den Fall, daß u(y) in y = δ u(y = δ) = Uδ annimmt, u(y) = Uδ fur y > δ
fortgesetzt wird. In diesem Fall kann man die Verdrangungsdicke auch wie folgt definieren
δ1 =
δ∫0
(1− u
Uδ
)dy
Gemaß der folgenden Skizze gibt die Verdrangungsdicke also an, um wieviel die Korperkontur aufgedickt
werden muß um bei einer reibungsfreien Beschreibung den gleichen Massenstrom zu erzielen:
60 3 Grenzschichten
δ1
Man erkennt anhand der Definition, daß die Verdrangungsdicke auch fur den Fall, daß die Außenstromungsgeschwindigkeit
nur im Grenzfall y →∞ erreicht wird, beschrankt bleibt. Fur die Blasius Grenzschicht ist mit Uδ = U∞
δ1 = 1.72
√νx
U∞. (3.22a)
Die im nachsten Abschnitt definierte Imulsverlustdicke berechnet man fur die Blasius Grenzschicht als
δ2 = 0.664
√νx
U∞. (3.22b)
3.1.2 Von Karman Impulsintegral
Die sogenannte Impulsverlustdicke ergibt sich, wenn man die oben angestellte Uberlegung fur die Ver-
drangungsdicke auf den Impuls ubertragt:
δ2 =
∞∫0
u
Uδ
(1− u
Uδ
)dy . (3.23)
Beachte, daß hier ebenfalls wie bei der Verdrangungsdicke u(y) = Uδ fur y > δ gilt, falls u(y = δ) = Uδ.
Also kann man obige Gleichung in diesem Fall ersetzten durch
δ2 =
δ∫0
u
Uδ
(1− u
Uδ
)dy
Da die Wirkung der Grenzschicht bei großen Wandabstanden nicht mehr spurbar sein soll mussen die Ablei-
tungen ∂u∂y , ∂
2u∂y2 , . . . fur y →∞ verschwinden. Durch Integration der Grenzschichtgleichungen uber y erhalt
man dann∞∫
0
(u∂u
∂x+ v
∂u
∂y
)dy =
∞∫0
uδduδdx
dy +
∞∫0
µ
ρ
∂2u
∂y2dy
⇒∞∫
0
(u∂u
∂x− uδ
duδdx
+ v∂u
∂y
)dy =
µ
ρ
∂u
∂y
∣∣∣∣∞0
= −τwρ
(∗) .
Aus der Kontinuitatsgleichung folgt
v =
y∫0
∂v
∂ydy = −
y∫0
∂u
∂xdy ,
3 Grenzschichten 61
da v(y = 0) = 0.
⇒∞∫
0
v∂u
∂ydy = −
∞∫0
y∫0
∂u
∂xdy
∂u
∂ydy
= −y∫
0
∂u
∂xdyu
∣∣∣∣∣∣∞
0
+
∞∫0
∂u
∂xudy
= −∞∫
0
∂u
∂xdyuδ +
∞∫0
u∂u
∂xdy .
Dies eingesetzt in (∗) gibt
∞∫0
(u∂u
∂x− uδ
duδdx− uδ
∂u
∂x+ u
∂u
∂x
)dy = −τw
ρ
⇒∞∫
0
u∂(uδ − u)
∂xdy +
∞∫0
(uδ − u)∂u
∂xdy +
∞∫0
(uδ − u)duδdx
dy =τwρ
⇒ d
dx
∞∫0
u (uδ − u) dy +duδdx
∞∫0
(uδ − u) dy =τwρ
⇒ d
dx
u2δ
∞∫0
u
uδ
(1− u
uδ
)dy
+duδdx
uδ
∞∫0
(1− u
uδ
)dy =
1
2
τwρ2
.
Fur eine Parallelstromung uδ(x) im Außenbereich erhalt man dann nach Division beider Seiten mit u2δ
dδ2dx
+1
uδ
duδdx
(δ1 + 2δ2) =1
2Cf . (3.24)
Dies ist die integrale Impulsgleichung fur Grenzschichten an ebenen Platten nach von Karman und Pohlhau-
sen (1921).
3.1.3 Pohlhausen Grenzschicht
Die Grenzschichtlosung nach Pohlhausen beruht auf einer naherungsweisen Losung der integralen Impuls-
gleichung. Mit einem Polynomansatz fur u(y) gemaß
u∗ = a+ by∗ + cy∗2 + dy∗3 ,
wobei y∗ = y/δ(x), laßt sich eine Losung von (3.24) konstruieren:
u∗ =3
2y∗ − 1
2y∗3 .
Bestimmt man mit fur diese Losung die Verdrangungs- und die Impulsverlustdicke, so erhalt man
δ1 =3
8δ , (3.25a)
δ2 =117
840δ . (3.25b)
62 3 Grenzschichten
Fr die Grenzschichtdicke erhalt man dann
δ(x) = 4.64
√νx
U∞. (3.26)
3.1.4 Falkner-Skan-Grenzschicht
Zur Behandlung von Grenzschichten mit Druckgradienten dp/dx 6= 0 wird der Blasius’sche Ansatz fur die
Ahnlichkeitsvariable auf eine x-abhangige Geschwindigkeit Uδ(x) erweitert, also lautet die x-Geschwindigkeit
ausgedruckt durch die dimensionslose Stromfunktion f(η)
u
Uδ(x)= f ′(η) .
Mit einem Potenzansatz fur Uδ(x)
Uδ(x) = Cxm (3.27)
werden die fur die Blasius-Grenzschicht erhaltenen Ergebnisse modifiziert. Fur die Grenzschichtdicke erhalt
man folgende Proportionalitat :
δ(x) ∼√
νx
Uδ(x)=√νCxm−1 . (3.28)
Die Stromfunktion lautet nun
ψ =√Cν x
m+12 f(η) . (3.29)
Setzt man dies in (3.6) ein, so folgt:
f ′′′(η) +m+ 1
2f(η)f ′′(η) +m
(1 + f ′2(η)
)= 0 (3.30)
mit f(0) = f ′(0) = 0, f ′(∞) = 1.
Durch einen Vergleich mit den elementaren Potentialstromungen des letzten Kapitels stellt man fest, daß
die Außenstromung eine Keilstromung mit dem Halboffnungswinkel
β = πm
m+ 1(3.31)
ist.
Folgende wichtige Spezialfalle kann man unterscheiden:
1. m = 0 : Blasius Grenzschicht;
2. 0 < m < 1 : Keilstromung;
3. m = 1 : Staupunktstromung;
4. 1 < m < 2 : Stromung in eine Ecke;
5. m = −0.0905 : Stromung um eine Kante mit β = 18, Stromungsablosung.
3 Grenzschichten 63
3.2 Stromungsablosung
Als Stromungsablosung bezeichnet man den Zustand einer Stromung die nicht in der Lage ist der Wandkon-
tur zu folgen. Eine abgeloste Stromung wird durch ein Ruckstromungsgebiet in Wandnahe gekennzeichnet,
in dem die Stromung sich entgegengesetzt zur Anstromungsrichtung bewegt. Das Zustandekommen einer
Stromungsablosung kann folgendermaßen erklart werden. Wie wir bereits gesehen haben, wird der Druck
in einer Grenzschicht von der reibungsfreien Aussenstromung aufgepragt. Da ∂p/∂y = 0 wirkt der Druck
gleichermaßen auf alle Fluidelemente in der Grenzschicht, unabhangig vom Wandabstand y. Tritt nun z.B.
wegen einer Verzogerung der Außenstromung ein Druckgradient dp/dx > 0 auf, so kann die Druckresultie-
rende in x-Richtung (die ja unabhangig von y sein muß) Fluidelement mit relativ kleinem Impuls, d.h. solche
in Wandnahe, stoppen oder sogar deren Bewegungsrichtung umkehren.
Die x-Impulsgleichung an der Wand lautet
1
ρ
dp
dx= ν
∂2u
∂y2
∣∣∣∣y=0
. (3.32)
Unterscheiden wir nun die verschiedenen moglichen Eigenschaften der Außenstromung :
1. Beschleunigte Grenzschicht:
dp
dx< 0 ,
∂2u
∂y2
∣∣∣∣y=0
< 0 , τW > 0 .
y
u(y)
2. Unbeschleunigte Grenzschicht:
dp
dx= 0 ,
∂2u
∂y2
∣∣∣∣y=0
= 0 , τW > 0 .
3. Verzogerte Grenzschicht
dp
dx> 0 ,
∂2u
∂y2
∣∣∣∣y=0
> 0 ,
τW > 0︸ ︷︷ ︸anliegende Stromung
, τW = 0︸ ︷︷ ︸Ablosepunkt
, τW < 0︸ ︷︷ ︸abgeloste Stromung
.
64 3 Grenzschichten
y
u(y)
3.3 Zusammenbruch der laminaren Stromung
In der Vorlesung Stromungslehre I wurde er Unterschied zwischen einer laminaren und einer turbulenten
Stromung erklart. Die oben dargestellten Ergebnisse fur Grenzschichten gelten nur fur laminare Grenzschich-
ten. Zur Beschreibung turbulenter Grenzschichten mussen die aufgefuhrten stationaren Grenzschichtgleichungen
um Reynoldsspannungsterme bzw. geeignete Turbulenzmodelle erweitert werden. An dieser Stelle soll be-
merkt werden, daß die Navier-Stokes-Gleichungen eine turbulente Stromung beschreiben, jedoch die oben
gemachten Vereinfachungen zur Herleitungen der Grenzschichtgleichungen im turbulenten Fall nur fur die
Reynolds-gemittelten Gleichungen gleichermaßen gelten. Diese enthalten aber bekanntlich Reynoldsspan-
nungen.
Eine laminare Grenzschicht wird mit zunehmender Lauflange nicht abrupt turbulent sondern der Ubergang
von der regularen, geschichteten laminaren Stromung zur irregularen, chaotischen turbulenten Stromung
vollzieht sich uber einen kurzen Bereich hinweg. Den Ubergang vom laminaren in den turbulenten Zu-
stand nennt man Transition . Grund fur die Transition ist, daß die Grenzschicht ab einer bestimmten
Lauflangenreynoldszahl instabil gegen kleine Strorungen wird. Diese kleine Strorungen wachsen zunachst
exponentiell mit x an, bis sie so groß geworden sind, daß sie ihrerseits miteinander wechselwirken. Ab diesem
Punkt werden kaskadenartig immer kleinere Stromungsskalen erzeugt, bis sich schließlich die in der Vorle-
sung Stromungslehre I angesprochene turbulente Energiekaskade ausgebildet hat. Damit ist die Transition
vollzogen. In folgender Skizze ist dieser Ablauf schematisch dargestellt:
°°
x0
x
y
δ(x)
xcr
I IV V VIII III
U
3 Grenzschichten 65
Man unterscheidet verschiedene Bereiche:
I Vorderkante: Grenzschichtgleichungen ungultig;
II Grenzschichtgleichungen gultig;
III Ahnlichkeitslosung gultig;
IV Anfachung kleiner Storungen, Recr ' 106 fur ebene Platte;
V Transition;
VI Turbulenz.
Der Verlauf des Widerstandsbeiwertes uber x ist im laminaren Bereich stark verschieden vom turbulenten
Bereich. Bei gleicher Reynoldszahl ist der laminare Widerstandsbeiwert kleiner als der turbulente Wider-
standsbeiewert. Je nach Umgebungsbedingung findet die Transition an einer ebenen Platte bei Reynolds-
zahlen zwischen 3 · 105 ≤ Recr ≤ 3 · 106 statt. Im Transitionsbereich geht der Cw(l) Verlauf vom laminaren
auf den turbulenten Ast uber
0.001
0.002
0.003
0.004
0.005
0.006
0.007
1e+06 1e+07 1e+08 1e+09 1e+10
Rel
Cw(l)
Fur den laminaren Bereich gilt fur die ebene Platte die Blasius Losung (3.18) fur den Widerstandsbeiwert
Cw =1.328√Rel
.
Fur den transitionellen Bereich ist von Schlichting eine empirische Formel angegeben worden als
Cw '0.455
(log10Rel)2.58− 3300
Rel︸ ︷︷ ︸Zahlenwert fur Recr = 106
(3.33)
Ebenfalls von Schlichting ist eine empirische, aus experimentellen Meßdaten bestimmte Formel fur den
turbulenten Bereich bestimmt worden als
Cw '0.455
(log10Rel)2.58
. (3.34)
66 3 Grenzschichten
3.4 Numerische Berechnung allgemeiner zweidimensionaler Grenz-
schichten
Abschließend soll in diesem Kapitel noch ein einfaches Verfahren zur numerischen Losung der Grenzschicht-
gleichungen (3.4) resp. (3.6) besprochen werden. Nach einer Entdimensionalisierung durch
x
L x ,
y
l
√Rel y , Rel =
U∞l
ν,
u
U∞ u ,
v
U∞
√Rel v
uδU∞ uδ
erhalt mand die dimensionslosen Grenschichtgleichungen:
∂u
∂x+∂v
∂y= 0 , (3.35a)
u∂u
∂x+ v
∂u
∂y= uδ
duδdx
+∂2u
∂y2. (3.35b)
Diese Gleichungen konnen mit einem Finite-Differenzen-Verfahren diskretisiert werden. Man fuhrt ein Re-
chengitter mit Knotenpunkten, wie in folgender Skizze angedeutet, ein:
y
x
y
y
y x
x x x xx0
j−1
j
j+1
i−2 i−1 i i+1
Die Gitterweiten sind in x konstant, aber in y Richtung an die zunehmende Grenzschichtdicke angepaßt:
∆x = xi − xi−1 = const , ∆y = yj − yj−1 6= const , ry =yj+1 − yjyj − yj−1
.
Die in dem dimensionslosen Grenzschichtgleichungen auftretenden Ableitungen konnen mittels finiter Diffe-
renzen wie folgt diskretisiert werden:
∂u
∂x=
32ui+1,j − 2ui,j + 1
2ui−1,j
∆x+O(∆x2) ,
∂u
∂y=
(ui+1,j − ui+1,j−1)ry + (ui+1,j+1 − ui+1,j)/ry(1 + ry)∆y
+O(∆y2) ,
∂2u
∂y2=
2(ui+1,j−1 − (ry + 1) ui+1,j/ry + ui+1,j+1/ry)
(1 + ry)∆y2+O(∆y2) .
Setzt man dies in (3.35) ein, so erhalt man ein lineares Gleichungssystem fur die x-Geschwindigkeit in den
Gitterknoten:
ajui+1,j−1 + bjui+1,j + cjui+1,j+1 = dj (3.36a)
3 Grenzschichten 67
mit
s = (2vi,j − vi−1,j)∆x
(1 + ry)∆y, (3.36b)
q =2∆x
(1 + ry)∆y2, (3.36c)
aj = −rys− q (3.36d)
bj =3
2(2ui,j − ui−1,j) +
ry − 1
rys+
ry + 1
ryq (3.36e)
cj =s
ry− q
ry(3.36f)
dj = ∆x uδduδdx
+ (2ui,j − ui−1,j/2)(2ui,j − ui−1,j) . (3.36g)
Ebenso erhalt man folgendes lineares Gleichungssystem fur die y-Geschwindigkeit in den Gitterknoten:
vi+1,j = vi+1,j−1−∆y
2∆x
((3
2ui+1,j − 2ui,j +
1
2ui−1,j) + (3ui+1,j−1 − 2ui,j−1 + ui−1,j−1/2)
). (3.36h)
Diese Gleichungssysteme werden Schritt fur Schritt von i → i + 1 gelost. In den Punkten j = 1 und
j = jmax werden die Haftbedingung bzw. die Außenstromungsbedingung vorgegeben. In x0 gibt man eine
moglichst gute Naherungslosung, z.B. eine Ahnlichkeitslosung vor. Ein Fortran-Programm ist im Anhang B
aufgelistet.
68 3 Grenzschichten
Anhang A
Mathematischer Anhang
70 A Mathematischer Anhang
A.1 Einsteinsche Summations-Konvention
Komponenten der Vektoren werden mit Indizes geschrieben, wobei gilt, daß wenn ein Index in einem Ausdruck
zweimal vorkommt uber diesen summiert werden muss:
uii = u11 + u22 + u33 .
Beispiele:
• Vektorprodukt:
u× v = εijkujvk
wobei ε die folgenden Eigenschaften hat
εijk =
1 falls ijk = 123, 231 oder 312
0 falls zwei Indizes identisch sind
−1 falls ijk = 321, 213 oder 132
• δii = 3, wobei gilt
δij =
1 falls i = j
0 falls i 6= j
• Transponierte CT einer Matrix C: CTij = Cji.
Falls Cij = Cji gilt, heisst die Matrix symetrisch.
A.2 Abschatzungen
In einem Ausdruck f(x, y) = O(g) bezeichnet O das sogenannte Landau-Symbol . Das Symbol bedeutet,
daß
|f(x, y)| ≤ const g(x, y)
fur alle (x, y).
A Mathematischer Anhang 71
A.3 Vektoranalysis
Differential-Vektoroperator
Kartesische Koordinaten:
∇ =
∂∂x∂∂y∂∂z
x,y,z
=
∂∂x1
∂∂x2
∂∂x3
x1,x2,x3
Zylinderkoordinaten:
∇ =
∂∂r
1r∂∂θ∂∂x
r,θ,x
Kugelkoordinaten:
∇ =
∂∂r
1r∂∂θ
1r sin θ
∂∂ϕ
r,θ,ϕ
Divergenz
div u ≡ ∇ · u
In kartesischen Koordinaten (x, y, z)
∇ · u =∂u1
∂x1+∂u2
∂x2+∂u3
∂x3
In Zylinderkoordinaten (r, θ, x)
∇ · u =1
r
∂
∂r(rur) +
1
r
∂uθ∂θ
+∂ux∂x
In Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ)
∇ · u =1
r2
∂
∂r(r2ur) +
1
r sin θ
∂uθ sin θ
∂θ+
1
r sin θ
∂uθ∂θ
Gradient
grad f ≡ ∇ f
In kartesischen Koordinaten (x, y, z)
∇ f =
∂f∂x1
∂f∂x2
∂f∂x3
72 A Mathematischer Anhang
In Zylinderkoordinaten (r, θ, x)
∇ f =
∂f∂r
1r∂f∂θ∂f∂x
In Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ)
∇ f =
∂f∂r
1r∂f∂θ
1r sin θ
∂f∂ϕ
Rotation
rot u ≡ ∇× u
In kartesischen Koordinaten (x, y, z)
∇× u =
∂u3
∂x2− ∂u2
∂x3
∂u1
∂x3− ∂u3
∂x1
∂u2
∂x1− ∂u1
∂x2
In Zylinderkoordinaten (r, θ, x)
∇× u =
1r∂ux∂θ −
∂uθ∂x
∂ur∂x −
∂ux∂r
1r
[∂(ruθ)∂r − ∂ur
∂θ
]
In Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ)
∇× u =
1
r sin θ∂uϕ sin θ
∂θ − ∂uθ∂ϕ
1r sin θ
∂ur∂ϕ −
1r∂ruϕ∂r
1r
[∂(ruθ)∂r − ∂ur
∂θ
]
Vektoridentitaten:
1. ∇(α+ β) = ∇α+∇β
2. ∇(cα) = c∇α, mit c = const
3. ∇(αβ) = α∇β + β∇α
4. ∇(αβ
)= β∇α−α∇β
β2
5. ∇ · (a+ b) = ∇ · a+∇ · b
6. ∇× (a+ b) = ∇× a+∇× b
7. ∇(a · b) = (a · ∇)b+ (b · ∇)a+ a×∇× b+ b×∇× a
A Mathematischer Anhang 73
8. ∇ · (αa) = α∇ · a+ a · ∇α
9. ∇ · (a× b) = b · ∇ × a− a · ∇ × b
10. ∇ · ∇ × a = 0
11. ∇× (αa) = α∇× a+∇α× a
12. ∇× (a× b) = a∇ · b− b∇ · a+ (b · ∇)a− (a · ∇)b
13. ∇×∇× a = ∇∇ · a−∆a
14. ∇×∇α = 0
15. ∇(a · a) = 2(a · ∇)a+ 2a× (∇× a)
16. ∆(αβ) = α∆β + β∆α+ 2∇α · ∇β
17. ∇ · (∇α×∇β) = 0
18. ∇ · (α∇β − β∇α) = α∆β − β∆α
19. g · (a× b) = b · (g × a) = a · (b× g)
20. g · ((a×∇)× b) = ((g · ∇)b) · a− (g · a)(∇ · b)
21. a× (b× g) = (a · g) · b− g(a · b)
Satz von Gauß
∫V
div u dV =
∫S
u · n dS
Satz von Stokes
∫∫S
rot u · n dS =
∮K
u dl
74 A Mathematischer Anhang
A.4 Navier-Stokes-Gleichungen in Komponentenschreibweise
In kartesischen Koordinaten (x1, x2, x3)
(x1) : ρ
(∂u1
∂t+ u1
∂u1
∂x1+ u2
∂u1
∂x2+ u3
∂u1
∂x3
)= − ∂p
∂x1+ µ
[∂2u1
∂x21
+∂2u1
∂x22
+∂2u1
∂x23
]+ ρf1
(x2) : ρ
(∂u2
∂t+ u1
∂u2
∂x1+ u2
∂u2
∂x2+ u3
∂u2
∂x3
)= − ∂p
∂x2+ µ
[∂2u2
∂x21
+∂2u2
∂x22
+∂2u2
∂x23
]+ ρf2
(x3) : ρ
(∂u3
∂t+ u1
∂u3
∂x1+ u2
∂u3
∂x2+ u3
∂u3
∂x3
)= − ∂p
∂x3+ µ
[∂2u3
∂x21
+∂2u3
∂x22
+∂2u3
∂x23
]+ ρf3
In Zylinderkoordinaten (r, θ, x)
(r) : ρ
[∂ur∂t
+ ur∂ur∂r
+uθr
∂ur∂θ− u2
θ
r+ ux
∂ur∂x
]=
−∂p∂r
+ µ
[∂
∂r
(1
r
∂(rur)
∂r
)+
1
r2
∂2ur∂θ2
− 2
r2
∂uθ∂θ
+∂2ur∂x2
]+ ρfr
(θ) : ρ
[∂uθ∂t
+ ur∂uθ∂r
+uθr
∂uθ∂θ
+uθurr
+ ux∂uθ∂x
]=
−1
r
∂p
∂θ+ µ
[∂
∂r
(1
r
∂(ruθ)
∂r
)+
1
r2
∂2uθ∂θ2
+2
r2
∂ur∂θ
+∂2uθ∂x2
]+ ρfθ
(x) : ρ
[∂ux∂t
+ ur∂ux∂r
+uθr
∂ux∂θ
+ ux∂ux∂x
]=
−∂p∂x
+ µ
[1
r
∂
∂r
(r∂ux∂r
)+
1
r2
∂2ux∂θ2
+∂2ux∂x2
]+ ρfx
In Kugelkoordinaten (r, φ, θ)
(r) : ρ
[∂ur∂t
+ ur∂ur∂r
+uφr
∂ur∂φ− uθr sinφ
∂ur∂θ−u2φ + u2
θ
r
]=
−∂p∂r
+ µ
[∂
∂r
(1
r2
∂
∂r(r2ur)
)+
1
r2 sinφ
∂
∂φ
(sinφ
∂ur∂φ
)+
1
r2 sin2 φ
∂2ur∂θ2
− 2
r2 sinφ
∂uφ sinφ
∂φ− 2
r2 sinφ
∂uθ∂θ
]+ ρfr
(φ) : ρ
[∂uφ∂t
+ ur∂uφ∂r
+uφr
∂uφ∂φ
+uθ
r sinφ
∂uφ∂θ
+uruφr− u2
θ cot θ
r
]=
−1
r
∂p
∂φ+ µ
[1
r2
∂
∂r
(r2 ∂uφ
∂r
)+
1
r2
∂
∂φ
(1
sinφ
∂uφ sinφ
∂φ
)+
2
r2 sin2 φ
∂2uφ∂θ2
+2
r2
∂ur∂φ− 2 cotφ
r2 sinφ
∂uθ∂θ
]+ ρfφ
(θ) : ρ
[∂uθ∂t
+ ur∂uθ∂r
+uφr
∂uθ∂φ
+uθ
r sinφ
∂uθ∂θ
+uruφr− uθuφ cot θ
r
]=
− 1
r sinφ
∂p
∂θ+ µ
[1
r2
∂
∂r
(r2 ∂uθ
∂r
)+
1
r2
∂
∂φ
(1
sinφ
∂uθ sinφ
∂φ
)+
2
r2 sin2 φ
∂2uθ∂θ2
+2
r2 sinφ
∂ur∂θ− 2 cotφ
r2 sinφ
∂uφ∂θ
]+ ρfθ
76 B Grenzschichtprogramm
Anhang B
Grenzschichtprogramm
program lambl
! i mpl i c i t mar chi ng al gor i t hm t o sol ve t he boundar y−l ayer equat i ons! f or a wedge f l ow wi t h Fal kner −Skan angl e bet a=0. 5
real up( 65) , u( 41) , um( 41) , v( 41) , vm( 41) , y( 41) , r hs( 65) , & b( 5, 65) , ubx( 41) , ub( 24) , vb( 24) , yz( 24)
data ub/ 0. 0000, 0. 0903, 0. 1756, 0. 2559, 0. 3311, 0. 4015, 0. 4669, & 0. 5275, 0. 5833, 0. 6344, 0. 6811, 0. 7614, 0. 8258, 0. 8761, & 0. 9142, 0. 9422, 0. 9623, 0. 9853, 0. 9972, 0. 9995, 1. 0000, & 1. 0000, 1. 0000, 1. 0000/ data vb/ 0. 0000, 0. 0000, −0. 0003, −0. 0011, −0. 0027, −0. 0052, & −0. 0089, −0. 0142, −0. 0211, −0. 0298, −0. 0406, −0. 0688, & −0. 1065, −0. 1541, −0. 2114, −0. 2778, −0. 3521, −0. 5198, & −0. 8008, −1. 0965, −1. 3954, −1. 6954, −2. 0954, −2. 4954/ data yz/ 0. 0, 0. 1, 0. 2, 0. 3, 0. 4, 0. 5, 0. 6, 0. 7, 0. 8, 0. 9, 1. 0, & 1. 2, 1. 4, 1. 6, 1. 8, 2. 0, 2. 2, 2. 6, 3. 2, 3. 8, 4. 4, 5. 0, & 5. 8, 6. 6/
open( 81, f i l e=’ lambl.out’ , f or m=’ formatted’ ) open( 82, f i l e=’ lambl.dat’ , f or m=’ formatted’ )
! set par amet er s
j max = 21 nmax = 19 dym = 0. 4 r y = 1. 0 xst = 1. 0 bet a = 0. 5 r e = 0. 1e+6 dx = 0. 1
! par amet er out put
write ( 81, " (’ Falkner−Skan Solution, beta = ’ , f5.2)" ) bet a write ( 81, " (’ jmax = ’ ,i3,’ dym = ’ ,f5.2,’ ry = ’ ,f5.2)" ) & j max, dym, r y write ( 81, " (’ nmax = ’ ,i3,’ dx = ’ ,e10.3,’ xst = ’ ,f5.2, & ’ Re = ’ , e10.3,//)" ) nmax, dx, xst , r e
! i ni t i al i ze
y( 1) = 0. dy = dym/ r y do j = 2, j max dy = dy* r y y( j ) = y( j −1) + dy end do j map = j max−1 aj p = j map r yp = r y+1. bet p = bet a/ ( 2. −bet a) sqr e = sqrt( r e)
uest = xst * * bet p f al ks = sqrt( ( 2. −bet a) * xst / uest ) call LAG ( yz, ub, y , um, f al ks, j max) call LAG ( yz, vb, y , vm, f al ks, j max) x = xst +dx ue = x* * bet p f al k = sqrt( ( 2. −bet a) +x/ ue) call LAG ( yz, ub, y , u, f al k, j max) call LAG ( yz, vb, y , v, f al k, j max)
Okt 11, 02 17:11 Seite 1/4lambl.fGedruckt von Nikolaus Adams
Dienstag September 23, 2003 1/4
B Grenzschichtprogramm 77
! i ni t i al condi t i on f or mar chi ng
do j = 2, j max um( j ) = um( j ) * uest u( j ) = u( j ) * ue vm( j ) = vm( j ) / f al ks v( j ) = v( j ) / f al k end do ! boundar y condi t i on
up( 1) = 0. u( 1) = 0. um( 1) = 0. v( 1) = 0. vm( 1) = 0.
! mar ch downst r eam
do n = 1, nmax x = x + dx ue = x* * bet p uex = bet p* ue/ x
! wal l −nor mal
do j = 2, j map dy = y( j ) −y( j −1) j m = j −1 p = ( 2. * v( j ) −vm( j ) ) * dx/ r yp/ dy q = 2. * dx/ ( r yp* dy* dy) b( 2, j m) = −p* r y − q b( 3, j m) = 1. 5* ( 2. * u( j ) −um( j ) ) + q* r yp/ r y + & p* ( r y−1. / r y) b( 4, j m) = p/ r y − q/ r y r hs( j m) = ue* uex* dx + ( 2. * u( j ) −0. 5* um( j ) ) * & ( 2. * u( j ) −um( j ) ) end do
r hs( j m) = r hs( j m) − b( 4, j m) * ue b( 4, j m) = 0. b( 2, 1) = 0.
! sol ve t r i di agonal syst em
call BANFAC ( b, j m) call BANSOL ( r hs, up, b, j m)
! i mpose b. c.
up( j map) = ue
! obt ai n v by i nt egr at i ng cont i nui t y equat i on
dum = 0. sum = 0. 5* ( y( 2) −y( 1) ) do j = 2, j max dumh = dum vm( j ) = v( j ) dy = y( j ) −y( j −1) dum = 1. 5* up( j −1) − 2. * u( j ) + 0. 5* um( j ) v( j ) = v( j −1) − 0. 5* ( dy/ dx) * ( dum+dumh) um( j ) = u( j ) u( j ) = up( j −1) if ( j .ne. j max) & sum = sum + 0. 5* ( 1. −u( j ) / ue) * ( y( j +1) −y( j −1) )
Okt 11, 02 17:11 Seite 2/4lambl.fGedruckt von Nikolaus Adams
2/4 Dienstag September 23, 2003
78 B Grenzschichtprogramm
end do di sp = sum/ sqr e uyz = ( r yp* u( 2) − u( 3) / r yp) / r y/ ( y( 2) −y( 1) ) cf = 2. * uyz/ sqr e/ ue/ ue dum = 0. 25* x* ue* r e* ( 2. −bet a) excf = 0. 9278/ sqrt( dum) write( 81, " (’ n=’ ,i3,’ x=’ ,f4.2,’ excf=’ ,f9.6,’ cf=’ ,f9.6, & 2x,’ disp=’ ,f9.6,’ ue=’ ,f6.3)" ) & n, x , excf , cf , di sp, ue
! end mar chi ng l oop
end do
! compar e wi t h FS−si mi l ar i t y sol ut i on
f al k = sqrt( ( 2. −bet a) * x/ ue) call LAG ( yz, ub, y , ubx, f al k, j max)
sum = 0. do j = 2, j max ubx( j ) = ubx( j ) * ue sum = sum + ( u( j ) −ubx( j ) ) * * 2 write ( 82, * ) y( j ) , u( j ) , ubx( j ) end do r ms = sqrt( sum/ aj p) write ( 81, " (’ rms= ’ , e10.3)" ) r ms
stop end
subroutine LAG ( yz, qb, y, q, f al k, j max)
! Lagr ange i nt er pol at i on
real yz( 24) , yb( 24) , qb( 24) , y( 41) , q( 41)
do i = 1, 24 yb( i ) = yz( i ) * f al k end do
q( 1) = 0. do i = 2, j max do j = 1, 23 if ( y( i ) .ge. yb( j ) .and. y( i ) .lt. yb( j +1) ) then j s = j if ( j s .lt. 2) j s = 2 q( i ) = 0. do k = 1, 3 c l = 1. kk = j s−2+k do l = 1, 3 l l = j s−2+l if ( l l .ne. kk) & c l = c l * ( y( i ) − yb( l l ) ) / ( yb( kk) − yb( l l ) ) end do q( i ) = q( i ) + c l * qb( kk) end do end if end do end do return end
Okt 11, 02 17:11 Seite 3/4lambl.fGedruckt von Nikolaus Adams
Dienstag September 23, 2003 3/4
B Grenzschichtprogramm 79
subroutine BANFAC ( b, n)
! f act or i ses band mat r i x i nt o LU! real b( 5, 65) np = n−1 do j = 1, np j p = j +1 b( 2, j p) = b( 2, j p) / b( 3, j ) b( 3, j p) = b( 3, j p) − b( 2, j p) * b( 4, j ) end do
return end
subroutine BANSOL ( r , x, b, n)
! uses LU f act or i zat i on t o sol ve f or x , gi ven r real r ( 65) , x( 65) , b( 5, 65)
np = n−1 do j = 1, np j p = j +1 r ( j p) = r ( j p) − b( 2, j p) * r ( j ) end do x( n) = r ( n) / b( 3, n) do j = 1, np j a = n−j x( j a) = ( r ( j a) − b( 4, j a) * x( j a+1) ) / b( 3, j a) end do
return end
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80 B Grenzschichtprogramm
Literaturverzeichnis
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