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FOTOPRAXIS | MOTIVWORKSHOP www.colorfoto.de 60 ColorFoto 10/2011 FOTOPRAXIS | MOTIVWORKSHOP Fotos: Siegfried Layda (einige Detailbilder Werner Lüttgens)

Fotopraxis | Motivworkshop · Santa Sabina, Rom, erste Hälfte des 5. Jahrhunderts: Ein ein-heitlicher Satz antiker Säulen und Kapitelle trägt bereits Rund-bögen anstatt eines

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Page 1: Fotopraxis | Motivworkshop · Santa Sabina, Rom, erste Hälfte des 5. Jahrhunderts: Ein ein-heitlicher Satz antiker Säulen und Kapitelle trägt bereits Rund-bögen anstatt eines

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Fotos: Siegfried Layda (einige Detailbilder Werner Lüttgens)

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Göttliche Architektur

StandortfrageFriedrichswerdersche Kirche in Berlin

mit Schinkel-Museum; wurde von Schin-kel im neogotischen Stil entworfen und

zwischen 1824 und 1830 erbaut. Um stürzende Linien zu vermeiden, half ein

erhöhter Standort auf der Galerie; ein „Bohnensackstativ“ auf der Brüstung

gab der Kamera Halt (Canon EOS 5D, 24 mm, ISO 250, Blende 7,1, 1/5 s).

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Sakrale Innenräume. Kirchen und Tem-pel sind viel frequentierte Anlaufstellen von Reisenden mit der Kamera. Wie man die Architektur sakraler Räume ins beste Licht rückt, erklärt Profifotograf Siegfried Layda.

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Blick nach obenDeckengewölbe der restaurierten

Potsdamer Nikolaikirche. Die Kamera lag unter der Kuppel auf dem Boden und wurde per Fernauslöser ausge-löst. Da man dabei weder durch den

Sucher noch auf den Monitor schauen kann (und ein Fernauslöser mit Moni-

tor nicht zur Hand war), wurde der finale Bildausschnitt erst bei der Bildbear-

beitung festgelegt (Canon EOS 5D Mk II, 14 mm, ISO 100, Blende 11, 0,4 s).

Blind ausgelöstDie Kuppel des Doms zu Brescia (histori-sche Sommerkathedrale), erbaut 1604 bis 1821. Im Prinzip entstand das Bild wie das obere: Mit der Hand die Kamera auf den Boden gedrückt, als Orientierung die Bo-denplatten genutzt und „blind“ ausgelöst. Nach mehreren Versuchen passte der Aus-schnitt, leicht nachbearbeitet (Ricoh GXR, 18,3-mm-Modul, ISO 200, Blende 7,1, 1/9 s).

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Schräger BlickNochmal die Halgrimskirche, dieses Mal aber ein staunender Blick auf die mächtige Orgel, visualisiert durch stürzende Linien in Kombination mit kurzer Aufnahmeentfernung. Die Tilt-Funktion des 24-mm-Objektivs wurde eingesetzt, um größt-mögliche Schärfentiefe zu erzielen (EOS 1Ds Mk III, 24 mm TS-E, ISO 100, Blende 13, 3,2 s).

Stativ & ShiftIn der Halgrimskirche in Reykjavik konnte ich mit Stativ fotografie-ren. Ich setzte das 24-mm-Shiftobjektiv ein, um ohne stürzende Linien das Kirchengestühl an den unteren Bildrand zu rücken und das Gewölbe zu betonen. Der graue Winterhimmel sorgte für einen beherrschbaren Kontrastumfang und einen angenehmen Lichtmix (EOS 1Ds Mk III, 24 mm TS, ISO 100, Blende 13, 3,2 s).

KontrasteDiese Kirche in der Nähe des New Yorker Times Square bietet einen verblüffenden Kontrast: Dicke Mauern schirmen ab von der Umgebung, die Außenfassade lässt den prächtigen Innen-raum kaum erwarten. Durch die Deckenbemalung mit dem blau-en Sternenhimmel wirkt das Innere wie eine neugotische Raum-kapsel (EOS 5D Mk II, 17 mm TS-E, ISO 100, Blende 10, 4 s).

StativersatzIm Pantheon in Rom konnte ich kein Stativ verwenden, also lehnte ich die Kamera nach oben gerichtet gegen eine Säule. Das gewünschte Bildergebnis erforderte eine ganze Reihe von Versuchen. In diesem Fall wich ich bewusst von der Regel ab, dass man in Kirchen Symmetrisches auch symmetrisch foto-grafieren sollte (EOS 5D Mk II, 14 mm, ISO 100, Blende 10, 2,5 s).

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Selektive SchärfeKathedrale Notre Dame, Lausanne: Die fast offene Blende er-möglicht eine exakte Positionierung der Schärfe auf die vordere Stuhlreihe. Trotzdem bleibt die gotische Struktur der Kirchen-wand und damit der Ort erkennbar. Am Rechner die Sättigung der Grüntöne reduziert, damit die Pflanzen außerhalb der Schärfe-zone nicht als Farbkontrast in den Vordergrund treten (Canon EOS 550D, Zeiss Planar T 1,4/50 mm, ISO 400, Blende 2, 1/25 s).

DetailsKücük Ayasofya Camii, Istanbul: Ab 527 lässt Kaiser Justinian eine Kuppelkirche (Sergios und Bakchos) mit Umgang errichten, die um 1500 Moschee wird. Während des Gebets auf der Empore ge-wartet und dabei die Nische entdeckt. Eine leichte Überbelich-tung + ½ Blende verstärkt den surrealen Eindruck und reduziert das Rauschen in den dominanten mittleren Grautönen (Pentax K-x, Pentax SMC-DA 2,8/40 mm Limited, ISO 800, Blende 3,5, 1/125 s).

Kleines JuwelAuch kleine Kirchen bieten Sehenswertes – etwa diesen holzge-schnitzten Altar in einer Dorfkirche (Morsum) auf Sylt. Ich konnte das Stativ verwenden; Kunstlicht, Tageslicht und ein indirekter Auf-hellblitz an die Decke sorgten für die Beleuchtung. Die Glasfenster waren überbelichtet, so machte ich eine zweite Aufnahme mit knap-per Belichtung und montierte beide Aufnahmen in Photoshop (Olym-pus Pen E-P2, 12 mm/24 mm KB-äquiv., ISO 100, Blende 10, 2,5 s).

Licht und SchattenSanta Sabina, Rom, erste Hälfte des 5. Jahrhunderts: Ein ein-heitlicher Satz antiker Säulen und Kapitelle trägt bereits Rund-bögen anstatt eines Architravs. Das harte Sonnenlicht stellte das auf der Mittelachse platzierte Kapitell vor dem schwarzen Hintergrund fast frei. Zugleich verstärkten die Diagonalen den dramatischen Eindruck (Nikon D5000, Nikon AF-S 1,8/35 mm DX G, ISO 400, Blende 3,2, 1/40 s).

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KirchenfensterFarbige Kirchenfenster sind wegen der Kontraste zwischen dunklen und hellen

Gläsern eine Herausforderung. Ideal sind trübe Tage – das Licht ist dann gleich-

mäßiger, der Einfluss der blauen Himmels-färbung geringer. Wenn aber die Sonne

scheint, konzentriert man sich auf die der Sonne abgewandten Fenster. Das

schwarze Umfeld lässt die Farben strah-len (Kodak DCS Pro SLR/n, 120 mm,

ISO 160, Blende 11, 1/10 s).

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Siegfried Layda ist pro-

fessioneller Reisefotograf.

„Das größte Problemin Kirchen sind dieoft extremen Kontraste“

Innenräume von Kirchen und Tempeln ma­chen es dem Fotografen nicht leicht. Mal

sind Stative nicht erlaubt, mal ist Blitzlicht tabu. Oder es drängen immer wieder uner­wünschte Personen ins Bild. Etwas Zeit sollte

man sich also lassen, um die Situation zu prü­fen und Aufnahmemöglichkeiten auszuloten. Vor allem sind meist enorme Kontraste zu be­ wältigen: Helle Fenster und dunkle Nischen zwingen häufig zu belichtungstechnischen Kompromissen. Einen (leistungsstarken) Auf­hellblitz verwendet man in der Regel indi­rekt über die Decke des Kirchenschiffs, nur bei kleinen Kirchen reicht der direkte Aus­klappblitz der Kamera als Notlösung.

Kontraste wirksam bändigenPrinzipiell bietet sich bei extremen Kontras­ten auch die HDR­Technik an: Hochkon­trastbilder aus zwei, drei oder mehr abge­stuften Einzelbelichtungen, eine Funktion, die einige Kameras bereits an Bord haben. Mehr Eingriffsmöglichkeiten bieten aber darauf spezialisierte Programme wie etwa Photomatix, HDR Darkroom, Nik HDR Efex

HDR-AufnahmeSanta Creu i de Sant Pau in Barcelona: Hier erschien es reizvoll, mit dem geflügel-ten Löwen im Vordergrund einen Akzent zu setzen. Dazu wählte ich einen tiefen Auf-nahmestandpunkt und den vollen Verstell-bereich des 17-mm-Shiftobjektivs (EOS 5D Mk II, 17 mm Shift, ISO 100, Blende 18; 3 Aufnahmen mit 2,5 s, 0,4 s, 1/10 s; HDR-Verarbeitung mit Photoshop-Plugin Nik HDR Efex Pro bei Voreinstellung „Realis-tisch stärker”).

Pro oder Luminance HDR (Freeware). Sie stellen verschiedene Methoden der HDR­Verarbeitung (Tonemapping) bereit, die je nach Einstellung zu eher plakativen oder natürlichen Ergebnissen führen. Ich ver­wende die HDR­Technik gelegentlich selbst, meistens mit einem tendenziell natürlich wirkenden Ergebnis als Ziel. Geht es dabei vorwiegend um überstrahlte Fenster, wähle ich meist einen alternativen Weg: Die Fens­ter mit angepasster Belichtung separat foto­grafieren und anschließend in die normal belichtete Aufnahme einmontieren – mit­tels Ebenentechnik in Photoshop.

Kaltes und warmes LichtDie Lichtverhältnisse in Kirchen sind nicht nur kontrastreich, auch die Lichtqualität ist sehr unterschiedlich. Von außen dringt meist kaltes Tageslicht durch die Fenster

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■ StandortEin erhöhter Standort bringt das Kirchen-gestühl zum Verschwinden. Nutzen Sie die in manchen Kirchen vorhandenen Galerien oder Treppen, um von oben fotografieren zu können.

■ StativersatzWenn ein Stativ nicht erlaubt ist, ergreifen Sie jede sich bietende Möglichkeit, die Kamera irgendwo auf- oder anzulegen. Dabei hilft das bekannte „Bohnenbeutel-stativ“, alternativ aber auch ein Beutel Reis aus dem Supermarkt als Unterlage.

■ GestaltungSymmetrisches sollte man in der Regel auch symmetrisch abbilden. Bei un-

günstigem Standpunkt geht das häufig nicht ohne Shiftobjektiv.

■ BelichtungszeitEine niedrige ISO-Zahl schafft Bildquali-tät und keine Nachteile, wenn man eh nicht mehr aus der Hand fotografieren kann. Im Gegenteil: Umherwandernde Personen werden nicht oder nur kaum erkennbar abgebildet.

■ RücksichtBei Fotos in Kirchen sollte die Rücksicht auf anwesende Gläubige bzw. Betende in jedem Fall Vorrang haben. Das heißt oft Geduld haben und die Aufnahme auf später verschieben – manchmal aber auch Verzicht.

TippS

KontrasteKirchengestühl in der Romandie: Wegen der langen Belichtungszeit entstand die Aufnahme angelehnt und als Serie. Ein

Bild war dann tatsächlich scharf. Das zweite Problem war der starke Kontrast.

Um ausgefressene Lichter zu vermeiden, wurden die Belichtung um -1/3 Blende

korrigiert und zulaufende Schatten tole-riert (Canon EOS 550D, Zeiss Dista-

gon T 2,8/21 mm, ISO 400, Blende 5, 1/20 s, Belichtungkorrektur -1/3).

– ein Effekt, der bei blauem Himmel und indirekter Sonneneinstrahlung noch deut­lich verstärkt wird. Die Lichtquellen in der Kirche sind wiederum Kerzen und warm­toniges Kunstlicht. Dieser Gegensatz ist ei­nerseits fotografisch interessant, wirft aber andererseits auch die Frage nach dem ein­zustellenden Weißabgleich auf.Ich fotografiere in solchen Situationen grundsätzlich mit Einstellung auf Tageslicht und nicht mit automatischem Weißabgleich. Bei der RAW­Konvertierung führe ich dann eine Feinabstimmung durch und lande meist bei einem Zwischenwert. Eine Wie­dergabe des Innenraums mit eher warmen Bildtönen entspricht meines Erachtens mehr dem persönlichen Erlebnis als eine kühle Wiedergabe, zumal das Tageslicht im Bild dann bereits sehr verblauen würde.

Lange VerschlusszeitenBewegen sich Personen im Motivbereich, so kann das Einstellen der niedrigsten ISO­Stufe und die daraus resultierende lange Belichtungszeit eine Lösung sein; andern­falls sollte man in entsprechenden Zeitab­ständen mehrere Aufnahmen machen und die Personen bei der Bildbearbeitung her­ausrechnen.Überwiegend verwende ich in Kirchen­räumen kurze Brennweiten um 24 mm bei

Kleinbild, in Einzelfällen auch 17 mm. Für Detailaufnahmen nehme ich gerne ein Nor­malobjektiv oder leichtes Tele mit großer Anfangsöffnung. Oftmals sind interessante Motive in Abschnitten einer Kirche zu fin­den, wo die Verwendung eines Stativs prob­lematisch ist. Dann hilft ein lichtstarkes Ob­jektiv: Bei (fast) offener Blende liegen dann die bildwichtigen Motivpartien im Schärfe­bereich, während der Hintergrund ein schö­nes Bokeh bildet. Siegfried Layda/ks