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Arch. Protistenkd. 148 (1997): 65-76 © by Gustav Fischer Verlag Frankophila, Mayamaea und Fistulifera: drei neue Gattungen der Klasse Bacillariophyceae Frankophila, Mayamaea and Fistulifera: Three New Genera of the Class Bacillariophyceae ARCHIV FUR PROTISTEN KUNDE HORST LANGE-BERTALOT Botanisches Institut, Johann Wolfgang Goethe-Universitiit, Frankfurt am Main, Deutschland Summary: Distinct homogeneous clusters of established diatom taxa are described as three new genera. Only the nomenclatural type of the first genus, Frankophila similtoides, is intro- duced as a new species. Two other species, F. loetschertii and F. maillardii belong to this genus with a unique complex of characteristic features of the Fragilariaceae, in particular of the sub- genus Staurosira, and of naviculoid Raphideae. Actually 13 taxa of Navicula sensu lato belong to Mayamaea with M. atomus as type species whereas Navicula pelliculosa, Navicula saprophila and Navicula iranensis are transferred to Fistulifera. In addition to these proposals Stauroneis spicula is transferred from the actually used combination Navicula spicula to the genus Haslea SIMONSEN. Key words: Bacillariophyceae; Taxonomie; Frankophila; Mayamaea; Fistulifera; Frankophila similioides; Haslea spicula. Einleitung LANGE-BERTALOT & LE COHU (1985) beschrieben zwei bis dahin unbekannte Arten, die sich durch eine Merk- malskombination auszeichnen, wie sie teilweise fur die Untergattung Staurosira in Fragilaria charakteristisch ist. Beide Arten sind jedoch - abnormal fur alle fragila- rioiden Gattungen - charakterisiert durch stark verkurzte Aste eines Zentralraphensystems wie sie in Navicula sensu lato vorkommen konnen, insbesondere bei Diades mis KUTZING oder bei Nupela VYVERMAN & COMPERE (vgl. LANGE-BERTALOT 1993). Beide Taxa wurden daher im Protolog nur vorlaufig und unter Vorbehalt zu Fragi laria gestellt, also in eine Gattung der Araphideae. Nach- demjetzt eine dritte Art mit der gleichen aulsergewohnli- chen Merkmalskombination sehr individuenreich in den sudamerikanischen Anden gefunden werden konnte und neue detaillierte Untersuchungsergebnisse im REM und TEM vorliegen, erscheint eine neue taxonomische Ent- scheidung notwendig. Alle drei Arten werden hier einer neuen Gattung zugeordnet, deren Familien- und Ord- nungszugehorigkeit vorlaufig offen bleiben soll. Bemer- kenswert sind die Disjunktionen zwischen den Fund- orten der drei Arten: Slid-Chile, Yellowstone National Park USA, Kerguelen Inseln im subantarktischen Be- reich des Indischen Ozeans. Was die seit langem bekanntermaBen heterogene Gat- tung Navicula betrifft, haben ROUND et al. (1990) vor- geschlagen, sie in zahlreiche neu abgegrenzte oder bereits fruher etablierte, aber aktualisierte .Tochter- Gattungen" aufzuspalten. Nachdem fortlaufend weitere neuere Gattungen aus Navicula sensu lato ausgegrenzt werden, mussen - konsequenterweise - auch zwei wei- tere sehr homogene Artengruppen in den Gattungsrang versetzt werden. Der Trend zu immer mehr neuen Gat- tungen HiBt sich nicht mehr aufhalten, weil die neue taxonomische Gliederung eine immer breiter werdende allgemeine Anerkennung findet.

Frankophila, Mayamaea und Fistulifera: drei neue gattungen der klasse bacillariophyceae

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Arch. Protistenkd. 148 (1997): 65-76© by Gustav Fischer Verlag

Frankophila, Mayamaea und Fistulifera:drei neue Gattungen der Klasse Bacillariophyceae

Frankophila, Mayamaea and Fistulifera: Three New Generaof the Class Bacillariophyceae

ARCHIVFUR

PROTISTENKUNDE

HORST LANGE-BERTALOT

Botanisches Institut, Johann Wolfgang Goethe-Universitiit, Frankfurt am Main, Deutschland

Summary: Distinct homogeneous clusters of established diatom taxa are described as threenew genera. Only the nomenclatural type of the first genus, Frankophila similtoides, is intro­duced as a new species. Two other species, F. loetschertii and F. maillardii belong to this genuswith a unique complex of characteristic features of the Fragilariaceae, in particular of the sub­genus Staurosira, and of naviculoid Raphideae. Actually 13 taxa of Navicula sensu lato belongto Mayamaea with M. atomus as type species whereas Navicula pelliculosa, Navicula saprophilaand Navicula iranensis are transferred to Fistulifera. In addition to these proposals Stauroneisspicula is transferred from the actually used combination Navicula spicula to the genus HasleaSIMONSEN.

Key words: Bacillariophyceae; Taxonomie; Frankophila; Mayamaea; Fistulifera; Frankophilasimilioides; Haslea spicula.

Einleitung

LANGE-BERTALOT & LE COHU (1985) beschrieben zweibis dahin unbekannte Arten, die sich durch eine Merk­malskombination auszeichnen, wie sie teilweise fur dieUntergattung Staurosira in Fragilaria charakteristischist. Beide Arten sind jedoch - abnormal fur alle fragila­rioiden Gattungen - charakterisiert durch stark verkurzteAste eines Zentralraphensystems wie sie in Naviculasensu lato vorkommen konnen, insbesondere bei Diades­mis KUTZING oder bei Nupela VYVERMAN & COMPERE(vgl. LANGE-BERTALOT 1993). Beide Taxa wurden daherim Protolog nur vorlaufig und unter Vorbehalt zu Fragi­laria gestellt, also in eine Gattung der Araphideae. Nach­demjetzt eine dritte Art mit der gleichen aulsergewohnli­chen Merkmalskombination sehr individuenreich in densudamerikanischen Anden gefunden werden konnte undneue detaillierte Untersuchungsergebnisse im REM undTEM vorliegen, erscheint eine neue taxonomische Ent­scheidung notwendig. Alle drei Arten werden hier einer

neuen Gattung zugeordnet, deren Familien- und Ord­nungszugehorigkeit vorlaufig offen bleiben soll. Bemer­kenswert sind die Disjunktionen zwischen den Fund­orten der drei Arten: Slid-Chile, Yellowstone NationalPark USA, Kerguelen Inseln im subantarktischen Be­reich des Indischen Ozeans.Was die seit langem bekanntermaBen heterogene Gat­tung Navicula betrifft, haben ROUND et al. (1990) vor­geschlagen, sie in zahlreiche neu abgegrenzte oderbereits fruher etablierte, aber aktualisierte .Tochter­Gattungen" aufzuspalten. Nachdem fortlaufend weitereneuere Gattungen aus Navicula sensu lato ausgegrenztwerden, mussen - konsequenterweise - auch zwei wei­tere sehr homogene Artengruppen in den Gattungsrangversetzt werden. Der Trend zu immer mehr neuen Gat­tungen HiBt sich nicht mehr aufhalten, weil die neuetaxonomische Gliederung eine immer breiter werdendeallgemeine Anerkennung findet.

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Material und Methoden

Untersucht wurden (LM und EM) zwei Populationen vonFrankophila similioides aus den Anden in Slid-Chile (s.Angaben unter Locus typicus dieses Taxons). Das photo­graphierte Material von Fragilaria loetschertii stammt ausdem Firehole River, Yellowstone National Park, Wyo­ming, USA. (leg. U. RUMRICH), Material von Mayamaeafossalis von uberrieselten Silikatfelsen im Odenwald (leg.K. KDLBS), Material von Fistulifera pelliculosa aus einemBrunnen an der Wern in Franken (leg. K. KOLBS). Weiterezum Vergleich und zur Feststellung der Gattungszu­gehorigkeit im REM untersuchte Populationen diverserTaxa stammen aus Typenmaterial oder aus anderen Probenin der ColI. LANGE-BERTALOT.Aufbereitung des Materials: 30 min. Kochen in konz. Salz­saure (HCI), mehrfaches Spiilen mit Wasser. Bodensatzversetzt mit konz. Schwefelsaure (H2S04) oder Behand­lung mit diversen anderen Standardmethoden. Naphrax­Praparate wurden mit einem Leitz Diaplan und planapo­chromatischen Olimmersionen untersucht. Fur REM-Stu­dien standen ein Hitachi S-500 (Frankophila loetschertii)und ein Hitachi S-4500 nach Gold-Besputterung zur Verfii­gung; fur TEM-Studien ein Zeiss EM 9.

Ergebnisse

1. Frankophila gen. nov.

Cellulae comparate parvulae omnino in situ solitariaesive plerumque catenas forrnantes. Frustula a latere visarectangulata. Valvae ad instar (adhuc cognitae) ellipti­cae vel lineari-ellipticae polis plusminusve simpliciterobtuse vel late rotundatae. Areae fere variabiles. Striaetransapicales uniseriatae sive multiseriatae. Spinaemarginales regulariter adsunt sed in valvis nonnullisomnino vacare possunt. Haque complexus signorumtypicorum ex parte ita ut regulariter in species nonnullissubgeneris Staurosira generis Fragilaria. Tamenporelli apicales semper absunt. Ex altera parte systemaraphis mediana adest ita ut in generibus nonnullis (adexemplum Diadesmis sive Nupela) in familia Navicula­cearum sensu lato classico. Verumtamen fissurae inter­nae externaeque hie semper sine exceptione conspicuerestrictae usque ad positionem subpolarem.Typus generis: Frankophila similioides spec. nov. (videinfra)Die Gattung ist meinem Kollegen FRANK ROUND ge­widmet. (Da ein Gattungsname Roundia bereits exi­stiert, bezieht sich die Bezeichnung auf dessen Vorna­men.)Die Zellen der drei bisher bekannten Arten sind alle­samt vergleichsweise klein, kommen meistens in ket­tenformigen Aggregaten vor, seltener vereinzelt. Fru­steIn in Gurtelansicht rechteckig. Schalen (bei den bis­her bekannten Arten) elliptisch bis linear-elliptisch mit

stumpf bis breit gerundeten Enden. Zentral- und Axi­alarea variabel, nicht voneinander differenziert. Transa­pikalstreifen ein- oder mehrreihig angeordnet. Regel­maBig stehen Verbindungsdornen am Schalenrand aufden transapikalen Rippen, sie konnen bei manchenSchalen aber vollig fehlen. Diese Merkmalskombina­tion entspricht derjenigen bei der Untergattung Stauro­sira in Fragilaria sensu lato. Es fehlen aber apikalePorenfelder. Andererseits ist ein Zentralraphen-Systemvorhanden analog zu den Gattungen Diadesmis undNupela aus der Familie Naviculaceae (sensu lato undnicht sensu stricto entsprechend ROUND et al. 1990).Die Raphenspalten sind ausnahmslos in der Langeunterschiedlich stark reduziert und liegen in subpolarerPosition. Helictoglossae oder ahnliche Strukturen feh­len, jedoch liegen an den Enden der inneren Raphen­spalten schwache Silikat-Massenanhaufungen, offenbarzur Verhinderung von mechanischen Fortrissen.

Frankophila similioides LANGE-BERTALOT &U. RUMRICH spec. nov.

Cellulae in situ solitariae vel plerumque catenas curtio­res formantes. Frustula a latere visa fere late rectangula­ria striis simplicibus curtis ad limbos valvarum itemadest utrimque una contura curvata naturae incognitae.Valvae ad instar late ellipticae polis late rotundatis,6-10 11m longae, 4-5 11m latae. Area axialis cum areacentralis ad unam aream latam hyalinam confluentesstriis transapicalibus abbreviatis itaque circummargina­libus positis, 12-14 in 10 11m, radiantibus vel subradi­antibus. In microscopo electronico: Spinae bifurcataesuper costas transapicales ad juncturam frontis et limbivalvae plerumque regulariter adsunt sed in valvis parvisnonnullis omnino abesse possunt. Series areolarumconstitutae duabus ordinibus plerumque una series fora­minum parvulorum interrnissa. Rimoportulae et porelliapicales vacant. Systema raphis mediana adest fissurisexternis internisque raphis distincte abbreviatis itaquesaepe solum subpolariter posita. Ita species nova estFrankophila (Fragilaria) loetschertii conspicue similissed differt in area hyalina magis ampla et in structuravalvocopulae. Ceterae stucturae submicroscopicae sepraestant significanter in particulare imaginibus figur­arum 1-7.

Typus: Praep. AmS-Ch 30 in ColI. LANGE-BERTALOT,Botanisches Institut Universitat Frankfurt a. M. (Fig.8-15)Locus typicus: Kleiner flacher Tumpel auf dem WegLas Torres zum Gletschersee Torres, Parque NacionalTorres del Paine, Patagonien/Chile (leg. UTE und MAN­FRED RUMRICH, 15.3. 1994).

Zellen einzeln oder zwei bis viele zu kettenformigenAggregaten verbunden. Frusteln in Gurtelansicht ziem-

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lich breit rechteckig mit kurzen Streifen auf den Scha­lenmanteln sowie je einer (schwer zu deutenden, wahr­scheinlich zur Valvocopula gehorenden) bogenformi­gen Kontur. Schalen breit-elliptisch mit breit gerunde­ten Enden, Lange 6-10 urn, Breite 4-5 urn. Marginalangeordnet stehen sehr kurze bis mabig verlangertebreit und undifferenziert erscheinende Transapikalstrei­fen unterschiedlich stark radial, 12-14110 urn. Axial­und Zentralarea bilden somit eine mehr bis wenigerweit ausgedehnte hyaline Flache, Punkt- bis strichfor­mig erscheinende subpolare Raphenaste sind beimsorgfaltigen Fokussieren auch im LM erkennbar. REM(Fig. 1, 2, 6, 7): Schalen besitzen stets mehr oder weni­ger verkurzte Aste eines zentralen Raphensystems. Beigrolseren Zellen sind die Raphenspalten, innen wieauBen, starker verktirzt und auf eine subpolare Positionbeschrankt. Bei kleineren Zellen oder speziell bei Scha­len einer Zelle, die keine Verbindungsdornchen ent­wickelt haben, sind die Raphenspalten weiter nach pro-

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ximal verlangert. Urn die distalen und proximalenRaphenenden liegen schwache Silikat-Massenanhau­fungen. Die Streifen auf der Schalenflache bestehenmeistens aus Doppelreihen von Areolen in Quincunx­Stellung, zwischen die jedoch eine dritte Reihe meistkleinerer Areolen eingeschoben sein kann. Die transa­pikalen Rippen bilden ein flaches Relief uber dendazwischen etwas vertieft liegenden Areolenreihen.Apikale Porenfelder und Rimoportulae fehlen stets.Eigentumlich gekriimmte Verbindungsdornchen sindauf den meisten Schalen vorhanden. Sie stehen entwe­der einzeln auf den transapikalen Rippen am Schalen­rand oder aber fehlen auf manchen Schalen total. Dabeiliegen je ein Dornchen der kontaktierenden Zelleninvers gekrummt dicht nebeneinander und lassen brei­tere LUcken zwischen jedem Paar offen. Die Dornbasensind kompakt aber hohl, im Querschnitt annaherndrund. Die Dornanker sind abgeflacht und in der Regelzweizipfelig. In Giirtelansicht entsteht der Eindruck,

Fig. 1-6. Frankophila similioidesFig. 1. Epitheca einer Frustel mit charakteristisch strukturierter Valvarflache und Mantel; Valvocopula und Copulaeetwas korrodiert. Von der Hypotheca sind nur die Verbindungsdornen auf der Mantelkante der Valva erkennbar. - REMx 10000.Fig. 2. Epitheca (oben) mit hier relativ langen Raphenschlitzen und vollig fehlenden Verbindungsdornen auf der Valvar­Wiehe. An den hier auffallig schmalen Schalenmantel schlieBen pervalvar die vier fiir diese Art charakteristischen Gurtel­elemente an: 1) breite Valvocopula, 2) schmale Copula, 3) breitere Copula, 4) schmale Copula. Die Hypovalva besitzt (imGegensatz zur Epivalva) regelmaBig ausgebildete Verbindungsdornen. - REM x11500.Fig. 3. Epitheca (oben) und darin eingesenkte Valva der Hypotheca in Gurtelansicht. Schalenmantel mit hier in je dreiReihen angeordneten Areolenforamina und Verbindungsdornen auf jeder transapikalen Rippe. Offene Valvocopula miteiner Reihe kurz schlitzformiger Foramina. Die schmale, leicht korrodierte erste Copula ist durch eine polare Ligula(rechts) mit der Valvocopula verzahnt. - REM x10500.Fig. 4. Andere Frustel mit Epitheca (oben) und Hypovalva (unten). Strukturen entsprechend Fig. 3, aber die schmaleCopula, die an die Valvocopula anschlieBt, ist starker korrodiert, so daB auBer einem weiteren kleinen Fragment nur dieLigula erhalten ist. - REM x12000.Fig. 5. Kontaktzone zwischen den Hypovalven zweier Zellen in Gurtelansicht. Je ein Dorn der kontaktierenden Zellenliegen, invers gekriimmt, dicht nebeneinander, dazwischen liegen breitere Liicken. Neben der Funktion als verbindendeElemente ist auch eine Funktion als .Abstandhalterrdiskutabel. - REM x16500.Fig. 6. Frustel entsprechend Fig. 1. Raphenaste kurzer als in Fig. 2. Basalteile der Dornen erscheinen an Bruchstellen hohloder nur schwach verkieselt. - REM x9500.

Fig.7-15. Frankophila similioides.Fig. 7. Schale innen mit kurzen Raphenasten und fur diese Art charakteristischer Anordnung der Alveolen. - REMx13500.Fig. 8-15. Frusteln bzw. Schalen in Valvar- und Gurtelansicht, LM x1500.Fig. 16-23. Frankophila loetschertii.Fig. 16-19. Frusteln bzw. Schalen in Valvar- und Giirtelansicht. LM x1500.Fig. 20. Hypovalva ohne Verbindungsdornen mit relativ langen Raphenschlitzen. Mantel der Epitheca (unten) mit breiterValvocopula. - REM x14 000.Fig. 21. Die Epithecae zweier Zellen im Kontakt durch Verbindungsdornen (vgl. dagegen Fig. 5, F. similioidesi. DieValvocopula ist hier regelmabig an zwei Stellen offen. - REM x7000.Fig. 22. Schale innen. Valvocopula mit einreihig rundlichen Foramina und kurzen septenartigen Fortsatzen. - REMxl 6000.Fig.23. Schale innen mit Raphenschlitzen, ohne Valvocopula - REM xlI 000.Fig. 24. Fragilaria species cf. brevistriata GRUNOW. Zum Vergleich mit Frankophila similioides. - LM x1500.Fig.25. Fragilaria similis KRASSKE Lectotypus, zum Vergleich mit Frankophila similioides. - LM x1500.

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daB sie einerseits verbindende Funktion andererseitsaber auch eine Funktion als .Abstandhalter" besitzen.Die Schalengurtel jeder Frustel (Epi- und Hypocingu­lum) bestehen aus je 4 Elementen. Die offene Valvoco­pula besitzt im pars exterior einen einfachen Kreis vonpervalvar schlitzformigen Foramina im advalvarenBereich. Ihr pars interior bildet tiber den transapikalenRippen schwach ausgepragte (septenartige) Fortsatze.An die vergleichsweise extrem breite ValvocopulaschlieBen sich regelmaliig eine sehr schmale Copula Nr.1, dann eine breitere Copula Nr. 2 und wiederum einesehr schmale Copula Nr. 3 an. AIle 3 Copulae sind niehtperforiert, aber ebenso wie die Valvocopula zumindestan einer Stelle, vielleicht aber auch an zwei Stellenoffen.

Neue Kombinationen

Frankophila loetschertii (LANGE-BERTALOT) comb. nov.Basionym: Fragilaria loetschertii LANGE-BERTALOT1985, Annls, Limnol. 21, p. 214, fig. 13-17,30-34

Frankophila maillardii (LE COHU) comb. nov.Basionym: Fragilaria maillardii LE COHU 1985, Annls,Limnol. 21, p. 213, fig. 1-3, 18-24

2. Mayamaea gen. nov.

Omnes species generis novi adhuc cognitae notabilitercum cellulis comparate parvulissimis ne attingentesquidem 16 urn sed saepe sub 10 urn longitudinemneque 7 urn sed plerumque sub 5 urn latitudinem. Insitu cellulae solitariae regulariter catenas non facientes.Chromatophora et pyrenoides bini (2). Frustula a laterevisa rectangularia. Valvae semper elliptieae apicibuslate rotundatis non protractis nee subcapitatis nec acu­minatis. Rami raphis filiformes plusminusve curvati

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poris centralibus unilateraliter paullo inflexis fissuristerminalibus in facie valvae breviter hamatis oppositeversus. Area axialis ( costa mediana alias raphoster­num) conspicua plusminusve transverse dilatata cumnodulis terminalibus item nodulo centrale valde incras­satis. Fissurae internae raphis hie incisae simpliciterrectae sine crista complicata. Area centralis inconspieuavel variabilis. Areolae uniseriatae raro duplieatae occlu­sae hymenibus circularibus (ricae) supra foraminasexternas nee intra valvam. Limbus valvae saepe lacinia­tus apparens. Cingulum utriusque thecae ex 3 copulisangustis inter se similibus et omnino hyalinis non areo­latis compositum.Quoad adhuc cognitas omnes species habitant praeci­pue in locis umidis subaeriis.

Typus generis: Mayamaea atomus (KUTZING) LANGE­BERTALOT comb. nov. pro syn. Amphora atomus KUT­ZING.Lectotypus sub Navicula atomus (KUTZING) GRUNOWin ColI. British Museum London, praep. no. 17826(determ. MAYAMA et KOBAYASr)

Die Gattung ist meinem Kollegen SHIGEKI MAYAMAgewidmet.

Zellen vergleichsweise sehr klein, Lange maximal16 urn, Breite maximal 7 urn, meistens aber kleiner als10 urn bzw. 5 urn. Zellen einzeln lebend, regelmallignicht in kettenformigen Aggregaten, jedoch oft in Gal­lerte eingeschlossen. Chromatophoren zwei in jederZelle mit je einem Pyrenoid. Frusteln in Gurtelansichtrechteckig, meistens in Valvaransicht liegend. Schalenstets elliptisch mit breit gerundeten Polen, niemals sub­capitat oder acuminat. Raphenaste filiform, wenig bisstarker bogig verlaufend, gleichseitig gekrtimmte zen­trale Enden mit Zentralporen. Terminalspalten ebenfallsgleichseitig, aber entgegengesetzt zu den zentralen

Fig. 26, 27. Mayamaeafossalis.Fig. 26. AuBenseite einer Schale. - REM x 10000.Fig. 27. Wie Fig. 26 bei starkerer Vergrofserung der Siebmembranen, die auBen auf den Areolenforamina liegen. - REMx32000.Fig. 28-31. Fistulifera pelliculosa.Fig.28. AuBenseite einer Schale mit den Copulae des dislozierten Thekengurtels. - REM x 10000.Fig. 29. AuBenseite der zentralen Schalenflache mit (stets) apikal verlangerter Offnung der innen liegenden .Fistel".Areolenforamina sind aulsen offen. - REM x22500.Fig. 30. Innenseite der zentralen Schalenflache, .Fistel' im UrnriB annahernd kreisformig, geschlossen und von Areolenumgeben. Siebmembranen innen liegend. - REM x23000.Fig.31. Zahlreiche, untereinander gleiche, sehr schmale Copulae bilden den Giirtel. - REM x33000.Fig. 32. Fistulifera saprophila. Charakteristisches Strukturmuster einer Schale mit einzelnen dislozierten Copulae. ­TEMx10000.Fig. 33. Fistulifera (? nov.) species 1. Frustel mit leicht gegeneinander verschobenen Schalen einer noch nicht beschrie­benen Art aus Slid-Brasilien mit ca. 100 Areolenreihen in 10 urn, - TEM x11000.Fig. 34. Fistulifera (? nov.) species 2. Einzelne Schale einer anderen noch nicht beschriebenen Art aus Slid-Brasilien. ­TEMx16000.

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Enden hakenformig abgekrummt, Soweit bisher be­kannt, in der Schalenflache liegend und nicht mehr bisweniger weit tiber den Schalenmantel laufend. Axial­area variabel von maliig bis sehr breit, Zentralareavariabel. Im REM: Axialarea kongruent mit dem starkverkieselten Raphenstemum. Es tritt nur auf der Scha­len-lnnenseite, nicht aber auf der flachen Aubenflachein Erscheinung. Die Raphe bildet einen einfachen gera­den Innenspalt ohne eine komplizierte aufgesetzteRaphenrippe (anders als bei Navicula s. str.). Die Astedes Raphenspalts enden ohne weitere Strukturen amZentralknoten und an den Terminalknoten in kurzen,mittelgroBen Helictoglossae. Diese drei Knoten desZentralraphensystems bilden ein charakteristischesMerkmal der Gattung, das bei allen bisher bekanntenArten besonders auffallig auch im LM in Erscheinungtritt. Die Streifen bestehen aus uniserial, selten doppeltangeordneten Areolen, die bis auf eine einzige Areolein jedem Streifen reduziert sein konnen, so bei M. lacu­nolaciniata. Auf dem Schalenmantel werden die Areo­len teilweise oder ganz durch Schlitze ersetzt odererganzt. Diese wei sen genau die gleichen Feinstruktu­ren auf. Es sind rundliche bzw. verlangerte Siebmem­branen in Form von .Ricae", die die Areolenforaminadicht an der Schalen-Aubenflache verschlieBen. Aufder Innenseite erscheinen die Areolen dagegen offen.Das Cingulum jeder Theca besteht im vollausgebilde­ten Stadium aus je drei schmalen, nicht areoliertenCopulae. Sie sind untereinander sehr ahnlich, eine Val­vocopula ist nicht besonders differenziert.Alle Arten der Gattung zeigen Ubereinstimmung inihrer Autokologie, Es besteht Praferenz fur wechsel­nasse Habitate, insbesondere im Supralitoral von Ge­wassern und in Erdboden. Sie sind daher als aerophil zubezeichnen. Einige Arten zeigen (quasi als Opportuni­sten) Massenentwicklung in Abwasser-Biotopen beihoher Saprobitat.

Neue Kombinationen

Mayamaea arida (BOCK) comb. nov.Basionym: Navicula arida Bock 1963, Nova Hedwigia5, p. 223, fig. lD

Mayamaea asellus (WEINHOLD) comb. nov.Basionym: Navicula asellus WEINHOLD ex HUSTEDT1934 in A. SCHMIDT Atlas, fig. 400: 1-5

Mayamaea atomus (KDTZING) comb. nov.var. atomusBasionym: Amphora atomus KDTZING 1844, Kiesel­schalige Bacillarien, p. 108, fig. 30: 70Synonym: Navicula atomus (KDTZING) GRUNOW 1860,p. 552 (weitere Synonyme s. KRAMMER & LANGE-BER­TALOT 1986, p. 216)

Mayamaea atomus var. permitis (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula permitis HUSTEDT 1945, Arch.Hydrobiol. 40, p. 919, fig. 41: 8-9Synonym: Navicula atomus var. permitis LANGE-BER­TALOT in KRAMMER & LANGE-BERTALOT 1985, p. 57(weitere Synonyme s. KRAMMER & LANGE-BERTALOT1986,p.216)

Mayamaea atomus var. alcimonica (REICHARDT) REI­CHARDT comb. nov.Basionym: Navicula atomus var. alcimonica REI­CHARDT 1984, Bibl. Diatomol. 6, p. 39, fig. 12: 10-14,30: 1-2

Mayamaea destricta (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula destricta HUSTEDT 1942, Ber.Deutsch. Bot. Ges. 60, p. 64, fig. 22

Mayamaea excelsa (KRASSKE) comb. nov.Basionym: Navicula excelsa KRASSKE 1925, Botan.Arch.3,p.51,fig.2: 33Synonym: Navicula atomus var. excelsa (KRASSKE)LANGE-BERTALOT in KRAMMER & LANGE-BERTALOT1985,p.57Es gibt gleichgewichtige Argumente fiir wie gegen dieRangstufe einer selbstandigen Art fur dieses Taxon.

Mayamaeafossalis (KRASSKE) comb. nov.var. fossalisBasionym: Naviculafossalis KRASSKE 1929, Bot. Arch.27, p. 354, fig. 10

Mayamaea fossalis var. obsidialis (HUSTEDT) comb.nov.Basionym: Navicula obsidialis HUSTEDT 1942, Ber.Deutsch. Bot. Ges. 60, p. 68, fig. 1-3Synonym: Navicula fossalis var. obsidialis (HUSTEDT)LANGE-BERTALOT in KRAMMER & LANGE-BERTALOT1985,p.69

Mayamaeafossaloides (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula fossaloides HUSTEDT 1957, Ab­handl. naturwiss. Ver. Bremen 34, p. 275, fig. 17

Mayamaea lacunolaciniata (LANGE-BERTALOT &BONIK) comb. nov.Basionym: Navicula lacunolaciniata LANGE-BERTALOT& BONIK 1976, Arch. Hydrobiol. Suppl. 49 (Algol.Stud. 16),p.313,fig. 12, 13,34

Mayamaea muraliformis (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula muraliformis HUSTEDT in BREN­DEMDHL 1949, Arch. Mikrobiol. 14, p. 440, fig. 5

Mayamaea recondita (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula recondita HUSTEDT 1934 in A.SCHMIDT Atlas, fig. 400: 6-9Synonym: Navicula atomus var. recondita (HUSTEDT)LANGE-BERTALOT in KRAMMER & LANGE-BERTALOT1985,p.58

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Die erst jetzt bekanntgewordenen unterschiedlichenFeinstrukturen (im REM) sprechen dafur, daB dasTaxon wieder in den Rang einer selbstandigen Artzuruckgefuhrt werden sollte.

3. Fistulifera gen. nov.

Cellulae in situ solitariae regulariter catenas non facien­tes sed plerumque (semper?) innumerabiliter in mem­branis mucosis inclusae. Frustula a latere visa angusterectangularia delicatissima et hyalinissima apparentiasicut etiam valvae. Valvae comparate parvulissimaelongitudinem lo um et latitudinem 6,5 urn vix attingen­tes, ad instar ellipticae, lineari-ellipticae vel fere circu­lares apicibus late rotundatis. Rami raphis filiformespaene recti sine fissuris terminalibus speciosis. Inclusiin costa angusta (alias area axialis) valde silificatainterne non externe nodulis terminalibus centralibusquevix amplius incrassatis. Area centralis ita vacat. Verum­tamen prope media ad marginem costae regulariter soli­tarius porus speciosus (fistula dicta) adest, intra verrucaformans extra striiformis vel hamiformis apparens.Striae transapicales non aspectabiles (in microscopophotonico) compositae areolis uniseriatis comparateparvulissimis (in microscopo electronico). Areolaeocclusae interne hymenibus (rica dicta) paucis porisperforatis. Margines valvarum quoad frontes et limboslaciniatae apparentes. Fissurae inter lacinias etiamhymenibus perforatis praeditae. Cingulum utriusquethecae ex multis (14-16) copulis angustissimis hyalinisnon perforatis inter se similibus compositum.Typus generis: Fistulifera saprophila (LANGE-BERTA­LOT & BONIK) LANGE-BERTALOT comb. nov. (Synonymavide infra)Typus: sub no. Ma 36 in Coll. LANGE-BERTALOT, Bota­nisches Institut Universitat Frankfurt a. M.Zellen vergleichsweise sehr klein, Lange bis maximal16 urn, Breite bis maximal 6,5 urn. Sie erscheinen imLM strukturlos hyalin, auBer der medianen Raphen­rippe. Zellen einzeln lebend, nicht regelmaliig in ketten­formigen Aggregaten, aber meistens sehr individuen­reich in flachig ausgebreiteten Gallertlagern einge­schlossen. Frusteln in Gurtelansicht sehr schmal recht­eckig und daher fast immer in Valvaransicht liegend.Schalen im UmriB elliptisch, linear-elliptisch oder fastkreisformig mit breit gerundeten Enden. Raphenastefiliform, fast gerade, ohne erweiterte Zentralporen undohne oder nur mit sehr wenig gekriimmten terminalenEnden, Terminalspalten fehlen. Das Zentralraphen­system liegt in einer schmalen, stark verkieselten Me­dianrippe (Axialarea), die nur im Inneren der Schalenreliefartig hervortritt, nicht an der Auflenflache. Beson­ders differenzierte Zentral- und Terminalknoten fehlen,es existieren nur schwache Erweiterungen der Median­rippe. Auch Zentralareae sind nicht ausdifferenziert.

Drei neue Gattungen der Bacillariophyceae 73

Charakteristisch ist im Inneren der Schale ein warzen­artiger zentraler Porus (Fistel) am Rande der Median­rippe. Er scheint durch eine perforierte Membran ver­schlossen zu sein (rica?). Auf der Aubenflache derSchalen tritt die Fistel als strichformige oder bogiggekrtimmte Struktur in Erscheinung. Die in einfachenReihen angeordneten, sehr kleinen Areolen sind imLichtmikroskop nicht aufzulosen, Sie sind durch Sieb­membranen (rica) mit jeweils nur wenigen Poren naheder Schalen-Innenseite verschlossen. Die Rander derSchalenflache und der Mantel sind durch Iangere undkurzere Fissuren .zerschlitzt". Die Schlitze sind eben­falls durch Siebmembranen abgeschlossen. Das Cingu­lum jeder Theca besteht aus bis zu 16 extrem schmalen,unperforierten, untereinander gleichen Copulae. Einedifferenzierte Valvocopula fehlt.Zum Typus generis wird Fistulifera saprophila be­stimmt und nicht das alteste Taxon mit dem BasionymFrustulia pelliculosa BREBISSON in litt. fide KUTZING1849 syn. Synedra minutissima (/3) pelliculosa KUTZING1849. Denn die Synonymie und die Sippe, die vonBREBISSON so bezeichnet wurde, bleiben zweifelhaft(KRAMMER & LANGE-BERTALOT 1986, p. 209).

Neue Kombinationen

Fistulifera saprophila (LANGE-BERTALOT & BONIK)comb. nov.Basionym: Navicula saprophila LANGE-BERTALOT &BONIK 1976, Arch. Hydrobiol. Suppl. 49, Algol. Stud.16,p.3l2,fig. 10,3: 8,9

Fistulifera pelliculosa (BREBISSON) comb. nov.Basionym: Frustulia pelliculosa BREBISSON ex KUT­ZING 1849, Species Algarum, p. 40Synonym: Navicula pelliculosa (BREBISSON ex KUT­ZING) HILSE 1863 in RABENHORST, Alg. Eur. Nr. 1265

Fistulifera iranensis (HUSTEDT) comb. nov.Basionym: Navicula iranensis HUSTEDT 1962 in RA­BENHORST Kryptogamenflora Bd. 7/3, p. 262, fig.l390A. Siehe auch SIMONSEN 1987, REM-fig. 731: 1-8

Diskussion

1. Frankophila

Fur die systematische Stellung dieser Gruppe bietensich hauptsachlich zwei sehr unterschiedliche Deu­tungsmoglichkeiten an. Entweder handelt es sich urneine Reduktion des Zentralraphensystems, ausgehendvon .normalen" Vertretern der Naviculaceae (sensulato, also nicht im verengten Sinne der Umgrenzungdieser Familie sensu ROUND et al. 1990) oder aber urnprogressive Vertreter der Araphideae. Fur die erste

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74 H. LANGE-BERTALOT

Hypothese bieten sich Beispiele an: Diadesmis sowieNupela. FUr die zweite Hypothese sprechen jedochmehr Fakten.• 1m lichtoptischen Erscheinungsbild sind sowohl Ein­zelzellen als auch die kettenformigen Aggregate uber­haupt nicht von Arten der Untergattung Staurosira inFragilaria zu unterscheiden.• Auch die elektronenoptischen Feinstrukturen ent­sprechen in der gesamten Merkmalskombination (ohneBerucksichtigung der Raphen) fast vollkommen diver­sen Arten der Untergattung Staurosira.• Ausnahmslos aIle Exemplare und aIle Schalen derunterschiedlichen Populationen zeigen verkiirzte Ra­phenaste, wahrend bei Diadesmis und auch Nupelaimmer auch ganze Populationen oder ein Teil der Indi­viduen oder regelmabig eine von beiden Schalen jederZelle normal ausgebildete, lange Raphenaste aufwei­sen.• Allerdings ist das Vorkommen der Raphen auch kor­reliert mit dem Fehlen von polaren Porenfeldern. BeideKriterien sind untypisch fur die Fragilariaceae.Es bietet sich hier also zumindest ein Ansatz zur weiterenDiskussion und fur weiterfuhrende Untersuchungen, obes sich nicht vielleieht urn ein "missing link" zwischenden Araphideae und naviculoiden Raphideae handelt.Nicht in Betracht kommen sollte hier das Phanomenoffengebliebener Spalten, die sieh sparer im .Reifepro­zeB" der Schalenbildung regelmalsig schlieBen, wie esfur viele Falle bei den Achnanthaceae (sensu lato) cha­rakteristisch ist.Es ist nicht vollig auszuschlieBen, daB Fragilaria simi­lis KRASSKE und der Typus der neuen Gattung, Franko­phi/a similioides, konspezifisch sind. Es ist aber eherunwahrscheinlich. Das Problem mit F. similis ist, daBKRASSKE offensichtlich kein einheitliches Konzept sei­nes Taxons vorgelegt hat. Unter den angegebenen Syn­typen-Praparaten aus dem Lago Riso Patron und einemseiner Zufliisse in Chile wurde ein von KRASSKE mar­kierter Lectotypus ausgewahlt (LANGE-BERTALOT et a1.1996, fig. 2: 23, 23'). Die anderen drei dort gezeigtenExemplare (fig. 2: 24-26) stammen nicht vom Typen­habitat, sondern aus anderen chilenischen KRAsSKE­Praparaten. Nach Uberprufung der verschiedenen inKRASSKES Arten-Katalog fur F. similis angegebenenPraparaten zeigt sich Heterogenitat der darin zu finden­den F. similis ahnlichen Sippen. So enthalten anderePraparate mindestens drei Sippen mit Ahnlichkeitenuntereinander. Sie sind aber sieher nicht konspezifisch.Es findet sich darin z. B. auch Fragilaria leptostauronvar. dubia (GRUNOW) HUSTEDT, die von KRASSKE imProtokoll angegeben, dann aber wieder ungiiltig ge­macht und durch die Angabe "F. similis" ersetzt wird.Jedoch handelt es sich bei kritischer Beurteilung kei­neswegs urn eine mit F. similis im Sinne des Lectotypuskonspezifische Sippe.

In allen Syntypen-Praparaten kommen F. simi/is oder F.similis ahnliche Fonnen nur sehr vereinzelt vor, so daBsich die Variationsbreite der Sippe des Lectotypus nichtgenauer erkennen laBt. Ob die Figuren 6 und 7 des Pro­tologs noch dieselbe Art reprasentieren, ist ebenfallsfraglich. Es laBt sich zwischen gr6Beren, im UmriBrhombischen Individuen und den kleineren elliptisch­lanzettlichen ein Fonnenkontinuum allenfalls vennu­ten. Raphidioide Strukturen konnten im LM nichterkannt werden. LANGE-BERTALOT et a1. (1996) wei senunter ihren Bemerkungen zu F. simi/is auf ein besonderskleines Exemplar hin, das nur 7,5 urn lang und 4,5 urnbreit ist. Es weicht somit von der Diagnose erheblichabo Nur dieses Exemplar, das nicht aus einem der vonKRASSKE angegebenen Syntypen-Praparaten stammt(also nicht aus dem Typenmaterial wie irrtiimlich an­gegeben), entspricht Frankophila similioides. Kurzeraphidioide Strukturen sind im LM erkennbar. Genaudiese Form aber - und nicht F. simi/is nach MaBgabeder Diagnose - kommt in zwei von U. RUMRICH in denAnden gesammelten Proben massenhaft vor. Allesamtpassen nicht in die Diagnose von F. simi/is. AuBer dengeringeren Langen und Breiten sind ihre Urnrisse aus­nahmslos breit-elliptisch mit breit gerundeten Polen,niemals lanzettlich oder rhombisch-lanzettlich, Dariiberhinaus sollte eine neue Gattung grundsatzlich nicht aufeinen Typus gegriindet werden, dessen spezifischeIdentitat zweifelhaft ist. Ob auch F. similis zur neuenGattung zu ziehen ist, wissen wir noch nicht. WeitereFunde bleiben abzuwarten, urn die charakteristischenFeinstrukturen zu vergleichen.

2. Mayamaea

AIle 13 bisher bekannten Taxa, die zur neuen Gattunggezogen werden miissen, besitzen charakteristischer­weise sehr kleine Zellen. Das betrifft auch mehrereandere Taxa, die vennutlich ebenfalls dazugehoren,aber mangels genauerer Kenntnis (noch) nicht umkom­biniert werden sollen. Insbesondere konnten ihre Fein­strukturen bisher nicht untersucht werden, weil sie nurauf einzelne Frusteln, manchmal sogar nur auf eine ein­zige Schale gegriindet sind und auBer am Typenhabitatnicht wieder gefunden werden konnten.Die neue Gattung umfaBt eine sehr homogen erschei­nende Artengruppe, die sich auch im LM relativ leichtvon allen anderen unterscheiden laBt. Das betrifft diegesamte in der Diagnose zusammengefaBte Merkmals­kombination, vor allem auch die okologische Charakte­ristik. Zugehorigkeit zu Navicula s.str. kommt iiber­haupt nicht in Frage. Die iibrigen .Tocluer-Gattungen"aus Navicula S. 1. (ROUND et a1. 1990) zeigen auch aus­nahmslos andere Merkmalskombinationen. So insbe­sondere auch die neu abgegrenzte Gattung SellaphoraMERESCHKOWSKI, obwohl sie wahrscheinlich in der

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aktuellen Umschreibung noch heterogen ist. Sie wirdgekennzeichnet durch einen einzigen H-fOrmigen Chlo­roplasten in jeder Zelle und durch Siebmembranen imInneren der Schale.Der Typus generis von Mayamaea, M. atomus, ist durchgeklonte Reinkulturen bereits sehr intensiv untersuchtworden, sowohl mikromorphologisch im TEM, ent­wicklungsbiologisch und physiologisch. Nur sind sienicht unter dem Namen Navicula atomus, sondernfalsch identifiziert als .Navicula pelliculosa" in derLiteratur zu finden (vgl. z.B. REIMAN et al. 1966, CHIAP­PINO & VOLCANI 1977 und viele weitere darin zitiertePublikationen). Die Feinstrukturen der Schalen sindbereits von MAYAMA & KOBAYASI (1988) detailliertbeschrieben worden. Sie konnten in allen Einzelheitendurch eigene Untersuchungen bestatigt werden.Wiefrtiher schon LANGE-BERTALOT & BONIK (1976) findendiese Autoren "atomus-Formen" und .permitis-i'ct­men" sympatrisch vorkommend. Ihre statistischen Er­mittlungen sprechen fiir ein Kontinuum zwischen denzwei Morphotypen, obschon N. permitis von HUSTEDT(1945) in Kenntnis von N. atomus als Species konzi­piert war. MAYAMA & KOBAYASI lassen indirekt erken­nen, daB sie einen Verweis von N. permitis in die Syno­nymie fur richtig halten. LANGE-BERTALOT in KRAMMER& LANGE-BERTALOT (1985, 1986) wollte nicht so radi­kal verfahren, hatte aber wegen eines fehlenden klarenDiskontinuums beide Taxa infraspezifisch vereinigt.SIMONSEN (1987) pladierte dagegen fur weiter aufrechtzu erhaltende Trennung im Artrang. Solange nicht mehrtiber die genetischen Hintergrtinde der zwei Morpho­typen bekannt ist, mochten wir den kontroversen radi­kaleren Vorschlagen nicht folgen, sonderen halten amstatus quo infraspezifischer Differenzierung fest.Die Taxa Navicula excelsa und N. recondita werden imneuen Gattungs-Zusammenhang in den ursprtinglichenRang von Species zurtickversetzt. 1m Falle von N.excelsa fallt es schwer, eine tiberzeugende Begrtindungfur die eine wie die andere Rangstufe zu finden. 1mFalle von N. recondita sprechen die teilweise doppeltangelegten Areolenreihen und die abweichende Aut­okologie mit fur den Artrang. Denn das zuvor nur sehrselten beobachtete Taxon konnte inzwischen an meh­ren Orten individuenreich gefunden werden, immer inelektrolytarmen, oligotrophen, schwach sauren Quel­len und Quellabfltissen. Vergleichbare Bedingungenmtissen auch fur den Typenhabitat angenommen wer­den; es sind tiberrieselte Felsen im Elbsandsteinge­birge.Die Familien- und auch Ordnungszugehorigkeit vonMayamaea und Fistulifera muB vorlaufig ungeklartbleiben. Nach Auflosung der Familie Naviculaceae imtraditionellen Sinne passen sie in keine der bisher neuvorgeschlagenen, sehr eng umgrenzten Familien(ROUND et al. 1990).

Drei neue Gattungen der Bacillariophyceae 75

3. Fistulifera

Diese neue Gattung bleibt vorerst noch artenarm. Essind nur drei Taxa in ihrer Feinstruktur genau bekanntund daher sicher zugehorig. Jedoch kann schon jetztvon mehreren anderen etablierten Taxa angenommenwerden, daB auch sie dazugehoren, Weitere, noch nichtbeschriebene Sippen gehoren sicher dazu, sind gegenti­ber F saprophila und F pelliculosa aber schwer abzu­grenzen. Dazu zahlen z.B. die brasilianische Naviculamollissima HusTEDT 1962 als tropische StiBwasserformaus huminsaurem Wasser und eine von uns ebenfalls inBrasilien gefundene extrem kleinzellige StiBwasser­form, deren Feinstruktur weitgehend mit F saprophilatibereinstimmt.Kenntnisse tiber Plastiden und andere plasmatischeZellorganellen fehlen, weil bei der in der Literatur oftdiesbeztiglich beschriebenen und detailliert untersuch­ten "Navicula pelliculosa" eine falsche Identifikationvorliegt - es handelt sich urn Mayamaea atomus.

Appendix

Haslea spicula (HICKIE) nov. comb.Basionym: Stauroneis spicula HICKIE 1874, MonthlyMicroscop. J. 12, p. 290Synonym: Navicula spicula (HICKIE) CLEVE 1894, p.110

Bereits bei KRAMMER & LANGE-BERTALOT (1986, p.132-133) wird in der Diskussion zur Sektion Fusifor­mes darauf hingewiesen, daB Navicula spicula zur glei­chen Gattung gezogen werden muB wie Navicula (Has­lea) crucigera. Mit der Umkombination sollte aber biszur umfassenden Neugliederung der naviculoidenArtengruppen gewartet werden. Die damals erwarteteNeugliederung in Navicula sensu lato ist bisher nur inAnsatzen und somit entschieden zu frtih vollzogen wor­den. Eine systematisch tiberzeugende Revision alleroder wenigstens der meisten Taxa ist noch gar nichtabzusehen. Die relativ artenarme Gattung wird jedochallgemein anerkannt, und in Navicula sensu stricto istH. spicula sicher nicht korrekt eingeordnet.

Dank: UTE RUMRICH hat durch vielfaltige Aktivitaten zumGelingen dieser Arbeit beigetragen. MANFRED RUPPEL hatdie elektronenmikroskopischen Arbeiten realisiert.

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76 H. LANGE-BERTALOT

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Angenommen: 26. November 1996

Adresse des Autors: Prof. Dr. HORST LANGE-BERTALOT,Botanisches Institut, Johann Wolfgang Goethe-Universitat,Siesmayerstr. 70, D - 60323 Frankfurt a. M.