Freitod-Informationen aus den Niederlanden · PDF filener in Amsterdam beheimateten Stiftung zur Erforschung eines humanen, selbstbe-stimmten Sterbens. Der Name WOZZ kommt von der

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    INTERVIEW

    HLS: Herr Admiraal, Sie haben nach vie-len Jahren Berufserfahrung als Ansthe-sist nun in einer Arbeits- und Publika-tionsgruppe ein Buch ursprnglich inniederlndischer Sprache verffentlicht,das krzlich in deutscher Sprache erschie-nen ist. Wie ist der Titel?

    Dr. Admiraal: Auf deutsch lau-tet der Titel Wege zu einemhumanen, selbstbestimmtenSterben. Das Buch ist nicht alsWerk eines einzelnen Autorsentstanden, sondern durch dieZusammenarbeit in einemAutorenkollegium bzw. einerWerkgroep (= Arbeitsgruppe)von rzten und Forschern, wiez. B. Toxikologen oder Phar-makologen.

    HLS: Wie heit die Arbeits-gruppe und wer hat daran mit-gewirkt?

    Dr. Admiraal: In dieser Arbeitsgruppe ha-ben, wie ich bereits sagte, rzte, Krimi-nologen, Pharmakologen und Toxikolo-gen mitgewirkt. Das Buch ist eineVerffentlichung der WOZZ-Stiftung, ei-ner in Amsterdam beheimateten Stiftungzur Erforschung eines humanen, selbstbe-stimmten Sterbens. Der Name WOZZ

    kommt von der niederlndi-schen Bezeichnung der Stif-tung Stichting Wetenschap-pelijk Onderzoek ZorgvuldigeZelfdoding, kurz WOZZgenannt. Im Vorstand derWOZZ wirken neben mirnoch zwei weitere Autorenmit, Dr. Boudewijn Chabotund Russel D. Ogden als Mit-glied fr Kanada und dieUSA. Im Beirat der WOZZsind neben rzten u. a. eineProfessorin fr medizinischeEthik, ein klinischer Pharma-zeut, ein Spezialist im Bereich

    der palliativen Pflege sowie ein Rechtsso-ziologe ttig.

    HLS: Warum hat es so lange Verzgerun-gen mit der deutschen bersetzung gege-ben? Hier gibt es auch Ergnzungen imText?

    Dr. Admiraal: Wie ich bereits in einem fr-heren Interview mit der HLS sagte (vgl.HLS 4/2007, S. 61 f.; Anm. d. Red.), han-delt es sich bei unserer Schrift nicht umeine Gebrauchsanleitung fr ein techni-sches Gert wie z. B. einen Fernseher, son-dern um ein Buch, in dem es um Lebenund Tod geht. Dies erfordert besondereGewissenhaftigkeit, auch und gerade beieiner bersetzung. Auerdem wurdezwischenzeitlich die Dissertation meinesKollegen Boudewijn Chabot abgeschlos-sen; deren Ergebnisse sollten eingearbeitetwerden. Zudem haben wir vom Autoren-kollegium uns darum bemht, fr das Ka-pitel 6 Die Begleitung einer Selbstttung

    Deutschsprachige Schrift Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

    INTERVIEW MIT DR. PIETER ADMIRAAL

    Freitod-Informationen aus den Niederlanden

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    : DG

    HS

    Es war eine lngere Wartezeit auf dem Weg bis zur nun in deutscherSprache vorliegenden Schrift Wege zu einem humanen, selbstbe-stimmten Sterben. Warum, vor allem wozu diese knapp 150 Seitenumfassende Schrift entwickelt wurde, ist dem folgenden Intervieweines der mageblichen Autoren zu entnehmen. In der Rubrik FrSie gesehen, gehrt und gelesen dieser DGHS-Verbandszeitschriftfindet sich eine Buchbesprechung. Dies erleichtert die Einschtzungder Schrift. Freilich gengt es nicht, nur aus zweiter, gar dritterHand ein solches Werk zu beurteilen. Wer an solchen Fragen Inter-esse hat, tut gut daran, sich umfassend zu informieren, abzuwgen,zu vergleichen und die geltende Rechtslage zu beachten. Da an derSchrift auch rzte, ein Kriminologe und Experten der Pharmakolo-gie, Biochemie sowie Toxikologie mitgewirkt haben, knnen diese inDeutschland zu solchen Fragen hufig noch sehr zurckhaltendenBerufsgruppen ebenfalls ihr Wissen bereichern und ihre Einscht-zungen berdenken. Schriften dieses Zuschnitts sind nicht nur un-ter dem Aspekt einer AUFKLRUNG zu sehen, sondern auch unterdem Aspekt eines Notwehr-Rechts von Brgern, sofern sie nochnicht die Gewhr haben, ihren Willen auf Abkrzung eines qualvol-len oder mit dem eigenen Wrdeverstndnis unvereinbaren Sterbe-prozesses abzukrzen. Die DGHS hat zu diesen Fragen separatwiederholt Stellungnahmen und Positionspapiere verffentlicht.

    Dr. Admiraal (re.) im Gesprch mit Prof. Dr. Wilhelm Uhlen-bruck, Ehrenmitglied der DGHS, im November 2006.

    Titelblatt des BuchesWege zu einem hu-manen, selbstbe-stimmten Sterben(vgl. Buchbespre-chung auf S. 42).

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    durch Angehrige, Freunde und anderePersonen Experten aus dem deutsch-sprachigen Raum zu gewinnen. Dies istuns gelungen in der Person von Dr. Wolf-gang Putz fr Deutschland, der ber DieRechtslage nach neuester deutscherRechtsprechung geschrieben hat, und mitDr. Ernst Haegi, der den Abschnitt berDie Rechtslage in der Schweiz verfassthat. Als Redakteure wissen Sie selbst, wieschwierig es sein kann zu erreichen, dassalle Autoren zur festgesetzten Zeit ihreTexte abgeben.

    HLS: Worin besteht das Anliegen dieserPublikation?

    Dr. Admiraal: Das Buch wurde fr Men-schen geschrieben, die sich in ihrer tg-lichen Praxis den schwierigen Fragen, wasist humanes, selbstbestimmtes Sterben undwie kann es ermglicht werden, stellenmssen. Da das Thema Sterben alle Men-schen betrifft, jeder ein humanes Sterbenerfahren mchte und jeder ein Recht dar-auf hat, ist dieses Buch fr jeden Men-schen geschrieben.

    HLS: Offenbar war die erste niederlndi-sche Fassung vornehmlich fr rzte ge-dacht. Halten Sie es fr mglich, dass diedeutschsprachige bersetzung und Er-gnzung einen Laien als Leser berfor-dert?

    Dr. Admiraal: Wir haben bei der berset-zung besonderen Wert darauf gelegt, dassdie Sprache klar und verstndlich bleibt,sodass das Buch auch von Laien verstan-den wird. Allerdings muss ich einrumen,dass jeder, der sich mit diesem Thema be-fasst, gut daran tut, sich sorgfltig in dieThematik einzulesen. Damit meine ich

    konkret, dass die Lektreder Konzentration des Le-sers bedarf und es durchauserforderlich ist, mancheAbschnitte mehrmals zu le-sen um sicherzustellen, dassder Inhalt auch verstandenwurde.

    HLS: Der deutschsprachigeKulturraum reicht berDeutschlands Grenzendeutlich hinaus, so nachsterreich und in dieSchweiz. Soll die Schrift inallen Lndern erhltlichsein, fr jedermann?

    Dr. Admiraal: Die Schriftkann von jedermann, derber einen Internetzugangbzw. die Kenntnis der Be-stellbedingungen verfgtsowie der deutschen Spra-che mchtig ist, bezogenwerden. In der Schweiz gibtes eine groe Nachfragenach unserem Buch, nach-dem EXIT (deutscheSchweiz) in ihrer ZeitschriftEXIT einen Beitrag von

    Elke Baezner ber unser Buch verffent-licht hat. Ingesamt haben wir schon ber12 000 Exemplare verkauft.

    HLS: Haben die Autoren und Herausge-ber dieser Schrift keine Bedenken, dassauch Jugendliche, gar Kinder und psy-chisch Kranke sich mit diesen Informatio-nen ein Leben nehmen, das eher der The-rapie bedrftig wre?

    Dr. Admiraal: Sowohl der Vorstand derStiftung WOZZ als auch die Autoren desBuches wollen in keiner Weise zum Suizidanregen. Jemand, der den Wunsch hat zusterben, sollte seelischen Beistand, ange-messene palliative Pflege, professionelleTherapie und jede andere, der jeweiligenSituation angemessene Hilfe erhalten.

    HLS: Inzwischen gibt es zu Suizidfragenweltweit eine ganze Reihe an Verffentli-chungen. Was ist das Besondere dieser Pu-blikation?

    Dr. Admiraal: Dieses Buch liefert wissen-schaftlich fundierte Informationen berMethoden einer sorgsam geplanten, wr-digen Lebensbeendigung. Diese Informa-tionen wurden fr schwer kranke undhochbetagte Menschen zusammengestellt.Allerdings mchte ich betonen, dass essehr wichtig ist fr jemanden, der einenlang anhaltenden Todeswunsch hat, diesenWunsch mit Vertrauten oder, wie dies z. B.bei uns in den Niederlanden blich ist, miteinem in der Sterbebegleitung erfahrenenArzt zu besprechen. Gemeinsam mit demkranken oder alten Menschen knnendiese herausfinden, ob es noch eine Mg-lichkeit gibt, das Leben fr den Betroffe-nen so zu gestalten, dass es fr diesen mitseinen persnlichen Wrdevorstellungenvereinbar ist.

    HLS: Mit einem der Autoren, mit Dr. Cha-

    Die DGHS erreichte ber ein Petitionsverfahren einen konstrukti-ven Bundestagsbeschluss wirklich getan hat sich jedoch letztlichnichts. Im Gegenteil: Die Missstnde im Gesundheitswesen habenerschreckende Ausmae. Viele Menschen mchten sich sol-chen Unwgbarkeiten nicht aussetzen. Hinzu kommen Problemeder Finanzierung eines humanen Sterbens. Fr Banken (auch imBesitz des Staates), die mangels hinreichender Aufsicht undKontrolle Milliardensummen verzockten, legt der Gesetzgeberinnerhalb weniger Wochen Schutzprogramme auf, fr die Ster-behilfe gibt es nach wie vor keine umfassende Regelung. Im Pfle-gebereich wurde in den vergangenen Jahren Personal stark ab-gebaut auch in staatlichen Einrichtungen, z. B. Krankenhusern.

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    Es war ein langer Wegvom Treffen im NuTech-Bereich im Januar 2004 inSeattle bis zum Erschei-nen der deutschen Aus-gabe von Informatie overhumane zelfdoding unterdem Titel Wege zu einemhumanen, selbstbestimm-ten Sterben. Hier zweider Autoren, Dr. Boude-wijn Chabot (li.) und Dr.Pieter Admiraal (re.).

  • bot, konnten wir bereits in HLS 4/2007ein Interview ber die Auto-Euthanasiedurchfhren. Wird dieses Thema auch inder deutschsprachigen Fassung behandelt?

    Dr. Admiraal: Selbstverstndlich, wir woll-ten dieses Thema unbedingt noch in diedeutsche Version einarbeiten und das istuns, wenn auch mit einiger Verzgerung,gelungen. Kapitel 2., das umfangreichsteKapitel des Buches, befasst sich ausfhr-lich damit.

    HLS: Wird Ihrer Auffassung nach durchSchriften dieser Art die Suizidrate erhhtoder tragen solche Informationen eher zurAufklrung bei gar mit suizidprophy-laktischer Wirkung? Denn sich auf einenEisenbahn-Schienenstrang zu legen, knn-ten Suizidwillige auch ohne Informatio-nen dieser Art.

    Dr. Admiraal: Es ist bereits seit Jahren be-kannt und belegbar, dass durch Bcherwie das unsere die Suizidrate nicht erhhtwird, im Gegenteil: Wer wei, wie er z. B.im Fall einer schweren Krankheit seinemLeiden ein Ende setzen kann, lebt in derRegel gelassener als der, der sich noch niemit diesem Thema befasst hat, die Dia-gnose erhlt, schwer erkrankt zu sein und

    dann womglich panikerfllt Mittel und