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GÜ"lTER OESTERLE Fricdrich Schillers Polemik gegen die Gedichte Gottfried August Bürgers und die Antwort der romantischen Schriftsteller Der folgende Essay gliedert sich in zwei Kapitel. Der erste Abschnitt soll mit Hilfe von drei Stichworten: Schiller als Provokateur, Schiller als Polemiker und Schiller 3ls Klassizist dic Skizze einer Char3kteristik Schillers entwerfen. Der zweite Abschnitt konzentriert sich 3uf den kritisch-polemischen Kontext in dem Schiller agierte. Dafür bietet sich an, die literarische Feldforschung des französischen Soziologen Pien'e Bourdicu J mit der Konstellationsforschung des Philosophen Dieter Henrichs zu verbinden." Die These lautet: Die romantischen Kritiker Schillers haben alls derselben Problemkol1stellation gearbeitet und in polemischer Rücksicht auf Schiller eine Altemativpoetik entwickelt. Die Rekonstruktion der romantischen Kritik ist zweifach interessant: 1. weil sie in der Tat wichtige Eigentümlichkeiten am Werk Schillers heraushebt und 2. weil die überdeutliche Sehschärfe verhindert anderes an Schiller spezifisch unromantisch Modemes zu erkennen. Den Romantikem ist eine richtige und wichtige - und doch zugleich verstellende Perspektive zu eigen. L Schiller als Provokateur, Polemiker und Klassizist Schiller war zeitlebens ein Provokateur. Er hat nicht nur im F rül1\verk, sondem auch später als klassizistischer Dichter alles darauf angelegt, die bislang gezogenen Grenzen der Poesie in der Lyrik, im Drama, in der Literaturtheorie, in der Geschichtsschreibung, [111 Erziihlexperiment der "Geists seher" zu sprengen und zwar G.A. Bürger-Archiv

Fricdrich Schillers Polemik gegen die Gedichte Gottfried ... · GÜ"lTER OESTERLE . Fricdrich Schillers Polemik gegen die Gedichte Gottfried August Bürgers und die Antwort der romantischen

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GUumllTER OESTERLE

Fricdrich Schillers Polemik gegen die Gedichte Gottfried August Buumlrgers und die Antwort der romantischen Schriftsteller

Der folgende Essay gliedert sich in zwei Kapitel Der erste Abschnitt soll mit Hilfe von drei Stichworten Schiller als Provokateur Schiller als Polemiker und Schiller 3ls Klassizist dic Skizze einer Char3kteristik Schillers entwerfen Der zweite Abschnitt konzentriert sich 3uf den kritisch-polemischen Kontext in dem Schiller agierte Dafuumlr bietet sich an die literarische Feldforschung des franzoumlsischen Soziologen Piene Bourdicu J mit der Konstellationsforschung des Philosophen Dieter Henrichs zu verbinden Die These lautet Die romantischen Kritiker Schillers haben alls derselben Problemkol1stellation gearbeitet und in polemischer Ruumlcksicht auf Schiller eine Altemativpoetik entwickelt Die Rekonstruktion der romantischen Kritik ist zweifach interessant 1 weil sie in der Tat wichtige Eigentuumlmlichkeiten am Werk Schillers heraushebt und 2 weil die uumlberdeutliche Sehschaumlrfe verhindert anderes an Schiller spezifisch unromantisch Modemes zu erkennen Den Romantikem ist eine richtige und wichtige - und doch zugleich verstellende Perspektive zu eigen

L Schiller als Provokateur Polemiker und Klassizist

Schiller war zeitlebens ein Provokateur Er hat nicht nur im F ruumll1verk sondem auch spaumlter als klassizistischer Dichter alles darauf angelegt die bislang gezogenen Grenzen der Poesie in der Lyrik im Drama in der Literaturtheorie in der Geschichtsschreibung [111 Erziihlexperiment der Geists seher zu sprengen und zwar

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102 GCJTER OESTERLE

provozierend zu sprengen das heiszligt er wollte den Zuschauer den Leser und Houmlrer aus den gesicllerten Orientierungen und geruhsamen Denkbahnen heraus werfen Das haben seine Zeitgenossen allenthalben bemerkt die romantischen Schriftsteller haben Schillers

wie sie es genannt haben urspruumlnglichen Hass aller Schranken] fuumlr sich selbst kritisch aufgegriffen um eine Alternativpoetik zu ihm zu entwerten Dass lind warum ausgerechnet Schiller fuumlr sie eine Steilvorlage beim Entwurf ihrer eigenen Poetik war ist Thema dieses Essays

Schillers provozierende Grenzuumlberschreitung traditioneller Vorgaben lassen sich an vielen Details festmachen Meist eignet ihnen sogar eine paradoxalc Grundstruktur Ieh nenne einige Beispiele So hat Schiller von Anfang an bei der Niederschrift seiner Dramen keine Ruumlcksicht auf die Buumlhnenpraxis genommen sehr wohl aber lind permanellt die moumlgliche Spielbarkeit seiner Dramenexperimente im Auge behalten Wir wissen sogar dass er sich bei der Konzeption bestimmter Dramenfiguren bestimmte Schauspieler vorstellte Die Vorrede zu dem Drama Die Raumluber spricht unumwunden aus dass dic hier im Drama eingeholte Fuumllle ineinandergedmngener Realitaumlt sich nicht in die Schranken eines Theaterstuumlcks einzaumlunen lasse Und duc h sind Die Raumluber kein bloszliges Lesedrama Das Paradox der Nichtbetileksichtigung damals

Buumlbnenpraxis bei gleichzeitig hoher Aufmerksamkeit auf die prinzipielle Spiel- und Wirkmaumlchtigkeit auf der Buumlhne loumlst sich au~ wenn man sich klannacht dass der Dramatiker Schiller von Anfang an bis zum Ende seines lebens die damalige Buumlhne umkrempeln und revolutionieren wollte Die Absicht Schillers die gelaumlufige Theaterpraxis zu sprengen laumlsst sich an seiner Dramentrilogie Walensfein ermessen Niemand hatte vorab einen Dramenkomplex auf drei Spielabende zu verteilen shyWalleIlsteins Lager Piccolomini Wallensteins Tod - und damit die Ausdauer des Publikums auf eine so harte Probe zu stellen Noch extremer und gewoumlhnungsbeduumlrftiger war seine lyrik die 1793 nach einer langen Beschaumlftigung mit Philosophie einsetzte Die heute so viel gescholtene Ideenlyrik Schillers war zu Schillers Zeit eine poetische Revolution naumlml ich Schillers Versuch sich in das

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103 Schillers (clllik gegen Biirger

philosophische Gebiet unanschaulicher Ideen vorzuwagen und doch lyrisch ZLI bleiben - ein Uilllle~ Unternehmen ohne das Houmllderlins Lyrik niemals moumlglich geworden waumlre

Fuumlr Schillers allseitige Grenzuumlberschreitungen lassen sich drei Motive ausfindig machen die Lust am Experiment die Lust am Effekt und die Lust zur Polemik Die Lust am Experiment duumlrfte mit seiner medizinischen Sozialiation zu tun haben hatte er doeh im dritten schlieszliglich gelungenen Versuch einer medizinischen Dissertation mit dem Titel Versuch uumlber den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen die Ausnahmen menschlicher Zustaumlnde die Ekstasen an Freude bzw Schmerz und Horror ll seinem Forschungsthema gemacht) Die Faumlhigkeit raffinierte Effekte zu erzielen haben ihm neidlos alle Zeitgenossen zugestanden vorab Goethe der ihm die Buumlhnenbearbeitung seiner Dramen zum Beispiel von Egmolt uneingeschraumlnkt mit dem ausdruumlcklichen Hinweis uumlberlieszlig keiner koumlnne die Buumlhnenwirksamkeit so gut herechnen wie Schiller Diese seltene Faumlhigkeit vaumlre am besten an Schillers Buumlhnenbearbeitungen fremder Werke aufzuzeigen Bei der Uumlbersetzung und Auffuumlhrungsvorhcrcitung cmer flanzoumlsischen Verwechslungskomoumldie Der als Onkel von Picard kam Schiller gemeinsam mit den Schauspielem auf die Idee die neckisch-komische Doppelgaumlngerei zwischen Onkel und Neffe von der Person und Physiognomie auf die sprachliche Gestaltung zu uumlbel1ragen und sie erfanden bestimmte auffallende Spracheigentuumlmlichkeiten zum Beispiel Stammeln oder Fluchen die Neffe uml Onkel gleicherweise mit winzigen unterschiedlichen Nuancen praktizierten - ein wirkrnaumlchtiger komischer wie man ihn sich sicher nicht besser vorstellen kann 6 Schlieszliglich ist Schiller drittens - ein effektvoller Provokateur weil er uumlberall sich als Polemiker betaumltigt hat Die Schaumlrfe Ja seiner aumlsthetischen Grenzuumlberschreitungen findet ihre Motivation meist in der Polemik Eille Menge Indizien sprechen dafuumlr dass diese Lust an der Polemik mit dem Vunsch zu tun hat maszligstabsetzende Autoritaumlt zu werden Am Zeitschriftenherausgeber der Horen laumlsst sich dieser Wunsch am besten beobachten marktfuumlhrend zu werden Aber auch Schillers Einstieg 111 die

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104 GUumlNTcR UumlESTERLE

literarische Szene ist davon gepraumlgt Die effektvolle Provokation mit dem dramatischen Experiment der Raumluber ist beruumlhmt gevorden Wenigcr bekannt ist Schillers frecher provozierender lyrischer Einstieg den er explizit gegen die schwaumlbisch schuumlchteme provinzielle~ 7 empfindsam pietistische 8Ioumldigkeitg vornimmt Konkret zielt seine Kritik und Polemik gegen den von G F Staumludlin herausgegebenen houmlchst durchschnittlichen Schwaumlbischen Afsel1almanach von] 782 gegen den Schiller anonym eine Anthologie audas Jahr 782 pUbliziert9 Das Beispiel Bacchus im Triller kann das gut veranschaulichen wobei man erneut den kundigen Mediziner erkennen kann Die erste Strophe lautet

Bacchus im Trilkf

Trille Tnilc l blind und dumm Taub und dU111m Trillt den s3ubern Kerl herum Manches Stuumlck von Adel Veller helS du auf dcr Nadel crte~ uumlbel komnbt du weg1

vlanchcn Kopf mit Dampf geftillct Manchen hast du umgetriilct -lanchcn klugen Kopfbcliilpel Manchen 1agcll umgcsLilpd Umgcvaumllzt in semen1 Sprck Manchen Hut krumm 3ufgeSelzet Mancll~s Lamm 111 Wut gehc(zct Baumlume Hecken Haumluser Gassen Um uns Narren tanzen lassen Damm kommst uu uumlbel weg Damm wirst auch du clrillct Wirst auch du mit Dampf gefuumlllet Darum wirst auch du bcriilptt Vird dein Magen wngcstiipct

Umgevlaumlbt in semem Speck

Darum kommst du uumlbci vieg

Bacchus im Triller ist ein studentisches Sauflied besonderer Art Eine Erkliirung des Titels hilft weiter Wenn man besonders viel getrunken hat dann kann man nicht mehr gut auf den Beinen stehen Man bekommt einen Schwindel Der Schwindel war ein bevorzugtes medizinisch-wissenschaftliches Thema im 18 Jahrhundert Dcr

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105 Schillers Polemik gegen Biirger

beruumlhmte Berliner Arzt Markus Herz hat zum Beispiel ein Buch uumlber Schwindel gesdmeben lo Nun ist in Heil- und Narrenanstalten also in der damaligen Psychiatrie des 18 Jahrhunderts der Schwindel als Heilmittel fuumlr Wahnsinnige eingesetzt worden und dazu wurde ein Geraumlt gebaut der sogenannte Triller

Die Drehmaschine (das Drehbett) nach Horn

Photograpbie einer Abbildung aus [Ernst] Horn Beschreibung der in der Irrenanstalt des Koumlniglichen Chantekrankenhauses zu Berhn gebraumluchlichcn Drclunaschll1en ihrcr Wirkung und Anwendung bei Geisteskranken In feilschrif fur psychische Arzle [ (1818) S 219-239 Frg 1 llDell S 309

Jetzt versteht man dieses Sauf- und Straflied Bacchlls als die PcrsoniCkation von zu viel Weinlust wird getrillel1

DiL poLtische Konsequenz war ein kuumlhnes mit onomashytopoetischen also lalltmalerischen Mitteln und Wiederholungen arbeitendes rhythmisch houmlchst modemes Gedicht Als ich es in Stuttgart vor Schauspielern vortrug meiote einer der Anwesenden e

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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102 GCJTER OESTERLE

provozierend zu sprengen das heiszligt er wollte den Zuschauer den Leser und Houmlrer aus den gesicllerten Orientierungen und geruhsamen Denkbahnen heraus werfen Das haben seine Zeitgenossen allenthalben bemerkt die romantischen Schriftsteller haben Schillers

wie sie es genannt haben urspruumlnglichen Hass aller Schranken] fuumlr sich selbst kritisch aufgegriffen um eine Alternativpoetik zu ihm zu entwerten Dass lind warum ausgerechnet Schiller fuumlr sie eine Steilvorlage beim Entwurf ihrer eigenen Poetik war ist Thema dieses Essays

Schillers provozierende Grenzuumlberschreitung traditioneller Vorgaben lassen sich an vielen Details festmachen Meist eignet ihnen sogar eine paradoxalc Grundstruktur Ieh nenne einige Beispiele So hat Schiller von Anfang an bei der Niederschrift seiner Dramen keine Ruumlcksicht auf die Buumlhnenpraxis genommen sehr wohl aber lind permanellt die moumlgliche Spielbarkeit seiner Dramenexperimente im Auge behalten Wir wissen sogar dass er sich bei der Konzeption bestimmter Dramenfiguren bestimmte Schauspieler vorstellte Die Vorrede zu dem Drama Die Raumluber spricht unumwunden aus dass dic hier im Drama eingeholte Fuumllle ineinandergedmngener Realitaumlt sich nicht in die Schranken eines Theaterstuumlcks einzaumlunen lasse Und duc h sind Die Raumluber kein bloszliges Lesedrama Das Paradox der Nichtbetileksichtigung damals

Buumlbnenpraxis bei gleichzeitig hoher Aufmerksamkeit auf die prinzipielle Spiel- und Wirkmaumlchtigkeit auf der Buumlhne loumlst sich au~ wenn man sich klannacht dass der Dramatiker Schiller von Anfang an bis zum Ende seines lebens die damalige Buumlhne umkrempeln und revolutionieren wollte Die Absicht Schillers die gelaumlufige Theaterpraxis zu sprengen laumlsst sich an seiner Dramentrilogie Walensfein ermessen Niemand hatte vorab einen Dramenkomplex auf drei Spielabende zu verteilen shyWalleIlsteins Lager Piccolomini Wallensteins Tod - und damit die Ausdauer des Publikums auf eine so harte Probe zu stellen Noch extremer und gewoumlhnungsbeduumlrftiger war seine lyrik die 1793 nach einer langen Beschaumlftigung mit Philosophie einsetzte Die heute so viel gescholtene Ideenlyrik Schillers war zu Schillers Zeit eine poetische Revolution naumlml ich Schillers Versuch sich in das

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103 Schillers (clllik gegen Biirger

philosophische Gebiet unanschaulicher Ideen vorzuwagen und doch lyrisch ZLI bleiben - ein Uilllle~ Unternehmen ohne das Houmllderlins Lyrik niemals moumlglich geworden waumlre

Fuumlr Schillers allseitige Grenzuumlberschreitungen lassen sich drei Motive ausfindig machen die Lust am Experiment die Lust am Effekt und die Lust zur Polemik Die Lust am Experiment duumlrfte mit seiner medizinischen Sozialiation zu tun haben hatte er doeh im dritten schlieszliglich gelungenen Versuch einer medizinischen Dissertation mit dem Titel Versuch uumlber den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen die Ausnahmen menschlicher Zustaumlnde die Ekstasen an Freude bzw Schmerz und Horror ll seinem Forschungsthema gemacht) Die Faumlhigkeit raffinierte Effekte zu erzielen haben ihm neidlos alle Zeitgenossen zugestanden vorab Goethe der ihm die Buumlhnenbearbeitung seiner Dramen zum Beispiel von Egmolt uneingeschraumlnkt mit dem ausdruumlcklichen Hinweis uumlberlieszlig keiner koumlnne die Buumlhnenwirksamkeit so gut herechnen wie Schiller Diese seltene Faumlhigkeit vaumlre am besten an Schillers Buumlhnenbearbeitungen fremder Werke aufzuzeigen Bei der Uumlbersetzung und Auffuumlhrungsvorhcrcitung cmer flanzoumlsischen Verwechslungskomoumldie Der als Onkel von Picard kam Schiller gemeinsam mit den Schauspielem auf die Idee die neckisch-komische Doppelgaumlngerei zwischen Onkel und Neffe von der Person und Physiognomie auf die sprachliche Gestaltung zu uumlbel1ragen und sie erfanden bestimmte auffallende Spracheigentuumlmlichkeiten zum Beispiel Stammeln oder Fluchen die Neffe uml Onkel gleicherweise mit winzigen unterschiedlichen Nuancen praktizierten - ein wirkrnaumlchtiger komischer wie man ihn sich sicher nicht besser vorstellen kann 6 Schlieszliglich ist Schiller drittens - ein effektvoller Provokateur weil er uumlberall sich als Polemiker betaumltigt hat Die Schaumlrfe Ja seiner aumlsthetischen Grenzuumlberschreitungen findet ihre Motivation meist in der Polemik Eille Menge Indizien sprechen dafuumlr dass diese Lust an der Polemik mit dem Vunsch zu tun hat maszligstabsetzende Autoritaumlt zu werden Am Zeitschriftenherausgeber der Horen laumlsst sich dieser Wunsch am besten beobachten marktfuumlhrend zu werden Aber auch Schillers Einstieg 111 die

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104 GUumlNTcR UumlESTERLE

literarische Szene ist davon gepraumlgt Die effektvolle Provokation mit dem dramatischen Experiment der Raumluber ist beruumlhmt gevorden Wenigcr bekannt ist Schillers frecher provozierender lyrischer Einstieg den er explizit gegen die schwaumlbisch schuumlchteme provinzielle~ 7 empfindsam pietistische 8Ioumldigkeitg vornimmt Konkret zielt seine Kritik und Polemik gegen den von G F Staumludlin herausgegebenen houmlchst durchschnittlichen Schwaumlbischen Afsel1almanach von] 782 gegen den Schiller anonym eine Anthologie audas Jahr 782 pUbliziert9 Das Beispiel Bacchus im Triller kann das gut veranschaulichen wobei man erneut den kundigen Mediziner erkennen kann Die erste Strophe lautet

Bacchus im Trilkf

Trille Tnilc l blind und dumm Taub und dU111m Trillt den s3ubern Kerl herum Manches Stuumlck von Adel Veller helS du auf dcr Nadel crte~ uumlbel komnbt du weg1

vlanchcn Kopf mit Dampf geftillct Manchen hast du umgetriilct -lanchcn klugen Kopfbcliilpel Manchen 1agcll umgcsLilpd Umgcvaumllzt in semen1 Sprck Manchen Hut krumm 3ufgeSelzet Mancll~s Lamm 111 Wut gehc(zct Baumlume Hecken Haumluser Gassen Um uns Narren tanzen lassen Damm kommst uu uumlbel weg Damm wirst auch du clrillct Wirst auch du mit Dampf gefuumlllet Darum wirst auch du bcriilptt Vird dein Magen wngcstiipct

Umgevlaumlbt in semem Speck

Darum kommst du uumlbci vieg

Bacchus im Triller ist ein studentisches Sauflied besonderer Art Eine Erkliirung des Titels hilft weiter Wenn man besonders viel getrunken hat dann kann man nicht mehr gut auf den Beinen stehen Man bekommt einen Schwindel Der Schwindel war ein bevorzugtes medizinisch-wissenschaftliches Thema im 18 Jahrhundert Dcr

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105 Schillers Polemik gegen Biirger

beruumlhmte Berliner Arzt Markus Herz hat zum Beispiel ein Buch uumlber Schwindel gesdmeben lo Nun ist in Heil- und Narrenanstalten also in der damaligen Psychiatrie des 18 Jahrhunderts der Schwindel als Heilmittel fuumlr Wahnsinnige eingesetzt worden und dazu wurde ein Geraumlt gebaut der sogenannte Triller

Die Drehmaschine (das Drehbett) nach Horn

Photograpbie einer Abbildung aus [Ernst] Horn Beschreibung der in der Irrenanstalt des Koumlniglichen Chantekrankenhauses zu Berhn gebraumluchlichcn Drclunaschll1en ihrcr Wirkung und Anwendung bei Geisteskranken In feilschrif fur psychische Arzle [ (1818) S 219-239 Frg 1 llDell S 309

Jetzt versteht man dieses Sauf- und Straflied Bacchlls als die PcrsoniCkation von zu viel Weinlust wird getrillel1

DiL poLtische Konsequenz war ein kuumlhnes mit onomashytopoetischen also lalltmalerischen Mitteln und Wiederholungen arbeitendes rhythmisch houmlchst modemes Gedicht Als ich es in Stuttgart vor Schauspielern vortrug meiote einer der Anwesenden e

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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103 Schillers (clllik gegen Biirger

philosophische Gebiet unanschaulicher Ideen vorzuwagen und doch lyrisch ZLI bleiben - ein Uilllle~ Unternehmen ohne das Houmllderlins Lyrik niemals moumlglich geworden waumlre

Fuumlr Schillers allseitige Grenzuumlberschreitungen lassen sich drei Motive ausfindig machen die Lust am Experiment die Lust am Effekt und die Lust zur Polemik Die Lust am Experiment duumlrfte mit seiner medizinischen Sozialiation zu tun haben hatte er doeh im dritten schlieszliglich gelungenen Versuch einer medizinischen Dissertation mit dem Titel Versuch uumlber den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen die Ausnahmen menschlicher Zustaumlnde die Ekstasen an Freude bzw Schmerz und Horror ll seinem Forschungsthema gemacht) Die Faumlhigkeit raffinierte Effekte zu erzielen haben ihm neidlos alle Zeitgenossen zugestanden vorab Goethe der ihm die Buumlhnenbearbeitung seiner Dramen zum Beispiel von Egmolt uneingeschraumlnkt mit dem ausdruumlcklichen Hinweis uumlberlieszlig keiner koumlnne die Buumlhnenwirksamkeit so gut herechnen wie Schiller Diese seltene Faumlhigkeit vaumlre am besten an Schillers Buumlhnenbearbeitungen fremder Werke aufzuzeigen Bei der Uumlbersetzung und Auffuumlhrungsvorhcrcitung cmer flanzoumlsischen Verwechslungskomoumldie Der als Onkel von Picard kam Schiller gemeinsam mit den Schauspielem auf die Idee die neckisch-komische Doppelgaumlngerei zwischen Onkel und Neffe von der Person und Physiognomie auf die sprachliche Gestaltung zu uumlbel1ragen und sie erfanden bestimmte auffallende Spracheigentuumlmlichkeiten zum Beispiel Stammeln oder Fluchen die Neffe uml Onkel gleicherweise mit winzigen unterschiedlichen Nuancen praktizierten - ein wirkrnaumlchtiger komischer wie man ihn sich sicher nicht besser vorstellen kann 6 Schlieszliglich ist Schiller drittens - ein effektvoller Provokateur weil er uumlberall sich als Polemiker betaumltigt hat Die Schaumlrfe Ja seiner aumlsthetischen Grenzuumlberschreitungen findet ihre Motivation meist in der Polemik Eille Menge Indizien sprechen dafuumlr dass diese Lust an der Polemik mit dem Vunsch zu tun hat maszligstabsetzende Autoritaumlt zu werden Am Zeitschriftenherausgeber der Horen laumlsst sich dieser Wunsch am besten beobachten marktfuumlhrend zu werden Aber auch Schillers Einstieg 111 die

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104 GUumlNTcR UumlESTERLE

literarische Szene ist davon gepraumlgt Die effektvolle Provokation mit dem dramatischen Experiment der Raumluber ist beruumlhmt gevorden Wenigcr bekannt ist Schillers frecher provozierender lyrischer Einstieg den er explizit gegen die schwaumlbisch schuumlchteme provinzielle~ 7 empfindsam pietistische 8Ioumldigkeitg vornimmt Konkret zielt seine Kritik und Polemik gegen den von G F Staumludlin herausgegebenen houmlchst durchschnittlichen Schwaumlbischen Afsel1almanach von] 782 gegen den Schiller anonym eine Anthologie audas Jahr 782 pUbliziert9 Das Beispiel Bacchus im Triller kann das gut veranschaulichen wobei man erneut den kundigen Mediziner erkennen kann Die erste Strophe lautet

Bacchus im Trilkf

Trille Tnilc l blind und dumm Taub und dU111m Trillt den s3ubern Kerl herum Manches Stuumlck von Adel Veller helS du auf dcr Nadel crte~ uumlbel komnbt du weg1

vlanchcn Kopf mit Dampf geftillct Manchen hast du umgetriilct -lanchcn klugen Kopfbcliilpel Manchen 1agcll umgcsLilpd Umgcvaumllzt in semen1 Sprck Manchen Hut krumm 3ufgeSelzet Mancll~s Lamm 111 Wut gehc(zct Baumlume Hecken Haumluser Gassen Um uns Narren tanzen lassen Damm kommst uu uumlbel weg Damm wirst auch du clrillct Wirst auch du mit Dampf gefuumlllet Darum wirst auch du bcriilptt Vird dein Magen wngcstiipct

Umgevlaumlbt in semem Speck

Darum kommst du uumlbci vieg

Bacchus im Triller ist ein studentisches Sauflied besonderer Art Eine Erkliirung des Titels hilft weiter Wenn man besonders viel getrunken hat dann kann man nicht mehr gut auf den Beinen stehen Man bekommt einen Schwindel Der Schwindel war ein bevorzugtes medizinisch-wissenschaftliches Thema im 18 Jahrhundert Dcr

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105 Schillers Polemik gegen Biirger

beruumlhmte Berliner Arzt Markus Herz hat zum Beispiel ein Buch uumlber Schwindel gesdmeben lo Nun ist in Heil- und Narrenanstalten also in der damaligen Psychiatrie des 18 Jahrhunderts der Schwindel als Heilmittel fuumlr Wahnsinnige eingesetzt worden und dazu wurde ein Geraumlt gebaut der sogenannte Triller

Die Drehmaschine (das Drehbett) nach Horn

Photograpbie einer Abbildung aus [Ernst] Horn Beschreibung der in der Irrenanstalt des Koumlniglichen Chantekrankenhauses zu Berhn gebraumluchlichcn Drclunaschll1en ihrcr Wirkung und Anwendung bei Geisteskranken In feilschrif fur psychische Arzle [ (1818) S 219-239 Frg 1 llDell S 309

Jetzt versteht man dieses Sauf- und Straflied Bacchlls als die PcrsoniCkation von zu viel Weinlust wird getrillel1

DiL poLtische Konsequenz war ein kuumlhnes mit onomashytopoetischen also lalltmalerischen Mitteln und Wiederholungen arbeitendes rhythmisch houmlchst modemes Gedicht Als ich es in Stuttgart vor Schauspielern vortrug meiote einer der Anwesenden e

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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104 GUumlNTcR UumlESTERLE

literarische Szene ist davon gepraumlgt Die effektvolle Provokation mit dem dramatischen Experiment der Raumluber ist beruumlhmt gevorden Wenigcr bekannt ist Schillers frecher provozierender lyrischer Einstieg den er explizit gegen die schwaumlbisch schuumlchteme provinzielle~ 7 empfindsam pietistische 8Ioumldigkeitg vornimmt Konkret zielt seine Kritik und Polemik gegen den von G F Staumludlin herausgegebenen houmlchst durchschnittlichen Schwaumlbischen Afsel1almanach von] 782 gegen den Schiller anonym eine Anthologie audas Jahr 782 pUbliziert9 Das Beispiel Bacchus im Triller kann das gut veranschaulichen wobei man erneut den kundigen Mediziner erkennen kann Die erste Strophe lautet

Bacchus im Trilkf

Trille Tnilc l blind und dumm Taub und dU111m Trillt den s3ubern Kerl herum Manches Stuumlck von Adel Veller helS du auf dcr Nadel crte~ uumlbel komnbt du weg1

vlanchcn Kopf mit Dampf geftillct Manchen hast du umgetriilct -lanchcn klugen Kopfbcliilpel Manchen 1agcll umgcsLilpd Umgcvaumllzt in semen1 Sprck Manchen Hut krumm 3ufgeSelzet Mancll~s Lamm 111 Wut gehc(zct Baumlume Hecken Haumluser Gassen Um uns Narren tanzen lassen Damm kommst uu uumlbel weg Damm wirst auch du clrillct Wirst auch du mit Dampf gefuumlllet Darum wirst auch du bcriilptt Vird dein Magen wngcstiipct

Umgevlaumlbt in semem Speck

Darum kommst du uumlbci vieg

Bacchus im Triller ist ein studentisches Sauflied besonderer Art Eine Erkliirung des Titels hilft weiter Wenn man besonders viel getrunken hat dann kann man nicht mehr gut auf den Beinen stehen Man bekommt einen Schwindel Der Schwindel war ein bevorzugtes medizinisch-wissenschaftliches Thema im 18 Jahrhundert Dcr

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105 Schillers Polemik gegen Biirger

beruumlhmte Berliner Arzt Markus Herz hat zum Beispiel ein Buch uumlber Schwindel gesdmeben lo Nun ist in Heil- und Narrenanstalten also in der damaligen Psychiatrie des 18 Jahrhunderts der Schwindel als Heilmittel fuumlr Wahnsinnige eingesetzt worden und dazu wurde ein Geraumlt gebaut der sogenannte Triller

Die Drehmaschine (das Drehbett) nach Horn

Photograpbie einer Abbildung aus [Ernst] Horn Beschreibung der in der Irrenanstalt des Koumlniglichen Chantekrankenhauses zu Berhn gebraumluchlichcn Drclunaschll1en ihrcr Wirkung und Anwendung bei Geisteskranken In feilschrif fur psychische Arzle [ (1818) S 219-239 Frg 1 llDell S 309

Jetzt versteht man dieses Sauf- und Straflied Bacchlls als die PcrsoniCkation von zu viel Weinlust wird getrillel1

DiL poLtische Konsequenz war ein kuumlhnes mit onomashytopoetischen also lalltmalerischen Mitteln und Wiederholungen arbeitendes rhythmisch houmlchst modemes Gedicht Als ich es in Stuttgart vor Schauspielern vortrug meiote einer der Anwesenden e

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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105 Schillers Polemik gegen Biirger

beruumlhmte Berliner Arzt Markus Herz hat zum Beispiel ein Buch uumlber Schwindel gesdmeben lo Nun ist in Heil- und Narrenanstalten also in der damaligen Psychiatrie des 18 Jahrhunderts der Schwindel als Heilmittel fuumlr Wahnsinnige eingesetzt worden und dazu wurde ein Geraumlt gebaut der sogenannte Triller

Die Drehmaschine (das Drehbett) nach Horn

Photograpbie einer Abbildung aus [Ernst] Horn Beschreibung der in der Irrenanstalt des Koumlniglichen Chantekrankenhauses zu Berhn gebraumluchlichcn Drclunaschll1en ihrcr Wirkung und Anwendung bei Geisteskranken In feilschrif fur psychische Arzle [ (1818) S 219-239 Frg 1 llDell S 309

Jetzt versteht man dieses Sauf- und Straflied Bacchlls als die PcrsoniCkation von zu viel Weinlust wird getrillel1

DiL poLtische Konsequenz war ein kuumlhnes mit onomashytopoetischen also lalltmalerischen Mitteln und Wiederholungen arbeitendes rhythmisch houmlchst modemes Gedicht Als ich es in Stuttgart vor Schauspielern vortrug meiote einer der Anwesenden e

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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106 GONTER UumlISTERLE

vaumlre der Rap des 18 Jahrhunderts Es duumlrfte plausibel sein dass solche Gedichte wie Bacchzrs im Triller Kastraten oder Die Pest provozierend waren und poetisch-rhythmisch-sprachexplosi v Neuland betraten ja sogar ihr Vorbild den Schriftsteller Gottfried August Buumlrger an Kuumlhnheit und Frechheit uumlbertrafen Durch einen Seitenblick auf den I Akt zweite Szene des Dramas Die Raumluber laumlsst sich kurz erlaumlutern dass und wie man mit einer solchen sprachlich und rhythmisch explosiven Situation einen dramatischen Effekt erzeugen kann Da sehen wir in einern Kneipenmilieu bei einer veritablen Sauferei auf der einen Seite den ganz in sich gekehrten Karl Moor der von diesem wilden studentischen halb kriminellen Leben Abschied zu nehmen gedenkt weil er als Antwort jeden Moment auf einen Reuebrief seinerseits die brietliehe V crzeihung seines Vaters erwartet Auf der anderen Seite wird der groumlszligte Krakeler und Trunkenbold der Bande mit Namen Spiegelberg vorgefuumlhrt so die Regieanweisung der sich mit den Pantomimen eines Projektmachers im Stubeneck abarbeitet l Den genialen Dramatiker Schiller kann man daran erkennen dass er im Bild eines angetrunkenen Halbweltstudenten ein im 18 Jahrhundert neuartiges Phaumlnomen des Projektemachens verbal einfuumlhrt und zugleich parallel zum in sich gekehrten Karl Moor die Projektmacherei Spiegelbergs pantomimisch fortsetzt I c

Der Disposition zum Streit wuumlrde ein zentrales Moment fehlen wenn ich es bei diesen beiden Charakteristika Schiller als effektvoller Provokateur und als experimentierfreudiger Polemiker belassen wuumlrde Es fehlt naumlmlich ein drittes Element das ihn zum Klassizisten werden lieszlig Schiller der radikale Fonnsucher Schiller der Kuumlnstler der die heterogensten und modernsten inhaltlichen Elemente aufzugreifen empfiehlt sie aber durch die Form und nichts als die Form zu bezwingen befiehlt Als Zwischenergebnis kann man folgem Schiller war ein groszliges immer aber auch ein forciertes Talent Es gibt ein Dokument das alle diese genannten Charkteristika die provokante Grenzuumlberschreitung des uumlblichen die etTektvolie Inszenierung des Polemikers und die radikale F01l11SUche wie einen Brennpunkt in sich vereinigt

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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107 Schillers Polemik gegen Buumlrger

[l Schillers polemische Rezension von Gottfried August Buumlrgers Gedichten als Praumlventivstrategie gegen die Entstehung der Romantik

1791 erscheint eine anonyme Rezension der Verriss eines der beruumlhmtesten populaumlren Lyrikers und Balladendichters der damaligen Zeit Gottfried August Buumlrger einstmaliges groszliges Vorbild Schillers jetzt freundschaftliche Orienlierungsgestalt fuumlr den noch sehr jungen romantischen Schriftsteller August Wilhelm SchlegeL Gottfried August Buumlrger lebte das sei kurz eingefuumlgt in desastraumlsen finanziellen Verhaumlltnissen war Alkoholiker und aufs Auszligerstc durch schwierige Liebes- und Eheverhaumlltnisse strapaziel1 Der aumlltere Sturm- und Drangschriftsteller Buumlrger verehrte den juumlngeren Kollegen Schiller zutiefst besuchte ihn in Wimar sandte Schiller seine gerade erschienene Altes und Neues verbindende Gedichtsammlung seine lyrische Emte gleichsam und konnte daher gar nicht glauben dass dieser anonyme Veniss VOll dem befreundeten Kollegen Schiller stammen sollte

Schiller hingegen rechtfertigte diese literarische Exekution dcs Werkes eines zcitgenoumlssisehen beruumlhmten Schriftstellers mit zwei Argumcnten erstens mit Buumlrgers Beruumlhmtbeit und Genialitaumlt Sie erlaube keinc Schonung aumlsthetischer Fehler weil die Nachaluner dieser Fehler eines genialen Schriftstellers nicht anders zu stoppen seien Zweitens rechtfertigt er die Schaumlrfe seiner Polemik durch seine Zeitdiagnose eines Verfalls modemer Lyrik dem man allein mit radikalen Refonnschritten beikommen koumlnnte Schiller verschweigt freilich dass diese literarische Exekution in eigener Sache geschieht naumlmlich den Versuch darstellt eine Selbstrein igung von eigenen aumlsthetischen Jugendsuumlnden zu bewerkstelligen Schiller verschweigt auch dass er mit seiner These Polemik taumlte in diesem Falle Not damit den potentiellen laehahmem von vomehereill ein Riegel vorgeschoben werde ganz konkret den jungen August Wilhelm Schlegel gemeint hat In der F0rschul1g ist bislang nicht bemerkt worden dass Schillers scharfe Kritik eine doppelte Stoszligrichtung zukommt naumlmlich auszliger Qegen Gottfried August Buumlrger geg~11 dessen jungen Verehrer Augu~t Wilhehn Schleg~113

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

GA Buumlrger-Archiv

Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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lOg GONTER OESTERLE

Schlcgels 1789 vorgetragenem Lob Buumlrgers insbesondere von dessen Gedicht dem hohen Liede von der Einzigen das Schlegel als das erhabenste und vollendetste in der lyrischen Poesie was unsere Sprache aufzuweisen hat14 preist widersprach Schiller entschieden Buumlrgers Selbstfeier die er auf dem Houmlhepunkt seines hohe(n) Lieds anstimmt (Nimm 0 Sohn das Meistersiegel I Der Vollendung an die Stim) ist fuumlr den zukuumlnftigen Romantiker eine gelungene poetische Apotheose fuumlr Schiller hingegen blanker Narzissmus So zeichnet sich schon vor jeder offiziellen Differenz zwischen der Fruumlhromantik und Sehiller ein entscheidender Gegensatz ab 180 I wird August Wilhelm dies im Ruumlckblick noch einmal zusammenfassen Man darf so schreibt er gezielt gegen Schillers Buumlrgerrezension nicht den Dichter mit dem Menschen und Autor identifizieren das heiszligt die in den Gedichten zum Ausdruck gebrachte kuumlnstlerische Person sei und bleibe trotz mannigfacher Naumlhe zur empirischen Persoumlnlichkeit des Dichters ein Erzeugnis der Freiheitja der WilIkuumlr15

Schiller stellt am Beispiel von Gottfried August Buumlrgers Gedichten drei aktuelle Fragen erstens wie man Hoch- und Massenkultur vereinen zweitens wie mall ein W 011fuumlhrer der Volksgefuumlhle werden und zugleich auch die berechtigten Anspruche einer literarischen Kennerelite befriedigen koumlnne 16 Schlieszliglich fragt er wie ein moderner Dichter in die gekommen sei den Fortschritt wissenschaftlicher Kultur mit all seinen spezialisierten und ausdifferenzierten Diskursen aufzunehmen und zu verarbeiten sodass er wie Horaz fuumlr die Roumlmer auch in der modernen komplizierten Welt zum teure[n] Begleiter durch das Leben tauge I Die Antwort des Rezensenten Schiller ist eindeutig Gerade der Dichter der populaumlr sein will darf sich auf keinen Fall wie es G A Buumlrger getan habe mit dem Volk gemein machen und krude Ausdruumlcke verwenden wie Lumpenkupfer Sehinderknochen [ ] Fuselbrenner Galgenschwengel 18 oder gar onomatopoetische Sprachspielereien wie Klingeluumlngling Hopphopp [ J sasa Trallyrambamm19 benutzen Gerade sein maumlnnlicher Geschmack muss YlatadorSluumlcke seiner Jugend reinigen CO (Schiller hat dies tatsaumlchlich spaumlter zum Beispiel mit dem vorher zitierten Gedicht

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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Schillers Polelllik gegen lOt)

Bacchlls im Triller vorgenommen) Vornehmlich aber muss er beil1l Dichten Distanz halten zu den eigenen Affekten also nicht den Schmerz im Schmerz und die Melancholie im Zustand der Misanthropie darzustellen versuchen Kurz Ein moderner die Fortschritte der Kultur und Spezialciskurse aufgreifender Dichter muss zur gebildeten Elite einer Nation gehoumlren Er muss das Kunststuumlck hinbekommen ein Medium von generativen Ideen2i seiner Zeit zu werden indem er seine Individualitaumlt zur houmlchsten Reife ausbildet Dieses Kunststuumlck ist freilich paradox denn elie Ausbildung einer kollektiven Individualitaumlt gelingt nach Ansicht Schillers nur wenn auf der einen Seitc der Kuumlnstler seine Individualitaumltn in Breite und Intensitaumlt auf dcr Houmlhe seiner Zeit entfaltet also sieh gleichsam menschheitlich aufblaumlst auf der anderen Seite aber seine speziellen cinzigm1igen sfrcng

individualistische[nJ und lokal gestimmte Seltenheitenj laumlutefl1d und veredelnd abstreift und aufgibt In keiner der theoretischen Schriften Schillers tritt die klassizistische Problcmrltik einer das Kollektiv repraumlsentierenden Individualitaumlt die der Kuumlnstler als Person repraumlsentieren soll so komprimiert und zugespitzt auf als in der Polemik gegen Gottfried August Buumlrger Kein Wunder dass sowohl die dort vorgegebene polemische Methode wie die dort entworfene Idealisierungskunst bei den romantischen Schriftstellern Anstoszlig und formale Vorlage ihrer poetologischen Auseinandersetzung mit Schiller werden sollte Den romantischen Schriftstellern musste das klassizistische Loumlsungskonzept einer Idealisierungskunst25 aus dem Medium einer kollektiv wirksamen Individualitaumlt wie eine auf dem Jahrmarkt des Publikums ausgestellte Frau ohne Unterleib erscheinen Denn fuumlr sie hatte Schiller drei ihrer Zentralquellen romantischer Poesie amputiert naumlmlich einmal das Grobsinnliche vornehmlich in der Sprache das Onomatopoetische das heiszligt das Sprachspielerische lind derb Burleske Zweitens hane Schiller den Bezug der poetiscben Produktion auf eine ganz eigene bestimmte Lage als GelcgenheitsgedichtemiddotmiddotMacherei denunzierr und damit zusammenhaumlngend il1sbesGlldere die Seltenhcit~7 das heiszligt die einzigartigen lreng individuellen Charaktere und Situationen aus der Poesie vertrieben Damit hat

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

GA Buumlrger-Archiv

Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

GA Buumlrger-Archiv

112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

GA Buumlrger-Archiv

Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

GA Buumlrger-Archiv

114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

GA Buumlrger-Archiv

Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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110 GUumlN [ER OlSTlRLl

Schiller den poetischen Naumlhrboden tlir Laune und Ironie das Grundelixier der Romantiker entzogen lind ausgetrockllet iuch in der Methode der Polemik 1Jrde die Rezension Schillers Obr Buumlrgers Gedichte Anstoszlig und kritische Vorlage fuumlr die juumlngere Generation der romantischen Schriftsteller Es gibt Aumluszligerungen von Friedrich Mich interessiert der Fall Schiller mehr als dessen Arbeiten2s Infolge dessen verfuhren sie mit Schiller wie dieser mit Sie rekonstruierten Schiller nicht nur als Schriftsteller sondem auch als Person und Charakter und zwar ihm vergleichbar in Sache Schiller bot naumlmlich das Beispiel fuumlr die Analyse von Bedingungen und Moumlglichkeiten etner Extremwende das heiszligt im Falle Schillers von einem wilden Sturmshyund Draumlnger zu einem zivilisicrten Klassizisten Schiller halte diese klassizistische Kehrtwende durchgefuumlhrt mir Hilfe einer polemischen Exekution eines seinem fruumlhwerk nahe stehenden beruumlhmten Dichterkollegen Gottfried August Buumlrger Diese schonungslose nokulation9 am Anderen aber in eigener Sache zielte auf eine therapeutisch-aumlsthetische Immunisierung der eigenen Vergangenheit Die Romantiker waren nun bekanntlich allesamt als junge Poeten und theoretisierende zutiefst fasziniert und gepraumlgt von Schiller und sahen sich nun im Prozess dtr eigenen poetischen und theoretischen Entwicklung mit dem Schillersehen Buumlrgersyndrom konfrontiert und der damit verbundenen Konnte man diese von Schiller vorgegebene Immunisierungs- und Befreiungsstrategie waumlhlen oder war diese Art von Inokulationsmethode nicht doch zutiefst problematisch Walter Benjamin hat einmal mit einem gewissen Staunen notiert dass die romantischen Schriftsteller gegenuumlber ungluumlcklichen vielschonungsvoller umgegangen seien als ihre als Klassiker titulierten Poeten Schiller lind Goefhc 30

Sicher ist jedenfalls dass den romantischen Kritiken und Polemiken eine reflexive Mit- und Gegenlektuumlre zum polemischell Verfahren Schillers in der Buumlrgenezension eingeschrieben ist Anders als Schiller verlieren sie bei allem Pathos des Scharfrichleramlcs nie das ludistisch-ironische Element aus dem Jedenfalls haben die Romantiker mit einiger Gcnuumlsslichkeit den hohen sehr hohen Maszligstab den Schiller an Gottrried und ~ein Werk

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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Schillers Poiemik gegen Biirger I 11

angelegt hatte an ihn und seine dIchterischen Werke ~ auch noch nach seinem Tod gleichermaszligen angdegt Ei nes der gravierenden Schillerscben Einwaumlnde gegen mirgers Produktionsweise war wir haben es schon erwaumlhnt - er habe noch im vollen Affekt und bei frischer Tat gedichtet den Schmerz im Schmerz die Hoffnung noch waumlhrend der Hoffnung und die Melancholie im Zustand der Misanthropie besehrieben statt aus der Ferne aus kuumlhler Distanz und in der Erinnenmg die einstmals gehabten Affekte darzustellen Tust gen au diesen Vorwurf wenden nUll die romantisehen Schriftsteller permanent auf Schiller lind sein Werk an indem sie als zentralen Vorwurf formulieren er missbrauche seine dargestellten Lieblingsfiguren zu seinem eigenen Sprachrohr er mische seine Stimmungen des Unmuts seine Interessen in die Dramen hinein schlimmer noch er lasse seine dargestellten Figuren Meinungen und Gefuumlhle zusammenfassend aumluszligem die eigentlich dem Zuhoumlrer Leser oder ZuschauLT selbst zustuumlnden Dass solche Kritik an Schillers scntenzenreichcr Manier3 auch dramen technische Eroumlrterungen zur Folge hatte laumlsst sich an der Diskussion zeigen die die Romantiker uumlber das Ende von Schillers Dramen fuumlhren Einige Zitate von August Wilhelm Schlegel und Sol ger koumlnnen dies gut belegen Schillers problematisches Gerechtigkeitsstreben zeige sich zum Beispiel in der Parteilichkeit fuumlr die ~1aria (in i4aria SllIart) in dem die Elisabeth mit Bitterkeit strafenden Sehlusse32 Die Einmischung des Autors Schiller seinen alten Unmut fanden wir auch im Wallenstein vor wo Octavio auch so unselig verlassen und verstoszligen stehen bleibt]3

Ludwig Tieck findet ein Bild fuumlr diese Kritik an Schiller man fuumlhle die Absicht des Diehters zu sehr indem er auf ein altes drucktechnisches Verfahren der Deixis auf der Randseite der Buchseiten venveist Schillers Einmischung seiner persoumlnlichen Meinungen und Stimmungen ins Drama gleiche den Zeilen in Buumlchem mit einer Hand bezeichnet man wird zum Aufmerken ennuntertH Das ProIozierende fuumlr die romantischen Schriftsteller aber war dass ausgerechnet das vas sie auf den aumlsthetischen Kriminalkodex setzten naumlmlich Schillers sentenzhafte Manier das Publikum schaumltzte Der zentrale lind Uumlbtf clreirJig Jahre anhaltende

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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112 GUuml0i I LR OESThfUL

Fragebrennpunkt fuumlr die romantischen Schriftsteller bleibt angesichts der Kluft zwischen ihrer scharfen Kritik und seiner Beliebtheit gleich Er lautet ob Schiller bloszlig ein mit psychologisch-kuumlnstlichem Kalkuumll operierender Inszenator gewesen oder ob seine unschlagbare Wirkmaumlchtigkeit doch eine unhintergehbare Moumlglichkeit modemer Poesie sei Hinter dieser Frage steht die Erfahrung der Romantiker dass Schillers Dramen und Teile seiner Lyrik trotz anhaltender KJitik immer beliebter und beliebter Vllrden 35 Schillers wachsende Popularitaumlt war ein dauerhafter Stachel im Fleisch der Romantiker Zusammenfassend laumlsst sich sagen die romantischen Schriftsteller konstmieren in der von ihnen in polemische Faszination erstellten Figur Schillers den Typ des missgluumlckten Dichters als ein Seitenstuumlck Gegenstuumlck und Aftcrbild ihrer selbst mit der Begruumlndung er sei ein dichtender Philosoph statt eines philosophischen Dichters Als rhetorischer Sentimentalist bediene 3r virtuos die problematischen Wirkmoumlglichkeiten in der Modeme Angesichts der Tatsache dass ihrer Meinung nach Schiller zwar die Epoche der neuen Kunst eingeleitet in diesen Neuanfang der Poesie zugleich aber ein modernes dekadentes Moment eingeschrieben habe steigem zumindest die Bruumlder Schlegel ihre Kritik am missgluumlckten Dichter zu dem VOfVllrf er verkoumlrpere das boumlse Prinzip in der Deutschen Literatur

Anmerkungen

VgL Joseph Jourt Das literarische Feld Das Konzept Pierte Bourdieus in Theorie und Praxis Dannstadt 1995

2 Dieter Henrich Konstellationen Probleme und Debatten am Urspmng der idealistisehen Philosophie (1789-1795) Stuttgart 1991

3 Friedrich Schlcgel Uumlber das Studium der Griechischen Poesic 1795-97 In Friedrich Schlegel Studien des Klassischen Altertums Hrsg von El11st Behler Paderborn u a 1979 S 366

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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Schillers Polemik gegen szliglilger 113

4 Friednch Schiller Vorrede zu Die Raumluber In Gerhard Kluge (Hrsg) ftiedrich Schiller Dramcn L (Werke und Briefe) 13lt1 2 Frankfurt 1988 S 50

5 Guumlntcr Oesterle Friedrich Schillers Semelc als Poetik toumldlicher Ekstase In Georg Braungart und Bernhard Greiner Schillers Natur Leben Denken und literarisches Schaffen Hamburg 2005 S 209-220

o VgL den Kommentar von Gerd Ingenkamp zu Schillers Bearbeitung von Louis Benoit Picards Der Neffe als Onkel In Friedrich Schiller Uumlbersetzungen und Bearbeitungen Hrsg von Gerd Ingenkamp (Werke und Briefe Bd 9) Frankfurt (l M 1995 S 1099

7 Fricdrich Schiller Schwaumlbischer Musenalmanach auf das Jahr 1782 Herausgegeben von G F Staumludlin In Friedrieh Schiller Theoretische Schriften Hrsg von Ralf Peter Janz (Werke und Brief) Bd 8 S 879

8 Fricdrich Schiller Kasualgedichte eines Wirtembergers In Friedrieh Schiller (wie Anm 7) S 884

9 Anthologie auf das Jahr 1782 Hrsg von Friedrieh Schiller Faksimile der bei Johann Benedict Metzler in Stuttgart anonym erschienenen ersten Auflage Stuttgart 1973 Baechus im Triller findet sich dort auf S 12

10 VgL Rolf Peter Janz LI a (Hrsg) Schwindelerfahrungen Zur kulturhistorischen Diagnose eines vieldeutigen Symrtol1ls Amsterdam 2003

11 Schiller (wie Anm 4) S 38 12 Georg Stanitzek Der Projektmacher Proj ektiltnen auf eme

unmoumlgliche- moderne Kategorie In Asthetik und Kommunikation 17 I H0566 S 135-140

13 Schiller nennt in seiner Rezension August Wilhelm Schlegel als Buumlrgers vortremichen Freund Schillers damals sich schon abzeichnende Distanz zu Friedrich Schlegel gilt nicht fur seinen Bruder August Wilhelm Schlegel Eine praumlzise Parallellektuumlre der Schlegclschen Hommage an Buumlrger von 1789 und Schillers Verriss zeigt deutlich Schillers doppelte Stoszligrichtung Friedrich

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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114 GON IIR OISTERLE

Schiller (Tber Buumlrgers Gedichte In Schi tier Theoretische Schriften (wie Anl11 7) S 987

14 VgL die von August Wilhclm Schlegel in den Goumlttingische(n) Anzeigen von gelehrten Sachen (109 Stuumlck) 1789 veroumlffentlichte Rezension der Gedichte von Gottfried August Buumlrger In Oskar Fambach Der Aufstieg zur Klassik 111 der Kritik der Zeit Berlin 1959 S 445

15 August Wilhelm Schlegel Uumlber Buumlrgers Werke In August Wilhelm und Friedrich Schlegel Charakteristiken und Kritiken Bd 2 Koumlnigsberg 1801 Zit in Fambach (wie Anm 14) S 483 f

16 Schiller Theoretische Schriften (wie Anm 7) S 976 17 Ebd S 973 18 Ebd S 981 19 Ebd S 983 20 Ebd 21 Bourdieu (wie Anm I) S 16 n Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 974 23 Ebd S 984 24 August Wilhelm Schlegel schreibt in seiner 1801 publizierten

Charakteristik Buumlrgers uumlber dessen 1l1itation durch Schillers Kritik der eigentlich fremde und aufgedungel1e BegritT der Idealitaumlt habe Gottfried August Buumlrger an sich selbst lITe gemacht (Fambach Al1m 14 S 4851

25 Schiller Buumlrgers Gedichte (wie Anmerkung 13) S 984 26 Schiller Uumlber Buumlrgers Gedichte (wie Anm 7) S 986 27 Ebd S 984 28 Friedrich an August Wilhelm Schlegel [n Oskar F Walze I

(Hrsg) Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm Berlin 1890 S 421

29 Den Begriff der Inokulation gebraucht der Mediziner Schiller selbst in seiner Poetik des Pathetischen V gl Helmut Koopmann Kleinere Schriften nach der Begegnung mit Kant In Helmut Koopmann (Hrsg) Schiller-HandbueL Sluttgart 1998 S 582

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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Schillers Polemik gegeJ 8iirgr I 15

30 Walter Benjamin Gesammelte Schriften von Roll Tiedemanll und HerlllUl11 Schweppcnhuumlucr Baud VI 2 Frankfurt a M 1985 S 216

31 Karl WiJhclm Ferdinand Solger Rezension von August Wilhelm Schlegel Ueber dramatische Kunst und Littratur Vorlesungen Heidelberg 1809 Erneut publiziert im Anhang des von Volthart Henckmann herausgegebenen Nachdrucks von Solgers Erwin Vier Gespraumlche uumlber das Schoumlne lind die Kunst Muumlnchen 1971 S467

32 Ebd S 468 33 Fbd 34 Ludwig Tieek Die Piccolomini WallenSleins Tod Erstmals

erschienen in der Dresdner AbendzeItung 251 121823 Zit In FrithofStoek (Hrsg) Friedrieh Schiller Wallcnstcin (Werke und Briefe) Bd 4 S 966

35 Vgl Ebd S 972 36 Friedrieh an August Wilhell1l Schlegel 7 Mai 1799 In Oskar F

Walzel (Hrsg) Friedrich Schlegels Briete an seinen Bruder August Wilhelm Berin 1890 S 421

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