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Anwälte für die Wirtschaft I VERLAGSBEILAGE DIENSTAG, 15. MÄRZ 2011 FÜHRENDE WIRTSCHAFTSANWÄLTE ZU AKTUELLEN THEMEN M&A I: ABSICHTSERKLÄRUNG UND DUE DILIGENCE D ie beiden Experten sind M&A-Partner bei Binder Grösswang Rechtsan- wälte und beraten in- und aus- ländische Unternehmenbei der Durchführung von komplexen Unternehmenstransaktionen, wie Mergers & Acquisitions, Übernahmeangeboten, Private Equity Transaktionen, Manage- ment-Buy-Outs und Restruktu- rierungen. WIRTSCHAFTSBLATT: Ist die Finanzkrise auf dem M&A-Markt schon überwunden? SCHIRMER: Seit 2010 ist wie- der eine deutliche Zunahme von M&A-Aktivitäten zu beo- bachten. Laut einer Studie von MERRIL rechnen derzeit 78% der europäischen Marktteil- nehmer mit Wachstum im Jahr 2011. Viele Unternehmen haben in den letzten zwei, drei Jahren beträchtliche liquide Mittel an- gehäuft und suchen, ausgestat- tet mit voller Kriegskasse, nach geeigneten Zielunternehmen im In- und Ausland, um den Wachs- tumskurs wieder aufzunehmen oder einfach nur um Schnäpp- chen aufzuspüren. Gehemmt wird das Wachstum aber nach wie vor durch die anhaltend hohen Erwartungen bei Verkäu- fern hinsichtlich der Kaufpreise, welche bis zum Einsetzen der Fi- nanzkrise aufgrund der enormen Nachfrage, vor allem auch sei- tens der Private Equity Fonds, mit aberwitzigen Multiples bei der Unternehmensbewertung erzielt werden konnten. KHOL: Auch die Banken sind bei der Vergabe von Akquisi- tionsfinanzierungen weiterhin vorsichtig und prüfen die Tar- gets sorgfältiger, was alternati- ve Finanzierungskonzepte, wie etwa Vendor Loans erforderlich macht, also die Kreditierung von Teilen des Kaufpreises durch den Verkäufer, um Finanzierungslü- cken zu schließen. Es ist jeden- falls noch kein Verkäufermarkt in Sicht – die Nachfrage nach Unternehmen übersteigt das Angebot. Solange die Käufer nicht bereit sind, höhere Preise zu zahlen, wird sich an der aktu- ellen Situation nichts ändern. WB: Geben die Käufer in der Praxis den Ton an? SCHIRMER: Die Käufer sind je- denfalls sehr viel vorsichtiger in Bezug auf den Einsatz von internen Ressourcen und ex- ternen Beratern. So sind heute viele Käufer erst nach Zusiche- rung von Exklusivität bereit, eine konkrete und umfassende Prüfung des Zielunternehmens durchzuführen und externe Be- rater wie Anwälte oder Wirt- schaftsprüfer zu engagieren. Häufig wird auch eine brake-up fee festgesetzt, also eine Pö- nale für den Fall des Abbruchs der Verhandlungen durch den Verkäufer. Dies wird regelmä- ßig bereits im Letter of Intent vereinbart. WB: Ist ein Letter of Intent, also eine Absichtserklärung, überhaupt verbindlich? KHOL: Der Letter of Intent, oft auch LoI, MoU oder Memoran- dum of Understanding genannt, kann unterschiedlichste Inhalte haben. Zumeist schafft er einen rechtlichen Rahmen für die Verhandlungen und legt das grundsätzliche Verständnis der Parteien über die Bedingungen der anstehenden Transaktion fest – insoweit ist der LoI quasi unverbindlich, wenngleich im weiteren Verlauf nicht unbe- achtlich. Andererseits treffen die Vertragspartner im LoI ty- pischerweise auch Regelungen zur Geheimhaltung der offen- gelegten Informationen, zum Abwerbeverbot von Mitarbei- tern oder eben zur Exklusivität bei den Verhandlungen, deren Dauer und deren Abbruchs. Diese Regelungen sollen wäh- rend der Verhandlungsphase ja verbindlich gelten, weshalb sich empfiehlt, im LoI genau zu definieren, welchen Klau- seln verbindlicher Charakter zukommen soll. SCHIRMER: In diesem Zusam- menhang hat unsere Praxis gezeigt, dass bei der Formulie- rung von Absichtserklärungen oftmals gravierende Fehler passieren, die leicht vermieden werden könnten, würden auch schon am Beginn einer Transak- tion die entsprechenden Exper- ten und Berater dazu geholt. WB: Was folgt dem Abschluss einer Absichtserklärung im Transaktionsprozess? SCHIRMER: Ist der LoI von den Vertragsparteien unterzeichnet, startet der Käufer mit einer Due Diligence-Prüfung, also einer sy- stematischen Analyse des Ziel- unternehmens nach rechtlichen, wirtschaftlichen und steuer- lichen Gesichtspunkten. Die ein- geholten Informationen bilden dabei die Basis für die Unter- nehmensbewertung und Kauf- preisfindung und sollen zudem dem Käufer helfen, verborgene Risiken zu identifizieren und ein entsprechendes vertragliches Garantie- oder Gewährleistungs- regime auszuarbeiten. Abseits von Kapitalmarkttransaktionen ist eine Due Diligence-Prüfung heutzutage conditio sine qua non für jede verantwortungsvoll handelnde Geschäftsführung. Diese Untersuchung wird von Verkäufern aber zunehmend mit dem unrichtigen Argument missbraucht, der Käufer brau- che aufgrund seiner intensiven Prüfung keinerlei Gewährlei- stungszusagen, weil er das Un- ternehmen besser kenne als der Verkäufer und die möglichen Ri- siken im Kaufpreis berücksichti- gt seien. Zu unseren Aufgaben gehört auch, hier einen zufrie- denstellenden Interessensaus- gleich zu schaffen. WB: In welcher Form werden die relevanten Informationen dem Kaufinteressenten heut- zutage zur Verfügung ge- stellt? KHOL: In der Praxis hat sich der elektronisch organisierte Datenraum durchgesetzt. Wir arbeiten nur noch dann mit phy- sischen Datenräumen, wenn für die Einrichtung des virtuellen Datenraums keine Zeit bleibt oder wenn das Dokumentenvo- lumen gering ist. Elektronische Datenräume erleichtern die Erfassung der offengelegten Informationen und zu heiklen Dokumenten kann rascher und einfacher kanzleiinterne Ex- pertise hinzugezogen werden. Zudem ist man nicht mehr an Öffnungszeiten des Daten- raums gebunden und gerade im internationalen Bereich lassen sich auch geographisch weit entfernte Objekte vom Büro aus untersuchen. Es gibt heute viele erfahrene Anbieter, die derartige Datenräume einrich- ten und verwalten. Umgekehrt ist es oft schwieriger, einen guten Überblick zu bekommen, wenn die Dokumentation nicht in Papierform vorliegt. WB: Inwiefern hat die Finanz- krise den Due Diligence Pro- zess verändert? SCHIRMER: Heute werden zunehmend Unternehmensbe- reiche untersucht, die früher eher kein Thema der recht- lichen Prüfung waren. Dazu gehören generell die The- menfelder Compliance und Legal Risk Management und insbesondere die Einhaltung von Geldwäsche- und Anti- korruptionsbestimmungen in verdachtsgeneigten Branchen. Wenn es um das Reporting an den Mandanten geht, wünschen diese zunehmend keine hunder- te Seiten langen deskriptiven Due Diligence-Berichte, son- dern kürzere sog. issues-based oder red flag reports, die die wesentlichen Problembereiche und Risiken aufzeigen. Von uns Anwälten wird heute erwartet, dass wir nicht nur gleich Lö- sungsvorschläge anbieten, son- dern die einzelnen Risiken auch betragsmäßig bewerten. KHOL: Daher wird heute ver- mehrt Seniorität und Experti- se verlangt wie sie erfahrene Rechtsanwälte mitbringen – jüngere Mitarbeiter kann man seltener einsetzen. Umgekehrt besteht ein hoher Druck, die Kosten niedrig zu halten. Dies gelingt nur, wenn die verschie- denen Due Diligence Teams gut koordiniert werden, effizient kommunizieren und die ge- nauen Aufgaben von Teammit- gliedern genau definiert sind. Eine gute Vorbereitung bringt also ein besseres Ergebnis für alle Beteiligten. WB: Danke für das Interview. NEUE SERIE. Als Auftakt zu einer Artikelserie zu Unternehmensakquisitionen und -zusammenschlüssen, befragte das WirtschaftsBlatt die Rechtsanwälte und M&A-Experten Thomas Schirmer und Florian Khol. © Walter J. Sieberer Dr. Florian Khol, Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH Dr. Thomas Schirmer, Partner bei Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH Das Interview führte Ing. Mag. Walter J. Sieberer

FÜHRENDE WIRTSCHAFTSANWÄLTE ZU AKTUELLEN … · seln verbindlicher Charakter zukommen soll. SCHIRMER: In diesem Zusam-menhang hat unsere Praxis gezeigt, dass bei der Formulie-rung

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Anwälte für die Wirtschaft IVerlAgsbeIlAge • DIenstAg, 15. März 2011

FÜHRENDE WIRTSCHAFTSANWÄLTE ZU AKTUELLEN THEMEN

M&A I: AbSICHTSERKLÄRUNg UND DUE DILIgENCE

D ie beiden Experten sind M&A-Partner bei Binder Grösswang Rechtsan-

wälte und beraten in- und aus-ländische Unternehmenbei der Durchführung von komplexen Unternehmenstransaktionen, wie Mergers & Acquisitions, Übernahmeangeboten, Private Equity Transaktionen, Manage-ment-Buy-Outs und Restruktu-rierungen.

WIRTSCHAFTSbLATT: Ist die Finanzkrise auf dem M&A-Markt schon überwunden?SCHIRMER: Seit 2010 ist wie-der eine deutliche Zunahme von M&A-Aktivitäten zu beo-bachten. Laut einer Studie von MERRIL rechnen derzeit 78% der europäischen Marktteil-nehmer mit Wachstum im Jahr 2011. Viele Unternehmen haben in den letzten zwei, drei Jahren beträchtliche liquide Mittel an-gehäuft und suchen, ausgestat-tet mit voller Kriegskasse, nach geeigneten Zielunternehmen im In- und Ausland, um den Wachs-tumskurs wieder aufzunehmen oder einfach nur um Schnäpp-chen aufzuspüren. Gehemmt wird das Wachstum aber nach wie vor durch die anhaltend hohen Erwartungen bei Verkäu-fern hinsichtlich der Kaufpreise, welche bis zum Einsetzen der Fi-nanzkrise aufgrund der enormen Nachfrage, vor allem auch sei-tens der Private Equity Fonds, mit aberwitzigen Multiples bei der Unternehmensbewertung erzielt werden konnten. KHOL: Auch die Banken sind bei der Vergabe von Akquisi-tionsfinanzierungen weiterhin vorsichtig und prüfen die Tar-gets sorgfältiger, was alternati-ve Finanzierungskonzepte, wie etwa Vendor Loans erforderlich macht, also die Kreditierung von Teilen des Kaufpreises durch den Verkäufer, um Finanzierungslü-cken zu schließen. Es ist jeden-falls noch kein Verkäufermarkt in Sicht – die Nachfrage nach Unternehmen übersteigt das Angebot. Solange die Käufer nicht bereit sind, höhere Preise zu zahlen, wird sich an der aktu-ellen Situation nichts ändern.

Wb: geben die Käufer in der Praxis den ton an?SCHIRMER: Die Käufer sind je-denfalls sehr viel vorsichtiger in Bezug auf den Einsatz von internen Ressourcen und ex-ternen Beratern. So sind heute

viele Käufer erst nach Zusiche-rung von Exklusivität bereit, eine konkrete und umfassende Prüfung des Zielunternehmens durchzuführen und externe Be-rater wie Anwälte oder Wirt-schaftsprüfer zu engagieren. Häufig wird auch eine brake-up fee festgesetzt, also eine Pö-nale für den Fall des Abbruchs der Verhandlungen durch den Verkäufer. Dies wird regelmä-ßig bereits im Letter of Intent vereinbart.

Wb: Ist ein letter of Intent, also eine Absichtserklärung, überhaupt verbindlich?KHOL: Der Letter of Intent, oft auch LoI, MoU oder Memoran-dum of Understanding genannt, kann unterschiedlichste Inhalte haben. Zumeist schafft er einen rechtlichen Rahmen für die Verhandlungen und legt das grundsätzliche Verständnis der Parteien über die Bedingungen der anstehenden Transaktion fest – insoweit ist der LoI quasi unverbindlich, wenngleich im

weiteren Verlauf nicht unbe-achtlich. Andererseits treffen die Vertragspartner im LoI ty-pischerweise auch Regelungen zur Geheimhaltung der offen-gelegten Informationen, zum Abwerbeverbot von Mitarbei-tern oder eben zur Exklusivität bei den Verhandlungen, deren Dauer und deren Abbruchs. Diese Regelungen sollen wäh-rend der Verhandlungsphase ja verbindlich gelten, weshalb sich empfiehlt, im LoI genau zu definieren, welchen Klau-seln verbindlicher Charakter zukommen soll.SCHIRMER: In diesem Zusam-menhang hat unsere Praxis gezeigt, dass bei der Formulie-rung von Absichtserklärungen oftmals gravierende Fehler passieren, die leicht vermieden werden könnten, würden auch schon am Beginn einer Transak-tion die entsprechenden Exper-ten und Berater dazu geholt.

Wb: Was folgt dem Abschluss einer Absichtserklärung im

transaktionsprozess?SCHIRMER: Ist der LoI von den Vertragsparteien unterzeichnet, startet der Käufer mit einer Due Diligence-Prüfung, also einer sy-stematischen Analyse des Ziel-unternehmens nach rechtlichen, wirtschaftlichen und steuer-lichen Gesichtspunkten. Die ein-geholten Informationen bilden dabei die Basis für die Unter-nehmensbewertung und Kauf-preisfindung und sollen zudem dem Käufer helfen, verborgene Risiken zu identifizieren und ein entsprechendes vertragliches Garantie- oder Gewährleistungs-regime auszuarbeiten. Abseits von Kapitalmarkttransaktionen ist eine Due Diligence-Prüfung heutzutage conditio sine qua non für jede verantwortungsvoll handelnde Geschäftsführung. Diese Untersuchung wird von Verkäufern aber zunehmend mit dem unrichtigen Argument missbraucht, der Käufer brau-che aufgrund seiner intensiven Prüfung keinerlei Gewährlei-stungszusagen, weil er das Un-

ternehmen besser kenne als der Verkäufer und die möglichen Ri-siken im Kaufpreis berücksichti-gt seien. Zu unseren Aufgaben gehört auch, hier einen zufrie-denstellenden Interessensaus-gleich zu schaffen.

Wb: In welcher Form werden die relevanten Informationen dem Kaufinteressenten heut-zutage zur Verfügung ge-stellt?KHOL: In der Praxis hat sich der elektronisch organisierte Datenraum durchgesetzt. Wir arbeiten nur noch dann mit phy-sischen Datenräumen, wenn für die Einrichtung des virtuellen Datenraums keine Zeit bleibt oder wenn das Dokumentenvo-lumen gering ist. Elektronische Datenräume erleichtern die Erfassung der offengelegten Informationen und zu heiklen Dokumenten kann rascher und einfacher kanzleiinterne Ex-pertise hinzugezogen werden. Zudem ist man nicht mehr an Öffnungszeiten des Daten-

raums gebunden und gerade im internationalen Bereich lassen sich auch geographisch weit entfernte Objekte vom Büro aus untersuchen. Es gibt heute viele erfahrene Anbieter, die derartige Datenräume einrich-ten und verwalten. Umgekehrt ist es oft schwieriger, einen guten Überblick zu bekommen, wenn die Dokumentation nicht in Papierform vorliegt.

Wb: Inwiefern hat die Finanz-krise den Due Diligence Pro-zess verändert? SCHIRMER: Heute werden zunehmend Unternehmensbe-reiche untersucht, die früher eher kein Thema der recht-lichen Prüfung waren. Dazu gehören generell die The-menfelder Compliance und Legal Risk Management und insbesondere die Einhaltung von Geldwäsche- und Anti-korruptionsbestimmungen in verdachtsgeneigten Branchen. Wenn es um das Reporting an den Mandanten geht, wünschen diese zunehmend keine hunder-te Seiten langen deskriptiven Due Diligence-Berichte, son-dern kürzere sog. issues-based oder red flag reports, die die wesentlichen Problembereiche und Risiken aufzeigen. Von uns Anwälten wird heute erwartet, dass wir nicht nur gleich Lö-sungsvorschläge anbieten, son-dern die einzelnen Risiken auch betragsmäßig bewerten.KHOL: Daher wird heute ver-mehrt Seniorität und Experti-se verlangt wie sie erfahrene Rechtsanwälte mitbringen – jüngere Mitarbeiter kann man seltener einsetzen. Umgekehrt besteht ein hoher Druck, die Kosten niedrig zu halten. Dies gelingt nur, wenn die verschie-denen Due Diligence Teams gut koordiniert werden, effizient kommunizieren und die ge-nauen Aufgaben von Teammit-gliedern genau definiert sind. Eine gute Vorbereitung bringt also ein besseres Ergebnis für alle Beteiligten.

Wb: Danke für das Interview.

NEUE SERIE. Als Auftakt zu einer Artikelserie zu Unternehmensakquisitionen und -zusammenschlüssen, befragte das WirtschaftsBlatt die Rechtsanwälte und M&A-Experten Thomas Schirmer und Florian Khol.

© Walter J. Sieberer

Dr. Florian Khol, Partner bei binder grösswang Rechtsanwälte gmbH

Dr. Thomas Schirmer, Partner bei binder grösswang Rechtsanwälte gmbH

Das Interview führte

Ing. Mag.Walter J. Sieberer