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Mediendienst 6 25. Juni 2015 Fünf Jahre UNO-Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung Eine Milliarde Menschen verrichtet Notdurft im Freien Kim Müller, Geert van Dok Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung. Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.

Fünf Jahre UNO-Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung

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Mediendienst 6/2015 Fünf Jahre UNO-Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung Eine Milliarde Menschen verrichtet Notdurft im Freien (Kim Müller, Geert van Dok)

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Mediendienst 6 25. Juni 2015

Fünf Jahre UNO-Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung

Eine Milliarde Menschen verrichtet Notdurft im Freien Kim Müller, Geert van Dok

Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung.

Für Rückfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verfügung.

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Caritas Schweiz, Mediendienst 6, 25. Juni 2015

Fünf Jahre UNO-Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung

Eine Milliarde Menschen verrichtet Notdurft im Freien

Am 28. Juli 2010 hiess die UN-Vollversammlung die Resolution für ein „Menschenrecht auf saube-

res Wasser und sanitäre Einrichtungen“ ohne Gegenstimme gut, mit 122 Ja-Stimmen bei 41 Ent-

haltungen. Die Entwicklungsländer stimmten fast ausnahmslos dafür, während eine Mehrheit der

Industrieländer sich der Stimme enthielt. Die Schweiz stimmte der Resolution zu. Fünf Jahre da-

nach muss festgestellt werden, dass trotz eines verstärkten Engagements in vielen Teilen der Welt

noch immer grosse Not herrscht.

Laut eines Berichts der UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2014 erhielten seit 1990

mehr als 2,3 Milliarden Menschen neu Zugang zu Trinkwasser. Das Millenniumsentwicklungsziel 7, wo-

nach die Anzahl jener Menschen, die keinen nachhaltigen Zugang zu sicherem Trinkwasser und sanitären

Einrichtungen haben, bis Ende 2015 um die Hälfte zu senken sei, war bereits 2010 erreicht worden. Al-

lerdings stirbt trotz dieses markanten Fortschritts gemäss einer WHO-Studie noch immer alle drei bis vier

Sekunden ein Kind in einem Entwicklungsland an einer Durchfallerkrankung. 2,5 Milliarden Menschen –

mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung – haben noch immer keinen Zugang zu angepasster sanitärer

Infrastruktur. Weiterhin hat eine Milliarde Menschen keine Latrinen zur Verfügung und muss ihre Not-

durft im Freien verrichten. Dazu kommen oftmals schlechte Hygienebedingungen, aber auch ein man-

gelndes Hygienebewusstsein wie regelmässiges Händewaschen. Hunderte Millionen Menschen wissen

nicht, was eine Seife ist. Noch immer verwenden noch heute nach Schätzung der WHO 1,8 Milliarden

Menschen verschmutztes, stark gesundheitsgefährdendes Wasser.

Gegen den Ausschluss armer und benachteiligter Bevölkerungsgruppen

Das 2010 verabschiedete Recht auf Wasser und sanitäre Einrichtungen wird dem „Internationalen Pakt

über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (Sozialpakt) von 1966 zugeordnet. Das darin enthal-

tene Recht auf einen angemessenen Lebensstandard (Art. 11) sowie auf Gesundheit (Art. 12) umfasst

nach allgemeiner Lesart auch ein Recht auf ausreichende Versorgung mit Trinkwasser. So war die Verab-

schiedung der UN-Resolution vor fünf Jahren mehr als politisches Statement. Sie flankierte die Aktionen

der Internationalen Dekade „Water for Life 2005-2015“ und stellte das Recht auf sauberes Wasser und

sanitäre Grundversorgung in einen rechtlich verbindlichen Rahmen. Die UN-Staaten wurden verpflichtet,

diese grundlegenden Bedürfnisse zu gewährleisten. Bis heute wurde die Resolution von knapp drei Vier-

teln der UN-Staaten ratifiziert. Die Resolution stellt Trinkwasser und sanitäre Grundversorgung gleich-

wertig auf eine Stufe – ein wichtiger und richtiger Schritt. Drei Stossrichtungen sind dabei zentral:

Verfügbarkeit und Nicht-Diskriminierung: Sicherer Zugang zu ausreichend Wasser und sanitärer

Grundversorgung muss für alle gewährleistet sein, das heisst auch für benachteiligte, gefährdete und

schutzbedürftige Gruppen.

Erschwinglichkeit: Der Zugang zu Wasser und sanitärer Grundversorgung hat einen Preis. Doch dür-

fen die Kosten für die Wasserversorgung und -entsorgung auch für die ärmsten Bevölkerungsgruppen

nicht mehr als drei Prozent des Haushaltbudgets ausmachen.

Qualität: Die Trinkwasserqualität muss dem gefahrlosen Verzehr (Trinken, Zubereitung von Speisen)

und der sicheren Nutzung für Hygiene genügen.

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Caritas Schweiz, Mediendienst 6, 25. Juni 2015

Zugang gewährleisten, Rechte einfordern

Seit über 30 Jahren setzt sich Caritas Schweiz für verbesserte Trinkwasserversorgung, bessere Hygiene

und angepasste sanitäre Grundversorgung in Entwicklungsländern ein. Dabei verfolgt sie unterschiedliche

Ansätze, wobei sie Dorfgemeinschaften sensibilisiert, berät und praktisch unterstützt, Wasser- und Sani-

tärinfrastruktur erstellt und die Bevölkerung hinsichtlich Betrieb und Wartung der Anlagen ausbildet –

dies immer als Hilfe zur Selbsthilfe. Gleichzeitig unterstützt sie die betroffenen Menschen dabei, für die

Durchsetzung ihres Rechts auf Wasser und sanitäre Grundversorgung ihre Stimme zu erheben.

Noch immer verrichten in Indien 600 Millionen Menschen ihre Notdurft im Freien. Der indische Staat

setzt im Zuge der Umsetzung der UN-Resolution das wohl weltweit grösste staatliche Programm zur Ver-

ringerung der offenen Defäkation um und subventioniert den Bau von Latrinen. Gemeinsam mit einer

Partnerorganisation engagiert sich Caritas Schweiz für die Rechte der am stärksten marginalisierten Be-

völkerungsgruppen: der indigenen Adivasi und kastenlosen Dalit. Frauengruppen erhalten gezielt Unter-

stützung, die Hygiene in ihren Dörfern zu verbessern und ihr Recht auf finanzielle Unterstützung für Lat-

rinen einzufordern. So hat beispielsweise heute in Singaguden, einem Dorf im südindischen Andra Pra-

desh, praktisch jeder Haushalt Zugang zu sauberem Trinkwasser und einer eigenen Latrine.

Im Süden von Bangladesch wird Regenwasser oftmals in Teichen gesammelt und vielfältig genutzt, mit-

unter auch als Trinkwasser. Da die Verschmutzung bei offenen Wasserfassungen aber sehr hoch ist, muss

das Wasser für den menschlichen Konsum aufbereitet werden. Zusammen mit der lokalen Bevölkerung

und ihren Partnerorganisationen arbeitet Caritas Schweiz daran, mittels verschiedener Massnahmen die

Trinkwasserqualität nachhaltig sicherzustellen: Dazu gehören insbesondere die Sicherung der Wasser-

quelle vor Verschmutzung, die Sensibilisierung der Bevölkerung, die Entwicklung effizienter und bezahl-

barer Methoden zur Wasseraufbereitung sowie die Durchführung regelmässiger Labortests.

Einen Schwerpunkt legt Caritas auf Hygiene, sauberes Trinkwasser und geschlechtergetrennte Toiletten

für Mädchen und Buben in Schulen. Aufgrund der Erfahrungen in Somaliland und anderen ostafrikani-

schen Ländern hat sie einen Leitfaden für die Sensibilisierung von Kindern entwickelt. Schulkinder ler-

nen spielerisch, was hinsichtlich Hygiene im Alltag zu beachten ist. Gleichzeitig tragen sie dieses Wissen

nach Hause zurück und motivieren ihre Familien, die Verhaltensregeln ebenfalls einzuhalten.

Keine Menschenwürde ohne sanitäre Grundversorgung

Vor 67 Jahren schrieb die UN-Staatengemeinschaft in die Menschenrechtserklärung: „Alle Menschen

sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Sauberes Trinkwasser gilt als unabdingbare Vor-

aussetzung für diese Menschenwürde. Fünf Jahre nach Verabschiedung der UNO Resolution kann festge-

stellt werden, dass auch der sanitären Grundversorgung vermehrt eine grosse Beachtung beigemessen

wird. Doch noch liegt Vieles im Argen. Caritas wird sich weiterhin und verstärkt dafür einsetzen, dass die

Ärmsten nicht ausgeschlossen werden und auch sie in Würde leben können.

Kim Müller, Fachstelle Wasser, Caritas Schweiz, E-Mail [email protected], Tel. 041 419 22 75

Geert van Dok, Fachstelle Entwicklungspolitik, Caritas Schweiz, E-Mail [email protected],

Tel. 041 419 23 95

Weitere Informationen: www.caritas.ch/de/was-wir-tun/engagement-weltweit/wasser/