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Funktionentheorie Jürgen Elstrodt 1. April 2003

Funktionentheorie - Münsterj-engel/Mathe/FT.pdf · 2004-04-08 · Ist f in z0 komplex differenzierbar, so ist notwendig g(z0) = f′(z0), und es kann U =D gewählt werden. Bemerkung

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Funktionentheorie

Jürgen Elstrodt

1. April 2003

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Teil I

Komplex differenzierbareFunktionen

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Kapitel 1

Komplexe Differenzierbarkeit

1.1 Definition (Komplexe Differenzierbarkeit) nach BERNHARD RIEMANN , 1826–1866. SeiD ⊂ C offen, f : D → C.

a) f heißt inz0 ∈ D komplex differenzierbar, wenn

limz→z0z6=z0

f (z)− f (z0)

z−z0=: f ′ (z0) =

d fdz

(z0)

existiert. f ′ (z0) heißt dann dieAbleitungvon f in z0. Höhere Ableitungensinngemäß.

b) f heißt (komplex) differenzierbar aufD oderholomorphauf D, wenn f injedem Punkt vonD komplex differenzierbar ist.

c) f heißt holomorph inz0 ∈ D, wenn es eine offene UmgebungU ⊂ D vonz0,so dassf |U holomorph ist.

1.2 Satz (Umformulierung) nach CONSTANTIN CARATHÉODORY, 1873–1950.Sei D⊂ C offen, f : D → C, z0 ∈ D. Dann gilt: f ist in z0 komplex differenzierbar⇔ Es gibt eine offene Umgebung U⊂ D von z0 und eine in z0 stetige Funktiong : U → C, so dass

f (z)− f (z0) = (z−z0)g(z) (z∈U)

Ist f in z0 komplex differenzierbar, so ist notwendig g(z0) = f ′ (z0), und es kannU = D gewählt werden.

Bemerkung Schreibt man die Gleichung fürg in der Form

f (z) = f (z0)+g(z0)(z−z0)+(g(z)−g(z0))︸ ︷︷ ︸

=ϕ(z)z→t0−−→0

(z−z0) ,

so sieht man, dass komplexe Differenzierbarkeit eng verwandt ist mit dem Begriffder totalen Differenzierbarkeit aus Analysis II. Siehe dazu Elstrodt (2002a)

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Beweis „⇐“ trivial, und es folgt auchf ′ (z0) = g(z0).

„⇒“ SeiU := D und

g(z) :=

{f (z)− f (z0)

z−z0für z∈U,z 6= z0

f ′ (z0) für z= z0

g leistet das Verlangte. 2

1.3 Korollar f sei inz0 komplex differenzierbar⇒ f ist in z0 stetig.

Beweis 1.2. 2

1.4 Satz (Rechenregeln)Sei D⊂ C offen, z0 ∈ D, f ,g : D → C seien in z0 diffe-renzierbar.

a) Für alle α,β ∈ C ist α f +βg in z0 differenzierbar mit

(α f +βg)′ (z0) = α f ′ (z0)+βg′ (z0) .

b) f ·g ist in z0 differenzierbar mit

( f ·g)′ (z0) = f ′ (z0)g(z0)+ f (z0)g′ (z0) .

c) Ist g(z0) 6= 0, so ist fg in einer offenen Umgebung U von z0 sinnvoll, in z0

differenzierbar und

(fg

)′(z0) =

f ′ (z0)g(z0)− f (z0)g′ (z0)

(g(z0))2

Beweis wie im reellen Fall:

a) klar

b)( f ·g)(z)− ( f ·g)(z0)

z−z0=

f (z)− f (z0)

z−z0g(z)+ f (z0)

g(z)−g(z0)

z−z0

z→z0−−−→ f ′ (z0)g(z0)+ f (z0)g′ (z0) ,

dag in z0 stetig ist.

c) Nach b) reicht der Beweis fürf = 1. g stetig inz0 undg(z0) 6= 0⇒ es gibteine offene UmgebungU ⊂ D von z0 mit g(z) 6= 0 (z∈U). ⇒ 1

g : U → Cist sinnvoll,

1g (z)− 1

g (z0)

z−z0= −g(z)−g(z0)

z−z0· 1g(z)g(z0)

z→z0−−−→− g′ (z0)

(g(z0))2 ,

dag in z0 stetig ist,g(z0) 6= 0. 2

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1.5 Beispiele a) f0(z) := 1 (z∈ C) ist komplex differenzierbar mitf ′0(z) =0.f1(z) := z (z∈ C) ist komplex differenzierbar mitf ′1(z) = 1.Induktion mit Produkt-Regel (1.4 b)) liefert:fn(z) := zn (z∈ C) ,n∈N0 ist komplex differenzierbar mitf ′n(z)= n·zn−1.Rechenregeln (1.4)⇒ Jede Polynomfunktion

p : C → C, p(z) :=n

∑k=0

αkzk, αk ∈ C,k = 0, . . . ,n

ist komplex differenzierbar mit

p′ (z) =n−1

∑k=0

k ·αkzk−1.

b) p,q seien Polynome,q 6≡ 0, D := C\{z∈ C : q(z) = 0}︸ ︷︷ ︸

endlich⇒D offen

. Dann ist pq : D →

C holomorph, und die Ableitung bestimmt man mit der Quotientenregel(1.4 c)).

c) f : C → C, f (z) := z (z∈ C). Zur Überprüfung der komplexen Diffe-renzierbarkeit vonf betrachten wir den Differentenquotienten:

f (z)− f (z0)

z−z0=

z−z0

z−z0=

{1 für z= z0 + t t ∈ R, t 6= 0−1 für z= z0 + it t ∈ R, t 6= 0

⇒ limz→z0z6=z0

f (z)− f (z0)z−z0

existiert nicht.⇒ f ist in keinemz0 ∈ C differenzierbar.

1.6 Satz (Kettenregel)Es seien D,U ⊂ C offen, g: D → U in z0 ∈ D komplexdifferenzierbar, f: U → C in g(z0) komplex differenzierbar.⇒ f ◦g : D → C ist inz0 komplex differenzierbar mit( f ◦g)′ (z0) = f ′ (g(z0))g′ (z0).

Beweis Mit 1.2.

∀z∈ D g(z)−g(z0) = (z−z0)ϕ (z)

mit einemϕ : D → C stetig inz0.

∀w∈U f (w)− f (w0) = (w−w0)ψ (w)

mit einemψ : U → C stetig inw0 := g(z0).Setzew := g(z) (z∈ D).

⇒∀z∈ D f (g(z))− f (g(z0)) = (g(z)−g(z0))ψ (g(z))

= (z−z0) ϕ (z)︸︷︷︸

stetig inz0

ψ (g(z))︸ ︷︷ ︸

stetig inz0

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mit ϕ (z0) = g′ (z0). ψ (g(z)) ist dabei stetig inz0, da auchg in z0 stetig ist mitψ (g(z0)) = f ′ (g(z0)). ⇒ f ◦g ist in z0 differenzierbar mit

( f ◦g)′ (z0) = f ′ (g(z0))g′ (z0) 2

1.7 Beispiel f : K1(0)∪K1(3) → C, f |K1(0) := 0, f |K1(3) := 1. ⇒ f istholomorph,f ′ = 0, f ist nicht konstant aber lokal konstant.

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Kapitel 2

Zusammenhang

Wiederholung Ein topologischer Raum(X,T) ist eine MengeX mit einer Men-geT ⊂ P(X) genannt Topologie vonX, so dass

(T.1) /0∈ T, X ∈ T

(T.2) A,B∈ T ⇒ A∩B∈ T

(T.3) (Aι)ι∈I ∈ T ⇒ ⋃

ι∈I Aι ∈ T.

Die Elemente vonT heißenoffene Mengen.A⊂ X abgeschlossen:⇔ Ac := X\A∈ T.IstY ⊂ X, so istT |Y := {A∩Y,A∈ T} eine Topologie aufY, die sog.Spurtopolo-giebzw.Relativtopologiebzgl.T aufY. Die Mengen ausT |Y heißen relativ offenoderoffen relativ Y.

2.1 Definition (Zusammenhang)Ein topologischer Raum(X,T) heißtzusammen-hängend, wenn es keine offenen MengenA,B⊂ X gibt mit A 6= /0 6= B, X = A∪B,A∩B = /0.Eine TeilmengeY ⊂ X heißt zusammenhängend, wenn(Y,T |Y) zusammenhän-gend ist.Äquivalente Formulierungen:

(i) Ein topologischer Raum ist genau dann unzusammenhängend, wenn eralsdisjunkte Vereinigung zweier nicht-leerer offener Mengen geschrieben wer-den kann.

(ii) X zusammenhängend:⇔ Für jede nicht-leere offene und abgeschlossene Teil-mengeA⊂ X gilt: A = X.

2.2 Satz (Zusammenhängende Teilmengen vonR) Die zusammenhängenden Teil-mengen vonR sind genau die folgenden:/0, R, {a} ,a∈R und alle Intervalle (offen,abgeschlossen, halboffen einschließlich der Halbgeraden).

Beweis 1. Schritt Jede zusammenhängende Teilmenge vonR ist eine der genann-ten:

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Begründung Sei M ⊂ R zusammenhängend. EnthältM höchstens 1Element, so folgt die Behauptung.M enthalte also mindestens 2 Ele-mente. Seienα ,β ∈ M, OBdA α < β . Dann ist zu zeigen:[α ,β ] ⊂ M.Annahme:∃x∈ [a,b] ,x /∈ M. ⇒ α < x < β , T sei die Topologie vonR.

α ∈ A := ]−∞,x[∩M ∈ T |M

β ∈ B := ]x,∞[∩M ∈ T |M

⇒ A 6= /0 6= B, A∪B = M, A∩B = /0

⇒ M ist nicht zusammenhängend.E⇒∀α ,β ∈ M,α < β [α,β ] ⊂ M. ⇒ M ist ein Intervall.

2. Schritt Alle genannten Mengen sind zusammenhängend:

Begründung /0 und {a}, (a ∈ R) sind zusammenhängend. SeiM ⊂R ein Intervall. Wir zeigen:M ist zusammenhängend. Beweis indirekt.Annahme:M sei nicht zusammenhängend.

⇒∃A,B∈ T |M mit M = A∪B, A 6= /0 6= B, A∩B = /0

⇒∃x∈ A,y∈ B OBdA x < y

Seiξ := sup{t ∈ R, [x, t] ⊂ A}. Beachte:A hat die FormM∩U , U ∈ T.Wegenx∈U ist auch]x− ε,x+ ε[⊂U für ein hinreichend kleinesε > 0,ferner[x,x+ ε[⊂M für ein hinreichend kleinesε > 0, daM ein Intervallist undx< y. Ferner ist[x,y] 6⊂A, day∈B.⇒{t ∈ R, [x, t] ⊂ M} ist nachoben beschränkt. Es gilt:x < ξ ≤ y⇒ ξ ∈ M.

1. Fall Annahme:ξ ∈ A⇒ x < ξ < y, ξ ∈U

⇒∃ε > 0 x < ξ − ε2, ]ξ − ε,ξ + ε[ ⊂U (2.1)

]ξ − ε,ξ + ε[ ⊂ M

⇒[

x,ξ +ε2

]

=[

x,ξ − ε2

]

︸ ︷︷ ︸

⊂A nach Def.

∪[

ξ − ε2,ξ +

ε2

]

︸ ︷︷ ︸

⊂A nach (2.1)

⊂ A E

2. Fall Annahme:ξ ∈ B. B hat die FormB = M∩V mit V ∈ T.

⇒∃ε > 0 ]ξ − ε,ξ + ε[ ⊂V, ]ξ − ε,ξ + ε[ ⊂ M,

dennx < ξ , x∈ M, M Intervall.

⇒ ]ξ − ε,ξ ] ⊂ B.

Aber: [x,ξ −δ ] ⊂ A für alle δ > 0.⇒ A∩B 6= /0 E

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⇒ Behauptung. 2

WiederholungDefinition: Umgebung Seien(X,T) ein topologischer Raum,a∈ X, U ⊂ X. UheißtUmgebungvona :⇔

∃A∈ T, a∈ A⊂U.

U muss dazu nicht notwendig selbst offen sein.U(a) := Menge der Umgebungenvona.(X,T) heißtHausdorff-Raum(benannt nach FELIX HAUSDORFF) :⇔

∀x,y∈ X,x 6= y ∃U ∈ U(x) ,V ∈ U(y) U ∩V = /0.

Definition: Konvergenz Seien an,a ∈ X (n∈ N), (X,T) ein topologischerRaum.(an)n≥1 konvergiert gegena :⇔

∀U ∈ U(a) ∃n0 ∈ N ∀n≥ n0 an ∈U.

Definition: Stetigkeit Seien(X,S) ,(Y,T) topologische Räume,a∈ X, f : X →Y. f heißt stetig ina :⇔

∀V ∈ U( f (a)) ∃U ∈ U(a) f (U) ⊂V.

f heißt stetig⇔ f ist stetig in jedem Punkt vonX.

Satz (X,S) ,(Y,T) seien topologische Räume,f : X →Y. Dann gilt: f ist stetig⇔

∀V ∈ T f−1(V) ∈ S

⇔∀A⊂Y,A abgeschlossen f−1(A) abgeschlossen inX

2.3 Satz Seien(X,T) ,(Y,T′) topologische Räume, f: X →Y stetig, X zusammen-

hängend.⇒ f (X) ist zusammenhängend.

Beweis SeienA,B ∈ T′, f (X) ⊂ A∪B, f (X)∩A∩B = /0. Dann ist zu zeigen:A∩ f (X) = /0 oderB∩ f (X) = /0.

Begründung

f (X) ⊂ A∪B⇒ X = f−1(A)︸ ︷︷ ︸

∈T

∪ f−1(B)︸ ︷︷ ︸

∈T

,

da f stetig ist.

f (X)∩A∩B = /0⇒ f−1(A)∩ f−1(B) = /0.

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X zusammenhängend⇒ f−1(A) = /0 oder f−1(B) = /0.

⇒ f(

f−1(A))

= A∩ f (X) = /0 ∨ f(

f−1(B))

= B∩ f (X) = /0

⇒ Behauptung. 2

Zur Erinnerung f : X → Y stetig, X,Y topologische Räume,X kompakt⇒f (X) kompakt.

2.4 Beispiel Sei f : [a,b]→R stetig.[a,b] zusammenhängend nach 2.3⇒ f ([a,b])

ist zusammenhängend2.3⇒ f ([a,b]) ist ein Intervall (ggf. einelementig). Satz von

Heine und Borel⇒ [a,b] ist kompakt, und mit Satz 39.10 aus Elstrodt (2002a)folgt: f ([a,b]) ist kompakt.Ergebnis:f ([a,b]) ist ein kompaktes Intervall.⇒ Zwischenwertsatz, Satz über dieAnnahme von Maximum und Minimum.

2.5 Definition (Stetige Kurve) Sei (X,T) ein topologischer Raum. EinestetigeKurve oder einstetiger Wegin X ist eine stetige Abbildungγ : [a,b] → X, a,b ∈R,a < b. γ (a) =:Anfangspunkt vonγ, γ (b) =: Endpunkt vonγ.Vorstellung:γ = Bahnkurve eines beweglichen Punktes, der sich im Laufe der Zeitt ∈ [a,b] von γ (a) nachγ (b) bewegt.Beachte:γ ist von der Bildmengeγ ([a,b]) zu unterscheiden. Z. B. sind

γ1 : [0,2π] → R2, γ1(t) :=

(costsint

)

und

γ2 : [0,4π] → R2, γ2(t) :=

(costsint

)

verschiedene Kurven mit gleicher Bildmenge.

2.6 Definition (Wegzusammenhängend)(X,T) heißtwegzusammenhängend, wennzu allenx,y∈ X ein stetiger Wegγ : [a,b] → X existiert mitγ (a) = x, γ (b) = y.

2.7 Beispiel (Konvexe Mengen)M ⊂Rn heißtkonvex, wenn für allex,y∈ M gilt:{x+ t (y−x) , t ∈ [0,1]} ⊂ M. Jede konvexe Teilmenge desRn ist wegzusammen-hängend. Z. B. sindKr (a), Kr (a), {x∈ Rn,x1 > 0} konvex, also wegzusammen-hängend.

2.8 Satz (wegzusammenhängend⇒zusammenhängend)Jeder wegzusammenhän-gende topologische Raum ist zusammenhängend.

Beweis SeiX wegzusammenhängend,X = A∪B, A,B offen,A 6= /0 6= B. Dann istzu zeigen:A∩B 6= /0.WegenA 6= /0 6= B existierenx ∈ A,y ∈ B. X ist wegzusammenhängend⇒ ∃ ein

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0,0 0,5 1,0 1,5 2,0

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

Abbildung 2.1:X aus 2.9

stetiger Wegγ : [a,b] → X mit γ (a) = x, γ (b) = y. U := γ−1(A), V := γ−1(B).⇒U,V sind relativ offene Teilmengen von[a,b], [a,b] = U ∪V, a∈U ⇒U 6= /0,

b∈V ⇒V 6= /0. [a,b] ist zusammenhängend2.2⇒ U ∩V 6= /0. Seit ∈U ∩V.⇒ γ (t)∈

A∩B. ⇒ A∩B 6= /0. 2

2.9 Beispiel (zusammenhängend;wegzusammenhängend)Ein zusammenhän-gender topologischer Raum braucht nicht wegzusammenhängend zu sein.

X :=

{(t

sin1t

)

, t > 0

}

∪{(

0y

)

, |y| ≤ 1

}

ist zusammenhängend aber nicht wegzusammenhängend siehe Abb. 2.1

2.10 SatzSei X⊂ Rn offen. Dann ist äquivalent:

a) X ist zusammenhängend.

b) X ist wegzusammenhängend

c) Zu je zwei Punkten p,q ∈ X gibt es einen stetigen Streckenzug in X mitAnfangspunkt p und Endpunkt q. Dies entspricht der Definition von Elstrodt(2002a) 42.3.

Beweis a)⇒c) Sei X zusammenhängend. IstX leer, so ist die Behauptung klar.Sei alsoX 6= /0, p∈ X,

Y := {q∈ X : q ist mit p durch einen Streckenzug inX verbindbar} .

Wir zeigen:Y = X. Dazu:

(i) Y ist offen: Seiq∈Y

X offen⇒ ∃ r > 0 Kr (q) ⊂ X ⇒ Kr (q) ⊂Y

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Begründung Seiy∈ Kr (q). Nach Voraussetzung existiert ein Strec-kenzugγ : [a,b] → X, γ (a) = p, γ (b) = q. Wir definieren:

γ∗ : [a,b+1] → X, γ∗ (t) :=

{γ (t) für t ∈ [a,b] ,q+ t (y−q) für t ∈ [b,b+1]

⇒ γ∗ ist ein Streckenzug inX, derp mit y verbindet.⇒Kr (q)⊂Y ⇒Yist offen.

(ii) Auch X\Y ist offen: Seiz∈ X\Y. ⇒∃δ > 0 Kδ (z) ⊂ X. Dann gilt:Kδ (z) ⊂ X\Y, denn gäbe es einx ∈ Kδ (z)∩Y, so könnte man einenStreckenzug vonp nachx in X ziehen und diesen durch die Verbin-dungsstrecke vonx nachzverlängern.⇒ z∈Y E

Ergebnis:Y,X\Y sind offen,X = Y∪X\Y, Y∩X\Y = /0, p∈Y ⇒Y 6= /0,X zusammenhängend⇒ X\Y = /0⇒Y = X.

c)⇒b) trivial

b)⇒a) klar nach 2.8. 2

2.11 Definition (Gebiet) SeiX ⊂ Rn. X heißtGebiet:⇔ X offen und zusammen-hängend (⇔ X offen und wegzusammenhängend⇔ X offen, und je zwei PunkteausX sind durch einen Streckenzug inX verbindbar).

2.12 SatzJede offene Teilmenge X⊂ Rn ist Vereinigung höchstens abzählbar vie-ler disjunkter Gebiete. Diese Gebiete heißen Zusammenhangskomponenten.

Beweis Für p∈ X sei

Gp := {q∈ X : q ist mit p durch einen Streckenzug inX verbindbar}

Der Beweis zu 2.10 „a)⇒c)“ liefert: Gp ist offen, ferner istGp wegzusammen-hängend, also ein Gebiet.∀ p∈ X p∈ Gp ⇒ X =

p∈X Gp. Wir zeigen: Für allep,q∈ X gilt entweder:Gp = Gq oderGp∩Gq = /0.

Begründung Seiz∈ Gp∩Gq, x∈ Gp. ⇒Es gibt einen Streckenzug inX vonq nachz,es gibt einen Streckenzug inX vonz nachp,es gibt einen Streckenzug inX von p nachx.⇒ Es gibt einen Streckenzug inX vonq nachx. ⇒ x∈ Gq ⇒ Gp ⊂ Gq. Symmetriebzgl. p undq liefert: Gq ⊂ Gp ⇒ Gp = Gq.VGp offen,X offen⇒X =

p∈X∩Qn Gp = abzählbare Vereinigung, und auf der rech-ten Seite stehen Mengen, die paarweise disjunkt oder gleich sind. 2

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Kapitel 3

Die Cauchy-RiemannschenDifferentialgleichungen

3.1 Satz Es sei D⊂ C offen und f: D → C in z0 ∈ D komplex differenzierbar.Dann sind die Funktionen u:= Re f und v:= Im f partiell differenzierbar nach xund y(z= x+ iy,x = Rez,y = Imz), und es gilt:

f ′ (z0) =∂ f∂x

(z0) =∂u∂x

(z0)+ i∂v∂x

(z0) (3.1)

= −i∂ f∂y

(z0) =∂v∂y

(z0)− i∂u∂y

(z0) , (3.2)

speziell gelten die sog.Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen.

∂u∂x

(z0) =∂v∂y

(z0)∂u∂y

(z0) = −∂v∂x

(z0)

Beweis Sei r > 0 so klein, dassKr (z0) ⊂ D undh∈ R, 0 < |h| < r, z0 = x0 + iy0

mit x0,y0 ∈ R.

⇒ f (z0 +h)− f (z0)

h=

f (x0 +h,y0)− f (x0,y0)

h

=u(x0 +h,y0)−u(x0,y0)

h+ i

v(x0 +h,y0)−v(x0,y0)

h

h→0h6=0−−→ f ′ (z0) ,

da f komplex differenzierbar ist.⇒ f ,u,v sind inz0 partiell differenzierbar nachxund (3.1) gilt. Ebenso

f (z0 + ih)− f (z0)

ih= −i

f (x0,y0 +h)− f (x0,y0)

h

=v(x0,y0 +h)−v(x0,y0)

h− i

u(x0,y0 +h)−u(x0,y0)

h

h→0h6=0−−→ f ′ (z0)

⇒ (3.2) gilt. 2

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3.2 Korollar SeiG⊂ C ein Gebiet,f : G→ C holomorph.

a) Ist f ′ = 0, so ist f konstant. Äquivalente Formulierungen:

(i) Ist U ⊂ C offen, f : U → C holomorph mit f ′ = 0, so ist f auf jederZusammenhangskomponente vonU konstant.

(ii) Ist U ⊂ C offen und f : U → C holomorph,f ′ = 0, so ist f lokal kon-stant aufU .

b) Ist Ref (oder Imf ) aufG konstant, so istf aufG konstant.

Beweis Sei f = u+ iv wie in 3.1,ux := ∂u∂x

a) f ′ = 0 ⇒ ux = uy = vx = vy = 0 nach 3.1. Mit Korollar 42.4 aus Elstrodt(2002a) folgt:u,v konstant aufG⇒ f konstant aufG.

b) u konstant⇒ ux = uy = 0.3.1⇒ vx = vy = 0

3.1⇒ f ′ = 0.a)⇒ f konstant. 2

3.3 Korollar Seien f ,g : G → C im GebietG holomorph und Ref = Reg (bzw.Im f = Img). Dann ist f = g+ ic mit c∈ R (bzw. f = g+c mit c∈ R).

Beweis Ist Ref = Reg, so gilt fürh := f −g: Reh = 0.3.2⇒ h = const., und wegen

Reh = 0 ist notwendigh = ic mit c∈ R. 2

Zur Erinnerung Sei U ⊂ R2 offen, f : U → R2, a ∈ U . f heißt total (reell)differenzierbar:⇔ es gibt eineR-lineare AbbildungT : R2→R2 und eine Funktionϕ : U → R2 mit

f (w) = f (a)+T (w−a)+‖w−a‖2 ϕ (w) (w∈U) ,

wobei ϕ (w)w→a−−−→ 0. Die lineare AbbildungT wird dabei beschrieben durch die

Jacobi-Matrix T= (D f )(a) =(

∂ f j

∂xk

)

j=1,2k=1,2

(siehe Elstrodt (2002a), 41.4).

3.4 Lemma SeiD ⊂ C offen, z0 ∈ D, f : D → C. Dann gilt: f ist in z0 total reelldifferenzierbar:⇔ Es gibt zwei inz0 stetige Funktionenϕ,ψ : D → C mit

f (z) = f (z0)+(x−x0)ϕ (z)+(y−y0)ψ (z) (z∈ D) ,

wobeiz= x+ iy, z0 = x0 + iy0.Im Falle totaler reeller Differenzierbarkeit gilt:

∂ f∂x

(z0) = ϕ (z0) ,∂ f∂y

(z0) = ψ (z0) vgl. 1.2.

15

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Beweis „⇒“ Wir setzen obenw = z∈ D, a = z0 ∈ D, z= x+ iy, f = u+ iv.

T (w−a) =

(ux uy

vx vy

)(

(x−x0)

(10

)

+(y−y0)

(01

))

= (x−x0)

(ux

vx

)

+(y−y0)

(uy

vy

)

mit

(ux

vx

)

= ∂ f∂x ,

(uy

vy

)

= ∂ f∂y .

Obige Gleichung nimmt folgende Form an:

f (z) = f (z0)+A(x−x0)+B(y−y0)

+(|x−x0|+ |y−y0|)|z−z0|

|x−x0|+ |y−y0|︸ ︷︷ ︸

∈[ 12 ,1]

ϕ (z)︸︷︷︸

∈C

︸ ︷︷ ︸

=:Ψ(z), Ψ(z0):=0

mit

A :=∂ f∂x

(z0) ∈ C, B :=∂ f∂y

(z0) ∈ C .

Dann gilt: limz→z0 Ψ(z) = 0.

ϕ (z) :=

{

A+ |x−x0|x−x0

Ψ(z) für x 6= x0,

A für x = x0,

ψ (z) :=

{

B+ |y−y0|y−y0

Ψ(z) für y 6= y0,

B für y = y0

⇒ ϕ,ψ sind stetig inz0 und leisten das Verlangte, und es istϕ (z0) = A =∂ f∂x (z0) undψ (z0) = B = ∂ f

∂y (z0) .

„⇐“ Wir setzenA := ϕ (z0), B := ψ (z0).

⇒ f (z) = f (z0)+A(x−x0)+B(y−y0)

+(x−x0)(ϕ (z)−A)+(y−y0)(ψ (z)−B)

= f (z0)+A(x−x0)+B(y−y0)+ |z−z0|Φ(z)

16

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mit

Φ(z) :=

{ x−x0|z−z0| (ϕ (z)−A)+ y−y0

|z−z0| (ψ (z)−B) für z 6= z0,

0 für z= z0.

Offenbar istΦ stetig mit limz→z0 Φ(z) = 0. 2

3.5 Satz Sei D⊂ C offen, z0 ∈ D, f : D → C. Dann gilt: f ist in z0 total reelldifferenzierbar⇔ Es gibt zwei in z0 stetige Funktionen F,G : D → C, so dass

f (z) = f (z0)+F (z)(z−z0)+G(z)(z−z0) (z∈ D) .

Im Falle totaler Differenzierbarkeit gilt:

F (z0) =12

(∂ f∂x

− i∂ f∂y

)

(z0) G(z0) =12

(∂ f∂x

+ i∂ f∂y

)

(z0) .

Beweis Umformung von 3.4

„⇒“ Setze in 3.4

x−x0 =12

((z−z0)+(z−z0)) y−y0 =12i

((z−z0)+(z−z0))

⇒ (x−x0)ϕ (z)+(y−y0)ψ (z)

= (z−z0)

(12

ϕ (z)+12i

ψ (z)

)

︸ ︷︷ ︸

=:F(z)

+(z−z0)

(12

ϕ (z)− 12i

ψ (z)

)

︸ ︷︷ ︸

=:G(z)

⇒ gewünschte Form erreicht, und dabei gilt:

F (z0) =12

ϕ (z0)+12i

ψ (z0) =12

(∂ f∂x

− i∂ f∂y

)

(z0) ,

G(z0) =12

ϕ (z0)−12i

ψ (z0) =12

(∂ f∂x

+ i∂ f∂y

)

(z0) .

„⇐“ Nach Voraussetzung ist

f (z) = f (z0)+F (z) (z−z0)︸ ︷︷ ︸

=(x−x0)+i(y−y0)

+G(z) (z−z0)︸ ︷︷ ︸

=(x−x0)−i(y−y0)

mit in z0 stetigen FunktionenF,G.

= f (z0)+(x−x0)(F (z)+G(z))︸ ︷︷ ︸

=:ϕ(z)

+(y−y0)(iF (z)− iG(z))︸ ︷︷ ︸

=:ψ(z)

Hier sindϕ undψ stetig inz0, und die Behauptung gilt. 2

17

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3.6 Definition (Wirtinger-Ableitungen) Ist f : D → C in z0 ∈ D partiell differen-zierbar, so heißen

∂ f∂z

(z0) :=12

(∂ f∂x

− i∂ f∂y

)

(z0)∂ f∂z

:=12

(∂ f∂x

+ i∂ f∂y

)

(z0)

die WIRTINGER-Ableitungen vonf (z0), benannt nach WILHELM WIRTINGER,15.6.1865–15.1.1945, österreichischer Mathematiker aus Ybbs an der Donau.

3.7 Folgerung a) Ist f = u+ iv : D → C (D ⊂ C offen) in z0 ∈ D partiell dif-ferenzierbar, so gelten die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungenux (z0) = vy(z0), uy(z0) = −vx (z0) genau dann, wenn∂ f

∂z = 0.

b) Ist f in z0 komplex differenzierbar, so gilt:

∂ f∂z

(z0) = f ′ (z0) ,∂ f∂z

(z0) = 0.

Beweis∂ f∂z

=12

(ux−vy)+i2

(uy +vx) .

Der Rest folgt nach 3.1. 2

3.8 Satz Sei D⊂ C offen, f : D → C, z0 ∈ D. Dann gilt: f ist in z0 komplex dif-ferenzierbar⇔ f ist in z0 total reell differenzierbar, und es gelten die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen ux (z0) = vy(z0), uy(z0) =−vx (z0). ⇔ f ist

in z0 total reell differenzierbar, und es gilt:∂ f∂z (z0) = 0.

Beweis Die beiden Aussagen auf der rechten Seite sind äquivalent nach 3.7 a).

„⇒“ Sei f in z0 komplex differenzierbar.

1.2⇒ f (z) = f (z0)+(z−z0)g(z) (z∈ D)

mit einem inz0 stetigeng, g(z0) = f ′ (z0). Das ist eine Zerlegung wie in 3.5

mit F = g, G = 0.3.5⇒ f ist in z0 total reell differenzierbar,

G(z0) =12

(∂ f∂x

+ i∂ f∂y

)

(z0)3.6=

∂ f∂z

(z0) = 0.

„⇐“ 3.5⇒∃ in z0 stetige FunktionenF,G mit

f (z) = f (z0)+(z−z0)F (z)+(z−z0)G(z) ,

wobei laut VoraussetzungG(z0) = ∂ f∂z (z0) = 0. Wir setzen fürz∈ D:

g(z) :=

{F (z)+ z−z0

z−z0G(z) für z 6= z0

F (z0) für z= z0

18

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DaG in z0 stetig ist mitG(z0) = 0, ist wegen der Stetigkeit vonF in z0 auchg stetig inz0, und es gilt:

f (z) = f (z0)+(z−z0)g(z) (z∈ D)

1.2⇒ Behauptung. 2

3.9 Korollar SeiD ⊂ C offen, f = u+ iv : D → C, (u = Re f ,v = Im f ) sei stetigpartiell differenzierbar, und es seien die Cauchy-Riemannschen Differentialglei-chungen erfüllt:ux = vy, uy = −vx, d. h. ∂ f

∂z = 0. Dann istf in D holomorph.

Beweis f stetig partiell differenzierbarElstrodt (2002a), 41.6⇒ f total reell differenzier-

bar3.8⇒ Behauptung. 2

Bemerkung In 3.9 gilt sogar die Äquivalenz, siehe Korollar 13.4.Ist f nur partiell differenzierbar, und genügtf den Cauchy-Riemannschen Diffe-rentialgleichungen, so brauchtf nicht holomorph zu sein. (siehe Aufgabe 10)

3.10 Satz (LOOMAN und M ENSCHOW) benannt nachLOOMAN, 1923–? undDMI -TRIJ JEWGENEWITSCHMENSCHOW, 18.4.1892–25.11.1988.Sei D⊂ C offen, f : D → C stetig. Ferner sei f partiell differenzierbar und erfülledie Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen∂ f

∂z = 0. ⇒ f ist holomorph.

Beweis Narasimhan (1973) Chap. I, §6, S. 43-50 2

3.11 SatzSei f : D → C komplex differenzierbar und u:= Re f , v := Im f seienzweimal stetig partiell differenzierbar. Dann sind u,v : D → R harmonische Funk-tionen. Dabei heißt eine Funktionϕ : D → C harmonischoder einePotentialfunk-tion, wennϕ zweimal stetig partiell differenzierbar ist und der Potentialgleichung

∆ϕ :=∂ 2ϕ∂x2 +

∂ 2ϕ∂y2 = 0

genügt.∆ := ∂ 2

∂x2 + ∂ 2

∂y2 heißtLaplace-Operatorim R2.

Zusatz Die Voraussetzung „u,v zweimal stetig partiell differenzierbar“ kann er-satzlos gestrichen werden, denn sie folgt aus der Holomorphie. Beweis dazu siehebei Korollar 13.5.

Beweis Es gelten die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen

⇒ ux = vy, uy = −vx.

⇒ uxx = vyx, uyy = −vxy.

⇒ vyx = vxy, uxx+uyy = ∆u = 0.

dto. fürv. 2

19

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3.12 Folgerung (Rechenregeln für die Wirtinger-Ableitungen)Sei D ⊂ C of-fen, f ,g : D → C partiell differenzierbar,α,β ∈ C. Dann gilt:

a)∂ f∂z

(α f +βg) = α∂ f∂z

+β∂g∂z

∂ f∂z

(α f +βg) = α∂ f∂z

+β∂g∂z

∂∂z

( f ·g) =∂ f∂z

·g+ f · ∂g∂z

∂∂z

( f ·g) =∂ f∂z

·g+ f · ∂g∂z

b)∂ f∂z

=

(∂ f∂z

)

,∂ f∂z

=

(∂ f∂z

)

speziell ist für reellwertigesf

∂ f∂z

=

(∂ f∂z

)

,∂ f∂z

=

(∂ f∂z

)

c)∂z∂z

= 1,∂z∂z

= 0,∂z∂z

= 0,∂z∂z

= 1

d) Sei f zweimal stetig partiell differenzierbar.

⇒ ∆ f = 4∂∂z

(∂ f∂z

)

= 4∂∂z

(∂ f∂z

)

e) Ist f total reell differenzierbar undh : U →C auch total reell differenzierbar,f (D) ⊂U ⊂ C, so gilt:

∂ (h◦ f )∂z

=∂h∂w

· ∂ f∂z

+∂h∂w

· ∂ f∂z

(mit den richtigen Argumenten).

∂ (h◦ f )∂z

=∂h∂w

· ∂ f∂z

+∂h∂w

· ∂ f∂z

f) Ist ϕ : [a,b] → D eine differenzierbare Kurve,f : D → C total reell differen-zierbar, so gilt:

∂∂ t

( f ◦ϕ) =∂ f∂z

· ∂ϕ∂ t

+∂ f∂z

· ∂ϕ∂ t

mit den richtigen Argumenten.

20

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Teil II

Potenzreihen

21

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Kapitel 4

Der Konvergenzradius

4.1 Definition (Normale Konvergenz) SeiD ⊂ C offen, fn, f : D → C seien aufjedem KompaktumK ⊂ D beschränkt (z. B. gilt das, wennfn, f stetig sind aufD).

a) IstK ⊂ D kompakt, so sei

‖ f‖K :=

{sup{| f (z)| : z∈ K} , für K 6= /0,0 für K = /0.

b) ∑∞n=1 fn konvergiertnormalaufD :⇔

∀K ⊂ D kompakt∞

∑n=1

‖ fn‖K < ∞

4.2 Folgerung a) ∑∞n=1 fn konvergiere normal⇒ ∑∞

n=1 fn konvergiert kompaktgleichmäßig absolut, d. h.∑∞

n=1 | fn| konvergiert gleichmäßig auf jedem Kom-paktumK ⊂ D.Begründung: Cauchy-Kriterium für die gleichmäßige Konvergenz.

b) ∑∞n=1 fn konvergiere normal, und allefn seien stetig.⇒ ∑∞

n=1 fn ist stetig.

4.3 Lemma (Abelsches Lemma)benannt nach NIELS HENDRIK ABEL, 5.8.1802–6.4.1829, norwegischer Mathematiker, siehe O’Connor und Robertson (2004)Es seienan ∈ C (n≥ 0), α ∈ R, α ≥ 0, und 0 6= w ∈ C sei so beschaffen,dass die Folge(anwn)n≥0 beschränkt ist. Ferner sei 0< r < |w|. Dann konvergiert∑∞

n=0nα |an| rn, insbesondere konvergiert∑∞n=0nαanzn normal aufK|w| (0) (speziell:

gleichmäßig absolut aufKr (0)).Folgerung fürα = 0: Beschränktheit vonanwn für n≥ 0 impliziert gleichmäßigeKonvergenz aufKr (0) für jedes 0< r < |w|. Insbesondere konvergiert∑∞

n=0anzn

für allezmit |z|< |w|, aber: Die Konvergenz braucht aufK|w| (0) nicht gleichmäßigzu sein.

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Beweis Wähleρ mit 0 < r < ρ < |w|.

⇒ nα |an| rn = |anwn|︸ ︷︷ ︸

≤K

nα(

ρ|w|

)n

︸ ︷︷ ︸

<L

(rρ

)n

Hier gilt: nα(

ρ|w|

)n= nα e

nlog(

ρ|w|

)

︸ ︷︷ ︸

<1

n→∞−−−→ 0.

⇒∃L > 0 ∀n≥ 0 nα(

ρ|w|

)n

≤ L.

q :=rρ∈ ]0,1[ ⇒ nα |an| rn ≤ K ·L ·qn (n≥ 0)

⇒ die konvergente geometrische Reihe∑∞n=0qn ist konvergente Majorante von

∑∞n=0nα |an| rn. 2

Zusatz Für jede Polynom-Funktionq : C→C konvergiert∑∞n=0q(n)anzn aufK|w| (0)

normal.

Beweis 4.3 allgemeiner: Istq : N∪{0} → C eine Funktion, zu der einα ≥ 0 exi-stiert, so dass|q(n)| ≤Cnα für alle n≥ n0, so konvergiert∑∞

n=0q(n)anzn auf K|w|normal. 2

4.4 Satz Zu jeder Potenzreihe∑∞n=0an(z−z0)

n (zn ∈ C fest,z∈ C) gibt es ein ein-deutig bestimmtes0≤ R≤ ∞ mit folgender Eigenschaft:

∑n=0

an(z−z0)n{

konvergiert für alle z mit|z−z0| < Rdivergiert für alle z mit|z−z0| > R

Über die Konvergenz bzw. Divergenz für|z−z0| = R ist keine allgemeine Aussa-ge möglich. R heißtKonvergenzradiusvon∑∞

n=0an(z−z0)n, KR(z0) heißtKonver-

genzkreisvon∑∞n=0an(z−z0)

n. Es gilt:

R= sup{

ρ ≥ 0,(anρn)n≥0 beschränkt}

Dabei setze „sup“ := ∞, falls (anρn)n≥0 für jedesρ > 0 beschränkt ist.

Beweis a) Ist(anρn)n≥0 für jedesρ > 0 beschränkt, so leistetR= ∞ das Ver-langte.

b) M :={

ρ > 0,(anρn)n≥0 beschränkt}

sei nach oben beschränkt,R := supM.

(i) Seiz∈ C, |z−z0| < R.

⇒∃ρ ∈ M |z−z0| < ρ < R

⇒ (anρn)n≥0 ist beschränkt.4.3⇒ ∑∞

n=0an(z−z0)n konvergiert absolut.

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(ii) Sei z∈C, |z−z0|> R.⇒ (an(z−z0)n)n≥0 ist unbeschränkt, denn wäre

diese Folge beschränkt, so gehörte(|z−z0| > R zuM. E

⇒ ∑∞n=0an(z−z0)

n divergiert. 2

Zusatz (zu 4.4) ∑∞n=0an(z−z0)

n konvergiert aufKR(z0) normal, insbesondere kom-pakt gleichmäßig absolut. Aber:∑∞

n=0an(z−z0)n braucht aufKR(z0) nicht gleich-

mäßig zu konvergieren.

Beweis Sei /06= K ⊂KR(z0).⇒∃ r < Rmit K ⊂Kr (z0)⊂KR(z0). Seiρ > 0 so ge-

wählt, dass 0< r < ρ < R.⇒ (anρn)n≥0 ist beschränkt.4.3⇒ ∑∞

n=0 |an| rn konvergiert.⇒ ∑∞

n=0‖an(z−z0)n‖K < ∞. ⇒ ∑∞

n=0an(z−z0)n konvergiert normal aufKR(z0).

Die Konvergenz aufKR(z0) braucht aber nicht gleichmäßig zu sein. Siehe dazu4.5. 2

4.5 Beispiel (Geometrische Reihe)Die geometrische Reihe∑∞n=0zn hat den Kon-

vergenzradius 1 und konvergiert genau für|z| < 1, und dann ist∑∞n=0zn = 1

1−z.Behauptung: Die geometrische Reihe konvergiert nicht gleichmäßig aufK1(0).

Beweis fn(z) :=n

∑k=0

zk =1−zn+1

1−zn→∞−−−→ 1

1−z=: f (z) (|z| < 1)

| fn(z)− f (z)| =∣∣∣∣

1−zn+1

1−z− 1

1−z

∣∣∣∣=

|z|n+1

|1−z| > 1

für z= n+1

√12 > 1

2. Aber: Ist 0< r < 1 und|z| < r, so gilt:

| fn(z)− f (z)| ≤ rn+1

1− rn→∞−−−→ 0,

d. h. auf jedemKr (0) mit 0 < r < 1 konvergiert( fn)n≥0 gleichmäßig gegenf . 2

4.6 Beispiele a) Die Exponentialreihe exp(z) := ∑∞n=0

zn

n! . Für jedesz 6= 0 ist

∣∣∣∣∣∣

zn+1

(n+1)!zn

n!

∣∣∣∣∣∣

=|z|

n+1<

12

für allen> 2|z|. Das Quotientenkriterium liefert dannR= ∞. In diesem Fallheißt die Reihebeständig konvergent.

b) ∑∞n=0n! ·zn konvergiert nur fürz= 0, denn fürz 6= 0 ist

∣∣∣∣

(n+1)! ·zn+1

n! ·zn

∣∣∣∣= (n+1)z> 1

für allen > 1|z| . ⇒ Die Reihe divergiert⇒ R= 0.

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c) Die geometrische Reihe∑∞n=0zn hat den Konvergenzradius 1, divergiert aber

überall auf{z∈ C, |z| = 1}.

d) ∑∞n=1

zn

n hat den Konvergenzradius 1, denn:

(i) R≥ 1, da(

1n

n

)

n≥1 beschränkt ist.

(ii) R≤ 1, da die Reihe fürz= 1 divergiert.

Für |z| = 1 gilt:

(i) Divergenz inz= 1,

(ii) Konvergenz inz=−1, allgemeiner gilt: Konvergenz für allezmit |z|=1, z 6= 1.

e) ∑∞n=1

zn

n2 hat den KonvergenzradiusR= 1, denn

(i) R≥ 1, da(

1n

n2

)

n≥1beschränkt ist,

(ii) R≤ 1, denn für|z| > 1 gilt:

n

|zn|n2 =

|z|( n√

n)2

n→∞−−−→ |z| > 1

⇒ Divergenz der Reihe an der Stellez.

Hier gilt aber für allen:

sup

{∣∣∣∣

zn

n2

∣∣∣∣: |z| ≤ 1

}

=1n2

⇒ Die Reihe konvergiert nach dem Weierstraßschen Majorantentest gleich-mäßig auf ganzK1(0).

4.7 Beispiele a) Die Potenzreihen∞

∑n=0

anzn (4.1)

∑n=1

nαanzn (α ∈ R) (4.2)

haben den gleichen Konvergenzradius.Beweis: SeiRder Konvergenzradius von (4.1) undRα der Konvergenzradiusvon (4.2), oBdA sei gleichα ≥ 0, sonst ersetzean 7→ n−αan.

|anzn| ≤ |nαanzn| (n≥ 1)

⇒ Rα ≤ R.Umgekehrt: Sei|z| < R. Wir wählen einw mit |z| < |w| < R. ⇒ ∑∞

n=0anwn

konvergiert.4.3⇒ ∑∞

n=1nαanzn konvergiert für jedesα ≥ 0. ⇒ |z| ≤ Rα . ⇒Rα ≥ R.Zusammen:R= Rα .

25

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b) Für jede Polynomfunktionq : C→C, q 6≡0, haben die Potenzreihen∑∞n=0anzn

und∑∞n=0q(n)anzn den gleichen Konvergenzradius. Beweis entsprechend.

4.8 Satz Ist (an)n≥0 eine Folge von 0 verschiedener komplexer Zahlen, für welche

limn→∞

∣∣∣∣

an

an+1

∣∣∣∣=: L ∈ [0,∞]

existiert, so gilt für den Konvergenzradius R von∑∞n=0anzn: R = L.

Beweis Seiz 6= 0.∣∣∣∣

an+1zn+1

anzn

∣∣∣∣

n→∞−−−→ L−1 |z|2

Das Quotientenkriterium liefert dann die Behauptung.

4.9 Satz (CAUCHY -HADAMARD sche Formel) benannt nachAUGUSTIN LOUIS

CAUCHY, 21.8.1789–23.5.1857, französischer Mathematiker, undJAQUES SA-LOMON HADAMARD , 8.12.1865–17.10.1963, ebenfalls ein französischer Mathe-matiker.HADAMARD s größtes Verdienst war wohl der Beweis des Primzahlsat-zes von 1896, der besagt, dass die Anzahl der Primzahlen, die kleinerals ei-ne natürliche Zahl n sind, mit der Ordnungn

logn gegen∞ geht. Näheres unterO’Connor und Robertson (2004)Für den Konvergenzradius R von∑∞

n=0an(z−z0)n gilt:

R=1

limn→∞n√

|an|;

dabei ist sinngemäß zu setzen:limn→∞n√

|an| = ∞, falls(

n√

|an|)

n≥1unbeschränkt

ist, 1∞ := 0, 1

0 := ∞.Zur Erinnerung:

an > 0⇒ limn→∞

an = limn→∞

(sup{ak,k≥ n})︸ ︷︷ ︸

fallend bzgl. n

Beweis (i) Ist limn→∞n√

|an| = ∞, so ist(

n√

|an|)

n≥1unbeschränkt, also

∀z∈ C,z 6= z0 ∃unendlich vielen∈ N n√

|an| >1

|z−z0|,

d. h.

∀z∈ C,z 6= z0 ∃unendlich vielen∈ N |an(z−z0)n| > 1

⇒ Die Reihe divergiert für allez 6= z0. ⇒ R = 0, d. h. die Behauptung istrichtig.

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(ii) Ist limn→∞n√

|an| = 0, so gilt: limn→∞n√

|an| = 0

⇒∀z∈ C n

|an(z−z0)n| = n

|an| |z−z0| n→∞−−−→ 0

Das Wurzelkriterium liefert dann:∑∞n=0an(z−z0)

n konvergiert für allez∈C.⇒ R= ∞, ⇒ Behauptung.

(iii) Sei nun 0< limn→∞n√

|an| < ∞.

(i) Sei 0< ρ < 1limn→∞

n√

|an|.

⇒ 1ρ

> limn→∞

n√

|an|

⇒ ∃n0 ∈ N ∀n≥ n01ρ

> n√

|an|

⇒ 1 > |anρn| ⇒ (anρn)n≥0 ist beschränkt

⇒ ρ ≤ R⇒ R≥ 1

limn→∞n√

|an|

(ii) Sei ρ ∈ R, ρ > 1limn→∞

n√

|an|.

⇒ limn→∞

n√

|an| >1ρ⇒ n

|an| >1ρ

für unendlich vielen ∈ N. ⇒ |anρn| > 1 für unendlich vielen ∈ N.⇒ ∑∞

n=1anρn divergiert

⇒ ρ ≥ R⇒ R≤ 1

limn→∞n√

|an|.

⇒ R= 1limn→∞

n√

|an|. 2

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Kapitel 5

Differenzierbarkeit derPotenzreihen, analytischeFunktionen, Identitätssatz

5.1 Satz Sei∑∞n=0an(z−z0)

n eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R> 0,

f : KR(z0) → C, f (z) :=∞

∑n=0

an(z−z0)n (|z−z0| < R)

Dann ist f in KR(z0) komplex differenzierbar mit

f ′ (z) =∞

∑n=1

n·an(z−z0)n−1 (|z−z0| < R)

Beweis OBdA seiz0 := 0. Seic∈ KR(0). Wir zeigen: f ist in c komplex differen-zierbar mit der angegebenen Ableitung. Dazu wählen wir ein|c| < r < R. ⇒ Für|z| < r gilt:

f (z)− f (c) =∞

∑n=0

an(zn−cn) = (z−c)∞

∑n=1

anzn−cn

z−c

Wir setzen fürn≥ 1:

ϕn : Kr (0) → C, ϕn(z) :=

{ zn−cn

z−c für z 6= cn·cn−1 für z= c

= zn−1 +zn−2 ·c+ . . .+z·cn−2 +cn−1︸ ︷︷ ︸

n Terme

(z∈ Kr (0))

⇒ ϕn ist stetig, und für|z| < r gilt:

|ϕn(z)| ≤n−1

∑k=0

|z|n−1−k

︸ ︷︷ ︸

≤rn−1−k

|c|k︸︷︷︸

≤rk

≤ n· rn−1

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⇒∀z∈ Kr (0) , ∀n≥ 1 |anϕn(z)| ≤ n· |an| rn−1

und mit 4.3 konvergiert∑∞n=1anϕn(z). Der Majorantentest liefert:∑∞

n=1anϕn(z)konvergiert gleichmäßig aufKr (0), und alleϕn sind stetig⇒ ∑∞

n=1anϕn(z) ist ste-tig aufKr (0)

⇒∀z∈ Kr (0) f (z)− f (c) = (z−c)∞

∑n=1

anϕn(z)

︸ ︷︷ ︸

stetig aufKr (0)

1.2⇒ f ist komplex differenzierbar inc mit Ableitung

f ′ (c) =∞

∑n=1

anϕn(c) =∞

∑n=1

n·ancn−1

2

5.2 Korollar Unter den Voraussetzungen von 5.1 istf stetig.

Beweis 1. Beweis f ist komplex differenzierbar, also stetig nach1.3

2. Beweis Die Potenzreihe konvergiert normal, also istf stetig nach4.2 b). 2

5.3 Korollar Unter den Voraussetzungen von 5.1 istf in KR(z0) beliebig oft kom-plex differenzierbar, und es gilt:

∀k≥ 0 f (k) (z) =∞

∑n=k

k!

(nk

)

an(z−z0)n−k (z∈ KR(z0))

dabei istf (0) := f . Insbesondere gelten dieTaylor-Formeln:

an =f (n) (z0)

n!(n≥ 0)

also

f (z) =∞

∑n=0

f (n) (z0)

n!(z−z0)

n (z∈ KR(z0))

⇒ f = Taylor-Reihe vonf .

Beweis Wende 5.1 mehrfach an

⇒ f (k) (z) =∞

∑n=k

n(n−1) · . . . · (n−k+1)︸ ︷︷ ︸

k!(nk)

an(z−z0)n−k

Einsetzen vonz := z0 liefert: f (k) (z0) = k! ·ak für k≥ 0. 2

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5.4 Beispiele a) k-fache Differentiation der geometrischen Reihe

∑n=0

zn =1

1−z(|z| < 1)

liefert:

∑n=k

(nk

)

zn−k =1

(1−z)k+1 (k≥ 0, |z| < 1)

b) exp :C → C, exp(z) := ∑∞n=0

zn

n! ⇒ exp ist komplex differenzierbar mit

ddz

exp(z) =∞

∑n=1

n· zn−1

n!=

∑n=0

zn

n!= exp(z) .

c) sin,cos :C → C,

sinz=∞

∑n=0

(−1)n z2n+1

(2n+1)!, cosz=

∑n=0

(−1)n z2n

(2n)!

sind sinnvoll (R= ∞), und es gilt:

ddz

sinz= coszddz

cosz= −sinz

Begründung:

ddz

sinz=∞

∑n=0

(−1)n (2n+1)z2n

(2n+1)!=

∑n=0

(−1)n z2n

(2n)!= cosz

ddz

cosz=∞

∑n=0

(−1)n 2n·z2n−1

(2n)!=

∑n=1

(−1)n z2n−1

(2n−1)!

= −∞

∑n=0

(−1)n z2n+1

(2n+1)!= −sinz

5.5 Definition (Komplexe Analytizität) SeiD ⊂ C offen. Die Funktionf : D →C heißt(komplex) analytischin D, wenn zu jedemz0 ∈D eine in einer KreisscheibeKr (z0)⊂D (r > 0) konvergente Potenzreihe∑∞

n=0an(z−z0)n (an ∈C) existiert mit

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n (z∈ Kr (z0))

Die Funktion f heißt analytisch im Punkta∈ D, wenn einρ > 0 existiert, so dassf |Kρ (a) analytisch ist.

30

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5.6 Folgerung Ist f : D → C analytisch, so istf holomorph nach 5.1. In Korollar13.4 werden wir hier sogar die Äquivalenz zeigen.

5.7 Satz Konvergiert die Potenzreihe∑∞n=0an(z−z0)

n für (z−z0) < R, so ist f:KR(z0) → C analytisch. Genauer: f lässt sich um jeden Punkt z1 ∈ KR(z0) in diePotenzreihe

f (z) =∞

∑k=0

bk (z−z1)k , bk :=

∑n=k

(nk

)

an(z1−z0)n−k

(

=f (k) (z1)

k!

)

entwickeln, und diese konvergiert (mindestens) für|z−z1| < R− |z1−z0|. DerKonvergenz-Radius kann durchaus größer sein.Insbesondere sind alsoexp, sin, cosanalytisch.

Beweis Für |z−z0| < R ist

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n =

∑n=0

an((z−z1)+(z1−z0))n

=∞

∑n=0

an

n

∑k=0

(nk

)

(z−z1)k (z1−z0)

n−k

=∞

∑k=0

(∞

∑n=k

(nk

)

an(z1−z0)n−k

)

(z−z1)k ,

wenn∞

∑n=0

|an|n

∑k=0

(nk

)

|z−z1|k |z1−z0|n−k < ∞ (5.1)

nach dem Großen Umordnungssatz. Nun ist aber

(5.1) =∞

∑n=0

|an|n

∑k=0

(nk

)

|z−z1|k |z1−z0|n−k

=∞

∑n=0

|an|(|z−z1|+ |z1−z0|)n < ∞,

falls |z−z1|+ |z1−z0| < R, d. h. falls|z−z1| < R−|z1−z0|. 2

5.8 Satz (Identitätssatz für Potenzreihen)Es seien

f (z) :=∞

∑n=0

an(z−z0)n , g(z) :=

∑n=0

bn(z−z0)n

zwei Potenzreihen mit Konvergenzradius≥ ρ > 0, und es gebe eine Folge(zk)k≥1

mit zk ∈ Kρ (z0)\{z0}, zkk→∞−−−→ z0, so dass f(zk) = g(zk) für alle k≥ 1. Dann ist

an = bn für alle n≥ 0. Vergleiche die Situation bei Polynomen.

31

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Beweis Sei oBdAz0 := 0, bn = 0 für alle n. Dann gilt also 0< |zk| < ρ für alle

k≥ 1, zkk→∞−−−→ 0.

∑n=0

anznk = 0 (k≥ 1) (5.2)

Zu zeigen ist:an = 0 für allen≥ 0. Wir zeigen per Induktion:

a) n = 0: Lässt man in (5.2)k→ ∞ gehen, so folgt wegen der Stetigkeit vonf :

a0 = f (0) limk→∞

f (zk) = 0

b) Seim≥ 0, und sei schon bekannt, dassa0 = . . . = am = 0.

(5.2)⇒∞

∑n=m+1

anznk = 0

für allek≥ 1, zk 6= 0.⇒ Division durchzm+1k liefert:

∑n=0

am+1+nznk = 0

für allek≥ 1. k→ ∞ ⇒ am+1 = 0 wie unter (a). 2

5.9 Satz (Identitätssatz für analytische Funktionen)Es seien G⊂C ein Gebiet,f ,g : G→ C analytisch, und es gebe eine Folge(zk)k≥1 verschiedener Punkte zk ∈G, die in G einen Häufungswert hat, so dass f(zk) = g(zk) für alle k≥ 1. Dann istf = g. Mit 13.4 wird daraus ein Identitätssatz für holomorphe Funktionen.

Beweis Seiz0 ∈ G Häufungswert von(zk)k≥1. Es gibt einρ > 0, so dassf ,g aufKρ (z0) in konvergente Potenzreihen entwickelbar sind:

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n , g(z) =

∑n=0

bn(z−z0)n , |z−z0| < ρ

und nach Übergang zu einer Teilfolge der(zk)k≥1 kann oBdA angenommen wer-den:

zk ∈ Kρ (z0)\{z0} , (k∈ N) , zkk→∞−−−→ z0

5.8⇒ an = bn für allen∈N0, d. h. f (z) = g(z) für allez∈Kρ (z0). Wir müssen zeigen,dassf = g auf ganzG. Dazu sei

M := {w∈ G|∃ offene UmgebungU ∈ U(w) ,U ⊂ G mit f |U = g|U}

Dann gilt:

32

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(1) M 6= /0, dennz0 ∈ M und sogarKρ (z0) ⊂ M.

(2) M offen: klar.

(3) G\M offen.Begründung: Seiw0 ∈ G\M. Wir wählenδ > 0 so klein, dassKδ (w0) ⊂ Gund dassf undg auf Kδ (w0) in konvergente Potenzreihen entwickelbar sind.Annahme:

∃w1 ∈ M |w1−w0| <δ2

.

Nach 5.7 können die Potenzreihenentwicklungen vonf ,g um w0 umgeord-net werden zu den eindeutig bestimmten Potenzreihenentwicklungen vonf ,gum w1 auf K δ

2(w1). Nach Voraussetzung istf |Kε (w1) = g|Kε (w1) für hin-

reichend kleinesε > 0. ⇒ Die Koeffizienten der Potenzreihenentwicklungvon f und g um w1 stimmen überein.⇒ f |K δ

2(w1) = g|K δ

2(w1). Wegen

K δ2(w1) ∈ U(w0) folgt: w0 ∈ M. E

⇒ G\M offen.

(1)-(3),G Gebiet⇒ G\M = /0⇒ G = M ⇒ f = g. 2

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Kapitel 6

Exponentialfunktion

6.1 Satz (Eulersche Formeln)Für alle z∈ C gilt:

exp(iz) = cosz+ i sinz

cosz=12

(exp(iz)+exp(−iz))

sinz=12i

(exp(iz)−exp(−iz))

Beweis exp(iz) =∞

∑n=0

inzn

n!=

∑n=0

(−1)n z2n

(2n)!+ i ·

∑n=0

(−1)n z2n+1

(2n+1)!

= cosz+ i sinz

undz 7→ −z liefert exp(−iz) = cosz− i sinz. 2

Nach dem Identitätssatz (5.8) sind die oben angegebenen Potenzreihen die einzi-gen, die für allez∈ R mit den reellen Funktionen exp|R, cos|R, sin|R überein-stimmen.

6.2 Folgerung (Funktionalgleichung der Exponentialfunktion) Für alle z,w ∈C gilt:

exp(z+w) = exp(z) ·exp(w) .

Beweis 1. Möglichkeit mit dem Multiplikationssatz für absolut konvergente un-endliche Reihen (Elstrodt (2002a), 17.9):an := zn

n! , bn := wn

n! .

⇒∞

∑n=0

n

∑k=0

akbn−k konvergiert

⇒ cn :=n

∑k=0

zk

k!· wn−k

(n−k)!=

1n!

n

∑k=0

(nk

)

zkwn−k =(z+w)n

n!

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⇒ exp(z+w) = exp(z) ·exp(w)

2. Möglichkeit durch Differentiation: Seia∈ C,

f : C → C, f (z) := exp(z) ·exp(a−z) (z∈ C)

⇒ f ist komplex differenzierbar mit

f ′ (z) = exp(z) ·exp(a−z)+exp(z)(−1)exp(a−z) = 0

für allez∈ C. ⇒ f ist konstant, also

∀z∈ C f (z) = f (0) = exp(a)

Ergebnis:

∀z∈ C exp(z) ·exp(a−z) = exp(a)

Setzea := w+z, w∈ C.

⇒∀w,z∈ C exp(z) ·exp(w) = exp(z+w) 2

Die komplexe Exponentialfunktion stimmt für reellex mit exp(x) = ex übereinund erfüllt die für Potenzen gültige Funktionalgleichung. Daher liegt es nahe zudefinieren:

6.3 Definition Für z∈ C seiez := exp(z).

6.4 Folgerung ez+w = ez ·ew, eiz = cosz+ i sinz,

cosz=12

(eiz +e−iz) , sinz=

12i

(eiz−e−iz) (z∈ C)

6.5 Korollar a) Für allez∈ C ist exp(z) 6= 0 und exp(−z) = 1exp(z) .

b) Fürz= x+ iy (x,y∈ R) gilt:

ez = ex (cosy+ i siny) .

Speziell ist|ez| = ex, insb.|ez| = 1⇔ z rein imaginär.

c) Die exp-Funktion ist periodisch mit Periode 2π i. Genauer gilt fürz,w∈ C:

exp(z) = exp(w) ⇔ z−w∈ 2π i Z

Beweis a) exp(z) ·exp(−z) = exp(0) = 1⇒ exp(z) 6= 0 und a), siehe Elstrodt(2002a), 18.2

b) Elstrodt (2002a) 20.18

c) Elstrodt (2002a) 20.18 2

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6.6 Korollar (Polarkoordinaten) a) exp :C → C∗ (:= C\{0}) ist surjektiv.

b) Ist 0 6= w∈ C, so gibt es einz∈ C mit ez = w, undz ist bis auf ganzzahligeVielfache von 2π i eindeutig bestimmt. Dabei gilt: Rez = log|w| mit demüblichen reellen Logarithmus.

c) Jedes 06= w∈ C hat eine Darstellung inPolarkoordinaten:

w = r ·ei·ϕ ,

wobei r = |w| ∈ ]0,∞[, ϕ ∈ R. ϕ ist bis auf ganzzahlige Vielfache von 2πeindeutig bestimmt.

Beweis Elstrodt (2002a), 20.19

Anwendung der Polarkoordinaten bei der komplexen Multiplikation:

zj := r j ·ei·ϕ j , ( j = 1,2, r j > 0,ϕ j ∈ R) .

⇒ z1 ·z2 = (r1r2)ei(ϕ1+ϕ2).

6.7 Satz Für jedes n∈N hat die Gleichung zn = 1 genau n verschiedene komplexeLösungen, und zwar die sog. n-tenEinheitswurzeln

zk := e2π ik

n = cos2πkn

+ i sin2πkn

(k = 0, . . . ,n−1)

Beweis Offenbar sindz0, . . . ,zn−1 genaun verschiedene Lösungen der Gleichungzn = 1. Andererseits hat die Polynomfunktionf : C → C, f (z) := zn−1 maximaln Nullstellen.⇒ z0, . . . ,zn−1 sind genau alle Nullstellen. 2

Bemerkung Die n-ten Einheitswurzelnzk := e2π ik

n (k = 0, . . . ,n− 1) bilden einemultiplikative zyklische Gruppe, diese wird erzeugt von jeder derϕ (n) sog.primi-tiven n-ten Einheitswurzeln

zk := e2π ik

n (1≤ k≤ n−1,ggT(k,n) = 1)

6.8 Korollar Für allez∈ C gilt:

zn−1 =n−1

∏k=0

(

z−e2π ik

n

)

Beweis Die Differenz

zn−1−n−1

∏k=0

(

z−e2π ik

n

)

ist Polynom vom Grad< n mit mindestensn verschiedenen Nullstellen, also dieNullfunktion. 2

6.9 Satz Es sei0 6= a∈ C, a = ρ ·eiϕ mit ρ > 0, ϕ ∈ R. Dann hat die Gleichungzn = a genau n verschiedene komplexe Lösungen

zk = n√

ρe2π ik

n + ßϕn (k = 0, . . . ,n−1).

Beweis z0, . . . ,zn−1 sind Lösungen undzn−a = 0 hat maximaln Nullstellen. 2

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Wichtige spezielle Werte der Exponentialfunktion

e2π i = 1 eπ i = −1 eπ i2 = i e

3π i2 = −i

eπ i4 =

1√2

(1+ i) e−π i4 =

1√2

(1− i)

eπ i3 =

12

(

1+√

3i)

e2π i3 =

12

(

−1+√

3i)

6.10 Satz (Die Differentialgleichung der Exponentialfunktion) Es seien G⊂Cein Gebiet, z0 ∈ G, f : G → C eine holomorphe Funktion, und mit geeignetemα ∈ C gelte: f′ = α f . Dann ist

f (z) = f (z0) ·eα(z−z0) (z∈ G)

Beweis g(z) := f (z) ·e−α(z−z0) (z∈ G)

⇒ g′ (z) = f ′ (z) ·e−α(z−z0)−α f (z) ·e−α(z−z0) = 0 (z∈ G)

⇒ g konstant, g(z) = g(z0) = f (z0)

⇒ f (z) = f (z0) ·eα(z−z0)2

6.11 Satz (Die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion)Es sei r> 0, f :Kr (0) → C holomorph, und für alle z0,w0 ∈ Kr (0) mit z0 + w0 ∈ Kr (0) geltef (z+w) = f (z)+ f (w). Dann ist f(0) = 0 oder f(0) = 1 und

f (z) = f (0)ef ′(0)z (z∈ Kr (0))

Beweis f (0) = f (0+0) = f (0) · f (0) ⇒ f (0) = 0 oder f (0) = 1Sei|w| < r, w fest. Dann gilt:

f (z+w) = f (z) · f (w) für |z| < r −|w|

⇒ f ′ (z+w) = f ′ (z) · f (w) für |z| < r −|w| ,w fest

Setzez := 0, lassew variieren.

∀w∈ Kr (0) f ′ (w) = f ′ (0) · f (w)

6.10⇒ ∀z∈ Kr (0) f (z) = f (0) ·ef ′(0)z2

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Kapitel 7

Winkelfunktionen

cosz=∞

∑n=0

(−1)n z2n

(2n)!sin(z) =

∑n=0

(−1)n z2n+1

(2n+1)!

7.1 Theorem (Additionstheoreme)Es gilt für alle z,w∈ C:

cos(z+w) = coszcosw−sinzsinw

sin(z+w) = sinzcosw+coszsinw

Beweis cos(z+w) =12

(

ei(z+w) +e−i(z+w))

=12

(eizeiw +e−ize−iw)

=12

(eiz +e−iz) 1

2

(eiw +e−iw)

− 12i

(eiz−e−iz) 1

2i

(eiw −e−iw)

= coszcosw−sinzsinw

sin(z+w) =12i

(

ei(z+w)−e−i(z+w))

=12i

(eizeiw −e−ize−iw)

=12i

(eiz−e−iz) 1

2

(eiw +e−iw)

+12

(eiz +e−iz) 1

2i

(eiw −e−iw)

= sinzcosw+coszsinw 2

7.2 Korollar a) sin2z+cos2z= 1

b) cos(z+π)=−cosz, sin(z+π)=−sinz, cos(z+ π

2

)=−sinz, sin

(z+ π

2

)=

cosz

c) sin(2z) = 2sinzcosz, cos(2z) = cos2z−sin2z= 2cos2z−1

Beweis klar nach 7.1 2

38

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7.3 Definition (Cosinus hyperbolicus, Sinus hyperbolicus)Für z∈ C sei

coshz :=12

(ez+e−z) , sinhz :=

12

(ez−e−z)

7.4 Folgerung a) cosz= cosh(iz), sinz= 1i sinh(iz) (z∈ C)

b) coshz=∞

∑n=0

z2n

(2n)!, sinhz=

∑n=0

z2n+1

(2n+1)!

c) cosh(z+w) = coshzcoshw+sinhzsinhw

sinh(z+w) = sinhzcoshw+coshzsinhw

7.5 Satz Für z= x+ iy ∈ C; x,y∈ R gilt:

cosz= cosxcoshy− i sinxsinhy,

sinz= sinxcoshy+ i cosxsinhy

speziell:

|cosz|2 = sinh2y+cos2x

|sinz|2 = sinh2y+sin2x

|cosz|2 + |sinz|2 = cosh(2y) ≥ 1

Beweis cos(x+ iy) = cosxcos(iy)−sinxsin(iy)

= cosxcoshy− 1i

sinxsinh(i2y

)

= cosxcoshy− i sinxsinhy

|cosz|2 = cos2xcosh2y+sin2xsinh2y

= cos2x(cosh2y−sinh2y

)

︸ ︷︷ ︸

=1 nach 7.4 a)

+sinh2y = cos2x+sinh2y

sin(x+ iy) = sinxcos(iy)+cosxsin(iy)

= sinxcoshy+ i cosxsinhy

|sinz|2 = sin2xcosh2y+cos2xsinh2y

= sin2x(cosh2y−sinh2y

)

︸ ︷︷ ︸

=1 nach 7.4 a)

+sinh2y = sin2x+sinh2y

|cosz|2 + |sinz|2 = 2sinh2y+1 = 2cosh2y−17.4c)= cosh(2y) 2

39

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7.6 Satz Für alle z∈ C gilt:

a) sinz= 0⇔ z∈ kπ (k∈ Z)

b) cosz= 0⇔ z∈ π2 +kπ (k∈ Z)

Beweis a) sinz= 0⇔ eiz = e−iz ⇔ e2iz = 1⇔ 2iz∈ 2π i Z ⇔ z∈ π Z.

b) cosz= 0⇔ sin(z+ π

2

)= 0⇒ Behauptung 2

7.7 Definition (Tangens, Cotangens)Für z 6= π2 +kπ, k∈ Z sei:

tanz :=sinzcosz

Fürz 6= kπ, k∈ Z sei:

cotz :=coszsinz

40

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Kapitel 8

Logarithmusfunktionen

Wir wissen aus Kapitel 6:

(i) Die Exponential-Funktion exp :C → C∗ ist surjektiv und 2π i-periodisch.

ea = eb ⇔ b−a∈ 2π i Z

(ii) Ist w∈ C∗, w = r ·eiϕ , so gilt fürz∈ C:

ez = w⇔ z∈ {logr + iϕ +2π ik,k∈ Z}

8.1 Definition (Logarithmus) Seienz,w ∈ C. Dann heißtz ein(!) [natürlicher]Logarithmusvonw, falls ez = w.

8.2 Folgerung a) w hat einen Logarithmus⇔ w 6= 0.

b) Jedes reellet > 0 hat genau einen reellen Logarithmus, nämlich logt ausElstrodt (2002a) und unendlich viele weitere nicht-reelle Logarithmen, logt+2π ik, k∈ Z\{0}

c) Istx∈ R; x 6= 0, so ist

{log|x|+π i +2π ik,k∈ Z}

die Menge aller Logarithmen vonx. Die Zahl i hat die Logarithmenπ i2 +

2π ik, k∈ Z.

d) Istz∈ C ein Logarithmus vonw∈ C∗, so ist

{z+2π ik,k∈ Z}

die Menge aller Logarithmen vonw.

41

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e) Istz1 ein Logarithmus vonw1, z2 ein Logarithmus vonw2, so istz1 +z2 einLogarithmus vonw1w2. Ist z3 ein weiterer Logarithmus vonw1w2, so gilt:

z3 = z1 +z2 +2π ik

mit einem geeignetenk∈ Z.

8.3 Definition (Logarithmus, Argumentfunktion) a) SeiD⊂C offen, f : D→C∗ stetig. Dann heißtg : D→C ein stetiger (bzw. holomorpher) Logarithmusvon f , falls g stetig (bzw. holomorph) ist und

eg(z) = f (z) (z∈ D)

Eine Funktionϕ : D → R heißt stetige Argumentfunktion vonf , wennϕstetig ist und

f (z) = | f (z)| ·eiϕ(z) (z∈ D)

b) Ist D ⊂ C∗ offen, so heißtλ : D → C eine stetige (bzw. holomorphe) Loga-rithmusfunktion aufD, wennλ ein stetiger (bzw. holomorpher) Logarithmusder Abbildung id :D → D ist, d. h.λ stetig (bzw. holomorph) und

eλ (z) = z (z∈ D)

Weiter heißtθ : D →R eine stetige Argumentfunktion aufD, wennθ stetigeArgumentfunktion der Identität ist, d. h.θ ist stetig und

z= |z| ·eiθ(z) (z∈ D)

Erläuterungen

a) Situation im Reellen: SeiI ⊂ R ein Intervall, f : I → R z. B. stetig. Wennes eing : I → R gibt mit eg = f , so muss notwendigf > 0 gelten, und imFalle f > 0 gibt es auch genau eing : I → R, nämlichg := log◦ f , wobeilog : ]0,∞[ → R den üblichen reellen Logarithmus bezeichne. D. h.: Kenntman log, so hat man alle solcheng.

b) Situation im Komplexen: SeiG⊂ C ein Gebiet,f : G→ C holomorph undnicht konstant. Gibt es eine stetige Funktiong : G→ C mit eg = f , so mussf nullstellenfrei sein, d. h.f : G→ f (G) ⊂ C∗. Nach dem Satz von der Ge-bietstreue (16.6) istf (G) wiederum ein Gebiet.Annahme: Es gebe inf (G) eine stetige (bzw. holomorphe) Logarithmus-funktion (der Identität)

λ : f (G) → C, w 7→ λ (w) eλ (w) = w (w∈ f (G))

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Dann kann man hierw= f (z) setzen fürz∈ G und hat:g := λ ◦ f ist stetiger(bzw. holomorpher) Logarithmus vonf , denn

eg(z) = eλ ( f (z)) = f (z) (z∈ G)

D. h.: Hinreichend für die Existenz eines stetigen (bzw. holomorphen) Lo-garithmus vonf ist die Existenz eines stetigen (bzw. holomorphen) Loga-rithmus der Identität auff (G). Diese Bedingung ist aber nicht notwendig,d. h. es braucht inf (G) keinen stetigen (bzw. holomorphen) Logarithmusder Identität zu geben, und trotzdem kannf einen stetigen (bzw. holomor-phen) Logarithmus haben.

Beispiel f := exp :C → C∗ hat einen holomorphen Logarithmus, nämlich

g(z) = z (z∈ C)

aber: im Bildgebiet exp(C) = C∗ existiert kein stetiger Logarithmus der Identität.Anschauliche Begründung: Angenommen, es gebe einen stetigen Logarithmusλ :C∗ → C. Wir schränkenλ ein auf S1 := {z∈ C | |z| = 1}. OBdA seiλ (1) = 0.Dann istλ (ζ ) = i ·arccos(Reζ ) für |ζ | = 1 und Imζ ≥ 0, speziell istλ (−1) =iπ. Andererseits istλ (ζ ) = −i · arccos(Reζ ) für |ζ | = 1 und Imζ ≤ 0, speziellλ (−1) = −iπ. E

Warnung: Viele Autoren schreiben für einen holomorphen Logarithmusg von feinfach logf . Diese Schreibweise ist irreführend, da hier im allgemeinen nicht eineVerkettung der Funktion „log“: imf → C mit f vorliegt.

8.4 Satz Sei D⊂ C offen, f : D → C∗ stetig. Dann gilt: f hat einen stetigen Loga-rithmus⇔ f hat eine stetige Argumentfunktion. Im Detail:

a) Ist g : D → C ein stetiger Logarithmus von f , so istϕ := Img eine stetigeArgumentfunktion von f .

b) Ist ϕ : D → R eine stetige Argumentfunktion von f , so ist g:= log| f |+ iϕein stetiger Logarithmus von f .

Beweis a) Seig stetiger Logarithmus vonf . ⇒ f = eg. ⇒ | f | = |eg| = eReg.⇒ Reg = log| f |.

⇒ f = eg = eReg+i·Img = | f | ·ei·Img

ϕ := Img ist stetig und leistet das Verlangte.

b) f stetig⇒ g := log| f |+ iϕ ist stetig. Dann isteg = | f |eiϕ = f . 2

8.5 Satz Sei /0 6= G⊂ C ein Gebiet, f: G→ C∗ stetig, g: G→ C sei ein stetigerLogarithmus von f . Ferner sei h: G→ C. Dann gilt: h ist ein stetiger Logarithmusvon f ⇔∃k∈ Z h = g+2π ik.

43

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Beweis „⇐“ trivial

„⇒“ h−g =: ϕ : G→ C ist stetig,

eϕ =eh

eg = 1⇒∀z∈ G ϕ (z) ∈ 2π i Z

⇒ 12π i ϕ (G) ⊂ Z und 1

2π i ϕ (G) ist zusammenhängend.2.2⇒ 1

2π i ϕ (G) = {k}mit geeignetemk∈ Z. 2

8.6 Definition (Stammfunktion) SeiD ⊂ C offen, f : D → C. Eine FunktionF :D → C heißtStammfunktionvon f , wennF komplex differenzierbar ist mit Ablei-tung f .

8.7 Satz Sei f : G→ C∗, G⊂ C offen, f holomorph. Dann gilt:

a) Hat f einen stetigen Logarithmus g, so ist g notwendig komplex differenzier-bar, und g ist Stammfunktion vonf

f =: g′.

b) Umgekehrt: Ist G ein Gebiet, und hatf ′

f eine Stammfunktion F, so gibt esein α ∈ C, so dass g:= F +α ein holomorpher Logarithmus von f ist.

Beweis a) Seia∈ G. Wir zeigen:g ist in a komplex differenzierbar. Dazu seib := g(a), exp ist komplex differenzierbar⇒∃ in b stetige Funktionϕ mit

ew−eb = (w−b)ϕ (w) (w∈ C) , (8.1)

wobei

ϕ (b) = exp′ (b) = exp(b) = eg(a) = f (a) 6= 0

ϕ stetig inb ⇒ ∃ UmgebungV von b mit ϕ (v) 6= 0 für alle v ∈ V. Zu Vexistiert dann eine UmgebungU von a, U ⊂ G mit g(z) ∈V für alle z∈U .Setze in (8.1)w := g(z), b := g(a) für z∈U .

⇒∀z∈U,z 6= ag(z)−g(a)

z−a=

w−bz−a

(8.1)=

1ϕ (w)

ew−eb

z−a

=1

ϕ (g(z))f (z)− f (a)

z−az→a−−→ 1

ϕ (g(a))f ′ (a) =

f ′ (a)

f (a)

⇒ g ist komplex differenzierbar mit Ableitungf′

f .

44

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b) SeiG ein Gebiet undF eine Stammfunktion vonf′

f , d. h.F ′ = f ′

f .

⇒ ddz

(e−F · f

)= −F ′e−F · f +e−F · f ′ = 0

G Gebiet⇒ e−F · f = c,

wobei notwendigc 6= 0 und konstant ist, daf nullstellenfrei ist und die Ex-ponentialfunktion ohnehin.

⇒∃α ∈ C c = eα f = eF+α

⇒ F +α ist holomorpher Logarithmus vonf . 2

8.8 Korollar SeiG⊂ C∗ offen.

a) Existiert ein stetiger Logarithmusλ : G → C, so istλ notwendig komplexdifferenzierbar mit Ableitung

λ ′ (z) =1z

(z∈ G) ,

d. h.λ ist Stammfunktion von1z aufG.

b) Umgekehrt: IstG ein Gebiet und hatz 7→ 1z (z∈ G) eine Stammfunktion

F aufG, so existiert einα ∈ C, so dass

λ (z) := F (z)+α (z∈ G)

ein holomorpher Logarithmus ist.

Beweis 8.7 mit f (z) := id : G→ G. 2

Frage Unter welchen Bedingungen anG hat jede nullstellenfreie holomorpheFunktion f : G → C einen holomorphen Logarithmus, d. h. für welchesG hat f ′

f

eine Stammfunktion? Für welcheG ⊂ C∗ hat die Funktionz 7→ 1z (z∈ G) eine

Stammfunktion?

Antwort (siehe19.14) IstG ein einfach zusammenhängendes Gebiet, so hat jedenullstellenfreie holomorphe Funktionf : G→ C einen holomorphen Logarithmus.Insbes. existiert auf jedem einfach zusammenhängenden GebietG⊂ C∗ ein holo-morpher Logarithmus (der Identität).G heißteinfach zusammenhängend, falls Gzusammenhängend ist und es keine Punkte inGc gibt, die auf einem stetigen Wegin G umlaufen werden können.

45

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8.9 Satz Es seien G0 := C\ ]−∞,0], log : G0 → C, logz := logr + iϕ , falls z=r ·eiϕ mit r,ϕ ∈ R, |ϕ| < π. Dann istlog : G0 → C ein holomorpher Logarithmus,

ddz

logz=1z

(z∈ G0) ,

und log ist die eindeutig bestimmte Fortsetzung der reellen Logarithmusfunktionauf G0.Ist λ : G0 → C irgendeine stetige Logarithmusfunktion, so gibt es k∈ Z, so dassλ = log+2π ik, und zwar ist k= 1

2π i λ (1).„ log“ heißt derHauptwertoderHauptzweigdes komplexen Logarithmus.

Beweis Die Abbildungz= r ·eiϕ 7→ ϕ ∈ ]−π,π[ ist stetig, denn sie ist die Verket-tung der stetigen Funktionen

G0 → S1\{−1} , z 7→ z|z|

S1\{−1}→ ]−π,π[ , eiϕ 7→ ϕ ∈ ]−π,π[

Letztere Abbildung ist dabei stetig, denn sie ist gleich

S1\{−1} ∋ ζ 7→{

arccosReζ für Imζ ≥ 0−arccosReζ für Imζ ≤ 0

und diese Abbildung ist stetig.

⇒ log : G0 → C ist eine stetige Logarithmusfunktion.8.8⇒ log ist komplex differen-

zierbar mit Ableitung1z für alle z∈ G0. Der Rest ist dann klar nach den vorange-

henden Sätzen. 2

8.10 Folgerung Es gibt keine stetige Logarithmusfunktionl : C∗ → C.

Beweis Annahme: Es gebe ein solchesl . ⇒ λ := (l − l (1)) |G0 ist stetiger Loga-rithmus aufG0 mit λ (1) = 0.

8.9⇒ λ = log⇒ l |G0 = log+l (1)

⇒ l (−1) = limϕ↑π

(logeiϕ + l (1)

)= π + l (1)

Andererseits:

⇒ l (−1) = limϕ↓π

(logeiϕ + l (1)

)= −π + l (1) E

2

8.11 SatzFür |z| < 1 gilt:

log(1+z) =∞

∑n=1

(−1)n−1 zn

n

46

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Beweis Für |z|< 1 ist Re(1+z) > 0⇒ 1+z∈ G0, und log(1+z) ist sinnvoll undholomorph, und

ddz

log(1+z) =1

1+z=

∑n=0

(−1)nzn =ddz

∑n=1

(−1)n−1 zn

nnach 5.1

⇒∃c∈ C log(1+z) =∞

∑n=1

(−1)n−1 zn

n+c (|z| < 1)

Setzez := 0⇒ c = 0⇒ Behauptung. 2

Allgemein Ist f stetig und nullstellenfrei, und istg ein stetiger Logarithmus vonf , α ∈ C, so kann man definieren:f α := eα·g. Diese Definition hängt wesentlichab von der Auswahl vong.

8.12 Definition (Hauptwert der Potenz) Für z∈ G0, α ∈ C sei derHauptwertder Potenz zα definiert durch

zα := eα·logz

8.13 Folgerung a) Fürα,β ∈ C undz∈ G0 ist

zα+β = zα ·zβ

b) Die FunktionG0 ∋ z 7→ zα ist holomorph mitddzz

α = αzα−1, denn:

ddz

eα·logz =αz

eα·logz = αz−1zα = αzα−1

Bemerkung Für z,w∈ G0 braucht nichtz·w∈ G0 zu sein (z. B.z= w = i ∈ G0,zw=−1 /∈ G0). Daher kann die Regel(zw)α = zαwα nicht uneingeschränkt geltenin G0. Selbst im Fallez,w,zw∈ G0, α /∈ Z kann es durchaus sein, dasszαwα 6=(zw)α (z. B. z= w = e

2π i3 ).

Für z∈ G0, α ,β ∈ C, zα ∈ G0 muss nicht gelten(zα)β = zαβ .

8.14 BeispielEs seienz= |z| ·eiϕ ,w = |w| ·eiψ ∈ G0 mit |ϕ| ≤ π2 , |ψ | < π

2 .

⇒ zw= |z| · |w|ei(ϕ+ψ).

Hier ist |ϕ +ψ | < π ⇒ zw∈ G0 und

(zw)α = eα·log(|z||w|)+i(ϕ+ψ) = eα(log|z|+iϕ) ·eα(log|w|+iψ) = zα ·wα

8.15 Beispiel (Binomialreihe)Für |z| < 1, α ∈ C gilt:

(1+z)α =∞

∑n=0

(αn

)

zn

der Hauptwert der Potenz.

Beweis Übungsaufgabe. 2

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Kapitel 9

Abelscher Grenzwertsatz

9.1 Lemma (Abelsche partielle Summation)benannt nach NIELS HENRIK ABEL,5.8.1802–6.4.1829, norwegischer MathematikerSeien(an)n≥0, (bn)n≥0 zwei Folgen inC undAn := ∑n

k=0ak (n≥ 0).

⇒q

∑n=p+1

anbn =q

∑n=p+1

An(bn−bn+1)+Aqbq+1−Apbp+1

für alleq > p≥−1, wobeiA−1 := 0.

Beweis Übungsaufgabe 2 2

9.2 Korollar a) ∑∞n=0anbn konvergiert, wenn∑∞

n=0an konvergiert und(bn)n≥0monoton und beschränkt, also insbesondere reell, ist. (NIELS HENRIK ABEL)

b) ∑∞n=0anbn konvergiert, wenn∑∞

n=0an beschränkte Teilsummen hat und(bn)n≥0monotone Nullfolge, also insbesondere reell, ist. (JOHANN PETER GUSTA-VE LEJEUNEDIRICHLET, 13.2.1805–5.5.1859, deutscher Mathematiker)

c) ∑∞n=0anbn konvergiert, wenn∑∞

n=0an konvergiert und∑∞n=0(bn−bn+1) ab-

solut konvergiert. (PAUL DAVID GUSTAV DU BOIS-REYMOND, 2.12.1831–7.4.1889, deutscher Mathematiker)

d) ∑∞n=0anbn konvergiert, wenn∑∞

n=0an eine beschränkte Folge von Teilsum-men hat,∑∞

n=0(bn−bn+1) absolut konvergiert undbnn→∞−−−→ 0. (JULIUS WIL -

HELM RICHARD DEDEKIND, 6.10.1831–12.2.1916, deutscher Mathemati-ker)

Beweis Übungsaufgabe 2 2

9.3 Beispiele a) Ist(bn)n≥0 eine monotone Nullfolge, so konvergiert∑∞n=0(−1)nbn

nach 9.2 b) mitan := (−1)n. (GOTTFRIEDWILHELM VON LEIBNIZ, 1.7.1646–14.11.1716, deutscher Mathematiker)

48

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b) Ist(bn)n≥0 eine monotone Nullfolge, so konvergiert∑∞n=0bneinϕ für 0< ϕ <

2π, also auch∑∞n=0bncosnϕ und∑∞

n=0bnsinnϕ.Beweis Für 0< ϕ < 2π ist eiϕ 6= 1

⇒∣∣∣∣∣

n

∑k=0

eikϕ

∣∣∣∣∣=

∣∣∣∣∣

1−ei(n+1)ϕ

1−eiϕ

∣∣∣∣∣≤ 2

|1−eiϕ |

9.2b)⇒ ∑∞n=0bneinϕ konvergiert.

9.4 Satz (Abelscher Grenzwertsatz)Die Potenzreihe

f (z) :=∞

∑n=0

anzn (an ∈ C, |z| < R)

habe den Konvergenzradius R∈ ]0,∞[, und die Reihe∑∞n=0anζ n sei noch konver-

gent in einem Punktζ auf dem Rand des Konvergenzkreises, also|ζ | = R. Dannkonvergiert∑∞

n=0anzn gleichmäßig in jedem abgeschlossenen Winkelraum W mitÖffnungswinkel2α < π und Winkelhalbierender⊥Tangente an KR(0) im Punkte

ζ ,◦

W∩KR(0) 6= /0, W∩RdKR(0) = {ζ}. Insbesondere gilt:

limz→ζ

z∈W∩KR(0)

f (z) =∞

∑n=0

anζ n

Beweis Nach Substitutionan 7→ anζ n kann oBdA angenommen werden, dass gilt:

R= 1, ζ = 1. rk := ∑∞n=k an

(k→∞−−−→ 0

)

. ⇒ Für q > p > 0,z∈ K1(0) gilt:

q

∑k=p

akzk =

q

∑k=p

(rk− rk+1)zk =q

∑k=p

(

rk

(

zk−zk−1))

+ rpzp−1− rq+1zq

Seiε > 0. ⇒∃n0 ∈ N ∀n≥ n0 |rn| < ε.

⇒∀q > p≥ n0,z∈ K1(0)

∣∣∣∣∣

q

∑k=p

akzk

∣∣∣∣∣

≤q

∑k=p

|rk|︸︷︷︸

∣∣zk−zk−1

∣∣+ |rp|

︸︷︷︸

+∣∣rq+1

∣∣

︸ ︷︷ ︸

≤ ε

(q

∑k=p

∣∣zk−zk−1

∣∣+2

)

= ε

(

|1−z|q

∑k=p

∣∣zk−1

∣∣+2

)

< ε

(

|1−z|∞

∑k=0

∣∣zk

∣∣+2

)

= ε( |1−z|

1−|z| +2

)

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ϑ

α

α

y0

x0

z0

z

01

W

Abbildung 9.1: Situation im Beweis von 9.4

Es bleibt noch zu zeigen:∃M > 0 ∀z∈W,z 6= 1 |1−z|1−|z| ≤ M. Daraus folgt dann

die gleichmäßige Konvergenz inW mit dem Cauchy-Kriterium. Sei alsoz := x+iy ∈W.

|1−z|cosϑ = 1−x =|1−x|1−x

=1

cosϑ≤ 1

cosα

⇒∀z∈W,z 6= 1|1−z|1−|z| =

|1−z|1−x

· 1−x1−|z|

≤ 1cosα

· (1−x)(1+ |z|)1+ |z|2

≤ 1cosα

· 1−x1−x2−y2

und wegen

y = (1−x) tanϑ ⇒ |y| ≤ (1−x) |tanϑ | ≤ (1−x) |tanα |

kann man weiter abschätzen:

≤ 2cosα

· 1−x

1−x2− (1−x)2 |tan2 α |=

2cosα

· 11+x− (1−x) tan2 α

50

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Dabei ist der Nenner monoton wachsend als Funktion vonx, also minimal fürx =x0. Folglich ist letzter Term:

≤ 2cosα

· 11+x0− (1−x0) tan2 α

=: M

undM leistet also das Verlangte. 2

Beispiel Elstrodt (2002a), 34.10:

a) log(1+x) =∞

∑n=1

(−1)n−1 xn

n(|x| < 1,x∈ R)

konvergiert auch fürx = 1.

9.4⇒ log2=∞

∑n=1

(−1)n−1

n

b) arctanx =∞

∑n=0

(−1)n

2n+1x2n+1 (|x| < 1,x∈ R)

konvergiert auch noch fürx = 1

9.4⇒ π4

=∞

∑n=0

(−1)n

2n+1

9.5 BeispieleFür |z| < 1 gilt nach 8.11:

− log(1−z) =∞

∑n=0

zn

n

9.3 b)⇒ ∑∞n=1

einϕ

n konvergiert für 0< ϕ < 2π.

9.4⇒− log(1−eiϕ)

=∞

∑n=1

einϕ

n=

∑n=1

cosnϕn

+ i∞

∑n=1

sinnϕn

(0 < ϕ < 2π)

1−eiϕ = eiϕ2 · (−2i)

eiϕ2 −e−

iϕ2

2i︸ ︷︷ ︸

=sin ϕ2

= 2·sinϕ2·ei ϕ−π

2

Wegen 0< ϕ < 2π ist hier sinϕ2 > 0 und−π

2 < ϕ−π2 < π

2 . Die Definition desHauptwertes liefert dann:

log(1−eiϕ)

= log(

2sinϕ2

)

+ iϕ −π

2

Wir vergleichen nun Real- und Imaginärteil und erhalten:∞

∑n=1

cosnϕn

= − log(

2sinϕ2

) ∞

∑n=1

sinnϕn

=π −ϕ

2(0 < ϕ < 2π)

51

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Spezialfälle: Setzeϕ := π in der ersten Formel:

⇒∞

∑n=1

(−1)n

n= log2

Setzeϕ := π2 in der zweiten Formel:

⇒∞

∑n=0

(−1)n

2n+1=

π4

9.6 Satz Sind die Potenzreihen∑∞n=0anzn und∑∞

n=0bnzn für |z| < ρ konvergent, sokonvergiert für|z| < ρ auch ihr Cauchy-Produkt∑∞

n=0cnzn mit cn = ∑nk=0akbn−k.

Beweis klar nach dem Multiplikationssatz für absolut konvergente unendliche Rei-hen (Elstrodt (2002a), 17.9) 2

9.7 Satz nachNIELS HENRIK ABEL. Konvergieren die Reihen∑∞n=0an, ∑∞

n=0bn

und konvergiert auch das Cauchy-Produkt∑∞n=0cn (cn = ∑n

k=0akbn−k, n≥ 0), sogilt:

∑n=0

an ·∞

∑n=0

bn =∞

∑n=0

cn

Beweis Die Potenzreihen∑∞n=0anzn, ∑∞

n=0bnzn, ∑∞n=0cnzn konvergieren nach dem

Abelschen Lemma 2 für|z| < 1 (sogar absolut), also gilt nach 9.6:

∑n=0

anzn ·∞

∑n=0

bnzn =∞

∑n=0

cnzn (|z| < 1)

Laut Voraussetzung konvergieren alle Reihen auch noch fürz= 1. Dann folgt mit9.4 und Anwendung von limx→1−0:

∑n=0

an ·∞

∑n=0

bn =∞

∑n=0

cn2

52

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Teil III

Kurvenintegrale und lokaleTheorie der holomorphen

Funktionen

53

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Kapitel 10

Kurvenintegrale

Vorbemerkung Riemann-Integrierbarkeit für komplexwertige Integranden: Seif : [a,b] → C. f heißt Riemann-integrierbar:⇔ Re f und Im f : [a,b] → R sindRiemann-integrierbar. Dann setzt man:

∫ b

af (x) dx=

∫ b

a(Re f )(x) dx+ i

∫ b

a(Im f )(x) dx

Folgerungen

a) Das Integral istC-linear.

b)∫ b

af (x)dx=

∫ b

af (x) dx

c) Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung gilt auch für stetigekomplexwertige Integranden.

d) Die Regel von der partiellen Integration gilt für komplexwertige Integranden.

e) Substitutionsregel: Seif : [a,b]→ C stetig,g : [α,β ]→ [a,b] stetig differen-zierbar,g(α) = a, g(β ) = b.

⇒∫ b

af (x) dx=

∫ β

αf (g(t))g′ (t) dt

Beweis: SeiF Stammfunktion zuf . ⇒ F (g(t)) ist Stammfunktion vonf (g(t))g′ (t). . .

10.1 Lemma Ist f : [a,b] → C Riemann-integrierbar, so ist auch| f | Riemann-integrierbar, und es gilt:

∣∣∣∣

∫ b

af (x) dx

∣∣∣∣≤

∫ b

a| f (x)| dx

54

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Beweis | f | Riemann-integrierbar: leicht.Seiϕ ∈ R so gewählt, dass

∫ b

af (x) dx= eiϕ

∣∣∣∣

∫ b

af (x) dx

∣∣∣∣.

⇒∣∣∣∣

∫ b

af (x)dx

∣∣∣∣= e−iϕ

∫ b

af (x) dx=

∫ b

ae−iϕ f (x) dx

=∫ b

aRe

(e−iϕ f (x)

)dx+ i

∫ b

aIm

(e−iϕ f (x)

)dx

︸ ︷︷ ︸

=0, da die linke Seite reell ist

=∫ b

aRe

(e−iϕ f (x)

)

︸ ︷︷ ︸

≤| f (x)|

dx≤∫ b

a| f (x)| dx

2

10.2 Definition (Kurve) SeiX ein topologischer Raum (z.B.Rm).

a) EinWegoder eineKurve ist eine stetige Abbildung

γ : [a,b] → X

γ (a) heißtAnfangspunktvon γ, γ (b) heißtEndpunktvon γ.

b) γ heißtgeschlossen:⇔ γ (a) = γ (b).

c) γ heißt einfach geschlossen:⇔ γ ist geschlossen undγ (s) 6= γ (t) für alles, t ∈ [a,b[, s 6= t.

d) γ ([a,b]) =: [γ] =: Spurγ (⊂ X).

e) γ− : [a,b]→X, γ− (t) := γ (a+b− t) (a≤ t ≤ b) heißt die rückwärts durch-laufene Kurve oder derinverse Weg.

f) Sind γ1 : [a1,b1] → X, γ2 : [a2,b2] → X zwei Wege mitγ1(b1) = γ2(a2), soheißt

γ := γ1 ∔ γ2 : [a1,b1 +b2−a2] → X,

γ (t) :=

{γ −1(t) für a1 ≤ t ≤ b1

γ2(a2 + t −b1) für b1 ≤ t ≤ b1 +b2−a2

der ausγ1 durch „Anhängen“ vonγ2 entstehende Weg. Sinngemäß fürγ1 ∔

. . .∔ γn.

55

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10.3 Definition (Stückweise stetige Differenzierbarkeit)Ein Wegγ : [a,b] → Cheißt stückweise stetig differenzierbar, wennγ stetig ist, und wenn eine Zerlegunga = t0 < t1 < .. . < tn = b existiert, so dassγ | [t j−1, t j ] stetig differenzierbar ist⇔ γentsteht durch Aneinanderhängen endlich vieler stetig differenzierbarer Wege.

10.4 BeispielSeiγ1 : [−2,0]→C, γ1(t) := t+1,γ2 : [0,π]→C, γ2(t) := eit (0≤ t ≤ π).⇒ γ := γ1 ∔ γ2 : [−2,π] → C ist stückweise stetig differenzierbar und einfach ge-schlossen.

10.5 Lemma (Wiederholung) aus Elstrodt (2002a) 45.4. Istγ : [a,b] → Rm einWeg, so heißtγ rektifizierbar, falls

L(γ) := sup

{n

∑k=1

‖γ (tk)− γ (tk−1)‖2 : a = t0 < t1 < .. . < tn = b,n∈ N

}

endlich ist, und dann heißtL(γ) die Längevon γ. Satz 45.11 aus Elstrodt (2002a)liefert: Ist γ stückweise stetig differenzierbar so istγ rektifizierbar und

L(γ) =∫ b

a

∥∥γ ′ (t)

∥∥

2 dt

Im Fallem= 2, R2 = C lautet diese Formel:

L(γ) =∫ b

a

∣∣γ ′ (t)

∣∣ dt

10.6 Definition (Kurvenintegral) Seiγ : [a,b]→C stückweise stetig differenzier-bar undf : [γ] → C stetig. Dann heißt

γf dz:=

γf (z) dz:=

∫ b

af (γ (t))γ ′ (t) dt

dasKurvenintegralvon f überγ.

γf |dz| :=

∫ b

af (γ (t))

∣∣γ ′ (t)

∣∣ dt

γf dz :=

∫ b

af (γ (t))γ ′ (t)dt

γf dx :=

∫ b

af (γ (t))

(Reγ ′ (t)

)dt

γf dy :=

∫ b

af (γ (t))

(Imγ ′ (t)

)dt

56

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10.7 Bemerkung Das Kurvenintegral ist Limes von Zwischensummen: Zu jedemε > 0 existiert einδ > 0, so dass für jede Zerlegunga = t0 < t1 < .. . < tn = b mitFeinheitsmaß

µ := maxj=1,...,n

(t j − t j−1) < δ

und beliebigen Zwischenpunktent j−1 ≤ τ j ≤ t j ( j = 1, . . . ,n) gilt:∣∣∣∣∣

γf dz−

n

∑j=1

f (γ (τ j))(γ (t j)− γ (t j−1))

∣∣∣∣∣< ε

Dies gilt sogar für alle stückweise stetig differenzierbaren Kurvenγ.

10.8 Beispiele a) Seiγ : [a,b] → C, γ (t) := t, f : [a,b] → C.

⇒∫

γf dz=

∫ b

af (t) ·1dt

ist das übliche Riemann-Integral.

b) γ : [0,2π]→ C, γ (t) := z0+Reit (0≤ t ≤ 2π) (Kreis mit RadiusRumz0),f (z) := (z−z0)

n (z 6= z0,n∈ Z).

⇒∫

γf dz=

∫ 2π

0

(Reit )n · iReit dt = iRn+1

∫ 2π

0ei(n+1)t dt

=

{0 für n 6= −12π i für n = −1

Schreibweise:

∂KR(z0)(z−z0)

n =

{0 für n 6= −12π i für n = −1

Dabei ist∂KR(z0) positiv orientierter Rand des Kreises mit RadiusRumz0.

∂KR(z0)(z−z0)

n |dz| =∫ 2π

0Rn+1eint dt =

{0 für n 6= 02πR für n = 0

c)∫

γ1 |dz| =

∫ b

a

∣∣γ ′ (t)

∣∣ dt = L(γ)

10.9 SatzSindγ : [a,b]→C stückweise stetig differenzierbar, f,g : [γ]→C stetig,α ,β ∈ C, so gilt:

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a)∫

γα f +βgdz= α

γf dz+β

γgdz

dto. mit|dz|, dz, dx, dy.

b)∫

γf dz=

γf dz

c)∫

γ−f dz= −

γf dz

d)

∣∣∣∣

γf dz

∣∣∣∣≤

γ| f | dz≤

max

| f (z)| ,z∈ [γ]︸︷︷︸

kp.

·L(γ)

e) Sindγ1, . . . ,γn endlich viele stückweise stetig differenzierbare Kurven, sodass der Endpunkt vonγ j−1 mit dem Anfangspunkt vonγ j übereinstimmt,undγ := γ1 ∔ . . .∔ γn, so gilt:

γf dt =

n

∑j=1

γ j

f dz

und dto. mit|dz|, dz, dx, dy.

Beweis Hier exemplarisch nur d):∣∣∣∣

γf dz

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

∫ b

af (γ (t))γ ′ (t) dt

∣∣∣∣≤

∫ b

a| f (γ (t))| ·

∣∣γ ′ (t)

∣∣ dt

=∫

γ| f | |dz| ≤ (max{| f (z)| : z∈ [γ]})

∫ b

a

∣∣γ ′ (t)

∣∣ dt

︸ ︷︷ ︸

=L(γ)

2

10.10 Definition (Umparametrisierung) Ist γ : [a,b] → C ein stückweise stetigdifferenzierbarer Weg,ϕ : [α,β ] → [a,b] streng monoton wachsend, bijektiv undstückweise stetig differenzierbar mitϕ ′ (t) > 0 für alle t ∈ [α,β ] (einseitige Ab-leitung in den Unstetigkeitsstellen vonϕ ′), so heißtγ1 := γ ◦ϕ : [α,β ] → C eineUmparametrisierungvon γ.

10.11 SatzUnter den Voraussetzungen von10.10 sei f: [γ]→ C stetig. Dann gilt:∫

γf dz=

γ1

f dz

Beweis Sei die Zerlegungα = τ0 < τ1 < .. . < τn = β so fein gewählt, dass mitt j := ϕ (τ j) ( j = 1, . . . ,n) gilt:

(i) ϕ | [τ j−1,τ j ] ist stetig differenzierbar,

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(ii) γ | [t j−1, t j ] ist stetig differenzierbar,

⇒∫

γ1

f dz=n

∑j=1

∫ τ j

τ j−1

f (γ (ϕ (τ)))ddτ

γ (ϕ (τ)) dτ

=n

∑j=1

∫ τ j

τ j−1

f

γ

ϕ (τ)︸ ︷︷ ︸

=t

γ ′ (ϕ (τ))ϕ ′ (τ) dτ

=n

∑j=1

∫ t j

t j−1

f (γ (t))γ ′ (t) dt =∫

γf dz

2

59

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Kapitel 11

Stammfunktionen

Ist D ⊂ C offen, f : D → C eine Funktion, so heißtF : D → C eine Stammfunktionvon f , wennF komplex differenzierbar ist mitF ′ = f .

11.1 Satz ((Nicht der) „Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung für Kurvenintegrale“)Sei D⊂ C offen, f : D → C stetig, F: D → C eine Stammfunktion von f . Fernerseiγ : [a,b] → D ein stückweise stetig differenzierbarer Weg in D. Dann gilt

γf dz= F (γ (b))−F (γ (a)) .

Ergebnis: Hat f eine Stammfunktion, so hängt∫

γ f dz nur ab von den Werten von Fin γ (a) undγ (b). Für alle in D verlaufenden Wege vonγ (a) nachγ (b) hat

γ f dzdenselben Wert.Bemerkung: 11.1 ist kein gutes Analogon des Hauptsatzes aus Elstrodt (2002a)27.2, da nichts über die Existenz einer Stammfunktion ausgesagt wird (undin die-ser Allgemeinheit auch nichts ausgesagt werden kann).

Beweis∫

γf (z) dz=

∫ b

af (γ (t))γ ′ (t) dt =

∫ b

aF ′ (γ (t))γ ′ (t) dt

=∫ b

a

(ddt

F (γ (t))

)

︸ ︷︷ ︸

stetige Ableitung

dtHauptsatz

= F (γ (b))−F (γ (a))

Das gilt, fallsγ stetig differenzierbar ist; allgemein: Summation über die Teilinter-valle, in denenγ stetig differenzierbar ist. 2

11.2 Korollar In der Situation von 11.1 gilt für jeden geschlossenen stückweisestetig differenzierbaren Wegγ in D:

γf dz= 0

60

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Beweis γ (a) = γ (b) in 11.1 2

11.3 BeispielEine in einem GebietG holomorphe Funktion braucht keine Stamm-funktion aufG zu haben; Beispiel:G = C∗,

f (z) =1z⇒

∂K1(0)

dzz

=∫ 2π

0

ieit

eit dt = 2π i 6= 0

⇒ 1z hat inC∗ keine Stammfunktion.

8.8⇒ Es gibt inC∗ keine stetige Logarithmus-Funktion. (2. Beweis für Folgerung 8.10).

11.4 Korollar Sind in der Situtation von 11.1γ1,γ2 zwei stückweise stetig dif-ferenzierbare Wege inD mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt, sogilt:

γ1

f dz=∫

γ2

f dz

Beweis 11.1 2

11.5 Lemma Sei D ⊂ C offen, f : D → C stetig. Dann gilt für jeden stückwei-se stetig differenzierbaren geschlossenen Wegγ in D:

γ f dz= 0 ⇔ Für je zweistückweise stetig differenzierbare Wegeγ1,γ2 in D mit gleichem Anfangspunktund gleichem Endpunkt gilt:

γ1f dz=

γ2f dz.

Beweis „⇒“ Seienγ1,γ2 stückweise stetig differenzierbar inD mit gleichem An-fangspunkt und gleichem Endpunkt.⇒ γ := γ1 ∔ γ−2 ist stückweise stetigdifferenzierbare geschlossene Kurve.

⇒∫

γf dz= 0 =

γ1

f dz+∫

γ−2f dz=

γ1

f dz−∫

γ2

f dz

⇒∫

γ1

f dz=∫

γ2

f dz

„⇐“ Sei γ : [a,b] → D stückweise stetig differenzierbar und geschlossen, fernerc∈ ]a,b[ beliebig,γ1 := γ | [a,c], γ2 := (γ | [c,b])−. ⇒ γ1,γ2 sind stückweisestetig differenzierbare Wege inD von γ (a) nachγ (c).

⇒∫

γ1

f dz=∫

γ2

f dz

⇒∫

γ |[a,c]f dz=

(γ |[c,b])−f dz= −

γ |[c,b]f dz

⇒∫

γf dz=

γ |[a,c]f dz+

γ |[c,b]f dz= 0

2

61

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11.6 SatzEs sei G⊂ C ein Gebiet, a∈ G, f : G→ C stetig, und für alle z∈ G undfür alle Streckenzügeγ1,γ2 in G mit Anfangspunkt a und Endpunkt z gelte:

γ1

f (ζ ) dζ =∫

γ2

f (ζ ) dζ ,

d. h. für jeden geschlossenen Streckenzugγ in G mit Anfangs- und Endpunkt a sei∫

γ f (ζ ) dζ = 0. Dann ist

F : G→ C, F (z) :=∫

γz

f (ζ ) dζ ,

wobeiγz ein beliebiger Streckenzug in G mit Anfangspunkt a und Endpunkt z sei,sinnvoll definiert, und F ist eine Stammfunktion von f .

Beweis F ist offensichtlich nach Voraussetzung sinnvoll. Seiz0 ∈ G. Wir zeigen:F ist in z0 differenzierbar mitF ′ (z0) = f (z0). Zu z0 existiert einr > 0, so dassKr (z0) ⊂ G. ⇒ Für allez∈ Kr (z0) gilt mit γz := γz0 ∔σz0,z, wobei

σz0,z : [0,1] → G, σz0,z(t) = z0 + t (z−z0) :

F (z) =∫

γz

f (ζ ) dζ =∫

γz0

f (ζ ) dζ︸ ︷︷ ︸

=F(z0)

+∫

σz0,z

f (ζ ) dζ

= F (z0)+ f (z0)(z−z0)+∫

σz0,z

( f (ζ )− f (z0)) dζ

Hier gilt:∣∣∣∣∣

σz0,z

( f (ζ )− f (z0)) dζ

∣∣∣∣∣≤ max

ζ∈[σz0,z]| f (ζ )− f (z0)|

︸ ︷︷ ︸z→z0−−−→0, wg. Stetigkeit vonf

|z−z0|︸ ︷︷ ︸

=Lσz0,z

1.2⇒ F ist in z0 differenzierbar mitF ′ (z0) = f (z0). 2

11.7 Korollar Sei G ⊂ C ein Gebiet, f : G → C stetig. Dann gilt: f hat eineStammfunktion aufG ⇔ für jeden stückweise stetig differenzierbaren geschlos-senen Wegγ in G gilt:

γ f (ζ ) dζ = 0⇔ für je zwei stückweise stetig differenzier-bare Wegeγ1,γ2 in G mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt gilt:

γ1

f (ζ ) dζ =∫

γ2

f (ζ ) dζ

Beweis 11.2, 11.5, 11.6. Die gleiche Äquivalenz gilt, wenn man die stückweisestetig differenzierbaren Kurven ersetzt durch Streckenzüge. 2

62

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11.8 Beispiele a) Sei

G :=

{C für n≥ 0C∗ := C\{0} für n < 0

,

n∈ Z, fn : G→ C, fn(z) := zn (z∈ G). ⇒ fn hat fürn 6= −1 eine Stamm-funktion

Fn : G→ C, Fn(z) =1

n+1zn+1 (z∈ G) .

⇒ Für jeden stückweise stetig differenzierbaren Wegγ : [a,b] → G ist

γzndz=

1n+1

(

(γ (b))n+1− (γ (a))n+1)

(n 6= −1)

Aber: f−1(z) = 1z hat keine Stammfunktion aufC∗, (siehe auch 11.3).

b) SeiR > 0, f (z) := ∑∞n=0anzn für |z| < R konvergent.⇒ f hat die Stamm-

funktion

F (z) :=∞

∑n=0

an

n+1zn+1 (|z| < R)

Für jeden stückweise stetig differenzierbaren Wegγ : [a,b] → KR(0) gilt:

γf (z) dz= F (γ (a))−F (γ (a)) = 0.

11.9 Definition (Sterngebiet)Ein GebietG⊂C heißtsternförmigoder einStern-gebiet, wenn es eina∈ G gibt, so dass für allez∈ G gilt:

[σa,z] = {a+ t (z−a) ,0≤ t ≤ 1} ⊂ G

11.10 Beispiele a) G konvex⇒G ist Sterngebiet (z. B. jede Kreisscheibe, jedeHyperebene,C)

b) G0 := C\ ]−∞,0] ist ein Sterngebiet. Jedesa > 0 leistet das in 11.9 Verlang-te.

11.11 SatzEs seien G⊂C ein Sterngebiet, f: G→C stetig. Für jedes (einschließ-lich des Randes) ganz in G gelegene Dreieck∆ gelte:

∂∆f (z) dz= 0.

Dann hat f eine Stammfunktion.

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Beweis Seia∈ G wie in 11.9, und fürz∈ G sei

F (z) :=∫

σa,z

f (ζ ) dζ .

Seiz0 ∈ G, r > 0 so gewählt, dassKr (z0) ⊂ G. Dann gilt für|z−z0| < r:

F (z) =∫

σa,z

f (ζ ) dζ =∫

σa,z0

f (ζ ) dζ︸ ︷︷ ︸

=F(z0)

+∫

σz0,z

f (ζ ) dζ ,

denn laut Voraussetzung ist∫

∂∆f (ζ ) dζ = 0.

∂∆ sei dabei der positiv orientierte Rand von∆.

= F (z0)+(z−z0) f (z0)+∫ 1

0( f (z0 + t (z−z0))− f (z0))︸ ︷︷ ︸

z→z0−−−→0, da f stetig ist

dt (z−z0)

1.2⇒ F ist in z0 differenzierbar mitF ′ (z0) = f (z0). 2

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Kapitel 12

Der Cauchysche Integralsatz fürSterngebiete und derFundamentalsatz der Algebra

12.1 Satz (Cauchyscher Integralsatz für Dreiecke)(Satz vonCAUCHY undGOUR-SAT), benannt nachAUGUSTIN LOUIS CAUCHY, 21.8.1789–23.5.1857, gehörte zuden größten französischen Mathematikern (sein Name wurde vonGUSTAVE EIF-FEL in dessen Turm in Paris verewigt) undEDOUARD JEAN-BAPTISTEGOURSAT,21.5.1858–25.11.1936, französischer Mathematiker.Sei D⊂ C offen, f : D → C komplex differenzierbar. Dann gilt für jedes abge-schlossene Dreieck∆, das ganz in D liegt:

∂∆f (ζ ) dζ = 0.

Beweis Für jedes Dreieck sei im folgenden der Rand stets positiv orientiert. Wirzerlegen∆ =: ∆0 durch die Verbindungsstrecken der Seitenmitten in 4 zu∆ ähnli-che Dreiecke∆1,1, . . . ,∆1,4 und haben

∂∆f (z) dz=

4

∑j=1

∂∆1, j

f (z) dz

Sei∆1 ∈ {∆1,1, . . . ,∆1,4} so gewählt, dass∣∣∣∣

∂∆1, j

f (z) dz

∣∣∣∣≤

∣∣∣∣

∂∆1

f (z) dz

∣∣∣∣

( j = 1, . . . ,4)

⇒∣∣∣∣

∂∆f (z) dz

∣∣∣∣≤ 4

∣∣∣∣

∂∆1

f (z) dz

∣∣∣∣

Fortführen des Verfahrens mit∆1 statt∆ = ∆0 liefert eine Folge abgeschlossenerDreiecke∆ = ∆0 ⊃ ∆1 ⊃ . . ., so dass

∣∣∣∣

∂∆ j

f (z) dz

∣∣∣∣≤ 4

∣∣∣∣

∂∆ j+1

f (z) dz

∣∣∣∣,

65

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∆1,1

∆1,2

∆1,3

∆1,4

⇀ ⇀⇀⇀

↽↽

Abbildung 12.1: Aufteilung des Dreiecks in 12.1

L(∂∆ j+1) =12

L(∂∆ j) , d(∆ j+1) =12

d(∆ j) ( j ≥ 0) .

d bezeichne dabei denDurchmesser, in diesem Fall also die maximale Seitenlängedes Dreiecks.

⇒∣∣∣∣

∂∆f (z) dz

∣∣∣∣≤ 4n

∣∣∣∣

∂∆n

f (z) dz

∣∣∣∣,

L(∂∆n) =12nL(∂∆) , d(∆n) =

12nd(∆)

(∆n)n≥0 ist monoton fallend,∆n abgeschlossen,d(∆n)n→∞−−−→ 0. Unter diesen Vor-

aussetzungen liefert der Satz von CANTOR1 (Elstrodt (2002a), 37.21):

∞⋂

n=0

∆n = {z0} .

f ist in z0 komplex differenzierbar. Seiε > 0.⇒∃δ > 0 Kδ (z0) ⊂ D und∣∣∣∣

f (z)− f (z0)

z−z0− f ′ (z0)

∣∣∣∣< ε für alle 0< |z−z0| < δ .

⇒∀z∈ Kδ (z0)∣∣ f (z)− f (z0)− (z−z0) f ′ (z0)

∣∣ ≤ ε |z−z0|

1benannt nach GEORGCANTOR

66

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⇒∃N ∈ N ∀n≥ N ∆n ⊂ Kδ (z0)

Sei nunn≥ N. Dann gilt:∣∣∣∣

∂∆f (z) dz

∣∣∣∣≤ 4n

∣∣∣∣

∂∆n

f (z) dz

∣∣∣∣

= 4n

∣∣∣∣

∂∆n

(f (z)− f (z0)− f ′ (z0)(z−z0)

)dz

∣∣∣∣.

(denn nach 11.1 gilt:∫

∂∆n

f (z0) =∫

∂∆n

f ′ (z0)(z−z0) dz= 0)

≤ 4nεd(∆n)L(∂∆n) = 4nε12nd(∆) · 1

2nL(∂∆) = εd(∆)L(∂∆) .

Das gilt für alleε > 0.

⇒∫

∂∆f (z) dz= 0

2

12.2 Zusatz (zu 12.1)Sei D ⊂ C offen, z0 ∈ D, f : D → C sei in D\{z0} holo-morph und inz0 stetig. Dann gilt für jedes abgeschlossene Dreieck∆ ⊂ D:

∂∆f (z) dz= 0.

Beweis Fallunterscheidungen:

(1) z0 /∈ ∆: ⇒ Die Behauptung ist klar, nach 12.1 angewandt aufD\{z0} stattD.

(2) z0 ist eine Ecke von∆: Seiε > 0. Wählez1,z2 so nah beiz0, dass

∣∣∣∣

∂∆0

f (z) dz

∣∣∣∣< ε

Dies ist möglich wegen der Stetigkeit vonf auf ganzD.

⇒∣∣∣∣

∂∆f (z) dz

∣∣∣∣=

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

∂∆0

f (z) dz+∫

∂∆1

f (z) dz︸ ︷︷ ︸

=0 nach (1)

+∫

∂∆2

f (z) dz︸ ︷︷ ︸

=0 nach (1)

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

=

∣∣∣∣

∂∆0

f (z) dz

∣∣∣∣< ε

67

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∆0

∆1

∆2

z0 z1

z2 ⇀

↽ ↽↼

Abbildung 12.2: Aufteilung des Dreiecks in 12.2

(3) z0 ∈ ∆, aberz0 keine Ecke von∆: Reduktion auf (2) durch Verbinden vonz0

mit allen Ecken.

⇒∫

∂∆f (z) dz=

3

∑j=1

∂∆ j

f (z) dz= 02

12.3 Satz (Existenz einer Stammfunktion für Sterngebiete)Sei G⊂C ein Stern-gebiet, z0 ∈ G, f : G→ C sei in z0 stetig und in G\{z0} holomorph. Dann hat feine Stammfunktion auf G und zwar z. B.:

F : G→ C, F (z) :=∫

σa,z

f (ζ ) dζ ,

wobei a∈ G wie in 11.9 definiert sei.

Beweis Nach 12.2 ist∫

∂∆ f dz= 0 für jedes Dreieck∆ ⊂ G.11.11⇒ Behauptung.

12.4 Satz (Cauchyscher Integralsatz für Sterngebiete)Sei G⊂ C ein Sternge-biet, z0, f wie in 12.3. Dann gilt für jeden geschlossenen stückweise stetig differen-zierbaren Wegγ : [a,b] → G:

γf dz= 0.

Beweis 12.3⇒ f hat eine Stammfunktion.11.2⇒ ∫

γ f dz= 0. 2

12.5 Korollar Sind in der Situation von 12.4γ1,γ2 zwei stückweise stetig diffe-renzierbare Wege inG mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt, sofolgt:

γ1

f dz=∫

γ2

f dz.

68

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Beweis 12.4, 11.5 2

12.6 Satz (Hauptwert des komplexen Logarithmus)(zweiter Beweis von 8.9)

Beweis G0 := C\ ]−∞,0] ist Sterngebiet und1z holomorph aufG0.12.3⇒ 1

z hat eineStammfunktion aufG0 und zwar

λ (z) :=∫

σ1,z

dζζ

.

Seiz= |z| ·eiϕ mit |ϕ| < π.

12.4⇒ λ (z) =∫

γ1

f dz+∫

γ2

f dz,

wobei

γ1(t) := t für 1≤ t ≤ |z| ,

γ2(t) :=

{|z|eit für 0≤ t ≤ ϕ, falls ϕ ≥ 0|z|e−it für 0≤ t ≤ |ϕ| , falls ϕ < 0

⇒∫

γ1

dzz

=∫ |z|

1

dtt

= log|z|

γ2

dzz

=

∫ ϕ

0

i |z|eit

|z|eit dt = iϕ, falls ϕ ≥ 0

∫ |ϕ|

0

−i |z|e−it

|z|e−it dt = iϕ, falls ϕ < 0

⇒ λ (z) = log|z|+ iϕ . Hier ist

exp(λ (z)) = elog|z|+iϕ = |z| ·eiϕ = z

⇒ λ (z) ist holomorpher Logarithmus aufG0 und zwar wegenλ (1) = 0 der Haupt-wert des Logarithmus. 2

12.7 Satz (Fundamentalsatz der Algebra)in der Fassung nachCARL FRIED-RICH GAUSS von 1799.Jedes nicht konstante Polynom p∈ C [X] zerfällt überC in Linear-Faktoren.

Beweis Es genügt zu zeigen:p hat eine Nullstelle inC. Das beweisen wir indirekt.Annahme:p hat keine Nullstelle inC. Sei p(z) := ∑n

k=0akzk, an 6= 0, n ≥ 1. Seip∗ (z) := ∑n

k=0akzk. ⇒ Auch p∗ hat keine Nullstelle inC, denn wärew ∈ C eineNullstelle vonp∗, so wäre

p(w) =n

∑k=0

akwk =

n

∑k=0

akwk = p∗ (w) = 0.

69

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⇒ 1p(z) p∗ (z)

ist holomorph in ganzC.

12.4⇒∫

γR

1p(z) p∗ (z)

= 0,

wobei

γR : [0,2] → C, γR(t) :=

{−R+2Rt für t ∈ [0,1]

Reiπ(t−1) für t ∈ ]1,2]

Für |z| < R ist

|p(z) p∗ (z)| =∣∣∣|an|2R2n +b2n−1z2n−1 + . . .+b0

∣∣∣

mit gewissenb0, . . . ,b2n−1

= R2n

∣∣∣∣|an|2 +

b2n−1

z+ . . .+

b0

z2n

∣∣∣∣≥ 1

2|an|2R2n

für alleR≥ R0 mit einem hinreichend großenR0. Sei

ηR : [0,π] → C, ηR(t) := Reit (t ∈ [0,π])

⇒∀R≥ R0

∣∣∣∣

ηR

dzp(z) p∗ (z)

∣∣∣∣≤

ηR

|dz||p(z) p∗ (z)|

≤ 2

|an|2R2n

ηR

|dz|︸ ︷︷ ︸

=L(ηR)=πR

≤ 2π|an|2R2n−1

R→∞−−−→ 0

γR

dzp(z) p∗ (z)

= 0 und∫

ηR

dzp(z) p∗ (z)

R→∞−−−→ 0

⇒∫ R

−R

dzp(z) p∗ (z)

R→∞−−−→ 0 E

denn fürx∈ R ist

p(x) p∗ (x) =

(n

∑k=0

akxk

)(n

∑k=0

akxk

)

= |p(x)|2 > 0,

also∫ R−R

dzp(z)p∗(z) monoton wachsend in Abhängigkeit vonR und positiv für alle

R. 2

12.8 Korollar Ist p : C → C eine nicht konstante Polynomfunktion unda∈ C, sogibt es einζ ∈ C mit p(ζ ) = a, d. h. p : C → C ist surjektiv. Genauer: Hatp denGradn≥ 1, so nimmtp den Werta „nach Vielfachheit gezählt“ genaun-mal an.

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Beweis Das Polynomp−a hat nach Vielfachheit gezählt genaun Nullstellen nach12.7. 2

12.9 Satz (Fundamentalsatz der Algebra (reelle Version))Jedes nicht konstan-te Polynom p∈R [X] zerfällt überR in ein Produkt von Linearfaktoren und quadra-tischen Faktoren (mit reellen Koeffizienten) ohne reelle Nullstellen, d. h. es gibt0 6=c∈R, verschiedene x1, . . . ,xr ∈R (r ≥0), k1, . . . ,kr ∈N (r ≥0), a1, . . . ,as,b1, . . . ,bs∈R, l1, . . . , ls ∈ N (s≥ 0), so dass

p(X) = c·r

∏j=1

(X−x j)k j ·

s

∏j=1

(X2 +a jX +b j

)l j,

wobei die Polynome X2 + a jX + b j ( j = 1, . . . ,s) paarweise verschieden sind undkeine reellen Nullstellen haben (d. h. aj < 4b j ).

Beweis Nach 12.7 existierenx1, . . . ,xn ∈ C, x j 6= xk ( j 6= k), so dass

p(X) = c·q

∏j=1

(X−x j)k j

mit geeignetenk j ∈ N und mitc∈ R, dennc ist Leitkoeffizient vonp. OBdA seienx1, . . . ,xr ∈ R, xr+1, . . . ,xq ∈ C\R.

⇒ g(X) :=p(X)

c·∏rj=1(X−x j)

k j∈ R [X]

hat keine Nullstellen inR; Nullstellen in C sind genauxr+1, . . . ,xq ∈ C\R. Istα ∈ C\R Nullstelle vong, so istg(α) = g(α) = 0.⇒ Auch α ist Nullstelle vong, α 6= α .

⇒ g(X)︸ ︷︷ ︸

∈R[X]

in C= (X−α)(X−α)h(X) =

(

X−2ReαX + |α |2)

︸ ︷︷ ︸

∈R[X]

h(X) .

⇒ h∈ R [X]. D. h. für jede komplexe nicht reelle Nullstelleα vong kann man vong einen quadratischen Faktor abspalten und erhält einh∈ R [X] ohne Nullstellen inR. Fortsetzung des Verfahrens liefert die Behauptung. 2

12.10 Beispiel p(X) := X4 +1 hat überC die Nullstelleneπ i4 , −e

π i4 , e−

π i4 , −e−

π i4 .

Zerlegung überC:

p(X) =(

X−eπ i4

)(

X−e−π i4

)(

X +eπ i4

)(

X +e−π i4

)

=(

X2−√

2X +1)(

X2 +√

2X +1)

12.11 Satz (Allgemeine Form des Fundamentalsatzes der Algebra) a) Die nichtkonstanten überC irreduziblen Polynome ausC [X] sind genau die linearenPolynome ausC [X], d. h.C ist algebraisch abgeschlossen.

71

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b) Die nicht konstanten überR irreduziblen Polynome sind genau die linearenPolynome ausR [X] und die quadratischen Polynome ausR [X] ohne reelleNullstellen.

Beweis 12.7 bzw. 12.8 2

72

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Kapitel 13

Cauchysche Integralformel fürKreise, Analytizität holomorpherFunktionen

13.1 Satz (Cauchysche Integralformel für Kreise)Es seien D⊂C offen, f: D→C holomorph, z0 ∈ D, R> 0 undKR(z0) ⊂ D. Dann gilt für alle z∈ KR(z0):

f (z) =1

2π i

∂KR(z0)

f (ζ )

ζ −zdζ .

Beweis KR(z0) ⊂ D hat vonC\D einen positiven Abstand, fallsC\D 6= /0. ⇒∃ρ > Rmit KR(z0) ⊂ Kρ (z0) ⊂ D. Anwendung von 12.4 auf das SterngebietG :=Kρ (z0) und

g : G→ C, g(ζ ) :=

{f (ζ )− f (z)

ζ−z für ζ 6= z

f ′ (z) für ζ = z

⇒ g ist stetig inz und holomorph inG\{z}.

12.4⇒∫

∂KR(z0)g(ζ ) dζ = 0

⇒ 0 =∫

∂KR(z0)g(ζ ) dζ =

∂KR(z0)

f (ζ )− f (z)ζ −z

=∫

∂KR(z0)

f (ζ )

ζ −zdζ − f (z)

∂KR(z0)

dζζ −z

.

Hier ist∫

∂KR(z0)dζ

ζ−z = 2π i für |z−z0| < R nach 13.2. 2

13.2 Lemma Fürz0 ∈ C, R> 0, z∈ KR(z0) ist∫

∂KR(z0)

dζζ −z

= 2π i

73

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Beweis mit Potenzreihen-Entwicklung:

1ζ −z

=1

(ζ −z0)− (z−z0)=

1ζ −z0

· 1

1− z−z0ζ−z0

=1

ζ −z0

∑n=0

(z−z0

ζ −z0

)n

=∞

∑n=0

(z−z0)n

(ζ −z0)n+1

Die Reihe konvergiert bei festemz,z0 gleichmäßig bzgl.ζ ∈ [∂KR(z0)].

⇒∫

∂KR(z0)

dζz−ζ

=∞

∑n=0

(z−z0)n∫

∂KR(z0)

dζ(ζ −z0)

n+1

︸ ︷︷ ︸

=:s

= 2π i

Dabei ists=

{2π i für n = 00 für n 6= 0

nach 10.8 b). 2

13.3 Satz (Analytizität holomorpher Funktionen) Sei D⊂ C offen, z0 ∈ D, R>0, KR(z0) ⊂ D, f : D → C holomorph. Dann existieren an ∈ C, so dass für allez∈ KR(z0) gilt:

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n (13.1)

und zwar ist für jedes r∈ ]0,R[

an =1

2π i

∂Kr (z0)

f (ζ )

(ζ −z0)n+1 dζ (n≥ 0)

Die Potenzreihe (13.1) konvergiert mindestens in der größten offenen Kreisscheibeum z0, die ganz in D liegt.

Beweis Seiz∈ KR(z0), und sei|z−z0| < r < R. ⇒ Kr (z0) ⊂ D.

13.1⇒ f (z) =1

2π i

∂Kr (z0)

f (ζ )

ζ −zdζ

13.2=

12π i

∂Kr (z0)

∑n=0

f (ζ ) · (z−z0)n

(ζ −z0)n+1 dζ

⇒∀ζ ∈ [∂Kr (z0)]

∣∣∣∣∣

f (ζ )(z−z0)n

(ζ −z0)n+1

∣∣∣∣∣≤ max

ζ∈[∂Kr (z0)]| f (ζ )| |z−z0|n

rn+1

und wegenη := |z−z0|r < 1 folgt die gleichmäßige Konvergenz bzgl.ζ mit dem

Majorantentest.

⇒ f (z) =∞

∑n=0

(

12π i

∂Kr (z0)

f (ζ )

(ζ −z0)n+1 dζ

)

︸ ︷︷ ︸

=:an

(z−z0)n

Damit ist die Entwickelbarkeit bewiesen, und nach 5.8 hängen diean nicht vonrab. 2

74

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Zusammenfassung Jetzt ist die wichtige nicht triviale Inklusion „holomorph⇒analytisch“ bewiesen. Der Beweis stützt sich auf folgende Schritte:

• Cauchyscher Integralsatz für Dreiecke (12.1 und 12.2)

• Existenz einer Stammfunktion für Sterngebiete, fallsf holomorph inG\{z0}und inz0 stetig. (12.3)

• Cauchyscher Integralsatz für Sterngebiete, fallsf holomorph inG\{z0} undin z0 stetig. (12.4)

• Cauchysche Integrationsformel für Kreise:

f (ζ ) =1

2π i

∂KR(z0)

f (ζ )

ζ −zdζ

(13.1), Anwendung des Cauchyschen Integralsatzes auf

ζ 7→{

f (ζ )− f (z)ζ−z für ζ 6= z

f ′ (z) für ζ = z

• Analytizität holomorpher Funktionen durch Entwicklung vonζ 7→ 1ζ−z in

eine geometrische Reihe umz0.

13.4 Korollar Es seienD ⊂ C offen. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

a) f holomorph (=komplex differenzierbar) aufD,

b) f ist beliebig oft komplex differenzierbar aufD,

c) f ist analytisch aufD,

d) f ist stetig partiell differenzierbar und genügt den Cauchy-RiemannschenDifferentialgleichungen,

e) f ist total reell differenzierbar und genügt den Cauchy-RiemannschenDiffe-rentialgleichungen,

f) f hat eine lokale Stammfunktion, d. h. zu jedema∈ D existiert eine offeneUmgebungU ⊂ D vona, so dassf |U eine Stammfunktion hat,

g) für allea∈ D,R> 0 mit KR(a) ⊂ D hat f |KR(a) eine Stammfunktion.

Beweis a)⇒c) 13.3

c)⇒b) 5.3

b)⇒d) f ist komplex differenzierbar, also stetig, d. h.ux,uy,vx,vy sind stetig. DerRest ist klar.

75

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d)⇒e) trivial

e)⇒a) 3.8

f)⇒a) Hat f |U die StammfunktionF , so istF wegen a)⇒b) nach §3 beliebig oftkomplex differenzierbar, d. h.F ′ = f |U ist komplex differenzierbar.

g)⇒f) trivial

a)⇒g) 12.3 2

13.5 Korollar Sei D ⊂ C offen, f : D → C holomorph,u := Re f , v := Im f . ⇒u,v sind [reell analytisch inD, insbesondere sindu,v] beliebig oft stetig partielldifferenzierbar, also harmonisch (vgl. 3.11).

Beweis Beweis-Skizze zu reellen Analytizitätf ist in z0 ∈D in eine Potenzreiheentwickelbar bzgl. der komplexen Variablez:

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n , z= x+ iy,z0 = x0 + iy0 (x,x0,y,y0 ∈ R)

=∞

∑n=0

an(x−x0 + i (y−y0))n

= ∑k,l≥0

bkl (x−x0)k (y−y0)

l + i ∑k,l≥0

ckl (x−x0)k (y−y0)

l

mit geeigneten reellenbkl,ckl. Ähnlich wie für Potenzreihen in einer Varia-blen zeigt man beliebige partielle Differenzierbarkeit. . .

Beweis zur beliebig häufigen partiellen Differenzierbarkeit f ist holomorph

§3⇒ f ′ =∂ f∂x

=1i

∂ f∂y

⇒ ∂ f∂x , ∂ f

∂y sind komplex differenzierbar.⇒ ux,uy,vx,vy sind stetig partielldifferenzierbar mit

∂∂x

(ux + ivx) =∂∂x

f ′ = f ′′ ist komplex differenzierbar nach 13.4

∂∂y

(ux + ivx) =∂∂y

f ′ = i f ′′ ist komplex differenzierbar

∂∂y

(uy + ivy) =∂∂y

(i f ′

)= − f ′′ ist komplex differenzierbar

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∂∂x

(uy + ivy) =∂∂x

(i f ′

)= i f ′′ ist komplex differenzierbar

2

⇒ uxx,uxy,uyy,vxx,vxy,vyy sind stetig und partiell differenzierbar. . .

13.6 Korollar Jede holomorphe Funktionf ist harmonisch, d. h. zweimal stetigpartiell differenzierbar mit∆ f = 0.

13.7 Satz (Cauchysche Integralformel für die Ableitungen)Sei D⊂C offen, f:D → C holomorph, z0 ∈ D, R> 0, KR(z0) ⊂ D. Dann gilt für alle z∈ KR(z0) undalle n∈ N0:

f (n) (z) =n!

2π i

∂KR(z0)

f (ζ )

(ζ −z)n+1 dζ

Beweis mit vollständiger Induktion.

n = 0 siehe 13.1

n→ n+1 Sei die Behauptung fürf (n) richtig, und seienz,z′ ∈ KR(z0) ,z 6= z′.

f (n) (z′)− f (n) (z)z′−z

=n!

2π i

∂KR(z0)f (ζ )

1z′−z

(

1

(ζ −z′)n+1 −1

(ζ −z)n+1

)

=n!

2π i

∂KR(z0)f (ζ )

∑nk=0(ζ −z)n−k (ζ −z′)k

(ζ −z′)n+1(ζ −z)n+1 dζ

Dabei konvergiert der Integrand fürz→ z′ gegen f (ζ ) n+1(ζ−z)n+2 und zwar

gleichmäßig. Seiζ ∈ KR(z0).

=(n+1)!

2π i

∂KR(z0)

f (ζ )

(ζ −z)n+2 dζ

und das ist genau die Cauchysche Integralformel fürf (n+1). 2

13.8 Satz (MORERA) Sei D⊂C offen, f: D→C stetig, und für jedes abgeschlos-sene Dreieck∆ ⊂ D gelte:

∂∆f dz= 0.

Dann ist f in D holomorph.

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Beweis Sei z0 ∈ D, R > 0 und KR(z0) ⊂ D. Dann istKR(z0) ein Sterngebiet,f |KR(z0) stetig, und für jedes abgeschlossene Dreieck∆ ⊂ KR(z0) gilt:

∂∆ f dz=

0.11.11⇒ f |KR(z0) hat eine StammfunktionF : KR(z0) → D. Insbesondere istF be-

liebig oft komplex differenzierbar, also auchF ′ = f . 2

13.9 Korollar f : D → C sei auf der offenen MengeD ⊂ C stetig, und es gebeeine inD diskrete MengeM ⊂ D, so dassf |D\M holomorph ist. Dann istf aufganzD holomorph.

Beweis Sei z0 ∈ M. Wir wählenρ > 0, so dassKρ (z0) ⊂ D und Kρ (z0)∩M ={z0}. ⇒ f |Kρ (z0)\{z0} ist holomorph,f in z0 stetig.⇒ für jedes abgeschlossene

Dreieck∆ ⊂ Kρ (z0) gilt:∫

∂∆ f dz= 0.13.8⇒ f |Kρ (z0) ist holomorph. 2

13.10 Satz (RIEMANN scher Hebbarkeitssatz)benannt nachGEORGFRIEDRICH

BERNHARD RIEMANN , 17.9.1826–20.7.1866, einer der bedeutendsten deutschenMathematiker, Schüler vonGAUSS, DIRICHLET, EISENSTEINetc.Sei D⊂ C offen, z0 ∈ D, f : D\{z0}→ C holomorph. Dann ist äquivalent:

a) f hat in z0 einehebbare Singularität, d. h. es gibt eine holomorphe Fortset-zung von f auf ganz D,

b) f ist in z0 stetig erklärbar.

c) Es gibt eine Umgebung U⊂ D von z0, so dass f|U \{z0} beschränkt ist.

d) limz→z0 (z−z0) f (z) = 0.

Beweis a)⇒b)⇒ c)⇒d) trivial.

d)⇒a Sei

g : D → C, g(z) :=

{(z−z0) f (z) für z∈ D,z 6= z0

0 für z= z0

⇒ g ist holomorph inD\{z0}. Außerdem istg stetig inz0.13.9⇒ g ist holo-

morph inD. Wir können alsog in eine Potenzreihe umz0 entwickeln (Ent-wicklungsstart bei 1, dag(z0) = 0):

g(z) =∞

∑n=1

an(z−z0)n (|z−z0| < ρ) ,

wobeiρ > 0 so klein, dassKρ (z0) ⊂ D. ⇒ Für 0< |z−z0| < ρ ist

f (z) =g(z)z−z0

=∞

∑n=1

an(z−z0)n−1

und die Potenzreihe auf der rechten Seite definiert eine inz0 holomorpheFortsetzung vonf . 2

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Kapitel 14

CAUCHY sche Ungleichungen,Satz von LIOUVILLE

14.1 Satz (CAUCHY sche Ungleichung)Die Funktion f : KR(a) → C sei holo-morph, R∈ ]0,∞] und

max|z−a|=r

| f (z)| =: M (r) (0≤ r < R) .

Dann ist

∣∣∣ f (n) (a)

∣∣∣ ≤ n!M (r)

rn für alle n≥ 0,0 < r < R

Beweis 13.7⇒ Für 0< r < Rgilt:

f (n) (a) =n!

2π i

∂Kr (a)

f (ζ )

(ζ −z)n+1 dζ

⇒∣∣∣ f (n) (a)

∣∣∣ ≤ n!

2πM (r)rn+1 2πr =

n!M (r)rn 2

Zusatz Gilt | f (z)| ≤ M für allez∈ KR(a), so ist

∣∣∣ f (n) (a)

∣∣∣ ≤ n!M

Rn

Begründung Nach 14.1 gilt für aller < R:

∣∣∣ f (n) (a)

∣∣∣ ≤ n!M

rnr→R−0−−−−→ n!M

Rn

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14.2 Satz (CAUCHY sche Ungleichung für die TAYLOR -Koeffizienten) Die Po-tenzreihe

f (z) =∞

∑n=0

an(z−z0)n

sei für|z−z0| < R konvergent (R∈ ]0,∞]), und für0 < r < R sei

M (r) := max|z−z0|=r

| f (z)| .

Dann gilt:

|an| ≤M (r)

rn (n≥ 0) .

Beweis 5.3⇒ an = 1n! f (n) (z0)

14.1⇒ Behauptung.

14.3 Definition (Ganze Funktionen)Eine in ganzC holomorphe Funktion heißteineganze Funktion.

14.4 Beispiele a) Alle Polynome sind ganze Funktionen, ebenso exp, sin, cos,sinh, cosh.

b)sinz

z=

∑n=0

(−1)n z2n

(2n+1)!

ist bei richtiger Lesart eine ganze Funktion.

14.5 Satz f : C → C ist genau dann eine ganze Funktion, wenn es eine Potenzrei-he ∑∞

n=0anzn mit unendlichem Konvergenz-Radius gibt, die Reihe also beständigkonvergiert, so dass

f (z) =∞

∑n=0

anzn (z∈ C)

Beweis „⇒“ f ganz14.3⇒ f ist in eine Potenzreihef (z) = ∑∞

n=0anzn entwickelbar,und diese Entwicklung gilt in ganzC.

„⇐“ klar nach 5.1 2

14.6 Satz (LIOUVILLE ) benannt nachJOSEPHL IOUVILLE , 24.3.1809–8.9.1882,französischer MathematikerJede beschränkte ganze Funktion ist konstant.

Beweis In 14.2 gilt mit geeignetemα ≥ 0: M (r) ≤ α(< ∞ für alle r ≥ 0).

14.2⇒ |an| ≤αRn

R→∞−−−→ 0,

falls n≥ 1.⇒ an = 0 für allen≥ 1.⇒ f (z) = a0 für allez∈ C. 2

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14.7 Anwendung (Zweiter Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra) mit demSatz von LIOUVILLE

Beweis Annahme:p ist ein nichtkonstantes Polynom ohne Nullstellen inC. ⇒ 1p

ist eine ganze Funktion. Sei etwa

p(z) =n

∑k=0

akzk, an 6= 0,n≥ 1

⇒ 1|p(z)|

z6=0=

1|z|n

1∣∣an + an−1

z + . . .+ a0zn

∣∣

︸ ︷︷ ︸

≤| 2an | für |z|≥R

für ein geeignetesR≥ 0

≤ 2|an|

1|z|n ≤ 2

|an|1Rn 2

p ist stetig⇒ 1p |KR(z0) ist beschränkt.

Zusammen:1p ist aufC beschränkt.14.6⇒ 1

p ist konstant.⇒ p ist konstant.E

14.8 SatzSeien

f (z) :=∞

∑n=0

anzn (z∈ C)

eine ganze Funktion,

M (r) := max|z|=r

| f (z)| ,

und es gebe C> 0 undα ≥ 0, so dass M(R) ≤C ·Rα für alle R≥ R0(> 0). (oder

auch nur für R= Rj , wobei Rj > 0, Rjj→∞−−−→ ∞). Dann ist an = 0 für alle n> α ,

d. h. f ist eine Polynomfunktion vom Grade≤ α .

Beweis Nach 14.2 ist für alleR≥ R0 (bzw.R= Rj ):

|an| ≤M (R)

Rn ≤C ·Rα−n R→∞−−−→ 0,

falls n > α . ⇒ an = 0 für allen > α . 2

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Kapitel 15

Nullstellen holomorpherFunktionen, Identitätssatz

15.1 SatzDie Funktion f : G → C sei holomorph im Gebiet G⊂ C. Dann istentweder f≡ 0 oder die Menge

N( f ) := {z∈ G, f (z) = 0}

hat in G keinen Häufungspunkt. Ist f6≡ 0, so ist N( f ) abzählbar. (Entsprechendesfür c-Stellen an Stelle von Nullstellen)

Beweis Annahme:a ∈ G sei Häufungspunkt vonN( f ). Dann gibt es eine Folge

(zk)k≥1 paarweise verschiedener Punkte ausN( f ) mit zkk→∞−−−→ a, zk 6= a (k ∈ N).

13.3⇒ f analytisch inG. Mit dem Identitätssatz für analytische Funktionen (5.9) folgtdann: f ≡ 0.Im Falle f 6≡ 0 gilt: N( f ) ist abzählbar.Begründung: Es gibt eine Folge(Kn)n≥1 kompakter Teilmengen vonG mit K1 ⊂K2 ⊂ . . .⊂ G, so dass

⋃∞n=1Kn = G. Dazu nehme man z. B. inC das achsenparalle-

le Gitter mit Maschenweite12n und setzeKn := Vereinigung aller abgeschlossenenGitterquadrate, die ganz inG∩Kn(0) liegen. JedesKn enthält nur endlich vieleNullstellen von f (dennN( f ) hat in G keinen Häufungspunkt!).⇒ N( f ) ist ab-zählbar. 2

15.2 Korollar Es seien /06= G ⊂ C ein Gebiet undf : G → C holomorph. Dannsind äquivalent:

a) f = 0,

b) Es gibt eina∈ G mit f (n) (a) = 0 für allen≥ 0,

c) {z∈ G : f (z) = 0} hat einen Häufungspunkt inG.

Beweis a)⇒b) trivial

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b)⇒c) f ist analytisch ina.

c)⇒a) 15.1. 2

15.3 Satz (Identitätssatz für holomorphe Funktionen)Sind f,g : G → C zweiim Gebiet G holomorphe Funktionen, und gibt es seine Folge paarweise verschie-dener Punkte zj ∈ G ( j ≥ 1), di in G einen Häufungspunkt hat, so dass f(zj) =g(zj) ( j ≥ 1), so ist f= g.

Beweis 13.3⇒ f analytisch. 5.9⇒ f = g. 2

Ergebnis Jede inG holomorphe Funktion ist bereits durch ihre Werte auf irgend-einer Teilmenge vonG, die inG einen Häufungspunkt hat, vollständig festgelegt.

15.4 SatzSeien G⊂C ein Gebiet, f: G→C holomorph, f6= 0 und a∈G, f (a) =0. Dann gibt es ein m∈ N und eine in G holomorphe Funktion g: G→ C, so dassf (z) = (z−a)mg(z) (z∈ G), g(a) 6= 0. Diese Zahl m ist eindeutig bestimmt undheißt dieOrdnungvon f in a oder die Ordnung bzw.Vielfachheitder Nullstelle avon f . Schreibweise: m=: ord( f ,a).

Beweis Potenzreihen-Entwicklung vonf in a:

f (z) =∞

∑n=0

cn(z−a)n (|z−a| < R,KR(a) ⊂ G) .

f (a) = 0⇒ c0 = 0

m := min{n≥ 0 : cn 6= 0}︸ ︷︷ ︸

6= /0, da f 6=0

⇒ m> 0,m∈ N

g(z) :=

{(z−a)−m f (z) für z∈ G,z 6= a,cm für z= a

⇒ g ist in G\{a} holomorph und fürz∈ KR(a) ist

g(z) =∞

∑k=0

cm+k (z−a)k ,

also istg auch ina holomorph, also in ganzG holomorph.m,g leisten das Verlang-te. 2

15.5 Korollar Sei f : G→ C holomorph im GebietG, f 6= 0, a∈ G, m∈ N. Dannsind äquivalent:

a) f hat ina eine Nullstelle der Ordnungm,

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b) Die Taylorreihe vonf in a hat die Form

f (z) =∞

∑k=m

ck (z−a)k , (cm 6= 0, |z−a| < R,KR(a) ⊂ G)

c) Es gibt eine holomorphe Funktiong : G→ C mit g(a) 6= 0, so dass

f (z) = (z−a)mg(z) (z∈ G)

d) f (a) = f ′ (a) = . . . = f (m−1) (a) = 0, f (m) (a) 6= 0.

Beweis a)⇒c) lt. Definition.

b)⇒a) Beweis von Satz 15.4.

c)⇒d) klar.

d)⇒b) klar. 2

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Kapitel 16

Maximumprinzip, Gebietstreueund lokales Abbildungsverhaltenholomorpher Funktionen

16.1 Definition (Relative Extrema) SeiD ⊂ C offen,ϕ : D → R, a∈ D. ϕ hat ina ein relatives (bzw. lokales) Maximum (bzw. Minimum):⇔

∃ r > 0 Kr (a) ⊂ D ∀z∈ Kr (a) ϕ (z) ≤ ϕ (a) (bzw. ≥)

16.2 Satz (Mittelwertgleichung) Sei f : D → C holomorph auf D⊂ C offen undKR(a) ⊂ D. Dann gilt:

f (a) =1

∫ 2π

0f(a+Reit )

︸ ︷︷ ︸

Mittelwert

dt

Beweis Cauchysche Integralformel

⇒ f (a) =1

2π i

∂Kr (a)

f (ζ )

ζ −adζ ζ=a+Reit

=1

2π i

∫ 2π

0

f(a+Reit

)

Reit · iReit︸︷︷︸

=γ ′(t)

dt

=1

∫ 2π

0f(a+Reit ) dt

2

16.3 Satz (Maximumprinzip) (1. Version) Ist f: G→C im Gebiet G holomorph,und hat| f | in einem Punkt a∈ G ein relatives Maximum, so ist f konstant.

Beweis Sei etwa

| f (z)| ≤ | f (a)| für allez∈ KR(a) ⊂ G (16.1)

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a) Ist f (a) = 0, so gilt:

f |KR(a) = 0 ⇒ f ≡ 0

b) Sei f (a) 6= 0. 16.2⇒ Für 0≤ ρ ≤ R ist

f (a) =1

∫ 2π

0f(a+ρeiϕ)

⇒∫ 2π

0

(

1− f(a+ρeiϕ)

f (a)

)

dϕ = 0 für 0≤ ρ ≤ R wegen (16.1)

Dabei ist Re

(

1− f(a+ρeiϕ)f (a)

)

≥ 0 und stetig in Abhängigkeit vonϕ .

⇒ Re

(

f(a+ρeiϕ)

f (a)

)

= 1 für 0≤ ϕ ≤ 2π,0≤ ρ ≤ R

(16.1)⇒ Im

(

f(a+ρeiϕ)

f (a)

)

= 0 für 0≤ ϕ ≤ 2π,0≤ ρ ≤ R

⇒ f (z) = f (a) für z∈ KR(a).15.3⇒ f (z) = f (a) für allez∈ G. 2

16.4 Satz (Minimumprinzip) Ist f : G→ C holomorph im Gebiet G, und hat| f |in a∈ G ein relatives Minimum, so ist f(a) = 0 oder f konstant.

Beweis f (a) 6= 0 ⇒ 1f ist in einer Umgebung vona holomorph.

∣∣∣

1f

∣∣∣ hat in a ein

relatives Maximum.16.3⇒ 1

f ist in einer Umgebung vona konstant, also ist auchf in

einer Umgebung vona konstant.15.3⇒ f ist konstant aufG. 2

16.5 Anwendung (3. Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra)(mit Minimum-prinzip).

Beweis Sei p : C → C eine nicht konstante Polynomfunktion,p(z) = ∑nk=0akzk,

(an 6= 0,n≥ 1). FürR> 0, |z| < Rgilt dann:

|p(z)| = Rn

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

an +an−1

z+ . . .+

a0

zn︸ ︷︷ ︸

|...|≤ 12 |an|, falls Rhinr. groß

∣∣∣∣∣∣∣∣∣

≥ 12|an|Rn,

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falls R≥ R0

> p(0) = |a0| , falls R≥ R1(≥ R0)

SeiR> R1 fest.⇒ |p| hat inKR(0) (offene Kreisscheibe) ein relatives Minimum.

p ist nicht konstant16.4⇒ p hat eine Nullstelle. 2

16.6 Satz (Gebietstreue holomorpher Funktionen)Sei f : G→C eine nicht kon-stante holomorphe Funktion im Gebiet G. Dann ist auch f(G) ein Gebiet.

Beweis G zusammenhängend,f stetig.§2⇒ f (G) zusammenhängend. Bleibt zu zei-

gen: f (G) offen. Dazu seiw0 ∈ f (G). ⇒∃z0 ∈ G w0 = f (z0).

15.1⇒ ∃ r > 0 Kr (z0) ⊂ G f (z) 6= f (z0) = w0 ∀z∈ Kr (z0),z 6= z0,

denn die Nullstellen vonf (·)−w0 häufen sich nirgends inG.

⇒∃δ > 0 ∀z∈ ∂Kr (z0) | f (z)− f (z0)| ≥ 3δ .

Behauptung:Kδ (w0) ⊂ f (G).Begründung: Sei|w−w0| < δ .

⇒∀z∈ ∂Kr (z0) | f (z)−w| ≥ | f (z)−w0|︸ ︷︷ ︸

≥3δ

−|w−w0|︸ ︷︷ ︸

≥ 2δ

und

| f (z0)−w| = |w0−w| < δ .

Minimumprinzip (16.4) angewandt auff −w liefert: f (·)−w hat in Kr (z0) eineNullstelle, oderf ist konstant (inKr (z0) und damit inG). f ist aber nicht konstant.⇒ f (·)−w hat inKr (z0) eine Nullstelle.⇒∃z∈ Kr (z0) mit f (z) = w. 2

16.7 Lemma Es seif : D → C holomorph,

g(z,w) :=

{f (z)− f (w)

z−w für z,w∈ D,z 6= wf ′ (z) für z= w∈ D

Dann istg : D×D → C stetig.

Beweis Sei(z0,w0) ∈ D×D: Ist z0 6= w0, so istg trivialerweise stetig in(z0,w0).

Seiz0 = w0. Fürz,w∈ KR(z0) ,z 6= w(

KR(z0) ⊂ D)

gilt:

g(z,w) =f (z)− f (w)

z−w13.7=

12π i

∫ 2π

0

1z−w

(f (ζ )

ζ −z− f (ζ )

ζ −w

)

also

g(z,w) =1

2π i

∂KR(z0)

f (ζ )

(ζ −z)(ζ −w)dζ ,

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und die letzte Formel gilt auch fürz= w∈ KR(z0) nach 13.7.

⇒ g(z,w)−g(z0,z0)

=1

2π i

∂KR(z0)

(

1(ζ −z)(ζ −w)

− 1

(ζ −z0)2

)

dζ (z,w)→(z0,z0)−−−−−−−→ 0

⇒ g ist stetig in(z0,z0). 2

16.8 Satz ((Umkehr-)Satz)Seien D⊂ C offen, f : D → C holomorph, z0 ∈ D undf ′ (z0) 6= 0. Dann existiert eine offene Umgebung U von z0, so dass gilt:

a) f |U ist bijektiv,

b) V := f (U) ist offen,

c) h := ( f |U)−1 : V →U ist holomorph.

Beweis a)16.7⇒ ∃ offene UmgebungU vonz0, so dass

|g(z1,z2)| ≥12|g(z0,z0)| =

12

∣∣ f ′ (z0)

∣∣ 6= 0

für alle (z1,z2) ∈U ×U .

⇒∀z1,z2 ∈U | f (z1)− f (z2)| ≥12

∣∣ f ′ (z0)

∣∣ · |z1−z2| (16.2)

∀z∈U∣∣ f ′ (z)

∣∣ ≥ 1

2

∣∣ f ′ (z0)

∣∣ (16.3)

(16.2)⇒ f |U ist injektiv⇒ a). (16.3)⇒ f ′ (z) 6= 0 für allez∈U .

b) klar nach 16.6, denn wegenf ′ (z0) 6= 0 ist f |U nicht konstant.

c) Seienw,w1 ∈V := f (U). ⇒ ∃ eindeutig bestimmtez,z1 ∈U mit w = f (z)undw1 = f (z1). ⇒ Für w 6= w1 ist

h(w)−h(w1)

w−w1=

z−z1

f (z)− f (z1).

Wegen (16.2) gilt fürw→ w1: z→ z1, und wegen (16.3) folgt:

limw→w1

g(w)−g(w1)

w−w1= lim

z→z1

1f (z)− f (z1)

z−z1

=1

f ′ (z1)2

16.9 SatzSei G⊂ C ein Gebiet, f: G→ C holomorph und nicht konstant, z0 ∈ G,m:= ord( f (z)− f (z0) ,z0). Dann existiert eine offene Umgebung U von z0, U ⊂G,und eine holomorphe Funktion g: U → C, so dass gilt:

a) f (z) = f (z0)+(g(z))m (z∈U),

b) g′ ist nullstellenfrei auf U, und g ist eine holomorphe Bijektion g: U →Kr (0), g(z0) = 0.

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Erläuterung Fasst mang als Koordinaten-Transformation auf, so besagt 16.9:„Bis auf eine Koordinaten-Transformation“ verhält sich jede holomorpheFunktionlokal wieh(z) = c+zm mit m∈ N in 0.

Beweis OBdA seiV := Kρ (z0) ⊂ G so klein gewählt, dassf (z) 6= f (z0) für allez∈V \{z0}.

15.4⇒ f (z) = f (z0)+(z−z0)mh(z)

mit einem holomorphenh : V → C, h(z) 6= 0 (z∈V). ⇒ h′h ist holomorph aufV,

V ist Sterngebiet.12.3⇒ h′

h hat eine Stammfunktion aufV.8.7⇒ h hat einen holomorphen

Logarithmus aufV, d. h. es gibt eine holomorphe Funktionϕ : V → C mit h = eϕ .Setze nun

g : V → C, g(z) := (z−z0)e1mϕ(z) (z∈V) .

⇒ f (z) = f (z0)+(g(z))m (z∈V)

⇒ a).g(z0) = 0,

g′ (z) = e1mϕ(z) +(z−z0)e

1mϕ(z) · 1

mϕ ′ (z) , g′ (z0) = e

1mϕ(z0) 6= 0

⇒ Es gibt eine UmgebungU ⊂ V von z0, so dassg′ |U nullstellenfrei ist, undg|U : U → Kr (0) eine Bijektion ist.⇒ b). 2

16.10 Korollar In der Situation 16.9 gibt es zu jedemw ∈ f (U) = Krm ( f (z0)),w 6= f (z0) genaumverschiedenez1, . . . ,zm ∈U mit f (zj) = w, ( j = 1, . . . ,m).

Beweis f (z) = w⇔ (g(z))m = w− f (z0) ⇔ g(z) ist gleich einer der genaum inKr (0) gelegenenm-ten Wurzeln ausw− f (z0). 2

16.11 Korollar Sei f : G → C im GebietG holomorph und injektiv. Dann istf ′

nullstellenfrei inG und f−1 : f (G) → G holomorph.

Beweis Wäre f ′ (z0) = 0 für ein z0 ∈ G, so wäref nicht injektiv nach 16.10, dadort dannm≥ 2 wäre.⇒ f−1 ist holomorph nach 16.8. 2

Warnung Auch wennf ′ nullstellenfrei ist, brauchtf nicht injektiv zu sein. Bei-spiel f = exp.

16.12 Satz (Maximumprinzip) (2. Version) Sei f: G→ C holomorph im GebietG und /0 6= K ⊂ G, K kompakt. Dann nimmt| f | |K das Maximum in einem Rand-punkt von K an. Nimmt| f | |K das Maximum auf einem inneren Punkt von K an, soist f konstant.

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Beweis | f | ist stetig aufK, nimmt also ein Maximum ina∈K an. Ista∈◦K, so ist f

konstant nach 16.3. In jedem Fall nimmt| f | |K das Maximum in einem RandpunktvonK an. 2

16.13 Satz (Minimumprinzip) (2. Version) Sei f: G→ C holomorph im GebietG und /0 6= K ⊂ G, K kompakt. Dann hat f in K eine Nullstelle oder| f | |K nimmtdas Minimum in einem Randpunkt von K and. Nimmt| f | |K ein positives Minimum

auf einem Punkt aus◦K, so ist f konstant.

Beweis Hat | f | |K keine Nullstelle, so ist minz∈K | f (z)| > 0, und dieses Mini-

mum kann nach 16.4 nur dann auf◦K angenommen werden, wennf konstant ist.

In jedem Fall nimmt| f | |K das Minimum auf dem Rand vonK an, falls f (z) 6=0 (z∈ K). 2

16.14 Satz (Maximumprinzip) (3. Version) Sei/0 6= G⊂ C ein beschränktes Ge-biet und f : G→ C stetig und f|G holomorph. Dann gilt:max

{| f (z)| ,z∈ G

}=

max{| f (z)| ,z∈ RdG}.

Beweis G ist kompakt,| f | ist stetig.

⇒∃a∈ G | f (a)| = max{| f (z)| ,z∈ G

}

(i) a∈ RdG⇒ Behauptung klar.

(ii) a∈ G16.3⇒ f ist konstant.⇒ | f | nimmt das Maximum auch auf RdG an, denn

RdG 6= /0, daG 6= /0 und kompakt. 2

16.15 Satz (Minimumprinzip) (3. Version) Sei/0 6= G⊂ C ein beschränktes Ge-biet und f: G→C stetig und f|G holomorph. Ferner sei f|G nullstellenfrei. Danngilt:

min{| f (z)| ,z∈ G

}= min{| f (z)| ,z∈ RdG}

Beweis G ist kompakt.

⇒∃a∈ G | f (a)| = min{| f (z)| ,z∈ G

}

(i) a∈ RdG⇒ Behauptung klar.

(ii) a∈ G16.4⇒ f konstant, daf |G nullstellenfrei ist.

In jedem Fall nimmt| f | ihr Minimum auf RdG an. 2

Bemerkung Wegen∣∣ef

∣∣ = eRe f ,

∣∣e−i f

∣∣ = eIm f gelten die verschiedenen Versionen

des Maximum- bzw. Minimumprinzips sinngemäß auch für Ref und Im f statt| f |.

90

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Kapitel 17

Der Konvergenz-Satz vonWEIERSTRASS

17.1 Satz (Konvergenzsatz von WEIERSTRASS) benannt nachKARL THEODOR

WILHELM WEIERSTRASS, 31.10.1815–19.2.1897, deutscher Mathematiker.Seien D⊂ C offen und fn : D → C (n∈ N) eine Folge in D holomorpher Funktio-nen, die kompakt gleichmäßig gegen f: D→C konvergiere. Dann ist f holomorph,und es gilt für alle k≥ 0: f (k)

nn→∞−−−→ f (k) kompakt gleichmäßig auf D.

Beweis 1.) fnn→∞−−−→ f kompakt gleichmäßig aufD. ⇒ f ist stetig aufD, und für

jedes Dreieck∆ ⊂ D, das mit Rand ganz inD liegt, gilt:∫

∂∆f (z) dz= lim

n→∞

∂∆fn(z)︸ ︷︷ ︸

holomorph

dz= 0

nach 12.1.13.8⇒ f ist holomorph aufD.

2.) Nach Aufgabe 11 ist nur noch die lokal gleichmäßige Konvergenzf (k)n

n→∞−−−→f (k) zu beweisen. Dazu seiz0 ∈ D undr > 0 so klein, dassK2r (z0) ⊂ D.

13.7⇒ ∀z∈ Kr (z0)∣∣∣ f (k) (z)− f (k)

n (z)∣∣∣ =

∣∣∣∣∣

k!2π i

∂K2r (z0)

f (ζ )− fn(ζ )

(ζ −z)k+1 dζ

∣∣∣∣∣

≤ k!2π

maxζ∈Rd(K2r (z0))

| f (ζ )− fn(ζ )|∫

∂K2r (z0)

|dζ ||ζ −z|k+1

Für |ζ −z0| = 2r, |z−z0| < r ist |ζ −z| ≥ |ζ −z0|− |z−z0| ≥ 2r − r = r.

≤ k!2π

2π2rrk+1 max

ζ∈Rd(K2r (z0))| f (ζ )− fn(ζ )| < ε,

falls n≥ n0(ε), denn fn |Rd(K2r (z0))n→∞−−−→glm.

f |Rd(K2r (z0)). 2

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17.2 Beispiele a) Jede Potenzreihef (z) = ∑∞n=0anzn mit KonvergenzradiusR

konvergiert aufKR(0) kompakt gleichmäßig.17.1⇒ f ist holomorph und die

Reihe darf beliebig oft termweise differenziert werden. Dieses Resultatistbereits bekannt aus §2.

b) G := {z∈ C,Rez> 1}, fn(z) := 1nz (z∈ G,n∈ N) (dabeinz = ezlogn). ⇒

fn ist holomorph, und für Rez≥ δ +1 (δ > 0 fest) ist

∣∣∣∣

1nz

∣∣∣∣=

1|ezlogn|

z=x+iy=

1exlogn = e−xlogn = n−x ≤ n−1−δ

⇒ ∑∞n=1

1nz konvergiert gleichmäßig auf{z∈ C,Rez≥ 1+δ} für alleδ > 0,

d. h.∑∞n=1 fn konvergiert kompakt gleichmäßig aufG.

17.1⇒ Die RIEMANNscheζ -Funktion

ζ (z) :=∞

∑n=1

1nz (Rez> 1)

ist holomorph aufG, und alle Ableitungen erhält man durch termweise Dif-ferentiation der Reihe:

⇒ ζ ′ (z) = −∞

∑n=1

lognnz , ζ (k) (z) = (−1)k

∑n=1

(logn)k

nz (Rez> 1)

17.3 Satz (WEIERSTRASSscher Doppelreihensatz)Sei z0 ∈ C, 0 < R≤ ∞, unddie Potenzreihen

fn(z) :=∞

∑k=0

ank(z−z0)k (n≥ 0)

seien für z∈ KR(z0) konvergent. Ferner konvergiere∑∞n=0 fn auf KR(z0) kompakt

gleichmäßig. Dann gilt:

∑n=0

(∞

∑k=0

ank(z−z0)k

)

=∞

∑k=0

(∞

∑n=0

ank

)

(z−z0)k für alle z∈ KR(z0)

Beweis 17.1⇒ F (z) := ∑∞n=0 fn(z) ist holomorph aufKR(z0), hat also nach 13.3 eine

Potenzreihen-Entwicklung umz0, die mindestens inKR(z0) konvergiert:

F (z) =∞

∑k=0

bk (z−z0)k (z∈ KR(z0))

Hier ist

bk =F(k) (z0)

k!17.1=

∑n=0

f (k)n (z0)

k!=

∑n=0

ank2

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17.4 BeispielEs seian ∈ C, und es gebe eina ∈ R, M > 0, so dass|an| ≤ M ·nα (n∈ N). Sei

fn : K1(0) → C, fn(z) :=anzn

1−zn (|z| < 1)

⇒ Für |z| ≤ r < 1 gilt:

| fn(z)| ≤ |an|rn

1− rn ≤ |an|1− r

rn ≤ M1− r

nα rn

und ∑∞n=1nα rn konvergiert.⇒ ∑∞

n=1 fn konvergiert normal aufK1(0). Für |z| < 1ist

fn(z) = anzn

1−zn

geom. R.= anzn

∑l=0

znl = an

∑l=1

znl =∞

∑k=1

ankzk,

wobei

ank :=

{0 für n ∤ k,an für n|k

Schreiben wir also

F (z) =∞

∑n=1

fn(z) =∞

∑k=1

bkzk,

so ist

bk =∞

∑n=1

ank = ∑d |kd>0

ad.

Resultat Für jede Folge(an) mit |an| ≤ Mnα (M > 0,α ∈ R fest,n∈ N) gilt:

∑n=1

anzn

1−zn =∞

∑n=1

(

∑d |n

ad

)

zn (|z| < 1)

speziell:

a) an = 1. ∑d |n1 = d(n) = # Teiler vonn (∈ N).

⇒∞

∑n=1

zn

1−zn =∞

∑n=1

d(n)zn.

b) EULERscheϕ-Funktion.

an := ϕ (n) := #{k,1≤ k≤ n,ggT(k,n) = 1}

⇒ ∑d |n ϕ (d) = n. (Beweis siehe handschriftliches Skript).

⇒∞

∑n=1

ϕ (n)zn

1−zn =∞

∑n=1

nzn = zddz

∑n=0

zn =z

1−z2 (|z| < 1)

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c) MÖBIUSscheµ-Funktion:

an := µ (n) :=

1 fallsn = 1,0 falls∃d > 1 d2 |n,

(−1)k falls n = p1 · · · pk,

mit paarweise verschiedenen Primzahlenp1, . . . , pk.

⇒ ∑d |n

µ (d) =

{1 für n = 1,0 sonst

⇒∞

∑n=1

µ (n)zn

1−zn = z (|z| < 1)

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Kapitel 18

Holomorphe von einemParameter abhängige Integrale

18.1 SatzSeien D⊂ C offen,α,β ∈ R, α < β , ϕ : [α ,β ]×D → C stetig undϕ (t, ·) : D → C holomorph für jedes t∈ [α ,β ]. Dann ist

Φ : D → C, Φ(z) :=∫ β

αϕ (t,z) dt (z∈ D)

holomorph, dn

dzn ϕ (t,z) ist stetig in(t,z) ∈ [α ,β ]×D, und es gilt:

dn

dzn Φ(z) =∫ β

α

(dn

dzn ϕ (t,z)

)

dt

Beweis Seia∈ D, ρ > 0, Kρ (a) ⊂ D.

13.7⇒ ϕ (t,z) =n!

2π i

∂Kρ (a)

ϕ (t,ζ )

(ζ −z)n+1 dζ ,(t ∈ [α,β ] ,z∈ Kρ (a)

)

Die rechte Seite hängt hier stetig ab von(t,z) ∈ [α,β ]×Kρ (a), also ist dn

dzn ϕ (z, t)stetig bzgl.(t,z) (n≥ 0). Weiter gilt fürz∈ Kρ (a), z 6= a nach 13.7:

Φ(z)−Φ(a)

z−a=

∫ β

α

ϕ (t,z)−ϕ (t,a)

z−adt

=∫ β

α

12π i

(∫

∂Kρ (a)

ϕ (t,ζ )

z−a

(1

ζ −z− 1

ζ −a

)

dζ)

dt

=∫ β

α

12π i

(∫

∂Kρ (a)

ϕ (t,ζ )

(ζ −z)(ζ −a)dζ

)

︸ ︷︷ ︸z→a−−→glm.

∂Kρ (a)ϕ(t,ζ )

(ζ−a)2dζ

dt

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z→a−−→∫ β

α

12π i

∂Kρ (a)

ϕ (t,ζ )

(ζ −a)2 dζ︸ ︷︷ ︸

= dϕ(t,z)dz

∣∣∣z=a

dt13.7=

∫ β

α

dϕ (t,z)dz

∣∣∣∣z=a

dt

⇒ Φ ist komplex differenzierbar mit Ableitung

dΦdz

(z) =∫ β

α

dϕ (t,z)dz

dt.

Da dnϕ(t,z)dzn für alle n≥ 0 schon als stetig bzgl.(t,z) erkannt ist, folgt induktiv die

Behauptung. 2

18.2 BeispielSeiz0 ∈ C, R> 0. Dann gilt:

12π i

∂KR(z0)

dζζ −z

=

{1 für |z−z0| < R0 für |z−z0| > R

Beweis Φ(z) := 12π i

∂KR(z0)dζ

z−ζ ist in D := C\KR(z0) holomorph nach 18.1 underfüllt

Φ′ (z) =1

2π i

∂KR(z0)

ddz

1ζ −z

dζ =1

2π i

∂KR(z0)

1

(ζ −z)2 dζ = 0,

denn der Integrand hat bzgl.ζ die Stammfunktion− 1ζ−z.⇒Φ |KR(z0) undΦ |C\KR(z0)

sind konstant. WegenΦ(z0) = 1 ist Φ(z) = 1 für allez∈ KR(z0), und wegen

|Φ(z)| ≤ 12π

2πR|z−z0|−R

|z|→∞−−−→ 0.

Für |z−z0| > R gilt: Φ(z) = 0 für allez∈ C, |z−z0| > R. 2

18.3 Satz (Holomorphe Abhängigkeit des LEBESGUE-Integrals von einem komplexen Parameter)Seien(X,A,µ) ein Maßraum, D ⊂ C offen und f: X×D → C habe folgende Ei-genschaften:

a) f (·,z) : X → C ist µ-integrierbar für jedes z∈ D,

b) f (t, ·) : D → C ist holomorph für jedes t∈ X,

c) zu jeder kompakten Kreisscheibe K⊂D existiert eine integrierbare FunktiongK : D→ [0,∞[, so dass| f (t,z)| ≤ gK (t) für µ-fast alle t∈X, z∈K (es reichthier, wenn jeder Punkt aus D eine hinreichend kleine Umgebung hat, aufderdiese Bedingung erfüllt ist).

Dann ist

F : D → C, F (z) :=∫

Xf (t,z) dµ (t) (z∈ D)

holomorph, und für alle n∈ N ist dn

dzn F (z) : X → C µ-integrierbar, und es gilt:

dn

dznF (z) =∫

X

dn

dzn f (t,z) dµ (t) (z∈ D) .

96

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Zusatz Ist X ⊂ R ein Intervall,µ = λ das LEBESGUE-Maß, so gilt:

(i) a) ist erfüllt, wenn∫

X f (t,z) dt als absolut konvergentes uneigentliches RIE-MANN -Integral existiert, und dann ist der Wert des LEBESGUE-Integrals gleichdem Wert des RIEMANN -Integrals.

(ii) c) ist erfüllt, wenn zu jeder kompakten KreisscheibeK ⊂ D eine uneigentlichRIEMANN -integrierbare FunktiongK : X → [0,∞[ existiert, so dass| f (t,z)| ≤gK (t) für alle t ∈ X,z∈ K.

Beweis Elstrodt (2002b) Satz IV 5.8 bzw. IV 6.3. 2

18.4 Satz (Gammafunktion) Γ(z) :=∫ ∞

0tz−1e−t dt

(

Rez> 0, tz−1 = e(z−1) logt)

existiert als absolut konvergentesRIEMANN -Integral, also auch alsLEBESGUE-Integral, und 18.3 c) ist erfüllt.

Beweis SeiK ⊂{z∈ C,Rez> 0}, K kompakt,α := minz∈K Rez> 0,β := maxz∈K Rez<∞. Dann ist

(i) für 0 < t ≤ 1:

∣∣tz−1e−t

∣∣ ≤ tRez−1 ≤ tα−1,

(ii) für t ≥ 1:

∣∣tz−1e−t

∣∣ ≤ tβ−1e−t ≤ Me−

t2

mit geeignetemM > 0,

also

∣∣tz−1e−t

∣∣ ≤ gK (t) :=

{tα−1 für 0 < t ≤ 1Me−

t2 für t > 1

Wegenα > 0 ist∫ ∞

0 gK (t) dt < ∞, und es folgt die Existenz des Gamma-Integralsals LEBESGUE-Integral und als absolut konvergentes RIEMANN -Integral.18.3 mit Zusatz liefert dann:Γ ist holomorph mit

Γ(k) (z) =∫ ∞

0(logt)k tz−1e−t dt (Rez> 0)

Γ(x+1)= x·Γ(x) (x∈ R,x > 0). Nach dem Identitätssatz (5.9) ist dannΓ(z+1)=z·Γ(z) für allez∈ C mit Rez> 0.Beweis der GAUSSschen Darstellung: Fürz∈ C, Rez> 0e−t = limn→∞

(1− t

n

)n(t ∈ R), und zwar ist für 0≤ t ≤ n stets

(

1− tn

)n≤ e−t ,

97

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denn diese Ungleichung ist äquivalent zu

nlog(

1− tn

)

≤−t (0≤ t < n)

wegen logx≤ x−1 (x > 0). Für festesz mit Rez> 0 setzen wir

fn(t) :=

{ (1− t

n

)ntz−1 für 0 < t ≤ n

0 für t > n.

⇒ fn(t)n→∞−−−→ tz−1e−t (t > 0) .

| fn(t)| ≤ e−ttRez−1 =: g(t)

g ist uneigentlich RIEMANN -integrierbar über]0,∞[ (s.o.). Der Satz von der majo-risierten Konvergenz liefert also:

Γ(z) =∫ ∞

0e−ttz−1dt

maj. Konv.= lim

n→∞

∫ ∞

0fn(t) dt

= limn→∞

∫ n

0

(

1− tn

)ntz−1dt

part. Int.= lim

n→∞

nzn!z(z+1) · . . . · (z+n) 2

Ergebnis: GAUSSsche Darstellung der Gamma-Funktion:

Γ(z) = limn→∞

nzn!z(z+1) · . . . · (z+n)

(Rez> 0)

Ausblick:

n!nz

z(z+1) · . . . · (z+n)=

ez(logn−∑nk=1

1k)

z∏nk=1

(1+ z

k

)e−

zk.

Hier ist das unendliche Produkt∏∞k=1

(1+ z

k

)e−

zk auf ganzC konvergent und stellt

eine holomorphe Funktion dar mit genau den Nullstellen−1,−2,−3, . . .

limn→∞

(

logn−n

∑k=1

1k

)

=: −γ

existiert und ist gleich 0,5772. . .. Dabei istγ die EULER-MASCHERONIsche Kon-stante.1 Obenn→ ∞ und Kehrwert liefert:

1Γ(z)

= zeγz∞

∏n=1

(

1+zn

)

e−zn

1benannt nach LEONHARD EULER und LORENZOMASCHERONI, 13.5.1750–14.7.1800, ein ita-lienischer Mathematiker, der bereits 1790 die EULERsche Konstante auf 32 Dezimalstellen berech-nete, von denen allerdings nur die ersten 19 korrekt waren.

98

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Teil IV

Der allgemeine CAUCHY scheIntegralsatz

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Kapitel 19

Der CAUCHY sche Integralsatzfür homotope Kurven

In §12 haben wir festgestellt:G Sterngebiet⇒ ∫

γ f (z) dz= 0 für jeden geschlos-senen Wegγ in G. Aber:

12π i

∂K1(0)

dzz

= 1

19.1 Definition (Homotopie) SeienD⊂C offen,γ0,γ1 : [0,1]→D zwei (nur) ste-tige geschlossene Kurven inD. Dann heißtγ0 homotopzu γ1, wenn es eine stetigeFunktionϕ : [0,1]× [0,1] → D gibt, so dass gilt:

(i) ϕ (s,0) = γ0(s) für 0≤ s≤ 1,

(ii) ϕ (s,1) = γ1(s) für 0≤ s≤ 1,

(iii) ϕ (0, t) = ϕ (1, t) für 0 ≤ t ≤ 1, d. h.γ (t) := ϕ (·, t) : [0,1] → D ist eine ge-schlossene stetige Kurve für allet ∈ [0,1].

Schreibweise:γ0 ∼ γ1. Dto. für topologische Räume. Die Homotopie geschlossenerKurven ist eine Äquivalenzrelation.

Anschauliche Vorstellung γ0 = ϕ (·,0) wird im Laufe der Zeitt ∈ [0,1] über diegeschlossenen stetigen Kurvenγt = ϕ (·, t) stetig in die geschlossene stetige Kurveγ1 = ϕ (·,1) deformiert, ohne dass die geschlossene Kurve „zerrissen“ wird.

19.2 Beispiele a) D = C\{0}, 0< r < R,

γ0(s) := re2π is (0≤ s≤ 1) ,

γ1(s) := Re2π is (0≤ s≤ 1) .

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⇒ γ0 ∼ γ1.Begründung:

ϕ [0,1]× [0,1] → D, ϕ (s, t) := (r + t (R− r))e2π is (s, t ∈ [0,1])

leistet das Verlangte.

b) SeiG Sterngebiet mit „Zentrum“a∈G, und seiγ0 : [0,1]→G eine geschlos-sene stetige Kurve,γ1(s) := a für 0≤ s≤ 1 ein konstanter Weg.

ϕ (s, t) := a+(1− t)(γ0(s)−a) (0≤ s≤ 1,0≤ t ≤ 1)

ist stetig, hat Werte inG und leistet die Deformation vonγ0 zu γ1: γ0 ∼ γ1.

19.3 Definition (Nullhomotopie) SeiD ⊂ C offen undγ : [0,1] → D eine stetigegeschlossene Kurve inD. Dann heißtγ nullhomotopoder stetig auf einen Punkt(ausD!) zusammenziehbar, wenn es eina∈ D gibt, so dassγ zu

γ1 : [0,1] → D, γ1(s) := a (0≤ s≤ 1)

homotop ist.Schreibweiseγ ∼ 0.

19.4 Satz (CAUCHY scher Integralsatz für geschlossene homotope Wege)Sei D⊂C offen, f: D→C, f : D→C holomorph. Dann gilt für je zwei homotope geschlos-sene stückweise stetig differenzierbare Kurvenγ0,γ1 : [0,1] → D:

γ0

f dz=∫

γ1

f dz.

Beweis Sei I := [0,1], ϕ : I × I → D wie in 19.1,K := ϕ (I × I) ⊂ D ist kompakt.Setze

r :=

{d(K,C\D) für D 6= Cc für D = C

mit einem beliebigenc > 0.⇒ r > 0 und für alle(s, t) ∈ I × I ist Kr (ϕ (s, t)) ⊂ D.ϕ ist stetig⇒ ϕ ist gleichmäßig stetig aufI × I .

⇒∃n∈ N ∀(

st

)

,

(s′

t ′

)

∈ I × I ,

∥∥∥∥

(st

)

−(

s′

t ′

)∥∥∥∥

<2n

∣∣ϕ (s, t)−ϕ

(s′, t ′

)∣∣ < r (19.1)

Wir spannen zwischenγ0 und γ1 ein Netz von Polygonen mit Zwischenpunkten

(siehe Abb. 19.1)zjk := ϕ(

jn, k

n

)

, 0≤ j,k≤ n, dabein wie in (19.1). Nach (19.1)

gilt:

ϕ([

jn,

j +1n

]

×[

kn,k+1

n

])

⊂ Kr(zjk

)

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D

z00

z01

z10

z11

z20

z21

z30

z31

γ0 = ϕ (·,0)

γ1ϕ

(·, 1

n

)

Abbildung 19.1: Homotope Deformation stetiger Kurven

⇒ Das PolygonP jk mit den Eckenzjk,zj+1,k,zj+1,k+1,zj,k+1,zjk liegt ganz inKr

(zjk

)⊂ D. (Ersetzung durch einen Polygonzug ist notwendig, daϕ

(·, k

n

)für

k = 1, . . . ,n− 1 evtl. nicht stückweise stetig differenzierbar, sondern nur stetig,nach unserer Definition also für die Integration nicht verwendbar ist.)Kr

(zjk

)ist

ein Sterngebiet.⇒ Der CAUCHYsche Integralsatz für Sterngebiete (12.4) ist an-wendbar und liefert:

P jk

f (z) dz= 0 (19.2)

(siehe Abb. 19.2)Qk:= geschlossene Polygone mit den Eckenz0k,z1k, . . . ,znk = z0k.

(19.2)⇒n

∑j=1

P jk

f (z) dz= 0 =∫

Qk

f (z) dz−∫

Qk+1

f (z) dz (0≤ k≤ n−1)

⇒∫

Q0

f (z) dz=∫

Q1

f (z) dz= . . .∫

Qn

f (z) dz (19.3)

Anwendung des CAUCHYschen Integralsatzes (12.4) aufKr (z00) liefert:∫

σz00,z10

f (z) dz=∫

γ0 |[0, 1n]

f (z) dz

usw. Für die übrigen Punkte aufγ0 Addition aller Terme.∫

Q0

f (z) dz=∫

γ0

f (z) dz (19.4)

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zjk zj+1,k zj+2,k

zj,k+1 zj+1,k+1 zj+2,k+1

P jk P j+1,k

⇀ ⇀

⇀ ⇀

⇀ ⇀

⇀⇀

Abbildung 19.2: Quaderintegrale zwischen den Kurven

Ebenso∫

Qn

f (z) dz=∫

γ1

f (z) dz (19.5)2

(19.3), (19.4), (19.5)⇒ ∫

γ0f (z) dz=

γ1f (z) dz.

19.5 Korollar Ist f : D→C holomorph,γ : [0,1]→D nullhomotop, so ist∫

γ f (z) dz=0.

Beweis γ ∼ γ1 = konstante Kurve

19.4⇒∫

γf (z) dz=

γ1

f (z) dz= 02

19.6 Definition (Einfacher Zusammenhang)Ein GebietG⊂C heißteinfach zu-sammenhängend, wenn jede geschlossene stetige Kurveγ : [0,1]→G nullhomotopist. 19.2 b) liefert: Jedes Sterngebiet ist einfach zusammenhängend. Anschaulichsehen einfach zusammenhängende Gebiete so aus wie in Abb. 19.3. In §22werdenwir zeigen: Für beschränkte GebieteG⊂ C gilt: G ist einfach zusammenhängend⇔ C\G ist zusammenhängend (bzgl. der Relativtopologie).

19.7 Satz (CIS für einfach zusammenhängende Gebiete)Ist G⊂ C ein einfachzusammenhängendes Gebiet, f: G→ C holomorph, so gilt für jede geschlossenestückweise stetig differenzierbare Kurveγ : [0,1] → G:

γ f (z) dz= 0.

Beweis 19.5, 19.6 2

103

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Abbildung 19.3: Beispiele für einfach zusammenhängende Mengen

104

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19.8 Satz (CIS für einfach zusammenhängende Gebiete)Ist G⊂ C ein einfachzusammenhängendes Gebiet, f: G → C holomorph, so gilt für je zwei stückwei-se stetig differenzierbare Kurvenγ0,γ1 mit gleichem Anfangspunkt und gleichemEndpunkt:

γ0

f (z) dz=∫

γ1

f (z) dz

(Wegunabhängigkeit des Integrals)

Beweis 19.7 und 11.3 2

19.9 Definition (Endpunkt-Homotopie) SeiD ⊂ C offen,γ0,γ1 : [0,1]→ D zweistetige Kurven mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt. Dann heißenγ0,γ1 homotop (bzgl.D) bei festen Endpunkten, wenn es eine stetige Abbildungϕ : [0,1]× [0,1] → D gibt, so dass

(i) ϕ (·,0) = γ0,

(ii) ϕ (·,1) = γ1,

(iii) ϕ (0, t) = γ0(0) = γ1(0), ϕ (1, t) = γ0(1) = γ1(1) für alle t ∈ [0,1]

19.10 Lemma Sindγ0,γ1 homotop inD bei festem Endpunkt, so ist

γ : [0,1] → D, γ (s) :=

{γ0(2s) für 0≤ s≤ 1

2γ1(2−2s) für 1

2 ≤ s≤ 1

nullhomotop.

Beweis Seiϕ zu γ0,γ1 gemäß 19.9 gewählt und

ψ (s, t) :=

(2s, t

2

)für 0≤ s≤ 1

(2−2s,1− t

2

)für 1

2 ≤ s≤ 1

⇒ ψ ist stetig.

ψ (s,0) =

{ϕ (2s,0) für 0≤ s≤ 1

2ϕ (2s−2,1) für 1

2 ≤ s≤ 1

=

{γ0(2s) für 0≤ s≤ 1

2γ1(2−2s) für 1

2 ≤ s≤ 1= γ (s)

ψ (s,1) = δ , wobei

δ (s) :=

(2s, 1

2

)für 0≤ s≤ 1

(2−2s, 1

2

)für 1

2 ≤ s≤ 1= γ 1

2+ γ−1

2

δ besteht aus der vorwärts und rückwärts durchlaufenen Kurveγ 12. Fürt ∈ [0,1] ist

ψ (0, t) = ϕ(

0,t2

)

= γ0(0) , ψ (1, t) = ϕ(

0,1− t2

)

= γ0(0)

105

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⇒ ψ (·, t) ist eine geschlossene stetige Kurve.⇒ γ ∼ δ im Sinne der Homotopiegeschlossener stetiger Kurven.Bleibt zu zeigen.δ ∼ 0. Dazu setzen wir

χ (s, t) :=

(2s(1− t) , 1

2

)für 0≤ s≤ 1

((2−2s)(1− t) , 1

2

)für 1

2 ≤ s≤ 1(0≤ t ≤ 1)

⇒ χ ist stetig, und es gilt:χ (·,0) = δ ,

χ (·,1) = ϕ(

0,12

)

= γ0(0)) = konstant in Abhängigkeit vons∈ [0,1] ,

χ (0, t) = ϕ(

0,12

)

= γ0(0) = χ (1, t)

⇒ χ (·, t) ist geschlossen für allet ∈ [0,1]. ⇒ δ ∼ 0⇒ γ ∼ 0. 2

19.11 Satz (CIS für Endpunkt-homotope Wege)Ist f : D → C holomorph aufder offenen Menge D⊂ C, und sindγ0,γ1 : [0,1] → D zwei stückweise stetig diffe-renzierbare Wege mit gleichem Anfangspunkt und gleichem Endpunkt, die homotopsind bei festen Endpunkten, so gilt:

γ0

f (z) dz=∫

γ1

f (z) dz.

Beweis 19.5, 19.10 2

19.12 Beispiele a) C∗ ist nicht einfach zusammenhängend, da∫

∂K1(0)

dzz

= 2π i 6= 0 (siehe 19.7!)

b)∫

∂KR(z0)

dζζ −z

= 2π i

für |z−z0| < R.Beweis mit 19.4:D := C\{z}. Wir definieren auf∂KR(z0):

γ0(s) := z0 +Re2π is (0≤ s≤ 1)

und aufKR(z):

γ1(s) := z+Re2π is (0≤ s≤ 1)

Homotopie:

ϕ : [0,1]× [0,1] → D = C\{z} , ϕ (s, t) := z0 + t (z−z0)+Re2π is

für (0≤ s, t ≤ 1). ⇒ γ0 ∼ γ −1.

19.4⇒∫

γ0

dζζ −z

=∫

γ1

dζζ −z

= 2π i

106

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c) Ist in b)|z−z0| > R, so istγ0 ∼ 0, also

γ0

dζζ −z

= 0.

19.13 Satz (Existenz einer Stammfunktion)Jede holomorphe Funktion f: G→C in einem einfach zusammenhängenden Gebiet G⊂ C hat eine Stammfunktion.

Beweis 11.7⇒ f hat eine Stammfunktion⇔ ∫

γ f (z) dz= 0 für jeden geschlossenenstückweise stetig differenzierbaren Wegγ in G. CIS 19.7 liefert damit die Behaup-tung. 2

19.14 Satz (Existenz eines holomorphen Logarithmus)Es sei f: G→ C∗ einenullstellenfreie holomorphe Funktion im einfach zusammenhängenden Gebiet G⊂C, und es sei z0 ∈ G, w0 sei ein Logarithmus von f(z0). Dann gibt es genau einenholomorphen Logarithmus g: G→ C von f mit g(z0) = w0, und zwar ist

g(z) = w0 +∫

γz0,z

f ′

f(ζ ) dζ

(Integration längs irgendeines stückweise stetig differenzierbaren Weges γz0,z in Gmit Anfangspunkt z0 und Endpunkt z, vgl. 8.7, 8.8).

Beweis g ist wohldefiniert nach 19.8, undg ist eine Stammfunktion vonf′

f nach11.6, d. h.

(f ·e−g)′ = f ′e−g− f g′e−g = 0

⇒∀z∈ G f (z)e−g(z) = f (z0) e−g(z0)︸ ︷︷ ︸

=e−w0= 1f(z0)

= 1

⇒ g ist holomorpher Logarithmnus vonf mit g(z0) = w0. g ist eindeutig bestimmtnach 8.5. 2

Zusatz In der Situation 19.1 hatf eine holomorphe Quadratwurzel aufG, d. h. esgibt eine holomorphe Funktionh : G→ C∗ mit f = h2.

Beweis Setzeh(z) := e12g(z) mit g aus 19.14.⇒ h ist holomorph undh2 = eg = f .2

19.15 Korollar Ist G ⊂ C∗ ein einfach zusammenhängendes Gebiet,z0 ∈ G, w0

ein Logarithmus vonz0, so gibt es genau eine holomorphe Logarithmusfunktionλ : G→ C mit λ (z0) = w0, und zwar

λ (z) = w0 +∫

γz0,z

dζζ

(Integrationsweg wie in 19.14)

Beweis 19.14 mit f = id. 2

107

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Beispiel G := C\Smit S:={

ϕ ·eiϕ ,ϕ ≥ 0}

. In G gibt es gemäß 19.15 zu jedemPaar von Anfangswerten(z0,w0) einen holomorphen Logarithmus.

19.16 Definition (Konjugierte Funktion) Sei D ⊂ C offen, u : D → R eine har-monische Funktion. Dann heißtv : D→R einekonjugierte(harmonische) Funktionzuu, wenn f = u+ iv : D → C holomorph ist.

Frage Hat die inD harmonische Funktionu eine konjugierte Funktion? (z. B. seiG⊂C∗ ein Gebiet, dann istu : G→R, u(z) := log|z| (z∈ G) harmonisch. Wennu eine konjugierte Funktionv hat, so istu+ iv bis auf eine rein imaginäre Konstanteein holomorpher Logarithmus inG.)

Antwort Nicht immer „ja“, manchmal doch (siehe 19.19).

19.17 BeispielD := C∗, u(z) : log|z| (z∈ D). Dann istu harmonisch, aberu istnicht Realteil einer in ganzD holomorphen Funktionf , denn: Gäbe es ein solchesf , so wäre

∣∣∣∣∣

ef (z)

z

∣∣∣∣∣=

∣∣∣∣∣

eRe f (z)

|z|

∣∣∣∣∣= 1 (z∈ D)

16.3⇒ ∃ϕ ∈ Ref (z)

z= eiϕ

⇒ f − iϕ ist holomorpher Logarithmus inC∗. E Ein solcher existiert aber nicht.

19.18 Satz (Existenz einer konjugierten Funktion)Zu jeder in einem einfach zu-sammenhängenden Gebiet G⊂ C harmonischen Funktion u: G→ R existiert einekonjugierte harmonische Funktion v: U → R, und diese ist bis auf eine additiveKonstante eindeutig bestimmt.

Beweis Seig : G→ C, g := 2∂u∂z = ux− iuy. u ist zweimal stetig partiell differen-

zierbar⇒ g ist stetig partiell differenzierbar mit

∂g∂z

= 2∂ 2u∂z∂z

=12

∆u = 0

⇒ g ist holomorph inG, und weil G einfach zusammenhängend ist, hatg eineStammfunktionh : G→ C, h′ = g. Seiϕ := Reh, ψ := Imh.

⇒ h′ = ϕx + iψx = ϕx− iϕy = g = ux− iuy

⇒ ux = ϕx, uy = ϕy = −ψx.

⇒∃α ∈ R u = ϕ +α

⇒ f := h−α ist holomorph inG mit Re f = ϕ −α = u. ⇒ v := Im f leistet dasVerlangte und ist nach 3.3 eindeutig bestimmt bis auf eine additive Konstante.2

108

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19.19 Korollar Zu jeder auf einer offenen MengeD ⊂ C holomorphen Funktiongibt es lokal eine konjugierte harmonische Funktion. Insbesondere ist jede harmo-nische Funktion reell-analytisch und beliebig oft stetig partiell differenzierbar.

Beweis 19.18 und 13.5 2

Stand der Dinge: Wir haben gesehenGeinfach zusammenhängend⇒ CAUCHY-scher Integralsatz: Für jede inG holomorphe Funktionf und jede stückweise stetigdifferenzierbare Kurveγ in G gilt:

γ f = 0. ⇒ Jede inG holomorphe Funktionhat eine Stammfunktion.⇒ Jede nullstellenfreie holomorphe Funktion aufG hateinen holomorphen Logarithmus, und jede harmonische Funktionu : G → R hateine Konjugierte.Ziel in §28: Wir werden sehen, dass alle diese (und noch weitere) Aussagen äqui-valent sind.

109

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Kapitel 20

Die Umlaufzahl

12π i

∂Kr (a)

dζζ −z

=

{1 für |z−a| < r0 für |z−a| > r

=Anzahl der Umläufe von∂Kr (a) umz.

20.1 Satz (Existenz einer stetigen Argumentfunktion)Sei a∈C undγ : [0,1]→C\{a} stetig. Dann gibt es eine stetige Argumentfunktionϑ : [0,1] → R, so dassgilt:

γ (t) = a+ |γ (t)−a|eiϑ(t) (0≤ t ≤ 1)

und zwar istϑ stückweise stetig differenzierbar, fallsγ stückweise stetig differen-zierbar ist.

Beweis r (t) := |γ (t)−a| ist stetig und positiv auf[0,1].

⇒∃δ > 0 ∀ t ∈ [0,1] r (t) > δ

γ ist gleichmäßig stetig

⇒∃n∈ N ∀s,s′ ∈ [0,1] ,∣∣s−s′

∣∣ ≤ 1

n

∣∣γ (s)− γ

(s′)∣∣ < δ

Wir wählen ein solchesn∈ N fest und einα0 ∈ R mit γ (0) = a+ |γ (0)−a|eiα0.G1 := C\{−t |γ (0)−a| : t ≥ 0} ist ein Sterngebiet.

⇒∀s∈[

0,1n

]

γ (s)−a∈ G1.

⇒ Es gibt genau einen holomorphen Logarithmusλ1 : G1 → C mit

λ1(γ (0)−a) = iα0 + log|γ (0)−a|

Wir setzen

ϑ (s) := Imλ1(γ (s)−a)︸ ︷︷ ︸

∈G1

für 0≤ s≤ 1n.

110

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⇒ γ (s) = a+ |γ (s)−a|eiϑ(s) für 0≤ s≤ 1n, ϑ (0) = α0. Damit istϑ konstruiert in

[0, 1

n

].

Setzeα1 := ϑ(

1n

)und führe die Konstruktion mitα0 7→ α1, γ (0) 7→ γ

(1n

)und

dem Intervall[0, 1

n

]7→

[1n, 2

n

]fort. Nachn Schritten istϑ konstruiert, undϑ ist

stückweise stetig differenzierbar, wennγ stückweise stetig differenzierbar ist.2

20.2 SatzEs seienγ : [0,1]→ C eine stückweise stetig differenzierbare Kurve unda /∈ [γ]. Dann ist

n(γ,a) :=1

2π i

γ

dζζ −a

∈ Z

n(γ,a) heißtUmlaufzahlvon γ um a oder der Index vonγ bzgl. a. Geometrischmisst n(γ,a) die Anzahl der positiven Umläufe der Kurveγ um a.

Beweis mit 20.1

n(γ,a) =1

2π i

γ

dζζ −a

20.1=

12π i

∫ 1

0

ddt |γ (t)−a|eiϑ(t) + |γ (t)−a| iϑ ′ (t)eiϑ(t)

|γ (t)−a|eiϑ(t)dt

(Im folgenden eigentlich Integration über die Teilintervalle von[0,1], auf denenγstetig differenzierbar ist und Summation über die Teilintervalle)

=1

2π i

(∫ 1

0

ddt |γ (t)−a||γ (t)−a| dt+ i

∫ 1

0ϑ ′ (t) dt

)

=1

2π i[log|γ (t)−a|]10︸ ︷︷ ︸

=0,daγ geschlossen

+1

2π(ϑ (1)−ϑ (0))

︸ ︷︷ ︸

∈Z,daγ geschlossen

∈ Z

2

20.3 Satz Ist γ eine stückweise stetig differenzierbare geschlossene Kurve inC,so ist n(γ, ·) konstant auf jeder Zusammenhangskomponente vonC\ [γ]. Weiter istn(γ,z) = 0 für alle z aus der (eindeutig bestimmten) unbeschränkten Zusammen-hangskomponente vonC\ [γ].

Beweis 18.1⇒ z 7→ n(γ,z) ist holomorph aufC\ [γ], insbesondere also stetig aufC\ [γ], und hat Werte inZ. ⇒ n(γ, ·) ist konstant auf den Zusammenhangskompo-nenten vonC\ [γ]. Sei nunmehrR> 0 so groß, dass[γ] ⊂ KR(0). ⇒ C\KR(0) istwegzusammenhängend, d. h. es gibt genau eine unbeschränkte Zusammenhangs-komponenteU vonC\ [γ]. Für |a| > R ist

γ

dζζ −a

= 0,2

daγ ∼ 0 in C\{a}. ⇒ n(γ,a) = 0 für allea mit |a| > R. ⇒ n(γ, ·) = 0 aufU .

111

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20.4 SatzEs seienγ0,γ1 : [0,1] → C zwei stückweise stetig differenzierbare ge-schlossene Kurven, a∈ C\([γ0]∪ [γ1]), γ0 ∼ γ1 bzgl. G:= C\{a}. Dann gilt:n(γ0,a) = n(γ1,a).

Beweis 19.4 2

20.5 Korollar SeienD ⊂ C offen, γ : [0,1] → C stückweise stetig differenzierbarund geschlossen,γ ∼ 0 bezgl.D, a∈ C\D. Dann istγ nullhomologbzgl. D, d. h.n(γ,a) = 0 (a∈ C\D).

Beweis γ ∼ 0 bzgl.D ⇒ γ ∼ 0 bzgl.C\{a} 20.4⇒ Behauptung. 2

20.6 Definition („Von Rand zu Rand“) Seiγ : I = [a,b]→ C ein stückweise ste-tig differenzierbarer Weg,G ⊂ C ein Gebiet.γ läuft in G „von Rand zu Rand“,wenn gilt:

a) Es gibtα,β ∈ I ,α < β mit γ (α) ,γ (β ) ∈ RdG.

b) Für allet ∈ ]α,β [ gilt: γ (t) ∈ G.

c) Für allet ∈ I \ [α,β ] gilt: γ (t) ∈ C\G.

d) G\ [γ] hat genau zwei Zusammenhangskomponenten, und[γ]∩G liegt aufdem Rand jeder dieser Komponenten.

20.7 SatzEs seienγ : I → C ein stückweise stetig differenzierbarer geschlossenerWeg und D⊂ C eine Kreisscheibe, in derγ von Rand zu Rand läuft,α,β wie in20.6, Bezeichnungen wie in Abb. 20.1, d. h. D1,D2 die Zusammenhangskomponen-ten von D\ [γ] so nummeriert, dass D1 „zur Linken“ und D2 „zur Rechten“ vonγliegt. Dann gilt für alle z1 ∈ D1, z2 ∈ D2: n(γ,z1) = n(γ,z2)+1.

Beweis γ1 := γ | [a,α], γ2 := γ | [β ,b], γ0 := γ | [α,β ]. ⇒ γ = γ1⊤γ0⊤γ2.

⇒ (n(γ,z1)−n(γ,z2)) ·2π i

=∫

γ0

(1

ζ −z1− 1

ζ −z2

)

+

(∫

γ1

dζζ −z1

dζ +∫

γ2

dζζ −z1

dζ −∫

K1

dζζ −z1

dζ)

+∫

K1

dζζ −z1

−(∫

γ1

dζζ −z2

dζ +∫

γ2

dζζ −z2

dζ −∫

K1

dζζ −z2

dζ)

−∫

K1

dζζ −z2

Es gilt(∫

γ1

dζζ −z1

dζ +∫

γ2

dζζ −z1

dζ −∫

K1

dζζ −z1

dζ)

=

(∫

γ1

dζζ −z2

dζ +∫

γ2

dζζ −z2

dζ −∫

K1

dζζ −z2

dζ)

,

112

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D1

D2γ0

γ1

γ1

K1K2

z1

z2

γ (α)

γ (β )γ

Abbildung 20.1:γ0 verläuft von Rand zu Rand

daz1,z2 in der gleichen Zusammenhangskomponente vonC\[γ1⊤K−

1 ⊤γ2]

liegen.

⇒ (n(γ,z1)−n(γ,z2)) ·2π i

=∫

γ0

(1

ζ −z1− 1

ζ −z2

)

dζ +∫

K1

(1

ζ −z1− 1

ζ −z2

)

⇒ z2 liegt in der unbeschränkten Zusammenhangskomponente vonC\ [γ0⊤K1].

⇒∫

γ0

dζζ −z2

+∫

K1

dζζ −z2

= 0,

ebenso

−∫

γ0

dζζ −z1

+∫

K2

dζζ −z1

= 0.

⇒ (n(γ,z1)−n(γ,z2)) ·2π i

=∫

γ0

dζζ −z1

+∫

K1

dζζ −z1

+

(

−∫

γ0

dζζ −z1

+∫

K2

dζζ −z1

)

︸ ︷︷ ︸

=0

=∫

K1

dζζ −z1

+∫

K2

dζζ −z1

= 2π i 2

20.8 Definition (Zyklus) Sind γ1, . . . ,γk (k≥ 1) stückweise stetige geschlosse-ne Wege in der offenen MengeD ⊂ C, so heißtΓ := (γ1, . . . ,γk) ein Zyklusin D.

113

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Allgemein: Sindγ j : [a j ,b j ]→D⊂C stückweise stetig differenzierbare (nicht not-wendig geschlossene) Wege in der offenen MengeD⊂C, so heißtΓ := (γ1, . . . ,γk)ein Zyklus inD, wenn jedesz∈ {γ1(a1) , . . . ,γk (ak) ,γ1(b1) , . . . ,γk (bk)} ebensooft als Anfangspunkt wie als Endpunkt einesγ j auftritt. Ist Γ = (γ1, . . . ,γk) einZyklus, so heißtΓ− :=

(γ−1 , . . . ,γ−k

)der entgegengesetzt orientierte Zyklus und

[Γ] :=⋃k

j=1 [γ j ] die Spurvon Γ. Ist Γ∗ =(γ∗1 , . . . ,γ∗l

)ein weiterer Zyklus, so heißt

Γ + Γ∗ :=(γ1, . . . ,γk,γ∗1 , . . . ,γ∗l

)die formaleSummevon Γ und Γ∗. Eine vertiefte

Darstellung findet sich bei Lorenz (1997), S. 217, 9.3.2.Ist weiter f : D → C stetig, so setzt man

Γf (z) dz:=

k

∑j=1

γ j

f (z) dz.

Füra∈ C\ [Γ] heißt

n(Γ,a) :=1

2π i

Γ

dζζ −a

(∈ Z!)

dieUmlaufzahlvon Γ bzgl.a.Beachte: Man kann sich jeden Zyklus als aus endlich vielen stückweise stetigdif-ferenzierbaren geschlossenen Wegen zusammengesetzt vorstellen.

20.9 SatzEs seienΓ,Γ∗ Zyklen inC.

a) Für alle a∈ C ist n(Γ,a) = −n(Γ−,a).

b) Für alle a∈ C\([Γ]∪ [Γ∗]) ist n(Γ+Γ∗,a) = n(Γ,a)+n(Γ∗,a).

20.10 SatzIst Γ ein Zyklus inC, so ist die Umlaufzahl konstant auf jeder Zusam-menhangskomponente vonC\ [Γ]. Ferner ist n(Γ,z) = 0 für alle z aus der (eindeu-tig bestimmten) unbeschränkten Zusammenhangskomponente vonC\ [Γ].

Beweis wie bei geschlossenen Kurven, vgl. 20.3 2

20.11 Definition (Homologie) a) Ein ZyklusΓ in der offenen MengeD ⊂ Cheißtnullhomolog(bzgl.D) genau dann, wennn(Γ,z) = 0 für allez∈ C\D.

b) Zwei ZyklenΓ1,Γ2 in D heißenhomologbzgl.D, wennΓ1 +Γ−2 nullhomo-

log ist.

c) Zwei nicht notwendig geschlossene Kurvenγ1,γ2 in D mit gleichem An-fangspunkt und gleichem Endpunkt heißen homolog, wennγ1⊤γ−2 nullho-molog ist.

20.12 BeispielSei 0< R1 < r1 < r2 < R2, D := {z,R1 < |z| < R2},

γ1(t) := r1e2π it , γ2(t) := r2e2π it (0≤ t ≤ 1) .

⇒ γ1 ist homolog zuγ2. Γ :=(γ1,γ−2

)ist nullhomolog.

114

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−1

10

0

0

0 1

Abbildung 20.2:γ ist nullhomolog aber nicht nullhomotop

Anschauliche Erläuterungen Sei γ eine stückweise stetig differenzierbare ge-schlossene Kurve inD. Dann gilt:

a) γ ist nullhomotop⇔ γ ist in D stetig auf einen Punkt zusammenziehbar.

b) γ ist nullhomolog⇔ γ umläuft keinen Punkt außerhalb vonD, d. h.n(γ,z) =0 für allez∈ C\D.

intγ := {z∈ C\ [γ] ,n(γ,z) 6= 0} heißt dasInnerevon γ.extγ := {z∈ C\ [γ] ,n(γ,z) = 0} heißt dasÄußerevon γ.γ nullhomolog (bzgl.D) ⇔ intγ ⊂ D.

20.13 SatzEs seienγ0,γ1 : [0,1] → D stückweise stetig differenzierbare geschlos-sene homotope Kurven in D. Dann sindγ0,γ1 homolog (bzgl. D). Insbesondere istjede stückweise stetig differenzierbare geschlossene und nullhomotope Kurve in Dauch nullhomolog.Warnung: Eine in D nullhomologe Kurve braucht nicht nullhomotop zu sein!

Beweis Seienγ0,γ1 homotop inD, z∈C\D.⇒ ζ 7→ 1ζ−z (ζ ∈ D) ist holomorph

in D.

⇒ n(γ0,z) =1

2π i

γ0

dζζ −z

19.11=

12π i

γ1

dζζ −z

= n(γ1,z)

Ist γ1 konstant, so istn(γ1,z) = 0, also auchn(γ0,z) = 0.⇒ γ0 ist nullhomolog.2

20.14 BeispielD := C\{0,1}, siehe Abb. 20.2. Hier gilt:n(γ,0) = n(γ,1) = 0.⇒ γ ist nullhomolog aber nicht nullhomotop. (In roter Farbe die jeweiligen Um-laufzahlen)

115

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Kapitel 21

Der Hauptsatz der CAUCHY schenTheorie

21.1 Satz (Hauptsatz der CAUCHY schen Theorie) Es sei D⊂ C offen undΓ ein„fester“ Zyklus in D. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

a) Für jede holomorphe Funktion f: D → C gilt die CAUCHYsche Integralfor-mel:

f (z) ·n(Γ,z) =1

2π i

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ (z∈ D\ [Γ]) .

b) Für jede holomorphe Funktion f: D → C gilt der CAUCHYsche Integral-satz:

Γf (z) dz= 0.

c) Γ ist nullhomolog bzgl. D.

Beweis (nach Dixon (1971)) „a)⇒b)“ Sei f : D→C holomorph,z∈D\ [Γ]. Wirsetzen

g: D → C, g(ζ ) := (ζ −z) · f (ζ ) (ζ ∈ D)

⇒ g ist holomorph inD.

⇒ g(z) ·n(Γ,z) = 0a)=

12π i

Γ

g(ζ )

ζ −zdζ =

12π i

Γf (ζ ) dζ

⇒b).

116

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„ b)⇒c)“ Für jedesz∈ C\D ist D ∋ ζ 7→ 1ζ−z holomorph inD, also nach b)

0 =1

2π i

Γ

dζζ −z

= n(Γ,z)

⇒ Γ ist nullhomolog bzgl.D. ⇒ c).

„c)⇒a)“ Das ist der wesentliche Teil des Beweises. Seif : D → C holomorph.Wir setzen

g: D×D → C, g(z,w) :=

{f (z)− f (w)

z−w für z,w∈ D,z 6= w

f ′ (z) für z= w∈ D

16.7⇒ g ist stetig aufD×D. H := {z∈ C\ [Γ] ,n(Γ,z) = 0}. Γ ist nullhomo-top bzgl.D ⇒ H ∪D = C. H ist offen, dennn(Γ, ·) ist auf den Zusammen-hangskomponenten vonC\ [Γ] konstant, und diese Zusammenhangskompo-nenten sind offen. Wir setzen

h: C → C, h(z) :=

{∫

Γ g(ζ ,z) dζ für z∈ D∫

Γf (ζ )ζ−z dζ für z∈ H

Behauptung 1:h ist sinnvoll und holomorph, d. h.h ist ganz.Begründung: Seiz∈ D∩H. ⇒ z /∈ [Γ], also:

Γg( ζ

︸︷︷︸

∈[Γ]

, z︸︷︷︸

/∈[Γ]︸ ︷︷ ︸

⇒ζ 6=z

)dζ =∫

Γ

f (ζ )− f (z)ζ −z

=∫

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ − f (z)

Γ

dζζ −z

︸ ︷︷ ︸

=2π i ·n(Γ,z)︸ ︷︷ ︸

=0, daz∈H

=∫

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ

⇒ h ist sinnvoll. Weiter isth holomorph, denn:

(i) g ist stetig, und für festesζ ∈ D ist g(ζ , ·) holomorph aufD, denng(ζ , ·) hat inζ eine hebbare Singularität (Korollar 13.9 oder der RIE-

MANNsche Hebbarkeitssatz 13.10)18.1⇒ h ist holomorph aufD.

(ii)18.1⇒ h ist holomorph aufH.

⇒ h ist ganz.⇒ Behauptung 1.Behauptung 2:h≡ 0.Begründung: SeiR> 0 so groß, dass[Γ] ⊂ KR(0). Sei|z| > R. ⇒ z∈ H.

⇒ |h(z)| =∣∣∣∣

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ

∣∣∣∣≤ max

ζ∈[Γ]| f (ζ )| ·L(Γ) · 1

|z|−R|z|→∞−−−→ 0

117

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⇒ h ist beschränkt undh(z)|z|→∞−−−→ 0.

14.6⇒ h ist konstant.⇒ h ≡ 0. ⇒ Be-hauptung 2.Ergebnis:

∀z∈ D\ [Γ] ⊂ D 0 = h(z) =∫

Γg(ζ ,z) dζ =

Γ

f (ζ )− f (z)ζ −z

=∫

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ −2π i · f (z) ·n(Γ,z)

⇒ a). 2

21.2 Satz (CAUCHY sche Integralformel für die Ableitungen) SeiΓ ein nullho-mologer Zyklus in der offenen Menge D⊂C. Dann gilt für jede holomorphe Funk-tion f : D → C und alle z∈ D\ [Γ], k≥ 0:

f (k) (z) ·n(Γ,z) =k!

2π i

Γ

f (ζ )

(ζ −z)k+1 dζ .

Beweis 21.1 und 18.1 2

21.3 Satz (Charakterisierung der Wegunabhängigkeit des Integrals) Es seienγ1,γ2 zwei stückweise stetig differenzierbare Wege in D mit gleichem Anfangspunktund gleichem Endpunkt. Dann gilt:γ1 undγ2 sind homolog⇔ Für jede holomor-phe Funktion f: D → C gilt:

γ1

f (z) dz=∫

γ2

f (z) dz.

Beweis 21.1 2

21.4 Satz (CAUCHY scher Integralsatz für homologe Zyklen) Es seienΓ,Γ∗ Zy-klen in der offenen Menge D⊂ C. Dann gilt: Γ ist homolog zuΓ∗ bzgl. D⇔ Fürjede holomorphe Funktion f: D → C gilt:

Γf (z) dz=

Γ∗f (z) dz.

Beweis 21.1 2

118

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Kapitel 22

Charakterisierungen deseinfachen Zusammenhangs

22.1 Definition (Geschlossene komplexe Ebene)P := C∪{∞} versehen mit derTopologie

T := {U ⊂ C,U offen in C}∪{P\K,K ⊂ C kompakt}

heißt diegeschlossene komplexe Ebeneoder diekompaktifizierte komplexe Ebene.

22.2 Lemma P ist ein kompakter HAUSDORFF-Raum,C ein offener dichter Teil-raum vonP.

Beweis T ist Topologie aufP und T |C = Topologie aufC ist leicht zu prüfen.(P,T) kompakt: SeiU := (Uι)ι∈I eine offene Überdeckung vonP.⇒∃ ι0 ∈ I ∞ ∈Uι0. Nach Definition vonT gibt es dann eine kompakte TeilmengeK ⊂ C, so dassUι0 = P\K, da∞ /∈ C. ⇒ (Uι ∩C)ι∈I ist eine bzgl.C offene Überdeckung (vonCund damit) vonK. K ist aber kompakt, also:

∃ ι1, . . . , ιn ∈ I (Uι1 ∩C)∪ . . .∪ (Uιn ∩C) ⊃ K.

⇒Uι0,Uι1, . . . ,Uιn ist eine endliche Teilüberdeckung vonP. ⇒ P ist kompakt. 2

22.3 Definition (Homöomorphie) SeienX,Y topologische Räume.X heißt ho-möomorphzuY :⇔∃ f : X →Y mit folgenden Eigenschaften:

(i) f ist bijektiv,

(ii) f ist stetig,

(iii) f−1 ist stetig.

Jedes solchef heißt einHomöomorphismusvon X auf Y oder einetopologischeAbbildungvon X aufY. Also: f ist ein Homöomorphismus⇔ ( f ist bijektiv undfür alleM ⊂ X gilt (M offen⇔ f (M) offen))

119

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z

ζ

η

ξ

e3

e1

e1

σ (z)

Abbildung 22.1: Die stereographische Projektion

22.4 SatzSei S2 :={

x∈ R3,‖x‖2 = 1}

. Die stereographische Projektion

σ : P → S2, σ (z) :=

1

|z|2 +1

2Rez

2Imz

|z|2−1

für z∈ C

1

0

0

für z= ∞

ist ein Homöomorphismus vonP auf S2 (versehen mit der Relativtopologie vomR3).

Beweis Seiz= u+ iv. Geometrische Situation siehe Abb.22.1.G := Gerade durch

e3 undz=

e3 + t

uv0

−e3

, t ∈ R

. Gesucht sind die Schnittpunkte von

120

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G mit S2, also

∥∥∥∥∥∥

e3 + t

uv0

−e3

∥∥∥∥∥∥

2

= 1.

⇔ t2(u2 +v2)+(1− t)2 = 1

⇔ t2(

1−|z|2)

−2t = 0

⇔ t = 0∨ t =2

1+ |z|2,

d. h. die Schnittpunkte liegen beie3 und

e3 +2

1+ |z|2

uv0

−e3

=1

1+ |z|2

2u2v

|z|2−1

= σ (z) ,

σ (∞) := e3. Geometrische Deutung: Das Äußere vonK1(0) wird auf die „Nord-halbkugel“ abgebildet, das Innere auf die „Südhalbkugel“,∂K1(0) bleibt punkt-weise fest. Geometrisch ist offensichtlichσ bijektiv. Zum Beweis schreibe mandie Umkehrabbildung hin:

τ : S2 → P, τ

ξηζ

:=

ξ + iη1−ζ

für

ξηζ

6= e3

∞ für

ξηζ

= e3

Schreiben wirσ (z) =

ξηζ

, so ist

ξ + iη =2z

1+ |z|2, 1−ζ =

2

1+ |z|2

σ stetig inC: klar. τ stetig aufS2\{e3}: klar. σ stetig in∞: Fürz∈ C gilt:

‖σ (z)−σ (∞)‖22 =

∥∥∥∥∥∥

2

1+ |z|2

RezImz−1

∥∥∥∥∥∥

2

2

=4

1+ |z|2,

also‖σ (z)−σ (∞)‖2 = 2√1+|z|2

. ⇒ σ ist stetig in∞. σ bildet Umgebungsbasen

von ∞ bzw.e3 bijektiv aufeinander ab.⇒ σ ist ein Homöomorphismus. 2

22.5 Satz (Charakterisierung des einfachen Zusammenhangs)Es sei/0 6= G⊂C ein Gebiet. Dann sind folgende Aussagen äquivalent:

121

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a) G ist einfach zusammenhängend, d. h. jede geschlossene stetige Kurve in Gist nullhomotop.

b) Jede geschlossene stückweise stetig differenzierbare Kurve in G ist nullho-motop.

c) Jede geschlossene stückweise stetig differenzierbare Kurveγ in G ist nullho-molog, d. h. für alle z∈ C\D ist n(γ,z) = 0. Dto. für Zyklen.

d) P\G ist zusammenhängend.

e) IstC\G = A∪K mit einer abgeschlossenen Menge A und einer kompaktenMenge K, so dass A∩K = /0, so ist K= /0, d. h.C\G hat keine nichtleerekompakte Zusammenhangskomponente; dabei wird nicht A6= /0 vorausge-setzt.

f) Für G gilt derCAUCHYsche Integralsatz, d. h. für jede holomorphe Funktionf : G→ C und jede geschlossene stückweise stetig differenzierbare Kurveγin G gilt:

γ f (z) dz= 0.

g) Jede holomorphe Funktion f: G→ C hat eine Stammfunktion.

h) Jede holomorphe nullstellenfreie Funktion f: G → C hat einen holomor-phen Logarithmus, d. h. es gibt eine holomorphe Funktion g: G → C mitf = eg.

i) Jede nullstellenfreie holomorphe Funktion f: G → C hat eine holomorpheQuadratwurzel, d. h. es gibt eine holomorphe Funktion h: G→C mit h2 = f .

j) G ist homöomorph zu K1(0).

k) Zu jeder harmonischen Funktion u: G → R existiert eine konjugierte har-monische Funktion.

Beweis a)⇒b) trivial

b)⇒c) 20.13

c)⇒e) Dies ist einer der schwierigsten Punkte im Beweis. Indirekter Schluss: An-genommen,C\G = A∪K, A∩K = /0, A abgeschlossen,K kompakt,K 6= /0.Dann ist notwendig auchA 6= /0, denn: WäreA = /0, so wäreC\G = K,G = C\K, K kompakt,K 6= /0. Wir wählenR> 0 so groß, dassK ⊂ KR(0).Dann ist fürz∈ K notwendign(∂KR(0) ,z) = 1 (∂KR(0) ist dabei ein Wegin G!). Das ist aber ein Widerspruch zu c).⇒ A 6= /0 6= K. ⇒ d(A,K) > 0.Sei 0< ε < 1

4d(A,K).Ziel: Konstruktion eines nicht-nullhomologen Zyklus inG. Dazu betrachtenwir das Netz der Quadrate

Qk,l :=

{

z0 +x+ iy,

{kε ≤ x≤ (k+1)ε,lε ≤ y≤ (l +1)ε,

k, l ∈ Z,z0 ∈ C fest

}

122

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K ist kompakt⇒K∩Qk,l 6= /0 nur für endlich viele(k, l)∈Z2. SeienQ1, . . . ,Qm

alle Quadrate, die mitK einen nicht-leeren Durchschnitt haben.⇒ Q j ∩A =/0 für j = 1, . . . ,m, daε < 1

4d(A,K). Sei∂Q j der positiv orientierte Rand vonQ j . ⇒ Γ := (∂Q1, . . . ,∂Qm) ist ein Zyklus, aber noch nicht notwendig inG.Wir denken uns im folgendenΓ aus den Randstrecken derQ j zusammenge-setzt.Konstruktion eines nicht-nullhomologen ZyklusΓ∗ in G: Ist γ eine Rand-strecke einesQ j mit [γ]∩K 6= /0, so kommtγ− ebenfalls als Randstreckeeines benachbartenQk (k 6= j) vor, Qk∩K 6= /0. Wir tilgen das Paar(γ,γ−)aus dem ZyklusΓ. Nach Tilgung bleibtΓ ein Zyklus. Wir tilgen alle solchenPaare(γ,γ−) ausΓ, und es bleibt ein ZyklusΓ∗ in G. Durch passende Wahl

von z0 erreichen wir: Es gibt einw und eink ∈ {1, . . . ,m}, mit w ∈◦

Qk∩K(ggf. Quadratnetz leicht verschieben).⇒ w∈ C\ [Γ],

n(Γ∗,w) = n(Γ,w) =n

∑j=1

n(∂Q j ,w)︸ ︷︷ ︸

=δi, j

= 1

Das ist ein Widerspruch zu c).E

e)⇒d) Indirekt: P \G sei nicht zusammenhängend.⇒ ∃A,B ⊂ P mit P \ G =A∪B, A 6= /0 6= B, A∩B = /0, A,B abgeschlossen relativP \G. Wegen∞ ∈P\G kann oBdA∞ ∈ A angenommen werden.P\G ist eine abgeschlosseneTeilmenge des KompaktumsP, also kompakt.B⊂ P \G ist abgeschlossen,also kompakt. Wegen∞ ∈ A gilt: B⊂ C. ⇒ B ist kompakte Teilmenge vonC.

⇒ C\G = (P\G)\{∞} = (A\{∞})︸ ︷︷ ︸

abg. inC

∪ B︸︷︷︸

kp., 6= /0

Das ist ein Widerspruch zu e).E

d)⇒c) Sei γ eine stückweise stetig differenzierbare geschlossene Kurve inG.n(γ, ·) : C\ [γ] → Z ist stetig (sogar holomorph) und verschwindet auf derunbeschränkten Zusammenhangskomponente vonC\ [γ]. Wir setzen:

f : P\G→ C, f (z) :=

{

n(γ,z) für z∈ C\G

0 für z= ∞

⇒ f ist stetig und nimmt nur ganze Werte an.P \G ist lt. Voraussetzungzusammenhängend.⇒ f ist konstant.⇒ f ≡ 0.⇒ c)

c)⇒f) 21.1

f)⇒g) 11.7

123

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g)⇒h) Nach g hat f ′

f eine Stammfunktion.8.7 b)⇒ f hat einen holomorphen Loga-

rithmus.

h)⇒i) Sei g ein holomorpher Logarithmus vonf , h := exp(

12g

). ⇒ h ist holo-

morph mith2 = exp(g) = f .

i)⇒j) (i) G = C ⇒ f : C → K1(0) , f (z) := z1+|z| ist ein Homöomorphismus.

(ii) /0 6= G $ C: Anleihe in 41.2: „Abbildungs-Lemma“: Es sei /06= G $ Cein Gebiet mit der Eigenschaft (Q): Jede holomorphe nullstellenfreieFunktion aufG hat eine holomorphe Quadratwurzel. Dann existiert zujedemz0 ∈ G eine biholomorphe (i.e. bijektive und holomorphe) Funk-tion f : G→ K1(0) mit f (z0) = 0, f ′ (z0) > 0. Damit gilt i)⇒j)

j)⇒a) Seiγ : [0,1] → G eine geschlossene stetige Kurve inG und f : G→ K1(0)ein Homöomorphismus.⇒ f ◦γ ist eine geschlossene stetige Kurve inK1(0),undK1(0) ist konvex, also einfach zusammenhängend.⇒ Es gibt eine steti-ge Funnktionψ : [0,1]× [0,1] → K1(0) mit ψ (·,0) = f ◦ γ, ψ (·,1) = kon-stant,ψ (0, t) = ψ (1, t) für 0 ≤ t ≤ 1. ⇒ ϕ := f−1 ◦ψ : [0,1]× [0,1] → Gleistet das Verlangte:ϕ (·,0) = γ, ϕ (·,1) = konstant,ϕ (0, t) = ϕ (1, t) für0≤ t ≤ 1 (und alles ist stetig).⇒ γ ist nullhomotop, d. h. a) gilt.

a)⇒k) 19.18

k)⇒h) Sei f : G→C∗ holomorph.⇒u := log| f | ist harmonisch inG.k)⇒∃v: G→

R, so dassh := u+ iv holomorph ist.

⇒∣∣ f ·e−h

∣∣ = | f | ·e−Reh = | f |e− log| f | = 1

16.14⇒ ∃α ∈R f = eh+iα , d. h.g := h+ iα ist holomorpher Logarithmus vonf in G. 2

22.6 Beispiele a) Spirale:γ : [0,∞[ → C, γ (t) := t · eit (t ≥ 0). Umpara-metrisierung:

ϕ : [0,1[ → C, ϕ (s) :=s

1−s·ei s

1−s (0≤ s< 1)

Die Kurve

ϕ : [0,1] → P, ϕ (s) :=

{

ϕ (s) für s∈ [0,1[

∞ für s= 1

ist stetig.G := C\ [ϕ] ist ein Gebiet.P \G = [ϕ] ist zusammenhängend, dawegzusammenhängend.⇒ G ist ein einfach zusammenhängendes Gebiet.

124

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b) G := {z∈ C, |Imz| < 1} ist konvex, also einfach zusammenhängend., aberC\G hat zwei Zusammenhangskomponenten.P \G ist zusammenhängend,wie man sofort mit der stereographischen Projektion sieht. Die RandgeradenImz = ±i werden bei der stereographischen Projektion aufS2 Kreise, diebeide durch den „Nordpol“e3 gehen.⇒ P\G ist zusammenhängend.⇒ in22.5 d) ist eine Ersetzung vonP → C nicht möglich.

22.7 Korollar Ein beschränktes GebietG⊂ C ist genau dann einfach zusammen-hängend, wennC\G zusammenhängend ist.

Beweis OBdA /0 6= G.

(i) C\G sei zusammenhängend.⇒ P \G = C\GP

ist zusammenhängend (lt.

allgemeinem Satz der Topologie).22.5⇒ G ist einfach zusammenhängend.

(ii) Sei G beschränkt und einfach zusammenhängend. AngenommenC\G seinicht zusammenhängend.⇒ ∃A,B⊂ C, A,B abgeschlossen,A∩B = /0, A 6=/0 6= B, C\G = A∪B. G ist beschränkt⇒ oBdA kann angenommen werden:G⊂ KR(0) (R> 0 hinreichend groß),A⊃ C\KR(0) (die unbeschränkte Zu-sammenhangskomponente vonC\Gmuss ganz inAoderB liegen, also oBdAhier inA).⇒B⊂KR(0) ist beschränkt und abgeschlossen, also kompakt. Dasist aber ein Widerspruch zu 22.5.E

22.8 Korollar Es seienG,H zwei einfach zusammenhängende Gebiete, so dassgilt:

(i) /0 6= G∩H

(ii) G∩H ist zusammenhängend.

Dann istG∪H einfach zusammenhängend.

Beweis G∪H ist offen und wegen (i) wegzusammenhängend, also istG∪H einGebiet. Seia ∈ G∩H, f : G∪H → C holomorph.G ist einfach zusammenhän-gend.⇒ Es gibt genau eine Stammfunktiong: G → C von f |G mit g(a) = 0.H ist ebenfalls einfach zusammenhängend.⇒ Es gibt genau eine Stammfunktionh: H → C von f |H mit h(a) = 0. g|G∩H undh|G∩H sind Stammfunktionenvon f |G∩H mit g(a) = 0 = h(a). G∩H ist ein Gebiet.⇒ g|G∩H = h|G∩H.

⇒ F : G∪H → C, F (z) :=

{

g(z) für z∈ G

h(z) für z∈ H

ist sinnvoll und Stammfunktion vonf .

Ergebnis: Jede holomorphe Funktionf : G∪H → C hat eine Stammfunktion.22.5⇒

G∪H ist einfach zusammenhängend. 2

125

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Teil V

L AURENTsche Reihen, isolierteSingularitäten, Residuensatz

126

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Kapitel 23

L AURENTsche Reihen

Frage Wie sehen die in einem KreisringA := {z∈ C,R1 < |z| < R2} holomor-phen Funktionen aus?

Antwort Diese haben die Darstellung∑∞n=−∞ anzn (LAURENT-Reihe).

23.1 SatzSeien0 ≤ R1 < R2 ≤ ∞, a ∈ C, A := {z∈ C,R1 < |z−a| < R2}, f :A → C holomorph. Dann gibt es holomorphe Funktionen f1 : KR2 (a) → C, f2 :C\KR1 (a) → C, so dass für alle z∈ A gilt:

f (z) = f1(z)+ f2(z) .

Dabei kann f2 so gewählt werden, dass gilt:

lim|z|→∞

f2(z) = 0.

Bei dieser Wahl von f2 sind f1, f2 eindeutig bestimmt, und zwar ist

f1(z) =1

2π i

∂Kr2(a)

f (ζ )

ζ −zdζ für |z−a| < r2 < R2, r2 > R1,

f2(z) = − 12π i

∂Kr1(a)

f (ζ )

ζ −zdζ für |z−a| > r1 > R1, r1 < R2.

Beweis Für R1 < r1 < r2 < R2 ist ∂Kr2 (a) ∼ ∂Kr1 (a) (homotop) bzgl.A. Sei nunr1 < |z−a| < r2.

⇒ 12π i

∂Kr2(a)

f (ζ )

ζ −zdζ − 1

2π i

∂Kr1(a)

f (ζ )

ζ −zdζ

=1

2π i

∂Kr2(a)

f (ζ )− f (z)ζ −z

︸ ︷︷ ︸

holomorph nach 13.10

dζ −∫

∂Kr1(a)

f (ζ )− f (z)ζ −z

︸ ︷︷ ︸

holomorph nach 13.10

︸ ︷︷ ︸

=0 nach 19.12

127

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+ f (z)1

2π i

∂Kr2(a)

dζζ −z

︸ ︷︷ ︸

=2π i wg. z∈Kr2(a)

+∫

∂Kr1(a)

dζζ −z

︸ ︷︷ ︸

=0 wg.z/∈Kr1(a)

= f (z)

Die Integrale hängen unter den angegebenen Bedingungen nicht ab von der Aus-wahl vonr1 und r2 und definieren holomorphe Funktionen mit den angegebenenEigenschaften.Für |z−a|< r2 < R2, |z−a|< r ′2 < R2, t2 > R1, r ′2 > R1 sind∂Kr2 (a) und∂Kr ′2

(a)homotop bzgl.A|{z}.

13.10⇒∫

∂Kr2(a)

f (ζ )

ζ −zdζ =

∂Kr′2(a)

f (ζ )

ζ −zdζ

⇒ f1 : KR2 (a) → C,

f1(z) :=1

2π i

∂Kr2(a)

f (ζ )

ζ −zdζ (z∈ KR2 (a) , |z−a| < r2 < R2)

ist sinnvoll definiert und holomorph nach 18.1. Entsprechend ist

f2 : C\KR1 (a) → C,

f2(z) := − 12π i

∂Kr1(a)

f (ζ )

ζ −zdζ

(

z∈ C\KR1 (a), |z−a| > r1 > R1

)

sinnvoll definiert und holomorph aufC\KR1 (a), und für allez∈ A gilt:

f (z) = f1(z)+ f2(z) .

Weiter ist

| f2(z)| ≤ 12π

max|ζ−a|=r1

| f (ζ )| 2πr1

|z−a|− r1

|z|→∞−−−→ 0

⇒ Existenz der behaupteten Zerlegung.Eindeutigkeit: Sei auchf = g1 + g2 eine Zerlegung mit holomorphen Funktionen

g1 : KR2 (a) → C, g2 : C\KR1 (a) → C, g2(z)|z|→∞−−−→ 0.

⇒ ( f1−g1) |A = −( f2−g2) |A,

also

h : C → C, h(z) :=

{f1(z)−g1(z) für |z−a| < R2

−( f2(z)−g2(z)) für |z−a| > R1

sinnvoll definiert und liefert eine ganze Funktion. Es gilt: lim|z|→∞ h(z) = 0.14.6⇒

h≡ 0.⇒ f1 = g1, f2 = g2. 2

128

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23.2 Definition a) ∑∞n=−∞ an konvergiert gegenb∈C :⇔∑∞

n=0an und∑∞n=1a−n

konvergieren und∑∞n=0an +∑∞

n=1a−n = b.

⇔∀ε > 0 ∃M,N ∈ Z,M < N ∀m≤ M,n≥ N

∣∣∣∣∣

n

∑k=m

ak−b

∣∣∣∣∣< ε

Im Falle der Konvergenz schreibt man∑∞n=−∞ an = b.

b) ∑∞n=−∞ an konvergiert absolut:⇔ ∑∞

n=−∞ |an| konvergiert.

c) ∑∞n=−∞ fn konvergiert gleichmäßig gegenf (alles aufX definiert):⇔

∀ε > 0 ∃M,N ∈ Z,M < N ∀m< M,n≥ N

∣∣∣∣∣

n

∑k=m

fk (x)− f (x)

∣∣∣∣∣< ε

d) Normale Konvergenz sinngemäß.

Warnung ∑∞k=−∞ ak konvergiert in diesem Sinn⇒

(

∑nk=−nak

)

n∈N konvergiert.(:).Beispiel:∑∞

n=−∞ an mit an = 0 für n = 0 undan = 1n für n 6= 0, n∈ Z, konver-

giert nicht im obigen Sinne, obgleich∑nk=−n = 0 für allen∈ N.

Beachte: Bei der Diskussion von FOURIER-Reihen des Typs

∑k=−∞

ckeikx (x∈ R) (23.1)

wird generell ein anderer Konvergenzbegriff benutzt, nämlich: (23.1)konvergiert:⇔(

∑nk=−nckeikx

)

n∈N konvergiert.

23.3 Satz (LAURENT -Entwicklung) benannt nachPIERREALPHONSELAURENT,18.7.1813–2.9.1854, französischer Mathematiker. Die Reihenentwicklungreich-te er 1842 zum „Grand Prize“ ein, unglücklicherweise jedoch nach Teilnahme-schluss.CAUCHY setzte sich zwar sehr für eine Annahme der Arbeit ein, war inseinen Bemühungen jedoch erfolglos.Sei unter den Voraussetzungen von 23.1 f: A→ C holomorph. Dann gibt es an ∈C(n∈ Z), so dass gilt:

f (z) =∞

∑n=−∞

an(z−a)n (z∈ A) (LAURENT-Entwicklung) (23.2)

Die LAURENT-Reihe (23.2) konvergiert normal auf A gegen f . Die Koeffizientenan in (23.2) sind eindeutig bestimmt, und es gilt für jedes r∈ ]R1,R2[:

an =1

2π i

∂Kr (a)

f (ζ )

(ζ −a)n+1 dζ (n∈ Z)

129

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Für f1, f2 aus 23.1 gilt:

f1(z) =∞

∑n=0

an(z−a)n (|z−a| < R2) ,

der sog.Nebenteilder LAURENT-Entwicklung,

f2 = (z) =−1

∑n=−∞

an(z−a)n (|z−a| > R1) ,

der sog.Hauptteilder LAURENT-Entwicklung.

Beweis f1 : KR2 (a) → C ist holomorph, hat also die Potenzreihen-Entwicklung

f1(z) =∞

∑n=0

an(z−a)n (|z−a| < R1)

mit

an =1

2π i

∂Kr (a)

f (ζ )

(ζ −a)n+1 dζ (n≥ 0,0 < r < R2)

Normale Konvergenz ist bekannt aufKR2 (a). Für 0< |w| < 1R1

sei

g(w) := f2

(

a+1w

)

.

Dann istg in K 1R1

(0)\{0} holomorph mit limw→0g(w) = lim|z|→∞ f2(z) = 0.13.10⇒

Durchg(0) := 0 wird g holomorph aufK 1R1

(0) fortgesetzt, hat also die Potenzrei-

henentwicklung

g(z) =∞

∑n=1

bnwn(

|w| < 1R1

)

,

und die Reihe konvergiert normal aufK 1R1

(0). Für |z−a| > R1 gilt:

f2(z) =∞

∑n=1

bn(z−a)−n =−1

∑n=−∞

an(z−a)n (an := b−n,n≤−1) ,

und auch hier gilt normale Konvergenz.⇒ Für r > R1 ist

12π i

∂Kr (a)

f (ζ )

(ζ −a)n+1 dζ = an

für allen≤−1 (termweise Integration der Reihe). Wegen

12π i

∂Kr (a)

f1(ζ )

(ζ −a)n+1 dζ = 0

130

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für n≤−1, r < R2 (termweise Integration) und

12π i

∂Kr (a)

f2(ζ )

(ζ −a)n+1 dζ = 0

für n≥ 0, r > R1 (termweise Integration) ist also fürR1 < r < R2 undn∈ Z:

an =1

2π i

∂Kr (a)

f (ζ )

(ζ −a)n+1 dζ

Das beweist die Existenz der LAURENT-Entwicklung einschließlich der Formel fürdiean (n∈ Z).Eindeutigkeit: Hatf eine zweite Entwicklung der Form

f (z) =∞

∑n=−∞

cn(z−a)n (z∈ A)

mit cn ∈ C (n∈ Z), so konvergieren

g1(z) :=∞

∑n=0

cn(z−a)n für |z−a| < R2

g2(z) :=−1

∑n=−∞

cn(z−a)n für |z−a| > R1,

undg1,g2 sind in diesen offenen Mengen holomorph, und es gilt: lim|z|→∞ g2(z) =

0, f (z) = g1(z)+g2(z) (z∈ A).23.1⇒ f1 = g1, f2 = g2.

5.8⇒ an = cn (n∈ Z). 2

23.4 Beispiele a) R1 = 0,R2 = ∞, f (z) = ez−1z (z 6= 0). LAURENT-Reihe von

f um 0:

f (z) =∞

∑n=1

zn−1

n!=

∑n=0

zn

(n+1)!

b) R1 = 0, R2 = ∞, f (z) := cosz+cos1z −1 (z 6= 0). LAURENT-Reihe um 0:

f (z) =∞

∑n=0

(−1)n z2n

(2n)!+

∑n=0

(−1)n z−2n

(2n)!−1 =

∑n=−∞

(−1)n z2n

|2n|!

c) D = C\{0,1}, f : D →C, f (z) := 1z(z−1) = 1

z−1 − 1z (z 6= 0,1). Hier bieten

sich 2 Möglichkeiten füra,R1,R2 an:

(i) a = 0,R1 = 0,R2 = 1⇒ LAURENT-Reihe:

f (z) = −∞

∑n=0

zn

︸ ︷︷ ︸

Nebenteil

− 1z

︸︷︷︸

Hauptteil

= −∞

∑n=−1

zn (0 < |z| < 1)

131

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(ii) a = 0,R1 = 1,R2 = ∞ ⇒ Für |z| > 1 ist

f (z) =1

z(z−1)=

1z2 ·

1

1− 1z

=1z2

∑n=0

1zn =

−2

∑n=−∞

zn

und das ist der Hauptteil der LAURENT-Reihe vonf in diesem Kreis-ring, Nebenteil=0.

(iii) Weitere Möglichkeiten:a = 1,R1 = 0,R2 = 1: zur Übung.

23.5 SatzDie Funktion

f : C\{2π ik,k∈ Z}→ C, f (z) :=

{ zez−1 für z∈ C\{2π ik,k∈ Z}1 für z= 0

ist holomorph. Für|z| < 2π hat f die Potenzreihen-Entwicklung

zez−1

=∞

∑n=0

Bn

n!zn,

(linke Seite :=1 in 0), wobei die Folge(Bn)n≥0 der sog.BERNOULLIschen Zahlen1,die rekursiv definiert ist durch B0 = 1 und

n−1

∑k=0

(nk

)

Bk = 0 für alle n> 1,

speziell gilt: Bn ∈ Q (n≥ 0), B0 = 1, B1 = −12, B2 = 1

6, B4 = − 130, B6 = 1

42,B8 = − 1

30, B10 = 566, B12 = − 691

2730, B14 = 76, B16 = −3617

510 , B18 = 43867798 , B2n+1 =

0 (n≥ 1).

Beweisz

ez−1=

z

z+ z2

2! +z3

3! + . . .=

1

1+ z2! +

z2

3! + . . .⇒ f ist holomorph in 0 mitf (0) := 1, also hatf eine Potenzreihen-Entwicklung

der Form

zez−1

=∞

∑n=0

Bn

n!zn,

und diese Reihe konvergiert für|z| < 2π. ⇒ B0 = 1,(

∑n=0

Bn

n!zn

)(∞

∑n=1

zn

n!

)

= z (|z| < 2π)

⇒n−1

∑k=0

Bk

k!1

(n−k)!= 0 (n > 1)

1benannt nach JACOB BERNOULLI, 27.12.1654–16.8.1705, zusammen mit seinem Bruder Jo-hann der wohl berühmteste Mathematiker aus der Schweiz

132

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⇒ Bn ∈ Q (n≥ 0), B0 = 1,

n−1

∑k=0

(nk

)

Bk = 0 (n > 1)

⇒ die angegebenen Zahlenwerte.Begründung fürb2n+1 = 0 für n≥ 1:

f (z)+z2

=z

ez−1+

z2

= u

(1

ez−1+

12

)

=z2· ez+1ez−1

=z2· coshz

2

sinhz2

ist eine gerade Funktion vonz. ⇒ B2n+1 = 0 für allen≥ 1. 2

Bemerkung Wir werden in 27.7 sehen, dass(−1)n−1B2n > 0 für allen≥ 1.

23.6 Korollar Die Funktionz · cotz hat in 0 eine hebbare Singularität und diePotenzreihen-Entwicklung

z·cotz=∞

∑n=0

(−1)n 22nB2n

(2n)!z2n (|z| < π)

= 1− 13

z2− 145

z4− 2945

z6− . . . ,

und hier sind alle Koeffizienten vonz2,z4,z6, . . . negativ nach der vorangehendenBemerkung.

Beweis z·cotz= izeiz +e−iz

eiz−e−iz = ize2iz +1e2iz−1

= f (2iz)+ iz

laut obiger Umformung.

=∞

∑n=0

(−1)n 22nB2n

(2n)!z2n,

denn die Funktion auf der linken Seite ist gerade und hat in 0 eine hebbareSingu-larität. 2

23.7 Korollar Für |z| < π2 gilt:

tanz=∞

∑n=1

(−1)n−1 22n(22n−1

)

(2n)!B2nz2n−1 = z+

13

z3 +215

z5 +17315

z7 + . . .

Beweis cotz−2cot(2z) =coszsinz

− 2(cos2z−sin2z

)

2sinzcosz=

sinzcosz

= tanz

⇒ tanz=1z(zcotz−2zcot(2z))

Einsetzen in 23.6 liefert die Behauptung. 2

133

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23.8 Korollar Für allen∈ N,k∈ N0 gilt nach JACOB BERNOULLI:

n−1

∑ν=0

νk =1

k+1

k

∑ν=0

(k+1

ν

)

Bνnk+1−ν

=1

k+1nk+1−1

2nk +

1k+1

k

∑ν=2

(k+1

ν

)

Bνnk+1−ν

︸ ︷︷ ︸

=:0 für k=0!

Beweis Für n≥ 1 gilt:

1+ez+e2z+ . . .+e(n−1)z =n−1

∑ν=0

eνz =∞

∑k=0

(k−1

∑ν=0

νk

)

zk

k!

und die linke Seite ist

=enz−1ez−1

=z

ez−1· enz−1

z(|z| < 2π)

=

(∞

∑ν=0

ν !

)(∞

∑µ=0

nµ+1

(µ +1)!zn

)

=∞

∑k=0

(k

∑ν=0

Bνnk+1−ν

ν ! (k+1−ν)!

)

zk

Koeffizientenvergleich liefert die Behauptung. 2

Zusatz Fürn,k≥ 1 gilt:

n

∑ν=1

νk =1

k+1nk+1 +

12

nk +1

k+1

k

∑ν=2

(k+1

ν

)

Bνnk+1−ν

Beweis Addition vonnk auf beiden Seiten der Gleichung in 23.8. 2

23.9 Satz (FOURIER -Entwicklung periodischer holomorpher Funktionen) Es sei-en−∞ ≤ a< b≤ ∞, S:= {z,a < Imz< b}, und f : S→C sei holomorph und peri-odisch mod 1, d. h. f(z+1) = f (z) (z∈ S). Dann gibt es eindeutig bestimmtean ∈ C (n∈ Z), so dass für alle z∈ S gilt:

f (z) =∞

∑n=−∞

ane2π inz

die sog.FOURIER-Entwicklung von f . Die Reihe konvergiert normal auf S, und esist für jedes z0 ∈ S:

an =∫

σz0,z0+1

f (z)e−2π inzdz.

134

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Beweis R1 := e−2πb,R2 := e−2πa,A := {z∈ C,R1 < |z| < R2}. Fürz∈ S ist dann:∣∣e2π iz

∣∣ = e−2π Imz ∈ ]R1,R2[ ,

und die AbbildungS∋ z 7→ e2π iz ∈A ist surjektiv. Fürw= e2π iz ∈A mit einemz∈Ssind genau die Punktez+k (k∈ Z) die Urbilder vonw bei dieser Abbildung.fist periodisch mod 1

⇒ g : A→ C, g(w) := f (z) für w = e2π iz,w∈ A,z∈ S

ist sinnvoll.Behauptung:g ist holomorph.Begründung: Seiw0 ∈ A, ρ > 0 so klein, dassKρ (w0) ⊂ A ⇒ Kρ (w0) ist ein-fach zusammenhängendes Sterngebiet inC∗, und istz0 ∈ Sso gewählt, dassw0 =e2π iz0, so gibt es genau einen holomorphen Logarithmusλ : Kρ (w0) → C, so dassλ (w0) = 2π iz0. 1

2π i λ hat Werte inS, und es gilt:

g(w) = g(

eλ (w))

= f

(1

2π iλ (w)

)(w∈ Kρ (w0)

)

⇒ g ist holomorph inw0, also in ganzA. –23.3⇒ g hat eine LAURENT-Entwicklung des Typs

g(w) =∞

∑n=−∞

anwn (R1 < |w| < R2) ,

und diese konvergiert normal inA.

⇒ f (z) = e2π iz =∞

∑n=−∞

ane2π inz (z∈ S) ,

und die Reihe konvergiert normal.Eindeutigkeit: Wegen normaler Konvergenz ist termweise Integration zulässig undliefert:

σz0,z0+1

f (z)e−2π inzdz=∫ 1

0f (z0 + t)e−2π in(z0+t) dt

=∞

∑k=−∞

ak

∫ 1

0e2π i(k−n)(z0−t) dt = an (n∈ Z)

2

23.10 Beispiele a) cos(2πz) =12

(e2π iz +e−2π iz)

sin(2πz) =12i

(e2π iz−e−2π iz)

135

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b) cot(πz) ist mod 1 periodisch und in der oberen Halbebene

H := {z∈ C, Imz> 0}

holomorph (und in der unteren Halbebene auch).

cot(πz) =cos(πz)sin(πz)

= ieπ iz +e−π iz

eπ iz−e−π iz

= ie2π iz +1e2π iz−1

= i

(

1+2

e2π iz−1

)

= i

(

1− 21−e2π iz

)

.

Für z∈ H ist hier Imz> 0.

⇒ 0 <∣∣e2π iz

∣∣ = e−2πy < 1

⇒ die geometrische Reihe konvergiert.

= i

(

1−2∞

∑n=0

e2π inz

)

= −i−∞

∑n=1

2ie2π inz für Imz> 0

limy→∞

cot(x+ iy) = −i

gleichmäßig bzgl.x, cot ist ungerade

⇒ limy→−∞

cot(x+ iy) = i.

136

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Kapitel 24

Isolierte Singularitäten

24.1 Definition (Isolierte Singularität) SeiD ⊂ C offen, M ⊂ D diskret und re-lativ D abgeschlossen,f : D\M → C holomorph. Dann heißt jedesa∈ M eineiso-lierte Singularitätvon f . Also:a ist isolierte Singularität :⇔∃ρ > 0 f |Kρ (a)\{a}sinnvoll und holomorph.

24.2 Beispiele a) cosz−1z2 hat in 0 eine isolierte Singularität und zwar eine heb-

bare Singularität wegen

cosz−1z2 =

∑n=1

(−1)n z2n−2

(2n)!.

b) f (z) := 1z hat in 0 eine isolierte Singularität. Diese ist nicht hebbar, aber

z· f (z) hat in 0 eine hebbare Singularität.

c) f (z) := e1z hat in 0 eine isolierte Singularität, und für keinm∈ N ist zme

1z

in 0 holomorph erklärbar, denn für jedesρ > 0 ist fm(z) := zme1z in Kρ (0)

unbeschränkt.

24.3 Bemerkung (Klassifikation der isolierten Singularität) Sei D ⊂ C offen,a∈ D, f : D\{a}→ C holomorph. Dann sagt man:

a) f hat ina eine hebbare Singularität:⇔∃ρ > 0 mit Kρ (a)⊂D und eine holo-morphe Funktiong : Kρ (a) → C mit f |Kρ (a) = g|Kρ (a). ( f ist holomorphund nacha fortsetzbar).

b) f hat in a einenPol:⇔ f ist in Kρ (a)\{a} unbeschränkt (ρ so klein, dassKρ (a) ⊂ D), und es gibt einm∈ N, so dass(z−a)m f (z) in a eine hebbareSingularität hat. In diesem Fall heißt

n := min{m∈ N : (z−a)m f (z) hat eine hebbare Singularität in a}

die Ordnung des Pols vonf .

137

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c) f hat in a einewesentliche Singularität:⇔ f hat in a weder eine hebbareSingularität noch einen Pol.

Hat f in a eine isolierte Singularität, so hatf uma eine LAURENT-Entwicklung

f (z) =∞

∑n=−∞

an(z−a)n (0 < |z−a| < ρ,Kρ (a) ⊂ D

)

Dabei konvergiert der Hauptteil∑−1n=−∞ an(z−a)n für allez∈ C\{a}.

24.4 SatzSei D⊂ C offen, a∈ D, f : D\{a} holomorph, Kρ (a) ⊂ D, f (z) =

∑∞n=−∞ an(z−a)n für 0 < |z−a| < ρ. Dann gilt:

a) f hat in a eine hebbare Singularität⇔ ak = 0 für alle k < 0, d. h. dieLAURENT-Reihe „ist“ eine Potenzreihe. (⇔Hauptteil derLAURENT-Reihe=0)

b) f hat in a einen Pol der Ordnung m⇔ a−m 6= 0,ak = 0 für alle k< −m. (⇔Hauptteil derLAURENT-Reihe ist ein Polynom vom Grad m in(z−a)−1)

c) f hat in a eine wesentliche Singularität⇔ Es gibt unendlich viele k∈ Z,k <0 mit ak 6= 0. (⇔ der Hauptteil derLAURENT-Entwicklung ist eine Potenz-reihe in(z−a)−1 mit unendlich vielen von 0 verschiedenen Koeffizienten)

Beweis a) f hat ina eine hebbare Singularität13.10, 13.3

=⇒ Es gibt eine inKρ (a)konvergente Potenzreihe∑∞

n=0an(z−a)n mit

f (z) =∞

∑n=0

an(z−a)n (0 < |z−a| < ρ)

⇔ak = 0 für allek< 0 wegen der Eindeutigkeit der LAURENT-Koeffizienten.

b) f hat ina einen Pol der Ordnungn≥ 1⇔ (z−a)n f (z) hat ina eine Potenz-reihenentwicklung∑∞

k=0ck (z−a)k mit c0 6= 0 (n minimal)⇒ f hat ina eineLAURENT-Entwicklung der Form

f (z) =∞

∑k=0

ck (z−a)k−n (0 < |z−a| < ρ,c0 6= 0)

Die Eindeutigkeit der LAURENT-Entwicklung liefert auch hier:am−n 6= 0,ak = 0 für k < −n.

c) ist klar nach a) und b). 2

Hebbare Singularitäten wurden bereits im Satz von RIEMANN (13.10) erschöpfendcharakterisiert.

24.5 SatzSei f : D\{a}→ C, a∈ D, D⊂ C offen, n∈ N: Dann sind äquivalent:

138

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a) f hat in a einen Pol der Ordnung n

b) Es gibt eine holomorphe Funktion g: D → C, g(a) 6= 0, so dass

f (z) = (z−a)−ng(z) (z∈ D\{a})

c) Es gibt eine offene Umgebung U⊂D von a, so dass f|U \{a} nullstellenfreiist und

h : U → C, h(z) :=

{1

f (z) für z∈U \{a}0 für z= a

holomorph ist und in a eine Nullstelle n-ter Ordnung hat.

d) Es gibt eine offene Umgebung U⊂ D von a undα,β > 0, so dass

α |z−a|−n ≤ | f (z)| ≤ β |z−a|−n für z∈U \{a}

Beweis a)⇔b) ist im Beweis von 24.4 b) enthalten.

b)⇒c) ist klar, vgl. 15.4

c)⇒d) h(z) := (z−a)n ϕ (z) (z∈U), wobei wir oBdAU := K2ρ (a) wählen unddabeiρ > 0 so klein, dassϕ |Kρ (a) nullstellenfrei ist (vgl. 15.4).

α :=1

maxz∈Kρ (a) |ϕ (z)| , β :=1

minz∈Kρ (a) |ϕ (z)|

leisten in d) mitU := Kρ (a) das Verlangte.

d)⇒a) Nach d) ist(z−a)n f (z) in einer Umgebung vona (ohne den Punkta) be-schränkt, hat also ina eine hebbare Singularität (Satz von RIEMANN , 13.10).Nach Voraussetzung ist also(z−a)n−1 f (z) nicht in einer Umgebung vonaohne den Punkta beschränkt, hat also keine hebbare Singularität ina. ⇒ fhat ina einen Pol der Ordnungn. 2

24.6 Korollar Unter den Voraussetzungen von 24.5 hatf einen Pol ina

⇔ limz→a

z∈D\{a}| f (z)| = ∞

⇔∀R> 0 ∃δ > 0 ∀0 < |z−a| < δ | f (z)| > R

Beweis „⇐“ 24.5 a⇒d)

139

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„⇒“ f ist in einer offenen UmgebungU ⊂ D vona nullstellenfrei, und

h(z) :=

{1

f (z) für z∈U \{a}0 für z= a

ist in U \{a} holomorph, ina stetig, also nach 13.10 holomorph inU . Mit24.5 c)⇒a) folgt damit die Behauptung. 2

24.7 Satz (CASORATI und WEIERSTRASS) benannt nachFELICE CASORATI, 17.12.1835–11.9.1890, italienischer Mathematiker.CASORATI bewies diesen Satz bereits 1868in einer Abhandlung über die komplexen Zahlen, währendWEIERSTRASSihn ineinem Artikel von 1876 erstmals zeigt.Es seien D⊂ C offen, a∈ D, f : D\{a}→ C holomorph. Dann sind äquivalent:

a) f hat in a eine wesentliche Singularität,

b) Für jede Umgebung U⊂ D von a gilt:

f (U \{a}) = C,

d. h. f(U \{a}) liegt dicht inC.⇔ ∀w ∈ C existiert eine Folge(zn)n∈N in D\{a} mit zn

n→∞−−−→ a, so dass

f (zn)n→∞−−−→ w.

Beweis „⇐“ trivial nach 13.10 und 24.6

„⇒“ Beweis indirekt. Annahme: Es gibt eine UmgebungV ⊂D vonamit f (V \{a}) &C.

⇒∃w0 ∈ C,ε > 0 ∀z∈V \{a} | f (z)−w0| ≥ ε

⇒ g : V \{a}→ C, g(z) :=1

f (z)−w0(z∈V \{a})

ist holomorph und beschränkt.13.10⇒ g hat eine hebbare Singularität ina.

⇒ f (z) :=1

g(z)+w0 (z∈V \{a})

hat

(i) in a eine hebbare Singularität, falls limz→ag(z) 6= 0, bzw.

(ii) in a einen Pol, falls limz→ag(z) = 0.

Sowohl (i) als auch (ii) widersprechen der Voraussetzung.⇒ Behauptung.2

140

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24.8 Beispiele a) z·cotz= zsinz coszhat in 0 eine hebbare Singularität mit limz→0z·

cotz= 1.⇒ cotzhat in 0 einen Pol 1. Ordnung (und die LAURENT-Entwicklungist in 23.6 ablesbar).

b) f (z) := 1z(z−i)2 hat in 0 undi isolierte Singularitäten, und zwar in 0 einen Pol

1. Ordnung und ini einen Pol 2. Ordnung.

c) 1

e1z−1

ist erklärt und holomorph fürz /∈ {0}∪{

12π ik ,k∈ Z

}. Fürk 6= 0 ist

ddz

(

e1z −1

)∣∣∣z= 1

2π ik

= − 1z2 e

1z

∣∣∣z= 1

2π ik

= eπ2k2 6= 0,

also hate1z − 1 in z = 1

2π ik für k 6= 0 eine Nullstelle 1. Ordnung (15.5).24.5⇒ 1

e1z−1

hat in den Punkten12π ik (0 6= k∈ Z) isolierte Singularitäten, und

zwar Pole 1. Ordnung, aber 0 ist keine isolierte Singularität vonf (z), denn0 ist Häufungspunkt von Polen.

d) f : C\{0} → C, f (z) := e1z hat wegenf (z) = ∑0

n=−∞zn

|n|! in 0 eine we-sentliche Singularität. Für jedesρ > 0 ist

f(Kρ (0)\{0}

)=

{

e1z : 0 < |z| < ρ

}

=

{

eζ , |ζ | > 1ρ

}

= C\{0} ,

denn die exp-Funktion bildet jeden Streifen{w∈ C,a≤ Imw≤ a+2π} aufC\{0} ab. In Übereinstimmung mit 24.7 sieht man hier sofort, dassf

(Kρ (0)\{0}

)=

C.

24.9 Satz (Großer Satz von PICARD ) Hat f : D\{a} → C in a eine wesentlicheSingularität, so gilt für jedesρ > 0 mit Kρ (a) ⊂ D:

f(Kρ (a)\{a}

)⊃ C\{w}

mit einem w∈ C, d. h. f lässt in Kρ (a)\{a} höchstens einen Wert aus.

Beweis siehe Remmert (1995), Seite 209 f. 2

24.10 Satz (Kleiner Satz von PICARD ) Jede nicht-konstante ganze Funktion lässthöchstens einen Wert aus.

Beweis siehe Remmert (1995), Seite 203f. 2

141

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Kapitel 25

Der Residuensatz

25.1 Definition (Residuum) SeiD ⊂ C offen,a∈ D, f : D\{a}→ C holomorphund

f (z) =∞

∑n=−∞

an(z−a)n (0 < |z−a| < ρ)

mit einemρ > 0 so klein, dassKρ (a) ⊂ D, die LAURENT-Entwicklung vonf uma ist. Dann heißt

Res( f ,a) := a−1 =1

2π i

∂Kr (a)f (ζ ) dζ

(

r > 0,Kr (a) ⊂ D)

dasResiduumvon f in a.

25.2 Folgerung a) Hat in 25.1f in a einen Pol 1. Ordnung oder eine hebbareSingularität, so gilt:

Res( f ,a) = limz→a

(z−a) f (z)

b) Ist f = hg mit holomorphen Funktionenh,g : Kρ (a) → C, g(a) = 0, g′ (a) 6=

0, d. h.g hat ina eine Nullstelle 1. Ordnung, so gilt nach a):

Res

(hg,a

)

=h(a)

g′ (a),

da

(z−a)h(z)g(z)

=h(z)

g(z)−g(a)z−a

z→a−−→ h(a)

g′ (a)

25.3 Beispiele Res

(1

sinz,0

)25.2 a)= lim

z→0

zsinz

= 1 oder dto.25.2 b)=

1cos0

= 1.

Res(cotz,0)25.2 b)=

cos0cos0

= 1

142

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Res

(1

1+z2 , i

)

25.2 a)= limz→i

z−i1+z2 = limz→i

1z+i = 1

2i25.2 b)= 1

ddz (z2+1)|z=i

= 12i

Res

(1z2 ,0

)

= 0 nach der LAURENT-Entwicklung

Res(

e1z ,0

)

= 1 nach der LAURENT-Entwicklung:

e1z =

∑n=0

z−n

n!=

0

∑n=−∞

zn

|n|!

25.4 Satz (Residuensatz)Es seien D⊂ C offen, M⊂ D diskret und relativ D ab-geschlossen, f: D\M → C holomorph,Γ sei ein bzgl. D nullhomologer Zyklus inD mit [Γ]∩M = /0. Dann ist n(Γ,z) 6= 0 nur für endlich viele z∈ M, und es gilt:

12π i

Γf (z) dz= ∑

z∈M

n(Γ,z)Res( f ,z) .

Kommentar

a) Wichtigster Fall ist der, woΓ von sehr einfacher Form ist (z. B.Γ = γ eineeinfach geschlossene Kurve. Dann besagt 25.4:

12π i

γf (z) dz= ∑

z∈M

Res( f ,z) .

b) M = /0⇒ ∫

γ f (z) dz= 0: Der Residuensatz enthält also den CAUCHYschenIntegralsatz als Spezialfall.

c) Ersetzt manf durchζ 7→ f (ζ )ζ−z ( f holomorph inD, z∈ D \ [Γ] ,M = /0), so

liegt genau eine isolierte Singularität vor, und zwar inz. Diese ist ein Pol 1.Ordnung mit

Res

(f (ζ )

ζ −z,z

)

= limζ→z

(ζ −z)f (ζ )

ζ −z= f (z) ,

25.4 enthält also die Cauchysche Integralformel:

12π i

Γ

f (ζ )

ζ −zdζ = n(Γ,z) · f (z)

Beweis n(Γ,z) ist konstant in Abhängigkeit vonzauf jeder Zusammenhangskom-ponente vonC\ [Γ], und es istn(Γ,z) = 0 für allezaus der unbeschränkten Zusam-menhangskomponente vonC\ [Γ]. SeiK := {z∈ C\ [Γ] ,n(Γ,z) 6= 0}∪ [Γ]. Γ istnullhomolog bzgl.D ⇒ K ⊂ D. C\K = {z∈ C\ [Γ] ,n(Γ,z) = 0} ist offen.⇒ K

143

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ist abgeschlossen.⇒ K ist kompakt.M ist diskret und relativD abgeschlossen.⇒ M ∩K ist endlich, d. h. fürz∈ M ist n(Γ,z) 6= 0 nur für endlich viele Punktea1, . . . ,am ∈ M (m≥ 0).f hat in jedema j eine Laurent-Entwicklung der Form

f (z) =∞

∑k=−∞

c jk (z−a j)k (

0 <∣∣z−a j

∣∣ < ρ j

),

wobeiρ j so klein sei, dassKρ j (a j)\{

a j}⊂ D\M.

23.3⇒ Der Hauptteil

g j (z) :=−1

∑k=−∞

c jk (z−a j)k

ist holomorph für∣∣z−a j

∣∣ > 0, d. h. inC\

{a j

}. h := f −∑m

j=1g j ist nach Behebenhebbarer Singularitäten holomorph aufH := (D\M)∪{a1, . . . ,am}, undΓ ist einnullhomologer Zyklus inH, denn für allez∈ M \{a1, . . . ,am} ist n(Γ,z) = 0.

21.1⇒∫

Γh(z) dz= 0⇒ 1

2π i

Γf (z) dz=

m

∑j=1

12π i

Γg j (z) dz.

Dabei ist gliedweise Integration zulässig wegen normaler Konvergenz inC\{

a j}

.

=m

∑j=1

−1

∑k=−∞

c jk︸︷︷︸

c j,−1=Res( f ,a j)

12π i

Γ(z−a j)

k dz︸ ︷︷ ︸

=

{0 für k6=−1n(Γ,a j) für k=−1

= ∑z∈M

n(Γ,z)Res( f ,z)

2

25.5 Lemma Es seienD ⊂ C offen, a ∈ D, f : D\{a} → C holomorph, undfhabe ina einen Pol der Ordnungm≥ 1. Dann gilt:

Res( f ,a) =1

(m−1)!limz→a

((z−a)m f (z))(m−1),

speziell fürm= 1:

Res( f ,a) = limz→a

((z−a) · f (z))

Beweis LAURENT-Entwicklung vonf in a:

f (z) =∞

∑n=−m

cn(z−a)n (0 < |z−a| < ρ,ρ > 0hinr. klein)

⇒ (z−a)m f (z) =∞

∑k=0

c−m+k (z−a)k

und das ist eine konvergente Potenzreihe inKρ (a).

⇒ ((z−a)m f (z))(m−1)

= (m−1)!∞

∑k=m−1

(k

m−1

)

c−m+k (z−a)k−m+1 z→a−−→ (m−1)!c−12

144

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25.6 Lemma Sei f wie in 25.5,g : D → C holomorph, undf habe ina eineneinfachen Pol (i.e. einen Pol der Ordnung 1). Dann gilt:

Res( f ·g,a) = Res( f ,a) ·g(a)

Beweis f (z) = c−1z−a+Potenzreihe,g(z) = g(a)+(z−a)Potenzreihe.

⇒ f (z)g(z) =g(a)c−1

z−a+Potenzreihe.

⇒ Behauptung. 2

Methoden zur Berechnung des Residuums

(i) Einfache Pole: 25.2, 25.6

(ii) Pole höherer Ordnung: 25.5

(iii) Wesentliche Singularitäten: kein einfaches Rezept, oft Berechnung der LAU-RENT-Reihe (nura−1).

25.7 SatzEs seien p,q : C → C zwei Polynomfunktionen, p6= 0 6= q, gradp ≤gradq−2, q(x) 6= 0 (x∈ R). Dann gilt mit

N′ := {z∈ C,zNullstelle von q mitImz> 0}

und

N := {z∈ C,zNullstelle von q} :

a)∫ ∞

−∞

p(x)q(x)

dx= 2π i ∑z∈N′

Res

(pq,z

)

.

Das Integral auf der linken Seite konvergiert absolut.

b) ∑z∈N

Res

(pq,z

)

= 0

Beweis a) Sei

p(z) = α0 +α1z+ . . .+αmzm, m≥ 0, αm 6= 0,

q(z) = β0 +β1z+ . . .+βnzn, n≥ 0, βn 6= 0.

⇒ Es gibt einR> 0, so dass

∀ |z| ≥ R |p(z)| ≤ 2|am| |z|m (25.1)

∀ |z| ≥ R |q(z)| ≥ 12|βn| |z|n (25.2)

145

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⇒∀ |z| ≥ R

∣∣∣∣

p(z)q(z)

∣∣∣∣≤ 4

∣∣∣∣

αm

βn

∣∣∣∣

1

|z|n−m ≤C1

|z|2

mit C > 0. ⇒ Das Integral unter a) konvergiert absolut. Seir ≥ R. ⇒ AlleNullstellen vonq liegen nach (25.2) inKR(0), also gilt nach dem Residuen-Satz (25.4):

∫ r

−r

p(x)q(x)

dx+∫

ηr

p(z)q(z)

dz= 2π i ∑Imz>0q(z)=0

Res

(pq,z

)

,

wobeiηr den positiv durchlaufenen Halbkreis in der oberen Halbebene be-zeichne. Hier ist

∣∣∣∣

ηr

p(z)q(z)

dz

∣∣∣∣≤ 4

αm

βn· 1rn−m ·πr

r→∞−−−→ 0,

dan−m≥ 2. Jetztr → ∞ ⇒ a).

b) Fürr ≥ R ist

∣∣∣∣∣∣∣

2π i ∑z∈C

q(z)=0

Res

(p(z)q(z)

,z

)

∣∣∣∣∣∣∣

=

∣∣∣∣

∂Kr (0)

p(z)q(z)

dz

∣∣∣∣

≤ 4

∣∣∣∣

αm

βn

∣∣∣∣· 1rn−m ·2πr

r→∞−−−→ 0,

dan−m≥ 2. 2

25.8 Beispiele a) p = 1, q(z) = 1+ z2 = (z− i)(z+ i). ⇒ q hat genau eineNullstelle inH := {z∈ C, Imz> 0}, und zwari.

Res

(1

1+z2 , i

)

=12i

25.7⇒∫ ∞

−∞

dx1+x2 = 2π i

12i

= π

Ebenso

∫ ∞

−∞

dx(x−α)(x−α)

= 2π i1

α −α=

πImα

für α ∈ H.

146

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b) q(z) = z4 +1, p = 1. Nullstellen inH: eπ i4 , e

3π i4 , beide von 1. Ordnung.

⇒ Res

(1q,e

π i4

)

=1

q′(

eπ i4

) =1

4e3π i4

Res

(1q,e

3π i4

)

=1

q′(

e3π i4

) =1

4eπ i4

25.7⇒∫ ∞

−∞

dx1+x4 = 2π i

14

(

e−3π i4 +e−

π i4

)

=π i2

(−1− i√2

+1− i√

2

)

=π√2

∫ ∞

−∞

x1+x4 dx=

π i2

(

eπ i4 ·e3π i

4 +e3π i4 ·e− π i

4

)

= −i + i = 0

∫ ∞

−∞

x2

1+x4 dx=π i2

(

eπ i2 ·e− 3π i

4 +e6π i4 ·e− π i

4

)

=π√2

FOURIER -Transformation Für jedesf ∈L1(R) ist die FOURIER-Transformiertef : R → C durch

f (x) :=1√2π

∫ ∞

−∞e−itx f (t) dt,

und die inverse FOURIER-Transformierte durch

f (x) :=1√2π

∫ ∞

−∞eitx f (t) dt

definiert. Es gilt:f (x) = f (−x).

FOURIERscher Umkehrsatz f ∈ L1(R) und f ∈ L1(R).⇒ f = ˇ(f)∈ L1 λ 1-fast

überall.

Satz von PLANCHEREL f ∈ L1(R) und f ∈ L2(R). ⇒ f 2 ∈ L2 und

∫ ∞

−∞| f |2 dx=

∫ ∞

−∞

∣∣ f

∣∣2

dx

147

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a1, . . . ,am

γ1

γ2

γ3

γ4

−A B

T

0

Abbildung 25.1: Die Situation im Beweis von 25.9

25.9 SatzEs seien G⊃H∪R ein Gebiet, a1, . . . ,am∈H und f : G\{a1, . . . ,am}→C holomorph. Ferner gelte:lim|z|→∞ | f (z)| = 0. Dann konvergiert für jedesα > 0das Integral

∫ ∞

−∞f (x)eiαxdx (25.3)

(aber nicht notwendig absolut), und es gilt:∫ ∞

−∞f (x)eiαxdx= 2π i

m

∑k=1

Res(

f (z)eiαz,ak)

Beweis Da die Konvergenz des Integrals (25.3) als uneigentliches RIEMANN -Integrala priori nicht klar ist, müssen wir im folgenden Beweis mehrere Parameter verfüg-bar halten. Wir wählenA,B,T > 0 so groß, dassa1, . . . ,am innerhalbγ liegen,γ = γ1⊤ . . .⊤γ4

⇒∫

γf (z)eiαzdz= 2π i

m

∑k=1

Res(

f (z)eiαz,ak)

︸ ︷︷ ︸

=:S

Shängt nicht ab vonA,B,T, falls A,B,T groß genug.∣∣∣∣

γ2

f (z)eiαzdz

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

∫ B+iT

Bf (z)eiαzdz

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

∫ T

0f (B+ it )eiα(B+it ) dt

∣∣∣∣

≤ ‖ f‖[γ2]

∫ T

0e−αt dt ≤ 1

α‖ f‖[γ2]

148

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Ebenso∣∣∣∫

γ4f (z)eiαzdz

∣∣∣ ≤ 1

α ‖ f‖[γ4]. Wegen

∣∣∣eiα(t+iT )

∣∣∣ = e−αT (−A≤ t ≤ B)

ist∣∣∣∣

γ3

f (z)eiαzdz

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

∫ −A+iT

B+iTf (z)eiαzdz

∣∣∣∣≤ e−αT ‖ f‖[γ3]

(A+B)

⇒∣∣∣∣

−AB f (x)eiαxdx−2π iS

∣∣∣∣

≤∣∣∣∣

γ2

f (z)eiαzdz

∣∣∣∣+

∣∣∣∣

γ3

f (z)eiαzdz

∣∣∣∣+

∣∣∣∣

γ4

f (z)eiαzdz

∣∣∣∣

≤ 1α

(

‖ f‖[γ2]+‖ f‖[γ4]

)

+(A+B)e−αT ‖ f‖[γ3]

Das gilt für alle hinreichend großenA,B,T > 0. Sei nunε > 0, A,B,T > R, wobeiR> 0 so groß, dass| f (z)| < ε für z∈ H mit |z| > R.

⇒∣∣∣∣

∫ B

−Af (x)eiαxdx−2π iS

∣∣∣∣≤ 2

αε +(A+B)e−αTε

Die linke Seite hängt dabei nicht ab vonT. Bei festemA,B> Rkönnen wirT → ∞gehen lassen.

⇒∣∣∣∣

∫ B

−Af (x)eiαxdx−2π iS

∣∣∣∣≤ 2

αε (A,B > R)

⇒ Behauptung 2

Zusatz Ebenso zeigt man: Es seienH− := {z∈ C, Imz< 0}, G⊃ H−∪R ein Ge-biet,a1, . . . ,am∈H− und f : G\{a1, . . . ,am}→C holomorph. Ferner sei lim|z|→∞ | f (z)|=0. Dann konvergiert für jedesα < 0 das Integral

∫ ∞−∞ f (x)eiαxdxals uneigentliches

RIEMANN -Integral, und es gilt:∫ ∞

−∞f (x)eiαxdx= −2π i

m

∑k=1

Res(

f (z)eiαz,ak)

25.10 Beispiele a) Für α 6= 0 sei∫ ∞−∞

cosαx1+x2 zu berechnen. Der Integrand ist

gerade.⇒ Die Berechnung genügt fürα > 0. α 7→ sinαx1+x2 ist ungerade.

⇒∫ ∞

−∞

cosαx1+x2 dx=

∫ ∞

−∞

eiαx

1+x2 dx25.9= 2π i ·Res

(eiαz

1+z2 , i

)

= 2π ie−α

2i= πe−α (α > 0)

⇒∫ ∞

−∞

cosαx1+x2 = πe−|α|

für α ∈ R,α 6= 0.

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b) Seic > 0, f (z) := 1z−ic (z 6= ic).

25.9⇒∫ ∞

−∞

eiαx

x− icdx= 2π i ·Res

(eiαz

z− ic, ic

)

= 2π ie−αc (α > 0)

Nach 25.9 ist

∫ ∞

−∞

eiαx

x− icdx= 0,

falls c < 0 (dann gibt es keine isolierte Singularität inH).

⇒∫ ∞

−∞

eiαx

x− icdx=

2π ie−αc, falls α > 0,c > 0

−2π ie−αc, falls α < 0,c < 0

0 sonst

Hieraus ergeben sich zahlreiche spezielle Integrale, z. B.: Fürα > 0,c > 0ist

2π ie−αc =∫ ∞

−∞eiαx

(1

x− ic+

1x+ ic

)

dx= 2∫ ∞

−∞

xx2 +c2eiαxdx

⇒∫ ∞

−∞

xx2 +c2 sinαxdx= πe−αc (α > 0,c > 0) (25.4)

Für c > 0,α > 0 ist weiter

2π ie−αc =∫ ∞

−∞eiαx

(1

x− ic− 1

x+ ic

)

dx=∫ ∞

−∞

eiαx

x2 +c2 dx

⇒∫ ∞

−∞

cosαxx2 +c2 dx=

πc

e−αc (α > 0,c > 0) (25.5)

∫ ∞

−∞

eiαx

x2 +c2 dx=π|c|e

−|αc|

für α ∈R,c 6= 0. (FOURIER-Transformierte bzw.charakteristische Funktionder CAUCHY-Verteilung). (25.4),(25.5) heißen LAPLACEsche1 Integrale.

1benannt nach PIERRE-SIMON LAPLACE, 23.3.1749–5.3.1827, französischer Mathematiker.Sein Vater wurde wohlhabend mit dem Cidre-Handel. Er selbst war zeitweise Innenminister unterNapoléon Bonaparte und erwarb sich große Verdienste besonders umdie statistische Mathematik.

150

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γ1γ2

γ3

γ4↽

R

ε

Abbildung 25.2: Situation in 25.11

25.11 SatzDie Funktion f sei holomorph inC bis auf endlich viele isolierte Sin-gularitäten, und in]0,∞[ liege keine Singularität von f . Ferner seiα ∈ C\Z, undes geltelim|z|→∞ |z|Reα+1 | f (z)| = 0, lim|z|→∞ |z|Reα+1+δ | f (z)| = 0 für ein δ > 0.Dann konvergiert das folgende uneigentlicheRIEMANN -Integral, und es gilt:

∫ ∞

0xα f (x) dx=

2π i1−e2π iα ∑

w∈C\[0,∞[

Res(eαLogz f (z) ,w

),

wobei

Log: C\ [0,∞[ → C, Log(z) := log|z|+ iϕ, (0 < ϕ < 2π) ,

xα := exp(α · logx) mit dem reellen Logarithmus für x> 0.

Beweis Wegen lim|z|→∞ |z|Reα+1 | f (z)|= 0 hat f in 0 höchstens einen Pol der Ord-nung m < Reα + 1. ⇒ |xα f (x)| ≤ C1xReα−m für alle x ∈ ]0,ε1[, wobei ε1 > 0,Reα −m> −1.⇒ Das Integral konvergiert bei 0 absolut.lim|z|→∞ |z|Reα+1+δ | f (z)| = 0⇒ |xα f (x)| ≤ c2

x1+δ für alle x≥ R1(> 0). ⇒ Das In-tegral konvergiert auch im Unendlichen absolut. Sei nunγ := γ1⊤ . . .⊤γ4, R> 0 sogroß,ε > 0 so klein, dass alle Singularitäten vonf mit Ausnahme evtl. von 0 ganzim Inneren vonγ liegen.

⇒∫

γeαLogz f (z) dz= 2π iS, S= ∑

w∈C\[0,∞[wSing. von f

Res(eαLogz f (z) ,w

)

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Hier ist∣∣eαLogz

∣∣ = eReαLogz.

= eα log|z|−bϕ ≤ e2π|α| |z|Reα ,

wobeiα = a+ ib.

⇒∣∣∣∣

γ4

eαLogz f (z) dz

∣∣∣∣≤ πε max

|z|=εe2π|α| |z|Reα | f (z)| ε→0−−→ 0

nach Voraussetzung.∣∣∣∣

γ1

eαLogz f (z) dz

∣∣∣∣

ε→+0−−−→∫ R

0xα f (x) dx (maximale Konvergenz)

∣∣∣∣

γ3

eαLogz f (z) dz

∣∣∣∣

ε→+0−−−→−∫ R

0eα(logx+2π i) f (x) dx

= −e2π iα∫ R

0xα f (x) dx

ε → +0⇒(1−e2π iα)

∫ R

0xα f (x) dx+

∂KR(0)eαLogz f (z) dz= 2π iS

Hier gilt:∣∣∣∣

∂KR(0)eαLogz f (z) dz

∣∣∣∣≤ 2πRmax

|z|=R

(

22π|α| |z|Reα | f (z)|)

R→∞−−−→ 0

nach Voraussetzung. GrenzübergangR→ ∞ liefert dann die Behauptung. 2

25.12 BeispielSeiα ∈ C, 0< Reα < 1.25.11⇒ mit α 7→ α −1:

∫ ∞

0

xα−1

1+xdx=

2π i1−e2π iα Res

(

e(α−1)Logz 11+z

,−1

)

=2π i

1−e2π iα e(α−1)π i =π

sinπα

Substitution 11+x = t (∈ ]0,1[) liefert:

∫ ∞

0

xα−1

1+xdx=

∫ 1

0(1− t)α−1 t(1−α)−1dt = B(α,1−α)

=Γ(α)Γ(1−α)

Γ(1)= Γ(α)Γ(1−α)

Ergebnis:Γ(z)Γ(1−z) = πsinπz für 0 < Rez< 1 (später: mittels analytischer Fort-

setzung für allez∈ C\Z)

152

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Kapitel 26

Meromorphe Funktionen,funktionentheoretischeAnwendungen des Residuensatzes

26.1 Definition (meromorphe Funktionen) SeiD ⊂ C offen,M ⊂ D diskret undrelativD abgeschlossen,f : D\M → C holomorph.

a) f heißtmeromorphin D :⇔ f hat in den Punktena∈ M Pole oder hebbareSingularitäten (aber keine wesentlichen Singularitäten).

b) Ist f meromorph inD mit LAURENT-Entwicklung ina∈ D

f (z) =∞

∑k=n

ak (z−a)k (0 < |z−a| < ρ,Kρ (a)\{a} ⊂ D,an 6= 0,n∈ Z

),

so heißt ord( f ,a) := n die Ordnung vonf in a. Dabei f 6≡ 0.

26.2 Folgerung a) Sindg,h: D → C holomorph,h 6≡ 0 auf jeder Zusammen-hangskomponente vonD, M := {z∈ D,h(z) = 0}, so gilt: f := g

h : D\M →C ist meromorph. Ein nicht-trivialer Satz aus der Funktionentheorie II be-sagt: f meromorph inD ⇒∃ holomorphe Funktioneng,h: D → C, f = g

h.

b) ord( f ,a) = n heißt:

n > 0 f ist in a holomorph (erklärbar) mit einer Nullstelle der Ordnungn ina.

n = 0 f ist in a holomorph (erklärbar) mitf (a) 6= 0.

n < 0 f hat ina einen Pol der Ordnung|n| = −n.

c) Seienf ,g meromorph inD, f 6= 0 6= g auf jeder Zusammenhangskomponen-te vonD, a∈ D.

153

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(i) ord( f ·g,a) = ord( f ,a)+ord(g,a)

(ii) ord( f +g,a)≥min{ord( f ,a) ,ord(g,a)}, falls f +g 6≡ 0 in einer Um-gebung vona.ord( f +g,a) = min{ord( f ,a) ,ord(g,a)}, falls ord( f ,a) 6= ord(g,a).Zum Beweis benutze man die LAURENT-Entwicklung uma.

26.3 SatzFür jedes Gebiet G6= /0 ist Mer(G) := { f : G→ C, f meromorph inG}bei punktweise Verknüpfung auf natürliche Weise (hebbare Singularitäten sind zubeheben) ein Körper.

Beweis trivial 2

Bemerkung In 26.3 sind die hebbaren Singularitäten zu beheben, d. h. z. B. dasProduktz· 1

z (∈ M (C)) ist als die auf ganzC definierte konstante Funktion 1 auf-zufassen.

26.4 SatzSei f meromorph in D, a∈ D, ord( f ,a) 6= 0, d. h. f habe in a eine

Nullstelle oder einen Pol. Dann hatf′

f in a einen Pol 1. Ordnung mitRes(

f ′

f ,a)

=

ord( f ,a).Beispiel:Res(cotz,0) = ord(sinz,0) = 1.

Beweis Sei m := ord( f ,a). Es gibt einρ > 0 und eine aufKρ (a) holomorpheFunktiong: Kρ (a) → C mit folgenden Eigenschaften:

a) f (z) = (z−a)mg(z) (0 < |z−a| < ρ)

b) g ist aufKρ (a) nullstellenfrei.

⇒ Für allez∈ Kρ (a) ist

f ′

f(z) =

mz−a

+g′

g(z)

︸ ︷︷ ︸

hol. in Kρ (a)

⇒ mz−a ist der Hauptteil der LAURENT-Entwicklung.⇒ Behauptung 2

26.5 SatzSeien G⊂C ein Gebiet, w∈C fest, f meromorph in G, f6≡w, g: G→Cholomorph, P:=

{

z∈ G, 1f (z) = 0

}

, W := {z∈ G, f (z) = w}. Dann gilt für jeden

bzgl. G nullhomotopen Wegγ in G (und für jeden nullhomologen Zyklusγ in G mit[γ]∩ (W∪P) = /0):

12π i

γg(z)

f ′ (z)f (z)−w

dz= ∑c∈W∪P

n(γ,c)g(c)ord( f −w,c)

Die Summe hat dabei nur endlich viele von 0 verschiedene Terme.

154

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Beweis (zunächstW,P endlich, später ist das überflüssig) Der Integrand ist holo-morph aufG\ (W∪P) und für allec∈ (W∪P) gilt:

Res

(

g(z)f ′ (z)

f (z)−w,c

)

= g(c) ·ord( f −w,c)

nach 26.4 und 25.6. Dabei ist

ord( f (·)−w,c) =

{

Nullstellenordnung vonf −w in c falls f (c) = w

Ordnung vonf in c falls 1f (c) = 0

Der Residuensatz (25.4) liefert dann die Behauptung. 2

26.6 Korollar (Spezialfälle) a) γ = ∂Kr (a), Kr (a)⊂G, (P∪W)∩RdKr (a) =/0.

⇒ 12π i

∂Kr (a)g(z)

f ′ (z)f (z)−w

dz

= ∑c∈Kr (a)∩W

ord( f (·)−w,c)g(c)+ ∑c∈Kr (a)∩P

ord( f (·) ,c)︸ ︷︷ ︸

<0!

g(c)

b) wie a),g = 1:

12π i

∂Kr (a)

f ′ (z)f (z)−w

dz

=(Anzahl derw-Stellen von f in Kr (a))-(Anzahl der Polstellen vonf inKr (a)), wobei die jeweiligen Anzahlen nach Vielfachheiten zu zählen sind.

c) wie b) mitw = 0:

12π i

∂Kr (a)

f ′

f(z) dz

=(Anzahl der Nullstellen vonf in Kr (a))-(Anzahl der Polstellen vonf inKr (a)). (Argumentprinzipoder „nullstellenzählendes Integral“)

26.7 Anwendung (4. Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra)(mit Argument-prinzip)

Beweis Sei p(z) = a0 + a1z+ . . .+ anzn, n ∈ N, an 6= 0 eine nicht-konstante Po-lynomfunktion. SeiR > 0 so groß, dass|p(z)| ≥ 1 für |z| ≥ R. ⇒ p′

p ist in A :={z∈ C,R< |z| < ∞} holomorph, hat also eine LAURENT-Entwicklung folgenderArt:

p′ (z)p(z)

=nanzn−1 + . . .+a1

anzn + . . .+a0

|z|→∞−−−→ 0,

155

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ist also= f2(z) in der LAURENT-Trennung und liefert daher eine LAURENT-Reihefolgenden Typs:

−1

∑k=−∞

ckzk =

nz

+−2

∑k=−∞

ckzk,

dennc−1 = lim|z|→∞z·p′(z)p(z) = n.

⇒ 12π i

KR+1(0)

p′ (z)p(z)

dz=1

2π i

∂KR+1(0)

nz

dz= n

=Anzahl der Nullstellen vonp in KR+1(0) nach 26.6 c) und damit =Anzahl derNullstellen inC. 2

26.8 Satz (Lokale Umkehrfunktion einer injektiven holomorphen Funktion) SeienD ⊂ C offen, f: D → C holomorph und injektiv, f−1 : f (D) → D die zugehörigeUmkehrfunktion. Dann gilt: Ist a∈ D, R> 0, KR(a) ⊂ D und w∈ f (KR(a)), so ist

f−1(w) =1

2π i

∂KR(a)

z· f ′ (z)f (z)−w

dz.

Bemerkung Aus dieser Formel ergibt sich erneut die Holomorphie vonf−1 (vgl.Korollar 16.11)

Beweis 26.5 mitg(z) = z

⇒ 12π i

∂KR(a)

z· f ′ (z)f (z)−w

dz

=(eindeutig bestimmte) Nullstelle vonf (·)−w in KR(a) = f−1(w). 2

26.9 Satz (ROUCHÉ) benannt nachEUGÈNEROUCHÉ, 18.8.1832–19.8.1910, fran-zösischer Mathematiker. Den vorliegenden Satz publizierte er erstmalig imJournald’École Polytechnique39 von 1862.Es seien f,g meromorph im Gebiet G,KR(a) ⊂ G, und es gelte:

1.) AufRdKR(a) liegen keine Pole von f oder g,

2.) | f (z)−g(z)|< |g(z)| für alle z∈RdKR(a). Dann liegen automatisch aufRdKR(a)keine Nullstellen von f oder g.

Dann gilt: NR,a( f )− PR,a( f ) = NR,a(g)− PR,a(g), wobei NR,a( f ) =Anzahl derNullstellen von f in KR(a), PR,a( f ) =Anzahl der Pole von f in KR(a) sei (ge-zählt nach Vielfachheit). Speziell: Sind f,g holomorph inKR(a), so gilt: NR,a( f ) =NR,a(g).

156

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Beweis 1.) und 2.)

⇒∀z∈ C, |z−a| = R

∣∣∣∣

f (z)−g(z)g(z)

∣∣∣∣< 1

⇒∃R1 < R< R2 ∀z, R1 < |z−a| < R2

∣∣∣∣

f (z)g(z)

−1

∣∣∣∣< 1

⇒ Für R1 < |z−a| < R2 ist log(

fg

)

sinnvoll und eine Stammfunktion von( f

g)′

fg

.

⇒ 0 =1

2π i

∂KR(a)

(fg

)′

fg

dz=1

2π i

∂KR(a)

(f ′

f− g′

g

)

dz

26.6 c)= (NR,a( f )−PR,a( f ))− (NR,a(g)−PR,a(g)) 2

Bemerkung Der Satz von ROUCHÉ gilt sinngemäß auch für andere einfach ge-schlossene Wege.

26.10 Anwendung (5. Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra)(mit dem Satzvon ROUCHÉ)

Beweis Sei p(z) = a0 + a1z+ . . .+ anzn, n≥ 1, an 6= 0. 26.9 mit f := p, g(z) :=

anzn. ⇒ 1.) und 2.) sind für hinreichend großesR erfüllt.26.9⇒ f ,g haben inKR(0)

die gleiche Anzahl von Nullstellen.g hat genaun Nullstellen inKR(0). ⇒ p hatgenaun Nullstellen. 2

26.11 Beispiele a) Nullstellen des Polynomsf (z) = z5 +8z+3

(i) g(z) := 8zFür |z| = 1 ist

| f (z)−g(z)| =∣∣z5 +3

∣∣ ≤ 4 < 8 = |g(z)|

⇒ f hat inK1(0) ebenso viele Nullstellen wirg, nämlich genau eine.Diese ist reell und lieg in

]−1

2,−14

[.

(ii) g1(z) := z5. Für |z| = 2 ist

| f (z)−g(z)| = |8z+3| ≤ 19< 32= |g1(z)|26.9⇒ f ,g1 haben inK2(0) gleich viele Nullstellen, also genau 5.f hat in{z∈ C,1 < |z| < 2} genau 4 Nullstellen.

b) f (z) := ez−3z, g(z) := −3z. ⇒ Für |z| = 1 ist

| f (z)−g(z)| = |ez| = ex ≤ e< 3 = |g(z)|

⇒ f hat inK1(0) genau eine Nullstelle. Diese ist positiv und liegt in]

12,1

[.

157

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26.12 Satz (HURWITZ ) benannt nachADOLF HURWITZ, 26.3.1859–18.11.1919,deutscher Mathematiker, Freund vonDAVID HILBERT undHERMANN M INKOWK -SI, Nachfolger vonFERDINAND GEORG FROBENIUS am Eidgenössischen Poly-technikumin Zürich.Sei fn : G→C (n≥ 1) eine Folge von im Gebiet G holomorphen Funktionen, dieauf G kompakt gleichmäßig gegen die (holomorphe) Funktion f konvergiere. Fer-ner sei f 6≡ 0 in G, a∈G, R> 0, KR(a)⊂G und f(z) 6= 0 für alle z mit|z−a|= R.Dann gibt es ein N∈ N, so dass für alle n≥ N die Funktionen f und fn in KR(a)gleich viele Nullstellen haben.

Beweis Seiε := min{| f (z)| , |z−a| = R} > 0 und

∃N ∈ N ∀n≥ N,x∈ RdKR(a) | fn(z)− f (z)| < ε ≤ | f (z)|

⇒ Für n ≥ N erfüllen fn und f die Voraussetzungen des Satzes von ROUCHÉ

(26.9).⇒ Behauptung. 2

26.13 Korollar Es sei fn : G→ C (n≥ 1) eine Folge von im GebietG 6= /0 ho-lomorphen und injektiven Funktionen, die kompakt gleichmäßig gegenf : G→ Ckonvergiere. Dann ist entwederf konstant, oderf ist injektiv.

Beweis Sei f nicht konstant inG und a ∈ G. ⇒ Die Folge( fn(cot)− fn(a))n≥1konvergiert aufG kompakt gleichmäßig gegenf (·)− f (a) und f (·)− f (a) 6≡ 0auf G. Da fn(·)− fn(a) auf G\ {a} nullstellenfrei ist, ist nach 26.12 auchf (·)−f (a) auf G\ {a} nullstellenfrei.⇒ Für allez∈ G\ {a} ist f (z) 6= f (a). ⇒ f istinjektiv. 2

158

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Kapitel 27

Partialbruchentwicklung desCotangens, Sinusprodukt und dieReihen∑∞

n=11

n2k (k∈ N)

27.1 SatzEs sei f inC bis auf endlich viele isolierte Singularitäten a1, . . . ,am ∈C\Z holomorph, und es gelte

∂KN+ 1

2(0)

f (z)cotπzN→∞−−−→ 0.

Dann gilt:

limN→∞

N

∑k=−N

f (k) = −m

∑k=1

Res((π cotπz) f (z) ,ak)

Beweis Für allek∈ Z gilt:

Res((π cotπz) f (z) ,k) = f (k) .

SeiN ∈ N so groß, dass∣∣a j

∣∣ < N für alle j = 1, . . . ,m.

⇒ 12π i

∂KN+ 1

2(0)

(π cotπz) f (z) dz

︸ ︷︷ ︸

N→∞−−−→0

=N

∑k=−N

Res((π cotπz) f (z) ,k)︸ ︷︷ ︸

= f (k)

+m

∑j=1

Res((π cotπz) f (z) ,a j)

2

⇒ Behauptung.

159

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27.2 Korollar Sei f (z) = p(z)q(z) eine rationale Funktion ohne Pole inZ, dabeip 6≡

0 6≡ q Polynomfunktionen mit gradp+1≤ gradq. a1, . . . ,am seien die verschiede-nen Nullstellen vonq. Dann existiert limN→∞ ∑|k|≤N f (k), aber∑∞

k=−∞ f (k) brauchtnicht zu konvergieren, und es gilt:

limN→∞ ∑

|k|≤N

f (k) = −m

∑k=1

Res((π cotπz) f (z) ,ak) .

Ist gradq≥ gradp+2, so konvergiert∑∞k=−∞ f (k) absolut, und es ist

∑k=−∞

f (k) = −m

∑k=1

Res((π cotπz) f (z) ,ak) .

Beweis Es seien∣∣a j

∣∣ < Rfür j = 1, . . . ,m. Dann istf holomorph inA := {z∈ C,R< |z−a| < ∞},

und es gilt: f (z)|z|→∞−−−→ 0 wegen gradq ≥ gradp+ 1. Im Sinne von 23.1 istf =

f1 + f2, f1 = 0, f2 = f die zugehörige Zerlegung vonf . ⇒ f hat in A die LAU-RENT-Reihe

f (z) =∞

∑k=1

ak

zk (|z| > R) (vgl. 23.3) .

Sei zunächsta1 = 0.

⇒∃C1 ∀z, |z| > R+1 | f (z)| ≤ C1

|z|2. (27.1)

⇒ Für N ≥ R+1 ist∣∣∣∣∣

∂KN+ 1

2(0)

f (z)cotπzdz

∣∣∣∣∣≤ 2π

(

N+12

)C1

(N+ 1

2

)2C2N→∞−−−→ 0.

Dabei istC2 := sup{

|cotπz| ,z∈ C\⋃

n∈Z K 110

(n)}

< ∞, denn cotπz ist periodisch

modulo 1 und konvergiert für Imz→ ∞ gegen−il, für Imz→ −∞ gegeni, und

zwar gleichmäßig bzgl. Rez.(27.1)⇒ ∑∞

k−∞ f (k) konvergiert absolut, und 27.1 liefertdie Behauptung.Im Fallea1 6= 0 teilen wir den Terma1

z von der LAURENT-Reihe ab, und es bleibtzu zeigen:

(i)∫

∂KN+ 1

2(0)

π cotπzz

dzN→∞−−−→ 0,

(ii) limN→∞

N

∑k=−Nk6=0

1k

existiert, aber die entsprechende Reihe konvergiert nicht.

160

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Begründung: (ii) ist trivial, denn die Summen sind alle= 0. (i): Wir berechnen dasIntegral mit dem Residuensatz (23.4):

Res

(π cotπz

z,0

)

= 0,

denn die Funktion ist gerade,

Res

(π cotπz

z,k

)

=1k

(k∈ Z\{0}) .

⇒∫

∂KN+ 1

2(0)

π cotπzz

dz= 2π i · Residuensumme= 0.

⇒ Behauptung. 2

27.3 Satz (Partialbruchentwicklungen) vonπ cotπz,π tanπz, πsinπz,

πcosπz.

a) Für alle z∈ C\Z ist

π cotπz = limN→∞

N

∑k=−N

1z+k

=1z

+∞

∑n=−∞

(1

z+n− 1

n

)

=1z

+∞

∑n=1

2zz2−n2

b) Für alle z∈ C\{

k+ 12,k∈ Z

}ist

π tanπz= − limN→∞

N

∑k=−N

1

z+ 12 +k

=∞

∑k=0

8z

(2k+1)2−4z2

c) Für alle z∈ C\Z ist

πsinπz

=∞

∑k=−∞

(−1)k

z+k=

1z

+∞

∑k=1

(−1)k 2zz2−k2

d) Für alle z∈ C\{

k+ 12,k∈ Z

}ist

πcosπz

=∞

∑k=−∞

(−1)k

z+ 12 +k

=∞

∑k=0

(−1)k 2z+1(k+ 1

2

)2−z2

Beweis a) 27.2 mit

f (ζ ) :=1

z−ζ(ζ ∈ C\{z} , z∈ C fest)

⇒ limN→∞ ∑

|k|≤N

1z−k

= −Res

(π cotπζ

z−ζ,ζ = z

)

= π cotπz.

⇒ a).

161

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b) cotπ(z+ 1

2

)= − tanπz. ⇒ man braucht in a) nurz 7→ z+ 1

2 zu ersetzen.

⇒ π tanπz= − limN→∞

N

∑k=−N

1

z+ 12 +k

= − limN→∞

N

∑k=0

(2

2z−2k+1+

22z− (2+k1)

)

=∞

∑k=0

8z(k+ 1

2

)2−4z2

c)π

sinπz= π cotπz+π tan

πz2

.

⇒ πsinπz

= limN→∞

(2N

∑k=−2N

1z+k

+N−1

∑k=−N

2z+2k+1

)

= limN→∞

2N

∑k=−2N

(−1)k 1z+k

=∞

∑k=−∞

(−1)k 1z+k

,

denn die Reihe konvergiert lt. partieller Summation

=1z

+∞

∑k=1

(−1)k 2zz2−k2 ,

dabeiz∈ C\Z.

d)π

cosπz=

πsinπ

(z+ 1

2

) . Ersetze in c)z 7→ z+ 12. ⇒ Behauptung. 2

27.4 Korollarπ2

sin2 πz=

∑k=−∞

(1

z+k

)2

(z∈ C\Z)

π2

cos2 πz=

∑k=−∞

1(z+k+ 1

2

)2

(

z∈ C\{

k+12,k∈ Z

})

Beweis π cotπz=12

+ ∑n∈Z\{0}

(1

z+n− 1

n

)

konvergiert kompakt gleichmäßig auf

C\Z. Damit ist eine Differentiation nach dem Satz von WEIERSTRASS(17.1) er-laubt und liefert:

π2

sin2 πz= ∑

n∈Z

1

(z+n)22

162

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27.5 Korollar∫ ∞

−∞

sin2 tt2 dt = π.

Beweis 27.4⇒ ∑n∈Z

sin2(z+kπ)

(z+kπ)2 = 1. Die gliedweise Integration über[0,π] ist zulässig

und liefert wegen der absoluten Konvergenz des Integrals:

∫ ∞

−∞

sin2 tt2 dt = 1π

2

27.6 Satz (Formeln von EULER ) Für die RIEMANNscheζ -Funktion

ζ (s) :=∞

∑n=1

1ns (Res> 1)

gilt:

ζ (2k) = (−1)k−1 12· (2π)2k B2k

(2k)!(k > 1) ,

alsoζ (2) = π2

6 , ζ (4) = π4

90, ζ (6) = π6

945, ζ (8) = π8

9450, ζ (10) = π10

93555 . . .Dabei Normierung

zez−1

=∞

∑n=0

Bn

n!zn (|z| < 2π) .

Beweis π cotπz=1z

+∞

∑k=−∞

(1

z+n− 1

n

)

(z∈ C\Z)

Hier ist für |z| < 1 undn∈ Z\{0}:

1z+n

− 1n

=1n

(1

1+ zn

−1

)

=∞

∑k=1

(−1)k zk

nk+1 ,

und die Reihe∑n∈Z\{0}(

1z+n − 1

n

)konvergiert aufK1(0) normal. Wegen

∣∣∣∣

1z+n

− 1n

∣∣∣∣=

|z||n| |z+n| ≤

ρ|n| |n−ρ| (n∈ Z\{0} , |z| < ρ ∈ ]0,1[)

liefert der WEIERSTRASSsche Doppelreihensatz (17.4):

πzcotπz= 1+z ∑n∈Z\{0}

(1

z+n− 1

n

)

= 1+∞

∑k=1

(−1)k ∑n∈Z\{0}

1nk+1

︸ ︷︷ ︸

=:δ

zk+1 = 1−2∞

∑m=1

ζ (2m)z2m,

163

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wobeiδ =

{

0 fallsk = 0 mod 2

2ζ (2n) falls k+1 = 2m≥ 2mit m∈ N

23.6=

∑n=0

(−1)n (2π)nB2n

(2n)!z2n

Koeffizienten-Vergleich liefert:

ζ (2n) = (−1)n−1 12· (2π)2nB2n

(2n)!(n≥ 1)

2

Bemerkung APÉRY bewies 1978:ζ (3) ist irrational.

27.7 Korollar Für allen∈ N ist (−1)n−1B2n > 0 (vgl. Bemerkung nach 23.5).

Beweis ζ (2n) > 0.⇒ Behauptung. 2

27.8 Korollar Für allen∈ N ist2

(2π)2n < (−1)n+1 B2n

(2n)!<

4

(2π)2n .

Beweis Für s> 1 ist

1 <∞

∑n=1

1ns < 1+

∫ ∞

1

dxxs = 1+

12−1

⇒ 1 < ζ (2n) < 2 für allen≥ 1. 2

27.9 Folgerung

∣∣∣∣

B2n+2

B2n

∣∣∣∣>

(2n+1)(2n+2)

8π2 (n∈ N)

Beweis27.8⇒

∣∣∣∣

B2n+2

B2n

∣∣∣∣>

(2n+2)!(2n)!

· 2

(2π)2n+2 ·(2π)2n

4=

(2n+1)(2n+2)

8π22

27.10 Satz (Sinusprodukt)nachLEONHARD EULER. Für alle z∈ C gilt:

sinπz= πz·∞

∏n=−∞n6=0

(

1+zn

)

e−zn = πz

∏n=1

(

1− z2

n2

)

Beweis Es gibt einC > 0, so dass für alleζ ∈ C mit |ζ | ≤ 12 gilt:

|log(1+ζ )−ζ | ≤C|ζ | .

SeiR> 0, z∈ C, |z| ≤ R. ⇒ Für allen∈ Z mit |n| ≥ 2R gilt:

∣∣∣log

(

1+zn

)

− zn

∣∣∣ ≤C

∣∣∣∣

r2

n2

∣∣∣∣

164

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⇒ ∑|n|≥2R

(log

(1+ z

n

)e−

zn)

konvergiert normal für|z| ≤ R.

f (z) :=∞

∏n=−∞n6=0

(

1+zn

)

e−zn

:= z

|n|<2Rn6=0

(

1+zn

)

e−zn

exp

(

∑|n|≥2R

(

log(

1+zn

)

− zn

))

ist also holomorph für|z| < R und hängt nicht ab von der Auswahl vonR, ist alsoin ganzC holomorph, und für allez∈ C\Z gilt:

f ′ (z)f (z)

=1z

+∞

∑n=−∞n6=0

(1

z+n− 1

z

)

= π cotπz=ddzsinπz

sinπz

⇒ FürC\Z gilt:

ddz

f (z)sinπz

= 0.

⇒∃c∈ C, sinπz= c· f (z) (z∈ C). Nun gilt:

sinπzz

︸ ︷︷ ︸

z→0−−→π

= c· f (z)z

︸︷︷︸

z→0−−→1

⇒ c = π

⇒ Behauptung. 2

27.11 Korollar (WALLIS sches Produkt) Es ist

π2

= limn→∞

2·2·4·4· . . . ·2n·2n1·3·3·5·5· . . . · (2n−1) · (2n+1)

oder√

π = limn→∞

1√n

n

∏k=1

2k2k−1

Beweis z= 12 in 27.10. 2

27.12 Korollar (Cosinusprodukt) Für allez∈ C gilt:

cosπz=∞

∏n=0

(

1− z2

(n+ 1

2

)2

)

Beweis Für allez∈ C\Z ist

cosπz=sin2πz2sinπz

=2πz∏∞

n=1

(

1− (2z)2

n2

)

2πz∏∞n=1

(

1− (2z)2

(2n)2

) =∞

∏n=0

(

1− (2z)2

(2n+1)2

)

2

165

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Kapitel 28

Die Theta-Transformationsformel

Im folgenden sei stetsH := {z∈ C, Imz> 0}.

28.1 Definition (Thetafunktion) nach CARL GUSTAV JACOB JACOBI, 10.12.1804–18.2.1851. Fürτ ∈ H, z∈ C sei

Θ(z,τ) :=∞

∑n=−∞

eπ iτ(n+z)2

die sog.Theta-Funktion.

28.2 Lemma Die Reihe fürΘ(z,τ) konvergiert normal bzgl.(z,τ) ∈ C×H.

Beweis∣∣∣eπ iτ(n+z)2

∣∣∣ = e−π Im(τ(n+z)2), und für allez∈C,τ = s+ it ∈H (s∈R, t >

0) gilt mit passendemε > 0:

Im(

τ (n+z)2)

= tn2 +2nIm(τz)+ Im(τz2) ≥ εn2,

falls z∈ K,τ ∈ L, wobeiK ein Kompaktum inC, L ein Kompaktum inH seien, fürallen∈ Z mit |n| ≥ N(ε). ⇒ Für alle|n| ≥ N(ε) ist

∣∣∣eπ iτ(n+z)2

∣∣∣ ≤ e−πεn2 ≤ e−πε|n|,

und die Behauptung ist klar. 2

28.3 Satz Θ(z,τ) ist stetig bzgl.(z,τ) ∈ C×H und bei festem z∈ C holomorphbzgl.τ ∈ H und bei festemτ ∈ H eine ganze Funktion von z, und es gilt:

Θ(−z,τ) = Θ(z,τ) ,

Θ(z+1,τ) = Θ(z,τ) ,

Θ(

z− 1τ,τ

)

= eπ iτ −2π izΘ(z,τ) .

166

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Beweis Nur die letzte Gleichung muss begründet werden.

exp

(

π iτ(

n+z− 1τ

)2)

= exp

(

π iτ (n+z)2−2π i (n+z)+π iτ

)

= exp(

π iτ (n+z)2)

exp

(π iτ−2π iz

)

Damit folgt die dritte Funktionalgleichung. 2

28.4 SatzFür jedes festeτ ∈ H ist

Fτ : C → C, Fτ (z) :=Θ

(z+ 1

2,τ)

Θ(z,τ)

meromorph inC und genügt den Funktionalgleichungen

Fτ (z+1) = Fτ (z) , Fτ

(

z− 1τ

)

= Fτ (z) .

Beweis Als nicht-triviale Fourier-Reihe

Θ(z,τ) =

(∞

∑n=−∞

eπ iτn2 ·e2π inτz

)

·eπ iτz2

in der Variablew := τz ist Θ(·,τ) 6≡ 0. Daher istFτ sinnvoll, und der Rest ist klarnach 28.3. 2

28.5 Korollar Für jedes festeτ ∈ H ist

fτ (z) :=Θ

(z+ 1

2,−1τ)

Θ(z,−1

τ)

(beachte:−1τ ∈ H!) eine in ganzC meromorphe doppelt-periodische Funktion mit

den Perioden 1 und 2τ, und f 2τ ist eine in ganzC meromorphe doppelt-periodische

Funktion mit den Perioden 1 undτ.

Beweis 28.4 2

28.6 Satz (Fourier-Entwicklung der Theta-Funktion) Für z∈ C,τ ∈ H ist

Θ(z,τ) =1

√ τi

∑k=−∞

e−π ik2

τ +2π ikz

mit dem Hauptwert der Quadratwurzel.

167

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Beweis Da bei festemzalles holomorph ist bzgl.τ ∈H, genügt der Beweis für denSpezialfallτ = it (t > 0) nach dem Identitätssatz. Dann wird nach 23.9 (z0 := 0)

Θ(z, it ) =∞

∑k=−∞

ak (t)e2π ikz

mit

ak (t) =∫ 1

0Θ(x, it )e−2π ikxdx=

∑n=−∞

∫ 1

0e−πt(n+x)2−2π ik(x+n) dx

wegen der normalen Konvergenz. Beachte:e2π ikx = e2π ik(x+n)!

=∫ ∞

−∞e−πtx2−2π ikxdx

=∫ ∞

−∞e−πt(x+ ik

t )2

dx·e− πk2t .

Wir wenden den Cauchyschen Integralsatz an auf das Rechteckγ (−A,B,B+ikt ,−A+ ik

t ):

⇒∫ B

−Ae−πt(x+ ik

t )2

dx=∫ B

−Ae−πtx2

dx+∫ B+ ik

t

Be−πtz2

dz+∫ −A

−A+ ikt

e−πtz2dz

Fürz= B+ is, 0≤ |s| ≤∣∣ k

t

∣∣, s∈ R, ist

∣∣∣e−πtz2

∣∣∣ = e−πt Re(B2+2isB−s2) ≤ e

πk2t ·e−πtB2

⇒∫ B+ ik

t

Be−πtz2

dzB→∞−−−→ 0,

ebenso∫ −A

−A+ ikt

e−πtz2dz

A→∞−−−→ 0.

⇒∫ ∞

−∞e−πt(x+ ik

t )2

dx=∫ ∞

−∞e−πtx2

dx

⇒ ak (t) =∫ ∞

−∞e−πtx2

dx·e− πk2t =

1√πt

e−πk2

t I (k∈ Z)

mit I :=∫ ∞−∞ e−x2

dx.

⇒ Θ(z, it ) =I√πt

∑k=−∞

e−πk2

t ·e2π ikz (z∈ C)

Wir wählenz := 0 und haben für allet > 0:

Θ(0, it ) =∞

∑n=−∞

e−πn2t Fourier=

I√πt

∑k=−∞

e−πk2

t .

168

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Nochmalige Anwendung dieser Formel auf die rechte Seite liefert:

=I√πt

· I√

π 1t

∑k=−∞

e−πk2t .

⇒ I2

π = 1. I ≥ 0⇒ I =√

π.

⇒ Θ(z, it ) =1√t

∑k=−∞

e−ik2t ·e2π ikz.

Das liefert die Behauptung. 2

28.7 Satz (Theta-Transformationsformel)nachCARL GUSTAV JACOB JACOBI,1829. Für z∈ C,τ ∈ H gilt:

Θ(z,τ) =eπ iτz2

√ τi

Θ(

τz,−1τ

)

Beweis

28.6⇒ Θ(z,τ) =1

√ τi

∑k=−∞

e−π ik2

t +2π ikz

=1

√ τi

∑k=−∞

eπ i(− 1τ )(τz−k)2

·eπ iτz2

=eπ iτz2

√ τi

Θ(

τz,−1τ

)

2

28.8 Satz (Theta-Transformationsformel)nachCARL GUSTAV JACOB JACOBI,1829. Die Funktionϑ : H → C, ϑ (τ) := ∑∞

n=−∞ eπ in2τ ist holomorph inH undgenügt den Funktionalgleichungen:

ϑ (τ +2) = ϑ (τ) , ϑ(

−1τ

)

= e−π i4√

τϑ (τ) (τ ∈ H)

Beweis ϑ (τ) = Θ(0,τ) und 28.7. 2

169

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Kapitel 29

Das Reziprozitätsgesetz für dieGaußschen Summen

29.1 SatznachAUGUSTIN LOUIS CAUCHY undLEOPOLDKRONECKER, 7.12.1823–29.12.1891. Es seien a,b∈ N, r ∈ Q und ab+2ar ≡ 0 mod 2. Dann gilt:

1√b

b

∑ν=1

eπ i ab(ν+r)2

= eπ i4

1√a

a

∑ν=1

e−π i abν2+2π iνr

Beweis Wir analysieren das Verhalten beider Seiten der Gleichung aus 28.6:

∑n=−∞

eπ iτ(n+z)2=

1√ τ

i

∑n=−∞

e−π ik2

τ +2π ikz (29.1)

für τ = ab + iε, ε > 0, ε → +0, z= r.

Verhalten der linken Seite Zu untersuchen ist

∑n=−∞

eπ i ab(n+r)2 ·e−πε(n+r)2

Hier ist der erste Faktor nach Voraussetzung bzgl.n periodisch modulob:

ab

(n+ r +b)2 =ab

(n+ r)2 +2a(n+ r)+ab︸ ︷︷ ︸

≡0 mod 2

≡ ab

(n+ r)2 mod 2

Daher Summation über die Restklassen modulob: n := kb+ ν , ν modb,

170

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k∈ Z.

√ε ·

∑n=−∞

eπ iτ(n+z)2=√

εb

∑ν=1

eπ i ab(ν+r)2

∑k=−∞

e−πεb2(k+ r+νb )

2

︸ ︷︷ ︸

Θ-Reihe, wende (29.1) an mitτ=iεb2

=b

∑ν=1

eπ i ab(ν+r)2

√ε√

εb2

∑k=−∞

e−π k2

εb2 +2π ik r+νb

︸ ︷︷ ︸

ε→+0−−−→1 wg. glm. Kvgz. bzgl.ε

ε→+0−−−→ 1b

b

∑ν=1

eπ i ab(ν+r)2

Die gleichmäßige Konvergenz erhält man mit dem Majorantentest auf]0,1].

Verhalten der rechten Seite τ = ab + iε. Damit gilt:

−1τ

= − 1ab + iε

= −ba

1+ i baε

= −ba

︸︷︷︸

∈R

+ ib2

a2 ε1+ i b

aε︸ ︷︷ ︸

∈H√

τi

=1

ε − i ab

ε→+0−−−→ eπ i4

ba

√ε

1√ τ

i

∑k=−∞

e−π ik2

τ +2π ikz

√τi

=√

ε∞

∑n=−∞

e−π i n2τ +2π inz

=√

ε∞

∑n=−∞

exp

(

−π in2ba

+2π inr −π b2

a2 ε1+ i b

aεn2

)

Hier gilt bei Ersetzungn 7→ n+a:

−ba

(n+a)2 +2(n+a) r = −ba

n2 +2nr−2nb−ab+2ar︸ ︷︷ ︸

≡0 mod 2

≡−ba

n2 +2ar mod 2

171

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n = k+aν , k∈ Z, ν moda

=√

εa

∑ν=1

e−π i baν2+2π iνr

∑k=−∞

exp

(

−πb2ε

1+ i baε

(

k+νa

)2)

︸ ︷︷ ︸

Θ−Reihe, wende wiederum (29.1) an.

=a

∑ν=1

e−π baν2+2π iνr

√ε

√b2ε

1+i baε

︸ ︷︷ ︸

ε→+0−−−→ 1b

∑k=−∞

exp

(

−πk2

b2ε− π ik2

ab+2π i

νa

k

)

︸ ︷︷ ︸

ε→+0−−−→1

ε→+0−−−→ 1b

a

∑ν=1

e−π i baν2+2π iνr

Zusammenfassung:

1b

b

∑ν=1

eπ i ab(ν+r)2

= eπ i4

ba

︸ ︷︷ ︸

= 1√τi

1b

a

∑ν=1

e−π i baν2+2π iνr

⇒ Behauptung. 2

29.2 Korollar Für allea,b∈ N gilt:

1√b

b

∑ν=1

eπ i abν2+π iaν = e

π i4 (1−ab) 1√

a

a

∑ν=1

e−π i baν2−π ibν

Beweis 29.1 mitr = b2. exp

(π i4 ab

)wird auf die rechte Seite gebracht, und auf der

rechten Seite wird im Exponenten 2π ibν subtrahiert. 2

29.3 Definition (Gaußsche Summen)Für a∈ Z, b∈ N heißt

G(a,b) :=1√b

b

∑ν=1

e2π i abν2

eineGaußsche Summe.

29.4 Satz (Reziprozitätsgesetz für die Gaußschen Summen)nachAUGUSTIN LOUIS

CAUCHY, 1840. Für alle a,b∈ N gilt:

G(a,b) =1√b

b

∑ν=1

e2π i abν2

= eπ i4

1√2a

2a

∑ν=1

e−2π i b4aν2

= eπ i4

1√2·G(−b,4a) =

1+ i2

G(−b,4a) =1

1− iG(−b,4a)

172

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Beweis Wir setzen in 29.1a 7→ 2a, r = 0. Dann ist die Voraussetzung in 29.1erfüllt, und es gilt:

1√b

b

∑ν=1

e2π i abν2

= eπ i4

1√2a

2a

∑ν=1

e−2π i b4aν2

Das ist die erste Gleichung. Weiter ist

e−2π i b4a(ν+2a)2

= e−2π i b4aν2−2π iνb−2π iab = e−2π i b

4aν2(29.2)

⇒ G(−b,4a) =1√4a

4a

∑ν=1

e−2π i b4aν2 (29.2)

=1√a

2a

∑ν=1

e−2π i b4aν2

.

⇒ Behauptung. 2

29.5 Korollar nach CARL FRIEDRICH GAUSS. Für allen∈ N ist

∑ν modn

e2π i ν2n =

1+(−i)n

1− i

√n =

(1+ i)√

n für n≡ 0 mod 4√n für n≡ 1 mod 4

0 für n≡ 2 mod 4i√

n für n≡ 3 mod 4

Beweis Nach dem Beweis zu 29.4 ist füra = 1, b = n

G(1,n) =e

π i4

√2

︸︷︷︸

= 11−i

1

∑ν=0

e−π i2 nν2

=1+(−i)n

1− i

Mit dem Faktor√

n aus 29.3 folgt die Behauptung. 2

Bemerkung Mit diesen Werten der Gaußschen Summe kann man das quadrati-sche Reziprozitätsgesetz der elementaren Zahlentheorie beweisen.

173

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Teil VI

Der Weierstraßsche Produktsatz

174

Page 175: Funktionentheorie - Münsterj-engel/Mathe/FT.pdf · 2004-04-08 · Ist f in z0 komplex differenzierbar, so ist notwendig g(z0) = f′(z0), und es kann U =D gewählt werden. Bemerkung

Sei f : C → C eine nicht-konstante ganze Funktion. Dann hatf höchstens ab-zählbar viele Nullstellen, die sich nirgends häufen, und die wir uns nach wachsen-den Beträgen abgezählt denken können:

|z1| ≤ |z2| ≤ . . . ≤ |zn| n→∞−−−→ ∞,

falls überhaupt unendlich viele Nullstellen existieren. Jedeszj hat eine gewisseVielfachheitmj := ord( f ,zj) ∈ N.Frage: Gibt es zu jeder beliebiegen vorgegebenen Folge verschiedener zj ∈ C mit∣∣zj

∣∣

j→∞−−−→ ∞ und zu jeder Folge(mj) natürlicher Zahlen stets eine ganze Funktionf : C → C, so dassf genau die vorgegebenenzj als Nullstellen hat, und zwargenau mit den vorgegebenenmj als Vielfachheiten: ord( f ,zj) = mj ( j ≥ 1)?Antwort: Ja.Idee: Wenn nur endliche vielezj ,mj vorgegeben sind, leistet

f (z) :=k

∏j=1

(z−zj)mj

das Verlangte.Beweisidee: Passende Konvergenztheorie für unendliche Produkte entwickeln.

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Kapitel 30

Unendliche Produkte

Ein unendliches Produkt sieht formal so aus:∞

∏k=1

ck (ck ∈ C,k≥ 1)

aufzufassen als Abkürzung für die Folge der Partialproduktepn := ∏nj=1c j .

30.1 Definition (Produktkonvergenz) Ein Produkt∏∞n=1cn heißt konvergent ge-

nau dann, wenn es

(i) ein q∈ N gibt, so dasscn 6= 0 für allen≥ q, und wenn

(ii) die Folge(

∏nk=qck

)

n≥qgegen einen von 0 verschiedenen Grenzwert konver-

giert.

Dabei folgt (i) aus (ii). Ist dieses Produkt konvergent, so heißt

q−1

∏k=1

ck · limn→∞

n

∏k=q

ck =:∞

∏n=1

cn

derWertdes unendlichen Produkts.

Bemerkung (zu (ii)) Dies ist eine echte Einschränkung: Gilt z. B. 0< |cn| ≤ ε <1 (n∈ N), so gilt

∣∣∣∣∣

n

∏k=1

ck

∣∣∣∣∣≤ εn n→∞−−−→ 0.

⇒ ∏∞k=1ck divergiert (gegen 0).

30.2 SatzSei∏∞n=1cn ein konvergentes unendliches Produkt. Dann gilt:

∏n=1

cn = 0 ⇔ ∃k∈ N ck = 0.

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Beweis „⇒“ trivial

„⇐“ Seiq wie in 30.1.

⇒(

q−1

∏k=1

ck

)(

limn→∞

∏k=q

ck

)

︸ ︷︷ ︸

6=0nach Def.

= 0

⇒∃k∈ N ck = 0. 2

30.3 SatzDie Folge der Faktoren eines konvergenten unendlichen Produkts kon-vergiert gegen 1.

Beweis Seiqwie in 30.1,Pn := ∏nk=qck (n≥ q).⇒Pn

n→∞−−−→ γ 6= 0, auchPn+1n→∞−−−→

γ, ⇒ Pn+1Pn

n→∞−−−→ 1, d. h.cn+1n→∞−−−→ 1. 2

Nach 30.3 ist es naheliegend, unendliche Produkte in der Form∏∞n=1(1+an) zu

schreiben. Dann gilt für ein solches konvergentes Produkt:ann→∞−−−→ 0. Dies ist not-

wendig aber keinesfalls hinreichend!Beispiel:

n

∏k=1

(

1+1k

)

=21· 32· . . . · n+1

n= n+1

n→∞−−−→ ∞.

⇒ ∏∞n=1

(1+ 1

n

)divergiert.

30.4 SatzSei(an)n≥1 eine Folge komplexer Zahlen. Dann gilt:

a) ∏∞n=1(1+an) konvergiert⇔ an

n→∞−−−→ 0, und ist q∈ N so gewählt, dass1+an ∈ G0 := {C\ ]−∞,0]} für n≥ q, so konvergiert∑∞

n=q log(1+an).

b) Sei(an)n≥1 eine Nullfolge und q wie in a), ferner sei an 6= −1 für alle n undbn sei ein Logarithmus von1+an, d. h.1+an = exp(bn) für n= 1, . . . ,q−1.Dann gilt:

∏n=1

(1+an) = exp

(q−1

∑n=1

bn +∞

∑n=q

log(1+an)

)

.

Sind alle1+an ∈G0 (n≥ 1), so ist∑∞n=1 log(1+an) ein Logarithmus von

∏∞n=1(1+an).

Beweis a) „⇐“ Sei∑∞n=q log(1+an) konvergent,

Pn :=n

∏k=q

(1+ak) (n≥ q) .

177

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⇒ Pn = exp

(n

∑k=q

log(1+ak)

)

n→∞−−−→ exp

(∞

∑k=q

log(1+ak)

)

6= 0,

da die Exponentialfunktion nullstellenfrei ist.

„⇒“ ann→∞−−−→ 0 lt. 30.3, seiq wie in 30.4. Für allen≥ q ist log(1+an) sinn-

voll, und mitPn wie oben istPn = exp(

∑nk=q log(1+ak)

)

für n≥ q.

Problem: Aus der Konvergenz derPn kann nicht ohne weiteres die Kon-vergenz der Teilsummen von∑∞

n=q log(1+an) erschlossen werden.

Nach Voraussetzung gilt:Pnn→∞−−−→ γ 6= 0. Wir setzenγ = |γ| ·eiϑ mit ge-

eignetemϑ ∈R. Wir schneidenC längs der Halbgeraden{

t ·eiϑ+π , t ≥ 0}

auf und definierenGϑ := C\{

t ·eiϑ+π , t ≥ 0}

,

λ : Gϑ → C, λ (z) := log|z|+ iϕ

mit z= |z| ·eiϕ ∈ Gϑ , so dassϑ −π < ϕ < ϑ + π. WegenPnn→∞−−−→ γ,

ann→∞−−−→ 0 existiertν ∈ N, so dass für allen≥ ν gilt: Pn ∈ Gϑ und

|Imλ (Pn)−ϑ | < π2

und |Imlog(1+an)| <π2

. (30.1)

Da ∑nk=q log(1+ak) ein Logarithmus vonPn ist, gilt: Für allen ≥ ν

gibt es einkn ∈ Z, so dass

n

∑k=q

log(1+ak) = λ (Pn)+2π ikn. (30.2)

⇒ Für allen≥ ν folgt aus (30.1) und (30.2):

|kn+1−kn|

=1

2π|Imlog(1+an+1)− Im((λ (Pn+1)−ϑ)− (λ (Pn)−ϑ))|

<1

(π2

+π2

+π2

)

< 1.

⇒ kn = kν (n≥ ν). Nach (30.2) folgt weiter: Daλ in γ holomorphund insbesondere stetig ist, konvergiert die rechte Seite von (30.2) fürn→∞ gegenλ (γ)+2π ikν , also konvergiert nach (30.2) auch die Reihe∑∞

k=q log(1+ak).

b) folgt aus dem Beweis zu a): Unter „⇐“ haben wir gesehen:

∏k=q

(1+ak) = exp

(∞

∑k=q

log(1+ak)

)

,

und mit∏q−1k=1 (1+ak) = exp

(

∑q−1k=1 bk

)

folgt dann b). 2

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30.5 Definition (absolute Konvergenz)Das Produkt∏∞n=1(1+an) konvergiert absolut:⇔

∏∞n=1(1+ |an|) konvergiert.

30.6 SatzFolgende Aussagen sind äquivalent:

a) ∏∞n=1(1+an) konvergiert absolut,

b) ∑∞n=1 log(1+ |an|) konvergiert,

c) ∑∞n=1an konvergiert absolut,

d) ∃q ∈ N (1+an) ∈ G0 (n≥ q), und die Reihe∑∞n=1 log(1+an) konver-

giert absolut.

Beweis a)⇔b) klar nach 30.5 und 30.4.

b)⇔c)⇔d) Unter jeder der Voraussetzungen b), c), d) gilt:ann→∞−−−→ 0. Wegen der

Gestalt der Logarithmus-Reihe:

log(1+z) =∞

∑n=1

(−1)n−1 zn

n= z+O

(z2) (|z| < 1) ,

wobei O (z) eine bei 0 holomorphe Funktion ist mitO (0) = 0. ⇒ Es gibteinn0 ∈ N, so dass für allen≥ n0 gilt:

12|an| ≤ log(1+ |an|) ≤ 2|an|

12|an| ≤ |log(1+an)| ≤ 2|an| .

Daraus erhält man die für die Äquivalenz b)⇔c)⇔d) nötigen Majoranten.2

30.7 Korollar Jedes absolut konvergente Produkt konvergiert im gewöhnlichenSinne.

Beweis 30.6 a)⇔d) und 30.4. 2

Abweichend von 30.6 gilt nicht:∏∞n=1(1+an) konvergiert⇔ ∑∞

n=1an konvergiert.

30.8 Beispiele a) ∏∞n=1

(1+ 1

n

)divergiert nach 30.6 oder direkte Betrachtung:

s. o.

b) ∏∞n=1

(1+ 1

nz

)konvergiert absolut für Rez> 1 nach 30.6 a)⇔c).

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c) ∏∞n=1

(

1+ z2

n2

)

konvergiert absolut nach 30.6 a)⇔c), und wir wissen aus

27.3:

sinπz= πz∞

∏n=1

(

1− z2

n2

)

(z∈ C) .

Nachträglich sieht man jetzt: Der Umgang mit dem Zeichen∏∞n=1 . . . in 27.3

ist auch im Sinne der jetzigen Definition legitim.

d) ∏∞n=1

(

1+(−1)n−1 1n

)

konvergiert aber nicht absolut. Keine absolute Kon-

vergenz nach a). Setzt man

log

(

1+(−1)n−1 1n

)

= (−1)n−1 1n

+cn,

so gibt es einM > 0, so dass|cn| ≤ Mn2 für n≥ 1.⇒∑∞

n=1cn konvergiert (sogar

absolut), und da∑∞n=1(−1)n−1 1

n konvergiert, konvergiert auch∑∞n=1 log

(

1+(−1)n−1 1n

)

.

⇒ ∏∞n=1

(

1+(−1)n−1 1n

)

konvergiert. Man kann auch elementarer schlie-

ßen: Mitan := (−1)n−1 1n gilt:

1+a2k−1 = 1+1

2k−1=

2k2k−1

1+a2k = 1− 12k

=2k−1

2k,

also

n

∏k=1

(1+ak) =

{1 für ngerade

n+1n für nungerade

⇒∞

∏n=1

(

1+(−1)n−1 1n

)

= 1.

30.9 Korollar Konvergiert das Produkt∏∞n=1(1+an) absolut, so konvergiert auch

für jede Permutationp: N → N das Produkt∏∞n=1

(1+ap(n)

)absolut, und es gilt:

∏n=1

(1+an) =∞

∏n=1

(1+ap(n)

).

Beweis Konvergenzaussage: 30.6 und Satz von Riemann (13.10?).Ist ein an = −1, so sind beide Produkte gleich 0, und die Behauptung ist richtig.Sind allean 6=−1, so folgt die Gleichheit aus b) und 30.6 a)⇔d) und dem Satz vonRiemann. 2

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30.10 Anmerkung Die Konvergenz von Produkten∏∞n=−∞ (1+an) definiert man

analog wie oben (vgl. Konvergenzdefinition von∑∞n=−∞ an).

Rechenregeln für konvergente Produkte:(

∏n=1

(1+an)

)(∞

∏n=1

(1+bn)

)

=∞

∏n=1

(1+an)(1+bn)

∏n=1

11+an

=

(∞

∏n=1

(1+an)

)−1

,

falls ∏∞n=1(1+an) 6= 0.

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Kapitel 31

Der Weierstraßsche Produktsatz

Eine ausführliche Diskussion der kompakt gleichmäßigen Konvergenz von Pro-dukten holomorpher Funktionen findet man bei Remmert (1995) und Lorenz (1997).Wichtiger ist in diesem Zusammenhang die absolute Konvergenz.

31.1 SatzDie Funktionen fk : G → C seien im Gebiet/0 6= G holomorph, unddie Reihe∑∞

k=1( fk−1) sei auf G kompakt gleichmäßig absolut konvergent, d. h.∑∞

k=1 | fk−1| konvergiere auf jedem Kompaktum K⊂G gleichmäßig. Dabei genügtes schon, die gleichmäßige Konvergenz dieser Reihe auf jeder kompakten Kreis-scheibe in G vorauszusetzen. Dann konvergiert die Folge(∏n

k=1 fk)n≥1 kompaktgleichmäßig in G, die Funktion F: G→ C, F (z) := ∏∞

n=1 fn(z) ist holomorph inG, und es gilt:

a) N(F) =⋃∞

k=1N( fk), wobei N(F) = {z∈ G:F (z) = 0}

b) F ≡ 0⇔∃k∈ N fk ≡ 0

c) Zu jedem Kompaktum K⊂ G existiert ein k0 ∈ N, so dass fk (z) 6= 0 für allez∈ K,k≥ k0.

d) Ist F 6≡ 0, so gilt für jedes a∈ G:

ord(F,a) =∞

∑k=1

ord( fk,a) .

Die Reihe auf der rechten Seite hat höchstens endlich viele nicht verschwin-dende Terme.

e) Ist F 6≡0, so konvergiert die Reihe∑∞k=1

f ′kfk

in G\N(F) kompakt gleichmäßig,und es ist

F ′

F=

∑k=1

f ′kfk

.

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Beweis Wegen der absoluten Konvergenz von∑∞k=1( fk−1) konvergiert für jedes

z∈ G das Produkt∏∞k=1 fk (z) =: F (z) absolut. Mit

Pn(z) :=n

∏k=1

fk (z) (z∈ G)

gilt also:

Pn(z)n→∞−−−→ F (z) (z∈ G) (31.1)

Wir zeigen, dass diese Konvergenz kompakt gleichmäßig aufG stattfindet. Dazuschreiben wir (31.1) in der Form

F (z)−Pn(z) =∞

∑k=n

(Pk+1(z)−Pk (z)) (z∈ G) (31.2)

SeiK ⊂ G kompakt,∑∞k=1 | fk (z)−1| konvergiert laut Voraussetzung gleichmäßig

aufK. ⇒ Mit ε = 1 gilt:

∃m∈ N ∀z∈ K,n≥ mn

∑k=m

| fk (z)−1| < 1 (31.3)

Sei

M :=

(

maxz∈K

m−1

∏k=1

| fk (z)|)

+1.

Dann gilt für allen≥ m, z∈ K:

|Pn(z)| ≤m−1

∏k=1

| fk (z)|︸ ︷︷ ︸

≤M

(n

∏k=m

(1+ | fk (z)−1|))

︸ ︷︷ ︸

≤exp(∑nk=m| fk(z)−1|)

≤ M exp

(n

∑k=m

| fk (z)−1|)

≤ eM (31.4)

nach (31.3).⇒ Für allek≥ m,z∈ K gilt:

|Pk+1(z)−Pk (z)| = |Pk (z)| · | fk+1(z)−1|(31.4)≤ eM· | fk+1(z)−1| ,

also konvergiert die Reihe auf der rechten Seite von (31.2) kompakt gleichmäßig

absolut aufG.(31.2)(31.4)⇒ ∀n≥ m,z∈ K

|F (z)−Pn(z)| ≤∞

∑k=m

|Pk+1(z)−Pk (z)|

≤ eM·∞

∑k=n

| fk+1(z)−1| . (31.5)

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Sei nunε > 0. Dann existiert einn0(ε) ≥ m, so dass für allez∈ K

∑k=n0

| fk+1(z)−1| < εeM

.

(31.5)⇒ ∀n≥ n0(ε) ,z∈ K |F (z)−Pn(z)| < ε.

D. h.:Pnn→∞−−−−−→

glm. aufKF . Insbesondere istF holomorph.

a) klar nach 30.2

b) „⇒“ Seien allefk 6≡ 0.18.1⇒ N( fk) ist abzählbar.

a)⇒ N(F) ist abzählbar.⇒N(F) ( G. ⇒ F 6≡ 0.

„⇐“ klar

c) klar nach (31.3).

d) Da alle vorkommenden FunktionenF, fk 6≡ 0 sind, ist die Behauptung sinn-voll. SeiU eine relativ kompakte1 Umgebung vona undk0 gemäß c) zuUgewählt. Dann ist

F (z) = f1(z) · . . . · fk0 (z) ·∞

∏k=k0+1

fk (z)

︸ ︷︷ ︸

hol. und nstfrei aufU

.

⇒ ord(F,a) =k0

∑k=1

ord( fk,a) =∞

∑k=1

ord( fk,a) .

e) Wie oben gezeigt gilt:

Pn(z)n→∞−−−−−−−→

kp. glm. aufGF (z) ,

also nach 23.1 auch

P′n(z)

n→∞−−−−−−−→kp. glm. aufG

F ′ (z) .

Für allez∈ G\N (F) gilt daher auch

1Pn(z)

n→∞−−−→ 1F (z)

,

1Eine MengeU heißt relativ kompakt, falls ihr AbschlussU kompakt ist.

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also

P′n(z)

Pn(z)n→∞−−−→ F ′ (z)

F (z)(z∈ G\N (F)) .

WegenP′n

Pn= ∑n

k=1f ′kfk

heißt das:

F ′

F=

∑k=1

f ′kfk

,

zunächst aber nur punktweise inG\N(F). Wir zeigen weiter: Hier ist dieKonvergenz kompakt gleichmäßig aufG\N(F): SeiK ⊂G\N(F) kompakt.

⇒ η :=12

minz∈K

|F (z)| > 0.

Wegen der gleichmäßigen KonvergenzPnn→∞−−−→ F aufK existiert einN ∈ N,

so dass|Pn(z)| ≥ η für allen≥ N. ⇒ Für allen≥ N,z∈ K gilt:n

∑k=1

∣∣∣∣

f ′kfk

(z)− F ′

F(z)

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

P′n

Pn(z)− F ′

F(z)

∣∣∣∣

=

∣∣∣∣

F (z)(P′n(z)−F ′ (z))−F ′ (z)(Pn(z)−F (z))

Pn(z)F (z)

∣∣∣∣

≤ 12η2 max

z∈K|F (z)|max

z∈K

∣∣P′

n(z)−F ′ (z)∣∣

+1

2η2 maxz∈K

∣∣F ′ (z)

∣∣max

z∈K|Pn(z)−F (z)| ,

und wegen der kompakt gleichmäßigen Konvergenz vonPnn→∞−−−→ F und

P′n

n→∞−−−→ F ′ folgt damit die Behauptung. 2

Anwendung auf das „Nullstellen-Problem“: Gegeben seienan ∈ C∗ (n∈ N),|an| n→∞−−−→ ∞. Existiert eine ganze Funktion mit diesen Nullstellen? Wenn die Reihe

∑∞n=1

∣∣∣

zan

∣∣∣ kompakt gleichmäßig konvergiert, d. h. wenn∑∞

n=11|an| konvergiert, so ist

∏n=1

(

1− zan

)

(31.6)

eine ganze Funktion, die das Nullstellen-Problem löst. Wenn∑∞n=1

1|an| nicht kon-

vergiert, so bringt man in (31.6) nach einer Idee von WEIERSTRASSsog. „Konver-genz erzeugende Faktoren“ folgenden Typs an:

∏n=1

(

1− zan

)

ehn(z) (hnganz für allen∈ N) .

Es zeigt sich, dass diehn stets in Gestalt passender Polynome inzan

gewählt werdenkönnen. Dazu führen wir folgende elementare Faktoren ein:

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31.2 Definition (Konvergenz erzeugende Faktoren)Für p∈ N0 sei

Ep : C → C, Ep(z) := (1−z)exp

(p

∑k=1

zk

k

)

(p∈ N0)

eine ganze Funktion. Dabei ist fürp = 0 die Summe im Exponenten leer, so dassnur der Faktor(1−z) verbleibt.

Kommentar Wir wollen die Ep als Faktoren eines konvergenten Produkts desTyps

∏n=1

Epn

(zan

)

verwenden, das unser Nullstellen-Problem löst. Die Konvergenz wird vorliegen,wenn die Faktoren für großesn „dicht bei 1 liegen“. Für großesp und |z| ≤ 1 giltnun:

Ep(z) = (1−z)exp

(p

∑k=1

zk

k

)

≈ (1−z)exp

(∞

∑k=1

zk

k

)

= (1−z)exp(− log(1−z)) = 1

Diese Idee wird wie folgt in Ungleichungen ausgeführt:

31.3 Lemma Für allep≥ 0, |z| ≤ 1 gilt:

|Ep(z)−1| ≤ |z|p+1 .

Beweis Für p = 0 ist die Behauptung klar. Seip≥ 1. Dann ist

E′p(z) = −exp

(p

∑k=1

zk

k

)

+(1−z)

(p−1

∑k=0

zk

)

︸ ︷︷ ︸

=1−zp

exp

(p

∑k=1

zk

k

)

= −zp

(

exp

(p

∑k=1

zk

k

))

(31.7)

Wir schreiben die Taylor-Reihe vonEp in der Form

Ep(z) = 1−∞

∑n=1

cnzn (z∈ C) . (31.8)

Aus (31.7) folgt:

−E′p(z) =

∑n=1

ncnzn−1 (31.7)= zpexp

(p

∑k=1

zk

k

)

. (31.9)

186

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⇒ (a) c1 = . . . = cp = 0 und (b)cn ≥ 0 für n≥ p, denn alle Ableitungen in 0 derrechten Seite von (31.9) sind≥ 0.

Ep(1) = 0(31.8)⇒

∑n=p+1

cn = 1.

⇒ Für allez mit |z| ≤ 1 gilt nach (31.8):

|Ep(z)−1| ≤ |z|p+1∞

∑n=p+1

|cn|︸︷︷︸

≥0

|z|n−p−1

︸ ︷︷ ︸

≤1︸ ︷︷ ︸

≤∑∞n=p+1 cn=1

≤ |z|p+1 .

2

31.4 SatzEs sei(an)n≥1 eine Folge (nicht notwendig verschiedener) komplexer

Zahlen mit|an| n→∞−−−→ ∞ und an 6= 0 für alle n∈ N. Dann gibt es Folgen(pn)n≥1 mitpn ∈ N0 für alle n∈ N, so dass

∑n=1

(r

|an|

)pn+1

(31.10)

für jedes r> 0 konvergiert. Z. B. hat pn := n−1 für n∈ N diese Eigenschaft. Fürjede solche Folge(pn)n≥1 konvergiert die Folge der Partialprodukte des Produkts

∏n=1

Epn

(zan

)

=: f (z) (z∈ C)

kompakt gleichmäßig inC, und f stellt eine ganze Funktion dar, die genau dieNullstellen an für n≥ 1 hat. Für jedes n∈ N ist

ord( f ,an) = #{k∈ N,ak = an} .

Zusatz Die Voraussetzung (31.10) ist z. B. erfüllt, wenn einε > 0 existiert, so dass

∑n=1

1

|an|(pn+1)(1−ε)

konvergiert.

Beweis Seir > 0, pn := n−1. Wegen|an| n→∞−−−→∞ existiert einm∈N mit |an| ≥ 2rfür allen≥ m.

⇒(

r|an|

)pn+1

≤ 12n (n≥ m) .

⇒ (31.10) gilt.⇒ Mit pn := n−1 ist (31.10) erfüllt. Weiter gilt:

⇒(

r|an|

)pn+1

=

(r

|an|ε)pn+1

︸ ︷︷ ︸

<1für hinr. großesn

1

|an|(pn+1)(1−ε).

187

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⇒ Der Zusatz ist richtig. Sei jetzt(pn)n≥1 irgendeine Folge inN0, so dass (31.10)konvergiert für jedesr > 0, und seiK ⊂ C kompakt. Wir wählenR> 0 so groß,dassK ⊂ KR(0), undm∈ N so groß, dass|an| ≥ R für allen≥ m.

31.3⇒ ∀z∈ K,n≥ m

∣∣∣∣Epn

(zan

)

−1

∣∣∣∣≤

(r

|an|

)m+1

.

Der Majoranten-Test liefert:

∑n=1

∣∣∣∣Epn

(zan

)

−1

∣∣∣∣

konvergiert gleichmäßig aufK.31.1⇒ Behauptung. 2

31.5 Satz (Weierstraßscher Produktsatz)Sei(an)n≥0 eine Folge paarweise ver-

schiedener komplexer Zahlen mit|an| n→∞−−−→ ∞, a0 = 0, kn ∈ N (n≥ 1), k0 ∈ N0.Dann gibt es eine ganze Funktion f: C → C, so dass gilt:

(1) f (z) 6= 0 für alle z∈ C\{an :n≥ 0}

(2) ord( f ,an) = kn (n≥ 0).

Wählt man irgendeine Folge(pn)n≥1 in N0, so dass∑∞n=1kn

(r

|an|

)pn+1konvergiert

für jedes r> 0, so ist z. B.

f (z) = zk0 ·∞

∏n=1

(

Epn

(zan

))kn

= zk0 ·∞

∏n=1

(

1− zan

)kn

·exp

(

kn ·pn

∑j=1

1j

(zan

) j)

eine ganze Funktion mit den Eigenschaften (1) und (2). Sind f,g: C → C ganzeFunktionen, und hat f die Eigenschaften (1) und (2), so gilt: g hat die Eigenschaf-ten (1) und (2)⇔∃ ganze Funktion h: C → C mit g= f ·eh.

Beweis Man schreibe jedesan kn-mal hin (n ≥ 1) und zähle alles zu einer neuenFolge ab, auf die 31.4 angewendet wird. Nach 31.4 (incl. Beweis) ist dann nur nochdie letzte Äquivalenz zu zeigen.

„⇐“ klar

„⇒“ gf ist in C\{an :n≥ 0} holomorph, und jedesan ist eine isolierte Singulari-tät. In an stimmen die Nullstellenordnungen vonf und g überein nach (2).⇒ Jedesan ist hebbare Singularität vongf , d. h. g

f „ist“ eine ganze Funkti-

on ohne Nullstellen.20.13⇒ g

f hat einen holomorphen Logarithmush: C → C,

d. h. es existiert eine ganze Funktionh mit g = f ·eh. 2

188

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Beispiel (zum Produktsatz) Konvergiert

∑n=1

kn1|an|

, (31.11)

so kann man allepn = 0 wählen und

f (z) = zk0 ·∞

∏n=1

(

1− zan

)kn

ist eine ganze Funktion mit genau den Nullstellenan und ord( f ,an) = kn. Ist(31.11) divergent, und konvergiert

∑n=1

kn1

|an|2,

so kann manpn = 1 wählen (n≥ 1) und hat als Produkt

f (z) = zk0 ·∞

∏n=1

(

1− zan

)kn

·eknz

an ,

Mit kn = 1 für n≥ 1 sieht man:

(

1− zan

)

ez

an =

(

1− zan

)(

1+zan

+z2

2!a2n+ . . .

)

= 1− 12· z2

a2n+O

(z3

a3n

)

31.6 SatzZu jeder inC meromorphen Funktion f6≡ 0 gibt es zwei ganze Funk-tionen g,h(6≡ 0), so dass gilt: f= g

h. D. h. Mer(C) ist der Quotientenkörper desIntegritätsrings der ganzen Funktionen.

Anmerkung Mit 31.10 kann man entsprechend zeigen, dass jede in einem GebietG⊂ C meromorphe Funktion Quotient zweier inG holomorpher Funktionen ist.

Beweis Sei(an)n≥1 die Folge der Pole vonf undkn =−ord( f ,an) für n≥ 1. Dannexistiert nach 31.5 eine ganze Funktionh mit h(z) 6= 0 für allez∈ C\{an :n≥ 1},so dass ord(h,an) = kn. ⇒ f ·h „ist“ in ganz C holomorph, also eine ganze Funk-tion, und mitg := h· f gilt f = g

h. 2

31.7 Korollar (Sinusprodukt) Das Produkt

z·∞

∏n=1

(

1− z2

n2

)

︸ ︷︷ ︸

kein Weierstraß-Produkt

= z·∞

∏n=−∞

(

1− zn

)

ezn

︸ ︷︷ ︸

Weierstraß-Produkt

189

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stellt eine inC holomorphe Funktion dar, die genau in den Punktenk∈ Z Nullstel-

len 1. Ordnung hat.31.5⇒ ∃ ganze Funktionh: C → C mit

sinπz= eh(z) ·z·∞

∏n=1

(

1− z2

n2

)

31.1 e)⇒ Für allez∈ C\Z ist

(sinπz)′

sinπz= π ·cotπz

31.1 e)=

(eh(z)

)′

eh(z)+

z′

z+

∑n=1

(

1− z2

n2

)′

1− z2

n2

= h′ (z)+1z

+2∞

∑n=1

zz2−n2

︸ ︷︷ ︸

=π·cotπznach 27.1

⇒ h′ (z) = 0 für alle z∈ C\Z. h ist ganz⇒ h′ ≡ 0 auf ganzC . ⇒ h ≡ c mitgeeignetemc∈ C. Wegen

limz→0z6=0

sinπzz

= π, limz→0

∏n=1

(

1− z2

n2

)

= 1

folgt: ec = π.

⇒ sinπz= πz·∞

∏n=1

(

1− z2

n2

)

(z∈ C) .

31.8 Definition (Gebiet im projektiven Raum) a) G⊂P heißt ein Gebiet, wennG offen und zusammenhängend ist.

b) SeiD ⊂ P offen, f : D → C, ∞ ∈ D. f heißt holomorph in∞, falls die Funk-tion

g:

{1z,z∈ D∩C∗

}

∪{0}→ C, g

(1z

)

:= f (z) für z∈ D∩C∗, g(0) := f (∞)

holomorph ist in 0. Istg(0) = 0, so heißt ord( f ,∞) := ord(g,0). Analog: „fhat in∞ einen Pol“, Polordnung vonf in ∞ := Polordnung vong in 0.

Folgerung: Jede aufP holomorphe Funktion ist konstant nach dem Satz vonLiouville (14.6). Demnach ist das Nullstellenproblem nur für GebieteG ( P sinn-voll.

31.9 SatzEs sei G( P offen,(an)n≥1 eine endliche oder unendliche Folge nichtnotwendig verschiedener Zahlen an ∈ G (n≥ 1), die in G keinen Häufungs-wert habe, und es sei kn := #{ν ∈ N :an = aν}(∈ N). Dann gibt es eine holomor-phe Funktion f: G → C, so dass f genau in den Punkten an Nullstellen hat mitord( f ,an) = kn (n∈ N).

190

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Beweis Sei gleich(an)n≥1 eine unendliche Folge. Falls gilt:∞ /∈ G, so seiα ∈G\{an :n∈ N}, und nach linear gebrochener Transformationz 7→ 1

z−α (z 6= α),α 7→ ∞ kann oBdA angenommen werden, dass∞ ∈ G, ∞ /∈ {an :n∈ N}. Wegen∞ ∈ G 6= P ist /0 6= K := P\G⊂ C kompakt,

d(z,K) := min{|z−w| :w∈ K} > 0 für z∈ G, .

Zu jedemn∈N gibt es einbn ∈K mit |an−bn|= d(an,K), und hier gilt notwendig|an−bn| n→∞−−−→ 0. Begründung: Für jedesε > 0 ist

{z∈ P :z= ∞oderd(z,K) ≥ ε} ⊂ G

eine abgeschlossene Teilmenge vonG, die ∞ enthält, also eine kompakte Teil-menge vonG, und diese kann nur für endlich vielen den Punktan enthalten.⇒ d(an,K) = |an−bn| < ε für alle n ∈ N mit höchstens endlich vielen Ausnah-men.⇒ |an−bn| n→∞−−−→ 0.

En(z) = (1−z)exp

(n

∑k=1

zk

k

)

(n≥ 0) ,

f (z) =∞

∏n=1

En

(an−bn

z−bn

)

(z∈ G, beachte:bn /∈ G)

leistet das Verlangte. Begründung: Falls das Produkt konvergiert, sogilt: f (z) =0 ⇔ ∃n ∈ N z = an (beachte:En(ζ ) = 0 ⇔ ζ = 1). Bleibt die Konvergenz zuzeigen. Sei /06= L ⊂ G kompakt. Wegend(L,K) > 0, |an−bn| n→∞−−−→ 0, bn ∈ K gibtes einN ∈ N, so dass

∣∣∣∣

an−bn

z−bn

∣∣∣∣≤ 1

2für allez∈ L,n≥ N.

31.3⇒∣∣∣∣En

(an−bn

z−bn

)

−1

∣∣∣∣≤ 1

2n+1 für allez∈ L,n≥ N.

31.1⇒ ∏∞n=1En

(an−bnz−bn

)

hat eine kompakt gleichmäßig konvergente Folge von Teil-

produkten. Dassf in ∞ wirklich holomorph ist, ist mitP(∞) = ∏∞n=1En(0) = 1

leicht zu prüfen. 2

31.10 SatzZu jeder auf einer offenen Teilmenge G⊂ P meromorphen Funktionf : G→ P gibt es zwei holomorphe Funktionen g,h: G→ C, so dass f= g

h.

Beweis wie zu 31.6 mit 31.9 an Stelle von 31.5. 2

31.11 SatzZu jedem Gebiet/0 6= G⊂ C gibt es eine in G holomorphe Funktion f ,die sich nicht einmal meromorph in ein Gebiet H) G fortsetzen lässt, erst rechtalso keine holomorphe Fortsetzung dieses Typs zulässt.

191

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Beweis FürG= C ist nichts zu tun. — Sei /06= G ( C. Wir zählen alle Punkte vonG∩Q(i) ab zu einer Folge(an)n≥1 und bilden

a1, a1, a2, a1, a2, a3, a1, a2, a3, a4, . . .z1, z2, z3, z4, z5, z6, z7, z8, z9, z10, . . .

Dann kommt in der Folge(zj) j≥1 jedes Element ausG∩Q(i) unendlich oft vor.

Ferner wählen wir eine Folge kompakter MengenK j ⊂ G mit K j ↑ G, K j ⊂◦

K j+1.

Ist dannK ⊂ G kompakt, so ist

(◦

K j

)

j≥1eine offene Überdeckung vonK, also

existiert einn∈ N mit K ⊂ Kn ⊂ G. Seir j := d({

zj}

,Gc)

> 0. Wir wählenw j ∈G\K j mit

∣∣w j −zj

∣∣ < r j . Ein solchesw j existiert, denn wäreKr j (zj)⊂ K j , so gäbe

es einen größeren Kreis umzj , der ganz inG liegt. Dasselbezj ist= zℓ für unendlichviele ℓ ∈ N. Die Folge(w j) j≥1 hat keinen Häufungswert inG. Das gilt wegen

K j ⊂◦

K j+1, K j ↑ G. Es gibt eine holomorphe Funktionf : G → C mit f (w j) =0 ( j ≥ 1), f (z) 6= 0 für allez∈ G\

{w j , j ≥ 1

}nach 31.9.

Behauptung:f leistet das Verlange.Begründung: Seia ∈ G∩Q(i), r := d({a} ,Gc) > 0. ⇒ Kr (a) enthält unendlichviele verschiedenew j , dennakommt unendlich oft in der Folge derzj vor, undw j ∈G\K j , K j ↑ G,

∣∣w j −a

∣∣ < r für unendlich vielej. ⇒ Diese Funktionf lässt sich

nicht meromorph fortsetzen in ein GebietH ⊃Kr (a), denn jede solche Fortsetzunghätte unendlich viele Nullstellen auf dem KompaktumKr (a) ⊂ H. Dies wäre einWiderspruch zum Identitätssatz. Zu jedem GebietH ) G existiert aber eina ∈G∩Q(i) wie oben mitKr (a) ⊂ H. 2

192

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Kapitel 32

Die Gammafunktion

Nach 18.4 wissen wir: Das Integral

Γ(z) :=∫ ∞

0tz−1e−t dt (Rez> 0)

konvergiert für Rez> 0 absolut und definiert eine holomorphe Funktion

Γ : {z:Rez> 0}→ C .

Γ darf beliebig oft unter dem Integralzeichen differenziert werden:

Γ(k) (z) =∫ ∞

0e−t (logt)k tz−1dt (k≥ 0,Rez> 0) .

Γ genügt der Funktionalgleichung

Γ(z+1) = z·Γ(z) (Rez> 0) ,

speziellΓ(n+1) = n! (n≥ 0).

32.1 SatzDie Gamma-Funktion kann zu einer inC meromorphen Funktion fort-gesetzt werden, die wieder mitΓ bezeichnet wird. Pole vonΓ sind genau die ganzenZahlen≤ 0. Diese Pole sind alle von 1. Ordnung mit

Res(Γ,−n) = (−1)n 1n!

(n∈ N0) .

Ferner istΓ(z+1) = z·Γ(z) für alle z∈ C\{−n,n∈ N0}.

Beweis Für Rez> 0, n≥ 0 ist

Γ(z+n+1) = (z+n)(z+n−1) · . . . ·z·Γ(z) ,

und hier ist

Γ(z+n+1)

z(z+1) · . . . · (z+n)

193

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meromorph für Rez>−(n+1), hat Pole 1. Ordnung genau in den Punkten 0,−1, . . . ,−nund stimmt für Rez> 0 mit Γ überein.⇒ Fortsetzbarkeit sowie Lage und Ordnungder Pole.

Res(Γ,−n) = limz→−n

(z+n) · Γ(z+n+1)

z· . . . · (z+n)

=Γ(1)

(−n)(−n+1) · . . . · (−1)=

(−1)n

n!. 2

32.2 SatzFür Rez> 0 gilt:

Γ(z) = limn→∞

∫ n

0tz−1

(

1− tn

)ndt,

und die Konvergenz ist gleichmäßig auf jedem Kompaktum K⊂ {z:Rez> 0}.

Beweis Für allex∈R ist ex ≥ 1+x, alsoe−tn ≥ 1− t

n für t ∈R, d. h.e−t ≥(1+ t

n

)n

für 0≤ t ≤ n. Sei /06= K ⊂ {z∈ C :Rez> 0} kompakt.⇒∃0 < α < β 0 < α ≤Rez≤ β für allez∈ K. Für allez∈ K ist

∣∣∣∣∣∣∣∣

Γ(z)−∫ n

0tz−1

(

1− tn

)ndt

︸ ︷︷ ︸

konv. abs. für Rez>0

∣∣∣∣∣∣∣∣

≤∫ 1

0tα−1

(

e−t −(

1− tn

)n)

︸ ︷︷ ︸n→∞−−−→0mit intb. Maj.tα−1

dt

+∫ ∞

1tβ−1

(

e−t −(

1− tn

)n)

χ]0,n[ (t)︸ ︷︷ ︸

n→∞−−−→0pktw. mit intb. Maj.tβ−1e−t

dt+∫ ∞

ntβ−1e−t dt

︸ ︷︷ ︸n→∞−−−→0

n→∞−−−→ 0 gleichmäßig bzgl.z∈ K

nach dem Satz von der majorisierten Konvergenz. 2

32.3 Satz (Gaußsche Darstellung der Gamma-Funktion)Für alle z/∈C\{−n:n∈ N0}ist

Γ(z) = limn→∞

n!nz

z(z+1) . . .(z+n),

und die Konvergenz ist gleichmäßig auf jedem Kompaktum K⊂ C\{−n:n∈ N0}.

Beweis Für Rez> 0 ist∫ n

0tz−1

(

1− tn

)ndt =

n!nz

z(z+1) . . .(z+n)

194

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durch sukzessive partielle Integration.⇒ Für Rez > 0 folgt die Behauptung aus32.2.SeiK ⊂ C\{−n:n∈ N0} kompakt,k∈ N, Rez> −k für alle z∈ K. Dann gilt fürallez∈ K, n≥ k:

nzn!z(z+1) . . .(z+k) . . .(z+n)

=nzn!

(n−k)! (n−k)z+k z(z+1) . . .(z+k−1)· (n−k)! (n−k)z+k

(z+k) . . .(z+k+(n−k))︸ ︷︷ ︸

n→∞−−−→Γ(z+k) glm. (s.o.)

Hier gilt weiter bei festemk:

nzn!

(n−k)! (n−k)z+k z(z+1) . . .(z+k−1)

=n(n−1) . . .(n−k+1)

(n−k)k

︸ ︷︷ ︸n→∞−−−→1

· nz

(n−k)z

︸ ︷︷ ︸n→∞−−−→1

· 1z(z+1) . . .(z+k−1)

n→∞−−−→ 1z(z+1) . . .(z+k−1)

gleichmäßig aufK.

⇒ Behauptung. 2

32.4 Lemma Die Folge(

∑nk=1

1k − log(n)

)

n≥1 konvergiert streng monoton fallendgegen die sog. Eulersche Konstante

limn→∞

(n

∑k=1

1k− log(n)

)

=: γ ≈ 0,57721566490. . .

Eine kunstvolle Berechnung findet sich bei Carathéodory (1961), S.273.

Beweis Wegen

log(n+1)− logn = log

(

1+1n

)

n→∞−−−→ 0

gilt auch γ = limn→∞(

∑nk=1

1k − log(n)

). Das Folgenglied hat hier eine einfache

Deutung als Flächeninhalt:Geometrische Situation

⇒ 0 <n

∑k=1

1k− log(n+1) =: αn,

αn ↑ nach folgender Abschätzung:

αn+1−αn =1

n+1− log

(

1+1

n+1

)

> 0,

195

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sowie

0 <n

∑k=1

1k− logn =: βn,

βn ↓ nach folgender Abschätzung

βn−βn+1 = − 1n+1

+ log

(

1+1n

)

︸ ︷︷ ︸

> 1n− 1

2n2 (Taylor)

>1

n(n+1)− 1

2n2 =1n· 2n− (n+1)

2n(n+1)≥ 0

Offenbar ist 0< αn < βn, denn

βn−αn = log(n+1)− logn = log

(

1+1n

)

n→∞−−−→ 0.

⇒ Behauptung. 2

32.5 Satz (Weierstraßsche Produkt-Darstellung der Gamma-Funktion) 1Γ „ist“

eine ganze Funktion mit der Weierstraßschen Produkt-Darstellung:

1Γ(z)

= z·eγz ·∞

∏n=1

(

1+zn

)

e−zn (z∈ C)

Insbesondere istΓ in C\{−n:n∈ N0} nullstellenfrei.

Beweis 32.3⇒ Für allez∈ C\{−n:n∈ N0} gilt:

Γ(z) = limn→∞

nzn!z(z+1) . . .(z+n)

= limn→∞

ez(logn−∑nk=1

1k)

z·∏nk=1

(1+ z

k

)e−

zk

32.4=

e−γz

z·∏∞k=1

((1+ z

k

)e−

zk) .

Hier stellt

z·∞

∏k=1

((

1+zk

)

e−zk

)

mit dem Konvergenz erzeugenden Faktore−zk (pn = 1,∑∞

k=11

|−k| = ∞, aber∑∞k=1

1|−k|p+1 <

∞) nach Kapitel 31 eine ganze Funktion dar, die genau die Nullstellen 0,−1,−2, . . .hat. 2

196

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32.6 Korollar Γ(z)Γ(1−z) =π

sinπz(z∈ C\Z)

speziell istΓ(

12

)=√

π und∫ ∞−∞ e−x2

dx=√

π.

Beweis Seiz∈ C\Z. Dann gilt:

1Γ(z)

· 1Γ(1−z)

= −1z

1Γ(z)

1Γ(−z)

32.5=

1z·zeγz

∏n=1

(

1+zn

)

e−zn(−ze−γz)

∏n=1

(

1− zn

)

ezn

= z∞

∏n=1

(

1− z2

n2

)

=sinπz

π.

z=12⇒

(

Γ(

12

))2

= π ⇒ Γ(

12

)

=√

π, daΓ(

12

)

> 0.2

32.7 SatzFür alle z∈ C\{−n:n∈ N0} ist

Γ′

Γ(z) = −γ − 1

z+

∑n=1

(1n− 1

z+n

)

,

wobei die Reihe kompakt gleichmäßig absolut konvergiert; speziell:Γ′ (1) = −γ.

Beweis Seiz∈ C\{−n:n∈ N0}.

31.1⇒ Γ′

Γ(z) = −

(1Γ)′

(z)

32.5= −

(

γ +1z

+∞

∑n=1

(1n

11+ z

n

− 1n

))

= −γ − 1z

+∞

∑n=1

(1n− 1

z+n

)

.

Letzteres ist dabei eine Teilbruchreihe im Sinne des noch zu beweisenden Satzesvon MITTAG-LEFFLER; sie konvergiert kompakt gleichmäßig absolut nach 31.1und

∑n=1

(1n− 1

n+1

)

= 1, Γ(1) = 1,⇒ Γ′ (1) = −γ.2

WegenΓ(z+1) = z·Γ(z) ist

Γ′

Γ(z+1) =

1z

+ γΓ′

Γ(z) ,

also kann man alleΓ′ (n) für n≥ 1 durchγ und rationale Zahlen ausdrücken, z. B.Γ′Γ (2) = 1−γ > 0: Zwischen 1 und 2 liegt also ein Minimum der Gamma-Funktion.

197

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32.8 Korollar Für allez∈ C\{−n:n∈ N0} ist(

Γ′

Γ(z)

)′=

∑n=0

1

(z+n)2 .

Insbesondere ist(

Γ′Γ

)′(x) > 0 für x > 0, d. h.Γ |]0,∞[ ist logarithmisch konvex.

Beweis Differentiation in 32.7 2

32.9 Satz (Wielandt) benannt nachHELMUT WIELANDT , 19.12.1910–14.2.2001,deutscher Mathematiker aus Niedereggen bei Lörrach, 1939.Die Funktion f: R→ C sei in der rechten Halbebene R:= {z∈ C :Rez> 0} ho-lomorph und habe folgende Eigenschaften:

a) f (z+1) = z f (z) (z∈ R),

b) f ist beschränkt im Streifen S1 := {z∈ C :1≤ Rez≤ 2}.

Dann ist f(·) = f (1) ·Γ(·). Insbesondere ist f= Γ, falls f (1) = 1.

Beweis Die Funktiong := f − f (1)Γ : R→C ist holomorph und genügt der Funk-tionalgleichung

g(z+1) = z·g(z) (z∈ R) .

Der Beweis zu 32.1 liefert:g hat eine meromorphe Fortsetzung nachC mit Po-len höchstens in den Punkten−n (n∈ N0), wobei diese Pole höchstens von 1.Ordnung sind mit

Res(g,−n) =(−1)n

n!g(1)︸︷︷︸

=0

.

⇒ g „ist“ ganz. Wegen

|Γ(z)| =∣∣∣∣

∫ ∞

0e−ttz−1dt

∣∣∣∣≤

∫ ∞

0e−ttRez−1dt = Γ(Rez) (Rez> 0)

ist Γ beschränkt aufS1. ⇒ g ist beschränkt aufS1. ⇒ g ist beschränkt aufS0 :={z∈ C,0≤ Rez≤ 1}, denn

(i) g ist beschränkt aufS0∩{z∈ C, |Imz| ≤ 1}, dag ganz ist,

(ii) g ist beschränkt aufS0∩{z∈ C, |Imz| ≥ 1} wegen

|g(z)| =∣∣∣∣

g(z+1)

z

∣∣∣∣≤ |g(z+1)|

undz+1∈ S1, falls z∈ S0.

198

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Sei nunϕ (z) := g(z)g(1−z) für z∈ C. ⇒ ϕ ist ganz.

ϕ (z+1) = g(z+1)g(−z) = z·g(z)g(−z) =−g(z)g(1−z) =−ϕ (z) . (32.1)

g ist beschränkt aufS0 ⇒ z 7→ g(1−z) ist beschränkt aufS0, da fürz∈ S0 auch

(1−z) ∈ S0. ⇒ ϕ ist beschränkt aufS0.(32.1)⇒ ϕ ist beschränkt aufC.

14.6⇒ ϕ istkonstant.

⇒ ϕ (z) = ϕ (1) = g(1)︸︷︷︸

=0

g(0) = 0.

⇒ g≡ 0.⇒ Behauptung. 2

32.10 Satz (Verdoppelungsformel)nachADRIEN-MARIE LEGENDRE, 18.9.1752–10.1.1833, berühmter französischer Mathematiker.

Γ(2z) =22z−1√

πΓ(z)Γ

(

z+12

)

.

Vgl. sin2πz= 2sinπz·sinπ(z+ 1

2

).

Beweis Sei

f (z) :=2z−1√

πΓ

( z2

)

Γ(

z+12

)

.

⇒ f ist für Rez> 0 holomorph und

f (z+1) = 22z−1√

πΓ

(z+1

2

)

Γ( z

2+1

)

= z· f (z) ,

und f ist beschränkt im Streifen{z∈ C,1≤ Rez≤ 2}, denn|Γ(z)| ≤ Γ(Rez) fürRez> 0.

f (1) =Γ(1)√

π= 1.

32.9⇒ f = Γ. 2

Bemerkung Die Schlussweise von 32.10 lässt sich ausbauen zum Beweis derMultiplikationsformel von Gauß und Legendre:

Γ(z)Γ(

z+1m

)

· . . . ·Γ(

z+m−1

m

)

= (2π)m−1

2 m12−mzΓ(mz) (m∈ N) .

32.11 SatzDie Funktion

Λ : G0 → C, Λ(z) = −γz− logz+∞

∑n=1

( zn− log

(

1+zn

))

=

(

z− 12

)

logz−z+12

log2π +∫ ∞

0

⌊t⌋− t + 12

t +zdt

für alle z∈ G0 ist der in G0 holomorphe Logarithmus vonΓ |G0mit Λ(1) = 0 und

Λ(x) = log(Γ(x)) (x > 0).

199

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Beweis Für allez∈ G0 ist

Λ(z) =∫ z

1

Γ′

Γ(ζ ) dζ

32.7= −γ (z−1)− logz+

∑n=1

∫ z

1

1n− 1

ζ +ndζ

= −γz− logz+ γ +∞

∑n=1

(z−1

n. log(n+z)+ log(n+1)

)

= −γz− logz+ γ +∞

∑n=1

(zn− log

(

1+zn

)

+ log

(

1+1n

)

− 1n

)

= −γz− logz+∞

∑n=1

( zn− log

(

1+zn

))

,

da

n

∑k=1

(1k− log

(

1+1k

))

=n

∑k=1

1k− log

n

∏k=1

k+1k

︸ ︷︷ ︸

=n+1

n→∞−−−→ γ.

Weiter ist fürz∈ G0:

∫ n+1

0

⌊t⌋− t + 12

t +zdt

=n

∑k=0

∫ k+1

k

(

k+ 12 −z

t +z−1

)

dt

=n

∑k=0

(

k+12

+z

)

(log(k+1+z)− log(k+z))−1

part. Sum.=

n

∑k=1

− log(k+z)

((

k+12

+z

)

−(

k− 12−z

))

︸ ︷︷ ︸

=1

−(

z+12

)

logz+

(

n+12

+z

)

log(n+1+z)− (n+1)

=n

∑k=1

(zk− log

(

1+zk

))

− logn!−zn

∑k=1

1k−

(

z+12

)

logz

+

(

n+12

+z

)

log(n+1+z)− (n+1)

200

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Hier gilt:

z

(

log(n+1+z)−n

∑k=1

1k

)

= z

log

(

1+1+z

n

)

+ logn−n

∑k=1

1k

︸ ︷︷ ︸n→∞−−−→−γ

n→∞−−−→−γz.

Die Stirlingsche Formel liefert:n! ∼√

2πn(

ne

)n, d. h.

logn! =12

log2π +

(

n+12

)

logn−n+O (n) .

Durch Einsetzen erhält man daraus:

=n

∑k=1

(zk− log

(

1+zk

))

− 12

log2π −(

n+12

)

logn+n

−γz−(

z+12

)

logz+

(

n+12

)

log(n+1+z)− (n+1)+O (n)

n→∞−−−→∞

∑k=1

(zk− log

(

1+zk

))

− γz− logz− 12

log2π −(

z− 12

)

logz+z

⇒ ∫ ∞0

⌊t⌋−t+ 12

t+z dt konvergiert, und es gilt die Formel des Satzes. 2

32.12 Satz (Stirlingsche Formel)benannt nachJAMES STIRLING, Mai 1692–5.12.1770,schottischer Mathematiker.Für den holomorphen Logarithmus

Λ : G0 → C, Λ(z)

=

(

z− 12

)

logz−z+12

log2π +∫ ∞

0

⌊t⌋− t + 12

t +zdt (z∈ G0)

gilt die Stirlingsche Formel:∣∣∣∣Λ(z)−

((

z− 12

)

logz−z+12

log2π)∣

∣∣∣≤ C(δ )

|z|für alle z∈W (δ ) :=

{reiϕ , r > 0,−π +δ ≤ ϕ ≤ π −δ

}für 0 < δ < π, wobei

C(δ ) =18

∫ ∞

0

du∣∣u−eiδ

∣∣2

≤ π −δ8sinδ

.

Für reelle x> 0 gilt:

logx−(

12

log2π +

(

x− 12

)

logx−x

)

≤ 18x

201

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Beweis Wir müssen∫ ∞

0⌊t⌋−t+ 1

2t+z dt abschätzen fürz∈Wδ . Dazu integrieren wir par-

tiell über alle Intervalle[k,k+1], (k≥ 0) und summieren. Die Funktion

ϕ : [0,∞] → R, ϕ (x) :=∫ ∞

0⌊t⌋− t +

12

dt

erfüllt folgende Bedingungen:ϕ ist stetig, stückweise stetig differenzierbar undperiodisch modulo 1:ϕ (x+1) = ϕ (x) (x∈ R), ϕ (n) = 0 (n∈ Z), 0≤ϕ (x)≤18 (x∈ R).

⇒∫ ∞

0

⌊t⌋− t + 12

t +zdt =

∫ ∞

0

ϕ (t)

(+z)2 .

⇒∣∣∣∣∣

∫ ∞

0

⌊t⌋− t + 12

t +zdt

∣∣∣∣∣≤ 1

8

∫ ∞

0

1

|t +z|2dt

Jetztz= reiϕ , t = ru, −π +δ ≤ ϕ ≤ π −δ :

=18

1r

∫ ∞

0

du

|u+eiϕ |2=

18|z|

∫ ∞

0

duu2 +2ucosϕ +1

≤ 18|z|

∫ ∞

0

duu2−2ucosδ +1

=1

8|z|

∫ ∞

0

du∣∣u−eiδ

∣∣2

=1

8|z|2[

− 1sinδ

arccot

(u−cosδ

sinδ

)]∞

0

=1

8|z|1

sinδarccot(−cotδ ) =

18|z|

π −δsinδ

⇒ Konstante des Satzes. Da der letzte Faktor fürδ → π gegen 1 konvergiert, folgtdie Behauptung für rellex > 0. 2

32.13 Korollar Für x→ ∞ gilt:

Γ(x+1) ∼√

2πx(x

e

)x.

vgl. n! ∼√

2πn(

ne

)n.

Beweis 32.12⇒ Fürx > 0 gilt:

log(Γ(x+1)) = logx+ log(Γ(x)) = logx−x+12

log2π +O

(1x

)

=12

log2πx+xlogx−x+O

(1x

)

.

⇒ Behauptung. 2

202

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Bemerkung (Bachmann-Landausche Symbole)Seien f ,g: [x0,∞[ → C. Dannsagt man:

f (x) = O (g(x)) für x→ ∞ :⇔∃c > 0 ∀x≥ x1 ≥ x0 | f (x)| ≤ c|g(x)| .

dto. für Folgen und inC bspw. für|z| → ∞ mit Rez> 0.

f (x) = o(g(x)) für x→ ∞ :⇔∀ε > 0 ∃x1 ≥ x0 ∀x≥ x1 | f (x)| ≤ ε |g(x)| .

32.14 Korollar Für |y| → ∞ gilt kompakt gleichmäßig bzgl.x:

Γ(x+ iy) ∼√

2π i |y|x−12 e−

π2 |y|.

Beweis Nach 32.12 ist fürz= x+ iy kompakt gleichmäßig inx beiy→ ∞:

|Γ(x+ iy)| ∼√

2π exp

(

Re

((

z− 12

)

logz−z

))

=√

2π |z|x− 12

exp(−x−yargz) (|argz| ≤ π) .

Es genügt, das Verhalten der rechten Seite füry→ ∞ zu betrachten, denn:

Γ(z) = Γ(z)argz=π2−arctan

xy

=π2− x

y+O

((xy

)3)

wegen

arctanu =∞

∑n=0

(−1)n u2n+1

2n+1(|u| < 1)

für y→ ∞ kompakt gleichmäßig bzgl.x.

⇒ exp(−x−yargz) ∼ exp(

−π2

y)

für y→ ∞ kompakt gleichmäßig bzgl.x. Weiter gilt:

|z|x−12 ∼ |y|x−

12

für y→ ∞ kompakt gleichmäßig bzgl.x. ⇒ Behauptung. 2

203

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Kapitel 33

Die Riemannsche Zetafunktion

33.1 Definition (Riemannsche Zetafunktion)Für Rez> 1 sei

ζ (z) :=∞

∑n=1

n−z

die Riemannsche Zetafunktion.

33.2 Folgerung ζ : {z∈ C |Rez> 1}→ Cist holomorph.

33.3 Satz (Eulersche Produktentwicklung der Zetafunktion)Es gilt:

ζ (z) = ∏p

(1− p−z)−1

(Rez> 1) ,

wobei die Produktbildung erstreckt wird über alle Primzahlen p.

Beweis Da die Reihe∑∞n=1n−z normal auf{z∈ C |Rez> 1} konvergiert, ist auch

∑p p−z normal konvergent auf{z∈ C |Rez> 1}.31.1⇒ Insbesondere ist∏p (1− p−z)

−1

absolut konvergent und daher auch ohne genaue Fixierung der Reihenfolge derFaktoren sinnvoll. Seiq eine Primzahl.

⇒ ∏p≤q

(1− p−z)−1

= ∏p≤q

(1+ p−z+ p−2z+ p−3z+ . . .

)

︸ ︷︷ ︸

geom. Reihe für(1−p−z)−1

= ∑n≥1

nhat keinen Primfaktor>q

n−z

=q

∑n=1

1nz + ∑

n≥qnhat keinen Primfaktor>q

1nz.

⇒∣∣∣∣∣

∑n=1

1nz − ∏

p≤q

(1− p−z)

∣∣∣∣∣≤

∑n=q+1

1nRez

q→∞−−−→ 0.

204

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⇒ limq→∞ ∏

p≤q

(1− p−z)−1

=∞

∑n=1

n−z = ζ (z) .2

33.4 Korollar Für Rez> 1 ist ζ (z) 6= 0.

Beweis ∏p (1− p−z)−1 ist nullstellenfrei in der Halbebene{z∈ C |Rez> 1}. 2

33.5 Satz (Riemann), 1859. Die Riemannsche Zetafunktion ist zu einer (wiedermit ζ bezeichneten) meromorphen Funktion in die ganze komplexe Ebene fortsetz-bar. ζ hat genau einen Pol bei z= 1 der Ordnung 1 mitRes(ζ ,1) = 1. Fernergenügtζ der Riemannschen Funktionalgleichung:π− z

2 Γ(

z2

)ζ (z) ist invariant unter z7→ 1−z, oder:

ζ (1−z) =2

(2π)z cos(π

2z)

Γ(z)ζ (z) ,

insbesondere istζ (0) = −12.

Beweis Für Rez> 0 ist Γ(

z2

)=

∫ ∞0 t

z2−1e−t dt, und mit t = πn2u (n ∈ N,u > 0)

folgt:

π− z2 Γ

( z2

) 1nz =

∫ ∞

0u

z2−1e−πn2udu

Hier werden wir übern∈ N summieren: Das geht für Rez> 1:

π− z2 Γ

( z2

)

ζ (z) =∞

∑n=1

∫ ∞

0t

z2−1eπn2t dt.

Hier dürfen Summation und Integration vertauscht werden, denn die Teilsummenvon ∑∞

n=1 tz2−1e−πn2t haben für Rez> 1 die integrierbare Majorante

∑n=1

tRez2 −1e−πn2t ,

denn

∫ ∞

0

(∞

∑n=1

tRez2 −1e−πn2t

)

dtmaj. Konv.

=∞

∑n=1

(∫ ∞

0t

Rez2 e−πn2t dt

)

s.o.=

∑n=1

π−Rez2 Γ

(Rez2

)1

nRez < ∞.

Die Vertauschung von Summation und Integration ist also zulässig und ergibt:

π− z2 Γ

( z2

)

ζ (z) =∫ ∞

0

(

tz2−1

∑n=1

e−πn2t

)

dt

=∫ ∞

0t

z2−1ψ (t) dt

205

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mit

ψ (t) :=∞

∑n=1

e−πn2t =12

(ϑ (it )−1) (t > 0) ,

wobeiϑ (τ) = ∑∞n=−∞ eπ in2τ . Wegen

ϑ(

−1τ

)

=

√τi

ϑ (τ) (Imτ > 0)

ist

ψ(

1t

)

=12

(

ϑ(

−1it

)

−1

)

=12

(√tϑ (it )−1

)nach der Thetaformel

=12

(√t (2ψ (t)+1)−1

)

=√

tψ (t)+12

(√t −1

).

⇒ π− z2 Γ

( z2

)

ζ (z) =∫ 1

0t

z2−1ψ (t) dt+

∫ ∞

1t

z2−1 ψ (t)

︸︷︷︸

verschw. exp.

dt

︸ ︷︷ ︸

ganze Funktion vonz

=∫ 1

0t

z2−1

(1√tψ

(1t

)

+1

2√

t− 1

2

)

dt+∫ ∞

1t

z2−1ψ (t) dt

=∫ 1

0t

z−12 ψ

(1t

)

︸ ︷︷ ︸

verschw. exp.

dtt

+∫ ∞

1t

z2 ψ (t)

dtt

+ limε→0

[

12

1z2 − 1

2

tz2− 1

2 − 12

1z2

tz2

]1

ε

Subst.=

∫ ∞

1

(

t1−z

2 + tz2

)

ψ (t)︸︷︷︸

verschw. exp.

dtt

︸ ︷︷ ︸

ganze Funktion vonz

−(

1z

+1

1−z

)

= π− z2 Γ

( z2

)

ζ (z)

⇒ π− z2 Γ

(z2

)ζ (z) ist meromorph nachC fortsetzbar mit Polen (1. Ordnung) nur in

0 und 1.⇒ ζ „ist“ meromorph in ganzC, und mitΓ(i) =√

π folgt:

(i) ζ hat in 1 einen Pol 1. Ordnung mit Res(ζ ,1) = 1,

(ii) Verhalten in 0:

ζ (z) = −πz2 · 1

zΓ(

z2

) +bei 0 hol. Fktn.

Γ(

z2

)

= −πz2

1

2Γ(

z2 +1

) +bei 0 hol. Fktn., die in 0 verschw.

206

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⇒ ζ ist in 0 holomorph mitζ (0) = −12.

Also: ζ hat genau einen Pol, und es gelten die diesbezüglichen Angaben im Satz.Zweite Form der Funktional-Gleichung:

π− z2 Γ

( z2

)

ζ (z) = πz−1

2 Γ(

1−z2

)

ζ (1−z)

⇒ Γ(

1−z2

)

= Γ(

1− 1+z2

)

Γ(

z+12

)sin

(π z+1

2

)

Γ(

z+12

)cosπ

2z,

daΓ(1−z) = πΓ(z)sinπz ist.

⇒ ζ (1−z) = π12−zcosπ

2z

π·√

π2z−1 Γ(z)ζ (z)

=2

(2π)z cosπ2

zΓ(z)ζ (z) . 2

33.6 Korollar ζ ist nullstellenfrei in der Halbebene{z∈ C |Rez> 1} und hat inder Halbebene{z∈ C |Rez< 0} nur die „trivialen“ Nullstellenz = −2n, n ∈ N,währendζ (1−2n) = −B2n

2n (n≥ 1).

Wiederholungz

ez−1=

∑n=0

Bn

n!zn (|z| < 2π) .

Dann gilt:Bn ∈ Q (n∈ N), B0 = 1, ∑n−1k=0

(nk

)Bk = 0 für allen∈ N. ⇒ B1 =

−12, B2n+1 = 0 für allen≥ 1.

ζ (2k) = (−1)k−1 · 12

(2π)2k B2k

(2k)!(k≥ 1) .

Die Formeln des Korollars lassen sich zusammenfassen zuζ (1−n) =−Bnn für alle

n > 1. Wegenζ (0) = −12, B1 = −1

2 gilt diese Formel nicht mehr fürn = 1.

Beweis Nach 33.4 gilt:ζ (z) 6= 0 für Rez> 1.

33.5⇒ ζ (1−z) =2

(2π)z cos(π

2z)

Γ(z)︸︷︷︸

nstfrei

ζ (z)︸︷︷︸

nstfrei für Rez>1

= 0⇔ z∈ Z,zungerade

⇒ Die Zetafunktion hat in der Halbebene{z∈ C |Rez< 0} genau die Nullstellenz′ = −2n (n∈ N). Für allen∈ N gilt weiter:

ζ (1−2n) =2

(2π)2n cos(π

22n

)

︸ ︷︷ ︸

=(−1)n

Γ(2n)︸ ︷︷ ︸

(2n−1)!

ζ (2n)︸ ︷︷ ︸

(−1)n−1 12

(2π)2nB2n(2n)!

= −B2n

2n.

2

207

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33.7 Korollar Die „nicht-trivialen“ Nullstellen vonζ liegen alle im „kritischenStreifen“{z∈ C |0≤ Rez≤ 1}.

Beweis 33.6 2

33.8 Satz (HADAMARD , DE LA VALLÉE POUSSIN) , 1896, benannt nachJAQUES

SALOMON HADAMARD , 8.12.1865–17.10.1963, undCHARLES JEAN GUSTAVE

NICOLAS BARON DE LA VALLÉE POUSSIN, 14.8.1866–2.3.1962.

a) Für 0 6= t ∈ R ist ζ (1+ it ) 6= 0.

b) ζ (it ) 6= 0 für alle t ∈ R.

Beweis (DON BERNARD ZAGIER , *1951) Φ(z) := ∑plogp

pz ist sinnvoll und holo-

morph für Rez> 1. Für Rez> 1 ist ζ (z) = ∏p(1− p−z)−1.

⇒ −ζ ′

ζ(z) =

(1ζ

)′

(z) = ∑p

pz logp

(1− p)−z = ∑p

logppz−1

= Φ(z)+∑p

logp

(1

pz−1− 1

pz

)

= Φ(z)+∑p

logppz(pz−1)

︸ ︷︷ ︸

hol. für Rez> 12

.

⇒−ζ ′

ζ(z) = Φ(z)+∑

p

logp(pz−1) pz (Rez> 1) , (33.1)

und hier ist die Reihe∑plogp

(pz−1)pz sogar holomorph für Rez> 12. ζ ist meromorph.

⇒ Φ hat eine meromorphe Fortsetzung in die Halbebene{

z∈ C |Rez> 12

}mit

Polen 1. Ordnung

(i) in z0 = 1 mit Residuum 1,

(ii) in allen Nullstellen vonζ in der Halbebene{

z∈ C |Rez> 12

}mit Residuum

Res(Φ,z1) = −µ in einer Nullstellez1 der Ordnungµ ≥ 0 vonζ .

Annahme: Sei 06= α ∈ R, ζ habe die Ordnungµ ≥ 0 in 1+ iα , und die Ordnungν ≥ 0 in 1+2iα . Wir zeigen:µ = 0⇒ 1+ iα ist keine Nullstelle vonζ .Nach (33.1) und (i) gilt:

limε→+0

εΦ(1+ ε) = Res(Φ,1) = 1,

limε→+0

εΦ(1+ ε ± iα) = Res(Φ,1+ iα) = −µ, (33.2)

limε→+0

εΦ(1+ ε ±2iα) = Res(Φ,1+2iα) = −ν .

208

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Beachte dabei:Φ(z) = Φ(z). Fürε > 0 gilt:

4

∑k=0

(4k

)

Φ(1+ ε + i (k−2)α)

= ∑p

logpp1+ε

4

∑k=0

(4k

)1

pi(k−1)α︸ ︷︷ ︸

A

(33.3)

= ∑p

logpp1+ε

(

2cos(α

2logp

))4> 0,

wobei

A = p2iα4

∑k=0

(4k

)(p−iα)k

= p2iα (1+ p−iα)4

=(

pi α2 + p−i α

2

)4=

(

2cos(α

2logp

))4> 0.

⇒ limε→+0

ε4

∑k=0

(4k

)

Φ(1+ ε + i (k−2)α) = −2ν︸︷︷︸

k=0,k=4

+(−8µ)︸ ︷︷ ︸

k=1,k=3

+ 6︸︷︷︸

k=2

(33.3)≥ 0.

⇒ µ = 0⇒ a), und es folgt

33.9 Korollar FürΦ(z) := ∑plogp

pz (Rez> 1) gilt: Φ ist meromorph fortsetzbar

in die Halbebene{

z∈ C |Rez> 12

}und Φ(z)− 1

z−1 ist holomorph für Rez > 1,d. h. hat eine holomorphe Fortsetzung in ein GebietG⊃ {z∈ C |Rez≥ 1}.

b) folgt aus a) und der Funktionalgleichung sowieζ (0) = −12 6= 0. 2

33.8 und 33.9 liefern uns in 34 den Primzahlsatz (34.6):

π (x) ∼ xlogx

für x→+∞, wobeiπ (x) := #{p≤ x, pprim}. Frage:π (x) = xlogx +R(x)

︸︷︷︸

Rest

mit einem

R(x) =O (xα)? Bis heute unbewiesen. Bestmöglich wäreα = 12 +ε für jedesε > 0.

Das könnte man zeigen, wenn man wüsste:

33.10 Satz (Riemannsche Vermutung)Die nicht-trivialen Nullstellen vonζ ha-ben alle den Realteil12.

33.11 SatzFür T > 0 sei N(T) := #{z= x+ iy |0 < x < 1,0≤ y≤ T,ζ (z) = 0}.Dann gilt:

N(T) ∼ T2π

logT2π

− T2π

+O (logT)

für T → ∞.

Beweis Siehe Titchmarsh (1951) 2

209

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Kapitel 34

Der Primzahlsatz

π (x) := #{p| pPrimzahl≤ x} .

Ziel: Primzahlsatz:π (x) ∼ xlogx für x → ∞, d. h. limx→∞

π(x) logxx = 1. Erster Be-

weis 1896 von JACQUESHADAMARD undDE LA VALLÉE POUSSIN, 1932 Beweisvon NORBERTWIENER mit Hilfe eines sog. „Tauberschen Satzes“. Vereinfachungdurch D. J. Newman in Newman (1987). Bequem nachlesbar bei Kosevaar. WeitereVereinfachungen durch Don Zagier in Zagier (1997).

Exkurs (Taubersche Sätze)Abelscher Grenzwertsatz (9.4) liefert:∑∞n=1an kon-

vergiert⇒ limx→1−0 ∑∞n=1anxn existiert und ist= ∑∞

n=1an. Umgekehrt folgt ausder Existenz von limx→1−0 ∑∞

n=1anxn nicht notwendig die Konvergenz von∑∞n=1an.

Beispiel:an := (−1)n: ∑∞n=0(−1)nxn = 1

1+x für |x| < 1, der Limes existiert, aber∑∞

n=0(−1)n divergiert. Die Umkehrung gilt aber unter Zusatzbedingungen, z. B. imSatz von Tauber: Gilt limx→1−0 ∑∞

n=0anxn = α , und gilt limn→∞ nan = 0 (Tauber-sche Zusatzbedingung), so folgt:∑∞

n=0an konvergiert gegenα .Entsprechende Begriffsbildungen gibt es für Integrale an Stelle von Reihen. Fürden Primzahlsatz brauchen wir folgenden Tauberschen Hilfssatz:

34.1 Satz (Tauberscher Hilfssatz)Die Funktion F: ]0,∞[ → C sei beschränktund über jedes kompakte Teilintervall Riemann-integrierbar, und es sei

G(z) :=∫ ∞

0F (t)e−tzdt (Rez> 0) .

Damit ist G also sinnvoll und holomorph fürRez> 0. Ferner sei vorausgesetzt: Ghat eine holomorphe Fortsetzung in eine geeignete hinreichend kleine Umgebungeines jeden Punktes der imaginären Achse (Taubersche Zusatzbedingung). Dannexistiert das uneigentliche Riemann-Integral

∫ ∞

0F (t) dt = G(0) .

Beispiel: F≡ 1, G(z) = 1z für Rez> 0. ⇒ Ohne Taubersche Zusatzbedingung ist

der Satz falsch. Die Zusatzbedingung besagt: G ist holomorph in einem Gebiet derForm aus Abb. 34.1.

210

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Im

Re

γ+

γ−

γ∗

δ η

Abbildung 34.1: Situation im Beweis von 34.1

211

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Beweis G(z) :=∫ ∞

0 F (t)e−tzdt ist sinnvoll und holomorph für Rez> 0, (Beweiszur Übung); lt. Zusatzvoraussetzung istG sogar holomorph für Rez≥ 0, d. h. ineinem Gebiet dieser Form. Fürλ > 0 seiGλ (z) :=

∫ λ0 F (t)e−zt dt. ⇒ Gλ ist eine

ganze Funktion vonz. Zu zeigen ist:

Gλ (0) =∫ λ

0F (t)

λ→∞−−−→ G (0) .

Idee: Wir stellenG(0)−Gλ (0) mit Hilfe der Cauchyschen Integralformel (13.1)dar und schätzen ab. Dazu wählen wir einen Wegγ folgenden Typs:γ+ sei derin der Halbebene{z∈ C |Rez> 0} gelegene Teil vonγ, γ− sei der in der Halb-ebene{z∈ C |Rez< 0} gelegene Teil vonγ. Außerdem seiδ > 0 so klein, dassγim Holomorphie-Gebiet vonG liegt. Die Cauchysche Integralformel (13.1) liefertdann folgenden vorläufigen Ansatz:

G(0)−Gλ (0) =1

2π i

γ

G(z)−Gλ (z)z

dz. (34.1)

OBdA kann angenommen werden:|F | ≤ 1. Vorläufige Abschätzung des Integran-den unter (34.1):

|G(z)−Gλ (z)| =

∣∣∣∣∣∣∣

∫ ∞

λF (t)︸︷︷︸

|·|≤1

e−tzdt

∣∣∣∣∣∣∣

(34.2)

=1x

e−λx, (x = Rez> 0)

|Gλ (z)| =

∣∣∣∣∣∣∣

∫ λ

0F (t)︸︷︷︸

|·|≤1

e−tzdt

∣∣∣∣∣∣∣

≤∫ λ

0e−txdt (34.3)

<1|x|e

−λx (x = Rez> 0)

Problem: (34.3) ist fürλ → ∞ viel zu schlecht! Newman’s Trick: Endgültiger An-satz:

G(0)−Gλ (0) =1

2π i

γ(G(z)−Gλ (z))eλz

(1z

+z

R2

)

dz (34.4)

Richtigkeit ist klar nach 12.4 und 13.1. Nun gilt fürz∈ [γ+] nach (34.2) fürx =Rez> 0:

∣∣∣∣(G(z)−Gλ (z))eλz

(1z

+z

R2

)∣∣∣∣≤ 1

xe−λxeλx

∣∣∣∣

z+zR2

∣∣∣∣

︸ ︷︷ ︸

= 2xR2

=2R2 .

⇒∣∣∣∣

12π i

γ+(G(z)−Gλ (z))eλz

(1z

+z

R2

)

dz

∣∣∣∣≤ 1

2π2R2 πR=

1R

. (34.5)

212

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Schwieriger ist die Abschätzung fürz∈ [γ−]: Zunächst der Beitrag vonGλ : Gλ istganz. Mit dem Cauchyschen Integralsatz (12.4) gilt also:

γ−Gλ (z)eλz

(1z

+z

R2

)

dz=∫

γ∗Gλ (z)eλz

(1z

+z

R2

)

dz.

∣∣∣∣

12π i

γ−Gλ (z)eλz

(1z

+z

R2

)

dz

∣∣∣∣

(34.6)

(34.3)≤ 1

γ∗

1|x|e

−λxeλx

∣∣∣∣

z+zR2

∣∣∣∣|dz| = 1

2π2R2 πR=

1R

.

Jetzt: Behandlung des Beitrags vonG. Dazu seiε > 0, R := 1ε , δ > 0 so klein, dass

γ ganz im Holomorphie-Gebiet vonG liegt, C := maxz∈[γ−]

∣∣G(z)

(1z + z

R2

)∣∣. Wir

wählen 0< η < δ so klein, dass∣∣∣∣∣∣

12π i

γ−−η≤x≤0

G(z) eλz︸︷︷︸

|·|≤e−λη

(1z

+z

R2

)

dz

∣∣∣∣∣∣

(34.7)

≤ 12π

Ce−λη Länge vonγ−︸ ︷︷ ︸

≤πR

≤ 12

CRe−λη .

⇒ Bei vorgegebenemε > 0 sindC,R „sehr groß“,η > 0 „winzig klein“. Über λkann aber frei verfügt werden.⇒ Zu ε > 0 gibt es einλ0 > 0, so dass für alleλ ≥ λ0 gilt:

∣∣∣∣∣

12π i

γ−x≤−η

G(z)eλz(

1z

+z

R2

)

dz

∣∣∣∣∣< ε. (34.8)

WegenR= 1ε folgt aus (34.4)-(34.8):

|G(0)−Gλ (0)| ≤ 4ε für alle λ ≥ λ0.

WegenGλ (0) =∫ λ

0 F (t) dt ist dies die Behauptung. 2

34.2 Definition (Tschebyschewscheϑ -Funktion) Für x≥ 0 sei

ϑ (x) := ∑p≤x

logp

die sog. Tschebyschewsche Funktionϑ , benannt nach PAFNUTI LWOWITSCHTSCHE-BYSCHEW, 1821–1894.

34.3 Satz ϑ (x)∼ x für x→ ∞. Schon Tschebyschew hat gezeigt: Ausϑ (x)∼ x fürx→ ∞ kan man den Primzahlsatz leicht folgern und umgekehrt.

213

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Beweis Für allep∈ ]n,2n] (n∈ N) gilt: p|(2n

n

), also

∏p∈]n,2n]

p≤(

2nn

)

≤2n

∑k=0

(2nk

)

= 22n.

Hier setzen wirn := 2k−1 für k≥ 1 und logarithmieren:

⇒ ∑2k−1<p≤2k

logp≤ 2k log2.

Summation über diese Blöcke:

∑p≤2k

logp≤(

2k +2k−1 + . . .+2+1)

log2≤ 2k+1 log2.

⇒ Für 2k−1 < x≤ 2k ist

ϑ (x) = ∑p≤x

logp≤ ∑p≤2k

logp≤ 2k+1 log2= 4log22k−1︸︷︷︸

<x

≤ 4log2x.2

34.4 SatzDas Integral∫ ∞

1

ϑ (x)−xx2 dx

existiert als uneigentliches Riemann-Integral.

Beweis Φ(z) = ∑p

logppz (Rez> 1)

Dann gilt mit

ϑ (n)−ϑ (n−1) =

{p für n = pprim0 für sonst

wegenϑ (x) = O (x) für x→ ∞ undϑ (0) = 0 für Rez> 1:

Φ(z) =∞

∑n=1

ϑ (n)−ϑ (n−1)

nz

part. Sum.=

∑n=1

ϑ (n)

(1nz −

1(n+1)z

)

=∞

∑n=1

ϑ (n)︸ ︷︷ ︸

=ϑ(x) für n≤x<n+1

z∫ n+1

nx−z−1dx

= z∫ ∞

1ϑ (x)x−z−1dx.

Ergebnis:

Φ(z) = z∫ ∞

1ϑ (x)x−z−1dx (Rez> 1) . (34.9)

214

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Wir wählen in 34.1F (t) := ϑ(et)et −1 (beschränkt wegenϑ (x) = O (x) für x→ ∞!).

Dazu bilden wir lt. 34.1 für Rez> 0:

G(z) :=∫ ∞

0F (t)e−tzdt =

∫ ∞

(et)e−(z+1)t dt− 1

zSubst.=

∫ ∞

1ϑ (x)x−z−1dx

x− 1

z(34.9)=

Φ(z+1)

z+1− 1

z(Rez> 0) .

Nach 33.9 istΦ(z)− 1z−1 holomorph für Rez≥ 1.

⇒ Φ(z+1)

z+1− 1

z=

1z+1

(

Φ(z+1)− 1z

)

+1z

(1

z+1−1

)

=1

z+1

(

Φ(z+1)− 1z

)

︸ ︷︷ ︸

hol. für Rez≥0

− 1z+1

ist holomorph in einer geeigneten Umgebung eines jeden Punktes der imaginärenAchse.

34.1⇒∫ ∞

0F (t) dt =

∫ ∞

1

ϑ (x)−xx2 dx

existiert als konvergentes uneigentliches Riemann-Integral. 2

34.5 Korollar ϑ (x) ∼ x für x→ ∞.

Beweis Annahme:limx→∞ϑ(x)

x > 1.⇒∃λ > 1 ϑ (xn) ≥ λxn für eine geeignete

Folge(xn)n≥1 mit |xn| n→∞−−−→ ∞. ⇒ Wegenϑ ↑ gilt dann:

∫ λxn

xn

ϑ (x)−xx2 dx≥

∫ λxn

xn

λxn−xx2 dx

x=xnt=

∫ λ

1

λ − tt2 dt,

und das ist eine vonn unabhängige Konstante> 0. Aber: Die linke Seite konver-giert fürn→ ∞ gegen 0 nach dem Cauchy-Kriterium.E.⇒ limx→∞

ϑ(x)x ≤ 1.

Umgekehrt. Annahme: limx→∞ϑ(x)

x < 1.⇒∃λ < 1 ϑ (xn) ≤ λxn für eine geeig-

nete Folge(xn)n≥1 mit |xn| n→∞−−−→ ∞.

⇒∫ xn

λxn

ϑ (x)−xx2 dx≤

∫ xn

λxn

λxn−xx2 dx

x=xnt=

∫ 1

λ

λ − tt2 dt,

und das ist eine vonn unabhängige Konstante< 0. Aber: Die linke Seite konver-giert fürn→ ∞ gegen 0 nach dem Cauchy-Kriterium.E⇒ limx→∞

ϑ(x)x ≥ 1.

Zusammen: limn→∞ϑ(x)

x existiert und ist= 1. 2

34.6 Satz (Primzahlsatz)π (x) ∼ xlogx für x→ ∞.

215

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Beweis (i) ϑ (x) = ∑p≤x logp≤ ∑p≤x logx≤ π (x) logx.

⇒ limx→∞

π (x) logxx2

34.5≥ lim

x→∞

ϑ (x)x

= 1.

(ii) Sei 0< ε < 1.

ϑ (x) = ∑p≤x

logp≥ ∑x1−ε≤p≤x

(1− ε) logx

= (1− ε) logxπ (x)− ∑p≤x1−ε

(1− ε) logx

︸ ︷︷ ︸

höchstensx1−ε Terme

≥ (1− ε) logx(π (x)−x1−ε)

⇒ (1− ε) limx→∞

π (x) logxx

≤ limx→∞

ϑ (x)x

︸ ︷︷ ︸

34.5= 1

+(1− ε) limx→∞

x1−ε logxx

︸ ︷︷ ︸

=0

⇒ ∀ε > 0 (1− ε) limx→∞

π (x) logxx

≤ 1,

d. h.

limx→∞

π (x) logxx

≤ 1.

Zusammen: limx→∞π(x) logx

x existiert und ist= 1. 2

34.7 Korollar Sei(pn)n≥1 die Folge der der Größe nach abgezählten Primzahlen.Dann gilt: pn ∼ nlogn. für n→ ∞.

Beweis Nach 34.6 gilt:

n = π (pn) ∼pn

logpn(34.10)

D. h.

nlogpn

pn

n→∞−−−→ 1.

⇒ logn+ log logpn− logpnn→∞−−−→ 0.

Division durch logpn liefert:

lognlogpn

n→∞−−−→ 1 (34.11)

Nach (34.10) gilt:

nlogpn

pn

n→∞−−−→ 1.

216

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Mit (34.11) folgt:

nlognpn

n→∞−−−→ 1.

⇒ Behauptung. 2

217

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Kapitel 35

Der Satz von MITTAG -L EFFLER

Frage: Sei(ak)k≥1 eine Folge verschiedener komplexer Zahlen mit|ak| t→∞−−→ ∞ und

hk (z) :=mk

∑ν=1

αkν (z−ak)−ν

ein vorgegebener Hauptteil inak. Existiert eine inC meromorphe Funktionf mitfolgenden Eigenschaften:

(1) f ist holomorph inC\{ak,k≥ 1},

(2) f hat inak einen Pol mit dem Hauptteilhk?

Entsprechende Frage für beliebige Gebiete.Antwort: Ja, auch für beliebige Gebiete, hier allerdings nur für ganzC.

35.1 Satz (Mittag-Leffler) benannt nachGÖSTA M ITTAG-LEFFLER, 16.3.1846–7.7.1927, schwedischer Mathematiker.

Sei(ak)k≥1 eine Folge verschiedener komplexer Zahlen mit|ak| k→∞−−−→∞ und hk (z) :=

∑mkν=1 αkν (z−ak)

−ν (mk ≥ 1,αkν 6= 0) sei ein vorgegebener Hauptteil in ak (k≥ 1).Dann existiert eine inC meromorphe Funktion f mit den gewünschten Eigenschaf-ten:

(1) f ist holomorph inC\{ak,k≥ 1},

(2) hk ist der Hauptteil von f in ak,

und zwar gibt es eine Folge von Polynomfunktionen(pk)k≥1 („Konvergenz erzeu-gende Summanden“), so dass die Reihe∑∞

k=1hk − pk nach Weglassen geeignetervom betreffenden Kompaktum abhängiger endlich vieler Terme kompaktgleichmä-ßig absolut konvergiert und eine Funktion f0 mit den Eigenschaften (1) und (2)darstellt. Sind f,g in C meromorph, und hat f die Eigenschaften (1) und (2), sogilt: g hat die Eigenschaften (1) und (2) genau dann, wenn es eine ganzeFunktionh gibt mit g= f +h.Entsprechendes gilt für beliebige Gebiete an Stelle von ganzC. Einen Beweis fürdiesen Fall findet man bei Conway (1996), Fischer und Lieb (2003),Rudin (1999).

218

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Beweis Seiεk > 0 so gewählt, dass∑∞k=1 εk konvergiert (z. B.εk = 2−k). Definition

derpk: Ist ak = 0, so seipk := 0. Seiak 6= 0. Dann isthk in K|ak| (0) holomorph, lässtsich also um 0 in eine Taylorreihe entwickeln, und diese Taylorreihe konvergiertauf jedem KompaktumK ⊂ K|ak| (0) normal gegenhk. Wir setzenpk := geeigneteTeilsumme der Taylorreihe vonhk um 0, so dass

|pk (ζ )−hk (ζ )| ≤ εk ∀ζ ∈ K12 |ak| (0) .

Behauptung: Diesepk leisten das Verlangte.Begründung: SeiR> 0. Dann existiert einp∈ N, so dass|ak| > 2R für allek≥ p.

⇒∀k≥ p z∈ KR(0) |hk (z)− pk (z)| < εk

⇒ ∑∞k=p(hk (z)− pk (z)) konvergiert aufKR(0) normal. Alle Reihenglieder sind

holomorph.⇒ ∑∞k=p(hk− pk) ist holomorph aufKR(0), und die Reihe

∑k=1

(hk− pk) =p−1

∑k=1

(hk− pk)+∞

∑k=p

(hk− pk)

hat genau die Eigenschaften (1) und (2) und die Konvergenzeigenschaften wie imSatz genannt. —Seienf ,g meromorph inC, und f habe die Eigenschaften (1) und (2). Dann gilt:

„⇒“ h ganz⇒ f +h =: g ist meromorph inC mit (1) und (2).

„⇐“ Ist auchgmeromorph mit (1) und (2), so istg− f holomorph inC\{ak,k≥ 1},und wegen (2) ist jedesak hebbare Singularität vong− f . ⇒ h := g− f „ist“ganz. 2

35.2 Beispielefür Konvergenz erzeugende Summanden wie in 35.1.

a) π cotπz= limn→∞

n

∑k=−n

1z+k

=1z

+∞

∑n=−∞

(1

z+n− 1

n

)

(z∈ C\Z) .

Hier genügt es schon, als Polynompk den konstanten Term der Taylorent-wicklung von 1

z+n um 0 zu nehmen, um die Konvergenz zu sichern. (vgl. §27).

b)π2

sin2 πz=

∑n=−∞

(1

z−n

)2

(z∈ C\Z) .

Hier sind keine Konvergenz erzeugenden Summanden nötig. (vgl. § 27).

c)π

sinπz= lim

n→∞

n

∑k=−n

(−1)k 1z+k

(Das konvergiert kompakt gleichmäßig, aber nicht kompakt gleichmäßig ab-solut.)

=1z

+∞

∑n=−∞

(−1)n(

1z+n

− 1n

)

(z∈ C\Z)

Das konvergiert kompakt gleichmäßig absolut.

219

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d) Die Weierstraßsche℘-Funktion (Kapitel IX).

220

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Teil VII

Linear gebrochene Abbildungen,hyberbolische Geometrie

221

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Kapitel 36

Der Punkt ∞

Ziel: Genaue Diskussion linear gebrochener Abbildungen des Typsz 7→ az+bcz+d ,

(a bc d

)

∈SL2(C), also eine invertierbare 2×2-Matrix mit Determinante 1. Dabei zweckmä-ßigerweisez∈ P := C∪{∞}.

Wiederholung P := C∪{∞}mit TopologieT := {U ⊂ C,U offen in C}∪{P\K,K ⊂ C kompakt}.⇒ (P,T) ist ein kompakter topologischer Raum und homöomorph zuS2 ⊂ R3 ver-möge der stereographischen Projektion

ς : P → S2, ς (z) :=

1|z|2+1

2Rez2Imz|z|2−1

für z∈ C,

001

für

τ = σ−1 : S2 → P, τ

ξηζ

:=

ξ+iη1−ζ für

ξηζ

6=

001

∞ für

ξηζ

6=

001

⇒ ς ist ein Homöomorphismus vonP aufS2.

36.1 Definition (Gebiet inP) SeiG⊂ P. G heißt einGebiet: ⇔ G ist offen undzusammenhängend.

36.2 Folgerung SeiG⊂ P. Dann gilt:G ist ein Gebiet⇔ G ist offen und wegzu-sammenhängend (vgl. 9.6).

36.3 Definition (Holomorphie in P) SeiD ⊂ P offen.

222

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a) Sei f : D → C, a∈ D. f heißt ina holomorph: ⇔

(i) Falls a ∈ C: übliche Definition (d. h.f ist in einer Umgebung vonakomplex differenzierbar).

(ii) Falls a = ∞: Die Funktion

g:

{1z,z∈ D∩C∗

}

∪{0}→ C, g

(1z

)

:= f (z) (z∈ D∩C∗)

undg(0) := f (∞) ist holomorph in 0 (d. h. in einer Umgebung von 0komplex differenzierbar).

Beachte: (ai) und (aii) sind miteinander verträglich.

b) Seia∈ D, f : D \ {a} → C. f hat ina eine hebbare Singularität bzw. einenPolm-ter Ordnung bzw. eine wesentliche Singularität :⇔

(i) Falls a∈ C: übliche Definition

(ii) Falls a = ∞: Die Funktiong aus a) hat die entsprechende Eigenschaftin 0.

Hat f in a eine hebbare Singularität oder einen Pol, so heißt ord( f ,a) :={

übliche Definition für a∈ Cord(g,0) für a = ∞ die Ordnung vonf in a.

36.4 Beispiele a) D = P,

(α βγ δ

)

∈ SL2(C), γ 6= 0. Wir definieren

f : P → P, f (z) :=

αz+βγz+δ für − δ

γ 6= z∈ C,αγ für z= ∞∞ für z= − δ

γ

⇒ f ist holomorph in∞, denn

g(z) :=

{

f(

1z

)für 0 6= z∈ C

f (∞) = αγ für z= 0

ist holomorph in 0.

b) f (z) :=

{

∑mj=0 α jz− j für z∈ C∗

α0 für z= ∞mit einemαm 6= 0.⇒ f ist holomorph in∞, denn

g(z) :=

{f(

1z

)= ∑m

j=0 α jzj für z∈ C∗

f (∞) = α0 für z= 0

ist holomorph in 0. Es gilt: ord( f ,∞) = min{k≥ 0,αk 6= 0}.

223

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c) p(z) :=n

∑j=0

α jzj (z∈ C,αn 6= 0)

hat in∞ einen Poln-ter Ordnung, denn

g(z) := p

(1z

)

=n

∑j=0

α jz− j (z∈ C∗)

hat in 0 einen Poln-ter Ordnung.

d) exp hat in∞ eine wesentliche Singularität, denn

g(z) := exp

(1z

)

=∞

∑n=0

1n!

z−n (z∈ C∗)

hat in 0 eine wesentliche Singularität.

36.5 Definition (Holomorphe Abbildungen inP) SeiD⊂C offen. Dann nennenwir f : D → P eineholomorphe Abbildunggenau dann, wenn gilt:

(i) f−1({∞}) hat keinen Häufungspunkt inD.

(ii) Die Funktion f : D \ f−1({∞}) → C ist holomorph im Sinne der Definition36.3 a).

(iii) Ist a∈ f−1({∞}), so ist

h(z) :=

{1

f (z) für z 6= a

0 für z= a

in einer geeigneten Umgebung vona holomorph (a = ∞ ist hier erlaubt) imSinne von 36.3 a).

Wir bezeichnenf : D → C als holomorphe Funktion,f : D → P als holomorpheAbbildung.

36.6 SatzSei D⊂ P offen, f: D → P, A := f−1({∞}). Dann gilt: f ist eine holo-morphe Abbildung⇔ A hat keinen Häufungspunkt in D und f|D\A ist meromorphim Sinne von 36.3 b).

Beweis „⇒“ Es ist nur zu zeigen, dassf |D\A in allen Punkten vonA Pole hat.Dazu seia∈ A, U ⊂ D eine offene Umgebung vona mit U ∩A = {a} und| f (z)| > 1 für allez∈U .

36.5⇒ h(z) :=

{1

f (z) für z∈U

0 für z= a

ist holomorph im Sinne von 36.3 a).

224

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(i) a ∈ C: a ist Nullstelle vonh, also ist mit geeignetemm≥ 1: h(z) =(z−a)mg(z), wobei g: U → C holomorph ist mitg(z) 6= 0 für allez∈U .

⇒ f (z) =1

h(z)= (z−a)−m 1

g(z)︸︷︷︸

hol., 6= 0 auf ganzU

.

⇒ f hat ina einen Pol mit ord( f ,a) = m.

(ii) a = ∞: h ist holomorph in∞, d. h. mitV :={

1z,z∈U

}∪{0} gilt:

g: V → C, g(w) :=

{

h(

1w

)= 1

f( 1w)

für w∈V \{0}h(∞) = 0 für z= 0

ist holomorph in 0. D. h. für allew∈V ist g(w) = wmϕ (w) mit m≥ 1und geeignetem holomorphenϕ : V → C, ϕ (w) 6= 0 für alle w ∈ V.

g(w) = 1f( 1

w)⇒ f

(1w

)hat in 0 einen Polm-ter Ordnung.

36.3 b)⇒ f hat in

∞ = a einen Polm-ter Ordnung.

„⇐“ Die obigen Schlüsse lassen sich alle umkehren. 2

36.7 Definition (Biholomorphe Abbildungen) SeienD,D′ ⊂ P offen.

a) f : D → D′ heißt einebiholomorpher Abbildung(auch: konforme Abbil-dung) : ⇔ f ist eine bijektive holomorphe Abbildung.

b) Aut(D) := { f : D → D, f ist biholomorphe Abbildung vonD auf sich}. DieElemente von AutD heißen (komplexe) Automorphismen.

36.8 Folgerung SeienD,D′,D′′ ⊂ P offen.

a) Ist : D → D′ biholomorph, so istf−1 : D′ → D ebenfalls biholomorph. Sindf : D → D′ undg: D′ → D′′ biholomorph, so ist auchg◦ f : D → D′′ biho-lomorph.

b) Aut(D) ist eine Gruppe, die sog.Automorphismen-GruppevonD.

36.9 Beispiele a) D := P,

(α βγ δ

)

∈ SL2(C), γ 6= 0,

f : P → P, f (z) :=

αz+βγz+δ für − δ

γ 6= z∈ Cαγ für z= ∞∞ für z= − δ

γ

⇒ f ∈ Aut(P).

225

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Beweis f ist bijektiv, denn

f (z) =γαz+

=βγ︷ ︸︸ ︷

αδ −1γ (γz+δ )

=αγ− 1

γ (γz+δ ),

für z 6= ∞, z 6= − δγ , da wegen det

(α βγ δ

)

= 1 gilt: αδ +βγ = 1.

f ist holomorph, denn nach 36.4 a) ist nur noch das Verhalten in− δγ zu

prüfen. Hier ist− δγ ∈ C, daγ 6= 0, also ist

h(z) :=

{1

f (z) = γz+δαz+β für z 6= − δ

γ ,

0 für z= − δγ

holomorph in− δγ , denn

α(

−δγ

)

+β = −1γ

(αδ −βγ) = −1γ6= 0.

⇒ f ∈ Aut(P). 2

b) Dto mit γ = 0:

(α β0 δ

)

∈ SL2(C), alsoαδ = 1,

f (z) :=

{ αz+βδ für z 6= ∞,

∞ für z= ∞

Dann gilt: f ∈ Aut(P).

Beweis f ist bijektiv. Um zu zeigen, dassf eine holomorphe Abbildung ist,genügt es, den Punkt∞ zu prüfen, d. h. zu zeigen ist:

h(z) :=

αz+β für z 6= ∞,

0 für z= ∞

ist holomorph in einer Umgebung von∞. Wegenα 6= 0 ist aber

g(z) :=

{

h(

1z

)= δz

α+βz für z 6= 0,

0 für z= 0

holomorph in einer Umgebung von 0, und das war zu zeigen. 2

226

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c) p: P → P, p(z) :=

{

∑nj=0 α jzj für z∈ C,

∞ für z= ∞mit αn 6= 0.⇒ p ist holomorphe Abbildung im Sinne von 36.5.

Beweis p ist in C holomorph und hat in∞ einen Poln-ter Ordnung.36.6⇒

Behauptung. 2

d) Aut(C) = {z 7→ az+b, a,b∈ C,a 6= 0}.

227

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Kapitel 37

Die Automorphismengruppe der„Zahlenkugel“ P

Für jedesS=

(a bc d

)

∈ SL2(C) haben wirfS∈ AutP erklärt durch:

c 6= 0 fS(z) :=

az+bcz+d für −d

c 6= z∈ C∞ für z= − c

dac für z= ∞

c = 0 fs(z) :=

{az+b

d für z∈ C∞ für z= ∞

37.1 Satz a) Die AbbildungSL2(C)∋S 7→ fs∈AutP ist ein Gruppen-Homomorphismusmit Kern{±I}.

b) Die AbbildungGL2(C)∋S 7→ fS∈AutP ist ein Gruppen-Homomorphismusmit Kern{λ I ,λ ∈ C∗}

Beweis triviales Nachrechnen. 2

37.2 Definition (PSL2(C)) PSL2(C) := { fS|S∈ SL2(C)} = Gruppe der linear-gebrochenen Abbildungen der Zahlenkugel auf sich. FürS∈ SL2(C) schreibenwir kurz:

Sz:= S(z) := fS(z) (z∈ P) .

37.3 Satz AutP = PSL2(C) ≃ SL2(C)/{±I} ≃ GL2(C)/{λ I ,λ ∈ C∗}

Beweis Die Isomorphie

PSL2(C) ≃ SL2(C)/{±I} ≃ GL2(C)/{λ I ,λ ∈ C∗}

ist klar nach 37.1 und dem Homomorphiesatz.

228

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AutP ⊃ PSL2(C): 36.9 a),b).

AutP ⊂ PSL2(C): Sei f ∈ AutP.

(i) f (∞) = ∞. ⇒ f |C ist eine biholomorphe Abbildung vonC auf sich,also ein Automorphismus vonC, lt. Übungsaufgabe also von der Formz 7→ αz+β mit α ,β ∈ C, α 6= 0. Seia∈ C eine Quadratwurzel ausα .

⇒ S:=

(

a βa

0 1a

)

∈ SL2(C) ,

und f = fS, d. h. f ∈ PSL2(C).

(ii) f (∞) = p∈ C.

⇒ S:=

(0 −11 −p

)

∈ SL2(C) ,

fS(p) = ∞.⇒ g := fS◦ f ∈AutP undg(∞) = ∞. Aus (i) mitg an Stellevon f folgt dann:g∈ PSL2(C). ⇒ f ∈ PSL2(C). 2

37.4 Definition (Linear-gebrochene Abbildungen)Sei f ∈ AutP.

a) f heißt Translation:⇔ f (z) = z+α mit α ∈ C, f (∞) = ∞, zugehörige Ma-trix:

(1 α0 1

)

.

b) f heißt Rotation:⇔ f (z) = eiϕz, f (∞) = ∞ mit einemϕ ∈ R, zugehörigeMatrix:

(

eiϕ2 0

0 e−iϕ2

)

.

c) f heißt eine Dilatation (bzw. Streckung):⇔ f (z) = λz, f (∞) = ∞ mit geeig-netemλ > 0, zugehörige Matrix:

(

λ 12 0

0 λ− 12

)

.

d) f heißt Inversion (am Einheitskreis):⇔

f (z) =

−1z für z∈ C∗

∞ für z= 00 für z= ∞

,

zugehörige Matrix:(

0 −11 0

)

.

229

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37.5 Lemma Für

S=

(a bc d

)

∈ SL2(C)

gilt:

a) Fürc 6= 0:

(a bc d

)

=

(1 a

c0 1

)(0 −11 0

)(c 00 c−1

)(1 d

c0 1

)

.

b) Fürc = 0:

(a b0 d

)

=

( √a 0

0 1√a

)(1 b0 1

)( √a 0

0 1√a

)

mit irgendeiner Quadratwurzel ausa.

c) Fürc∈ C∗ ist weiter

(c 00 c−1

)

=

(1 c2−c0 1

)(1 0

c−1 1

)(1 1−c0 1

)(1 0−1 1

)

.

d)

(1 0α 1

)

=

(0 −11 0

)(1 −α0 1

)(0 −11 0

)(−1 00 −1

)

e)

(−1 00 −1

)

=

(0 −11 0

)

=

(0 −11 0

)

Beweis Nachrechnen. 2

37.6 Korollar Die Gruppe SL2(C) wird von den Elementen(

1 α0 1

)

und

(0 −11 0

)

, (α ∈ C) ,

erzeugt. D. h. jedesf ∈ AutP ist Komposition von Translationen und Inversionen.

37.7 Definition (Kreise aufP) Eine TeilmengeK ⊂ P heißtKreis auf P :⇔ K isteine euklidische Kreislinie inC, oderK hat die FormK = G∪{∞} mit einer eu-klidischen GeradenG⊂ C.Beachte: Die stereographische Projektion ist eine Kreisverwandtschaft, d. h. sieüberführt Kreise aufP genau auf die Kreise aufS2. Fasst man die Automorphis-men vonP vermöge der stereographischen Projektion als Bijektionen vonS2 aufsich auf, so bildet jedesf ∈ AutP die Kreise aufS2 auf sich ab. Das ist der Inhaltvon Korollar 37.8.

230

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37.8 Korollar Jedesf ∈ AutP bildet Kreise (aufP) auf Kreise (aufP) ab.

Beweis 37.6⇒ Es genügt der Beweis fürf = fS mit

S=

(0 −11 0

)

,

d. h. f (z) = −1z. Die Kreise aufP werden beschrieben durch die Gleichung

αzz+βz+βz+ γ = 0 (37.1)

mit α,β ,γ ∈ C, wobeiα ,γ ∈ R, αγ −|β |2 < 0. Fürα = 0 erhält man die Geraden,für α 6= 0 die euklidischen Kreise. Genügt nunz der Gleichung (37.1), so genügtw := −1

z der Gleichung

α −βw−βw+ γww = 0, (37.2)

und umgekehrt.⇒w liegt wieder auf einem Kreis, denn nach wie vor sindα,γ ∈Rundγα −|−β |2 < 0. 2

37.9 SatzZu jedem Tripel(z1,z2,z3) paarweise verschiedener Elemente z1,z2,z3∈P existiert genau ein f∈ AutP mit

f (z1) = 1, f (z2) = 0 f (z3) = ∞,

und zwar

f (z) :=

z−z2

z−z3:z1−z2

z1−z3für z1,z2,z3 6= ∞

z−z2

z−z3für z1 = ∞

z1−z3

z−z3für z2 = ∞

z−z2

z1−z2für z3 = ∞

,

und stetig fortgesetzt aufP.

Beweis Die Existenz ist klar nach den angegebenen Formeln.Eindeutigkeit: Seienf ,g ∈ AutP mit der angegebenen Eigenschaft.⇒ h := f ◦g−1 ∈ AutP mit h(1) = 1, h(0) = 0, h(∞) = ∞. Wegenh(∞) = ∞ hath die Gestalt

h(z) = αz+β (α ∈ C∗,β ∈ C) .

Wegenh(0) = 0 ist β = 0. h(1) = 1⇒ α = 1.⇒ h = id ⇒ f = g. 2

37.10 Korollar Zu je zwei Tripeln(z1,z2,z3) ,(w1,w2,w3) ∈ P3 paarweise ver-schiedener Zahlen existiert genau einf ∈ AutP mit

f (zj) = w j ( j = 1,2,3) . (37.3)

231

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Beweis 37.9⇒ Es gibt ein eindeutigesf1 ∈ AutP mit f1(z1) = 1, f1(z2) = 0,f1(z3) = ∞, und es gibt ein eindeutigesf2 ∈ AutP mit f2(w1) = 1, f2(w2) = 0,f2(w3) = ∞. ⇒ f−1

2 ◦ f1 ∈ AutP leistet das Verlangte.Eindeutigkeit: Sindf ,g ∈ AutP Lösungen von (37.3), so gilt mith := g−1 ◦ f :h(zj) = zj für j = 1,2,3.

⇒ f1◦h◦ f−11 :

1 7→ 10 7→ 0∞ 7→ ∞

⇒ f1◦h◦ f−11 = id nach 37.9.⇒ h = id ⇒ f = g. 2

37.11 Definition (Doppelverhältnis) Fürz1,z2,z3,z4 ∈ P, z2,z3,z4 paarweise ver-schieden, heißt

DV (z1,z2,z3,z4) :=z1−z3

z1−z4:z2−z3

z2−z4∈ P

(ist eines der Argumente= ∞, so nehme man den passenden Grenzwert wie in 37.9)als Wert des eindeutig bestimmtenf ∈ AutP mit f (z2) = 1, f (z3) = 0, f (z4) = ∞an der Stellez1 dasDoppelverhältnisvonz1,z2,z3,z4.

37.12 Korollar Fürz1, . . . ,z4 ∈ P, z2,z3,z4 paarweise verschieden,T ∈ AutP gilt:

DV (z1,z2,z3,z4) = DV (Tz1,Tz2,Tz3,Tz4) .

Beweis S:= DV (·,z2,z3,z4) ∈ AutP.

⇒ S◦T−1 :

Tz2 7→ 1Tz3 7→ 0Tz3 7→ ∞

⇒ S◦T−1 = DV (·,Tz2,Tz3,Tz4). Auswertung an der StelleTz1 liefert die Be-hauptung. 2

37.13 SatzSeien z1,z2,z3,z4 ∈ P paarweise verschieden. Dann gilt:

a) z1,z2,z3,z4 liegen auf einem Kreis (inP) ⇔ DV (z1,z2,z3,z4) ∈ R.

b) Liegen z1,z2,z3,z4 auf einem Kreis (inP), so gilt: Die Punktepaare(z1,z2)und(z3,z4) trennen sich⇔ DV (z1,z2,z3,z4) < 0.

c) Liegen z1,z2,z3,z4 auf einem Kreis (inP) und trennen sich die Paare(z1,z2)und(z3,z4) nicht, so gilt: z1,z2,z3,z4 folgen zyklisch aufeinander⇔DV (z1,z2,z3,z4)>1.

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Beweis S:= DV (·,z2,z3,z4) :

z2 7→ 1z3 7→ 0z4 7→ ∞

,

z0 := Sz1.

DV (z1,z2,z3,z4) = DV (Sz1,Sz2,Sz3,Sz4) = DV (z0,1,0,∞) = z0 6= ∞

wegenz1 6= z4. Also: z1 liegt auf dem Kreis inP durchz2,z3,z4 ⇔ z0 liegt auf demKreis durch 0,1,∞. ⇔ z0 ∈ R. ⇒ a) und ebenso b), c), denn auch b) und c) sindinvariant bei linear-gebrochener Transformation. 2

37.14 SatzIst±I 6= S∈SL2(C), so hat fS∈AutP mindestens einen und höchstenszwei Fixpunkte aufP; dabei gilt:fS hat genau einen Fixpunkt⇔ SpurS= a+d 6= ±2,fS hat genau zwei Fixpunkte⇔ SpurS= a+d 6= ±2.

Beweis (i) c = 0: ⇒ ∞ ist Fixpunkt von fS. Weitere Fixpunkte brauchen nicht,können aber existieren:z∈ C ist Fixpunkt vonfS

⇔ az+bd

= z⇔(a2−1

)z+ab= 0

wegenad = detS= 1. WegenS 6= ±I scheideta2 = 1,b = 0 aus.a2 = 1⇔a = ±1⇔ a+d = ±2. Also:SpurS= ±2⇒ b 6= 0⇒ fS hat genau einen Fixpunkt, und zwar∞.SpurS 6= ±2⇒ fS hat genau einen Fixpunkt inC, und den Fixpunkt∞, alsogenau zwei Fixpunkte.

(ii) c 6= ∞: ⇒ ∞ ist kein Fixpunkt vonfS. z ist Fixpunkt vonfS

⇔ az+bcz+d

= z⇔ cz2− (a−d)z−b = 0

⇔ z2− a−dc

z+

(a−d

2c

)2

=

(a−d

2c

)2

−b

⇔ z=a−d

2c±

(a−d)2−4bc

2c

⇔ z=a−d

2c±

(a+d)2−4

2c,

da detS= ad−bc= 1 und somit−4bc= 4ad−4. 2

Genauere Diskussion: Sei±I 6=(

a bc d

)

= S∈ SL2(C).

233

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1. Fall Shabe genau einen Fixpunktp∈ P.37.10⇒ Es gibt einT ∈ SL2(C), so dass

T p= ∞. ⇒ TST−1(∞) = ∞. ⇒ TST−1 =

(α β0 α−1

)

mit α ∈ C∗. We-

genα + α−1 = SpurTST−1 = SpurS= ±2 folgt: α = ±1. ⇒ TST−1 =(

±1 β0 ±1

)

, d. h.S ist in SL2(C) zu

(±1 β0 ±1

)

konjugiert, d. h.S ist

in SL2(C) konjugiert, d. h.fS ist in PSL2(C) = AutP zu einer Translationkonjugiert.

2. Fall S habe genau zwei Fixpunktep,q ∈ P.37.10⇒ Es gibt einT ∈ SL2(C) mit

T p = 0 und Tq = ∞. ⇒ TST−1(0) = 0 und TST−1(∞) = ∞. ⇒ ∃λ ∈C∗ TST−1 =

(λ 00 λ−1

)

, d. h. TST−1(z) = λ 2z für alle z∈ P. Da-

bei gilt: λ 6= 1 wegenS 6= ±I . Hier heißtλ 2 Multiplikator von S. WeitereFallunterscheidungen nach den Werten vonλ :

Fall 2a) |λ |= 1,λ 6=±1.⇒ λ = ei ϕ2 mit ϕ 6= 0,−π < ϕ

2 < π, alsoTST−1 =(

ei ϕ2 0

0 e−i ϕ2

)

, TST−1(z) = eiϕz. Drehung um 0 mit∢ϕ . Hier

gilt: SpurS= SpurTST−1 = 2cosϕ2 ∈ R, d. h.|SpurS| < 2.

Fall 2b) λ ∈ R\{±1}. ⇒ TST−1 =

(λ 00 λ−1

)

, TST−1(z) = λ 2z mit

1 6= λ 2 > 0. Streckung (Dilatation). SpurS= SpurTST−1 = λ +λ−1 ∈ R, |SpurS| > 2.

Fall 2c) λ /∈ R, |λ | = 1. ⇒ λ = ρei ϕ2 mit ρ > 0, −π < ϕ

2 < π, ϕ 6= 0.

⇒ TST−1(z) = ρ2eiϕz. Drehstreckung. SpurS= ρei ϕ2 + 1

ρ e−i ϕ2 =

(

ρ + 1ρ

)

cosϕ2 + i

(

ρ − 1ρ

)

︸ ︷︷ ︸

6=0

sinϕ2

︸ ︷︷ ︸

6=0

/∈ R.

Zusammenfassend erhält man eine vollständige Disjunktion und folgenden

37.15 SatzSei±I 6= S∈ SL2(C). Dann gilt:

a) SpurS= ±2 ⇔ fS hat genau einen Fixpunkt⇔ fS ∈ PSL2(C) ist zu einerTranslation konjugiert⇔ : S heißtparabolisch.

b) SpurS∈R, |SpurS|< 2⇔S ist inSL2(C) zu einer Matrix der Form

(

ei ϕ2 0

0 e−i ϕ2

)

konjugiert, wobei−π < ϕ2 < π, ϕ 6= 0⇔ fS ist in PSL2(C) zu einer Rotation

konjugiert⇔ : S heißtelliptisch.

c) SpurS∈ R, |SpurS| > 2 ⇔ S ist inSL2(C) zur Diagonalmatrix der Form(

λ 00 λ−1

)

mit 0 6= λ 6= ±1, λ ∈ R, konjugiert⇔ fS ist in PSL2(C) zu

234

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einer Streckung des Typs z7→ µz (µ > 0, µ 6= 1) konjugiert (µ heißt dannMultiplikator) ⇔ : S heißthyperbolisch.

d) SpurS/∈R⇔S ist inSL2(C) zu

(λ 00 λ−1

)

mit λ /∈R, |λ | 6= 1 konjugiert

⇔ fS ist in PSL2(C) zu einer Drehstreckung z7→ µz (µ ∈C\ [0,∞[, |µ| 6= 1)konjugiert⇔ : S heißtloxodromisch.

Beweis s.o. 2

235

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Kapitel 38

Das Schwarzsche Lemma und dieAutomorphismen-Gruppen desEinheitskreises und der oberenHalbebene

38.1 Definition (Einheitskreis, Obere Halbebene)Im Folgenden seien

E := {z∈ C | |z| < 1} , H := {z∈ C | Imz> 0} .

38.2 Lemma (HERMANN ARMANDUS SCHWARZ ) Es seif : E→C holomorph,| f (z)| ≤ 1 für allez∈ E, f (0) = 0. Dann ist

1.) | f (z)| ≤ |z| für allez∈ E

2.) | f ′ (0)| ≤ 1.

Gilt in 1.) für ein einzigesz∈ E\{0} das „=“-Zeichen, oder gilt in 2.) das „=“-Zeichen, so existiert einϕ ∈ R, so dass für allez∈ E gilt: f (z) = eiϕz, und danngilt überall in 1.) und 2.) das „=“-Zeichen.

Beweis f (z)z hat in 0 eine hebbare Singularität, „ist“ also holomorph inE. Sei 0<

R< 1.

⇒∣∣∣∣

f (z)z

∣∣∣∣≤ 1

R(z∈ ∂KR(0))

16.3⇒ | f (z)|< 1R |z| für allez∈KR(0). Bei festemz∈E gilt das für alleRmit |z|< R<

1. Daher kann man bei festemz∈ E hier R→ 1 gehen lassen und hat| f (z)| ≤ |z|für allez∈ E. ⇒ 1.).

⇒ limz→0

∣∣∣∣

f (z)z

∣∣∣∣=

∣∣ f ′ (0)

∣∣ ≤ 1

236

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⇒ 2.).Gilt in 1.) für ein einzigesz0 ∈ E\{0} das „=“-Zeichen, d. h.| f (z0)| = |z0|, sonimmt f (z)

z in einem Punkt vonE das Maximum des Betrages an.⇒ f (z)z ist kon-

stant vom Betrag 1, d. h.f (z) = eiϕz für alle z ∈ E mit einemϕ ∈ R. Gilt in2.) das „=“-Zeichen, so nimmtf (z)z in 0 das Maximum des Betrages an, also giltf (z) = eiϕz für allez∈ E mit einemϕ ∈ R. 2

Geometrische Interpretation: Istf : E → E mit f (0) = 0, so ist f entweder eineDrehung um 0, oderf bildet jedesz∈ E\{0} auf einen Punkt ab, der näher an 0liegt alszselbst.

38.3 Satz a) Zu jedem f∈ AutE mit f (0) = 0 existiert einϕ ∈ R, so dassf (z) = eiϕz für alle z∈ E.

b) AutE = Gruppe der linear-gebrochenen Transformationen des Typs

E ∋ z 7→ eiϕ z−z0

1−z0z(ϕ ∈ R,z0 ∈ E) .

Beweis a) f ∈ AutE mit f (0) = 0⇒ f−1 ∈ AutE mit f−1(0) = 0.

38.2⇒ ∀z∈ E |z| =∣∣ f−1( f (z))

∣∣

1.)≤ | f (z)|

2.)≤ |z| .

⇒ Überall gilt das „=“-Zeichen.

38.2⇒ ∃ϕ ∈ R ∀z∈ E f (z) = eiϕz.

⇒ a).

b) Für jedesz0 ∈ E ist

gz0 : E → C, gz0 (z) :=z−z0

1−z0z

ein Automorphismus vonE, denngz0 ist holomorph inK 1|z0|

(0), bzw. in C

für z0 = 0, und für|z| = 1 ist

|gz0 (z)| =∣∣∣∣

z−z0

1−z0z

∣∣∣∣=

∣∣∣∣

z−z0

z−z0

∣∣∣∣= 1.

gz0 (z0) = 0.16.3⇒ |gz0 (z)| < 1 für allez∈ E. g−z0 hat dieselben Eigenschaften

und

(gz0 ◦g−z0)(0) = gz0 (z0) = 0

(gz0 ◦g−z0)(−z0) = gz0 (0) = −z0.

237

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Da fürz0 = 0 alles klar ist, sei gleichz0 6= 0. Anwendung von 38.2 liefert:

∃ϕ ∈ R gz0 ◦g−z0 = eiϕ · id .

Da−z0 fest bleibt, folgtgz0 ◦g−z0 = id. ⇒ gz0 ∈ AutE und(gz0)−1 = g−z0.

Sei nunf ∈ AutE, z0 := f−1(0). ⇒(

f ◦g−1z0

)(0) = 0.

⇒∃ϕ ∈ R f ◦g−1z0

= eiϕ · id .

⇒ f = eiϕgz0. ⇒ Behauptung. 2

38.4 Korollar AutE = Gruppe der linear-gebrochenen Transformationen des Typs

E ∋ z 7→ αz+ββz+α

mit

(α ββ α

)

∈ SL2(C) ⇔ |α |2−|β |2 = 1.

Beweis Sei f ∈ AutE 38.3⇒ f hat die Form

f (z) = eiϕ z−z0

1−z0z=

ei ϕ2√

1−|z0|2z− ei ϕ

2√1−|z0|2

z0

e−i ϕ2√

1−|z0|2z0z+ e−i ϕ

2√1−|z0|2

,

und das hat die angegebene Form.

Umgekehrt: Seif (z) = αz+ββz+α

mit

(α ββ α

)

∈ SL2(C). ⇒ |α |2 − |β |2 = 1. ⇒|β | < |α |. Nun ist

αz+ββz+α

=αα

z−(

− βα

)

1−(

− βα

)

z= eiϕ z−z0

1−z0z,

wobei− βα =: z0 ∈ E, d. h. f ∈ AutE. 2

38.5 Lemma Für jedesz0 ∈ H ist

ϕ : H → E, ϕ (z) :=z−z0

z−z0(z∈ H)

eine konforme Abbildung vonH aufE.

238

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Beweis ϕ ist holomorph.Xϕ (H) ⊂ E.Xϕ ist injektiv.Xϕ ist surjektiv:

ψ : E → H, ψ (w) :=z0−z0w1−w

(|w| < 1) .

hat die Eigenschaft:ϕ ◦ψ = idE, denn(

1 −z0

1 −z0

)(−z0 z0

−1 1

)

= (z0−z0)

(1 00 1

)

.

ψ hat wirklich Werte inH, denn

ψ (w) =(z0−z0w)(1−w)

|w|2=

z0− (z0w−z0w)+z0 |w|2

|1−w|2∈ H

wegen|w| < 1. Genauer:

Imψ (w) = y01−|w|2

|1−w|2

für allew∈ E, dabeiy0 = Imz0 > 0. D. h.ψ bildetE nachH ab.⇒ Behauptung.2

38.6 SatzAutH = PSL2(R) = Gruppe der linear-gebrochenen Abbildungen der

FormH ∋ z 7→ az+bcz+d mit

(a bc d

)

∈ SL2(R).

Beweis Mit ϕ : H → D, ϕ (z) := z−iz+i (z∈ H) gilt: Aut H = ϕ−1 ◦AutE◦ϕ .

Wir beschreibenϕ durch die MatrixT := 1√2i

(1 −i1 i

)

, ϕ−1 durchT−1 = 1√2i

(i i−1 1

)

,

die Elemente von AutE durch Matrizen

(α ββ α

)

mit |α |2− |β |2 = 1. ⇒ Die

Elemente von AutH werden beschrieben durch genau die Matrizen der Form

T−1(

α ββ α

)

T =

(Re(α +β ) Im(α −β )− Im(α +β ) Re(α −β )

)

︸ ︷︷ ︸

det(·)=|α|2−|β |2=1

∈ SL2(R) .

⇒ AutH ⊂ PSL2(R).

Umgekehrt: FürS:=

(a bc d

)

∈ SL2(R) ist

ImSz=Imz

|cz+d|2<=>

0

z∈ Hz∈ R\

{−d

c

}

z∈ H

⇒ PSL2(R) ⊂ AutH.⇒ PSL2(R) = AutH. 2

239

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38.7 Satz Ist±I 6= S ∈SL2(R), so ist S parabolisch, elliptisch oder hyperbolisch.Dabei gilt:

a) S ist parabolisch⇔ SpurS= ±2⇔ S hat genau einen Fixpunkt aufP, und

dieser Fixpunkt liegt aufR∪{∞}⇔S ist inSL2(R) konjugiert zu±(

1 λ0 1

)

mit λ ∈ R\{0}.

b) S ist elliptisch⇔|SpurS|< 2⇔S hat genau zwei konjugiert komplexe nicht-reelle Fixpunkte⇔ S ist in SL2(R) konjugiert zu einer Matrix der Form(

cosϕ2 sinϕ

2−sinϕ

2 cosϕ2

)

mit −π < ϕ2 < π, ϕ 6= 0.

c) S ist hyperbolisch⇔ |SpurS| > 2 ⇔ S hat genau zwei verschiedene Fix-

punkte inR∪{∞} ⇔ S ist inSL2(R) konjugiert zu

(λ 00 λ−1

)

mit λ ∈R, |λ | 6= 1.

Beweis vgl. Beweis von 37.15. 2

Im Folgenden werden wir einen kurzen Anhang zur Konformität holomorpherFunktionen einschieben.

38.8 Definition (Winkel, Lokale Konformität) a) Seienγ1,γ2 : [0,1]→C stück-weise stetig differenzierbare Wege mitγ1(0) = γ2(0), γ ′1(0) 6= 0 6= γ ′2(0).

Dann heißt∢(γ1,γ2,0) := argγ ′2(0)γ ′1(0) (z. B. ∈ [0,2π[ oder ]−π,π]) der orien-

tierte Winkelzwischenγ1 undγ2 im Anfangspunktγ1(0) = γ2(0).

b) SeiU ⊂ C offen, f : U → C einC1-Diffeomorphismus. Dann heißtf lokalkonform, wenn für je zwei Wegeγ1,γ2 : [0,1] → U mit den Eigenschaftenaus a) gilt:

∢( f (γ1) , f (γ2) ,0) = ∢(γ1,γ2,0) .

f heißtkonform, wenn f zusätzlich bijektiv ist. Beachte:( f ◦ γ j)′ (0) 6= 0, da

D f invertierbar ist.

38.9 SatzSei U⊂ C offen, f: U → C lokal ein C1-Diffeomorphismus. Dann gilt:

a) f ist lokal konform⇔ f ist lokal biholomorph.

b) f ist konform⇔ f ist biholomorph.

Beweis Ist γ : [0,1] →U stetig differenzierbar, so gilt nach 3.12 f):

( f ◦ γ)′ (0) = fz(γ (0))γ ′ (0)+ fz(γ (0))γ ′ (0) 6= 0,

da f einC1-Diffeomorphismus ist.

240

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a) „⇐“ f ist holomorph⇒ fz = 0.

⇒ ∢( f ◦ γ1,g◦ γ2,0) = arg( f ◦ γ2)

′ (0)

( f ◦ γ1)′ (0)

= argfz(γ2(0))γ ′2(0)

fz(γ1(0))γ ′1(0)=

γ ′2(0)

γ ′1(0)

= ∢(γ1,γ2,0)

„⇒“ Sei z0 ∈ U und für α ∈ [−π,π[ sei γα : [0,1] → U, γα (z) := z0 +εeiα für 0≤ z≤ 1 undε > 0 so klein, dassKε (0) ⊂ U . Dann ist lautVoraussetzung

α = argγ ′α (0)

γ ′0(0)= arg

( f ◦ γα)′ (0)

( f ◦ γ0)′ (0)

= argfz(z0)εeiα + fz(z0)εe−iα

fz(z0)ε + fz(z0)ε

= argeiα fz(z0)+ fz(z0)e−2iα

fz(z0)+ fz(z0)

= α +argfz(z0)+ fz(z0)e−2iα

fz(z0)+ fz(z0)

für alle hinreichend kleinenα > 0. ⇒ fz(z0) = 0 für beliebigesz0.⇒ fz ≡ 0. ⇒ f ist holomorph.f ist lokal bijektiv.⇒ f ist lokal biho-lomorph.

b) klar nach a). 2

38.10 Beispiel f = exp, S= {z∈ C, |Imz| < π}. ⇒ f : S→ C\ ]−∞,0] ist kon-form. Die grafische Situation ist in Abb. 38.1 zu erkennen.

241

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α

π i

−π i

x0

Abbildung 38.1: Situation in 38.10

242

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Kapitel 39

Das Poincarésche Modell derhyperbolischen Geometrie

benannt nach JULES HENRI POINCARÉ, 29.4.1854–17.7.1912, einer der wichtig-sten französischen Mathematiker.H=hyperbolisch, E=euklidisch

39.1 Definition (Hyperbolische Punkte, Geraden und Winkel)Wir definieren:PoincaréschesModell H

Poincarésches ModellE KleinschesModell E

H-Punkte E-Punkte inH E-Punkte inE E-Punkte inE

H-Geraden die inH gelegenenStücke vonE-Orthogonal-Kreisbogen bzw.E-VertikalgeradenaufR

die inE gelegenenStücke von E-Orthogonal-Kreisbogenauf {z, |z| = 1} bzw.E-Durchmesser vonE

die inEgelegenenStücke vonE-Geradenin C

H-∢ E-∢ E-∢ hier nichtdefiniert,6=E-∢

39.2 Folgerung a) Bei konformer AbbildungH → E, z 7→ z−z0z−z0

gehen die be-trachteten hyperbolischen Geomterien ineinander über.

b) Hilberts „Axiome der Verknüpfung“ und „Axiome der Anordnung“ sindfürdie H-Geometrien erfüllt, z. B.: Zu je zwei Punkten existiert genau eine Ge-rade, auf der die Punkte liegen.

c) Zwei Geraden mit leerem Durchschnitt heißen parallel. Das Parallelenaxiomgilt in der H-Geometrie nicht.

243

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d) Die Automorphismengruppen AutH bzw. AutE überführen die H-Punkteund H-Geraden inH bzw. E in H-Punkte bzw. H-Geraden und lassen dieWinkel invariant.

Kleine Formelsammlung linear-gebrochener Abbildungen

Sz=az+bcz+d

=ac− 1

c(cz+d)

für S=

(a bc d

)

∈ SL2(C) mit c 6= 0.

⇒ Sz−Sw=z−w

(cz+d)(cw+d),

und dies gilt auch fürc = 0.w→z⇒ S′z = 1

(cz+d)2 , für S∈ SL2(R) und w = z folgt:

ImSz= Imz|cz+d|2 .

Messung von H-Längen und H-Flächeninhalten

39.3 Definition (H-Flächeninhalte und H-Bogenlängen)Seiγ : [a,b]→H (bzw.E) stückweise stetig differenzierbar,A⊂ H (bzw.E) eine Borel-Menge.

Poincaré (H, z= x+ iy) Poincaré (E, w = u+ iv)

H-Bogenlänge vonγ∫

γ|dz|y

γ2|dw|

1−|w|2

H-Flächeninhalt vonA∫

Adxdy

y2

A4dudv

(1−|w|2)2

Riemannsche Metrik ds2 = dx2+dy2

y2 ds2 =4(du2+dv2)

(1−|w|2)2

39.4 SatzH-Bogenlänge und H-Flächeninhalt sind invariant unterAutH bzw.AutE.

Beweis a) Rechnung inH: SeiM =

(a bc d

)

∈ SL2(R), γ : [α ,β ] → H stück-

weise stetig differenzierbar.

⇒∫

M◦γ

|dz|y

=∫ β

α

∣∣(M ◦ γ)′ (t)

∣∣

Im(M ◦ γ)(t)dt

=∫ β

α

γ ′(t)|cγ(t)+d|2

|γ(t)||cγ(t)+d|2

=∫ β

α

|γ ′ (t)||γ (t)| dt =

γ

|dz|y

b) SeiA⊂ H eine Borel-Menge,M =

(a bc d

)

∈ SL2(R), Mz= u+ iv. Trans-

244

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formationsformel

⇒∫∫

MA

dudvv2 =

A

1

(Im(Mz))2

︸ ︷︷ ︸

= |cz+d|4y2

∣∣∣∣

ux uy

vx vy

∣∣∣∣

︸ ︷︷ ︸

=|M′(z)|2=|cz+d|4

dxdy

=∫

A

dxdyy2

c) Beweise inE verlaufen entsprechend oder lassen sich aufH zurückführenmit folgender Bemerkung. 2

39.5 Bemerkung Bei konformer Abbildungϕ : H → E, ϕ (z) := z−z0z−z0

bleiben H-Bogenlängen und H-Flächeninhalte invariant. Allgemein:ϕ ist Isometrie für dieRiemannschen Metriken.

Beweis Ähnlich wie in 39.4: Transformationsformel und Substitutionsregel.2

39.6 Definition (H-Abstand) Für z,w∈ H (bzw.E) heißt

|z,w| := inf

{∫

γ

|dz|y

(

bzw.∫

γ

|dw|1−|w|2

)

,

}

,

wobei γ : [a,b] → H (bzw. E) jeweils ein stückweise stetiger Weg mit Anfangs-punktzund Endpunktw sei, derH-Abstandvonz undw.

39.7 Satz a) Für alle z,w∈ H (bzw.E) und alle S∈ AutH (bzw.E) gilt:

|Sz,Sw| = |z,w| .

b) Für alle z1,z2 ∈ H (bzw.E) mit z1 6= z2 ist

|z1,z2| =∫

σ

|dz|y

(

bzw.∫

σ

2|dw|1−|w|2

)

,

wobeiσ die eindeutig bestimmte H-Strecke mit Anfangspunkt z1 und End-punkt z2 ist.

c) |·, ·| ist eine Metrik aufH (bzw.E). In der Dreiecksungleichung

|z1,z3| ≤ |z1,z2|+ |z2,z3|

gilt genau dann das „=“-Zeichen, wenn z1,z2,z3 drei aufeinanderfolgendePunkte einer H-Geraden sind.

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z∞ w∞

f (w)

z= iw

ϕ

ϕ

f (G)

G

0 1

Abbildung 39.1: Situation im Beweis von 39.8

d) Für z,w∈ H gilt:

|z,w| = log1+

∣∣z−w

z−w

∣∣

1−∣∣z−w

z−w

∣∣

für z6=w= logDV(z,w,w∞,z∞)

Entsprechend gilt für z,w∈ E:

|z,w| = log1+

∣∣ z−w

1−zw

∣∣

1−∣∣ z−w

1−zw

∣∣

für z6=w= logDV(z,w,w∞,z∞)

Beweis a) klar nach 39.4

b) Wir zeigen zunächst das folgende

39.8 Lemma Zu allenz,w∈H existiert einS∈SL2(R) mit Sz= i, Sw= iy0

mit y0 ≥ 1.

Beweis Zunächst wirdz durch eine Translation auf die imaginäre Achsetransportiert und durch anschließende Streckung nachi. Also sei oBdA gleichz= i, w 6= z. Dann konforme Abbildung

ζ 7→ ζ − iζ + i

= f (ζ ) .

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Also: Erst f dann inE Drehung um 0 mit∢ϕ , dann mit f−1 zurück nachH.⇒ Bild von w = iy0. Bei passender Drehung kanny0 > 1 erreicht werden.Da die Komposition der eingesetzten Abbildungen ein Automorphismus vonH ist, folgt die Behauptung. 2

Seienz1,z2 ∈ H. Dann folgt mit 39.4, 39.8, a): Es genügt der Beweis von b)für den Fallz1 = i, z2 = iy0 mit y0 ≥ 1. Sei alsoγ : [α ,β ] → H stückweisestetig differenzierbar mit Anfangspunkti und Endpunktiy0, γ (t) = x(t) +

iy(t), x := ∂x∂ t , y := ∂y

∂ t .

⇒∫

γ

|dz|y

=∫ β

α

x2(t)+ y2(t)y(t)

dt ≥∫ β

α

y2(t)y(t)

dt

=∫ β

α

|y(t)|y(t)

dt ≥∣∣∣∣

∫ β

α

y(t)y(t)

dt

∣∣∣∣

=

∣∣∣∣log

y(β )

y(α)

∣∣∣∣= logy0 =

σ

|dz|y

= logDV(i, iy0,∞,0)

und fürγ = σ gilt das „=“-Zeichen.

⇒ |i, iy0| =∫

σ

|dz|y

= logDV(i, iy0,∞,0) ,

und wegen 39.5 gilt das Entsprechende auch inE.

c) |·, ·| ist eine Metrik: klar nach b), denn: Symmetrie und Dreiecksungleichungsind klar nach Definition und nach b) ist|z,w| > 0 für z 6= w.Diskussion des „=“-Zeichens in der Dreiecksungleichung: Wennz1,z2,z3

aufeinanderfolgende Punkte einer H-Geraden sind, so gilt „=“ nach b). Um-gekehrt: Wegen 39.8 und a) kann oBdAz1 = i, z3 = iy0 mit y0 > 1 angenom-men werden. Dann bleiben zwei Fälle zu unterscheiden:

(i) z2 ist rein imaginär:⇒ Imz2 < 1 oder Imz2 > y0.

b)⇒ |z1,z3| = logy0 < |z1,z2|+ |z2,z3| .(ii) Rez2 6= 0: Mit σ1 = H-Strecke vonz1 nachz2, σ2 = H-Strecke vonz2

nachz3 gilt:

|z1,z2|+ |z2,z3|b)=

σ1

|z|y

dt+∫

σ2

|z|y

dt

>∫

σ1

|y|y

dt+∫

σ2

|y|y

dt

b)= |z1, i Imz2|+ |i Imz2,z3| ≥ |z1,z3|

⇒ „=“-Zeichen gilt nicht.

247

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d) Fürz,w∈ H, z 6= w gilt:

∣∣∣∣

z−wz−w

∣∣∣∣

2

=

z−wz−wz−wz−w

= DV (z,z,w,w) ,

und das ist invariant bei

(zw

)

7→(

SzSw

)

mit S∈ SL2(R). ⇒ Alle Terme

in der behaupteten Gleichung sind invariant unter

(zw

)

7→(

SzSw

)

mit

S∈ SL2(R). Unter b) wurde aber die behauptete Formel schon bewiesen imFalle z = i, w = iy0, y0 > 1. 39.8 liefert dann die Allgemeingültigkeit derBehauptung. 2

39.9 Definition (H-Kreise) Seia∈ H (bzw.E), ρ > 0. Dann heißt

Hρ (a) := {z∈ H, (bzw. E) , |z,a| = ρ}

die H-Kreislinie uma mit Radiusρ,

Vρ (a) := {z∈ H, (bzw. E) , |z,a| < ρ}

die H-Kreisscheibe uma mit Radiusρ.

39.10 FolgerungFür alleS∈ AutH (bzw.E) ist SHρ (a) = Hρ (Sa) undSVρ (a) =Vρ (Sa).

Beweis 39.7 a). 2

39.11 SatzVρ (a) ist eine offene euklidische Kreisscheibe inH (bzw.E) mit RandHρ (a). Im Falle des ModellsH gilt für m als euklidischen Mittelpunkt von Vρ (a):

m= Rea+ i (coshρ) Ima =12

(z+ +z−

)(arithmetisches Mittel!)

und für r als euklidischen Radius von Vρ (a):

r = (sinhρ) Ima,

a = Rea+ i√

y+y− (geometrisches Mittel!) .

Geometrische Situation siehe Abb. 39.2.sinhϑ = tanhρ, Immcosϑ = Ima.

248

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z+

z−

ϑ

a

m

Abbildung 39.2: Die Situation im Beweis zu 39.11

Beweis genügt fürH:

|z,a| < (=)ρ ⇔ log1+

∣∣z−a

z−a

∣∣

1−∣∣z−a

z−a

∣∣< (=)eρ

⇔∣∣∣∣

z−az−a

∣∣∣∣< (=)

eρ −1eρ +1

(39.1)

Da linear-gebrochene Abbildungen Kreise auf Kreise abbilden, wird durch dieseUngleichung ein euklidischer Kreis inH beschrieben. Dieser Kreis liegt symme-trisch zur H-Geraden Rez= Rea, denn die Ungleichung (39.1) geht bei Spiegelungz−a 7→ −z−a in sich über.⇒ Vρ (a) = Kr (m), Hρ (a) = ∂Kr (m) = ∂Vρ (a) mitr > 0, Rem= Rea. Seia = α + iβ , z+ := α + iy+ der höchste Punkt vonHρ (a),z− := α + iy− der tiefste Punkt vonHρ (a).

⇒ ρ =∣∣a,z+

∣∣ = log

y+

β=

∣∣a,z−

∣∣ = log

βy−

⇒ y− = βe−ρ , y+ = βeρ . ⇒ β =√

y+y−, Imm = 12 (y+ +y−) = β coshρ, r =

12 (y+−y−) = β sinhρ. Zur Figur: sinϑ = r

Imm = tanhρ, d. h.

Immcosϑ = coshρ√

1− tanh2 ρ = β . 2

39.12 SatzH-Umfang von Hρ (a)= 2π sinhρ ∼2πρ für ρ →+0, H-Flächeninhaltvon Vρ (a) = 2π (coshρ −1) ∼ πρ2 für ρ → +0.

Beweis OBdA ModellE, a = 0 wegen 39.4, 39.5, 39.10.⇒ Hρ (0) = ∂Kr (0) mitpassendemr.

⇒ H-Umfang vonHρ (a) =∫

∂Kr (0)

2|dw|1−|w|2

w=reiϕ=

4πr1− r2

249

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α

α

β

βa b

D

−11

Abbildung 39.3: Hyperbolisches Dreieck mit Nullwinkel in∞

Weiter ist|0, r| = log 1+r1−r = ρ.

⇒ 4πr1− r2 = π

4r1− r2 = π

(1+ r)2− (1− r)2

1− r2

= π(

1+ r1− r

− 1− r1+ r

)

= π(eρ −e−ρ)

= 2π sinhρ.

H-Flächeninhalt vonVρ (0) = 4∫∫

Kr (0)

dudv(

1−|w|2)2

w=teiϕ= 4

∫ 2π

0

∫ r

0

t dt dϕ(1− t2)2 = 4π

[(1− t2)−1

]r

0= 4π

(1

1− r2 −1

)

Weiter ist

coshρ =12

(eρ +e−ρ)

=12

(1+ r1− r

+1− r1+ r

)

=1+ r2

1− r2 =2

1− r2 −1

⇒ H-Flächeninhalt vonVρ (0) = 2π(

21− r2 −1−1

)

= 2π (coshρ −1) .2

39.13 Satz (GAUSS, BONNET) Ist D ein eigentliches oder uneigentliches (d. h.mit einem oder mehreren Nullwinkeln behaftetes) H-Dreieck, so gilt: H-Flächeninhaltvon D= π−Summe der Innenwinkel.

Beweis a) D habe mindestens einen Nullwinkel oBdA in∞, und oBdA seiendie übrigen Ecken auf∂K1(0) gelegen, siehe Abb. 39.3.

⇒ H-Flächeninhalt vonD =∫∫

D

dxdyy2 =

∫ b

a

(∫ ∞√

1−x2

dyy2

)

dx

=∫ b

a

dx√1−x2

= arcsinb−arcsina.

250

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α

β

γa

b

c

d

π − γ

D

Abbildung 39.4: Hyperbolisches Dreieck ohne Nullwinkel

Hier istb= cosβ = sin(π

2 −β), 0≤ β ≤ π,⇒ π

2 −β ∈[−π

2 , π2

].⇒arcsinb=

π2 − β . Ebensoa = cos(π −α) = cos(α −π) = sin

(α − π

2

), 0 ≤ α ≤ π,

⇒ α − π2 ∈

[−π

2 , π2

],

⇒ H-Flächeninhalt vonD

= arcsin(

sin(π

2−β

))

−arcsin(

sin(

α − π2

))

=π2−β −

(

α − π2

)

= π − (α +β ) = π − (α +β + γ) ,

wobeiγ den Nullwinkel in∞ bezeichne.

b) D habe keine Nullwinkel, siehe Abb. 39.4.

ω (D) = ω (∆(a,b,d))−ω (∆(b,c,d))

a)= π (α +β +δ )− (π − (δ +(π − γ))) = π − (α +β + γ) . 2

251

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Teil VIII

Der Riemannsche Abbildungssatz

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Kapitel 40

Die Sätze von Montel und Vitali

Ziel: Riemannscher Abbildungssatz: Jedes einfach zusammenhängende Gebiet /06=G ( C ist biholomorph aufE abbildbar.

Ist f : M → C eine Funktion,A⊂ M, so setzen wir‖ f‖A := supz∈A | f (z)| ≤ ∞,dabei sup /0= 0.

40.1 Definition (Lokale Beschränktheit) SeiD ⊂ C offen,F ⊂ H (D) = Men-ge der aufD holomorphen Funktionen.F heißt lokal beschränkt:⇔

∀a∈ D ∃U ∈ U(a) ,U ⊂ D ∃M > 0 ∀ f ∈ F ‖ f‖U ≤ M

40.2 Folgerung In 40.1 gilt:F ist lokal beschränkt

⇔∀K ⊂ Dkompakt ∃M > 0 ∀ f ∈ F ‖ f‖K ≤ M,

d. h.F ist kompakt gleichmäßig beschränkt.

⇔∀a∈ D ∀ r ≥ 0,Kr (a) ⊂ D ∃M > 0 ∀ f ∈ F ‖ f‖Kr (a) ≤ M.

40.3 Satz (Montel) benannt nachPAUL ANTOINE ARISTIDE MONTEL, 29.4.1876–22.1.1975, französischer Mathematiker aus Nizza. Sein Hauptarbeitsgebiet lag inder Funktionentheorie.Sei D⊂ C offen,F ⊂ H (D). Dann gilt: F ist lokal beschränkt⇔ Jede Folgevon Funkionen ausF hat eine in D kompakt gleichmäßig konvergente Teilfolge.

Bemerkung „⇒“ ist der eigentliche Satz von Montel. „⇐“ ist hingegen relativleicht.

Beweis „⇐“ Annahme:F sei nicht lokal beschränkt.

40.2⇒ ∃K ⊂ Dkompakt ∀n∈ N ∃ fn ∈ F ‖ fn‖K > n.

Die Voraussetzung liefert nun:( fn)n≥1 hat eine kompakt gleichmäßig kon-

vergente Teilfolgefnk

k→∞−−−−→kp. glm.

g. ⇒‖ fnk −g‖K < 1 für allek≥ k0.

⇒ nk < ‖ fnk‖K ≤ ‖g‖K +‖ fnk −g‖K ≤ ‖g‖K +1

für allek≥ k0. E

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„⇒“ SeiF ⊂ H (D), F lokal beschränkt undfn ∈ F (n∈ N).

1. Schritt Zu jedema∈D, r > 0 mitKr (a)⊂D gibt es eine Teilfolge( fnk)k≥1,die gleichmäßig konvergiert aufK r

2(a).

Beweis Sei f ∈ F , z∈ Kr (a).

⇒ f (z) =∞

∑ν=0

f (ν) (a)

ν !(z−a)ν .

Die Voraussetzung liefert.∃M > 0 ∀ f ∈F ‖ f‖Kr (a) ≤M. Seiein solchesM fest gewählt. Dann folgt aus der Cauchyschen Un-gleichung (14.1):

∣∣∣ f (ν) (a)

∣∣∣ ≤ ν !M

für alleν ≥0, f ∈F .(

f (0)n (a)

)

n∈Nist beschränkt nach der Cauchy-

schen Ungleichung, hat also eine konvergente Teilfolge(

f (0)n1,k (a)

)

k≥1.

⇒(

f (1)n1,k (a)

)

k≥1ist beschränkt nach der Cauchyschen Unglei-

chung, hat also wiederum eine konvergente Teilfolge(

f (1)n2,k (a)

)

k≥1. . . Dann

ist(

f (ν)nν ,k (a)

)

k≥1beschränkt nach der Cauchyschen Ungleichung,

hat also eine konvergente Teilfolge(

f (ν)nν+1,k (a)

)

k≥1. Setzenk :=

nk,k = Diagonalfolge. Dann gilt nach Konstruktion:(nk)k≥ν ist

Teilfolge von (nν,k)k≥1. ⇒ Die Folge(

f (ν)nk (a)

)

k≥1konvergiert

für alle ν ≥ 0.Behauptung:( fnk)k≥1 konvergiert gleichmäßig aufK r

2(a).

Begründung: Seiε > 0,z∈K r2(a), N∈N so groß, dassM ·21−N <

ε2. Dann gilt für allek, ℓ ∈ N wegen der Potenzreihenentwicklungund der Cauchyschen Ungleichung:

| fnk (z)− fnℓ(z)|

≤N

∑ν=0

∣∣∣ f (ν)

nk (a)− f (ν)nℓ (a)

∣∣∣

ν !|z−a|ν

+∞

∑ν=N+1

2Mrν

( r2)

ν

︷ ︸︸ ︷

|z−a|ν

︸ ︷︷ ︸

≤2M ∑∞ν=N+1 2−ν=M21−N< ε

2

bei festemN für allek, ℓ≥ k0(ε). ⇒ Das Cauchykriterium für diegleichmäßige Konvergenz aufK r

2(a) ist erfüllt. X

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2. Schritt ( fn)n≥1 hat eine kompakt gleichmäßig konvergente Teilfolge.

Beweis Es gibt abzählbar vielea j ∈ D, r j > 0 mit Kr j (a j) ⊂ D,so dass

⋃∞j=1K r j

2(a j) = D. Zu j = 1 existiert laut 1. Schritt ei-

ne Teilfolge(

fn1,k

)

k≥1von ( fn)n≥1, die aufK r1

2(a1) gleichmäßig

konvergiert. Zuj = 2 existiert ebenfalls nach 1. Schritt eine Teil-folge

(fn2,k

)

k≥1von

(fn1,k

)

k≥1, die aufK r2

2(a2) gleichmäßig kon-

vergiert. . . Diagonalfolge mitnk := nk,k. ⇒ ( fnk)k≥1 konvergiertauf jedemK r j

2(a j) gleichmäßig für allej ∈ N.

Behauptung:( fnk)k≥1 konvergiert kompakt gleichmäßig aufD.Begründung: SeiK ⊂ D kompakt.

⇒∃N ∈ N K ⊂N⋃

j=1

K r j2(a j) .

( fnk)k≥1 konvergiert gleichmäßig auf⋃N

j=1K r j2(a j), da dies eine

endliche Vereinigung ist.⇒ ( fnk)k≥1 konvergiert gleichmäßig aufK. X

Damit ist die Behauptung bewiesen. 2

40.4 Definition (Normale Familien) Eine „Familie“ F ⊂ H (D) (D ⊂ C offen)heißtnormal, wenn jede Folge von Funktionen ausF eine inD kompakt gleich-mäßig konvergente Teilfolge hat.

40.5 Satz (Montel, 2. Fassung)Sei D⊂ C offen,F ⊂ H (D). Dann gilt: F istnormal⇔ F ist lokal beschränkt.

Beweis 40.3 2

40.6 Definition (Offene Mengen inH ) SeiM ⊂ H (D). M heißtoffen:⇔

∀ f ∈ M ∃K ⊂ Dkompakt ∃ε > 0 {g∈ H (D) |‖ f −g‖K < ε} ⊂ M

T := {M ⊂ H (D) |M offen}.

40.7 Satz a) (H (D) ,T) ist ein lokal konvexer Hausdorffscher topologischerVektorraum, d. h.T ist eine lokal konvexe Hausdorffsche Topologie aufH (D),und die Abbildungen

H (D)×H (D) ∋ ( f ,g) 7→ f +g∈ H (D)

und

C×H (D) ∋ (λ , f ) 7→ λ f ∈ H (D)

sind stetig.

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b) Für fn,g ∈ H (D) gilt: f nT−→ g ⇔ fn

kp. glm.−−−−→ g auf D. Darum nennt manT auch die „Topologie der gleichmäßigen Konvergenz auf den kompaktenTeilmengen von D“.

c) Die AbbildungH (D) ∋ f 7→ f ′ ∈ H (D) ist stetig bzgl.T.

d) Es sei(Kn)n≥1 eine Folge kompakter Teilmengen von D mit Kn ⊂ Kn+1 füralle n≥ 1,

⋃∞n=1Kn = D. Dann ist

d( f ,g) :=∞

∑n=1

2−nmin(‖ f −g‖Kn

,1)

oder∞

∑n=1

2−n ‖ f −g‖Kn

1+‖ f −g‖Kn

eine Metrik aufH (D), und die von d definierte Topologie aufH (D) istgleichT, d. h.T ist metrisierbar.

e) (H (D) ,d) ist ein vollständiger metrischer Raum.

Beweis Nachrechnen 2

40.8 Definition (Relative Kompaktheit in H ) Sei M ⊂ H (D) oder allgemeinM ⊂V, wobeiV ein topologischer Vektorraum sei.

a) M heißt beschränkt:

⇔∀U ∈ U(0) ∃α > 0 ∀λ ∈ C, |λ | ≥ α M ⊂ λU.

b) M heißt relativ kompakt:⇔ MT

ist kompakt.

40.9 Folgerung a) M ⊂ H (D) ist beschränkt⇔ M ist lokal beschränkt (imSinne von 40.1).

b) H (D) sei metrisierbar.⇒ Für Teilmengen vonH (D) ist Kompaktheitgleichbedeutend mit Folgenkompaktheit, d. h.F ⊂ H (D) ist kompakt⇔F ist relativ kompakt.

40.10 Satz (Montel, 3. Fassung)Analogon des Satzes von Heine und Borel fürden RaumH (D). Sei D⊂ C offen,F ⊂H (D). Dann gilt:F ist relativ kompakt⇔ F ist beschränkt. Siehe auch Conway (1996), Kapitel VIII und Cartan (1966).

40.11 Satz (Vitali) Es sei G⊂ C ein Gebiet und( fn)n≥1 eine Folge inH (G) mitfolgenden Eigenschaften:

(1) ( fn)n≥1 ist lokal beschränkt.

(2){

z∈ G|( fn(z))n≥1 konvergiert inC}

hat einen Häufungspunkt in G.

Dann konvergiert( fn)n≥1 kompakt gleichmäßig in ganz G.

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40.12 BeispielDie Voraussetzung (1) kann nicht gestrichen werden, wie das Bei-spiel(zn)n≥1 in K2(0) lehrt.

Beweis zu 40.11

(i) Behauptung:( fn)n≥1 konvergiert punktweise in ganzG.Begründung: Falls die Behauptung falsch ist, so existiert nach (1) eina∈ G,so dass( fn(a))n≥1 zwei verschiedene Häufungspunktep,q ∈ C hat. Nachdem Satz von Montel (40.3) existieren dann Teilfolgen

(fn j

)

j≥1und( fmk)k≥1,

so dass

limj→∞

fn j (a) = p, limk→∞

fmk (a) = q,

so dass(

fn j

)

j≥1und( fmk)k≥1 auf G gleichmäßig kompakt konvergieren ge-

geng bzw. h∈ H (G). ⇒ g(a) 6= h(a). Aber wegen (2) istg(z) = h(z) er-füllt für alle z∈

{ξ ∈ G|( fn(ξ ))n≥1 konvergiert

}, und diese Menge hat einen

Häufungspunkt inG, undG ist ein Gebiet: Das ist ein Widerspruch zum Iden-titätssatz.Ergebnis:fn

pktw.−−−→ f : G→C, und f ist notwendig auch holomorph inG, dennf ist auch Grenzfunktion jeder kompakt gleichmäßig konvergenten Teilfolgevon ( fn)n≥1, und solche Teilfolgen existieren nach 40.3 wegen (1).

(ii) Behauptung:fnkp. glm.−−−−→ f aufG.

Begründung: Annahme: Es gebe ein KompaktumK ⊂ G mit fn |Knicht glm.−−−−−→

f |K .

⇒∃ε0 > 0 ∀ j ∈ N ∃n j ∈ N,n j < n j+1 ∃zj ∈ K∣∣ fn j (zj)− f (zj)

∣∣ ≥ ε0 (40.1)

Nach 40.3 kann oBdA zusätzlich angenommen werden, dass(

fn j

)

j≥1kom-

pakt gleichmäßig konvergiert und dann notwendig gegenf . Das ist aber einWiderspruch zu (40.1). 2

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Kapitel 41

Der Riemannsche Abbildungssatz

41.1 Satz (Riemannscher Abbildungssatz)Ist /0 6= G( C ein einfach zusammen-hängendes Gebiet, so existiert zu jedem z0∈G genau eine biholomorphe Abbildungf : G→ E mit f (z0) = 0, f ′ (z0) > 0.

Beweis Zunächst folgende

Bemerkung a) Jede holomorphe Funktionf : C→E ist beschränkt, also nach14.6 konstant und deshalb nicht bijektiv. Die VoraussetzungG 6= C ist alsonotwendig.

b) Ist G ein Gebiet, und existiert ein Homöomorphismusf : G → E, so istGnotwendig einfach zusammenhängend (22.5 „j)⇒a)“). Daher ist die Voraus-setzung „G sei einfach zusammenhängend“ sicher notwendig.Aus beweistechnischen Gründen ist es günstig, wenn wir die Voraussetzung„G sei einfach zusammenhängend“ ersetzen durch die formal schwächereVariante „Jede nullstellenfreie holomorphe Funktion aufG hat eine holo-morphe Quadratwurzel“. Damit füllen wir zugleich eine Lücke im Beweisvon 22.5 und beenden den Beweis dieses Satzes.Wir zeigen also:

41.2 Lemma (Abbildungslemma)Es sei /06= G ( C ein Gebiet mit folgender Ei-genschaft:

(Q) Zu jeder nullstellenfreien holomorphen Funktionh: G→C existiert eine „ho-lomorphe Quadratwurzel“g: G→ C mit g2 = h.

Dann existiert zu jedemz0 ∈ G genau eine bijektive holomorphe Funktionf : G→E mit f (z0) = 0, f ′ (z0) > 0.

Ist G einfach zusammenhängend, so gilt (41.2) nach 22.5 „a)⇒i)“.

Beweis Wir teilen den Beweis in Eindeutigkeit und Existenz:

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Eindeutigkeit Seien f ,g: G→ E, f (z0) = g(z0) = 0, f ′ (z0) > 0, g′ (z0) > 0. ⇒f ◦g−1 ∈ AutE,

(f ◦g−1

)(0) = 0.

38.3 a)⇒ ∃ϕ ∈ R(

f ◦g−1)(z) = eiϕz (z∈ E) .

⇒ f (w) = eiϕg(w) für alle w∈ E (setzez= g(w). f ′ (z0) > 0, g′ (z0) > 0.⇒ eiϕ ist reell und> 0, d. h.eiϕ = 1.⇒ f = g. ⇒ Eindeutigkeit.

Existenz Wir definieren

F :={

ψ : G→ E |ψ holomorph und injektiv, ψ ′ (z0) > 0,ψ (z0) = 0}

Strategie des Beweises:

1. Schritt F 6= /0

2. Schritt Istψ ∈F noch nicht surjektiv, so existiert einψ1∈F mit ψ ′1(z0)>

ψ ′ (z0).

3. Schritt Approximationsargument mit Satz von Montel (40.3) liefert einψ ∈ F mit maximalem Wertψ ′ (z0): Das wird die Abbildungs-Funktion sein.

1. Schritt F 6= /0.Begründung:G 6= C⇒∃w∈C\G. Die FunktionG∋ z 7→ z−w ist

in G holomorph und nullstellenfrei.(41.2)⇒ ∃ϕ : G→ C holomorph

mit ϕ2(z) = z−w für alle z∈ G, undϕ hat folgende Eigenschaf-ten:

(i) ϕ ist injektiv, dennϕ2(z) = z−w ist injektiv.

(ii) ∀z1,z2 ∈ G ϕ (z1) 6= −ϕ (z2) ,denn: Angenommen, es gebe solchez1,z2 ∈ G mit ϕ (z1) =−ϕ (z2).

⇒ z1−w = ϕ2(z1) = (−ϕ (z2))2 = ϕ2(z2) = z2−w

⇒ z1 = z2

⇒ ϕ (z1) = ϕ (z2) = −ϕ (z2)

⇒ ϕ (z1) = ϕ (z2) = 0

⇒ ϕ2(z1) = 0 = z1−w E

⇒(1ii).

(iii) ϕ ist nicht konstant.16.7⇒ /0 6= ϕ (G) ist offen wegenG 6= /0.

⇒∃a∈ C, r > 0 Kr (a) ⊂ ϕ (G).(1ii)⇒ Kr (−a)∩ϕ (G) = /0.

⇒ ψ1 : G→ C, ψ1(z) :=r

a+ϕ (z)(z∈ G)

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ist holomorph inG, injektiv nach (1i) und

|ψ1(z)| = r|ϕ (z)+a| < 1 (z∈ G) .

D. h.: ψ1 : G→ E ist holomorph und injektiv.

⇒ ψ (z) =|ψ ′

1(z0)|ψ ′

1(z0)· ψ1(z)−ψ1(z0)

1−ψ1(z0)ψ1(z)ist sinnvoll (ψ ′

1(z0) 6= 0, Werte inE!) und ψ (z0) 6= 0 sowie

ψ ′ (z0) =|ψ ′ (z0)|ψ ′ (z0)

·ψ ′

1(z0)(

1−|ψ1(z0)|2)

(

1−|ψ1(z0)|2)2

=|ψ ′

1(z0)|1−|ψ1(z0)|2

> 0

⇒ ψ ∈ F . ⇒ F 6= /0.Bemerkung: HatC\G sogar innere Punkte, so kann der 1.Schritt deutlich vereinfach werden, indem man eine Abbil-dung der Form

G∋ z 7→ εeiϕ(

1z−c

− 1z0−c

)

mit einem hinreichend kleinenε > 0, wobeic innerer Punktvon C\G sei, ϕ geeignet, so dassψ ′ (z0) > 0, hinschreibt.Der Quadratwurzeltrick liefert das Gewünschte auch dann,wennC\G keine inneren Punkte hat.

2. Schritt Zu jedemψ ∈F mit ψ (G) ( E gibt es einψ1 ∈F mit ψ ′1(z0) >

ψ ′ (z0).Beweis: Es seic∈ E\ψ (G). gc ∈ AutE sei definiert durch

gc(z) :=z−c1−cz

(z∈ E) .

⇒ gc◦ψ : G→ E ist injektiv, holomorph und nullstellenfrei.(41.2)⇒

∃ holomorphe Funktionh: G→E mit h2 = gc◦ψ . Wegen|gc◦ψ |<1 ist auch|h| < 1, undh ist notwendig injektiv mith2(z0)

ψ(z0)=0=

−c und somit|h(z0)| = |c|12 . Weiter ist

2h(z)h′ (z) = g′c(ψ (z))ψ ′ (z)

und

g′c(z) =1−|c|2

(1−cz)2 .

ψ (z0) = 0, g′c(0) = 1−|c|2.

h′ (z0) =1−|c|22h(z0)

ψ ′ (z0) . (41.1)

260

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Wir setzen:

ψ1 :=h(z0)

|h(z0)|gh(z0) ◦h

Dann folgt:

(i) ψ1 : G→ E ist injektiv und holomorph,

(ii) ψ1(z0) = 0.

(iii)

ψ ′1(z0) =

h(z0)

|h(z0)|g′h(z0)

(h(z0))︸ ︷︷ ︸

= 1

1−|h(z0)|2= 1

1−|c|

h′ (z0)︸ ︷︷ ︸

einsetzen aus (41.1)

=1+ |c|2√

|c|︸ ︷︷ ︸

>1

ψ ′ (z0) > ψ ′ (z0)

⇒ ψ1 leistet das Verlangte.

3. Schritt Es gibt einf ∈F mit f ′ (z0) = sup{ψ ′ (z0) ,ψ ∈ F}, und f ist ei-ne holomorphe Abbildung vonG aufE mit f (z0) = 0, f ′ (z0) > 0.Begründung: Seiα := sup{ψ ′ (z0) ,ψ ∈ F}< ∞, denn: SeiKρ (z0)⊂G. Dann gilt für alleψ ∈ F nach 13.1:

∣∣ψ ′ (z0)

∣∣ =

∣∣∣∣∣

12π i

∂Kρ (z0)

ψ (ζ )

(ζ −z0)2 dζ

∣∣∣∣∣≤ 1

ρ.

⇒ Es gibt eine Folge(ψn)n≥1 in F mit ψ ′n(z0)

n→∞−−−→ α . AlleFunktionen ausF sind auf ganzG durch 1 beschränkt, d. h.Fist lokal beschränkt, also nach 40.3 normal.⇒ OBdA kann ange-nommen werden:ψn

n→∞−−−→ f kompakt gleichmäßig aufG. ⇒ f istholomorph aufG, ψ ′

n(z0)n→∞−−−→ f ′ (z0), d. h.α = f ′ (z0) > 0 (ins-

besondere erneutα < ∞). ⇒ f ist nicht konstant. Wegen| f | ≤ 1folgt dann nach dem Maximum-Prinzip 16.3:f : G→ E ist nichtkonstant. Nun gilt:

(i) f (z0) = limn→∞ ψn(z0) = 0,

(ii) f ′ (z0) > 0

(iii) f ist injektiv, denn: Angenommen, es gäbez1,z2 ∈ G mitz1 6= z2 und f (z1) = f (z2) =: γ. ⇒ f − γ hat inG die Null-stellenz1,z2. Sei 0< r < 1

2 |z1−z2| so klein, dassKr (zj)⊂G

und f (z)− γ 6= 0 für alle z ∈ Kr (zj) \{

zj}

für j = 1,2.26.12⇒ ∃N ∈ N ∀n≥ N ψn− γ hat inKr (zj) eine Nullstel-le, und hier istKr (z1)∩Kr (z2) = /0. ⇒ ψn − γ hat für allen≥ N zwei Nullstellen inG. ⇒ ψn ist nicht injektiv. EErgebnis:f ist injektiv

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(iv) f ist surjektiv: Nach (3i)-(3iii) istf ∈ F , und f ′ (z0) ist ma-ximal. Nach dem 2. Schritt istf surjektiv, denn sonst gäbees eing∈ F mit g′ (z0) > f ′ (z0) = α .

⇒ f leistet das Verlangte. 2

41.3 Bemerkung Mit 41.2 ist der Satz von den Charakterisierungen des einfachenZusammenhangs 22.5 vollständig bewiesen.

41.4 Lemma (Schwarz, Pick)benannt nach HERMANN ARMANDUS SCHWARZ,25.1.1843–30.11.1921, und GEORGALEXANDER PICK, 10.8.1859–26.7.1942, öster-reichischer Mathematiker aus Wien, wurde von den Nationalsozialisten als Kindjüdischer Eltern nach Theresienstadt verschleppt, wo er starb.Sei f : E → E holomorph. Dann gilt für allea,z∈ E:

∣∣∣∣∣

f (z)− f (a)

1− f (a) f (z)

∣∣∣∣∣≤

∣∣∣∣

z−a1−az

∣∣∣∣

(41.2)

und

| f ′ (z)|1−| f (z)|2

≤ 1

1−|z|2(41.3)

Gilt in (41.2) für ein Paar(a,z) mit a 6= z oder in (41.3) für einz∈ E das „=“-Zeichen, so istf ∈ AutE.

Beweis Siehe Aufgabe 44 2

41.5 Korollar (Verschärfung des Lemmas von Schwarz/Pick)Es seien /06= G(C ein einfach zusammenhängendes Gebiet,z0 ∈ G, f : G → E die biholomorpheAbbildung vonG auf E mit f (z0) = 0 und f ′ (z0) > 0. Dann gilt: Für jede (nichtnotwendig injektive) holomorphe Funktiong: G→E ist |g′ (z0)| ≤ f ′ (z0), und das„=“-Zeichen gilt genau dann, wenng = λ f mit λ ∈ C, |λ | = 1.

Beweis Nach 41.4 gilt für jede holomorphe Funktionϕ : E → E die Ungleichung(41.3):

∣∣ϕ ′ (z)

∣∣ ≤ 1−|ϕ (z)|2

1−|z|2(z∈ E) .

Gilt hier für ein z∈ E das „=“-Zeichen, so istϕ ∈ AutE. Anwendung aufϕ :=g◦ f−1 : E → E liefert:

∣∣(g◦ f−1)(0)

∣∣ ≤

(

1−∣∣(g◦ f−1)(0)

∣∣2)

= 1−|g(z0)|2 ≤ 1, (41.4)

262

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und wegen

(g◦ f−1)′ (0) = g′

(f−1(0)

)(f−1)′ (0) =

g′ (z0)

f ′ (z0)

heißt das genau:|g′ (z0)| ≤ | f ′ (z0)|. Gilt hier das „=“-Zeichen, so gilt auch in(41.4) das „=“-Zeichen.⇒ g(z0) = 0, d. h.g◦ f−1 ∈ AutE nach 41.4 lässt 0 fest,ist also eine Drehung um 0.⇒ g = λ f mit einemλ ∈ C, |λ | = 1. 2

Es gilt folgende tiefliegende Verallgemeinerung des Riemannschen Abbildungssat-zes:

41.6 SatzJede einfach zusammenhängende Riemannsche Fläche ist biholomorphabbildbar auf eines der NormalgebieteP, C, E.

Beweis Forster (1977), Fischer und Lieb (1988) 2

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Kapitel 42

Randverhalten derAbbildungsfunktion

42.1 Definition (Jordan-Kurve) SeiD ⊂C offen,γ : [α ,β ]→ D. γ heißtJordan-Kurve in D, falls gilt:

(i) γ ist steig,

(ii) γ ist geschlossen, d. h.γ (α) = γ (β ),

(iii) γ ist einfach geschlossen, d. h.γ (s) 6= γ (t) für α ≤ s< t < β .

42.2 Satz (Jordanscher Kurvensatz)erstmals bewiesen von Oswald Veblen 1905.Seiγ : [α,β ] → C eine Jordan-Kurve. Dann gilt:

a) C\γ ([α,β ]) hat genau 2 Zusammenhangskomponenten, eine beschränkte,das sog. Innere vonγ, und eine unbeschränkte, das sog. Äußere vonγ.

b) Das Innere vonγ ist ein einfach zusammenhängendes Gebiet.

c) γ ([α,β ]) ist Rand jeder Zusammenhangskomponente vonC\γ ([α ,β ]).

Beweis Beardon (1979a), Pommerenke und Jensen (1975), Dieudonné (1969) 2

42.3 Satz (Randverhalten der Abbildungsfunktion) Seienγ : [α ,β ]→C Jordan-Kurve und G das Innere vonγ. Dann ist G konform äquivalent zuE, und jedekonforme Abbildung f: G → E lässt sich zu einem Homöomorphismusf : G :=G∪ γ ([α ,β ]) → E fortsetzen.

Beweis Beardon (1979b) 2

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Teil IX

Elliptische Funktionen

265

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Kapitel 43

Periodengitter und Modulgruppe

43.1 Definition (Periode) Sei f meromorph inC, ω ∈ C. Dann heißtω einePe-riodevon f :⇔∀z∈ C\{z∈ C |zPol von f} f (z+ω) = f (z).

43.2 Folgerung Die Menge der Perioden einer nicht-konstanten inC meromor-phen Funktion ist eine notwendig abgeschlossene diskrete Untegruppe vonC.

Beweis Ist ω Limes einer Folge(ωn)n∈N verschiedener Perioden vonf undz0 ∈Ckein Pol vonf , so ist auchz0+ωn kein Pol vonf , und limn→∞ f (z0 +ωn) = f (z0),und die Menge{z0 +ωn |n∈ N} hat den Häufungspunktz0 + ω in C, undz0 + ωist kein Pol.⇒ Nach dem Identitätssatz istf konstant. 2

43.3 Satz Ist Λ ⊂ C eine diskrete Untergruppe vonC, so ist entwederΛ = {0}oderΛ = Zω mit ω ∈ C∗ oderΛ = Zω1+Zω2 mit ω1,ω2 ∈ C linear unabhängigüberR.

Beweis Sei gleichΛ 6= {0}. ⇒ ∃0 6= ω1 ∈ Λ mit |ω1| = min{|ω | ,ω ∈ Λ\{0}}.Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

(i) Ist Λ = Zω1, so folgt die Behauptung.

(ii) Λ 6= Zω1. Zu zeigen:∃ω2 ∈ Λ mit Λ = Zω1 + Zω2, wobei ω1,ω2 linearunabhängig überR sind. WegenΛ ) Zω1 und wegen der Diskretheit vonΛexistiert einω2 ∈ Λ mit |ω2| = min{|ω | ,ω ∈ Λ\Zω1}.Behauptung 1:ω1,ω2 sind linear unabhängig überR.Begründung: Annahme:ω1,ω2 wären linear abhängig überR, d. h. ω2

ω1∈

R\Z. ⇒∃n∈ Z

n <ω2

ω1< n+1.

⇒ 0 <ω2

ω1−n < 1.

⇒ 0 < |ω2−nω1| < |ω1|

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Das ist ein Widerspruch zur Wahl vonω1. ⇒ Behauptung 1.Behauptung 2:Λ = Zω1 +Zω2.Begründung: Seiω ∈ Λ. ω1,ω2 linear umabhängig überR ⇒ ∃!λ1,λ2 ∈ Rmit ω = λ1ω1 +λ2ω2. Zu zeigen:λ1,λ2 ∈ Z. Zu λ1,λ2 existierenm1,m2 ∈ Zmit

∣∣λ j −mj

∣∣ ≤ 1

2 für j = 1,2.

⇒ ω∗ := ω −m−1ω1−m2ω2 = (λ1−m1)ω1 +(λ2−m2)ω2 ∈ Λ.

Annahme:λ1−m1 6= 0 ∧ λ2−m2 6= 0.

⇒ 0 < |ω∗| = |(λ1−m1)ω1 +(λ2−m2)ω2|< |λ1−m1| |ω1|+ |λ2−m2| |ω2| ,

dennω1,ω2 sind linear unabhängig überR, und in der Dreiecksungleichunggilt das „=“-Zeichen genau dann, wenn die Punkte linear abhängig überRsind.

≤ 12|ω1|+

12|ω2| ≤ |ω2|

nach Wahl vonω1,ω2. Das ist aber ein Widerspruch zur Minimalität von|ω2|, dennω∗ ∈ Λ\Zω1, 0< |ω∗| < |ω2|. ⇒ λ j = mj für mindestens einj.⇒ |ω∗| ≤ 1

2 |ω1|, falls λ2 = m2 und |ω∗| ≤ 12 |ω2|, falls λ1 = m1. |ω1| , |ω2|

minimal⇒ ω∗ = 0, d. h.ω = m1ω1 +m2ω2 ∈ Zω1 +Zω2. 2

43.4 Definition (Gitter) a) Sindω1,ω2 ∈C linear unabhängig überR, so heißtΛ = Zω1 + Zω2 ein Gitter in C. Ist zugleichΛ die Menge der Periodeneiner nicht-konstanten meromorphen Funktionf : C → P, so heißtΛ dasPeriodengitter vonf .

b) IstΛ ein Gitter inC und f meromorph inC mit f (z+ω) = f (z) (ω ∈ Λ),so heißtf eine doppelt-periodische oder elliptische Funktion zum GitterΛ.Dabei brauchtΛ nicht gleich der Menge aller Perioden vonf zu sein.

c) Ist Λ ein Gitter inC, und sindω ′1,ω ′

2 ∈ Λ, so dass gilt:Λ = Zω ′1 + Zω ′

2,so sindω ′

1,ω ′2 linear unabhängig überR, und jedesω ∈ Λ hat genau eine

Darstellungω = m1ω ′1+m2ω ′

2 mit m1,m2 ∈ Z. ω ′1,ω ′

2 heißtZ-Basis vonΛ.

d) Ist Λ = Zω1 +Zω2 ein Gitter mit Basisω1,ω2, so heißt füra∈ C

Pa := {a+λ1ω1 +λ2,ω2,0≤ λ1,λ2 < 1}

ein Fundamentalparallelogrammvon Λ. Pa ist ein Vertretersystem vonC/Λ.

43.5 Lemma Für Λ ⊂ C sind folgende Aussagen äquivalent:

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a) Λ ist ein Gitter.

b) Λ ist eine diskrete additive Untergruppe vonC mit spanRΛ = C.

c) Λ ist eine diskrete additive Untergruppe vonC, undC/Λ ist ein kompakterRaum.

Beweis Wir zeigen zunächst

(A) Λ sei ein Gitter⇒ Λ ist diskrete additive Untergruppe vonC.

Begründung: 43.4 a)⇒ Λ = Zω1+Zω2 mit ω1,ω2 ∈C linear unabhängig überR.⇒ |λ1ω1 +λ2ω2| > 0 für alleλ1,λ2 ∈ R, (λ1,λ2) 6= (0,0). ⇒ Die stetige Funktion

S1 ∋(

λ1

λ2

)

7→ |λ1ω1 +λ2ω2| > 0

hat ein positives Minimumµ aufS1.

⇒ ∀ (m1,m2) ∈ Z2\{(0,0)} |m1ω1 +m2ω2|

=√

m21 +m2

2

∣∣∣∣∣∣

m1√

m21 +m2

2

+m2

m21 +m2

2

∣∣∣∣∣∣

≥ µ√

m21 +m2

2

⇒∀R> 0 KR(0)∩Λ ist endlich.⇒ Λ ist diskret.⇒ (A)

a)⇒b) klar nach (A), denn wegen der linearen Unabhängigkeit vonω1,ω2 überRist spanRΛ = C.

b)⇒a) 43.3⇒ Entweder gilt

(i) Λ = {0} oder

(ii) λ = Zω mit ω ∈ C oder

(iii) λ = Zω1 +Zω2 mit ω1,ω2 ∈ C linear unabhängig überR.

In den Fällen (i) und (ii) ist spanRΛ ( C, also bleibt wegen der Vorausset-zung spanRΛ = C nur Fall (iii), d. h.Λ ist ein Gitter.

a)⇒c) Nach (A) istΛ diskrete Untergruppe vonC. C/Λ trägt die Quotientento-polgie, d. h. die feinste Topologie aufC/Λ, welche die natürliche Abbildung

π : C → C/Λ, z 7→ z+Λ

stetig macht. Offenbar gilt:M ⊂C/Λ offen⇔ π−1(M )⊂C offen⇔∃U ⊂C offen mit M = π (U). Ist nunΛ ein Gitter,Λ = Zω1 + Zω2, ω1,ω2 ∈ Clinear unabhängig überR, so ist

Q := {λ1ω1 +λ2ω2 |0≤ λ1,λ2 ≤ 1}

kompakt undC/Λ = π (Q). ⇒ C/Λ ist kompakt, daπ stetig ist.

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c)⇒a) Λ ist diskret.⇒ Es gilt entweder (i) oder (ii) oder (iii). Im Fall (i) istC/Λ ≃ C, also nicht kompakt. Im Fall (ii) istC/Λ = C/Zω ≃ S1×R, alsonicht kompakt.⇒ Es bleibt nur Fall (iii), d. h.Λ ist ein Gitter. 2

43.6 Lemma Es seiM ∈ Z2×2. Dann gilt:M ist invertierbar überR und M−1 ∈Z2×2 ⇔ detM = ±1⇔: M ∈ GL2(Z). enstprechend fürM ∈ Zn×n.

Beweis „⇒“ M ·M−1 = I ⇒ detM︸ ︷︷ ︸

∈Z

detM−1︸ ︷︷ ︸

∈Z

= 1.⇒ detM = detM−1 = ±1.

„⇐“ Ist M =

(a bc d

)

∈ Z2×2, detM = ±1, so gilt M−1 = 1detM

(d −b−c a

)

Z2×2. 2

43.7 SatzSeiΛ ein Gitter in C mit Z-Basisω1,ω2, und seienω ′1,ω ′

2 ∈ Λ. Danngilt: ω ′

1,ω ′2 ist Z-Basis vonΛ ⇔ Es gibt ein M∈ GL2(Z) mit

(ω ′

1ω ′

2

)

= M

(ω1

ω2

)

.

Beweis „⇒“ Seiω ′1,ω ′

2 eineZ-Basis vonΛ. ⇒∃M,M′ ∈ Z2×2 mit

(ω ′

1ω ′

2

)

= M

(ω1

ω2

)

Ebenso gibt es einM′ ∈ Z2×2, so dass

(ω1

ω2

)

= M′(

ω ′1

ω ′2

)

⇒(

ω ′1

ω ′2

)

= MM′(

ω ′1

ω ′2

)

⇒ MM′ = I ⇒ M,M′ ∈ GL2(Z)

„⇐“ Für alleω ′1,ω ′

2 ∈ Λ gilt natürlichΛ ⊃ Zω ′1 +Zω ′

2. Umgekehrt:ω ∈ Λ, ω =

(λ1,λ2)

(ω1

ω2

)

mit λ1,λ2 ∈ Z.

M∈GL2(Z)⇒ (λ1,λ2)M−1

︸ ︷︷ ︸

=:(λ ′1,λ

′2)∈Z2

(ω ′

1ω ′

2

)

∈ Zω ′1 +Zω ′

2

2

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43.8 Definition (Modulgruppe) Die Gruppe

Γ := SL2(Z) :={

M ∈ Z2×2 |detM = 1}

heißt die (homogene rationale)Modulgruppe. Auch das kanonische Bild von SL2(Z)in PSL2(R) wird als (inhomogene rationale) Modulgruppe bezeichnet.

43.9 Definition (Äquivalenz von Gittern) Zwei GitterΛ,Λ′ ⊂ C heißenäquiva-lent, wenn es einλ ∈ C∗ gibt mit Λ = λΛ′. Hintergrund: Kennt man die mero-morphen doppelt-periodischen Funktionen zum GitterΛ, so auch zu allen zuΛäquivalenten Gittern.

43.10 Korollar Es seienΛ = Zω1 + Zω2, Λ′ = Zω ′1 + Zω ′

2 zwei Gitter in C,wobei die Basiselementeω1,ω2 bzw. ω ′

1,ω ′2 so gewählt seien, dassτ := ω2

ω1,τ ′ :=

ω ′2

ω ′1∈ H. Beachte:Λ ∼ Z+Zτ, Λ′ ∼ Z+Zτ ′, ggf. ω2 7→ −ω2 bzw. ω ′

2 7→ −ω ′2.

Dann gilt:Λ ∼ Λ′ ⇔ Es gibt einM ∈ SL2(Z) mit τ ′ = Mτ.Ergebnis: Die Äquivalenzklassen von Gittern inC entsprechen bijektiv den Bahnenvno PSL2(Z) in H.

Beweis Λ ∼ Λ′ ⇔∃λ ∈ C∗ λ(

ω ′2

ω ′1

)

ist Basis vonΛ.

43.7⇔ ∃M =

(a bc d

)

∈ GL2(Z) λ(

ω ′2

ω ′1

)

=

(aω2 +bω1

cω2 +dω1

)

,

und aufgrund der Normierungτ,τ ′ ∈ H ist notwendigM ∈ SL2(Z). Beachte:

Imaτ +bcτ +d

= (ad−bc)Imτ

|cτ +d|2!

⇔∃M ∈ SL2(Z) τ ′ =ω ′

2

ω ′1

=aω2 +bω1

cω2 +dω1= Mτ

2

43.11 SatzJedes GitterΛ in C hat eineZ-Basisω1,ω2, so dass fürτ := ω2ω1

gilt:τ ∈ D , wobei gilt:

D :=

{

z∈ H | |z| > 1, −12 ≤ Rez< 1

2|z| = 1, −1

2 ≤ Rez≤ 0

}

Beweis Wähleω1,ω2 gemäß dem Beweis von 43.3: 06= ω1∈Λ mit |ω1|= min{|ω | ,0 6= ω ∈ Λ},0 6= ω2 ∈ Λ mit |ω2| = min{|ω | ,ω ∈ Λ\Zω1} und sorge ggf. durchω1 7→ −ω1

dafür, dassτ := ω2ω−1 ∈ H. |ω1| minimal⇒

∣∣∣

ω2ω1

∣∣∣ ≥ 1, d. h.|τ| ≥ 1, denn wäre z. B.

Reτ > 12, so wäre

∣∣∣∣

ω2−ω1

ω1

∣∣∣∣= |τ −1| < |τ| =

∣∣∣∣

ω2

ω1

∣∣∣∣E,

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da|ω2| minimal gewählt war. Ebenso führt Reτ < −12 zum Widerspruch.

⇒ |τ| ≥ 1 ∧ −12≤ Reτ ≤ 1

2.

Wäre nun Reτ = 12, so wäre

Re(τ −1) = −12

= Reω2−ω1

ω1, |τ| =

∣∣∣∣

ω2

ω1

∣∣∣∣= |τ −1|

Die Ersetzungω2 7→ ω2−ω1 ändert nichts an der Minimalität von|ω2| und lieferteinen Punkt ausD . Wäre|τ| = 1 und 0< Reτ ≤ 1

2, so wäre∣∣∣∣−1

τ

∣∣∣∣= 1, −1

2≤ Re

(

−1τ

)

> 0

τ 7→ −1τ entspricht einem Basiswechsel

(ω1

ω2

)

7→(−ω2

ω1

)

,

und wegen|τ| = 1 bleibt die Minimalität von|ω1| = |ω2| erhalten. 2

43.12 Satz a) D ist ein (genaues) Vertretersystem der Bahnen vonSL2(Z) inH.

b) SL2(Z) wird von U :=

(1 10 1

)

und T :=

(0 −11 0

)

erzeugt.

Beweis a) (i) Zu jedemτ0 ∈ H existiert einM ∈ SL2(Z) mit Mτ0 ∈ D .Begründung: Das GitterΛ = Z+Zτ0 (ω1 = 1,ω2 = τ0) hat nach 43.11

eine Z-Basis

(ω ′

1ω ′

2

)

mit τ ′ =ω ′

2ω ′

1∈ D . Nach 43.10 istτ ′ = Mτ0 mit

geeignetemM ∈ SL2(Z), dennZ+Zτ0 undZω ′1 + Zω ′

2 sind gleich,insbesondere also äquivalent.

(ii) Sind τ,τ ′ ∈D und gibt es einM ∈ SL2(Z) mit τ ′ = Mτ, so gilt:τ ′ = τ.

Begründung: Seienτ = x+ iy,τ ′ = x′+ iy′ ∈D ,

(a bc d

)

= M ∈SL2(Z),

τ ′ = Mτ, und es sei oBdAy′ = y|cτ+d|2 ≥ y (sonst(τ,τ ′,M) 7→

(τ ′,τ,M−1

)),

d. h.|cτ +d| ≤ 1, y≥ 12

√3⇒ c≤ 1⇒ c = 0 oderc = ±1. 2 Fälle:

1.) c = 0⇒ M = ±(±1 k0 ±1

)

mit k∈ Z. ⇒ τ ′ = Mτ = τ +k∈ D ,

τ ∈ D ⇒ k = 0⇒ τ = τ ′, M = ±I .

2.) c = ±1, ggf.M 7→ −M ⇒ oBdA c = 1.⇒ |τ +d| ≤ 1 mit τ ∈ D ,d ∈ Z ⇒ Es gilt

A) d = 0, oder (im Falld 6= 0 bleibt als einzige Möglichkeit)

B) τ = ρ = e2π i3 undd = 1.

271

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Nochmals zwei Fälle:

A) d = 0 (undc = 1): ⇒ M =

(k −11 0

)

mit k ∈ Z, d. h. τ ′ =

Mτ = −1τ +k = Tτ +k∈ D mit T =

(0 −11 0

)

. Wegenτ ′ =

Mτ ∈ D und|τ| = 1 bleiben die Möglichkeiten

(α) τ = ρ = e2π i3 , k = −1, τ ′ = e

2π i3 , M = U−1T = (TU)2 =

(−1 −11 0

)

(β ) τ = τ ′ = i, k = 0, M = T.

In jedem Fall ist aberτ = τ ′, und die zugehörige MatrixM hat

die FormM =

(m −11 0

)

mit m= 0 oderm= −1.

B) τ = ρ = e2π i3 , d = 1,

az+bcz+d

=ac− 1

c(cz+d),

(c,d) = (1,1).

⇒ τ ′ = Mτ = a− 1

e2π i3 −1

= a+e2π i3 = a+ τ

mit a∈ Z, τ,τ ′ ∈ D . ⇒ a = 0, τ = τ ′. ⇒ M =

(0 −1−1 0

)

=

TU =: R. ⇒a).

b) G := 〈U,T〉. Sei z ∈ H. Wir zeigen: Es gibt einM =

(a bc d

)

∈ G mit

Mz∈ D .

Begründung: FürM =

(a bc d

)

∈ SL2(R) ist Im(Mz) = y|cz+d|2 . ⇒ Es gibt

nur endlich viele Paare(c,d) ∈ Z2 mit ggT(c,d) = 1, so dass y|cz+d|2 ≥ y.

⇒ Es gibt einM ∈ G, so dass Im(Mz) maximal wird, und nach Multipli-kation mit passendemUk kann oBdA gleich angenommen werden, dass−1

2 ≤ Re(Mz) < 12. Wäre nun|Mz| < 1, so wäre Im(TMz) = Im(Mz)

|Mz|2 >

Im(Mz), so dass sich ein Widerspruch zur Maximalität vonM ergäbe.⇒−1

2 ≤ Re(Mz) < 12, |Mz| ≥ 1. Wäre hier|Mz| = 1 und 0≤ Re(Mz) ≤ 1

2, sowäre|TMz|= 1 und−1

2 ≤ Re(TMz)≤ 0, d. h.TMz∈D . In jedem Fall gibtes aber einM ∈ G mit Mz∈ D . Sei nunA∈ SL2(Z), z0 ∈ D . ⇒ Zu Az0 ∈ Hexistiert einM ∈ G mit MAz0 ∈ D . Nach dem Beweis von aii) istMA = ±I ,d. h.A = ±M−1 ∈ G, daM ∈ G, −I = T2 ∈ G. 2

43.13 SatzDie Menge{Z+Zτ |τ ∈ D} ist ein genaues Vertretersystem der Gitterin C bezüglich der Äquivalenz.

Beweis 43.10 und 43.12 2

272

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43.14 ZusatzFür Γ := SL2(Z) und z∈ H sei Γz := {M ∈ Γ |Mz= z} der Stabi-lisator von z in Γ. Dann gilt: Für allez∈ D \ {i,ρ} ist Γz = {±I}. Nicht-trivialeStabilisatoren haben inD nur die Punktei und ρ, und zwar giltΓi = 〈T〉, T =(

0 −11 0

)

, T2 = −I , Γρ = 〈R〉, R= TU =

(0 −11 1

)

, R3 = −I .

Beweis Genaue Ausgestaltung des Beweises von Teil a) in 43.12. 2

Bezeichnen wir mitM das Bild vonM ∈ SL2(R) in PSL2(R) und mitΓz das Bilddes obigen Stabilisators, so gilt:Γz = {id}, fallsz∈D \{i,ρ}, Γi =

⟨T

⟩, Γρ =

⟨R⟩,

T2= id, R

3= id.

273

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Kapitel 44

Die Liouvilleschen Sätze

SeiΛ ⊂ C ein Gitter. Gibt es nicht-konstante elliptische Funktionen zuΛ? Ja, undzwar folgt das aus früheren Sätzen überΘ (siehe Kapitel 28). Hier nun allgemeineSätze über elliptische Funktionen.

44.1 Satz a) Die elliptischen Funktionen zuΛ bilden einen Körper K(Λ)⊃ C.

b) Für f ∈ K (Λ) gilt: f ′ ∈ K (Λ).

c) Ist Λ′ = λΛ mit λ ∈ C∗, so ist

K (Λ) ∋ f (·) 7→ f (λ ·) ∈ K(Λ′)

ein Körper-Isomorphismus. D. h. die zu äquivalenten Gittern gehörenden el-liptischen Funktionen sind kanonisch isomorph.

Beweis a) X

b) X

c) Sei f ∈ K (Λ′), g(z) := f (λz). ⇒ ∀ω ∈ Λ ist g(z+ω) = f (λ (z+ω)) =f (λz) = g(z). Der Rest ist klar. 2

44.2 Satz (Erster Liouvillescher Satz)Jede holomorphe elliptische Funktion istkonstant.

Beweis f sei holomorph und elliptisch⇒ f ist beschränkt auf einem Fundamen-

talparallelogrammP0 ⇒ f ist beschränkt14.6⇒ f ist konstant. 2

44.3 Korollar Seienf ,g∈ K (Λ).

a) Haben f 6= 0 6= g in einem Fundamentalparallelogramm vonΛ dieselbenPole und Nullstellen (nach Vielfachheit gezählt), so existiert einλ ∈ C∗ mitf = λg.

274

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b) Habenf undg die gleichen Pole in einem Fundamentalparallelogramm vonΛ und darin die gleichen Hauptteile, so existiert einλ ∈ C mit f = g+λ .

Beweis a) fg ∈ K (Λ) „ist“ holomorph, also konstant nach 44.2.

b) f −g∈ K (Λ) „ist“ holomorph, also konstant nach 44.2. 2

44.4 Satz (Zweiter Liouvillescher Satz)Für jedes f∈ K (Λ) gilt:

∑z∈C/Λ

Res( f ,z) = 0.

Beweis Seia∈ C so gewählt, dass auf∂Pa keine Pole vonf liegen.

⇒ 2π i ∑z∈

◦Pa

Res( f ,z) =∫

∂Pa

f (z) dz

=∫

σa,a+ω1

f (ζ ) dζ +∫

σa+ω1+ω2,a+ω2

f (ζ ) dζ︸ ︷︷ ︸

=0

+∫

σa+ω1,a+ω1+ω2

f (ζ ) dζ +∫

σa+ω2,a

f (ζ ) dζ︸ ︷︷ ︸

=0

= 0

wegen der doppelten Periodizität vonf . 2

44.5 Korollar a) Es gibt keinf ∈ K (Λ) mit nur einem Pol (nach Vielfachheit)modΛ.

b) Jedesf ∈ K (Λ) \C hat modΛ mindestens 2 Pole 1. Ordnung oder 1 Polmindestens 2. Ordnung.

Beweis 44.4 2

44.6 Satz (Dritter Liouvillescher Satz) Jedes f∈ K (Λ) \C nimmt modΛ jedenWert ausP gleich oft an (nach Vielfachheit gezählt). Die Anzahl

∑z∈C/Λ

ord( f −c,z) =: ord f

heißt dieOrdnungvon f .

275

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Beweis Sei c ∈ C und a ∈ C so gewählt, dass auf∂Pa keine Pole und keinec-Stellen vonf liegen.

⇒ #c-Stellen vonf −#Pole vonf26.5=

12π i

∂Pa

f ′

f −c(ζ ) dζ

= ∑z∈

◦Pa

Res

f ′

f −c︸ ︷︷ ︸

∈K(Λ)

,z

= 0

nach 44.4. 2

Die Liouvilleschen Sätze sind Spezialfälle „bekannter“ Sätzer über meromorpheFunktionen auf kompakten Riemannschen Flächen:

1) Jede holomorphe Funktion auf einer kompakten Riemannschen Fläche istkon-stant (FallP: Übungsaufgabe, FallC/Λ: 44.2)

2) Die Residuensumme jeder meromorphen Funktion auf einer kompakten Rie-mannschen Fläche ist= 0. (FallP: Übungsaufgabe, FallC/Λ: 44.4).

3) Jede nicht-konstante meromorphe Funktion nimmt auf einer kompakten Rie-mannschen Fläche jeden Wert ausP gleich oft an (FallP: Übungsaufgabe, FallC/Λ: 44.6)

44.7 Satz (Vierter Liouvillescher Satz) (NIELS HENDRIK ABEL, 1826). Es sei-en α1, . . . ,αr die Nullstellen undβ1, . . . ,βr die Pole von f∈ K (Λ) \C in C/Λ,wobei jede dieser Zahlen entsprechend ihrer Vielfachheit gezählt sei. Dann ist∑r

j=1 α j −∑rj=1 β j ∈ Λ.

Beweis OBdA seienα j ,β j unda∈ C so gewählt, dassα j ,β j ∈◦Pa. Zur Illustration

siehe auch Abb. 44.1. Dann istr

∑j=1

α j −r

∑j=1

β j26.5=

∂◦Pa

f ′ (z)f (z)

zdz.

Hier ist

12π i

γ2

zf ′

f(z) dz+

12π i

γ4

zf ′

f(z) dz

=1

2π i

γ2

(z− (z−ω1))f ′

f(z) dz= ω1

12π i

γ2

f ′

f(z) dz

= ω11

2π i

f◦γ2

dζζ

= ω1n( f ◦ γ2,0)︸ ︷︷ ︸

∈Z

∈ Λ

dto. mitγ1 undγ3 ⇒ Behauptung. 2

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a

a+ω1

a+ω1 +ω2

a+ω2

γ1

γ2

γ3

γ4

Abbildung 44.1: Fundamentalparallelotop

44.8 Korollar Es seiena,b ∈ P und α1, . . . ,αr die a-Stellen,β1, . . . ,βr die b-Stellen vonf ∈ K (Λ)\C in C/Λ. Dann gilt:

r

∑j=1

α j −r

∑j=1

β j ∈ Λ.

Beweis Nur für a 6= b ist etwas zu tun.b = ∞,a ∈ C: f 7→ f − a in 44.7,a,b ∈C,a 6= b: 44.7 anwenden auff−a

f−b ∈ K (Λ)\C. 2

277

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Kapitel 45

Die Weierstraßsche℘-Funktion

Problem: Konstruktion elliptischer Funktionen zum GitterΛ = Zω1 +Zω2.Ansatz:

∑ω∈Λ

1

(z−ω)k (z /∈ Λ)

wird eine elliptische Funktion werden, falls die Reihe absolut konvergiert.

45.1 Lemma Für r > 0 gilt:

∑ω∈Λ

′ |ω |−r < ∞ ⇔ r > 2.

Notation:∑′ω∈Λ := ∑ω∈Λ\{0}.

Bemerkung Im n-dimensionalen Fall hat man als Konvergenz-Bedingungr > n(vgl. n = 1).

Beweis Wir zählen die Punkte vonΛ nach Parallelogrammen ab (siehe Abb. 45.1).Hier liegen aufQ1 8 Gitterpunkte ausΛ, aufQ2 16 Gitterpunkte ausΛ,. . . , aufQk

8k Gitterpunkte ausΛ. Sei 0< ρ so klein, dass

Kρ (0) ⊂ Q1 ={

λ1ω1 +λ2ω2,∣∣λ j

∣∣ ≤ 1

},

R> 0 so groß, dassKR(0) ⊃ Q1. Dann gilt für alleω ∈ Qk∩Λ:

kρ ≤ |ω | ≤ kR

⇒ ∀ r > 0 ∑ω∈Qk∩Λ

′ω−r{

≤ 8k(kρ)−r

≥ 8k(kR)−r

⇒ ∑ω∈Λ

′ |ω |−r < ∞ ⇔∞

∑k=1

k1−r < ∞ ⇔ r > 2 2

278

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ω1

ω2

Q1

Q2

Abbildung 45.1: Abzählung der Gitterpunkte

Folgerung Fürk≥ 3, k∈ N ist ∑ω∈Λ (z−ω)−k eine elliptische Funktion der Ord-nungk, welche Pole (k-ter Ordnung) genau in den Punkten vonΛ hat; Hauptteil in0: 1

zk .

Frage: Gibt es eine elliptische Funktion der Ordnung 2?

45.2 Satz (Weierstraß)Zu jedem GitterΛ ⊂ C existiert genau eine elliptischeFunktion℘ von der Ordnung 2 mit einer Laurent-Entwicklung in 0 von der Form

℘(z) =1z2 +a2z2 +a4z4 + . . . ,

und zwar ist

℘(z) =1z2 + ∑

ω∈Λ

′(

1

(z−ω)2 −1

ω2

)

(Partialbruchreihe wie im Satz von Mittag-Leffler (35.1)). Diese Partialbruchreihefür ℘ konvergiert kompakt gleichmäßig absolut inC\Λ; speziell ist

℘′ (z) = −2 ∑ω∈Λ

1

(z−ω)3 .

℘ ist gerade,℘′ ungerade.

Beweis Zu zeigen sind Existenz und Eindeutigkeit der behaupteten Funktion:

Existenz Wir zeigen:

℘(z) :=1z2 + ∑

ω∈Λ

′(

1

(z−ω)2 −1

ω2

)

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hat die behaupteten Eigenschaften.Konvergenz der Reihe: SeiR> 0, |z| ≤ R, ω ∈ Λ, |ω | ≥ 2R.

⇒∣∣∣∣∣

1

(z−ω)2 −1

ω2

∣∣∣∣∣=

∣∣∣∣∣

z(2ω −z)

ω2(z−ω)2

∣∣∣∣∣

≤ R(2|ω |+R)

|ω |2(|ω |−R)2 ≤R

(

2|ω |+ |ω|2

)

|ω |2(

|ω |− |ω|2

)2 =10R

|ω |3

45.1⇒ ∑ω∈Λ

|ω|>2R

(

1

(z−ω)2 −1

ω2

)

konvergiert gleichmäßig aufKR(0).⇒ Konvergenz und Meromorphie sowiedie Lage und Ordnung der Pole von℘.℘ ist also meromorph inC mit Polengenau in den Punkten vonΛ. Hauptteil von℘ in ω ∈ Λ: 1

(z−ω)2 .

Wir zeigen:℘ ist elliptisch.Nach dem obigen ist

℘′ (z) = −2 ∑ω∈Λ

′ 1

(z−ω)3

eine ungerade elliptische Funktion. Seij = 1,2: Die Funktionen℘(z+ω j)und℘(z) sind beide Stammfunktionen von℘′.

⇒∃c j ∈ C ℘(z+ω j) =℘(z)+c j (z∈ C\Λ) .

Hier setzen wirz := −ω j

2 /∈ Λ! ⇒℘(ω j

2

)= ℘

(−ω j

2

)+ c j . Definition von

℘⇒℘ ist gerade.⇒ c j = 0 für j = 1,2.⇒℘∈ K (Λ) und℘ ist gerade,℘′

ungerade. Wegen limz→0

(

℘(z)− 1z2

)

= 0 nach Definition von℘ ist also bei

0:

℘(z) =1z2 +a2z2 +a4z4 + . . .

Eindeutigkeit Sei f ∈ K (Λ) \C mit ord f = ord( f ,0) = 2. Multiplikation miteiner Konstanten ausC∗ ⇒ oBdA

f (z) =1z2 +

a−1

z+a0 + . . .

(Laurent-Entwicklung um 0).⇒ f (−z) ∈ K (Λ) und

f (−z) =1z2 −

a−1

z+a0 + . . . .

280

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⇒ f (z)− f (−z)︸ ︷︷ ︸

∈K(Λ)

= 2a−1

z+2a1z+ . . . .

ist eine elliptische Funktion der Ordnung 1, eine solche existiert aber nicht.⇒ f (z)− f (−z) =const. und ungerade⇒ f (z) = f (−z).⇒ f (z) ist gerade.

⇒ f (z) =1z2 +a0 +a2z2 +a4z4 + . . .

⇒ f −a0 =:℘∈ K (Λ)\C mit Laurententwicklung der angegebenen Form,und℘ ist hierdurch eindeutig bestimmt, denn istq eine weitere solche el-liptische Funktion, so ist℘− q holomorph, also konstant, und wegen desVerhaltens im Ursprung gleich 0. 2

45.3 SatzDie Weierstraßsche Zetafunktion

ζ (z) :=1z

+ ∑ω∈Λ

′(

1z−ω

+1ω

+z

ω2

)

ist kompakt gleichmäßig absolut konvergent inC\Λ, und es gilt:

a) ℘(z) = −ζ ′ (z), ζ ist ungerade.

b) ζ hat in jedem Periodenparallelogramm genau einen Pol erster Ordnung.Insbesondere istζ keine elliptische Funktion.

c) Mit

Gk := ∑ω∈Λ

′ω−k (k∈ N, k≥ 3)

hat ζ in 0 die Laurententwicklung

ζ (z) =1z−

∑k=2

G2kz2k−1.

Die Gk heißenEisensteinsche Reihen.

Beweis Da alle Residuen von℘verschwinden, ist für jede stückweise stetig diffe-renzierbare Kurveγ von 0 nachz in C\Λ∪{0} die gliedweise Integration zulässigund ergibt:

γ0,z∑

ω∈Λ

′(

1

(u−ω)2 −1

ω2

)

du= ∑ω∈Λ

′[

− 1u−ω

− uω2

]z

0

= − ∑ω∈Λ

′(

1z−ω

+1ω

+z

ω2

)

,

also folgt die Konvergenz und

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a) ℘(z) = −ζ ′ (z). ζ ungerade: siehe Reihe.

b) klar (vgl. 44.5).

c) Für|z| < ρ := min{|ω | ,ω ∈ Λ\{0}} konvergiert

∑ω∈Λ

′(

1z−ω

+1ω

+z

ω2

)

kompakt gleichmäßig und ist gleich

− ∑ω∈Λ

′(

· 11− z

ω− 1

ω− z

ω2

)

= − ∑ω∈Λ

′ ∞

∑k=2

zk

ωk+1

17.3= −

∑k=2

Gk+1zk G2k+1=0= −

∑k=2

G2kz2k−1. 2

45.4 Korollar Die Laurent-Entwicklung von℘ um 0 lautet:

℘(z) =1z2 +

∑k=2

(2k−1)G2kz2k−2.

Beweis℘= −ζ ′. 45.3 c)⇒ Behauptung. 2

ζ ist nicht elliptisch, aberζ (z+ω j) und ζ (z) sind beide Stammfunktionen von−℘, ihre Differenz ist also konstant.

45.5 Definition (Weierstraßscheη-Funktion) Wir definieren

η j := ζ (z+ω j)−ζ (z) = 2ζ(ω j

2

)

( j = 1,2) ,

daζ ungerade ist und die Differenz konstant.

45.6 Satz (Legendre-Relation)ω2ω1

∈ H ⇒ η1ω2−η2ω1 = 2π i.

Beweis Seia /∈ Λ.

⇒∫

∂Pa

ζ (z) dz= 2π i.

Mit Abb. 44.1 folgert man weiter:

⇒∫

γ1

ζ (z) dz+∫

γ3

ζ (z) dz=∫

γ1

(ζ (z)−ζ (z+ω2))︸ ︷︷ ︸

=−η2

dz= −η2ω1,

ebenso∫

γ2

ζ (z) dz+∫

γ4

ζ (z) dz=∫

γ2

(ζ (z)−ζ (z−ω1))︸ ︷︷ ︸

=η1

dz= η1ω2.

⇒ Behauptung. 2

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Für Imω1ω2

> 0 wechselt die rechte Seite das Vorzeichen.

45.7 SatzFür a,b∈C, a 6≡b modΛ ist ζ (z−a)−ζ (z−b) eine elliptische Funk-tion zum GitterΛ mit genau 2 Polen erster Ordnung in jedem Fundamentalparal-lelogramm.

Beweis45.5⇒ ζ (z−a+ω j)−ζ (z−b+ω j)− (ζ (z−a)−ζ (z−b))

= η j −η j = 0 ( j = 1,2)

Meromorphie und Lage der Pole ist klar: Pole liegen genau in den Punktenz ausC, die z≡ a,b modΛ sind, und diese Pole sind genau von erster Ordnung mitResiduen 1 bzw. -1.⇒ Die Residuensumme verschwindet, wie in 44.4 gefordert.2

Allgemeiner: n ∈ N, n ≥ 2, a1, . . . ,an ∈ C paarweise modΛ verschieden, undα1, . . . ,αn ∈ C∗ mit ∑n

i=1 αi = 0.

⇒n

∑j=1

α jζ (z−a j)

ist eine elliptische Funktion der Ordnungn mit genaun Polen erster Ordnung imFundamentalparallelogramm.

45.8 Definition (Weierstraßsche Sigma-Funktion)Fürz∈ C sei

σ (z) := z· ∏ω∈Λ

′(1− z

ω

)

ezω + 1

2(zω )

2

dieWeierstraßsche Sigmafunktion.

45.9 Satz σ ist eine ungerade ganze Funktion, die genau in den Punkten ausΛeinfache Nullstellen hat, und es gilt:σ ′

σ = ζ . Ferner gilt:

σ (z+ω j) = −eη j

(

z+ω j2

)

σ (z) .

Beweis σ ganz und ungerade folgt aus Inspektion der Definition. Weiter ist

σ ′

σ=

1z

+ ∑ω∈Λ

′(

1z−ω

+1ω

+( z

ω

)2)

= ζ (z) .

⇒ Die logarithmische Ableitung von

σ (z+ω j)

σ (z)eη j z

verschwindet, also existiert einc j ∈ C, mit

σ (z+ω j) = c jσ (z)eη j z ( j = 1,2) .

z= −ω j

2 ist keine Nullstelle vonσ .

⇒ σ(ω j

2

)

= c jσ(

−ω j

2

)

= −σ(ω j

2

)

e−η jω j2 .

⇒ c j = −eη jω j2 . 2

283

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45.10 SatzEs sei f∈ K (Λ) \C eine elliptische Funktion der Ordnung r, und esseien a1, . . . ,ar genau alle Nullstellen von fmodΛ, b1, . . . ,br genau alle Pole vonf modΛ, wobei die Vertreter modΛ so gewählt seien, adss∑r

j=1a j = ∑rj=1b j

(siehe 44.7; es darf dabei z. B. a1 ≡ a2 modΛ, a1 6= a2 sein, falls a1 Nullstellehöherer Ordnung ist). Dann gibt es ein c∈ C∗, so dass

f (z) = c·r

∏j=1

σ (z−a j)

σ (z−b j).

Beweis g(z) :=r

∏j=1

σ (z−a j)

σ (z−b j)

hat dieselben Nullstellen und Pole wief , und es gilt nach 45.9 fürj = 1,2:

g(z+ω j) = g(z) ·exp

(

η j

r

∑k=1

(z−ak)−η j

r

∑k=1

(z−bk)

)

︸ ︷︷ ︸

=exp(0)=1

= g(z)

⇒ g∈ K (Λ)\{0}. 44.3⇒ fg ist konstant. 2

45.11 Korollar Für ω ∈ C\Λ gilt:

℘(z)−℘(w) = −σ (z+w)σ (z−w)

σ2(z)σ2(w)

Beweis Bei festemw ist z 7→℘(z)−℘(w) elliptisch von der Ordnung 2 mit einemPol 2. Ordnung in 0 und Nullstellen inw und−w. Die Nullstellenw und−w sindmodΛ kongruent genau dann, wenn 2w∈ Λ. Sei zunächst 2w /∈ Λ. ⇒ 45.10 kannangewandt werden mita1 = w, a2 = −w, b1 = b2 = 0 und liefert:

℘(z)−℘(w) = c· σ (z+w)σ (z−w)

σ2(z).

Wegen

limz→0

σ2(z)(℘(z)−℘(w)) = limz→0

z2℘(z) = 1

folgt daraus

c·σ (w)σ (−w)︸ ︷︷ ︸

=−σ(w)

= 1

σ (w) 6= 0, daw /∈ Λ.

⇒ c = − 1σ2(w)

.

⇒ Behauptung für 2ω /∈ Λ. Dann folgt die Behauptung allgemein durch Grenz-übergang. 2

284

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45.12 Korollar Es gilt mit ω3 := ω1 +ω2:

℘′ (z) = − [σ (2z)σ4(z)

(z− ω1

2

)(z− ω2

2

)(z− ω3

2

)

σ(ω1

2

(ω22

(ω32

) .

Beweis

℘(z)−℘(w)

z−ww→z−−→ ℘′ (z)

−σ (z+w)(σ (z−w)−σ (0))

σ2(z)σ2(w)

w→z−−→ −σ (2z)σ4(z)

⇒ 1. Formel. Die 2. Formel folgt mit 45.10 und 46.1:℘hat nach 46.1 die Nullstel-len ω1

2 , ω22 , −ω3

2 modΛ mit Summe 0, einziger Pol ist 0 mit Vielfachheit 3. 45.10mit a1 = ω1

2 , a2 = ω22 , a3 = ω3

2 , b1 = b2 = b3 = 0 liefert:

℘′ (z) = cσ

(z− ω1

2

(z− ω2

2

(z− ω3

2

)

σ3(z),

limz→0

σ3(z)℘′ (z) = limz→0

z3℘′ (z) = −2

⇒ σ(ω1

2

)

σ(ω2

2

)

σ(ω3

2

)

c = −2

⇒ Behauptung. 2

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Kapitel 46

Die Differentialgleichung der℘-Funktion

Bezeichnungen Λ = Zω1 +Zω2, ω3 := ω1 +ω2

46.1 SatzDie Funktion℘′ hat in P0 := {sω1 + tω2 |0≤ s, t ≤ 1} genau die Null-stellenω1

2 , ω22 , ω3

2 , und diese sind alle von erster Ordnung.

Beweis Seiω ∈ Λ, ω2 /∈ Λ. ⇒℘′ (ω

2

)∈ C und

−℘′(ω

2

)

=℘′(

−ω2

)

=℘′(ω

2

)

⇒℘′ (ω2

)= 0.⇒ ω1

2 , ω22 , ω3

2 sind Nullstellen von℘′.℘′ hat die Ordnung 3⇒ Dassind alle Nullstellen inP0, und jede hat die Vielfachheit 1. 2

Bemerkung Die Nullstellen von℘wurden bestimmt in Eichler und Zagier (1982).

46.2 SatzDie Funktion℘nimmt genau jeden der Werte e1 :=℘(ω1

2

), e2 :=℘

(ω22

),

e3 :=℘(ω3

2

)in zweiter Ordnung an,℘nimmt den Wert ej nur in ω j

2 an ( j= 1,2,3),und e1,e2,e3 sind paarweise verschieden. Ferner sind e1,e2,e3 die einzigen Wertein C, die von℘ in zweiter Ordnung angenommen werden.

Beweis℘ ist elliptisch von der Ordnung 2 und nimmt den Wertej in ω j

2 genau in 2.Ordnung an, da℘′ in ω j

2 eine einfache Nullstelle hat,ej wird von℘auch an keineranderen Stelle angenommen, da ord℘ = 2. ℘ nimmt keinen Wert6= e1,e2,e3 inzweiter Ordnung an, da℘′ in P0 genau die Nullstellenω1

2 , ω22 , ω3

2 hat.e1,e2,e3 sindpaarweise verschieden, da ord℘= 2 ist. 2

46.3 Satz ℘′2 = 4(℘−e1)(℘−e2)(℘−e3)

Beweis Beide Seiten der Gleichung sind elliptisch von der Ordnung 6.

f :=℘′2

4(℘−e1)(℘−e2)(℘−e3)∈ K (Λ)

286

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ist nullstellenfrei, also konstant. Laurententwicklung um 0 liefert:

℘′ (z) = − 2z3 + . . .

⇒ ℘′2(z) =4z6 + . . .

4(℘−e1)(℘−e2)(℘−e3) =4z6 + . . .

⇒ limz→0

f (z) = 1

⇒ f ≡ 1 2

46.4 Satz (Differentialgleichung der℘-Funktion) 1847 erstmals bewiesen durchEISENSTEIN.

℘′2 = 4℘3−g2℘−g3

mit

g2 := 60G4 = 60∑ω∈Λ

′ω−4, g3 := 140G6 = 140∑ω∈Λ

′ω−6.

Beweis Anfänge der Laurent-Reihen:

℘(z) =1z2 +3G4z2 +5G6z4 + . . .

℘′ (z) = − 2z3 +6G4z+20G6z3 + . . .

(℘′ (z)

)2=

4z6 −

24G4

z2 −80G6 + . . .

4℘3(z) =4z6 +

36G4

z2 +60G6 + . . .

60G4℘(z) =60G4

z2 +0+ . . .

⇒℘′2−4℘3 +g2℘= −140G6 = −g3,

denn nach 44.2 entfallen alle höheren Terme wegen der Holomorphie. 2

46.5 Korollar Es gilt:

e1 +e2 +e3 = 0,

−4(e1e2 +e2e2 +e3e1) = g2,

4e1e2e3 = g3,

∆0 := 16(e1−e2)2(e2−e3)

2(e3−e1)2 = g3

2−27g23 6= 0

∆0 ist die Diskriminante des Polynoms

4X3−g2X−g3 = 4(X−e1)(X−e2)(X−e3) .

287

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Beweis Da℘ jeden Wert ausC annimmt, ist nach 46.3 und 46.4

4X3−g2X−g3 = 4(X−e1)(X−e2)(X−e3) ,

und e1,e2,e3 sind paarweise verschieden. Koeffizientenvergleich liefert die Be-hauptung wegen folgender

Bemerkung Ist f (X) := a=Xn + a1Xn−1 + . . .+ an ein Polynom überC mit denNullstellenx1, . . . ,xn (nach Vielfachheit gezählt), so heißt bei Waerden (1966)

D := a2n−20 ∏

j<k

(x j −xk)2

dieDiskriminantevon f . Offenbar gilt:D 6= 0⇔ f hat keine mehrfachen Nullstel-len.D hängt nur vona0, . . . ,an ab: Auch wenn man die Nullstellen nicht kennt, kannman an den entsprechenden Ausdrücken fürD ablesen, obf mehrfache Nullstellenhat; fürn = 3 ist z. B.

D = a21a2

2−4a0a32−4a3

1a3−27a20a2

3 +18a0a1a2a3

(vorgerechnet z. B. bei Jacobson (1974)).

WegenD = 16∆0 ergibt das die obigen Formeln. 2

46.6 Korollar Es seienω1 > 0, ω2 = iω ′2 mit ω ′

2 > 0. Dann sinde1,e2,e3 ∈ R und

℘:]

0,ω1

2

]

→ [e1,∞[

bijektiv. Die Umkehrfunktion von℘|]0,ω12 ] ist eine Stammfunktion von

− 1√

4u3−g2u−g3

(Der Radikand ist hier füru > e1 positiv).

46.7 SatzEs seien a,b > 0, R das offene Rechteck mit den Ecken0,a,a+ ib, ib,und es seienω1 := 2a, ω2 := 2ib, Λ = Zω1 +Zω2. Dann vermittelt die Funktion−℘|R: R→ H eine konforme Abbildung von R aufH.

46.8 Satz a) Jede gerade elliptische Funktion ist eine rationale Funktion von℘.

b) K(Λ) = C(℘)[℘′] = C(℘)+C(℘)℘′

ist eine quadratische Erweiterung einer einfachen transzendenten Erweite-rung vonC.

c) K(Λ) ≃ C(X) [Y]/(Y2−

(4X3−g2X−g3

))

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Beweis a) Sei f ∈ K (Λ) gerade, d. h.f (z) = f (−z), f nicht konstant,m :=ord f . f ′ hat nur endlich viele Nullstellen modΛ.⇒ Jedesc∈C\{ f (w) |w∈ C,wkein Pol vonf , f ′ (w) = 0}=:M wird von f in jedem Fundamentalparallelogramm vonΛ an genaum ver-schiedenen Punkten je erster Ordnung angenommen. Seic ∈ M, f (a) = c.f ist gerade⇒ f (−a) = c. Wärea≡ −a modΛ, so wärea = −a+ ω mitω ∈ Λ, also

f (a+z) = f (a+ω +z) = f (−a+z) = f (a−z)

⇒ f ′ (a+z) = − f ′ (a+z), speziell fürz = 0: f ′ (a) = 0. Das ist ein Wi-derspruch zur Wahl vonc. ⇒ a 6≡ −a modΛ. ⇒ Für c ∈ M treten diec-Stellen von f in Paaren(a,−a) mod Λ inäquivalenter Elemente auf.⇒m= 2r gerade, und diec-Stellen können in folgender Form gewählt werden:a1, . . . ,ar ,−a1, . . . ,−ar alle inkongruent modΛ. Sei auchd ∈ M, d 6= c undseienb1, . . . ,br ,−b1, . . . ,−br die zugehörigend-Stellen vonf .

⇒ g(z) :=f (z)−cf (z)−d

∈ K (Λ)\C

hat genau die Nullstellena1, . . . ,ar ,−a1, . . . ,−ar und genau die Poleb1, . . . ,br ,−b1, . . . ,−br , da die Pole vonf hebbare Singularitäten mit einem von 0 ver-schiedenen Funktionswert liefern. Dieselben Nullstellen und Pole hat

h(z) :=(℘(z)−℘(a1)) · . . . · (℘(z)−℘(ar))

(℘(z)−℘(b1)) · . . . · (℘(z)−℘(br)).

Man beachte: Wegen 2a j /∈ Λ,2b j /∈ Λ für alle j = 1, . . . , r hat℘(·)−℘(a j)in ±a j eine Nullstelle von genau erster Ordnung, dto. mit±b j nach 46.2.⇒ g = λh mit geeignetemλ ∈ C∗. ⇒ f ∈ C(℘). ⇒ a).

b) Sei f ∈ K (Λ).

⇒ f (z) =f (z)+ f (−z)

2︸ ︷︷ ︸

gerade⇒∈C(℘)

+f (z)+ f (−z)

2℘′ (z)︸ ︷︷ ︸

gerade⇒∈C(℘)

℘′ (z) ∈ C(℘)+C(℘)℘′

⇒ b).

c) Nach b) ist

Φ : C(X) [Y] → K (Λ) , X 7→℘, Y 7→℘′

(beachte:℘ ist transzendent überC, denn wäre

n

∑j=0

α j℘j = 0

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mit α0, . . . ,αn ∈ C, so hätte das Polynom

n

∑j=0

α jXj

alle komplexen Zahlen als Nullstellen, denn℘ nimmt alle Werte ausC alsFunktionswerte an.) ein surjektiver Homomorphismus, also ist

C(X) [Y]/kerΦ ≃ K (Λ) .

C(X) [Y] ist ein Hauptidealring, kerΦ also ein Hauptideal. Offenbar liegtY2−

(4X3−g2X−g3

)im Kern und hat minimalen Grad, erzeugt also kerΦ.2

46.9 Korollar

℘′′ = 6℘2− 12

g2

℘′′′ = 12℘℘′

℘iv = 120℘3−18g2℘−11g3

℘v = 360℘2℘′−18g2℘′,

d. h. alle elliptischen Funktionen des Typs∑ω∈Λ1

(z−ω)k für k≥ 3 lassen sich rekur-

siv explizit durch℘ und℘′ ausdrücken.

Beweis

℘′2 = 4℘3−g2℘−g3

⇒ 2℘′℘′′ = 12℘2℘′−g2℘′

⇒ ℘′′ = 6℘2− 12

g2

⇒ ℘′′′ = 12℘℘′

⇒ ℘iv = 12℘′2 +12℘℘′′ = 12(4℘3−g2℘−g3

)+12℘

(

6℘2 +12

)

= 120℘3−18g2℘−12g3

⇒ ℘v = 360℘2℘′−18g2℘′2

46.10 SatzAlle Eisensteinreihen G2k = ∑′ω∈Λ ω−2k für k≥ 2 lassen sich durch G4

und G6 ausdrücken. Genauer gilt: Für alle n≥ 3 ist

((2n−1

3

)

−2(2n−1)

)

G2n =n−2

∑k=2

(2k−1)(2(n−k)−1)G2kG2(n−k),

290

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speziell ist

7G8 = 3G24

11G10 = 5g4G6

143G12 = 18G34 +25G6

143G14 = 30G24G6

Beweis

45.4⇒ ℘(z) =1z2 +

∑k=2

(2k−1)G2kz2k−2

46.9⇒ ℘′′ = 6℘2− 12

g2 = 6℘2−30G4

Multiplikation mit 16z4 liefert:

16

z4℘′′ (z) = 1+∞

∑n=2

(2n−1

3

)

G2nz2n

46.9⇒ z4℘′′2(z)−5G4z4 45.4=

(

1+∞

∑k=2

(2k−1)G2kz2k

)2

−5G4z4

Koeffizientenvergleich liefert:

n = 3

(23

)

G4 = 2·3G4−5G5

n≥ 3(

2n−13

)

G2n = 2(2n−1)G2n

+n−2

∑k=2

(2k−1)(2(n−k)−1)G2kG2(n−k)

⇒ Identität des Satzes. Speziell mitn = 4 durch Einsetzen: 7G8 = 3G24. Alle wei-

teren Resultate erhält man ebenfalls durch Einsetzen. 2

46.11 Korollar Die ℘-Funktion zum GitterΛ ist durch die „Invarianten“g2 =60∑′

ω∈Λ ω−4 und g3 = 140∑′ω∈Λ ω−6 bereits vollständig festgelegt. Dabei gilt:

g32−27g2

3 6= 0.

Beweis 46.10⇒ Alle Eisensteinreihen lassen sich durchg2,g3 polynomial aus-drücken, d. h. alle Laurent-Koeffizienten von℘ in 0 sind durchg2,g3 eindeutigfestgelegt. 2

291

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Frage: Welchen Bedingungen sindg2,g3 unterworfen? Nach 46.5 ist

∆0 := g32−27g2

3 6= 0.

Umkehrproblem: Es seienγ2,γ3 ∈C vorgelegt mitγ32 −27g2

3 6= 0. Gibt es ein GitterΛ ⊂ C mit zugehörigen Invarianteng2 = γ2 undg3 = γ3?Antwort: Ja. Der Beweis stützt sich auf die Theorie der Modulformen, siehe KapitelX, §50.

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Kapitel 47

Das Additionstheorem

47.1 SatzDie Abbildung

(C/Λ)\{[Λ]}→{(x,y) ∈ C2 |y = 4x3−g2−g3

}, z+Λ 7→

(℘(z) ,℘′ (z)

)

ist bijektiv.

Bemerkung C/Λ trägt reiche Struktur:

algebraisch C/Λ ist additive abelsche Gruppe.

topologisch C/Λ ≃ S1×S1

funktionentheoretisch C/Λ ist eine kompakte Riemannsche Fläche vom Ge-schlecht 1.

Beweis Injektivität Seienz1,z2∈P0\{0}, P0 := {λω1 + µω2 |0≤ λ ,µ < 1} und(℘(z1) ,℘′ (z1)) = (℘(z2) ,℘′ (z2)). Zwei Fälle:

(i) Ist℘(z1)∈{e1,e2,e3}, so ist notwendigz1 = z2, denn℘nimmt die dreiverschiedenen Wertee1,e2,e3 in P0 nur in ω1

2 , ω22 , ω3

2 an in 2. Ordnung.

(ii) Sei℘(z1) /∈ {e1,e2,e3}. ⇒℘(z2) /∈ {e1,e2,e3}. Zwei Fälle:

(1) z1 = z2: Nichts zu tun.

(2) z2 = ω3−z1.

⇒℘′ (z2) =℘′ (ω3−z1) =℘′ (−z1) = −℘′ (z1) 6= 0,

daz1 /∈{ω1

2 , ω22 , ω3

2

}. Das ist ein Widerspruch.

⇒ z1 = z2 ⇒ Injektivität.

Surjektivität Sei(x,y) ∈ C2 mit

y2 = 4x3−g2x−g3 = 4(x−e1)(x−e2) (x−e3) .

Da℘ jeden Wert ausC genau zweimal inP0 annimmt, gibt es dann einz∈P0

mit ℘(z) = x. 2 Fälle:

293

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(i) Ist z∈{ω1

2 , ω22 , ω3

2

}, so istx∈ {e1,e2,e3} undy = 0. Aber es ist auch

℘′ (z) = 0, daz∈{ω1

2 , ω22 , ω3

2

}. ⇒ (x,y) = (℘(z) ,℘′ (z)), hat also ein

Urbild.

(ii) Falls z /∈{ω1

2 , ω22 , ω3

2

}, ist auch℘(ω3−z) = x, und wegen℘′ = 4℘3−

g2℘−g3 ist notwendig℘′ (z) = y oder℘′ (z) =−y. Im ersten Fall gilt:(℘(z) ,℘′ (z)

)= (x,y) ,

anderenfalls(℘(ω3−z) ,℘′ (ω3−z)

)= (x,y) ,

in jedem Fall hat also(x,y) ein Urbild.

⇒ Surjektivität.⇒ Bijektivität 2

Ziel: Die Abbildung aus 47.1 soll auf natürliche Weise zu einer Bijektion auf ganzC/Λ erweitert werden. Dazu wirdC2 eingebettet in den RaumP2 = P2(C).

47.2 Definition (Projektive Koordinaten) Es sei

P2 := P2(C) :={

ξ ∈ C3\{0}}

/ ∼,

wobei

ξ ∼ η :⇔∃λ ∈ C∗ ξ = λη

eine Äquivalenzrelation definiert. Schreibweise für Punkte ausP2:

(x:y:z) := C

xyz

\

000

.

47.3 Folgerung a) P2 ≃ Menge der komplexen Geraden durch den Ursprungin C3 ≃ Menge der eindimensionalen Untervektorräume vonC3 ≃ Einheits-sphäre inC3 mit identifizierten Punkten[λx : λy : λz] (|x|2 + |y|2 + |z|2 = 1,|λ | = 1). P2 ist bzgl. der Quotiententopologie von der Einheitssphäre inC3

kompakt.

b) C2 lässt sich inP2 einbetten vermöge

C2 ∋ (x,y) 7→ [x : y : 1] ∈ P2 .

In diesem Zusammenhang heißtC2 die affine EbeneüberC und wird mitA2(C) bzw.A2 bezeichnet, also:A2 ⊂ P2. Im reellen Bild gilt: Die Geradenparallel zur(x,y)-Ebene kommen im Bild inP2 nicht vor. Diese liefern die„Punkte“, die man zuA2 hinzunehmen muss, umP2 zu erhalten. Diese Punk-te heißen die „Punkte im Unendlichen“ und liegen auf der sog. „Geraden imUnendlichen“.

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c) Ist f ∈ C [X,Y,Z] ein homogenes Polynom, d. h.

f (λx,λy,λz) = λ d f (x,y,z)

(λ ∈ C, d = degf ), so definiertf die projektive algebraische Menge

V := {[x : y : z] | f (x,y,z) = 0} .

Diese Definition ist sinnvoll, daf homogen ist. Ist speziell

αβγ

6=

000

,

so definiertf = αX +βY + γZ die projektive Gerade

G :={[x : y : z] ∈ P2 |αx+βy+ γz= 0

}.

Der „im Endlichen“ gelegene Teil vonG ist die affine Gerade

Gaff := {(x,y,1)α x+βy+ γ = 0} ⊂ A2 ⊂ P2 .

Es gilt:

Gaff ≃{(

xy

)

∈ C2 |αx+βy+ γ = 0

}

⊂ C2 .

Fürα = β = 0, γ 6= 0 istGaff = /0. Die Punkte[x : y : z]∈ P2 mit z= 0 heißen„Punkte im Unendlichen“. Diese Punkte liegen alle auf einer projektivenGeraden, der „Geraden im Unendlichen“

G∞ :={[x : y : z] ⊂ P2 |z= 0

}=

{

[x : y : 0] |(

xy

)

6=(

00

)}

,

dazu gehörenα = β = 0, γ = 1. Die Geometrie inP2 ist in mancherlei Hin-sicht einfacher als die Geometrie inA2, z. B.

(i) Je zwei verschiedene Geraden inP2 haben genau einen Schnittpunkt.Begründung: Sind die Geraden mit den Gleichungenαx+βy+ γz= 0und α ′x+ β ′y+ γ ′z= 0 verschieden, so sind(α,β ,γ) und (α ′,β ′,γ ′)linear unabhängig überC, d. h. das Gleichungssystem hat den Rang 2,also einen Lösungsraum der Dimension 1. Dieser Lösungsraum „ist“der Schnittpunkt inP2.Anmerkung: Zwei verschiedene parallele Geraden inA2 lassen sichbeschreiben durch Gleichungen des Typsαx+ βy+ γ = 0 undα ′x+β ′y+ γ ′ = 0 mit (α ,β ) 6= (0,0), γ 6= γ ′. Diese Geraden sind Restrik-tionen der projektiven Geraden mit den Gleichungenαx+βy+ γz= 0sowie α ′x+ β ′y+ γ ′z = 0, und der Schnittpunkt dieser Geraden hatz= 0, ist also gleich[−β : α : 0] ∈ G∞. In diesem Sinne gilt: Je zweiverschiedene parallele Geraden inA2 schneiden sich inP2 in einemeindeutig bestimmten Punkt im Unendlichen.

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(ii) Durch je zwei verschiedene Punkte ausP2 geht genau eine projektiveGerade.Begründung: Sind[x : y : z] , [x′ : y′ : z′] zwei verschiedene Punkte auf

P2, so sind dei Vektoren

xyz

und

x′

y′

z′

linear unabhängig, also hat

das Gleichungssystemαx+βy+ γz= 0, αx′+βy′+ γz′ = 0 den Rang2, und man kann wie unter (ci) weiter schließen.

Mehr über Grundlagen der projektiven Geometrie und projektive Kurven findetsich bei Knapp, Silverman und Tate (1992). Allgemein zur projektiven Geometriein Koecher und Krieg (2000).

47.4 SatzDie Abbildung

Φ : C/Λ → E :={[x : y : z] ∈ P2 |y2z= 4x3−g2xz2−g3z3} ,

Φ(u+Λ) :=[℘(u) :℘′ (u) : 1

](u /∈ Λ)

Φ(0+Λ) := [0 : 1 : 0] ∈ E

ist bijektiv. E heißtelliptische Kurvein P2 (in Weierstraßsche Normalform).

Beweis Φ |(C/Λ) \ {0+Λ} ist nach 47.1 eine Bijektion von(C/Λ) \ {0+Λ}auf E ∩A2(C). Um den „richtigen“ Wert in 0+ Λ zu finden, beachten wir füru /∈

{ω12 , ω2

2 , ω32

}:

[℘(u) :℘′ (u) : 1

]=

[℘(u)

℘′ (u): 1 :

1℘′ (u)

]

u→0−−→ [0 : 1 : 0] ∈ G∞ ∩E.

Umgekehrt: IstP = [x : y : z] ∈ G∞ ∩E, so istz= 0, also laut Gleichung fürE auchx = 0, d. h.P = [0 : 1 : 0] ⇒ Φ ist bijektiv. 2

Kommentar C/Λ ist eine additive abelsche Gruppe.⇒ Mit Φ kann man dieGruppenstruktur aufE übertragen. FürP1,P2 ∈ E gibt es eindeutig bestimmtez1 +Λ,z2 +Λ ∈ C/Λ mit

Φ(zj +Λ) = Pj ( j = 1,2) ,

und man definiert:

P1 +P2 := Φ(z1 +z2 +Λ) = Φ(Φ−1(P1)+Φ−1(P2)

).

Das definiert eine Gruppenstruktur aufE. Nullelement von(E,+) istO := [0 : 1 : 0](das ist aufE der eindeutig bestimmte Punkt im Unendlichen). Ferner ist das Nega-tive von[x : y : z] ∈ E gegeben durch− [x : y : z] = [x : −y : z], denn: Das ist richtigfür O, und istP = Φ(u+Λ) für u /∈ Λ, so istP = [℘(u) :℘′ (u) : 1] und

[℘(u) :℘′ (u) : 1

]+

[℘(u) : −℘′ (u) : 1

]

= Φ((u+Λ)+(−u+Λ)) = Φ(0+Λ) = [0 : 1 : 0] = O.

296

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Ziel: Wir wollen die Addition in(E,+) in Termen der homogenen Koordinaten vonE beschreiben. Das geschieht ausführlich in 47.7. Vorab wird dieses Problem geo-metrisch beschrieben. Dazu sind℘(z+w) ,℘′ (z+w) auszudrücken durch℘(z) ,℘(w) ,℘′ (z) ,℘′ (w).

47.5 SatzFür z,w,z+w /∈ Λ gilt:∣∣∣∣∣∣

℘(z) ℘′ (z) 1℘(w) ℘′ (w) 1

℘(z+w) −℘′ (z+w) 1

∣∣∣∣∣∣

= 0.

Beweis Wir betrachten bei festemz,w /∈ Λ das lineare Gleichungssystem

℘′ (z) = α℘(z)+β℘′ (w) = α℘(w)+β

für α,β ∈ C. Dann gibt es zwei Möglichkeiten:

(i) ℘(z) 6= ℘(w). ⇒ Determinante6= 0, es gibt also eine eindeutige Lösung(α,β ).

(ii) ℘(z) =℘(w). Dann gilt:

(a) z∼= w modΛ(b) z∼= −w modΛ

Im Fall (iia) ist die Behauptung klar.Im Fall (iib) ist z+w∈ Λ, das aber ist ein Widerspruch zur Voraussetzung.Bleibt also nur (i) zu betrachten:℘(z) 6) = ℘(w), (α ,β ) sei eindeutig be-stimmte Lösung. Sei

f (u) :=℘′ (u)−α℘(u)−β ∈ K (Λ) ,

f hat die Ordnung 3, hat also modΛ genau 3 Nullstellen. Zwei davon sindbekannt:u = z,u = −w. Nach 44.7 gilt für die dritte Nullstelle:u∼= −z−wmodΛ.

⇒−℘′ (z+w) =℘′ (−z−w)NSt von f

= α℘(−z−w)+β = α℘(z+w)+β .

Mit γ := −1 hat das homogene Gleichungssystem

α℘(z)+ γ℘′ (z)+β = 0

α℘(w)+ γ℘′ (w)+β = 0

α℘(z+w)− γ℘′ (z+w)+β = 0

eine Lösung(α ,γ,β )= (α ,−1,β ) 6= (0,0,0).⇒Die Determinante verschwin-det. 2

297

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P1P2

−P3

P3

e1e2 e3

Abbildung 47.1: Projektive Gerade im reellen Fall

Geometrische Interpretation:∣∣∣∣∣∣

℘(z) ℘′ (z) 1℘(w) ℘′ (w) 1

x y 1

∣∣∣∣∣∣

= 0

ist die Gleichung einer Geraden inA2 durch die Punkte(℘(z) ,℘′ (z)), (℘(w) ,℘′ (w))(im Moment nochz 6= w). Wir nehmen an, dasse1,e2,e3 ∈ R (also ein Rechteck-gitter). Dann sieht der „im Endlichen“ gelegene reelle Teil von

E : y = ±2√

(x−e1)(x−e2)(x−e3)

im Falle2 < e3 < e1 so aus wie in Abb. 47.1P1 = (℘(z) :℘′ (z)), P2 = (℘(w) ,℘′ (w)),−P3 = (℘(z+w) ,℘′ (z+w)), P3 = P1+P2. FallsP1 = P2 ist, nimmt man an Stelleder Sekanten die Tangente. Nach dem Satz von Bézout (Lütkebohmert (2003)) hatjede Gerade inP2 mit einer elliptischen Kurve genau 3 Schnittpunkte (nach Viel-fachheit gezählt).Ergebnis:

(i) Die Summe der drei Schnittpunkte einer elliptischen Kurve inP2(C) miteiner projektiven Geraden ist gleich[0 : 1 : 0].

(ii) Die Summe zweier Punkte ausP2(C) ist der Spiegelpunkt des dritten Schnitt-punktes an der dritten Koordinatenachse.

298

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47.6 Satz (Additionstheorem fürζ und ℘) Für z,w,z+w /∈ Λ gilt:

ζ (z+w) = ζ (z)+ζ (w)+12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

℘(z+w) =14

(℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

)2

−℘(z)−℘(w)

Dabei ist für z= w auf der rechten Seite der Grenzwert für w→ z zu nehmen, z. B.

℘(2z) =14

(℘′′ (z)℘′ (z)

)2

−2℘(z) =

(℘2(z)− g2

4

)2+2g3℘(z)

4℘3(z)−g2℘(z)−g3.

Beweis 45.11

⇒℘(z)−℘(w) =σ (z+w)σ (z−w)

σ2(z)σ2(w). (47.1)

45.9, 45.3

⇒ σ ′

σ(z) = ζ (z) , ζ ′ (z) = −℘(z) (47.2)

Logarithmische Differentiation in (47.1) nachzbzw.w liefert:

℘′ (z)℘(z)−℘(w)

= ζ (z+w)+ζ (z−w)−2ζ (z)

−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)= ζ (z+w)−ζ (z−w)−2ζ (w)

⇒ ζ (z+w) = ζ (z)+ζ (w)+12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w),

also das Additionstheorem fürζ . Für festesw /∈ Λ ist weiter

z 7→ 12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)= ζ (z+w)−ζ (z)−ζ (w)

elliptisch mit Polen erster Ordnung in−w und 0 mit Residuen 1 bzw. -1.

⇒ z 7→(

12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

)2

ist elliptisch mit Polen zweiter Ordnung in−w und 0 mit Hauptteilen 1(z+w)2 bzw.

1z2 . Vergleich von Polen und Hauptteilen liefert:

(12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

)2

=℘(z+w)+℘(z)+c(w) ,

wobeic(w) nicht abhängt vonz. Entwicklung um 0 liefert:(

12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

)2

=1z2 +2℘(w)z0 + . . .

⇒ c(w) =℘(w). 2

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47.7 Satz (Gruppenstruktur auf E) Sei E⊂ P2(C) die elliptische Kurve mit deraffinen Gleichung

y2 = 4x3−g2x−g3,

und seien P1 = [x1 : y1 : 1] ,P2 := [x2 : y2 : 1]∈E, P1 6= P2, P3 := P1+P2 = [x3 : y3 : 1](beachte: P3 6= O = [0 : 1 : 0]). Dann gilt:

x3 =14

(y2−y1

x2−x1

)2

−x1−x2 falls P1 6= P2,

x3 =14

(6x1− 1

2g2)2

y21

−2x1 =14

(f ′ (x1)

2y1

)2

−2x1, falls P1 = P2.

y3 =y2−y1

x2−x1(x1−x3)−y1, falls P1 6= P2,

y3 =f ′ (x1)

2y1(x1−x3)−y1, falls P1 = P2.

Zusammen mit dem NullelementO = [0 : 1 : 0] und dem Negativen− [x : y : z] =[x : −y : z] wird damit die Gruppenstruktur auf E intern in den Koordinaten derPunkte von E beschrieben.

Beweis Wir schreibenPj = [℘(zj) :℘′ (zj) : 1] für j = 1,2 mit zj +Λ ∈ (C/Λ)\{0+Λ}, z1 6= z2 modΛ. Dann folgt:

x3 = ℘(z1 +z2)47.6=

14

(℘′ (z1)−℘′ (z2)

℘(z1)−℘(z2)

)2

−℘(z1)−℘(z2)

=14

(y1−y2

x1−x2

)2

−x1−x2

für P1 6= P2. FürP1 = P2 gilt:

x3 = ℘(2z1) =14

(℘′′ (z1)

℘′ (z1)

)2

−2℘(z1)

46.9=

14

(

6℘2(z1)− 12g2

℘′ (z1)

)2

−2℘(z1)

=14

(

6x21− 1

2g2

y1

)2

−2x1 =14

(12℘2(z1)−g2

2℘′ (z1)

)2

−2℘(z1)

=14

(f ′ (x1)

2y1

)2

−2x1

Das sind die Formeln fürx3. Der Rest bleibt dem Leser zur Übung überlassen.Alternativ ist dies auch nachzulesen bei Koblitz (1984). 2

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47.8 Korollar (Formelsammlung elliptischer Funktionen) Eine kleine Sammlungwichtiger Formeln für elliptische Funktionen:

• ℘(z) =1z2 + ∑

ω∈Λ

′(

1

(z−ω)2 −1

ω2

)

∈ K (Λ) ,

℘ ist gerade von der Ordnung 2.

• ℘′ (z) = −2 ∑ω∈Λ

1

(z−ω)3 ∈ K (Λ) ,

℘′ ist ungerade von der Ordnung 3.

• Gk = ∑ω∈Λ

′ω−k (k≥ 3)

• ζ (z) =1z

+ ∑ω∈Λ

′(

1z−ω

+1ω

+z

ω2

)

=1k−

∑k=2

G2kz2k−1 /∈ K (Λ) ,

ζ ist ungerade,ζ ′ = −℘.

• ζ (z+ω j)−ζ (z) = η j ( j = 1,2) .

• σ (z) := z· ∏ω∈Λ

′(1− z

ω

)

ezω + 1

2(zω )

2

ist eine holomorphe Funktion, die genau in den Punkten ausΛ einfache Null-stellen hat.

•σ ′

σ(z) = ζ (z) .

• ℘(z)−℘(w) = −σ (z+w)σ (z−w)

σ2(z)σ2(w)

• Die Funktion℘′ hat inP0 := {sω1 + tω2 |0≤ s, t ≤ 1} genau die Nullstellenω12 , ω2

2 , ω32 , und diese sind alle von erster Ordnung.

• Die Funktion℘ nimmt genau jeden der Wertee1 := ℘(ω1

2

), e2 := ℘

(ω22

),

e3 :=℘(ω3

2

)in zweiter Ordnung an.

• ℘′2 = 4(℘−e1)(℘−e2)(℘−e3)

• ℘′2 = 4℘3−g2℘−g3

• Es gelten die Additionstheoreme:

ζ (z+w) = ζ (z)+ζ (w)+12

℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

℘(z+w) =14

(℘′ (z)−℘′ (w)

℘(z)−℘(w)

)2

−℘(z)−℘(w)

Weitere Literaturhinweise: Cassels (1991), Koblitz (1993), Knapp, Silverman und Tate(1992), Cornell (1998).

301

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Teil X

Modulformen, Umkehrproblem

302

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Kapitel 48

Modulformen

48.1 Definition (Modulform) Seik∈ Z, f : H → C.

a) f heißtModulformvom Gewichtk, wenn f folgenden Bedingungen genügt:

(MF.1) f ist meromorph inH, und es gibt einα > 0, so dass für jeden Polz0 ∈ H von f gilt: Im z0 ≤ α .

(MF.2) Für alleM :=

(a bc d

)

∈ SL2(Z) gilt:

f (Mz) = (cz+d)k f (z) (z∈ H) .

Insbesondere folgt für

(a bc d

)

=

(1 10 1

)

, dass f (z+1) = f (z),

also hatf nach (MF.1) eine Fourier-Entwicklung „in der Spitze∞“(eine Spitze ist der Fixpunkt einer parabolischen Matrix) von derForm

f (z) = ∑n∈Z

ane2π inz,

die für Imz> α normal konvergiert.

(MF.3) Die Fourier-Entwicklung vonf in der Spitze∞ bricht ab in Richtungnegativer Exponenten, d. h.: Es gibt einn0 ∈ Z, so dass

f (z) =∞

∑n=n0

ane2π inz (z∈ H, Imz> α) .

Andere Formulierung:f ist meromorph in∞, d. h.:

f (z) =∞

∑n=n0

anqn, q = e2π iz, Imz< α.

Eine Modulform vom Gewicht 0 heißt eineModulfunktion.

Ak (Γ) := { f | f Modulform vom Gewichtk} (Γ ∈ SL2(Z)) .

303

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b) f heißt eineganze Modulformvom Gewichtk, wenn f in H holomorph ist,und zusätzlich (MF.3) mitn0 = 0 erfüllt ist.

Gk (Γ) := { f | f ganze Modulform vom Gewichtk} .

c) f heißt (ganze)Spitzenform, falls f in H holomorph ist und (MF.3) mitn0 =1 erfüllt, d. h. wennf in H holomorph ist und „in∞ verschwindet“.

Sk (Γ) := { f | f Spitzenform vom Gewichtk} .

48.2 Folgerung a) Ak, Gk, Sk sindC-Vektorräume.

b) Fürk, ℓ ∈ Z ist Ak ·Ak ⊂ Ak+ℓ,

A (Γ) :=⊕

k∈Z

Ak (Γ)

ist eine graduierte Algebra überC.

c) dito mitGk.

d) Gk ·Sℓ ⊂ Sk+ℓ

e) Ak (Γ) 6= {0}. ⇒ k∈ 2Z, denn

f (z) = f ((−I)z) = (−1)k f (z) ( f ∈ Ak) .

48.3 Definition (Peterssonscher Strich-Operator)benannt nach HANS PETERS-SON, 1902–1984, Mathematik-Dozent an der Westfälischen Wilhelms-Universität,Münster.

FürM =

(a bc d

)

∈ SL2(R), k∈ Z, f : H → C meromorph sei

f |M := f |k M : H → C, f |M (z) := (cz+d)−k f (Mz)

derPeterssonsche Strich-Operator.

48.4 Folgerung (Rechenregel)Für M,N ∈ SL2(R) gilt:

f |(M ·N) = ( f |M) |N.

Bemerkung (MF.2) lässt sich kurz so formulieren:f |M = f für alleM ∈SL2(Z).

48.5 Satz f : H → C sei meromorph, k∈ Z. Dann gilt:

(MF.2) f |M = f ∀M ∈ SL2(Z)

⇔ f (z+1) = f (z) ∧ f

(

−1z

)

= zk f (z) (z∈ H) .

304

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Beweis „⇒“(

1 10 1

)

,

(0 −11 0

)

∈ SL2(Z).

„⇐“ U :=

(1 10 1

)

undT :=

(0 −11 0

)

∈ SL2(Z) erzeugen SL2(Z). Nach 48.4

gilt also: f |M = f für alleM ∈ 〈U,T〉 = SL2(Z). 2

48.6 Definition (Eisenstein-Reihen)benannt nach FERDINAND GOTTHOLD MAX

EISENSTEIN, 16.4.1823–11.10.1852, deutscher Mathematiker.Für k > 2, k∈ N konvergiert nach 45.1 die Reihe

Gk (z) = ∑m,n∈Z

′(mτ +n)−k (τ ∈ H) .

Gk heißtEisenstein-Reihevom Gewichtk.

48.7 Lemma Es seienε > 0, a > 0, V := {τ = x+ iy ∈ H |y≥ ε, |x| ≤ a}. Danngibt es einδ > 0, so dass für alle(c,d) ∈ R2 und alleτ ∈ V gilt:

|cτ +d| ≥ δ |ci+d| .

Beweis Für(c,d) = (0,0) gilt die Behauptung für jedesδ , und istτ = x+ iy, y≥ 1,so ist

|cτ +d| ≥ |c(x+ i)+d| .

Der Beweis genügt also für(c,d) 6= (0,0), |x| ≤ a, ε ≤ y ≤ 1, und nach Multi-

plikation mit(c2 +d2

)− 12 kann oBdAc2 + d2 = 1, d. h.(c,d) ∈ S1 angenommen

werden. Wir betrachten die Abbildung

S1×{x+ iy; |x| ≤ a,ε ≤ y≤ 1}→ ]0,∞[ ,

((c,d) ,x+ iy) 7→ |c(x+ iy)+d||c+ id| = |c(x+ iy)+y| .

Diese ist stetig auf einem Kompaktum definiert mit positiven Werten, hat also einpositives Minimumδ . δ leistet das Verlangte. 2

48.8 SatzFür alle k∈ N, k≥ 2 ist

Gk (τ) := ∑m,n∈Z

′(mτ +n)−k (τ ∈ H)

eine ganze Modulform vom Gewicht k. Für k≡ 1 mod 2ist Gk ≡ 0.

305

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Beweis 48.6, 48.7⇒ Gk ist holomorph inH. Wegen der absoluten Konvergenz

der Reihe darf beliebig umgeordnet werden.⇒ Für alleM =

(a bc d

)

∈ SL2(Z),

k≥ 3 gilt:

Gk (Mτ) = ∑mn,∈Z

′(

maτ +bcτ +d

+n

)−k

= (cτ +d)k ∑m,n∈Z

′((ma+nc)τ +(mb+nd))−k

= (cτ +d)k ∑m′,n′∈Z

′ (m′τ +n′

)−k= (cτ +d)k Gk (τ) ,

denn

(m n

)(

a bc d

)

=(ma+nc mb+nd

)

durchläuft mit(m,n) ganzZ2\{(0,0)}.⇒ Nach 48.7 istGk in jedem Vertikalstrei-fenV beschränkt, ferner periodisch modulo 1, also in{τ : Imτ ≥ ε} für beliebigesε > 0 beschränkt.⇒ Gk ∈ Gk (SL2(Z)). 2

48.9 SatzAlle Eisensteinreihen G2k lassen sich durch G4 und G6 ausdrücken. Füralle n≥ 3 gilt:

((2n−1

3

)

−2(2n−1)

)

G2n =n−2

∑k=2

(2k−1)(2(n−k)−1)G2kG2(n−k).

Speziell:7G8 = 3G24, 11G10 = 5G4G6, 143G12 = 18G3

4 − 25G26, 143G14 =

30G24G6.

Beweis Siehe 46.10 2

48.10 Lemma Für k≥ 2, k∈ N, τ ∈ H ist

∑n=−∞

(τ +n)−k =(−2π i)k

(k−1)!

∑n=1

nk−1e2π inτ .

Beweis Die Partialbruchentwicklung des Cotangens liefert:

π i−2π i∞

∑n=0

e2π inτ 23.10 b)= π cotπτ

=1τ

+∞

∑n=1

(1

τ +n+

1τ −n

)

,

⇒ (k−1)-fache Differentiation ist zulässig und liefert die Behauptung. 2

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48.11 Satz (Fourierentwicklung der Eisensteinreihen)Für alle k≥2, τ ∈H gilt:

G2k (τ) = 2ζ (2k)+2(2π i)2k

(2k−1)!

∑n=1

σ2k−1(n)e2π inτ ,

wobei

σa(n) := ∑d |n

da > 0 (a∈ C) .

Beweis Wegen der absoluten Konvergenz darf umgeordnet werden:

⇒ G2k (τ) = ∑m,n∈Z

′(mτ +n)−2k

= 2ζ (2k)︸ ︷︷ ︸

m=0

+2∞

∑m=1

∑n=1

mτ︸︷︷︸

∈H

+n

−2k

48.10= 2ζ (2k)+2

(−2π i)2k

(2k−1)!

∑m=1

(∞

∑d=1

d2k−1e2π idmτ

)

md=:n= 2ζ (2k)+2

(2π i)2k

(2k−1)!

∑n=1

σ2k−1(n)e2π inτ . 2

48.12 Korollar Für die sog. normierten Eisensteinreihen

E2k (τ) :=1

2ζ (2k)G2k (τ) ∈ G2k (SL2(Z))

für k≥ 2 gilt:

E2k (τ) = 1− 4B2k

∑n=1

σ2k−1(n)qn

mit q := e2π iτ , speziell

E4(τ) = 1+240∞

∑n=1

σ3(n)qn,

E6(τ) = 1−504∞

∑n=1

σ5(n)qn,

E8(τ) = 1+480∞

∑n=1

σ7(n)qn,

E10(τ) = 1−264∞

∑n=1

σ9(n)qn,

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E12(τ) = 1+65520691

∑n=1

σ11(n)qn,

E14(τ) = 1−24∞

∑n=1

σ13(n)qn.

Beweis ζ (2k) = (−1)k−1 (2π)2k B2k

2(2k)!(k≥ 1)

und bekannte Werte der Bernoulli-ZahlenB2k. 2

48.13 Korollar

E8 = E24,

E10 = E4E6,

E12 =1

691

(441E3

4 +250E26

),

E14 = E24E6 = E6E8 = E4E10.

Beweis 48.9 und 48.12. 2

48.14 Korollar Für allen∈ N gilt:

a) σ7(n) = σ3(n)+120n−1

∑k=1

σ3(k)σ3(n−k)

b) σ9(n) = 21σ5(n)−10σ3(n)+5040n−1

∑k=1

σ3(k)σ5(n−k)

c) σ13(n) = 21σ5(n)−20σ7(n)+10.080n−1

∑k=1

σ5(k)σ7(n−k) .

Beweis Z. B.

E8 = 1+480∞

∑n=1

σz(n)qn = E24 =

(

1+240∞

∑n=1

σ3(n)qn

)2

Koeffizienten-Vergleich fürn≥ 1 liefert:

480σ7(n) = 2·240σ3(n)+240·240n−1

∑k=1

σ3(k)σ3(n−k)

⇒ σ7(n) = σ3(n)+120n−1

∑k=1

σ3(k)σ3(n−k) .

⇒ a). Der Rest geht analog. 2

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48.15 SatzFür k≥ 2, k 6≡ 0 mod 3ist G2k (ρ) = 0 mit ρ := e2π i3 , und für ungera-

des k≥ 3 ist G2k (i) = 0. Speziell ist G4(ρ) = 0, G6(i) = 0.

Beweis Z+Zρ = Z [ρ].

⇒ G2k (ρ) = ∑ω∈Z[ρ]

′ω−2k = ∑ω∈Z[ρ]

′(ρω)−2k = ρ2kG2k (ρ) .

⇒ Für k 6≡ 0 mod 3,k≥ 2 gilt: G2k (ρ) = 0. Ebenso:

G2k (i) = ∑ω∈Z[i]

′ω−2k = ∑ω∈Z[i]

′(iω)−2k = (−1)k G2k (i) .

⇒ Für k≥ 3, k≡ 1 mod 2 istG2k (i) = 0. 2

Sei weiterΛ = Z+Zz für z∈ H,

g2(z) := 60G4(z) ,

g3(z) := 140G6(z) ,

∆0(z) := g32(z)−27g2

3(z) .

Dann ist∆0 nullstellenfrei inH.

48.16 SatzDie Funktion

∆(z) := (2π)−12∆0(z) = 12−3(E3

4 (z)−E26 (z)

)(z∈ H)

ist eine ganze Spitzenform vom Gewicht 12,∆ ist nullstellenfrei inH und hat ganz-zahlige Fourier-Koeffizienten, die sog.Ramanujan-Zahlen1 τ (n):

n 1 2 3 4 5 6τ (n) 1 −24 252 −1472 4830 −6048

︸ ︷︷ ︸

=τ(2)τ(3)

n 7 8 9 10 11 12τ (n) −16.744 84.480 −113.643 −115.920

︸ ︷︷ ︸

=τ(2)τ(5)

534612 −370.944︸ ︷︷ ︸

=τ(3)τ(4)

∆(z) =∞

∑n=1

τ (n)e2π inz (z∈ H) .

Beweis

∆0(z) = g32−27g2

3 = (60G4)3−33(140G6)

2

= . . . = (2π)1212−3(E3

4 −E26

)∈ S12(SL2(Z))

1benannt nach SRINIVASA A IYANGAR RAMANUJAN , 22.12.1887–26.4.1920, indischer Mathe-matiker

309

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Die Nullstellenfreiheit von∆0 ist klar nach der Theorie der elliptischen Funktionen.Bleibt zu zeigen:∆ = 12−3

(E3

4 −E26

)hat ganzzahlige Fourier-Koeffizienten.

E4 = 1+24 ·3·5︸ ︷︷ ︸

=240

P(q) , P(q) =∞

∑n=1

σ3(n)qn,

E6 = 1−23 ·32 ·7︸ ︷︷ ︸

=504

Q(q) , Q(q) =∞

∑n=1

σ5(n)qn.

⇒ ∆(z) = 2−63−3((

1+24 ·3·5P(q))3−

(1−23 ·32 ·7Q(q)

)2)

= 2−63−3(24 ·32 ·5P(q)+24 ·32 ·7Q(q)

)+R(q) ,

wobeiR(q) eine Potenzreihe mit ganzzahligen Koeffizienten ist.

=112

∑n=1

(5σ3(n)+7σ5(n))qn +R(q)

Für jedesd ∈ N ist aber

5d3 +7d5 ≡ 5d3−5d5 ≡ 5d3(1−d2) ≡ 0 mod 12.

⇒ τ (n) ∈ Z für allen∈ N. 2

Lehmersche Vermutung:τ (n) 6= 0 für allen∈ N (unbewiesen).Bekannt ist ferner nach JACOBI:

∆(z) = q∞

∏n=1

(1−qn)24.

48.17 SatzEs sei

J (τ) :=g3

2(τ)

∆0(τ)=

g32(τ)

g32(τ)−27g2

3(τ)(τ ∈ H) .

Dann istJ eine inH holomorphe Modulfunktion. Die Funktion

j (τ) := 123J (τ) =E3

4

∆(τ)

ist eine inH holomorphe Modulfunktion mit der Fourier-Entwicklung

j (τ) =1q

+744+∞

∑n=1

cnqn,(τ ∈ H,q = e2π iτ)

mit cn ∈ Z (sogar: cn ∈ N).n 1 2 3 4cn 196.884 21.493.760 864.299.970 20.245.856.256

310

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Beweis ∆0 ist nullstellenfrei.⇒J , j sind holomorph inH und j,J ∈A0(SL2(Z)),

j (τ) = 123J (τ) = . . . =E3

4 (τ)

∆(τ)=

1q

(1+240q+9·240q2 + . . .

)3

1−24q+252q2 + . . .

hat eine Laurent-Entwicklung der Form

1q

+∞

∑n=0

cnqn

mit cn ∈ Z.Wenn man noch weiß, dass

∆(τ) = q∞

∏n=1

(1−qn)24,

so folgtcn ∈ N für allen∈ N. 2

48.18 Korollar j (τ) = j (−τ).

Beweis Alle Fourier-Koeffizienten vonj sind reell. 2

48.19 Korollar J (i) = 1, J (ρ) = 0, j (i) = 123, j (ρ) = 0.

Beweis E4(ρ) = 0, E6(i) = 0. 2

1973 vermuteten Bernd Fischer und R. Griess, es könne ein GruppeM der Ordnung

|M| = 246 ·320 ·59 ·76 ·112 ·133 ·17·19·23·31·41·47·59·71≈ 8·1053

geben.

311

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Kapitel 49

Die Gewichtsformel

49.1 Satz (Gewichtsformel)Es sei k∈ Z und f ∈ Ak (Γ), Γ := SL2(Z), f 6≡ 0.Dann gilt:

ord( f ,∞)+12

ord( f , i)+13

ord( f ,ρ)+ ∑z∈H/Γ

z6=i ,ρ modΓ

ord( f ,z) =k12

=1

4πω (H/Γ) ,

dabei wird definiert:ord( f ,∞) := n0, falls f in ∞ die Fourier-Entwicklung

f (τ) =∞

∑n=n0

anqn, an 6= 0, q = e2π iτ , Imτ > α > 0 (49.1)

hat.

Beweis f hat nur endlich viele Nullstellen und Pole inD (siehe Abb. 49.1), dennda f in ∞ eine Fourier-Entwicklung der Form (49.1) hat, gibt es einα > 0, sodass keine Nullstellen und Pole mit Imaginärteil> α vorhanden sind. Liegen aufγ Nullstellen oder Pole vonf , so wird in den Nullstellen und Polen6= i,ρ,ξ eineDeformation längs kleiner H-Kreise mit H-Radiusε > 0 (mit hinreichend kleinemε) vorgenommen. Zusätzliche Umwege beiρ, i,ξ wie in Abb. 49.1. Dann folgt:

12π i

γ

f ′ (z)f (z)

dz= ∑z∈H/Γ

z6≡i,ρ modΓ

ord( f ,z) .

Berechnung des Integrals:

a) Mit r := e−2πy gilt:

12π i

γ0

f ′

f(z) dz=

12π i

∂Kr (0)

f ′

f(q) dq

= −ord(

f ,0)

= −ord( f ,∞) = 0

312

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cosπ3 + iα

γ0

γ1

γ2 γ3

γ4

ρξ

D

i

Abbildung 49.1: Fundamentalbereich im Beweis der Gewichtsformel

b) Bei Transformationz 7→ z+1 gilt: γ1 7→ γ−4 , und daf und f ′ periodisch mitPeriode 1 sind, gilt

γ1

f ′

f(z) dz+

γ4

f ′

f(z) dz= 0.

c) Wir verschieben den Kreisbogen beiξ nachρ und erhalten als Beitrag derkleinen Kreisbögen beiρ undξ :

12π i

∂V13

ε (ρ)−

f ′

f(z) dz,

wobei ∂V13

ε (ρ) ein Drittel des Randes des H-KreisesVε (ρ) mit Radiusεausmacht. Wir entwickelnf in der Form

f (z) =∞

∑m=m0

bmwm =: g(w) ,

313

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wobeiw = z−ρz−ρ undbm0 6= 0.

⇒ ord( f ,ρ) = m0 = ord(g,0) ,

f ′

f(z) =

g′

g(w)

dwdz

=ord(g,0)

wdwdz

+bei ρ holomorphe Funktion vonzdwdz

.

⇒ 12π i

∂V13

ε (ρ)−

f ′

f(z) dz=

12π i

∂K13

ε (0)−

ord( f ,ρ)

wdw+o(1)

ε→+0−−−→−13

ord( f ,ρ)

d) Dasselbe Argument liefert für den kleinen H-Halbkreis beii:

12π i

V12

ε (i)

f ′

f(z) dz

ε→+0−−−→−12

ord( f , i) .

e) Beiträge vonγ2 undγ3: WegenT =

(0 −11 0

)

, γ3 = (T ◦ γ2)− ist mit g := f ′

f

γ3

f ′

f(z) dz=

(T◦γ2)−

g(z) dz= −∫

γ2

(g◦T)T ′ (z) dz

= −∫

γ2

f ′

f(Tz)T ′ (z) dz= −

γ2

ddz f (Tz)

f (Tz)dz

= −∫

γ2

kz

dz−∫

γ2

f ′

f(z) dz.

nach folgender Nebenrechnung:f ist Modulform vom Gewichtk.⇒ f (Tz)=zk f (z).

⇒ ddz

f (Tz) = kzk−1 f (z)+zk f ′ (z) .

Damit folgt:

12π i

(∫

γ2

f ′

f(z) dz+

γ3

f ′

f(z) dz

)

= − 12π i

γ2

kz

dz

ε→0−−→ 12π i

∫ 2π3

π2

keiϕ ieiϕ dϕ =

k2π

(2π3

− π2

)

=k12

. 2

49.2 Korollar a) G2k (Γ) = {0} für allek < 0 und fürk = 1.

b) G2k (Γ) ist eindimensional fürk = 0,2,3,4,5,7 mit Basis

k 0 2 3 4 5 7Basis 1 G4 G6 G8 G10 G14

314

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G2k (Γ) = {0} für k = 0,2,3,4,5,7.

c) Die Modulformen aus b) verschwinden genau auf den Bahnen der folgendenPunkte in den angegebenen Ordnungen:

k 2 3 4 5 7G2k G4 G6 G8 G10 G14

Nullstelle modΓ ρ i ρ ρ i ρ iOrdnung 1 1 2 1 1 2 1

d) ∆ = 12−3(E3

4 −E26

)ist nullstellenfrei inH und ord(∆,∞) = 1.

e) Die Multiplikation mit∆ definiert einen Isomorphismus

G2k−12(Γ) → G2k (Γ)

für allek∈ Z.

Beweis 49.1 anwenden liefert:

a) Fürk < 0 und 06= f ∈ G2k (Γ) wäre die rechte Seite< 0, die linke Seite≥ 0.E

⇒ G2k = {0} für k < 0. Fürk = 1 und 06= f ∈ G2k (Γ) wäre die rechte Seite= 1

6, die linke Seite aber niemals= 16. E

⇒ G2(Γ) = {0}.

b) Für 0 6= f ∈ G0(Γ) gilt: f hat in allen Punkten vonH∪{∞} die Ordnung 0.Wäre f nicht konstant, so wähle manz0 ∈ H, und es hätte 06= f − f (z0) ∈G0(Γ) eine Nullstellen inH. E

⇒ f ist konstant.⇒ G0(Γ) = C ·1.

k = 2 Für 06= f ∈G4(Γ) gilt: 2k12 = 1

3 = 13 ord( f ,ρ), alle anderen Ordnungen

verschwinden. Insbesondere hatG4 in ρ eine Nullstelle erster Ordnungund keine weiteren Nullstellen inD . Auch f hat eine Nullstelle ersterOrdnung inρ und keine weiteren inD . ⇒ f

G4∈ G0(Γ). ⇒ f ∈ C G4.

k = 3 Ist 0 6= f ∈G6(Γ), so gilt: k6 = 1

2 = 12 ord( f , i), alle anderen Ordnungen

verschwinden. Insbesondere hatG6 in i eine Nullstelle erster Ordnungund keine weiteren inD , ebensof . ⇒ f

G6∈ G0(Γ). ⇒ f ∈ C G6.

k = 4 Ist 0 6= f ∈ G8(Γ), so gilt: k6 = 2

3 = 13 ord( f ,ρ). ⇒ ord( f ,ρ) = 2,

alle anderen Ordnungen verschwinden.⇒ fG2

4∈ G0(Γ). ⇒ f ∈ C G2

4,

speziell gilt das fürG8.

k = 5 Ist 06= f ∈G10, so gilt: k6 = 5

6 = 12 ord( f , i)+ 1

3 ord( f ,ρ), mit ord( f , i)=

ord( f ,ρ)= 1, alle anderen Ordnungen verschwinden.⇒ fG4G6

∈G0(Γ).⇒ f ∈ C G4G6, speziell gilt das fürG10.

315

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k = 6 Fürk = 6 kennen wir bereits zwei linear unabhängige Modulformenvom Gewicht 12, nämlichG3

4 undG26 (die lineare Unabhängigkeit folgt

aus der Tatsache, dass die Nullstellen verschieden sind). Die Schluss-weise wie oben ist hier also nicht möglich.

k = 7 Sei 06= f ∈G14(Γ).⇒ k6 = 7

6 = 12 ord( f , i)+ 1

3 ord( f ,ρ), wobei ord( f , i)=

1, ord( f ,ρ) = 2, alle anderen Ordnungen verschwinden.⇒ fG2

4G6∈

G0(Γ). ⇒ f ∈ C G24G6, insbesondere gilt das fürG14.

c) siehe unter b)

d) Wir setzen von∆ = 12−3(E3

4 −E26

)nur voraus:∆ ∈ S12(Γ). Wegen der aus

c) bekannten Nullstellen ist z. B.∆(i) 6= 0.⇒ ∆ 6= 0.

49.1⇒ k6

= 1 = ord(∆,∞) ≥ 1.

⇒ ord(∆,∞) = 1, alle anderen Ordnungen verschwinden.⇒ ∆ ist nullstel-lenfrei aufH.

e) Die Abbildung

G2k−12(Γ) → S2k (Γ) , f 7→ ∆ f

ist ein injektiver Homomorphismus. Diese Abbildung ist auch surjektiv, dennfür g∈ S2k (Γ) gilt: Ist g 6= 0, so gilt

ord( g

∆,z

)

=

{ord(g,z) für z∈ Hord(g,∞) für z= ∞

da∆ nullstellenfrei aufH ist.⇒ g∆ =: f ∈ G2k−12(Γ), und f ·∆ = g. ⇒ Sur-

jektivität. 2

49.3 Korollar Für alle ganzenk≥ 0 gilt:

dim(G2k (Γ)) =

{ ⌊k6

⌋+1 für k 6≡ 1 mod 6

⌊k6

⌋für k≡ 1 mod 6

und

dim(S2k (Γ)) =

⌊k6

⌋für k 6≡ 1 mod 6

⌊k6

⌋−1 für k≡ 1 mod 6, k≥ 7

0 für k = 1

316

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Beweis Die Formeln sind richtig für 0≤ k ≤ 5 und fürk = 7. Ferner gilt nach49.2 e) fürk≥ 6:

dimS2k (Γ) = dimG2k−12(Γ) , dimG2k (Γ) = dimS2k (Γ)+1,

denn

G2k (Γ) = S2k (Γ)⊕CG2k.

Daher wachsen die Dimensionen bei Ersetzungk 7→ k+ 6 (k 6= 1 im FalleS2k)genau um 1; ebenso die Gauß-Klammern. Induktion liefert dann die Behauptung.2

49.4 Korollar Fürk≥ 2 bilden die FunktionenGα4 Gβ

6 (4α +6β = 2k, α,β ∈ N0)eine Basis vonG2k (Γ).

Beweis Die Funktionen liegen inG2k (Γ) und sind linear unabhängig wegen derNullstellen inρ bzw. i. Bleibt zu zeigen:

#{(α,β ) |α,β ∈ N0, 2α +3β = k} =

{ ⌊k6

⌋+1 für k 6≡ 1 mod 6

⌊k6

⌋für k≡ 1 mod 6

Das prüft man elementar nach. 2

317

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Kapitel 50

Die Modulfunktion J und dasUmkehrproblem

50.1 Definition (Invariante Ordnung) Für 0 6= f ∈Ak (Γ), z0 ∈H, Γ := SL2(Z),Γz := {M ∈ PSL2(Z) ,Mz= z} heißt

ord( f ,z0,Γ) :=1

ordΓz0

ord( f ,z0)

die invariante Ordnungvon f in z0.

Folgerung Mit dieser Definition hat dann für 06= f ∈Ak (Γ) die Gewichts-Formeldie Form

ord( f ,∞)+ ∑z∈H/Γ

ord( f ,z,Γ) =k12

.

50.2 SatzDie Modulfunktion

J =g3

2

∆0=

g32

g32−27g2

3

nimmt inD jeden Wert ausC genau einmal an, wenn man die Annahme in derinvarianten Ordnung zählt. D. h.: Faktorisiert manJ in der Form

HJ

//

kan. Proj.²²

C

H/ΓJ

=={

{{

{{

{{

{

so istJ bijektiv.

318

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Beweis J =g3

2

g32−27g2

3

= 1+27g2

3

g32−27g2

3

.

Wir wissen:g2(ρ) = 0, g3(i) = 0, undρ bzw. i sind die einzigen Nullstellenvong2 undg3 in D und von erster Ordnung.⇒ J (ρ) = 0 mit ord(J ,ρ,Γ) = 1,J (i) = 1 mit ord(J −1, i,Γ) = 1. Dies sind die einzigen Punkte inD , in denenJ die Werte 0 und 1 annimmt. Sei nunc∈ C\{0,1}, f := J −c∈ A0(Γ). ⇒ fist in H holomorph mit ord( f ,∞) = −1. Die Gewichts-Formel mitk = 0 liefert:

∑z∈H/Γ

ord( f ,z,Γ) = 1. (50.1)

⇒∃z0 ∈D mit ord( f ,z0,Γ) > 0, und zwar notwendigi 6= z0 6= ρ.⇒ ord( f ,z0,Γ)∈N, und wegen (50.1) ist ord( f ,z0,Γ)= 1 und alle anderen Ordnungen ord( f ,z,Γ)=0 für z∈ D \{z0}. ⇒ Behauptung. 2

Umkehrproblem: Gegeben seienγ2,γ3 ∈ C mit γ32 − 27γ2

3 6= 0. Gibt es ein GitterΛ ⊂ C mit zugehörigen Invarianteng2,g3, so dassg2 = γ2, g3 = γ3?

50.3 SatzZu jedem Paar(γ2,γ3) ∈ Z2 mit γ32 −27γ2

3 6= 0 gibt es ein GitterΛ ⊂ Cmit Z-Basis(ω1,ω2), so dass

g2 = 60∑ω∈Λ

′ω−4 = γ2, g3 = 140∑ω∈Λ

′ω−6 = γ3.

Beweis Wir unterscheiden 3 Fälle: (i)γ2 = 0, (ii) γ3 = 0, (iii) γ2 6= 0 6= γ3. Für überR linear unabhängigeω1,ω2 ∈ C schreiben wir:

g j (ω1,ω2) :=

{60140 ∑

06=ω∈Zω1+Zω2

′ω−2 j ( j = 2,3) .

(i) γ2 = 0⇒ γ3 6= 0. Wir wissen:

g2(1,ρ) = 60G4(ρ) = 0, g3(1,ρ) = 140G6(ρ) 6= 0.

Wir wählenω1 ∈ C∗ mit ω61 = g3(1,ρ)

γ3. Mit diesemω1 setzen wirω2 := ρω1,

Λ := Zω1 +Zω2. ⇒ Λ ist ein Gitter inC und

g2(ω1,ω2) = ω−41 g2(1,ρ) = 0 = γ2, g3(ω1,ω2) = ω−6

1 g3(1,ρ) = γ3.

⇒ Λ leistet das Verlangte.

(ii) γ3 = 0⇒ γ2 6= 0. Wir wissen:

g2(1, i) = 60G4(i) 6= 0, g3(1, i) = 140G6(i) = 0.

Wir wählen einω1 ∈ C∗ mit ω41 = g2(1,i)

γ2. Wir setzenω2 := iω1, Λ := Zω1 +

Zω2. ⇒ Λ ist ein Gitter inC und

g2(ω1,ω2) = ω−41 g2(1, i) = γ2, g3(ω1,ω2) = ω−6

1 g3(1, i) = 0 = γ3.

⇒ Λ leistet das Verlangte.

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(iii) γ2 6= 0 6= γ3 ⇒∃τ ∈ H (sogar eindeutig inD), so dass

J (τ) =γ3

2

γ32 −27γ2

3

/∈ {0,1} .

⇒ τ 6≡ i,ρ modΓ, daJ (i) = 1, J (ρ) = 0.⇒∃ω1 ∈ C∗, so dass

ω21 =

γ2

γ3

g3(1,τ)

g2(1,τ)

Wir setzenω2 := τω1, Λ := Zω1 +Zω2. ⇒ Λ ist ein Gitter inC mit

g2(ω1,ω2)

g3(ω1,ω2)=

ω−41 g2(1,τ)

ω−61 g3(1,τ)

= ω21

g2(1,τ)

g3(1,τ)=

γ2

γ3. (50.2)

Weiter ist nach Wahl vonτ

27γ23

γ32

=J (τ)−1

J (τ)=

27g23(1,τ)

g32(1,τ)

=27ω12

1 g23(ω1,ω2)

ω121 g3

2(ω1,ω2)

(50.2)= 27

(γ3

γ2

)2 1g2(ω1,ω2)

⇒ g2(ω1,ω2) = γ2.(50.2)⇒ g3(ω1,ω2) = γ3. ⇒ Λ leistet das Verlangte. 2

50.4 SatzJ bildet den RandR := R1∪R2∪R3, R1 := {iy, y≥ 1}, R2 :={

eiϑ , 23 ≥ ϑ ≥ π

2

}, R3 :=

{−1

2 + iy, y≥ 12

√3}

, der linken Hälfte von

D :=

{

τ ∈ H | |τ| ≥ 1, −12≤ Reτ <

12

; Reτ ≤ 0, falls |τ| = 1

}

topologisch aufR ab, und zwar so, dassJ (R1) = [1,∞[, J (i) = 1, J (R2) =[0,1], J (ρ) = 0, J (R3) = ]−∞,0]. Die rechte offene Hälfte

D+ :=

{

τ ∈ H, |τ| > 1,0 < Reτ <12

}

vonD wird durchJ konform auf die untere HalbebeneH− abgebildet, die linkeoffene Hälfte

D− :=

{

τ ∈ H, |τ| > 1,−12

< Reτ < 0

}

auf die obere Halbebene.

320

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Beweis J (i) = 1, und es gilt:

J (iy) =∞

∑n=−1

cne−2πny y→∞−−−→ +∞.

Wegen der Bijektivität vonJ |D ist y 7→ J (iy) streng monoton wachsend, also

J |R1: R1 → [1,∞[

topologisch. AufR2 ist τ = eiϑ mit 2π3 ≥ ϑ ≥ π

2 , also

J (τ) =12J (τ)+J

(

−1τ

)

=∞

∑n=−1

(

cne2π ineiϑ+e−2π ine−iϑ

)

=∞

∑n=−1

cne−2πnsinϑ cos(2πncosϑ) ∈ R,

und J (i) = 1, J (ρ) = 0. Wegen der Bijektivität vonJ |D ist ϑ 7→ J(eiϑ )

monoton fallend, also

J |R2: R2 → [0,1]

topologisch. AufR3 ist τ = −12 + iy, y≥ 1

2

√3 unde2π iτ = −e−2πy. ⇒ J (R3) ⊂

R, J (ρ) = 0 und

J

(

−12

+ iy

)

= − c−1︸︷︷︸

>0

e2πy +∞

∑n=0

cn(−e−2πy)n y→∞−−−→−∞.

Wegen der Bijektivität vonJ |D folgt: J (R3) = ]−∞,0].Für 0< α < 1

2 gilt bei y→ +∞:

J (α + iy) = c−1e−2π i(a+iy) +∞

∑n=0

cne2π in(α+iy)

︸ ︷︷ ︸

beschränkt

= c−1︸︷︷︸

>0

e−2π iα︸ ︷︷ ︸

∈H−

e2πy︸︷︷︸

y→∞−−−→+∞

+O(1) ∈ H−,

fallsyhinreichend groß ist. Wegen der Bijektivität vonJ |D folgt dann:J (D+)⊂H−. Entsprechend auchJ (D−) ⊂ H, und wegen der Bijektivität gilt in beidenFällen die Gleichheit. 2

50.5 SatzDie Menge der inH holomorphen Modulfunktionen ist gleichC [J ].

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Beweis Sei f ∈ A0(Γ) in H holomorph.⇒ f hat eine Fourier-Entwicklung

f (τ) =∞

∑n=n0

anqn (n0 ∈ Z, q = e2π iτ) .

Für n0 ≥ 0 ist f ∈ G0(Γ) = C ·1. Für n0 < 0 ist f − an(12−3J

)n0 ∈ A0(Γ) inH holomorph, und die Fourier-Entwicklung beginnt mit Termenc·qn0+1. Induktivfindet man einp∈ C [X], so dassf − p(J ) ∈ G0(Γ) = {0}. 2

50.6 Satz f : H → C sei holomorph. Dann sind äquivalent:

a) f ∈ A0(Γ) ,

b) ∃k∈ N, ∃g,h∈ Ak (Γ) , h 6= 0 f =gh,

c) f ∈ C(J ) .

Beweis c)⇒b)⇒a): klar X

a)⇒c): f hat nur endlich viele Poleτ1, . . . ,τn in D nach Vielfachheit gezählt.

⇒ f ·n

∏k=1

(J (·)−J (τk)) ∈ A0(Γ)

ist in H holomorph, also nach 50.5 ein Polynom inJ . ⇒ f ∈ C(J ). 2

50.7 Korollar SeienΛ := Zω1+Zω2, Λ′ := Zω ′1+Zω ′

2 zwei Gitter inC, wobei

τ := ω2ω1

,τ ′ := ω ′2

ω ′1∈ H. Dann sind äquivalent:

a) Die Riemannschen FlächenC/Λ undC/Λ′ sind konform äquivalent,

b) Λ ist zuΛ′ äquivalent, d. h.∃λ ∈ C∗ Λ′ = λΛ,

c) τ ≡ τ ′ modΓ,

d) J (τ) = J (τ ′).

Beweis a)⇔b) Soll hier nicht diskutiert werden.

b)⇔c) siehe §43.

c)⇔d) J nimmt in D jeden Wert ausC genau einmal an (in der invariantenOrdnung). 2

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Index

Γ-Funktion, 193Γ-FunktionsieheGammafunktion 97Mer(D), 154Θ-Funktion, 166µ-Funktion, 94σ -Funktion

Weierstraßsche, 283ϕ-Funktion, 93℘-Funktion, 279ζ -Funktion, 163, 204

Tschebyschew, 213Weierstraßsche, 281

EULERsche Formeln, 163FOURIER-Entwicklung, 134LAURENT-Entwicklung, 129

Hauptteil, 130Nebenteil, 130

LAURENT-Trennung, 156WALLISsches Produkt, 165

Abbildungbiholomorphe, 225konforme, 225, 240lokal konforme, 240topologische,sieheHomöomor-

phismus 119Abelscher Grenzwertsatz, 49Ableitung, 4

Wirtinger-Ableitung, 18Abstand

hyperbolischer, 245Algebraische Abgeschlossenheit, 71analytisch

komplex, 30Argumentfunktion, 42

Argumentprinzip, 155Automorphismen-Gruppe, 225

Cauchy-Hadamardsche Formel, 26Cauchy-Produkt, 52Cauchysche Integralformel

Ableitungen, 118Cauchyscher Integralsatz

geschlossene homotope Wege, 101homologe Zyklen, 118

Cosinusprodukt, 165Cotangens, 40

DifferentialgleichungenCauchy-Riemann, 14, 18, 19

Differenzierbarkeitkomplexe, 4–18Rechenregeln

Kettenregel, 6Produktregel, 5Quotientenregel, 5

stückweise stetige, 56total relle, 15, 17

Dilatation, 229Diskriminante, 287Doppelreihensatz, 92Dreieck, 65Durchmesser, 66

Ebeneaffine, 294geschlossene komplexe, 119kompaktifizierte komplexe, 119

Einheitswurzeln, 36primitive, 36

Eisenstein-Reihe, 305

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Fourier-Entwicklung, 307normierte, 307

elliptisch, 234Eulersche Formeln, 34Eulersche Konstante, 195Exponentialfunktion

Differentialgleichung, 37Eulersche Formeln, 34Funktionalgleichung, 34, 37Wichtige Werte, 37

FaktorenKonvergenz erzeugende, 185

Familiennormale, 255

FlächeRiemannsche, 263

Fundamentalsatz der Algebra, 86, 155,157

allgemeine Version, 71Gauß, 69reelle Version, 71

Funktioncharakteristische, 150elliptische, 267konjugierte, 108

Funktionenganze, 80Potentialfunktionen, 19

Gamma-Funktion, 193Gammafunktion, 97

GAUSSsche Darstellung, 97Gebiet, 13

P, 222Gebietstreue, 87Gerade

affine, 295im Unendlichen, 294projektive, 295

Gitter, 267Basis, 267Fundamentalparallelogramm, 267

harmonisch, 19, 76, 77

HauptwertLogarithmus,sieheLogarithmusPotenz, 47

Hauptzweig,sieheHauptwertHausdorff-Raum, 10holomorph, 4, 15, 19, 31Homologie, 114Homotopie, 100Homöomorphie, 119Homöomorphismus, 119hyperbolisch, 235Hyperebene, 63

Identitätssatzanalytische Funktionen, 32Potenzreihen, 31

Index,sieheUmlaufzahlIntegralformel

Ableitungen, 77Integrierbarkeit

Riemann, 54Integritätsring, 189Inversion, 229

Jacobi-Matrix, 15

Konvergenzabsolute, 22absolute, unendl. Produkte, 179beständige, 24gleichmäßige, 22kompakte, 22, 24normale, 22topologischer Raum, 10unendl. Produkte, 176

Konvergenzkreis, 23Konvergenzradius, 23, 24Konvergenzsatz, 91konvex, 11Koordinaten

projektive, 294Kreise

hyperbolische, 248Kreisverwandtschaft, 230Kurve

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algebraische, 295Anfangspunkt, 55einfach geschlossene, 55elliptische, 296Endpunkt, 55geschlossene, 55Inneres, 115inverse, 55Länge, 56rektifizierbare, 56Spur, 55stetige, 11, 55Umparametrisierung, 58Äußeres, 115

Kurvenintegral, 56

Laplace-Operator, 19Logarithmus, 41

Hauptwert, 46, 69holomorpher, 42stetiger, 42

Logarithmusfunktion, 42loxodromisch, 235

Maximumprinzip, 85, 89, 90Maßraum, 96Mengen

abgeschlossene, 8offene, 8relativ offene, 8

meromorph, 153Metrisierbarkeit, 256Minimumprinzip, 86, 90Modulform, 303

ganze, 304Modulfunktion, 303Multiplikator, 234, 235

Normalgebiet, 263nullhomolog, 112, 114Nullhomotopie, 101

Ordnung, 275holomorpher Funktionen, 83, 223invariante, 318

parabolisch, 234Periode, 266Periodengitter, 267Pol, 137

Ordnung, 137Polarkoordinaten, 36Polynom

homogenes, 295Primzahlsatz, 215Projektiver Raum, 294Punkt

im Unendlichen, 294

Ramanujan-Zahlen, 309Reihe

Binomialreihe, 47Exponentialreihe, 24, 30geometrische, 24, 25, 30

ReihenEisenstein, 281

Residuum, 142Berechnung, 145

Rotation, 229

Singularitäthebbare, 78, 137isolierte, 137wesentliche, 138

Sinusprodukt, 164Spitze, 303Spitzenform, 304Stabilisator, 273Stammfunktion, 44Sterngebiet, 63Stetigkeit

topologischer Raum, 10Stirlingsche Formel, 201Streckung, 229Symbole

Bachmann, Landau, 203

Tangens, 40Tauber, Satz von, 210Taylor-Formeln, 29Taylor-Reihe, 29

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TopologieRelativtopologie, 8Spurtopologie, 8

Translation, 229

Umgebung, 10Umkehrproblem, 319Umlaufzahl, 111Ungleichung

Cauchy, 79

VermutungRiemannsche, 209

Vielfachheit, 83

Weg, stetiger, 11,sieheKurveWegunabhängigkeit, 118Winkel, 240Winkelfunktionen

Additionstheoreme, 38

Zahlenkugel, 228Zetafunktion, 204

Produktentwicklung, 204Tschebyschew, 213

Zusammenhangeinfacher, Charakterisierung, 121

Zusammenhangskomponenten, 13, 15zusammenhängend, 8, 11

einfach, 45, 103wegzusammenhängend, 11, 13

Zyklus, 113Spur, 114Summe, 114Umlaufzahl, 114

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Abbildungsverzeichnis

2.1 X aus 2.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

9.1 Situation im Beweis von 9.4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

12.1 Aufteilung des Dreiecks in 12.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6612.2 Aufteilung des Dreiecks in 12.2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

19.1 Homotope Deformation stetiger Kurven . . . . . . . . . . . . . . 10219.2 Quaderintegrale zwischen den Kurven . . . . . . . . . . . . . . . 10319.3 Beispiele für einfach zusammenhängende Mengen . . . . . . . . . 104

20.1 γ0 verläuft von Rand zu Rand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11320.2 γ ist nullhomolog aber nicht nullhomotop . . . . . . . . . . . . . 115

22.1 Die stereographische Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

25.1 Die Situation im Beweis von 25.9 . . . . . . . . . . . . . . . . . 14825.2 Situation in 25.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

34.1 Situation im Beweis von 34.1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

38.1 Situation in 38.10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

39.1 Situation im Beweis von 39.8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24639.2 Die Situation im Beweis zu 39.11 . . . . . . . . . . . . . . . . . 24939.3 Hyperbolisches Dreieck mit Nullwinkel in∞ . . . . . . . . . . . . 25039.4 Hyperbolisches Dreieck ohne Nullwinkel . . . . . . . . . . . . . 251

44.1 Fundamentalparallelotop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

45.1 Abzählung der Gitterpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

47.1 Projektive Gerade im reellen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

49.1 Fundamentalbereich im Beweis der Gewichtsformel . . . . . . . . 313

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Inhaltsverzeichnis

I Komplex differenzierbare Funktionen 3

1 Komplexe Differenzierbarkeit 4

2 Zusammenhang 8

3 Die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen 14

II Potenzreihen 21

4 Der Konvergenzradius 22

5 Differenzierbarkeit von Potenzreihen, Analytizität, Identitätssatz 28

6 Exponentialfunktion 34

7 Winkelfunktionen 38

8 Logarithmusfunktionen 41

9 Abelscher Grenzwertsatz 48

III Kurvenintegrale, lokale Theorie holomorpher Funktione n 53

10 Kurvenintegrale 54

11 Stammfunktionen 60

12 Cauchyscher Integralsatz und Fundamentalsatz der Algebra 65

13 Cauchysche Integralformel für Kreise, Analytizität 73

14 CAUCHY sche Ungleichungen, Satz von LIOUVILLE 79

15 Nullstellen holomorpher Funktionen, Identitätssatz 82

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16 Maximumprinzip, Gebietstreue und lokales Abbildungsverhalten 85

17 Der Konvergenz-Satz von WEIERSTRASS 91

18 Holomorphe von einem Parameter abhängige Integrale 95

IV Der allgemeine CAUCHY sche Integralsatz 99

19 Der CAUCHY sche Integralsatz für homotope Kurven 100

20 Die Umlaufzahl 110

21 Der Hauptsatz der CAUCHY schen Theorie 116

22 Charakterisierungen des einfachen Zusammenhangs 119

V L AURENTsche Reihen, isolierte Singularitäten, Residuensatz 126

23 LAURENTsche Reihen 127

24 Isolierte Singularitäten 137

25 Der Residuensatz 142

26 Meromorphe Funktionen, Anwendungen des Residuen-Satzes 153

27 Partialbruchentwicklung des Cotangens und Sinusprodukt 159

28 Die Theta-Transformationsformel 166

29 Das Reziprozitätsgesetz für die Gaußschen Summen 170

VI Der Weierstraßsche Produktsatz 174

30 Unendliche Produkte 176

31 Der Weierstraßsche Produktsatz 182

32 Die Gammafunktion 193

33 Die Riemannsche Zetafunktion 204

34 Der Primzahlsatz 210

35 Der Satz von MITTAG -L EFFLER 218

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VII Linear gebrochene Abbildungen, hyberbolische Geometrie 221

36 Der Punkt ∞ 222

37 Die Automorphismengruppe der „Zahlenkugel“ P 228

38 Schwarzsches Lemma und Automorphismengruppen 236

39 Das Poincarésche Modell der hyperbolischen Geometrie 243

VIII Der Riemannsche Abbildungssatz 252

40 Die Sätze von Montel und Vitali 253

41 Der Riemannsche Abbildungssatz 258

42 Randverhalten der Abbildungsfunktion 264

IX Elliptische Funktionen 265

43 Periodengitter und Modulgruppe 266

44 Die Liouvilleschen Sätze 274

45 Die Weierstraßsche℘-Funktion 278

46 Die Differentialgleichung der℘-Funktion 286

47 Das Additionstheorem 293

X Modulformen, Umkehrproblem 302

48 Modulformen 303

49 Die Gewichtsformel 312

50 Die Modulfunktion J und das Umkehrproblem 318

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