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7 6 Jeder Kunde zählt. Des- wegen kämpft Bilgis auf den Straßen von All Hajjra in Jemen um die Gunst der Touristen. Ihre Großfamilie ist sehr arm und braucht das Geld. Doch Bilgis weiß, wie sie die Fremden überzeugen kann: Sie lädt sie einfach zu sich nach Hause ein. W illkommen in All Hajjra. Hier, sehen Sie mal mei- ne Puppen, sie sind die schönsten. Kommt in meinen Shop“, begrüßt Bilgis mit heller Stimme ein paar Besucher. Die ers- sten Fremden seit einer Woche. Sie streckt ihnen freudig die Puppen entgegen. Heute muss es einfach klappen. Doch sie ist nicht die Ein- vor Terroristen und Anschlägen. Frü- her lief das Geschäft gut. Die ver- schleierten Puppen waren der Ren- ner. Sie sehen aus wie Babypuppen, sind aber verhüllt. Ähnlich wie die Frauen im Jemen. Das gehört im Jemen zur Tradition, denn die Menschen dort leben ganz anders als in Europa. Alle Familien- mitglieder leben zum Beispiel zu- sammen in einem großen Haus. Wenn die Familie größer wird, dann wird einfach ein Stockwerk dazuge- baut. Bilgis lebt mit ihrer Familie im Zentrum des Dorfes. Sie hat fünf Ge- schwister und ihre Mutter ist Witwe. Der Vater von Bilgis starb vor zwei Jahren. Er selbst sagte von sich, er sei schon 100 Jahre alt. Aber ob das stimmt, weiß keiner. Die meisten al- ten Menschen in den Dörfern haben ja nie die Schule besucht. Geburts- tage werden auch nicht gefeiert, und somit wissen viele auch nicht genau wie alt sie sind. Traumjob: Ärztin Für Bilgis und ihre Geschwister ist das anders. Alle gehen in die Schule und Bilgis weiß auch genau, wie alt sie ist. Sie ist zwölf Jahre alt, geht in die siebte Klasse und möchte gerne Ärztin werden. Denn in ihrem Dorf gibt es keinen Arzt. Ihre Schwester hat schon seit einigen Tagen Fieber, und keiner kann ihr helfen. Mit Charme zum Erfolg zige, die die Aufmerksamkeit der Touristen auf sich ziehen will. Ein paar Jungs in ihrem Alter haben ebenfalls Verkaufsgegenstände da- bei und bieten sie an. Früher kamen täglich viele Busse mit Touristen in das Gebirgsdorf. Doch heute haben die Reisenden Angst „Come to my shop“, bettelt sie da- her die Touristen an. Bilgis rennt vor die Besucher aus England und will ein Gespräch beginnen. Sie spricht gut Englisch. Das hat sie sich selbst beigebracht. In der Schule lernen nur die Jungs Englisch. Die Mädchen dürfen auch nur bis zum 14. Le- bensjahr in die Schule gehen. Dann sollen sie sich auf eine baldige Hochzeit vorbereiten. Bilgis ist schneller als die Jungs, die neben ihr herlaufen. Sie strahlt die Kunden an und gewinnt durch ihr Lächeln. Sie gibt nicht auf, die Tou- risten von ihren Puppen und sich selbst zu überzeugen. Obwohl die Puppen, die die anderen Kinder Fotos: Ursula Meissner Xxxxxxx xxx xxxxx xxx xx xxxxxx xxxx xxxxxx xxxx xxx xxx Xxxxxxx xxx xxxxx xxx xx xxxxxx xxxx xxxxxx xxxx xxx xxx xxxx xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx xxxxx xxx xxxxxxx. Xxxxxxx xxx xxxxx xxx xx xxxxxx xxxx xxxxxx xx. Xxxxxxx xxx xxxxx xxx xx xxxxxx xxxx xxxxxx xx. Xxxxxxx xxx xxxxx xxx xx xxxxxx xxxx xxxxx xxxx xxxxxxx xx.

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Jeder Kunde zählt. Des-wegen kämpft Bilgis aufden Straßen von AllHajjra in Jemen um dieGunst der Touristen. Ihre Großfamilie ist sehrarm und braucht dasGeld. Doch Bilgis weiß,wie sie die Fremdenüberzeugen kann: Sie lädt sie einfach zusich nach Hause ein.

W illkommen in All Hajjra.Hier, sehen Sie mal mei-ne Puppen, sie sind die

schönsten. Kommt in meinenShop“, begrüßt Bilgis mit hellerStimme ein paar Besucher. Die ers-sten Fremden seit einer Woche. Siestreckt ihnen freudig die Puppenentgegen. Heute muss es einfachklappen. Doch sie ist nicht die Ein-

vor Terroristen und Anschlägen. Frü-her lief das Geschäft gut. Die ver-schleierten Puppen waren der Ren-ner. Sie sehen aus wie Babypuppen,sind aber verhüllt. Ähnlich wie dieFrauen im Jemen. Das gehört im Jemen zur Tradition,denn die Menschen dort leben ganz

anders als in Europa. Alle Familien-mitglieder leben zum Beispiel zu-sammen in einem großen Haus.Wenn die Familie größer wird, dannwird einfach ein Stockwerk dazuge-baut. Bilgis lebt mit ihrer Familie imZentrum des Dorfes. Sie hat fünf Ge-schwister und ihre Mutter ist Witwe.Der Vater von Bilgis starb vor zweiJahren. Er selbst sagte von sich, ersei schon 100 Jahre alt. Aber ob dasstimmt, weiß keiner. Die meisten al-ten Menschen in den Dörfern habenja nie die Schule besucht. Geburts-tage werden auch nicht gefeiert,und somit wissen viele auch nichtgenau wie alt sie sind.

Traumjob: ÄrztinFür Bilgis und ihre Geschwister istdas anders. Alle gehen in die Schuleund Bilgis weiß auch genau, wie altsie ist. Sie ist zwölf Jahre alt, geht indie siebte Klasse und möchte gerneÄrztin werden. Denn in ihrem Dorfgibt es keinen Arzt. Ihre Schwesterhat schon seit einigen Tagen Fieber,und keiner kann ihr helfen.

Mit Charme zum Erfolg

zige, die die Aufmerksamkeit derTouristen auf sich ziehen will. Einpaar Jungs in ihrem Alter habenebenfalls Verkaufsgegenstände da-bei und bieten sie an. Früher kamen täglich viele Busse mitTouristen in das Gebirgsdorf. Dochheute haben die Reisenden Angst

„Come to my shop“, bettelt sie da-her die Touristen an. Bilgis rennt vordie Besucher aus England und willein Gespräch beginnen. Sie sprichtgut Englisch. Das hat sie sich selbst

beigebracht. In der Schule lernennur die Jungs Englisch. Die Mädchendürfen auch nur bis zum 14. Le-bensjahr in die Schule gehen. Dannsollen sie sich auf eine baldigeHochzeit vorbereiten.Bilgis ist schneller als die Jungs, dieneben ihr herlaufen. Sie strahlt die

Kunden an und gewinnt durch ihrLächeln. Sie gibt nicht auf, die Tou-risten von ihren Puppen und sichselbst zu überzeugen. Obwohl diePuppen, die die anderen Kinder ➟

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Zahlen und FaktenDie Hauptstadt der Republik Jemen ist Sanaa.Das Land grenzt im Westen an das Rote Meer,im Süden an den Indischen Ozean, im Osten anden Oman und im Norden an Saudi-Arabien. Ander Küste leben mehr Menschen als im Hoch-land. Insgesamt gibt es fast 25 Millionen Ein-wohner im Jemen. Der Islam ist die offizielleStaatsreligion und die Landessprache ist Ara-bisch.

Jemen – Ein Land zwischen

Vorurteilen und einzigartiger Tierwelt

Der Jemen liegt 5.000 Kilometer von Deutschland entfernt. Viele Menschen den-

ken an Entführungen und die terroristische Organisation „Al Kaida“, wenn sie

Jemen hören. Sie glauben, dass die Terroristen aus dem Jemen kommen. Es

stimmt, dass schon viele Menschen dort entführt und getötet wurden. Natürlich

schreckt das die Touristen in der ganzen Welt ab, und es kommen nur noch we-

nige in das arabische Land.

Wenn sie dorthin reisen, dann häufig wegen der einzigartigen Tierwelt: Den Je-

men-Waran oder das Jemen-Chamäleon gibt es nur dort. Außerdem findet man

hier viele seltene Großvögel wie Goliathreiher. Dieser Vogel hat ein prächtiges,

buntes Gefieder. In den Bergen leben sehr viele wilde Adler, die es in Europa nur

noch in Gefangenschaft gibt.

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hochhalten, natürlich genauso aus-sehen. Sie hat eine kleine Stoffta-sche umhängen und holt bunt be-stickte Tücher und Gürtel aus der Ta-sche. „Hier, das hat alles meine Mut-ter gemacht.“ Sie weiß, wie sie die

Touristen überzeugt und lädt sie ein-fach zu sich nach Hause ein. DasTouristenpaar folgt ihr. „Wir wohnenin der Nähe des ehemaligen jüdi-schen Zentrums“, erklärt Bilgis aufdem Weg. „Heute leben hier keine

Juden mehr. Juden und Araber ver-stehen sich nicht mehr so gut“, er-zählt sie weiter.In Bilgis’ Familienhaus leben heute72 Menschen. Eine sehr große Fa-milie, was aber nicht ungewöhnlichim Jemen ist. Die Männer der Fami-lie haben manchmal bis zu dreiFrauen. Die Frauen bekommen vierbis fünf Kinder, und wenn die allemit Onkel und Tanten unter einemDach leben, dann kommen schnellso viele Menschen zusammen. Dieschwere Holztür quietscht ein bis-schen und Bilgis lacht, als sie dasTouristenpaar hereinbittet. Siestrahlt, weil es ihr gelungen ist, ihreKollegen mit Puppen und Souvenirsabzuwimmeln. Ein schmaler Trep-penaufgang schlängelt sich vonStockwerk zu Stockwerk.

Fotografieren verbotenDurch die Holzfenster dringen Son-nenstrahlen in das Treppenhaus.Bilgis rennt voraus und nimmtmanchmal zwei Stufen auf einmal.„Bitte keine Fotos! Meine Mutterund meine Geschwister dürfen nichtfotografiert werden. Das gibt Pro-bleme hier im Jemen, das wisst ihr

ja.“ Im Jemen dürfen Frauen ab dem13. Lebensjahr nicht unverschleiertfotografiert werden. Auch Bilgismuss ab dem nächsten Jahr wie alleFrauen den totalen Schleier tragen.Das ist Gesetz, und man sieht imganzen Land nirgendwo eine Frauohne diesen schwarzen Schleier.„Niqab“ nennt man die totale Ver-schleierung im Jemen. In Afghanis-tan nennt man das „Burka“. Im Je-men war es ursprünglich so, dassdie Frauen den Schleier, die Niqab,gegen den Wüstenstaub und dieSonne trugen. Heute müssen dieFrauen alle diesen Niqab tragen, da-mit sie von keinem fremden Mannaußerhalb der Familie gesehen wer-den. Oben im dritten Stockwerk ist esheiß, fast 40 Grad. Durch den Tür-spalt ist ein leuchtendes Feuer in derEcke zu sehen. Frischer Brotduft liegtin der Luft. Es wird schnell geredet,Bilgis erklärt alles und stellt das Tou-ristenpaar vor, das außer Atem undstaunend in der Tür steht. Das Brotwird hier für die ganze Familie ge-backen und manchmal sogar ver-kauft. Davon leben Bilgis und ihreFamilie. Alle lachen und sind glück-lich über die Besucher. Dann knetendie Mutter und zwei Geschwister

weiter den Teig, so als ob nichts ge-schehen wäre. Bilgis reicht das fri-sche knusprige Fladenbrot weiter. Esist das beste, das man sich vorstellenkann. Es ist in einem Holzkohleofengebacken, so wie es im Mittelalterauch in Deutschland üblich war.Heute kommt das Brot meistens ausden Fabriken und schmeckt nichtannähernd so gut wie selbst ge-macht.„Kommt, kommt“, winkt Bilgis dieBesucher weiter auf die Terrasse. Dasteht ihr Bruder mit ihrer kleinenSchwester. Ihr Bruder ist ein Jahrälter und als einziger Mann das Fa-milienoberhaupt. Er hat alles zu be-stimmen. Jetzt kann ein Foto ge-

macht werden. Auf der Terrasse mitBlick über All Hajjra. Es könnte so schön sein, wenn esnicht die Terroristen gäbe. Dannwürden wieder viele Besucher kom-men, von deren Geld die Familie frü-her gut leben konnte. Bilgis verkauftdrei Puppen und die Touristen las-sen auch noch einig Dollar für Me-dizin da. Es hat sich heute gelohntfür Bilgis und ihre Familie. Das Mäd-chen strahlt und ist glücklich. Sorgenmacht sie sich nur vor dem nächstenJahr. Wenn sie den Schleier, die Ni-qab, tragen muss, darf sie nichtmehr direkt mit den Touristen spre-chen. Dann muss ihre kleineSchwester ran. Für Bilgis sucht dieFamilie einen Ehemann und wahr-scheinlich wird dann wieder einStockwerk mehr auf das Familien-haus gebaut.

Ursula Meissner

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