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    Script zur WDR-Sendereihe Quarks & CoScript zur WDR-Sendereihe Quarks & Co

    Wenn das

    Gedchtnis streikt

    Wenn das

    Gedchtnis streikt

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    Als der franzsische Autor Marcel Proust eine Madelaine in seinen

    Tee tunkt, wird er urpltzlich an seine Kindheit erinnert. In seinem

    literarischen Meisterwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

    beschreibt der Autor mit groer Przision dieses eigenartige Phnomen der

    Reminiszenz. Oft gengt eine Stimme, eine Melodie oder ein Foto, um uns

    an lange zurckliegende Ereignisse in unserem Leben zu erinnern. Eine

    flchtige Wahrnehmung bewirkt, da frhere Begegnungen, schne odertraurige Stunden noch einmal lebendig werden. Die Strke unseres

    Gedchtnisses liegt nicht nur in der Fhigkeit, Vergangenes zu speichern.

    Es kann Erinnerungen durch unsichtbare Fden miteinander verweben.

    Und es ermglicht uns, neue Situationen schnell zu bewltigen, indem es

    wie ein Filter Wichtiges von Unwichtigem unterscheidet. Es sorgt dafr,

    da wir unbrauchbare Informationen wieder vergessen. In unserer Sendung

    im Dezember 1995 Wenn das Gedchtnis streikt haben wir einige dieser

    Eigenschaften vorgestellt. Sie wirken erst recht faszinierend, wenn man

    Schwchen oder krankhafte Vernderungen des Gedchtnisses dagegenhlt.

    Denn sie knnen, wie bei der Amnesie oder bei der Alzheimerschen

    Krankheit, zur vollstndigen Zerstrung der Persnlichkeit fhren.

    brigens gibt es in Deutschland auf diesen Forschungsfeldern ausgezeich-

    nete Wissenschaftler, die unsere Recherchen dieses Themas mit groem

    Engagement untersttzt haben, und bei denen wir uns an dieser Stelle

    herzlich bedanken mchten. Ihnen, liebe Zuschauer, wnschen wir eine

    interessante Lektre dieses Scripts.

    Ihr Quarks & Co-Team.

    Inhalt

    1. Wie funktioniert unser Gedchtnis? 4

    2. Wenn das Gedchtnis nachlt 9

    Stre 9

    Gedchtnis im Alter 10

    Alzheimer 12

    Depression 17

    3. Gedchtnistest 18

    4. Besser behalten 21

    5. Literatur 26

    6. Adressen 26

    7. Index 27

    Impressum:Text: Thomas Hallet, Ranga Yogeshwar,Wolfgang Meschede, Till StempelRedaktion: Ranga Yogeshwar,Thomas Hallet, (viSdP)Wissenschaftliche Beratung:Priv. Dozent Dr. Kessler,MPI fr neurologische Forschung, KlnCopyright: WDR

    Internet: Weitere Informationen erhalten

    Sie unter http://www.wdr.de

    Gestaltung:Designbureau Kremer Mahler, Kln

    Bildnachweis:Alle Fotos: WDR

    Alle Illustrationen:Designbureau Kremer Mahler, Kln;Vera Vinitskaja

    Diese Broschre wurde auf100 % chlorfrei gebleichtemPapier gedruckt.

    Liebe Leserinnen und Leser!

    Das unvergelicheQuarks & C0-Team:

    Thomas Hallet,Ranga Yogeshwar,

    Till Stempel,Wolfgang Meschede

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    entspricht im Gehirn einer ganz be-stimmten Kombination vieler Ner-venzellen, die gemeinsam feuern.Durch die gemeinsame elektrischeAktivitt entsteht ein Muster im Ge-hirn, das die Gromutter reprsen-tiert. Andere Gesichter, Gegenstn-de, Telefonnummern fr alles gibtes ein spezielles Muster von Nerven-zellen, die gemeinsam aktiv sind.Warum kann man ein solches Mustermanchmal noch nach Jahrzehntenaktivieren? Oder anders gefragt:Was unterscheidet das Kurz- vomLangzeitgedchtnis? Mssen wiruns beispielsweise nur kurzfristigeine Telefonnummer merken, dannverblat das entsprechende Musterschnell, weil nur wenige Nerven-zellen beteiligt sind und die Verbin-dung zwischen ihnen sehr locker ist.Demgegenber vermuten die Wis-senschaftler, da bei dauerhaftenErinnerungen zwei Faktoren ent-scheidend sind: Erstens sind dannmehr Nervenzellen beteiligt, dasSignal ist also strker. Und zweitenssind die Verbindungen zwischen denbeteiligten Nervenzellen wesentlichstrker; denn wichtige Erinne-rungen werden hufig aktiviert, dieensprechenden Verbindungen wer-den dadurch stabilisiert.

    Erinnerungen sind berall

    Erinnerungen sind also immer durchNetzwerke vieler Nervenzellen fest-gehalten. Ein weiteres Funktions-prinzip des Gedchtnisses: Arbeits-teilung z. B. die Erinnerung aneinen Bleistift. Die Informationenber die Farbe, Form und Funktiondes Stifts sind an jeweils verschiede-nen Orten im Gehirn gespeichert. Siescheinen den Gehirnregionen zuge-ordnet zu sein, die auch fr dieWahrnehmung der entsprechenden

    Eigenschaft zustndig sind. So wirddie Farbe des Stifts an einem ande-ren Ort verarbeitet als z. B. die zylin-drische Form. Das Gedchtnis funk-

    Die Informationen ber einen Bleistiftsind im Gehirn auf verschiedeneOrte verteilt

    tioniert wie ein Orchester: Die Gei-gen sind fr die Farbe des Stifts zu-stndig, die Querflten fr die Form,die Pauke fr die Funktion. Alle zu-sammen lassen in Sekundenbruch-teilen das Bild des Stifts vor dem gei-stigen Auge entstehen.Die Frage ist, woher das Gehirn wei,

    da die verschiedenen Informatio-nen zu ein und demselben Objekt ge-hren. Einen Dirigenten, der mit sei-nem Taktstock alles im Griff hat, gibtes nmlich nicht im Gehirn. Die Ver-mutung der Forscher: Entscheidendist der Takt, in dem die Nervenzellenfeuern. Alle Nervenzellen, die mit derErinnerung an den Bleistift beschf-tigt sind, feuern beispielsweise fnf-zigmal in der Sekunde. Andere Zel-len, die sich an ein Blatt Papier erin-nern, entladen sich nur dreiigmal.

    So wre sichergestellt, da weit aus-einanderliegende Informationsde-tails zu einem Gesamtbild zusam-mengefat werden knnen.

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    Von Plattwrmern undGromttern

    Schon lange haben Forscher nachdem Sitz des Gedchtnisses gefahn-det. Dabei kamen allerlei merkwr-dige Vorstellungen auf. In den 50erund 60er Jahren beispielsweise ver-suchte man, sogenannte Gedcht-nismolekle nachzuweisen. Erin-nerung sollte nach dieser Theorie inForm verschiedenster Eiweistoffeim Gehirn existieren. Einer der An-hnger dieser Richtung, der Neuro-physiologe James McConnel, stellteeinige recht ausgefallene Experi-mente an: Er brachte Plattwrmernbei, Licht zu meiden. Taten sie es, sozerkleinerte McConnel sie in einemMixer und verftterte sie an Artge-nossen, die dann angeblich auch dasLicht mieden.

    Die New York Times titelte darauf-hin: Verspeisen Sie Ihren Profes-sor. Mc Connels aufsehenerregen-der Versuch ging spter als Irrtum indie Wissenschaftsgeschichte ein.Bis in die 70er Jahre war die Theorieder Gromutterzelle aktuell. Danach

    sollte eine Erinnerung, z. B. die andie eigene Gromutter, in einer ein-zigen Nervenzelle gespeichert sein.Eine einfache berlegung widerleg-

    te schlielich diese Idee: Da im Ge-hirn laufend Nervenzellen abster-ben, wrde es zu einem dauerndenAuslschen von einzelnen Gedcht-nisinhalten kommen. Auch die Erin-nerung an die Gromutter wrdeirgendwann einfach ausgeknipst was offensichtlich nicht der Realittentspricht. Die Theorie konnte sichnicht halten.

    Netzwerk Gehirn

    Erst in den letzten Jahren haben dieForscher etwas mehr ber das Ge-dchtnis erfahren. Das Speicherme-dium sind die Nervenzellen des Ge-hirns und ihre Verbindungen unter-einander. Es gibt 100 Milliarden die-ser Zellen, und jede einzelne ist mitbis zu 10.000 anderen verbunden.Das Gehirn ist also im Prinzip eingigantisches Kabelnetz mit mehre-ren 100.000 Kilometern Lnge. Undwie in einem Stromkabel fliet auchentlang der Nervenbahnen Strom.Wird eine Nervenzelle durch einenankommenden Reiz stimuliert, dannverndert sie innerhalb krzesterZeit ihren Zustand: Sie wird entwe-der erregt (sie feuert, wie mansagt) oder sie wird gehemmt. Wenneine Zelle feuert, dann werden berBotenstoffe auch die dahinterlie-genden Nervenzellen veranlat zu

    feuern.Was passiert nun, wenn wir uns er-innern, z. B. an unsere Gromutter?Die derzeitige Antwort der Gedcht-nisforscher: Ein spezielles Gesicht

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    1. Wie funktioniertunser Gedchtnis?

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    dergrund, was gespeichert wird.Nicht mehr die Zeit, sondern der In-halt ist der Faktor, mit dem die Wis-senschaftler verschiedene Gedcht-nissysteme unterscheiden.Da Inhalte mglicherweise ver-schieden abgespeichert werden,darauf kamen die Forscher bei derUntersuchung von Menschen, dieihre Erinnerungen teilweise verlorenhatten. Diese sogenannten Amne-sien werden durch Unflle oder psy-chische Belastungen verursacht.Amnestiker haben ganz spezielleAusflle: Die meisten knnen sichnicht mehr an ihre eigene Lebens-geschichte erinnern; sie wissenbuchstblich nicht mehr, wer siesind. Andere sind pltzlich unfhig,neues zu lernen.In der Sendung wurde der Fall vonThomas M. vorgestellt, eines Man-nes, der morgens mit dem Fahrrad

    zum Brtchenholen fuhr: Whrendder kurzen Fahrt ging sein autobio-graphisches Gedchtnis verloren; ermute sein Gesicht in einem Schau-fenster ansehen, weil er nicht mehrwute, wer er war. Andererseits warsein gelerntes Wissen nicht beein-trchtigt: Er kannte zum Beispiel dieVerkehrsregeln noch, auch Fahrrad-fahren gelang ihm mhelos.Flle wie dieser veranlaten die Wis-senschaftler, das Gedchtnis zu un-terteilen: Einerseits gibt es das auto-

    biographische oder wissenschaft-lich ausgedrckt das episodischeGedchtnis; dort ist all das gespei-chert, was zu unserer Lebensge-schichte gehrt. Allgemeiner: JedeErinnerung, zu der wir die dazuge-hrige Zeit und den Ort angebenknnen.Andererseits gibt es das Gedchtnisfr Gelerntes: In Fllen wie dem obenbeschriebenen wei der Betroffenez. B., da der Kilimandscharo in Tan-sania und Kenia liegt; das hat er ge-

    lernt. Da er selbst schon den Bergbestiegen hat, davon wei er aller-dings nichts mehr, da sein episodi-sches Gedchtnis ausgefallen ist.

    Wissenschaftler nennen den Spei-cher fr Gelerntes das semanti-sche Gedchtnis.Auerdem gibt es noch das soge-nannte prozedurale Gedchtnis.Hier sind Bewegungsablufe ge-speichert wie z. B. das Fahrradfahrenoder Schwimmen Gedchtnisin-halte, die weitgehend unbewutsind und so gut wie nie durch Unfllezerstrt werden. Zu guter Letzt gibtes noch ein viertes Gedchtnissys-tem, das vllig unbewut arbeitet.Auch diesem kamen die Wissen-schaftler durch Menschen auf dieSpur, deren Erinnerungsfhigkeitgestrt war.

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    Von der Wahrnehmung zumGedchtnis

    Es gibt verschiedene Gedchtnis-systeme. Am bekanntesten ist dieEinteilung in Kurz- und Langzeitge-dchtnis. Weniger bekannt sind diesensorischen Gedchtnissysteme,die es uns ermglichen, die Umweltwahrzunehmen. Wenn Sie in einemdunklen Zimmer eine glhende Ziga-rette hin- und herbewegen, dannwerden Sie feststellen, da dieseeine Leuchtspur hinterlt, mit derman lesbare Wrter in die Luftschreiben kann.

    1740 machte sich der schwedischeForscher Segner diesen Effekt zu-

    nutze, um zu messen, wie lange dieSpur eines mit dem Auge aufgenom-menen Eindrucks im Gedchtnisbleibt. Er befestigte ein glhendesStck Kohle an einem rotierendenRad. Wenn sich das Rad sehr schnelldrehte, dann konnte er einen vollenKreis wahrnehmen, da die am An-fang der Drehung entstandene Spurimmer noch leuchtete, wenn dasKohlestck wieder am Startpunktanlangte. Bei einer langsamerenDrehung war nur das Teilstck eines

    Kreises zu sehen, weil die Spur desersten Abschnitts verblat war, bisdie Kohle wieder den Ausgangs-punkt erreicht hatte. Segner whlte

    nun eine Geschwindigkeit, mit dergerade noch ein vollstndiger Kreiszustande kam und ma die Zeit freine Umdrehung. Er schtzte sie kor-rekt auf ungefhr eine Zehntelse-kunde.Dieses optische Gedchtnissystemwird ikonisches Gedchtnis ge-nannt. Seine Dauer kann noch ein-facher demonstriert werden: Sprei-zen Sie die Finger einer Hand undbewegen Sie sie vor Ihren Augen hinund her.Tun Sie das zuerst ganz langsam: Siewerden feststellen, da der Hinter-grund sich stckweise bewegt, weildie Wahrnehmung immer wiederdurch die Finger unterbrochen wird.

    Jetzt wiederholen Sie den Vorgangsehr schnell. Nun bleibt der Hinter-grund stabil und ist hchstens etwasverwischt. Bei der schnellen Bewe-gung wird die Szene nur ganz kurz

    unterbrochen, so da die Informa-tion, die Ihr Auge aufnimmt, sich er-neuern kann, bevor sie endlich ver-blat.Einen hnlichen Gedchtnisvorganggibt es auch beim Hren. Wenn ineiner Zimmerecke ein kurzes klik-kendes Gerusch ertnt, knnen Siesofort bestimmen, aus welcher Rich-tung es gekommen ist. Diese Fhig-keit beruht darauf, da Sie sich beider Peilung den winzigen Unter-schied zwischen der Ankunftszeit

    des Klickens an jedem Ohr zunutzemachen, also eine hnliche Arbeitausfhren wie ein Sonar. Damit Siejedoch die geringfgige Zeitdiffe-renz auswerten knnen, mu einSystem vorhanden sein, welches daserste Klicken bis zur Ankunft deszweiten speichert.

    Verlorene Erinnerungen

    Bei den bisher erwhnten Gedcht-

    nissystemen war die Frage wichtig,wie lange die Gedchtnisinhalte ge-speichert werden. Seit einigen Jah-ren tritt aber immer mehr in den Vor-

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    Das Gedchtnis lernt, ein Objekt nachmehreren Versuchen sehr frh zuerkennen (s. S. 8)

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    Warum vergessen wir?

    Es gibt viele verschiedene Ursachen

    fr Gedchtnisverlust. Der hu-figste, aber auch vermeidbare Grundist Stre (siehe Stre und Verges-sen). Eine andere Ursache fr dasVergessen kann man hingegen nichtbeeinflussen. Es ist das Alter. Na-trlicherweise wird nmlich ein Teildes Gedchtnisses im Alter immerschlechter.Neben diesen Hauptverursachernder Vergelichkeit knnen auchDrogen, Medikamente und Alkoholunsere Speicher- und Erinnerungs-

    fhigkeiten angreifen. Wenn die Dro-gen keine Schden im Gehirn ange-richtet haben, etwa durch jahre-langen Mibrauch, dann kann sichdas Gedchtnis allerdings nach demAbsetzen der Drogen wieder verbes-sern.Wissenschaftler nehmen an, daauch unsere Ernhrungsgewohnhei-ten das Gedchtnis beeinflussen.Vor allem eine Mangelernhrung, soglauben sie, kann das Gedchtnisverschlechtern.

    Sicher ist, da sich Depressionenebenfalls auf unser Gedchtnis aus-wirken (siehe Depressionen und Ver-gessen). Man nimmt an, da sie dieGedchtnisleistungen auf hnlicheWeise mindern wie Stre.Auch Nervositt und die Sorge umein schlechtes Gedchtnis scheinenzum Vergessen zu fhren.

    Was geschieht im Gehirn, wenn wirvergessen?

    ber das, was im Gehirn passiert,wenn wir vergessen, gibt es im we-sentlichen zwei Theorien. Die eine

    besagt, da die Gedchtnisspur ein-fach mit der Zeit verblat und ver-schwindet. Die zweite Theorie gehtdavon aus, da wir vergessen, indemneue Eindrcke die alten Gedcht-nisspuren berlagern und so den Zu-griff auf alte Erinnerungen erschwe-ren: Die sogenannte Interferenz-theorie.Wenn die Gedchtnisspur, wie die

    erste Theorie behauptet, irgend-wann einmal abgebaut wrde, dannsollte man umso mehr vergessen, jemehr Zeit seit dem zu erinnerndenEreignis vergangen ist. Dies konntebisher jedoch nicht gezeigt werden.Im Gegenteil: Ein hollndischer Ge-dchtnisforscher widerlegte dieTheorie in einem Selbstversuch. Ernotierte seine Erlebnisse tglich aufKarteikarten. Sechs Jahre spterfragte ihn seine Sekretrin nach denEreignissen jedes Tages. Manchmal

    brauchte er starke Hilfen, um sich zuerinnern. Zum Beispiel verriet sieihm, mit wem er an einem bestimm-ten Tag gesprochen hatte. Dannkonnte er sich gut an den Gesprchs-inhalt erinnern. So konnte der Wis-senschaftler sich an jeden Tag dervergangenen sechs Jahre erinnern.Keine einzige Gedchtnisspur waralso ausgelscht.Die Theorie von der berlagerungoder Strungen durch neue Informa-tionen scheint das Vergessen besser

    zu erklren. Wir vergessen demnachbestimmte Ereignisse und Dinge,weil sie von interessanteren, wichti-geren Dingen berlagert werden.

    Stre macht vergelich

    Die meisten Menschen fhren einenstndigen Kampf gegen das Verges-sen. Ob es die Telefonnummer istoder ein Name, an den man sich nichtmehr erinnern kann, das Gedchtnis

    scheint sehr unzuverlssig zu sein.Dabei gibt es meist einen einfachenGrund fr unsere Alltagsvergelich-keit: Unsere Lebensweise. Stre ist

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    So der berhmteste Fall der Neuro-psychologie: Ein Patient namensH.M. litt in den 50er Jahren unterstarken epileptischen Anfllen. Ineiner Operation entfernte man ihmTeile beider Schlfenlappen. Nachder Operation zeigte sich, da derPatient die Fhigkeit verloren hatte,neue Eindrcke zu speichern. H.M.begrte Bekannte, als she er sie

    zum erstenmal; eine halbe Stundenach dem Essen wute er nicht mehr,ob er etwas zu sich genommen hatte,geschweige denn was; ber Todes-flle in der Familie war er jeden Tagaufs neue geschockt. Bei Gedcht-nistests zeigte sich jedoch, da auchPatienten wie H.M. noch bestimmteArten von Information bleibend auf-nehmen knnen.Hier eine Aufgabe: Erkennen Sie ausden Graphiken auf der vorigen Seiteso frh wie mglich den Ozeandamp-

    fer. Wenn man den Versuch wieder-holt, stellt sich ein Lerneffekt ein:Das Bild wird immer frher erkannt erstaunlicherweise nicht nur vonGesunden, sondern auch von Patien-ten wie H.M., die scheinbar keineneuen Informationen speichern kn-nen. Zeigt man ihnen aber zwischenden Sitzungen das vollstndige Bild,dann knnen sie sich nicht daran er-innern, es jemals gesehen zu haben.

    Ein Blick ins Gedchtnis

    Fr die Wissenschaft ist die Frage in-teressant, wo sich die verschiede-nen Gedchtnissysteme im Gehirnbefinden. Nach einer Theorie des Ka-nadiers Endel Tulving, der HERA-Theorie (Hemispheric Encoding andRetrieval Asymmetry), existiert beimepisodischen Gedchtnis eine ArtArbeitsteilung zwischen linker undrechter Gehirnhlfte: So werdennach Zeit und Raum benennbare Er-

    innerungen in der linken Hlfte desGrohirns eingeprgt. Das Abrufender Erinnerungen geschieht dage-gen in der rechten Hlfte.

    Solche Erkenntnisse gewinnen dieForscher mit moderner Technik: Mit-tels der Positronen-Emissions-To-mographie knnen sie dem Gehirnbei der Arbeit zuschauen, ohne es zuverletzen. Dabei wird der Ver-suchsperson ein radioaktives Kon-trastmittel gespritzt, das sich im Ge-hirn ansammelt und zwar beralldort, wo es gerade besonders aktiv

    ist. Die radioaktiven Signale regi-striert ein spezielles Empfangsgertund wandelt sie in Bilder um.

    PET-Bild zur Darstellung derHirnaktivitt

    Durch Amnestiker wie Thomas M.knnen die Wissenschaftler ber-prfen, ob die HERA-Theorie stimmt:Da sie von seiner Familie Details sei-

    nes Vorlebens kannten, konfrontier-ten sie ihn whrend einer PET-Unter-suchung mit diesen Erinnerungen.Wie erwartet zeigten sich keine Sig-nale auf der rechten Seite, da beiT. M. diese Erinnerungen nicht mehrzugnglich waren.Anders bei nicht-geschdigten Per-sonen: Befragt man sie nach inten-siven Erlebnissen aus ihrer Kindheitund ruft diese Erinnerungen in einerPET-Untersuchung zurck, dann zei-gen sich deutliche Signale auf der

    rechten Seite des Grohirns. Persn-liche Erinnerungen werden anschei-nend in der rechten Gehirnhlfte ge-speichert.

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    2. Wenndas Gedchtnisnachlt

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    jungen Jahren sind Gedchtnis-fhigkeiten wie das schnelle Auf-nehmen und Behalten von Informa-tionen wichtig, denn Kinder mssenviel Neues lernen vom Erkennender Eltern ber die Nahrung bis hinzum Schreiben, Lesen oder Bindenvon Schnrsenkeln. Und hierfrbrauchen die Heranwachsendeneinen mglichst schnellen Speichermit viel Platz. Im Laufe des Lebensnimmt die Erfahrung im Umgang mit

    neuen Eindrcken zu. Jetzt werdenmehr und mehr Strategien ange-wandt, die dazu dienen, Informa-tionen zu filtern und Wichtiges vonUnwichtigem zu trennen. Der Er-wachsene ist in der Lage, aus derFlle der auf ihn einstrmendenEindrcke und Situationen diejeni-gen auszuwhlen und abzuspei-chern, die er fr wesentlich erachtet sein Gedchtnis nutzt die Lebens-erfahrung.

    Kann man das Gedchtnistrainieren?

    Wissenschaftler der Universitt inPotsdam untersuchen den Altersab-bau bei ganz speziellen Gedchtnis-leistungen und versuchen heraus-zufinden, ob sich der Altersabbaudurch Training stoppen lt.Zum Beispiel bei Pianisten: Ein Kon-zertpianist kann ein Musikstck inverschiedenen Variationen spielen,

    indem er die Lautstrke und die Ab-folge einzelner Tne von Variation zuVariation verndert. Diese verschie-denen Interpretationen ein- und des-

    selben Stckes kann er mhelos wi-dergeben, denn sein Gedchtnis hatsie zuverlssig gespeichert. DieseFhigkeit nimmt jedoch mit dem Al-ter ab. ltere Konzertpianisten spie-len bei jeder Wiederholung etwasanders, weil sie die Variationen nichtmehr so exakt gespeichert haben

    eine Folge des Abbaus des Klavier-

    gedchtnisses im Alter.Aber das haben die PotsdamerWissenschaftler in ihrer Klavier-Stu-die herausgefunden durch regel-miges ben knnen die lterenKonzertpianisten genausogut blei-ben wie die jungen. Sie knnen dannein kompliziertes Stck zweimalexakt gleich spielen genau wie diejungen Kollegen. Nur durch diese Artvon Gedchtnistraining konnte einMeister wie Wladimir Horowitz nochin hohem Alter virtuose Stcke spie-

    len, vermutet man.Das zweite Beispiel: Schach-spieler. Gromeister wie et-wa der Russe Gari Kasparovsind nicht deshalb so erfolg-reich, weil sie besonders vie-le Spielzge im voraus be-rechnen knnen. Vielmehrhaben sie den Verlauf be-reits gespielter Schachpar-tien im Kopf.Man schtzt, da ein Spieler wieKasparov ber mehrere 100.000

    Spielsituationen abgespeichert hat.Whrend einer Partie vergleicht erdie Stellung der Figuren auf demBrett mit alten Spielen seines Geg-

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    der grte Risikofaktorfr Vergelichkeit. Werandauernd zuviele Ein-drcke aufnehmen, spei-chern und verarbeitenmu, der ist anflligerdafr, einiges davon zuvergessen.

    Neben dieser eher psychologischenUrsache gibt es eine weitere Erkl-

    rung fr den Erinnerungsverlust.Zu hohe Konzentratio-nen des StrehormonsCortisol schdigen wahr-scheinlich die Nerven-zellen im Gehirn. DieProduktion des Cortisolsgeht im Gehirn von einerganz bestimmten Hirn-region aus, dem Hypo-thalamus.

    Ein Botenstoff signalisiert der Ne-benniere, Cortisol auszuschtten.

    Das Strehormon hat eine wichtigeFunktion: In einer Gefahrensituationbereitet es den Krper darauf vor,entweder zu kmpfen oder zu flieh-en. Damit es nicht zum Dauerstrekommt, wirkt das Hormon auf denHypothalamus zurck und stopptdamit seine eigene Produktion.

    Was passiert, wenn die-se Kontrolle nicht funk-tioniert, zeigt sich z. B.bei Menschen, die De-pressionen haben. Bei

    ihnen reagiert der Hypo-thalamus nicht mehr aufdas Cortisol.

    Die Folge: Immer mehr Cortisol imGehirn und damit Dauerstre mitnegativen Auswirkungen auf dasGedchtnis. Vor allem bei lterenMenschen mit Depressionen kn-nen die Gedchtnisleistungen starkabnehmen. Diese Entwicklung ist

    allerdings auch umkehr-bar sind die Depres-sionen weg, funktioniert

    das Gedchtnis wiederso wie vorher.Da Stre wirklich ver-gelich macht, das ha-

    ben Forscher des Max-Planck-In-stituts fr Psychiatrie an Musengezeigt. Durch einen gentechni-schen Eingriff ist im Gehirn derMuse die Streregulation ausge-fallen und sie sind deshalb extremvergelich. Das konnten die Wissen-schaftler durch einen Gedchtnis-test zeigen: Sie fllten ein rundesBecken mit Wasser und stellten eine

    Plattform an eine ganz bestimmteStelle. Normale Muse erinnertensich nach einigen Trainingsrundendaran, wo die Plattform war sieschwammen sofort darauf zu. An-ders die Stre-Muse: Auch nachvielen bungsrunden fanden sie diePlattform hchstens zufllig.Auer Menschen mit Depressionengibt es noch eine andere Gruppe, dieerhhte Strewerte hat: Marathon-lufer. Anscheinend ist vor allem beilteren Lufern durch die stndige

    krperliche Belastung der Cortisol-spiegel im Gehirn hher als normal.Bei Gedchtnistests schnitten dieselteren Lufer deutlich schlechter abals Vergleichspersonen ein weite-rer Hinweis ber den Zusammen-hang von Stre und Gedchtnis.

    Das Gedchtnis im Alter

    ltere Menschen klagen hufig berein nachlassendes Gedchtnis und

    mangelnde Aufmerksamkeit. Sie ha-ben vor allem Schwierigkeiten beimEinprgen neuer Informationen. DieGedchtnisstrungen sind ein Teildes normalen Alterungsprozessesund individuell sehr verschieden.Die Ursache ist noch unklar. Es wirdvermutet, da entweder die Inhaltenicht tief genug verarbeitet werdenoder da alte Menschen die Fhig-keit verlieren, unbewut Gedcht-nistricks anzuwenden.Der Abbau des Gedchtnisses im

    Alter knnte eine Anpassung an diesich wandelnden Aufgaben sein, diedas Gedchtnis in verschiedenenLebensabschnitten erfllen mu. In

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    Alzheimer. Er berichtet von einemseltsamen Krankheitsfall: Bei derFrau machte sich eine rasch zuneh-mende Gedchtnisschwche be-merkbar, sie fand sich in ihrer Woh-nung nicht mehr zurecht, schlepptedie Gegenstnde hin und her, ver-steckte sie, zuweilen glaubte sie,man wolle sie umbringen und be-gann laut zu schreien. Fr viele

    seiner Kollegen war dies ein weitererFall des Altersschwachsinns eine, wie man damals glaubte,zwingende Folge des lterwerdens.Aber Alzheimer stellte die These auf,da es sich hierbei um eineKrankheit handelt und nicht umeinen natrlichen Alterungsproze.Was damals als revolutionre Hypo-these galt, ist lngst bittere Wahr-heit geworden. Mittlerweile leidenweltweit mehr als 18 Millionen Men-schen an der Alzheimerschen Krank-

    heit. In Deutschland sind es etwa800.000, also jeder 100ste Bundes-brger. Und schon bald knnte Alz-heimer die Krankheit sein, an der diemeisten Menschen sterben, denn eswird in den nchsten Jahren miteinem weiteren steilen Anstieg derErkrankungszahlen gerechnet. DieWeltgesundheitsorganisation siehtdeshalb auch in der AlzheimerschenKrankheit eines der grten medi-zinischen Probleme der heutigenWelt.

    Hohes Risiko in hohem Alter

    Die Alzheimersche Krankheit ist einetypische Alterskrankheit. Die mei-sten Betroffenen sind ber 65 Jahrealt. Mit zunehmendem Alter steigtdann das Risiko weiter an. Sind esbei den ber 65jhrigen noch fnfProzent, so leiden bei den ber 80-jhrigen schon 15 bis 20 Prozent andem schleichenden Verfall des Ge-

    hirns.Der geistige Verfall der Alzheimer-Kranken schreitet individuell unter-schiedlich fort. Manchmal dauert die

    Krankheit nur wenige Jahre, in ganzseltenen Fllen aber auch zwei Jahr-zehnte. Die Patienten machen eineschrittweise Rckentwicklung biszum geistigen Zustand eines Klein-kindes durch.Der Verlauf der Alzheimer-Krankheitlt sich in verschiedene Abschnitteaufteilen. Hufig beginnt die Krank-

    heit mit kleinen Gedchtnisproble-men, manchmal auch mit Sprachst-rungen oder anderen Verhaltensn-derungen. Durch den Gedchtnis-verlust fllt der Kranke in dieser Pha-se meist noch nicht auf, da auch Ge-dchtnisleistungen gesunder Men-schen im Alter nachlassen (sieheAlter). Schreitet die Krankheit fort,dann knnen die Patienten das Le-sen, Schreiben und Rechnen verler-nen und unter Orientierungsschw-che leiden. Sie wissen nicht mehr, ob

    es gerade Tag oder Nacht ist oder siefinden den Weg nach Hause nichtmehr. Sie haben vergessen, wo siewohnen. Den Patienten knnen auchVerfolgungswahn und Halluzinatio-nen plagen.Hinzu kommt ein immer strker wer-dender Sprachverlust: Die Krankenknnen Dinge nicht mehr benennenund ihre Wnsche nicht mehr arti-kulieren. Pfleger und Angehrigebrauchen entsprechend viel Phan-tasie und Einfhlungsvermgen, um

    herauszufinden, was die Patientenausdrcken wollen.Im Endstadium der Erkrankung zeigtder Patient keine Reaktionen mehr.

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    ners, die er im Kopf gespeichert hat.Er erkennt so, was sein Gegner vor-hat. Je mehr Spielsituationen desGegners er gelernt hat, also je bessersein Schachgedchtnis ist, destoeher erkennt er die Strategie desGegners und kann entsprechendreagieren. Alternde Schachspielervergessen nach und nach immermehr Spielsituationen. Aber auch

    hier lt sich durch Training der Ge-dchtnisabbau aufhalten wie beiden Klavierspielern. Spieler wieVictor Kortschnoi knnen deshalb inhohem Alter immer noch 25jhrigeGromeister schlagen.Auch der Verlust der Merkfhigkeitim Alter lt sich durch Trainingausgleichen. Dies wurde im Rahmeneiner Studie am Max-Planck-Institutfr Bildungsforschung in Berlin ge-zeigt. Die Versuchspersonen mu-ten sich 30 Begriffe merken, zum

    Beispiel Hahn, Salami, Kellner oderHund. Diese Worte wurden ihnen inZwei-Sekunden Abstnden genannt.Ungebte ltere Teilnehmer konn-ten meist nicht mehr als drei Begriffein der richtigen Reihenfolge nennen.Doch mit wenigen Trainingsstundenkonnten sie fast ein Dutzend Begrifferichtig wiedergeben. Was in jungen

    Jahren ohne bung geht, bedarf je-doch im Alter einiger Tricks. Denlteren Versuchsteilnehmern wurdein den Trainingsstunden die Metho-

    de der Orte (siehe Kap. 4 Besserbehalten) beigebracht.Mit solchen Gedchtnishilfen kn-nen ltere Menschen zwar mit jun-gen untrainierten Menschen mithal-ten. Aber: Wenn die jungen Men-schen ebenfalls mit Tricks arbeiten,haben ltere Menschen keineChance.

    Krankhafter Gedchtnisschwund

    Mit hherem Lebensalter kann es zukrankhaften Strungen des Ge-dchtnisses und des Denkens kom-men, zur sogenannten Demenz. In

    Deutschland leidet jeder dritteMensch ber 80 Jahren an irgend-einer Form der Demenz. Die Alzhei-mersche Krankheit ist die hufigsteForm. Sie macht zwei Drittel aller De-menzen aus. Aber auch andere Ab-bauprozesse im Gehirn (wie bei Par-kinson- oder Huntington-Patientenoder Gehirninfarkte und Stoffwech-selstrungen) knnen zu krankhaf-

    ten Hirnleistungsstrungen fhren.Aber nicht jeder Mensch wird inhohem Alter zwangslufig dement.Dies zeigt eine krzlich in der Fach-zeitschrift Lancet verffentlichteStudie.Zwar steigt die Zahl der krankhaftenGehirnstrungen mit dem Alter starkan, aber dieser Anstieg scheint sichnach dem 80sten Lebensjahr starkzu verlangsamen. Etwa die Hlfte derber 95jhrigen scheint demnachimmun gegenber Hirnleistungs-

    strungen zu sein. So auch gegen-ber der Alzheimerschen Krankheit.

    Alzheimer

    Im November 1906 treffen sich inTbingen deutsche Irrenrzte, wiedie Psychiater damals hieen. Einerder Redner ist der Mnchner Alois

    12

    Erkrankungshufigkeit

    in %

    Lebensalter

    2,5 5

    9

    18

    36

    1,5

    3

    6

    12

    0

    10

    20

    30

    40

    65 70 75 80 85

    24

    alle Demenzen

    AlzheimerDemenz

    Gehirn eines gesunden lteren Men-schen (oben)Gehirn eines Alzheimerkranken

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    8/14

    Nhrstoffversorgung fhrt auch diePlaqueanheftung letztendlich zumTod der Nervenzellen. Wieder ist dieReiz-Weiterleitung im Alzheimer-Ge-hirn unterbrochen.Andere Wissenschaftler machtenlange Zeit Aluminiumverbindungenfr die Krankheit verantwortlich. Siesind Bestandteil der Eiweiablage-rungen im Alzheimer-Gehirn. Eine

    These, die sich jedoch nicht best-tigte. Ebenfalls vom Tisch scheinenViren, Bakterien und Quecksilber alsmgliche Krankheitsauslser.Eventuell werden die Nervenzellenauch durch giftige Stoffwechsel-produkte wie freie Radikale gesch-digt. Mglicherweise knnen auchwiederholte Schlge auf den Kopfwie bei Boxern das Risiko fr Alz-heimer erhhen. Der grte Risiko-faktor aber ist das Alter.

    Ist Alzheimer vererbbar?

    Etwa bei ein bis fnf Prozent allerAlzheimer-Erkrankungen fhrt einFehler im Erbmaterial zur Krankheit.Das fehlerhafte Erbgut wird von Ge-neration zu Generation weitergege-ben, es wird also vererbt. Jedes zwei-te Kind eines Patienten mit erbli-chem Alzheimer wird deshalb eben-falls an Alzheimer erkranken.Fast alle durch Gen-Defekte verur-

    sachten Alzheimer-Erkrankungenbrechen bereits vor dem 60sten Le-bensjahr aus, sind also keine typi-schen Alters-Alzheimer. Deshalbhaben Kinder von jungen Alzheimer-Patienten auch ein hohes Risiko,selbst in jungen Jahren an Alzheimerzu erkranken. Dagegen ist das Risikosehr gering, als Kind eines lterenAlzheimer-Patienten (ber 60 Jahre)selbst zu erkranken.Verschiedene Defekte im Erbmate-rial sind bislang bekannt, zwei davon

    wurden erst in diesem Jahr entdeckt.Sie fhren bei den seltenen Trgernunweigerlich zum Ausbruch dieserKrankheit. Der bislang jngste Alz-

    heimer-Patient litt ebenfalls aneiner seltenen erblichen Form. Ererkrankte mit 27 und starb mit 33

    Jahren. Wie der Fehler im Erbma-terial zur Krankheit fhrt, ist nurin einem Fall bekannt. Hier sorgtder Fehler fr eine vermehrte Bil-dung der Plaquebausteine.Die Folge: Die Eiweiablagerun-gen werden frher gebildet und

    der Patient erkrankt dement-sprechend frher.Ein weiterer Erbfaktor fhrt nichtzwangsweise zur Alzheimer-schen Krankheit. Er erhht beimTrger lediglich das Risiko, ir-gendwann im Leben an Alz-heimer zu erkranken.

    Wie kann man Alzheimererkennen?

    Die Alzheimer-Krankheit zeigt sichweder auf dem Rntgenbild nochgibt es Laborwerte, durch die sie sichverraten wrde. Nach wie vor dia-gnostiziert der Arzt nach dem Aus-schluverfahren. Denn die Hirnlei-stungsstrungen, wie sie bei Alzhei-mer-Patienten auftreten, knnenauch andere Ursachen haben. Hirn-tumore, Depressionen, Medikamen-te, Virusinfektionen, Leber- und Nie-renschden oder Durchblutungsst-rungen in der Kopfschlagader fhren

    ebenfalls zu massiven Gedchtnis-strungen. Erst wenn alle diese Er-krankungen ausscheiden, lautet dieDiagnose: Alzheimer. Die Folge: DieKrankheit wird meist erst sehr spterkannt.Sicher festgestellt wird die Alzhei-mersche Erkrankung erst nach demTod. Dann erst ist das geschrumpfteGehirn sichtbar. Wegen des Sub-stanzverlustes ist es sehr tief.Aber erst der Blick durch das Mikro-skop zeigt dem Arzt, ob die Diagnose

    Alzheimer richtig war. Wenn ja,erkennt er zwischen den Nervenzel-len winzige betonharte Krnchen,die Plaques, die nach Modell zwei

    15

    Nun sind die Alzheimer-Krankenbettlgerig, mssen gefttert wer-den und sind vllig auf die Hilfeanderer angewiesen. Meist sterbensie an einer Infektion, etwa einerLungen- oder Blasenentzndung,auch wenn die eigentliche Todesur-sache die Alzheimer-Krankheit ist.Besonders schwerwiegend an derKrankheit ist, da die Patienten ihre

    Hilflosigkeit und den schleichendenVerfall ihres Gehirns lange Zeit mit-bekommen. Umso deprimierenderist fr sie die eigene Hilflosigkeit.Viele reagieren daher mit Depressio-nen, Aggressionen und Wutausbr-chen, was den Angehrigen undPflegekrften den Umgang mit denAlzheimer-Patienten erschwert.

    Die Ursachen fr Alzheimer

    Wenn Alzheimer-Patienten erstmalsdurch massives Vergessen auffallen,dann hat ihr Gehirn schon eine 30

    Jahre whrende, schleichende Ver-nderung hinter sich. Unbemerktsterben im Gehirn eines Alzheimer-Kranken die Nervenzellen und ihreVerbindungen ab. Die Abermilliar-den von Schaltungen zwischen denNervenzellen, die ein Leben lang alleErinnerungen und damit die kom-plexe Persnlichkeit des Menschengespeichert haben, gehen unwie-

    derbringlich verloren. Der Zerfall be-ginnt im Gehirn an denjenigen Orten,die mit Gedchtnis und Informa-tionsverarbeitung zu tun haben. Hierwird Erlerntes mit Sinneseindrckenverbunden. Durch den Verlust vonNervenzellen und ihren Verbindun-gen knnen eintreffende Sinnesein-drcke nicht mehr richtig verarbeitetund mit dem Erlernten verknpftwerden.Die entscheidende Frage, die Wis-senschaftler schon seit Jahrzehnten

    beschftigt, ist: Warum sterben dieNervenzellen und ihre Verbindungenim Gehirn ab? Bis heute gibt es dar-ber leider keine Klarheit. Die Wis-

    senschaftler haben im wesentlichenzwei Modelle entwickelt.

    Das Schienen-Modell

    Modell eins sucht die Ursache vonAlzheimer innerhalb der Nervenzel-len und ihrer Verbindungen. Die Ner-venzellen werden mit Nhrstoffen

    versorgt. Normalerweise werdendiese entlang eines molekularenSchienennetzes transportiert. BeiAlzheimer-Patienten bricht diesesSchienennetz zusammen. Die Nhr-stoffe erreichen nie ihr Ziel.Die Folge: Die Nervenzellen verhun-gern, verlieren ihre Funktion und kn-nen die Reize nicht mehr weiter-leiten. Sie sterben langsam ab.

    Das Plaque-Modell

    Gehirn-Prparat mit Plaque-Ablagerung

    Das zweite Modell sieht die Ursacheder Alzheimerschen Erkrankung inEiweiablagerungen, die das Gehirndurchsetzen. Diese sogenanntenPlaques entstehen, wenn sich ausden Wnden der Nervenzellen einBaustein lst und auerhalb derZelle mit anderen Bausteinen ver-

    bindet. Die Ablagerungen heftensich auen an die Nervenzellen undlegen die Verbindungen nach undnach lahm. Wie bei der fehlenden

    14

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    9/14

    Auch weibliche Hormone knntenvielleicht den Krankheitsverlauf ab-schwchen. Amerikanische Forscherfanden heraus, da Frauen, die nachder Menopause mit einer Hormon-therapie begonnen hatten, seltenerund wenn, dann mit milderem Ver-lauf an Alzheimer erkrankten.Ein wirklich wirksames Medikament,das den langsamen Verfall der Ge-hirnsubstanz stoppt, gibt es bis heu-te nicht. Das Mittel mte die Nhr-stoffversorgung der Zellen wieder in

    Ordnung bringen und die Plaque-Bildung verhindern.Aber es gibt Hoffnung. Der Arbeits-gruppe um den Heidelberger Mole-kularbiologen Konrad Beyreuther istes krzlich gelungen, die Bildungder Eiweiablagerungen im Labor-versuch zu verhindern. Die Wissen-schaftler konnten den Grundbau-stein der Plaques so verndern, dasich daraus keine Eiweiablagerun-gen mehr bildeten. Diese erstenTests fanden im Reagenzglas statt.

    Nun wird versucht, ein Medikamentzu entwickeln, das das gleiche imGehirn bewirken kann.Bei allen Prparaten gegen die Alz-heimersche Krankheit gibt es jedocheine zustzliche Schwierigkeit. Umdie empfindlichen Nervenzellen imGehirn vor Schden zu schtzen,gibt es im Kreislaufsystem ein natr-liches Hindernis: Die Blut-Hirn-Schranke. Sie lt nur Stoffe einerbestimmten Gre ins Gehirn. Ist einmglicher Wirkstoff gegen die Alz-

    heimersche Krankheit zu gro, dannmte er direkt ins Gehirn gespritztwerden. Und das bedeutet eine In-fektionsgefahr.

    Beruhigungsmittel sollte man frdie Behandlung der Alzheimer-Pa-tienten allenfalls bei aggressivenZustnden anwenden. Denn dieseMedikamente dmpfen noch die ge-ringe verbliebene Wahrnehmungs-fhigkeit.

    Depressionen

    Neben Alzheimer knnen auch De-pressionen Ursache sein fr denkrankhaften Gedchtnisverlust imAlter (siehe Stre und Gedcht-nisverlust, S. 10). Etwa fnf Prozentder Flle lassen sich auf Depressio-nen zurckfhren. Im Unterschied zuAlzheimer ist dieser Gedchtnis-verlust umkehrbar; verschwindendie Depressionen, beispielsweisedurch eine Psychotherapie, dannverbessert sich auch die Gedcht-nisleistung wieder.

    17

    (siehe Ursachen) fr die Alzheimer-sche Krankheit verantwortlich sind.Zudem sieht er in den abgestorbe-nen Nervenzellen die Reste des zu-sammengebrochenen Schienennet-zes, das nach dem konkurrierendenModell die Krankheit verursacht.Vor einiger Zeit glaubte man, Alz-heimer-Patienten durch den soge-nannten Pupillentest entdecken zu

    knnen. Wird eine besondere Fls-sigkeit ins Auge getrufelt, so solltesich bei Alzheimer-Patienten die Pu-pille besonders weiten ein Befund,der sich im nachhinein jedoch nichtals typisch fr Alzheimer heraus-stellte.Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut fr neurologische Forschungin Kln haben jetzt eine vielver-sprechende Entdeckung gemacht.Ihnen fiel auf, da den Alzheimer-Patienten beim Ausfllen eines

    Schecks charakteristische Fehlerunterlaufen.

    Bei dem bertragen der Ziffern inBuchstaben mischen nur sie Ziffern

    unter die Buchstaben. Statt vier-hundertfnfzig schreiben sie bei-spielsweise 4hundert5zig oderstatt fnfhundertachzig beispiels-weise 5Tausend80 Fehler, dieKontrollpersonen mit anderen krank-haften Hirnleistungsstrungen nichtmachen. Noch mu das Ergebnis aneiner groen Zahl von Patientenbesttigt werden.Weiterhin mu untersucht werden,ob sich diese Methode eventuellauch zur Frherkennung der Alzhei-

    merschen Krankheit eignet. Wenn ja,knnten die rzte einen Alzheimer-Patienten verblffend einfach erken-nen.

    Kann man Alzheimertherapieren?

    Gedchtnistraining kann die Alz-heimersche Krankheit nicht aufhal-ten. Dies zeigte eine Untersuchungam Max-Planck-Institut fr neuro-logische Forschung in Kln. Alz-heimer-Patienten, deren Gedchtnis

    in vielen bungsstunden trainiertwurde, zeigten die gleichen Symp-tomverschlechterungen wie untrai-nierte Patienten.Seit September diesen Jahres ist inDeutschland das erste Alzheimer-Medikament zugelassen. Es kanndie Symptome etwas lindern, wirktaber nur bei jedem dritten Patienten.Welcher Patient auf das Medikamentanspricht, lt sich nicht vorher-sagen. Deshalb mu es bei jedemAlzheimer-Kranken ausprobiert wer-

    den. Hufig treten auch Nebenwir-kungen auf, die jedoch beim Abset-zen des Medikamentes wieder zu-rckgehen. Der Wirkstoff stimuliertdie wenigen berlebenden Nerven-zellen im Alzheimer-Gehirn zuHchstleistungen. Sie sollen dieAufgabe der abgestorbenen Nerven-zellen mit bernehmen. So soll dieKrankheit gelindert werden.Weitere Medikamente, die die Symp-tome der Krankheit eventuell min-dern, sind derzeit in der klinischen

    Versuchsphase. So knnten VitaminE und Entzndungshemmer die Bil-dung der giftigen Stoffwechselver-bindungen im Gehirn unterdrckenund somit die Krankheit mildern.

    16

    Wenn Sie als direkt Betroffeneroder als Angehriger einesBetroffenen Rat und Hilfe suchen,dann wenden Sie sich am bestenan eine der Selbsthilfegruppenoder Beratungstellen (Adressensiehe Seite 26)

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    10/14

    . .. . .. 2 14. Sie vergessen etwas zu tun, was Sie versprochen odergeplant hatten.

    . .. . .. 1 15. Sie vergessen wichtige Einzelheiten der Geschehnisse oderAktivitten des Vortages.

    . .. . .. 3 16. Sie vergessen im Gesprch, was Sie gerade gesagt haben,und fragen vielleicht: Was sagte ich soeben?

    . .. . .. 1 17. Sie sind nicht fhig, dem Inhalt eines Artikels in einerZeitung oder Illustrierten zu folgen; Sie verlieren denFaden.

    . .. . .. 2 18. Sie vergessen, jemandem etwas Wichtiges zu sagen, ihmeine Botschaft auszurichten oder ihn an etwas zu erinnern.

    . .. . .. 1 19. Sie vergessen wichtige persnliche Daten, zum Beispiel IhrGeburtsdatum oder Ihre Anschrift.

    . .. . .. 2 20. Sie bringen Einzelheiten von dem, was Ihnen jemanderzhlt hat, durcheinander.

    . .. . .. 2 21. Sie erzhlen jemandem eine Geschichte oder einen Witz,den Sie ihm schon einmal erzhlt haben.

    . .. . .. 2 22. Sie vergessen Einzelheiten von Dingen, die Sie regelmigtun, z. B. bestimmte Arbeitsvorgnge oder deren zeitlichenAblauf.

    . .. . .. 2 23. Sie stellen fest, da Ihnen die Gesichter von berhmtenLeuten im Fernsehen oder auf Fotos fremd vorkommen.

    . .. . .. 2 24. Sie vergessen, wo Dinge normalerweise aufbewahrtwerden, oder suchen sie am falschen Ort.

    . .. . .. 1 25. a) Auf einer Fahrt oder Wanderung durch eine Gegend oderin einem Gebude, wo Sie schon oft waren, verirren Siesich oder schlagen die falsche Richtung ein.

    19

    Die nachfolgende bung fhrt ei-nige der Fehlleistungen auf, wie siebei jedem Menschen von Zeit zu Zeitvorkommen. Manche sind hufig,andere eher selten.Wie oft treten Sie bei Ihnen auf?Tragen Sie die entsprechende Zahl indie Spalte ein.

    . .. . .. 5 1. Sie vergessen, wo Sie etwas hingelegt haben. Sie verlierenGegenstnde in der Wohnung oder im Haus.

    . .. . .. 1 2. Sie erkennen Orte nicht wieder, wo Sie laut Aussage andererschon fters gewesen sind.

    . .. . .. 2 3. Sie finden es schwierig, einer Fernsehsendung zu folgen.

    . .. . .. 2 4. Sie vergessen eine nderung in Ihrer Alltagsroutine: Irgendetwas

    wird woanders aufbewahrt oder geschieht zu einem anderenZeitpunkt. Sie folgen irrtmlich Ihrer bisherigen Routine.

    . .. . .. 4 5. Sie mssen nachprfen, ob Sie etwas erledigt haben, das Siesich vorgenommen hatten.

    . .. . .. 3 6. Sie vergessen, wann etwas geschehen ist, z. B. ob es gesternoder letzte Woche war.

    . .. . .. 3 7. Sie vergessen, etwas mitzunehmen, oder Sie lassen etwas liegenund mssen zurckgehen, um es zu holen.

    . .. . .. 3 8. Sie vergessen, da man Ihnen gestern oder vor ein paar Tagen

    etwas gesagt hat und mssen vielleicht daran erinnert werden.

    . .. . .. 1 9. Sie beginnen, etwas zu lesen (ein Buch, eine Zeitschrift), ohnesich daran zu erinnern, da Sie es schon einmal gelesen haben.

    . .. . .. 2 10. Sie bemerken nicht, da Sie vom Thema abgekommen sind undbelangloses Zeug reden.

    . .. . .. 1 11. Sie erkennen nahe Verwandte oder Bekannte, die Sie oft sehen,nicht auf den ersten Blick.

    . .. . .. 1 12. Sie finden es schwierig, sich eine neue Fertigkeit anzueignen,beispielsweise ein neues Spiel zu lernen oder ein neues Gert zu

    bedienen, nachdem Sie ein- oder zweimal gebt haben.

    . .. . .. 4 13. Ihnen liegt ein Wort auf der Zunge; Sie wissen, was es ist,knnen es jedoch nicht finden.

    18

    3. Wie gut ist IhrGedchtnis?

    Bewertungsskala1 in den letzten sechs Monaten nicht

    einmal2 in den letzten Monaten ungefhr

    einmal3 in den letzten sechs Monaten mehr als

    einmal, jedoch seltener als einmal imMonat

    4 ungefhr einmal pro Monat5 mehr als einmal pro Monat, jedoch

    seltener als einmal pro Woche6 ungefhr einmal pro Woche7 mehr als einmal pro Woche, jedoch

    seltener als einmal pro Tag8 ungefhr einmal pro Tag9 mehr als einmal pro Tag

    SelbstbewertungFremdbewertung

    durchschnittliche Bewertung

    SelbstbewertungFremdbewertung

    durchschnittliche Bewertung

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    11/14

    Eine Gesamtsumme von 27 - 58 be-deutet, da Sie ein gutes Gedchtnishaben, von 59 - 116 ist es durch-

    schnittlich, von 117 - 243 unterdurch-schnittlich.

    Gedchtnistricks

    Seit der Antike werden Gedchtnis-hilfen benutzt, die auf bildlichen Vor-stellungen beruhen. Laut Cicero (derim 1. Jahrhundert v.Chr. lebte) wurdedie erste Gedchtnishilfe dieser Artum das Jahr 500 v.Chr. von dem grie-chischen Dichter Simonides entwik-kelt.

    Es soll sich folgendermaen zuge-tragen haben: Ein Grieche, der beiden Olympischen Spielen im Ringengesiegt hatte, veranstaltete ein Fest-mahl, zu dem auch Simonides gela-den war. Zu Ehren des siegreichenGastgebers sollte er eine Rede hal-ten. Kurz nachdem er seine Lobredebeendet hatte, wurde Simonidesweggerufen zu seinem Glck. Dennunmittelbar nach seinem Weggangstrzte der Festsaal ein, und alleGste kamen ums Leben. Viele der

    Toten waren so verstmmelt, daihre Angehrigen sie nicht identifi-zieren konnten. Wie sollten sie daein wrdiges Begrbnis erhalten?Das Problem wurde dadurch gelst,da sich Simonides genau daran er-innern konnte, wo sich die einzelnenGste gerade aufgehalten hatten,als er wegging. So konnte er dieLeichen identifizieren.Erstaunt ber seine Erinnerungs-gabe entwickelte Simonides darauf-hin die Methode der Orte:Er malte

    sich einen Raum mit markanten Ek-ken und Vorsprngen aus. Um eineReihe von Gegenstnden zu behal-ten, stellte er diese Gegenstnde imGeiste an be-stimmte Stellen imRaum. Wollte er sich die Gegenstn-de wieder ins Gedchtnis rufen, ginger im Geiste durch denRaum und erinnerte sichauf seinem Weg an je-dem markanten Punktan den entsprechendenGegenstand.

    Gedchtnistricks wie dieMethode der Orte warenein wichtiges Hilfsmit-tel, bevor Schreibuten-

    21

    Um einen objektiveren Eindruck vonIhrer Gedchtnisleistung im Alltagzu erhalten, bitten Sie nun jeman-

    den, der Sie gut kennt, ebenfalls dieQualitt Ihres Gedchtnisses zu be-werten. Die aufgefhrten Durch-schnittsnoten stammen aus einemVersuch der Applied Psychology Unitin Cambridge mit Testpersonen bei-derlei Geschlechts und aller Alters-gruppen.

    Als Alternative zu Gedchtnishilfenwie Terminkalender und Notizbuchkann man sein Gedchtnis auchdurch innere Hilfen trainieren. Um

    z. B. Namen oder Telefonnummernbesser zu behalten, gibt es viele ver-schiedene Tricks und Kniffe.

    Alle haben eines gemeinsam: Sie fl-len eine abstrakte Zahl oder ein ab-straktes Wort mit Inhalt und Bedeu-tung. Und da das Gedchtnis Inhalts-reiches besser abspeichert als Ab-straktes, kann man sich leichter erin-nern.Beim Gedchtnistraining gibt es je-doch keine allgemeine Methode, diees einem erlaubt, Telefonnummern,Namen und die Dinge einer Ein-

    kaufsliste zu behalten. Es verhltsich damit wie im Sport: Wer viel Ten-nis trainiert, ist kein besserer Fu-ballspieler. Er hat lediglich eine bes-sere Grundkondition. Und das istbeim Gedchtnistraining auch so:Gedchtnistraining jeder Art etwadas Lsen eines Kreuzwortrtselsoder eine Partie Schach steigertzwar das Wahrnehmungsvermgenund die Aufmerksamkeit (also ge-wissermaen die Fitne), nicht aberspezielle Gedchtnisfhigkeiten.

    Zudem erfordert GedchtnistrainingZeit, bung und Konzentration, etwaum beim Merken von Telefonnum-mern Eselsbrcken zu konstruieren.

    20

    . .. . .. 2 b) Auf einer Fahrt oder Wanderung durch eine Gegend oder ineinem Gebude, wo Sie erst ein- oder zweimal waren,verirren Sie sich oder schlagen die falsche Richtung ein.

    . .. . .. 1 26. Sie fhren eine Routinettigkeit versehentlich zweimal aus, z. B.geben Sie zweimal Tee in die Kanne oder kmmen sich das Haar,obgleich Sie es gerade getan haben.

    . .. . .. 2 27. Sie wiederholen, was Sie gerade zu jemandem gesagt haben,oder fragen ihn zweimal dasselbe.

    58 gesamt

    (Gedchtnistest nach Alan Baddeley: So denkt der Mensch,Verlag Droemer Knaur)

    SelbstbewertungFremdbewertung

    durchschnittliche Bewertung

    4. Besser behalten

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    12/14

    Berufsnamen:Stellen Sie sich vor, wieHerr Mller Getreidesckeschleppt!

    Tiernamen:Sehen Sie Herrn Fuchs,wie er sich in seinem Bauverkriecht?

    zusammengesetzteNamen:

    Frau Kochendorfer lassen Siemitten in einem Dorf ber einemFeuer fr das ganze Dorf kochen.

    Namen mit etwas andererSchreibweise:Frau Floss hat statt ihrer HndeFlossen, Herr Bardt hat einenlangen Bart, der ihm bis auf dieBrust reicht.

    Wenn man aber einen Namen ohnejede Bedeutung hrt, mu man ihmmit Hilfe der Phantasie eine Bedeu-

    tung geben:Was fllt Ihnen etwa zuHerrn Nuskowsky ein?Herr Nuskowsky knn-te doch mit einer Nuauf dem Kopf Ski fah-ren. Sehen Sie, wiegerade er sich haltenmu, damit die Nunicht herunterfllt?Dieses Beispiel zeigt Ihnen wieder,worauf es ankommt: Je unsinnigerdas Bild, desto leichter prgt sich der

    Name ein.Aber was nutzt es, sich Namen zumerken, wenn man sie nicht den ent-sprechenden Gesichtern zuordnenkann?Schauen Sie sich die Gesichter derMenschen genau an, die Ihnen imRestaurant gegenber sitzen oderdie Ihnen auf der Strae entgegen-kommen. Auch wenn Sie glauben,Sie htten ein 0815-Gesicht vor sich es gibt in jedem Gesicht besondereMerkmale: Eine dicke Nase, lebhafte

    Augen, eine hohe Stirn, fleischigeLippen, groe Ohren, langer Bart,markante Falten, Linien oder Nar-ben, eine Glatze oder hervorstehen-

    23

    Telefonnummern undZahlen merken

    Um sich Zahlen wie etwa Telefon-nummern zu merken, bietet sicheine erste bersetzung der Zahlen inBegriffe an, unter denen man sichmehr vorstellen kann. Um die Zahl-Wort-Verknpfungen einfacher zubehalten, wurden Begriffe gewhlt,

    die sich mit den entsprechedenZahlen reimen:

    Nun lassen sich komplizierte mehr-stellige Zahlen behalten, indem manaus den Worten eine Geschichte ba-stelt. Die folgende Telefonnummeraus Frankfurt 069/109458 knnteman zum Beispiel mit folgender Ge-schichte behalten:Der Schnuller (0) ist bekleckst (6)und liegt in der Scheune (9). Der Va-ter schimpft: Heinz (1), Du sollst denSchnuller (0) nicht immer mit in dieScheune (9) nehmen. Vor Aufregungfllt dem Vater das Bier (4) runter

    und bekleckst seine Strmpfe (5)und seine Tracht (8).Wenn Sie sich diese Telefonnummermit dieser Geschichte nicht merkenkonnten, dann liegt das vielleichtdaran, da die Wirkung viel besserist, wenn man sich seine eigene Ge-schichte ausdenkt.Wenn Ihnen Geschichten mit den ge-reimten Worten aus der obigen Listezu langweilig werden, knnen Siesich die Zahlen auch bildlich vorstel-len und diese Bilder wiederum zu

    einer Geschichte verknpfen: ZumBeispiel stellen Sie sich fr einseine Kerze oder einen Turm vor oderfr zwei einen Schwan.

    Eine weitere Alternative ist die fol-gende bersetzung der Zahlen:

    Statt sich eine Geschichte aus denWorten auszudenken, knnen Sieauch wieder die Methode der Orteanwenden.Sie verknpfen die entsprechendenWorte der bersetzten Telefonnum-mer in der richtigen Reihenfolge mitmarkanten Orten in Ihrer Straeoder Wohnung.

    Namen merken

    Zum Merken von Namen gibt es ei-nen sehr einfachen Trick. Dabei wirddie Tatsache ausgenutzt, da ein Be-griff durch oftmaliges Wiederholenbesser im Gedchtnis haften bleibt ein Prinzip, das wir alle vom Vokabel-Pauken kennen. Versuchen Sie denNamen ihres Gegenbers whrendder Unterhaltung immer wieder ein-flieen zu lassen: Ach so, Herr

    Franke, das klingt ja sehr interes-sant.... Auf Wiedersehen, Herr Fran-ke. Oder beginnen Sie eine erdach-te Geschichte: Ach, Sie kommenaus Lneburg. Ich kenne da nmlicheinen Gerd Franke, der ist Installa-teurmeister.Sie knnen auch versuchen, sich denNamen im Bild vorzustellen. Dies istsicher einfach, wenn Frau Segler aus-gesprochen abstehende Ohren hat,aber es wird Ihnen auch gelingen,wenn Sie etwa aus Annegret eine

    Anne machen, die krht.Recht einfach lassen sich Namenmerken, die eine konkrete Bedeu-tung haben:

    22

    silien und Bcher verbreitet waren.Rmische Senatoren etwa prgtensich ihre Reden dadurch ein, da siederen Inhalt bildlich mit den Sulenin den Wandelhallen verknpften, indenen sie spter die Reden haltensollten. Die Schauspieler des grie-chischen Theaters merkten sich aufdiese Weise lange Monologe, die siemit Steinblcken in der Arena in Ver-

    bindung brachten.

    Die Einkaufsliste im Kopf

    Die Methode der Orte eignetsich, um sich die Posten etwaeiner Einkaufsliste zu merken.Es kommt vor allem darauf an,sich eine eigene Route auszu-whlen, deren Stationen Siesehr gut kennen.

    Vielleicht denken Sie an markante

    Orte in Ihrer Strae, etwa an eine be-schdigte Laterne, einen Briefka-sten oder eine Bushaltestelle.

    Oder Sie whlen sichzehn markante Stellenin Ihrer Wohnung aus,die eine natrlicheReihenfolge ergeben,etwa indem Sie sichvorstellen, vom Ein-gang ber den Flur in

    die Kche zu gehen und soweiter. Denken Sie an die Ge-

    genstnde, die Sie sich mer-ken wollen und plazieren Siesie an den ausgewhlten Stel-len in Ihrer Wohnung.Zum Beispiel ragt die Salami,die Sie kaufen wollen, aus Ih-rem Briefkasten heraus undlockt damit den Hund desNachbarn an. Der Kohlkopf,den Sie besorgen wollen,blockiert den Zugang zu IhrerKche usw. Je phantasievollerund extremer die Bilder sind,

    die Sie in Ihrem Kopf erzeu-gen, desto besser knnen Siedie Dinge behalten, die Siekaufen wollen.

    eins = Heinz

    zwei = Geweih

    drei = Brei

    vi er = Bi er

    fnf = Strmpf

    sechs = Klecks

    sieben = Rben

    acht = Tracht

    neune = Scheune

    nuller = Schnuller

    1 = Einhorn

    2 = Zwillinge

    3 = Dr ei ra d

    4 = Stuhl (4 Beine)

    5 = Hand (5 Finger)

    6 = Wrfel (6 Seiten)

    7 = Siebenschlfer

    8 = Sanduhr

    9 = Kegelbahn

    0 = Ei

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    13/14

    25

    Informationen zur AlzheimerschenKrankheit, Rat und Hilfe erhalten Siebei der Deutschen Alzheimer-Gesell-schaft in Stuttgart und bei derenregionalen Gliederungen:

    DeutscheAlzheimer-Gesellschaft e.V.Bchsenstrae 34/3670174 StuttgartTel.: 0711/2 26 85 98Fax: 0711/2 26 85 19

    Alzheimer GesellschaftMnchen e.V.Richard-Strauss-Str. 3481677 MnchenTel.: 089/47 51 85

    Alzheimer Gesellschaft HeidelbergPostfach 125369216 DossenheimTel.: 06221/86 24 01 oder 1 42 90

    Alzheimer GesellschaftDsseldorf-MettmannBergische Landstr. 240629 DsseldorfTel.: 0211/2 80 12 35

    Alzheimer Gesellschaft

    Hannover e.V.Medizinische HochschulePostfach 61018030623 HannoverTel.: 0511/5 32 31 84

    Kontakstelle fr DemenzkrankeGoetzstr. 204177 LeipzigTel.: 0341/47 16 84

    Alzheimer Gesellschaft BerlinSEKIS

    Albrecht-Achilles-Str. 6510709 BerlinTel.: 030/8 91 60 96

    Gedchtnis allgemein

    Alan BaddeleySo denkt der Mensch UnserGedchtnis und wie es funktioniert

    Karen Bessant, Eleanor Butcher

    GedchtnistrainingTime Life Books B.V.,Amsterdam 1994

    Roland R. GeisselhartSo merke ich mir Namen undGesichterDelphin Verlag, Mnchen 1988

    Kathleen Gose, Gloria LeviWo sind meine Schlssel?Gedchtnistraining in der zweitenLebenshlfte

    Rowohlt Verlag, Reinbek 1991

    Alzheimer

    Ingo FsgenLeben mit der HirnleistungsstrungRatgeber fr Angehrige undPflegendeMMV Medizin Verlag, Mnchen 93

    Edda KlessmannWenn Eltern Kinder werden unddoch die Eltern bleiben

    Hans Huber Verlag, Gttingen 90

    KramerAlzheimer Krankheit Ratgeber frAngehrige und BetreuerGeorg Thieme Verlag, Stuttgart 93

    Die Alzheimersche Krankheit Fragen und AntwortenDeutsche Alzheimer Gesellsch. e.V.Bchsenstrae 34/3670174 StuttgartTel.: 0711/2 26 85 98

    Fax: 0711/2 26 85 19

    5. Literatur 6. Adressenstaben geben, im Uhrzeigersinn an-geordnet, die richtige Reihenfolgean.

    Wieviele Tage haben die Monate?

    Bekannt ist hier vielleicht die Kn-chel-Abzhl-Methode: Man schlietdie Hand zur Faust und zhlt die Mo-

    nate an den Kncheln beziehungs-weise an den Vertiefungen dazwi-schen ab; Knchel entsprechen denlangen, Vertiefungen den kurzenMonaten. Beginnend an der linkenHand zhlt man von links nachrechts. Der erste Knchel ist der

    Januar mit 31 Tagen, dann folgt imKncheltal der Februar mit nur 28oder 29 Tagen, der Mrz hat dannwieder 31 Tage usw. Im August be-ginnt man wieder mit dem Kncheldes kleinen Fingers.

    Planeten leicht gemerkt

    Die Namen der Planeten und dieReihenfolge, in der sie um die Sonnekreisen, lassen sich leicht mit demfolgenden Spruch merken: Meinverdammt eigensinniger Mann jagtseit Urzeiten neun Pinguine. Undman wird die neun Planeten voninnen nach auen (Merkur, Venus,Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus,Neptun und Pluto) nicht so schnell

    wieder vergessen.

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    de Wangenknochen. Und jetzt ms-sen Sie nur noch eine Brcke zwi-schen dem Gesicht und dem Bildschlagen, das Sie sich fr den Namender betreffenden Person ausgedachthaben.Herr Fellmer hat einen auffallendenSchnuzer. Stellen Sie sich vor, wieder Bart nach und nach seinen gan-zen Krper berwuchert und zu

    einem Fell wird. Herr Bolei hat eineGlatze. Schtten Sie ihm etwas Bow-le ber die Glatze und zerschlagenSie darauf ein Ei. Immer, wenn SieHerrn Boleiwiedersehen, werden Siean die Bowle und das Ei denken undsofort seinen Namen wissen.

    Beim Kofferpacken nichtsvergessen

    Wenn Sie einen Koffer packen, dannvergessen Sie bestimmt weniger,wenn Sie sich vor Ihrem geistigenAuge anziehen und die Dinge so inden Koffer legen, wie Sie sie auchanziehen werden. Dann ist von derUnterhose bis zur Pudelmtze ga-rantiert alles dabei.

    Himmelsrichtungen immer parat

    Haben Sie Probleme, sich die Him-

    melsrichtungen zu merken? Dazugibt es einen einfachen Trick. Mer-ken Sie sich den Satz Nicht ohneSeife waschen. Die Anfangsbuch-

  • 8/11/2019 gedaechtnis.pdf

    14/14

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    Amnesie 7, 8Altersabbau 10, 11A lzh eim ers che Kr ank he it 12 , 1 3, 14

    Diagnose 15 Therapie 16, 17

    Botenstoffe 4

    Cortisol 10

    Demenz 12Depression 10, 17

    Gedchtnis Ikonisches 6 Kurzzeit- 5 Langzeit- 5 molekle 4 Prozedurales 7 Semantisches 7 system 6 verlust 9

    Gen-Defekt 15Gromutterzelle 4

    HERA-Theorie 8

    Interferenztheorie 9

    Marathonlufer 10Methode der Orte 12, 21, 22

    Nhrstoff-Hypothese 14Nervenzelle 4, 5, 14, 15, 16

    Orientierungsschwche 13

    PET-Methode 8Plaques 14, 15, 17Pupillentest 16

    Scheck-Methode 16Sprachstrung 13Stre 9, 10

    Training 11, 12, 16, 21

    7. Index