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gefördert vom Nick Kratzer, Wolfgang Menz Von der Produktions- in die Reproduktionskrise Arbeitsleistung – Lebensleistung. Leistungssteuerung und lebensweltliche Arrangements im Umbruch Beitrag zum TheorieWorkshop des Projekts Lanceo 8. Juni 2010, München

Gefördert vom Nick Kratzer, Wolfgang Menz Von der Produktions- in die Reproduktionskrise Arbeitsleistung – Lebensleistung. Leistungssteuerung und lebensweltliche

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gefördert vom

Nick Kratzer, Wolfgang Menz

Von der Produktions- in die Reproduktionskrise

Arbeitsleistung – Lebensleistung. Leistungssteuerung und lebensweltliche

Arrangements im Umbruch

Beitrag zum TheorieWorkshop des Projekts Lanceo

8. Juni 2010, München

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Folie 2

(Neues Verhältnis von Produktion und Reproduktion)Krise der Reproduktion: Motivation, Gesundheit,

Arbeit und Leben, Sicherheit …

Neues Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft: „Marktzentriertes

Produktionsmodell“

Von der Produktions- in die Reproduktionskrise: Gesamtdarstellung

Von der P

roduktions- zur Reproduktionskrise

Neues Verhältnis von …

Organisation / Markt

Organisation / Individuum

Zeit / Leistung

„Systematische Überlastung“

„Selbstmanagement von Überlastung“

„Leistung der Selbststeuerung“

Neue Zeitökonomie (Zeitpunkt /

Synchronität)

Neues Verhältnis von Arbeit und Leben: Entgrenzung

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Folie 3

Neues Verhältnis von Ökonomie und Gesellschaft: Marktzentriertes Produktionsmodell

Krise des fordistischen Produktionsmodells: Marktsättigung, Zunehmende (internationale) Konkurrenz, Grenzen des fordistisch-tayloristischen Rationalisierungsmodus …

„Vermarktlichung“ als Anpassung an die Krise:

Gesellschaftlich: Historisch und relativ zunehmende Bedeutung des Marktprinzips als Koordinations- und Steuerungsmodus

Betrieblich: Neues Verhältnis von Organisation und Markt, „Internalisierung des Marktes“

„Finanzmarktkapitalismus“: Zunehmende Bedeutung der Finanzmärkte und von Handlungslogiken der Finanzmärkte

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Folie 4

„Vermarktlichung“ im marktzentrierten Produktionsmodell I: Abstrakte und dynamische Ergebnisvorgaben

Die „Marktlogik“ (Wettbewerbs- und Wachstumslogik) wird zum internen Steuerungsprinzip

Steuerung der Unternehmen über abstrakte und dynamische Ziel- und Ergebnisvorgaben

Abstrakte Wettbewerbslogik: Ausrichtung an der (externen oder internen) Konkurrenz, z.B. durch Benchmarks

Dynamische Wachstumslogik: Dynamisierung der Leistungserwartung – jedes Jahr X % mehr (Umsätze, Kunden, Erträge etc.)

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Folie 5

Vermarktlichung II: Jedes Jahr mehr, besser, schneller, billiger …

„Ich … höre jedes Jahr von den Führungskräften den Satz: Wir legen noch eine Schippe drauf. … Und das Merkwürdige ist: Wir schaffen das jeweils und die Konsequenz ist davon dann, dass sich die Spirale wieder weiterdreht, wir am Ende des Jahres wieder hören, dass wir noch eine Schippe drauflegen sollen, obwohl wir eigentlich ständig schon am Limit arbeiten.“ (Finanzdienstleister)

„Wir wollen in fünf Jahren verdoppeln …. Und das wird jetzt einfach fortgeschrieben, was natürlich nicht funktioniert zur Zeit. Und eine Diskussion über das, was realistisch ist oder nicht realistisch ist, glaub ich, ist für mich nicht sichtbar“ (Entwicklung Funktechnik)

„Wir haben jedes Jahr die freundliche Aufforderung, 10% Produktivität zu machen.“ (Auftragsbearbeitung Messgerätebau)

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Folie 6

Vermarktlichung III: „Systematische Überlastung“ der Organisation

Orientierung am „theoretisch Notwendigen“, nicht (mehr) am „praktisch Machbaren“: Die Unternehmen überlasten sich systematisch selbst durch „unerreichbare“ Ziele.

Die „systematische Überlastung“ ist kein Fehler im System, sondern hat selbst System: Definiert wird der „Fortschritt“, den die Organisation erst noch machen muss (und an dem sie gemessen wird) (Druck und Motivation).

Die Erreichbarkeit unerreichbarer Ziele lässt sich nur begrenzt steuern: Eine „Lösung“ besteht darin, dieses Problem weiterzugeben. Aus dem Problem der Organisation wird ein Problem der Beschäftigten.

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Folie 7

Vermarktlichung IV: Bearbeitung der „systematischen Überlastung“

Abstrakte und dynamische Zielvorgaben; Systematische Überlastung der Organisation

(Klassische) Rationalisierung:Optimierung,StandardisierungKostensenkung …

Neue Leistungspolitik

Controlling, Reporting

(Permanente) Reorganisation

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Folie 8

Neue Leistungspolitik I: Transformation des organisationellen in ein individuelles Problem

Drei Schritte der Transformation in ein individuelles Problem:

1. Verschränkung von Unternehmens- und Arbeitskraftperspektive

Arbeitsplatzverlust bei Misserfolg, Erfolgsbeteiligung, Koppelung von Entgelt und Leistung, Zielvereinbarungen, Motivierung …

2. Verschränkung von Fremd- und Selbststeuerung

Beschäftigte als Co-Akteure von Leistungssteuerung und Rationalisierung: Selbststeuerung und „Subjektivierung“

3. Verschränkung von Leistung und Leben

Institutionelle Freisetzung und „erweiterte Inbetriebnahme“ der Potentiale und Ressourcen von Arbeitskraft („Entgrenzung“)

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Folie 9

Neue Leistungspolitik II: Transformation des organisationellen in ein individuelles Problem

Selbstmanagement von Überlastung:

„Und da habe ich das gemacht, was früher die Vorgesetzten gemacht haben: Ich habe mich dazu gebracht, immer effektiver zu arbeiten. Ich habe mich selber unter Druck gesetzt. Das ist natürlich die optimale Form, ist doch klar. Kein Vorgesetzter kann mich so unter Druck setzen wie ich mich selber, das ist doch klar. Weiß ich doch auch. Aber Sie kommen ja nicht raus aus diesem Prozess. Das ist eben so. Sie sind gezwungen, effektiver zu arbeiten, oder Sie schaffen es nicht, Sie schaffen das Volumen an Arbeit früher nicht als andere. Und keiner will doch der erste sein, der sagt: Ich schaffe es nicht.“

(Auftragsbearbeitung Messgerätebau)

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Folie 10

Neue Leistungspolitik III: Von der „Steuerungslücke“ zur „Leistung der Selbststeuerung“

Die Arbeitsebene als „Steuerungslücke“: Die Erreichbarkeit unerreichbarer Ziele lässt sich nicht steuern Abstrakte und dynamische Zielvorgaben werden in der Organisation von nach

unten weitergereicht. Auf der Arbeitsebene treffen diese Zielvorgaben auf konkrete Bedingungen – und lassen sich nicht bruchlos übertragen.

Die Beschäftigten übernehmen abstrakte und dynamische Zielvorgaben nicht oder nur begrenzt als Handlungsorientierung

„Kernarbeit“ und „Organisationsarbeit“ Die Beschäftigten übernehmen Aufgaben der Organisation (Abstimmung von

Anforderungen und Ressourcen, Rationalisierung …). Wenn aus dem Organisationsproblem ein individuelles Problem wird, dann

verändert sich auch die Tätigkeit: Die Beschäftigten müssen neben ihrer „Kernarbeit“ mehr und mehr „Organisationsarbeit“ leisten.

„Leistung der Selbststeuerung“ Die effiziente Koordination von Kern- und Organisationsarbeit und die

Abstimmung von Anforderungen und Ressourcen erfordert eine „Leistung der Selbststeuerung“.

Das Ergebnis der „Leistung der Selbststeuerung“ ist, dass es überhaupt ein Arbeitsergebnis gibt bzw. geben kann. Die „Leistung der Selbststeuerung bleibt oft „unsichtbar“. Sie wird oft nur negativ sichtbar - wenn Termine platzen, die Qualität nicht stimmt, der Kunde unzufrieden ist usw.

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Folie 11

Neue Leistungspolitik V: Grundlagen

Grundproblem (der Unternehmen):

Der Arbeitsvertrag als „unvollständiger“ Vertrag: Wie wird aus Leistungsvermögen konkrete Leistung („Transformationsproblem“)? Leistungspolitik: Bearbeitung des „Transformationsproblems“

Leistungspolitik

Leistungsdefinition: Was ist (angemessene) Leistung? Wie wird sie gemessen, bewertet und entlohnt?

Leistungssteuerung: Wie wird aus dem ungerichteten Leistungsvermögen eine zielgerichtete Leistungsverausgabung?

„Motivierung“: Wie wird aus dem Fremdinteresse das Eigeninteresse der Beschäftigten?

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Folie 12

Neue Leistungspolitik VI: „Leistungspolitische Arrangements“

Leistungspolitik (enger Begriff): Gestaltung des Verhältnisses von Anforderungen und Ressourcen

Leistungspolitik (weiter Begriff): Alle Mechanismen, Verfahren und Instrumente der Transformation von Leistungsvermögen in verwertbare Leistung.

Leistungspolitik ist nicht Sache eines Instruments oder eines Mechanismus, sondern des „Arrangement“ der verschiedenen leistungspolitischen Dimensionen

Leistungspolitik zielt immer auf einen „Leistungskompromiss“ zwischen Unternehmens- und Beschäftigteninteressen

Arrangement der unterschiedlichen leistungspolitischen Interessen

Leistungspolitik findet immer auf mehreren Ebenen statt: Tarifverträge, Interessenvertretung, Führung, Individuum

Arrangements der leistungspolitischen Ebenen

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Folie 13

Neue Leistungspolitik VII: Analytik des Wandels „leistungspolitischer Arrangements“ (Exkurs: Analytik)

Fordistische Arrangements Postfordistisches Arrangement

Industrielle Leistungspolitik

Tertiäre Leistungspolitik

Postfordistischce Leistungspolitik

Definition Aufwandsbezug,

Grundlage: Analyse, Wissenschaftliche Erkenntnis

Ergebnis

Grundlage: Erfahrungswerte

Ertrag

Grundlage: Erfolgsmessung (Kennzahlen)

Steuerung „Lohnanreiz“ und Fremdsteuerung

Standardisierung

„Verantwortliche Autonomie“

Subjektivierung

Indirekte Steuerung / (Renaissance des Lohnanreizes)

Standardisierung und Subjektivierung

Motivierung

„Lohnanreiz“ (Sicherheit)

Gute Bedingungen als Voraussetzung von Leistung

Gute Bedingungen als Ergebnis von Leistung

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Folie 14

Neue Zeitökonomie I: Von der Ökonomie der Zeitmenge zur Ökonomie des Zeitpunkts

Partielle Entkoppelung von Zeit und Leistung in der Leistungssteuerung

Von der Bewirtschaftung der Zeitmenge zur Bewirtschaftung des „richtigen“ Zeitpunkts

„Häufig werden natürlich auch Sachen immer sehr knapp geplant, weil man möchte ja Produkte möglichst schnell auf den Markt bringen. Man sieht halt: ‚Okay, da ist eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, aber dann brauche ich das Gerät quasi jetzt’, und ‚jetzt’ geht nicht, und dann versucht man, es so schnell wie möglich zu machen. Und dann sagt natürlich der Entwickler oder der Ingenieur: So schnell geht das nicht. Und irgendwie ist das dann ein Kampf und dann einigt man sich meistens auf irgendetwas, was am Ende trotzdem nicht realistisch ist.“

(Entwickler)

Von der Sequenz zur Synchronität (?)

Probleme: Betrieblich: Prozesse lassen sich (theoretisch) entkoppeln, Arbeitshandeln nicht

(unhintergehbarer Aufwands- bzw. Arbeitskraftbezug)

Arbeit und Leben: Zeit als zentrales Vermittlungsmedium; Paradoxe Folge: Je geringer die Bedeutung der Zeit(menge) in der Steuerung, desto größer ist ihre Bedeutung für die Arbeitskräfte.

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Folie 15

Neues Verhältnis von Arbeit und Leben: Verschiebung, Pluralisierung - Verschränkung?

Verschiebung Pluralisierung Verschränkung

Entwicklungs-prinzip

Differenzierung Differenzierung Entdifferenzierung

Institutionelles Prinzip

Standardisierte und kollektiv gültige Arbeitszeiten; Kollektive Regulierung der Verschiebung

Ent-Standardisierung und Individualisierung der Arbeitszeiten; Kollektive Regulierung auf neuen Ebenen (Betrieb, Arbeitseinheit)

Entstandardisierung und Individualisierung der Arbeitszeiten; Individualiserung der Regulierung

Strukturelles Prinzip

Ausdifferenzierung der Sphären gesellschaftlicher Produktion

Flexibilisierung der Grenzen zwischen Produktion und Reproduktion

Entdifferenzierung der gesellschaftlichen Sphären

Verschränkung von Produktion und Reproduktion (Verausgabung / Erholung) ist logisch unwahrscheinlich und empirisch selten: Notwendigkeit der Re-Konstruktion von Grenzen

Typen (und Stadien?) des Verhältnisses von Arbeit und Leben (Zeitbezug):

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Folie 16

Neue Leistungspolitik, Neue Zeitökonomie, Entgrenzung: Problemstellungen

Steigender Leistungsdruck durch Systematische Überlastung

„Normalität“ der Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit von Erwerbstätigen und der „prinzipiellen Unvereinbarkeit“ von Arbeit und Leben Nicht (nur) ein Problem der „Schwachen“, sondern gerade der Engagierten und

Motivierten

Wachsende Anerkennungsdefizite durch ungeplante Organisationsarbeit und unsichtbare Leistung der Selbststeuerung

Wachsende Motivationsprobleme im Gefolge von Pseudo-Planungen

„Vor allen Dingen, jetzt, sag ich mal, von der Planungsseite ist es nervig, weil man halt dann selten sagen kann, ob der Termin, den man sich jetzt da ausgedacht hat für das, wo man fertig sein möchte, wirklich halten kann. Ich sag mal jetzt, für einen Entwickler ist es nervig, wenn er irgendwas macht und dann kriegt er plötzlich wieder was reingeschoben, was er dann machen soll, dann muss er mit dem Alten wieder anfangen, sich erst überlegen, was hat er denn da überhaupt gemacht.“ (Entwickler)

Wachsende Legitimationsdefizite durch widersprüchliche Anforderungen und betriebliche „Doppelbotschaften“ (Kontrolle / Autonomie; Fremd- / Selbststeuerung; Subjektivierung / Standardisierung)

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Folie 17

Entgrenzung von Arbeit und Leben: Die individuelle Praxis

„Vereinbarkeit“ ist möglich: Aber sie ist bewusste (individuelle) Gestaltung und hat oft ihren Preis (Misserfolg, Nichterfüllung berufliche Ambitionen, Unzufriedenheit …) Selbstregulation:

„Also ich fahre mit öffentlichen Verkehrsmitteln, deswegen habe ich da so relativ strikt meine Zeiten, in denen ich fahre. Habe dann auch so meinen spätesten Zug, den erlaube ich mir in Normalsituationen zweimal die Woche, ansonsten in Extremsituationen dreimal die Woche. So habe ich irgendwie für mich ein Regulatorium, dass ich dann sehe, wie viel ich eigentlich gemacht habe oder nicht gemacht habe“ (Beratung Finanzdienstleistung).

Die Herstellung von „Vereinbarkeit“ ist anstrengend, selber eine „Leistung“; sie ist prekär und muss gelernt werden

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Folie 18

Entkoppelung von Leistungs- und „Lebens“-politik: Die institutionelle Praxis systematischer Überlastung

Stillschweigendes Einverständnis über die „Unerreichbarkeit“ der Ziele („Fehlertoleranz“, „Faken“)

Redefinition „reproduktionsorientierter“ Institutionen: Wandel vom Gesundheitsschutz zur „Gesundheitsförderung“: Unterstützung von Individuen bei der Bewältigung „systematischer Überlastung“

Strikte Trennung der Politikfelder, z.B. Leistungspolitik und Gesundheitspolitik, Arbeitspolitik und Familienpolitik

Normative Entkoppelung: Re-Konstruktion normativer „Parallelwelten“ Familie und Gesundheit sind das höchste Gut – Zielerreichung auch!

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Von der Produktions- in die Reproduktionskrise

• Die „Lösung“ für die fordistische Produktionskrise mündet in eine Re-Produktionskrise: • Im marktzentrierten Produktionsmodell kommt es zu einer erweiterten Entfaltung

und Gefährdung der subjektiven Potentiale und lebensweltlichen Ressourcen der Individuen.

• Übergewicht der „Gefährdung“ gegenüber der Entfaltung: Basis für den ökonomischen Erfolg ist der Raubbau an den Ressourcen der Arbeitskräfte (Zeit, Gesundheit, Professionalität, Motivation …)

• Die Entgrenzung von Arbeit und Leben mündet in ein Dilemma: Arbeit oder Leben?

• Neues „Produktionsmodell“, aber (noch) kein neues Re-Produktionsmodell

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Ansprechpartner

Dr. Nick Kratzer Dr. Wolfgang Menz

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. – ISF MünchenJakob-Klar-Str. 9, 80796 MünchenTel. 089 / 272921–55www.isf-muenchen.de [email protected] [email protected]

www.lanceo.de

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