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praxis ?! 40 DFZ 2 · 2014 Frank Wittke Die Rhetorik-Praxis Gegeneinander aus Prinzip? Das Problem "groupthink"! Wenn sich Gruppen gegeneinander abschotten und größtenteils nur intern kommunizieren – dann führt das schnell zu Problemen: Konflikte und Fehlentscheidungen sind an der Tagesordnung. Auch bei Zahnärzten und Zahntechnikern kann das passieren – und das Problem hat einen Namen: „groupthink“. Dieses komplexe Phänomen ist geprägt durch kommunikative Starrheit, und man sollte es nicht unterschätzen: Durch Groupthink kam die Welt schon nahe an ihren Abgrund! Ist es wirklich so, dass zwei oder mehr Köpfe besser sind als einer? Die meisten Menschen würden es wohl bejahen, da viele Prozesse auf dem Austausch in Gruppen basieren: Regierun- gen, Wirtschaſt und Verbände machen es vor. Und so scheint es Sinn zu machen, Ideen aus- zutauschen und die Fehler des anderen abzu- fangen, um dann bessere Entscheidungen zu treffen. In den meisten Fällen kommen Grup- pen dadurch auch zu besseren Entscheidungen. Allerdings kommt es drauf an, wie diese Grup- pen organisiert sind und geführt werden. Wie kann Groupthink entstehen? Beim Groupthink werden die Solidarität in der Gruppe und der Gruppenzusammenhalt wichtiger, als die Informationen realis- tisch zu betrachten. Es erfolgt, wie bei vielen konkurrierenden Berufszweigen, innerhalb der Gruppe eine Abschottung nach außen. Oſt gibt es eine sehr starke und dominante Führung oder einen Meinungsführer; zudem werden keine Informationen „von außen“ akzeptiert. Damit fehlt es an inhaltlicher Objektivität innerhalb der Gruppe. Gibt es dann noch eine bedrohliche Situ- ation und eine (wirtschaſtliche) Rivalität dieser Gruppen, kann das intern zu einer großen Abneigung gegen die andere Grup- pe, zu starken Emotionen und Generalverdächtigungen führen. © iStock / thinkstockphhotos.com

Gegeneinander aus Prinzip? Das Problem "groupthink"!

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DFZ 2 · 2014

Frank Wittke

Die Rhetorik-Praxis

Gegeneinander aus Prinzip? Das Problem "groupthink"!Wenn sich Gruppen gegeneinander abschotten und größtenteils nur intern kommunizieren – dann führt das schnell zu Problemen: Konflikte und Fehlentscheidungen sind an der Tagesordnung. Auch bei Zahnärzten und Zahntechnikern kann das passieren – und das Problem hat einen Namen: „groupthink“. Dieses komplexe Phänomen ist geprägt durch kommunikative Starrheit, und man sollte es nicht unterschätzen: Durch Groupthink kam die Welt schon nahe an ihren Abgrund!

Ist es wirklich so, dass zwei oder mehr Köpfe besser sind als einer? Die meisten Menschen würden es wohl bejahen, da viele Prozesse auf dem Austausch in Gruppen basieren: Regierun-gen, Wirtscha� und Verbände machen es vor. Und so scheint es Sinn zu machen, Ideen aus-zutauschen und die Fehler des anderen abzu-fangen, um dann bessere Entscheidungen zu tre�en. In den meisten Fällen kommen Grup-pen dadurch auch zu besseren Entscheidungen. Allerdings kommt es drauf an, wie diese Grup-pen organisiert sind und geführt werden.

Wie kann Groupthink entstehen?Beim Groupthink werden die Solidarität in der Gruppe und der Gruppenzusammenhalt wichtiger, als die Informationen realis-tisch zu betrachten. Es erfolgt, wie bei vielen konkurrierenden Berufszweigen, innerhalb der Gruppe eine Abschottung nach außen. O� gibt es eine sehr starke und dominante Führung oder einen Meinungsführer; zudem werden keine Informationen „von außen“ akzeptiert. Damit fehlt es an inhaltlicher Objektivität innerhalb der Gruppe. Gibt es dann noch eine bedrohliche Situ-ation und eine (wirtscha�liche) Rivalität dieser Gruppen, kann das intern zu einer großen Abneigung gegen die andere Grup-pe, zu starken Emotionen und Generalverdächtigungen führen.

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Der Verfasser arbeitet als Trainer, Coach und Autor im Bereich Rhetorik und Führungskommunikation. Er hat an der Universität in Dortmund Journalistik und Orga-nisationspsychologie studiert. Auf seinem Internet-Blog veröffentlicht er regelmäßig Beiträge zu den Themen: Reden, Vorträge, Präsentationen, mit vielen praktischen Tipps und Tricks – auch für Zahnärzte.Kontakt: http://www.frank-wittke.de

Die Welt am Rande des AbgrundsAuch Regierungen und Verbände sind davor nicht immun. So waren 1961 hoch quali�zierte Fachleute um den damaligen Prä-sidenten John F. Kennedy einer Meinung: Die Invasion auf den Klassenfeind Kuba muss starten! Das Resultat: Die Invasion in der Schweinebucht wurde ein Fiasko. Wie konnte das passieren, wo doch die besten Fachleute der USA daran beteiligt waren? Ein weiterer Fall: Die Entscheidung zum Start des Spaceshuttle 1986. Auch sie basierte auf „groupthink“. Obgleich Ingenieure sich gegen den Start ausgesprochen hatten, da die tiefen Tempe-raturen eine große Gefahr für die Gummidichtungen darstellen würden, ignorierten NASA-Mitarbeiter dies. Die Dichtungen versagten; die Rakete explodierte. Die Selbstüberschätzung in der Gruppe sowie die Geringschätzung und Ignoranz gegenüber anderen Bereichen führten zu diesen fatalen Folgen.

So kann man dem Groupthink vorbeugenMeist hil� der Blick einer neutralen Person auf die Gruppen-strukturen. Dafür bedarf es allerdings einer ersten Ö�nung gegenüber „gruppenfremden“ Personen und deren kritischer Meinung. Das setzt O�enheit und Selbstre�exion der Gruppen-mitglieder sowie der Führungskrä�e beziehungsweise Meinungs-führer voraus. O� ist das erst der Fall, wenn es bereits zwischen den Gruppen gekracht hat! Oder wenn Dritte, zum Beispiel Kun-den oder Patienten, unter diesen Kommunikationsproblemen der beiden Gruppen leiden. Weitere Möglichkeiten: Auch kann ein Gruppenmitglied den „Advocatus Diaboli“ spielen. Seine Auf-gabe: stets eine ablehnende Haltung einnehmen. Dadurch sinkt der Druck, durch Gegenargumente aus der Gruppe ausgestoßen zu werden, denn der Advocatus Diaboli nimmt lediglich seine Aufgabe wahr! Auch Feedback, möglicherweise anonym, ist ein wirksames Mittel gegen das Phänomen Groupthink.

Strukturen der Gruppenorganisation sind festgefahrenOb USA und Kuba, Ingenieure und NASA-Mitarbeiter, Zahn-ärzte und Zahntechniker – die Kommunikationsstrukturen sind ganz ähnlich. Erst das Au�rechen der Gruppenstrukturen und das Auseinandersetzen mit den Argumenten der anderen Grup-pe führen zu sinnvollen Resultaten – und damit im Ende�ekt auch zu Ergebnissen – zum Wohl des Patienten.

Frank Wittke