2
71 MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.) FORTBILDUNG ÜBERSICHT Die empirischen Therapie komplizierter Zystitiden Antibiotikum Dosierung Dauer Cefuroxim 3 x 1,5 g/d, i. v. 10–14 Tage Levofloxacin 2 x 250 mg/d, i. v., p. o. 10–14 Tage Ciprofloxacin 2 x 400 mg/d, i.v. 2 x 500 mg/d, p.o. 10–14 Tage Cefotaxim 3 x 2 g/d 10–14 Tage Amoxicillin/Clavulansäure 3 x 2,2 g/d 10–14 Tage Ampicillin/Sulbactam 3 x 3 g/d 10–14 Tage Piperacillin/Tazobactam* 3 x 4,5 g/d 10–14 Tage Ceftazidim* 3 x 3 g/d 10–14 Tage Imipenem/Meropenem* ± Gentamicin/Tobramycin 3 x 1 g/d ± 1 x 5 mg/kg/d 10–14 Tage * bei Therapieversagen oben genannter Antibiotika Tabelle 2 Unkomplizierte HWI sind bei entsprechendem Vorgehen relativ leicht in den Griff zu bekommen. Beruht die HWI aber nur sekundär auf einer bakteriellen Infektion, wird es kompliziert. Komplizierte Harnwegsinfektionen Gehen Sie der Ursache auf den Grund! _ Liegen funktionelle oder anatomische Anomalien des Harnwegstraktes vor (Tab. 1), sowie Begleiterkrankungen, die die Entwicklung einer HWI durch Bakte- rien begünstigen, spricht man von einer komplizierten HWI [2, 3]. Grundsätzlich sind zwei Kriterien für die Diagnose „komplizierte HWI“ erforderlich. Zum einen muss die Urinkultur des Mittel- strahlurins eine signifikante Bakteriurie aufweisen (Frauen ≥ 10 5 KBE/ml; Män- ner: ≥ 10 4 KBE/ml). Zum anderen muss ein komplizierender Faktor vorliegen. Des weiteren differenziert man zwischen einer komplizierten HWI mit Faktoren, die therapeutisch beseitigt werden kön- nen, und Faktoren, die nicht suffizient behandelt werden können (z. B. neuro- gene Blasenentleerungsstörungen). Ziehen Sie einen Urologen hinzu! Es handelt sich hier um eine Form der HWI, die das Hinzuziehen eines Urolo- gen erforderlich macht. Das klinische Be- schwerdebild der komplizierten HWI ist heterogen und kann nicht nur die für die Zystitis und Pyelonephritis bereits ange- führten Symptome hervorrufen, sondern wird erweitert durch irritative oder obs- truktive Symptome des unteren Harn- wegstraktes, wie sie unter anderem auch bei einem benignem Prostatasyndrom vorkommen können. Therapie Das mikrobielle Spektrum der kompli- zierten HWI unterscheidet sich nicht nur bezüglich der vorkommenden Erre- ger und Häufigkeiten, sondern auch hinsichtlich der Antibiotikaresistenzen. Die erfolgreiche Behandlung eines kom- plizierten HWI basiert gleichermaßen auf der adäquaten antimikrobiellen The- rapie und der Beseitigung der kompli- zierenden Faktoren. Letzteres ist in der Regel Aufgabe eines Urologen. Empfeh- lungen zu Auswahl, Dauer und Dosie- rung der geeigneten Antibiotika sind in Tabelle 2 aufgeführt [7]. Aufgrund der teilweise ungünsti- gen Resistenzsituation gestaltet sich die Elimination der ursächlichen Erreger manchmal schwierig. Deshalb kommt der Urinkultur und dem Antibiogramm zur Verlaufskontrolle eine besondere Rolle zu. Denn dadurch kann eine mög- liche Resistenzentwicklung eines kau- salen Erregers oder eine Reinfektion mit neuen Pathogenen beurteilt werden. Literatur unter mmw.de Für die Verfasser: Giuseppe Magistro Urologische Klinik und Poliklinik Campus Großhadern Klinikum der Universität München Ludwig-Maximilian-Universität Marichioninistraße 15 D-81377 München E-Mail: giuseppe.magistromed.uni- muenchen.de Ursachen komplizierter HWI Anatomische Veränderungen Ureterabgangstenose Obstruktiver, refluxiver Megau- reter Harnblasendivertikel Prostatavergrößerung Urethrastriktur Nierensteine Harnleitersteine Harnblasentumore Funktionelle Veränderungen Niereninsuffizienz Harntransportstörung Blasenentleerungsstörung Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie Detrusor-Sphinkter-Dyskoordi- nation Nephrostomie Harnleiterschiene Harnblasenkatheter Tabelle 1 Mod. n. [7] Mod. n. [2, 3]

Gehen Sie der Ursache auf den Grund!

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gehen Sie der Ursache auf den Grund!

71MMW-Fortschr. Med. Sonderheft 1 / 2013 (155. Jg.)

FORTBILDUNG–ÜBERSICHT

Die empirischen Therapie komplizierter ZystitidenAntibiotikum Dosierung Dauer

Cefuroxim 3 x 1,5 g/d, i. v. 10–14 Tage

Levofloxacin 2 x 250 mg/d, i. v., p. o. 10–14 Tage

Ciprofloxacin 2 x 400 mg/d, i.v. 2 x 500 mg/d, p.o.

10–14 Tage

Cefotaxim 3 x 2 g/d 10–14 Tage

Amoxicillin/Clavulansäure 3 x 2,2 g/d 10–14 Tage

Ampicillin/Sulbactam 3 x 3 g/d 10–14 Tage

Piperacillin/Tazobactam* 3 x 4,5 g/d 10–14 Tage

Ceftazidim* 3 x 3 g/d 10–14 Tage

Imipenem/Meropenem* ± Gentamicin/Tobramycin

3 x 1 g/d ± 1 x 5 mg/kg/d

10–14 Tage

* bei Therapieversagen oben genannter Antibiotika

– Tabelle 2

Unkomplizierte HWI sind bei entsprechendem Vorgehen relativ leicht in den Griff zu bekommen. Beruht die HWI aber nur sekundär auf einer bakteriellen Infektion, wird es kompliziert.

Komplizierte Harnwegsinfektionen

Gehen Sie der Ursache auf den Grund!

_ Liegen funktionelle oder anatomische Anomalien des Harnwegstraktes vor (Tab. 1), sowie Begleiterkrankungen, die die Entwicklung einer HWI durch Bakte-rien begünstigen, spricht man von einer komplizierten HWI [2, 3]. Grundsätzlich sind zwei Kriterien für die Diagnose „komplizierte HWI“ erforderlich. Zum einen muss die Urinkultur des Mittel-strahl urins eine signifikante Bakteriurie aufweisen (Frauen ≥ 105 KBE/ml; Män-ner: ≥ 104 KBE/ml). Zum anderen muss ein komplizierender Faktor vorliegen. Des weiteren differenziert man zwischen einer komplizierten HWI mit Faktoren, die therapeutisch beseitigt werden kön-nen, und Faktoren, die nicht suffizient behandelt werden können (z. B. neuro-gene Blasenentleerungsstörungen).

Ziehen Sie einen Urologen hinzu!Es handelt sich hier um eine Form der HWI, die das Hinzuziehen eines Urolo-

gen erforderlich macht. Das klinische Be-schwerdebild der komplizierten HWI ist heterogen und kann nicht nur die für die Zystitis und Pyelonephritis bereits ange-führten Symptome hervorrufen, sondern wird erweitert durch irritative oder obs-truktive Symptome des unteren Harn-wegstraktes, wie sie unter anderem auch bei einem benignem Prostatasyndrom vorkommen können.

TherapieDas mikrobielle Spektrum der kompli-zierten HWI unterscheidet sich nicht nur bezüglich der vorkommenden Erre-ger und Häufigkeiten, sondern auch hinsichtlich der Antibiotikaresistenzen. Die erfolgreiche Behandlung eines kom-plizierten HWI basiert gleichermaßen auf der adäquaten antimikrobiellen The-rapie und der Beseitigung der kompli-zierenden Faktoren. Letzteres ist in der Regel Aufgabe eines Urologen. Empfeh-

lungen zu Auswahl, Dauer und Dosie-rung der geeigneten Antibiotika sind in Tabelle 2 aufgeführt [7].

Aufgrund der teilweise ungünsti- gen Resistenzsituation gestaltet sich die Elimination der ursächlichen Erreger manchmal schwierig. Deshalb kommt der Urinkultur und dem Antibiogramm zur Verlaufskontrolle eine besondere Rolle zu. Denn dadurch kann eine mög-liche Resistenzentwicklung eines kau-salen Erregers oder eine Reinfektion mit neuen Pathogenen beurteilt werden.

Literatur unter mmw.de

Für die Verfasser:Giuseppe MagistroUrologische Klinik und Poliklinik Campus GroßhadernKlinikum der Universität München Ludwig-Maximilian-UniversitätMarichioninistraße 15D-81377 MünchenE-Mail: giuseppe.magistromed.uni- muenchen.de

Ursachen komplizierter HWI

Anatomische Veränderungen

Ureterabgangstenose

Obstruktiver, refluxiver Megau-reter

Harnblasendivertikel

Prostatavergrößerung

Urethrastriktur

Nierensteine

Harnleitersteine

Harnblasentumore

Funktionelle Veränderungen

Niereninsuffizienz

Harntransportstörung

Blasenentleerungsstörung

Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie

Detrusor-Sphinkter-Dyskoordi-nation

Nephrostomie

Harnleiterschiene

Harnblasenkatheter

Tabelle 1

Mod

. n. [

7]

Mod

. n. [

2, 3

]

Page 2: Gehen Sie der Ursache auf den Grund!

Literatur1. Wagenlehner FM, Schmiermann G, Hoyme

U et al. Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medi-zinischer Fachgesellschaften (AWMF) AWMF-Register-Nr 043/044 2010

2. Grabe M, Bishop MC, Bjerklund-Johasen TE, Botto H et al. Guidelines on urological infec-tions. In: EAU (ed ): European Association of Urology Guidelines Arnhem, The Netherlands: European Association of Urology 2010;1–110

3. Foxman B. Epidemiology of urinary tract in-fections: incidence, morbidity, and economic costs. Am J Med 2002;113(Suppl 1A):5S–13S

4. Wagenlehner FM, Wagenlehner C, Savov O, Gualco L, Schito G, Naber KG. Clinical aspects and epidemiology of uncomplicated cystitis in women. German results of the ARESC Study. Urologe A 2010 Feb;49(2):253–61

5. Vorland LH, Carlson K, Aalen O. An epidemiolo-gical survey of urinary tract infections among outpatients in Northern Norway. Scand J Infect Dis 1985;17(3):277–83

6. Fieser N, Simnacher U, Tausch Y, Werner-Belak S, Ladenburger-Strauss S et al. Chlamydia trachomatis prevalence, genotype distribution and identification of the new Swedish variant in Southern Germany. Infection 2012 Aug 2

7. Marianne Abele-Horn. Antimikrobielle Thera-pie – Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten. Verlag Peter Wiehl, Marburg, 3 ,erweiterte Auflage 2010

8. Foxman B. Recurring urinary tract infection: incidence and risk factors. Am J Public Health 1990 Mar;80(3):331–3

9. Ludwig M, Hoyme U, Weidner W. [Recurrent urinary tract infection in women. Long-term antibiotic prophylaxis]. Urologe A 2006 Apr;45(4):436–42

10. Albert X, Huertas I, Pereiro II, Sanfelix J, Go-salbes V, Perrota C. Antibiotics for preventing recurrent urinary tract infection in non-pregnant women. Cochrane Database Syst Rev 2004;(3):CD001209

11. Di MP, Agniel R, David K, Templer C, Gaillard JL, Denys Pet al. Reduction of Escherichia coli adherence to uroepithelial bladder cells after consumption of cranberry juice: a double-blind randomized placebo-controlled cross-over trial. World J Urol 2006;24(1):21–7

12. Hidalgo G, Chan M, Tufenkji N. Inhibition of Escherichia coli CFT073 fliC expression and motility by cranberry materials. Appl Environ Microbiol 2011;77(19):6852–7

13. Jepson RG, Mihaljevic L, Craig J. Cranberries for preventing urinary tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2004;(2):CD001321