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Niedersächsisches Kultusministerium Gemeinsam von Anfang an Inklusion in Kindertagesstätten für Kinder im Alter unter 3 Jahren Fachtagung am 13.11.2010 in Lüneburg Haltung, Handlungsfähigkeit und Struktur – Elemente einer Zusatzqualifikation für die inklusive Pädagogik durch Langzeitfortbildung Unterlagen zu Forum 10

Gemeinsam von Anfang an - Niedersachsen

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Page 1: Gemeinsam von Anfang an - Niedersachsen

Niedersächsisches Kultusministerium

Gemeinsam von Anfang anInklusion in Kindertagesstätten für Kinder im Alter unter 3 Jahren

Fachtagung am 13.11.2010 in Lüneburg

Haltung, Handlungsfähigkeit und Struktur – Elemente einer Zusatzqualifikation für die inklusive Pädagogik durch Langzeitfortbildung

Unterlagen zu Forum 10

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Klaus Klattenhoff/Reinhard Pirschel:

Haltung, Handlungsfähigkeit und Struktur – Elemente einer

Zusatzqualifikation für die inklusive Pädagogik durch

Langzeitfortbildung

(Workshop am 13. November 2010 in Lüneburg)

Einleitung

Vom 1. August 1988 bis zum 31. Dezember 1991 wurde in 27 Regel- und Sonder-

kindergärten das niedersächsische Erprobungsprojekt „Gemeinsame Erziehung be-

hinderter und nichtbehinderter Kinder im Kindergarten“ durchgeführt. Beteiligt daran

waren 36 Gruppen, 160 pädagogische und therapeutische Fachkräfte und insgesamt

930 Kinder, davon 204 behinderte Kinder.1 Das Erprobungsprojekt wurde

wissenschaftlich betreut und hatte die Konzipierung eines Fortbildungskonzeptes zur

Folge, mit dem Fachkräfte für die integrative pädagogische Arbeit ausgebildet wer-

den sollten. Dazu wurden „Arbeitshilfen für eine berufsbegleitende Langzeitfortbil-

dung“ mit dem Titel „Integrative Erziehung und Bildung im Kindergarten“ erstellt und

veröffentlicht (herausgegeben vom Landesverband der Volkshochschulen Nieder-

sachsens).2 Die Bezirksregierung Hannover, Dezernat 407, Niedersächsisches Lan-

desjugendamt, veröffentlichte dazu einen „Rahmenplan“, der verbindlich für die

Durchführung der Langzeitfortbildung wurde. Dieser Rahmenplan ist im Verlauf der

Jahre mehrfach wieder aufgelegt und auch modifiziert worden. Die letzte gültige Fas-

sung ist die 4. Auflage.3 Die niedersächsischen Erwachsenenbildungseinrichtungen

haben danach die Langzeitfortbildungen angeboten, die mit einer Prüfung abschlie-

ßen. Inzwischen hat eine beträchtliche Anzahl an Erzieherinnen über diese Lang-

zeitfortbildung die Qualifikation für die integrative Arbeit in der Kindertagesstätte er-

worben und in Integrationskindertagesstätten die pädagogische Arbeit entsprechend

durchgeführt.

Da seit dem Ende des Erprobungsprojektes zu Beginn der 90er Jahre des .letzten

Jahrhunderts die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Pädagogik und der Psy-

chologie eine erhebliche Erweiterung und zum Teil auch Veränderung erfahren ha-

1 Vgl. dazu Heinz-Lothar Fichtner/Inge Timmann: Erfahrungen – Anregungen – Beispiele. Wolfenbüttel 1995.

2 Integrative Erziehung und Bildung im Kindergarten. Arbeitshilfen für eine berufsbegleitende

Langzeitfortbildung. Hannover 1994. 3 Bezirksregierung Hannover, Dezernat 407, Niedersächsisches Landesjugendamt: Integrative Erziehung und

Bildung im Kindergarten – Rahmenplan – . Eine berufsbegleitende Langzeitfortbildung in Bausteinen nach den Erfahrungen des Erprobungsprojektes „Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder im Kindergarten“. 4. Auflage, [Ohne Jahr].

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ben, hat in den letzten zwei Jahren eine Arbeitsgruppe den Rahmenplan überarbeitet

und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eingearbeitet. Diese Arbeit hat die struk-

turellen Aspekte der Langzeitfortbildung unverändert gelassen, die pädagogischen

Akzente aber einer kritischen Würdigung unterzogen und unter Berücksichtigung

neuer Überlegungen umsichtig modifiziert. Das Ergebnis liegt nun vor: Ein Rahmen-

plan, in dem die Bausteine genauer beschrieben worden sind und der mit seiner

Veröffentlichung nun in Kraft tritt.

In diesem Workshop sollen wesentliche Aspekte des neuen Rahmenplans betrachtet

werden. Entsprechend den im Titel des Workshops genannten Stichworten werden

Intentionen und Inhalte der Langzeitfortbildung vorgestellt und gemeinsam erörtert.

Intentionen und Inhalte der Langzeitfortbildung sind in 14 Bausteinen zusammenge-

stellt. Für jeden Baustein sind rund 15 Fortbildungsunterrichtsstunden veranschlagt,

insgesamt 260 Unterrichtsstunden.

Die Bausteine sollen hier nun kurz vorgestellt werden:

1. Baustein: Entwicklung integrativer Erziehung (Teil I) und gesetzliche Grund-

lage in Niedersachsen (Teil II)

2. Baustein: Integration im Kontext gesellschaftlicher Entwicklung

3. Baustein: Entwicklung und Lernen des Kindes bis zum Schulalter

4. Baustein: Beeinträchtigungen kindlicher Entwicklung: Erscheinungsformen,

Ätiologie, Diagnose und ihre Bedeutung für Pädagogik und Therapie

5. Baustein: Pädagogisch-didaktische Ansätze im Kindergarten im Kontext integ-

rativer Arbeit

6. Baustein: Beobachtung – Von einem zufälligen Beobachten zu einem syste-

matischen (strukturierten) Beobachten und Dokumentieren im Kindergarten

7. Baustein: Theorie und Praxis projektorientierter Planung (steht in direkter Ver-

bindung mit Baustein 11)

8. Baustein: Wahrnehmung – Bewegung – Kommunikation. Teil I: Aktivität und

Partizipation; Teil II: Entwicklungsbegleitung im Bereich Kommunikation,

Sprache und Dialog

9. Baustein: Integrativ pädagogisches Arbeiten mit Kindern mit ‚schweren Behin-

derungen‘

10. Baustein: Praxis im Sonderkindergarten

11. Baustein: Theorie und Praxis projektorientierter Planung (steht in direkter Ver-

bindung mit Baustein 7); Teil I: Projektmethode und Projektplanung nach dem

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Situationsansatz und der Tätigkeitstheorie erfolgt im Baustein 7; Teil II: Aus-

wertung der praktischen Übungen

12. Baustein: Diagnostik und Therapie bei Kindern mit Behinderung (insbesondere

aus physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Sicht)

13. Baustein: Der Kindergarten als Erfahrungsraum

14. Baustein: Zusammenarbeit mit Eltern, Familien und Institutionen

Diese Bausteine enthalten also die Lerninhalte der Langzeitfortbildung. Es geht dabei

um Kenntnisse, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern erworben werden

müssen und die in einer Abschlussprüfung, bestehend aus einer kleinen schriftlichen

Hausarbeit (15-20 Seiten) zu einem selbstgewählten Thema bzw. einer selbstge-

wählten Fragestellung aus den Kursinhalten und einer 20minütigen mündlichen Prü-

fung, in deren Mittelpunkt diese Hausarbeit steht.

Die erworbenen Kenntnisse sollen eine Grundlage für die Kompetenzen bilden, die –

weil sie für die inklusiver Arbeit in der Kindertagesstätte unabdingbar sind – eine

qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit ermöglichen. Aber es geht nicht nur um

Wissenserwerb. Das Wissen, die Kenntnisse sind zu binden an Einstellungen, an

emotionale Aspekte, an Selbstverständlichkeiten des professionellen Handelns

einerseits und an eigenständige Praxisreflexion als Voraussetzung für qualifiziertes

pädagogisches Handeln andererseits.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Langzeitfortbildung haben am Ende ne-

ben umfangreichen Kenntnissen auch andere, für die pädagogische Arbeit passende

Einstellungen, Haltungen zu dieser Arbeit entwickelt: Die Langzeitfortbildung „macht

etwas“ mit ihnen.

Darum soll es nun zunächst gehen, um die Haltungen.

Haltung

Integration, Inklusion beginnt im Kopf und setzt für die praktische pädagogische Ar-

beit eine entsprechende Einstellung, eine Haltung voraus.

Eine Haltung ist eine Gesinnung, eine auf ein Ziel gerichtete Grundhaltung eines

Menschen, die persönliche Meinung zu einer Angelegenheit, ist ein Bewusstsein, das

den Menschen zu Aktivitäten treibt.

Eine Haltung ist emotional abgesichertes Bewusstsein und dadurch ist handlungsbe-

stimmend. In Bezug auf die pädagogische Arbeit im Rahmen der professionellen in-

klusiven pädagogischen Arbeit heißt das vor allem die Kinder so anzunehmen wie sie

sind.

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Beispiel BUBER: „Ich sehe die Größe des modernen Erziehers – am deutlichsten, wo

er Lehrer ist. Da betritt er den Schulraum zum ersten Mal, da sieht er sie in den Bän-

ken hocken, wahllos durcheinandergewürfelt, mißratene und wohlbeschaffene Ge-

stalten, tierische Gesichter, nichtige und edle – wahllos durcheinander: wie die Ge-

genwart der Schöpfung; sein Blick, der Blick des Erziehers, nimmt sie alle an und

nimmt sie auf.“4

Beispiele aus den Bausteinen:

2. Baustein (Integration im Kontext gesellschaftlicher Entwicklung):

„lernen die eigene Biografie hinsichtlich der überindividuellen Bedeutung

ihrer Erfahrungen zu reflektieren und zu analysieren“;

6. Baustein (Beobachtung - Von einem zufälligen Beobachten zu einem systemati-

schen (strukturierten) Beobachten und Dokumentieren im Kindergarten):

„lernen die eigene Subjektivität im Beobachtungs-, Interpretations- und Be-

wertungsprozess als Tatsache zu reflektieren und mit ihr umzugehen“;

9. Baustein (Integrativ pädagogisches Arbeiten mit Kindern mit ‚schweren Behinde-

rungen‘):

„üben ‚vom Kind aus zu denken’ und können Kinder mit schwerer Behinde-

rung in konkreten Lebenszusammenhängen als Akteure ihrer Entwicklung

unterstützen“;

Schaut man in die dazugehörenden Inhalte, so finden sich folgende Aussagen:

Zu Baustein 2:

„3) Die grundlegendste Aufgabe der gemeinsamen Bildung, Erziehung und Betreu-

ung von Kindern mit und ohne Behinderung, aber auch die der integrativen Ar-

beit mit Kindern anderer ethnischer Herkunft, ist die Entwicklung von Verständ-

nis und Toleranz füreinander, die Praktizierung von Solidarität und Ermögli-

chung von Partizipation als Entwicklung gemeinsamer Aktivitäten. Die hier ge-

schaffenen oder verhinderten Möglichkeiten bestimmen die zukünftige Qualität

einer sich demokratisch verstehenden Gesellschaft.“

Es ist klar, dass das, was den Kindern ermöglicht bzw. vermittelt werden soll, bei den

pädagogischen Fachkräften selbstverständlich vorhanden sein muss. Auch sie müs-

sen Verständnis und Toleranz füreinander aufbringen, auch sie müssen Solidarität

praktizieren. Von daher ist eine ständige Selbstreflexion von wesentlicher Bedeu-

tung:

4 Martin Buber: Reden über Erziehung. 11. Auflage, Gütersloh 2005, Seite 32.

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Wie bin ich? Wie bin ich in den Augen meiner Mitmenschen, meiner Kolleginnen, der

mir anvertrauten Kinder, der Eltern und anderer Personen, mit denen ich mich aus-

einandersetze? Welche Perspektiven sind für mein eigenes Verhalten, meine Art des

Umgehens mit anderen Menschen, meine eigenen Entwicklungsmöglichkeiten realis-

tisch? Was kann und muss ich tun, um mich zu ändern?

Diese Fragen sollten die gesamte Langzeitfortbildung durchziehen; sie sind nicht in

der Auseinandersetzung mit einem einzelnen Baustein zu erarbeiten.

Im 6. Baustein steht das Thema „Beobachtung“ im Mittelpunkt.

„Die Besonderheiten, die beim Durchführen von Beobachtungen eine Rolle spielen,

können im Sinne von Selbstanwendung erlebt und reflektiert werden. Fallberichte

und Übungen der Beobachtungstätigkeit werden den Teil des Seminars ergänzen

und gleichzeitig zur Reflexion von Subjektivität und der natürlichen Nähe und Distanz

zum Beobachtungsgegenstand dienen. Auch der Einsatz von Videodokumentationen

(unter fachlicher Anleitung) kann helfen, den reflexiven Umgang mit diesem, am

Subjekt interessierten qualitativen Forschungsverfahren zu stärken.“

Selbstbeobachtung steht gleichrangig neben der Beobachtung von Kindern. Und, so

ist zu folgern, die Dokumentation der Selbstbeobachtung ist nicht weniger wichtig als

die Dokumentation der Kinderbeobachtung. Wenn wir in der jüngeren Zeit der

Portfolioarbeit eine besondere Bedeutung zumessen, dann muss es für uns selbst-

verständlich werden, dass auch wir unser Portfolio für uns führen, in dem wir unser

Haltung und deren Folgen festhalten.

Wie habe ich auf (einzelne) Kinder reagiert? Wie bin ich ihnen gegenübergetreten?

Was habe ich über mich in den Kindern und durch die Kinder erfahren? Welche Fol-

gen hat das für den Umgang mit mir selbst?

Mit dem Baustein 9 wird die pädagogische Arbeit mit schwerstbehinderten Kindern

thematisiert. Was hat das mit mir zu tun? Kann ich „vom Kind aus denken“, das heißt,

mich im wahrsten Sinn des Wortes in die Lage des Kindes versetzen und die Welt

aus dieser Perspektive sehen? Res heißt im Baustein:

„Ideenreichtum, Engagement und Zutrauen in die eigene integrative Kompetenz sind

Voraussetzungen, um die Realisierung einer integrativen Pädagogik für alle Kinder

voranzubringen. Leiborientierte, pflegepädagogische, und psychosomatische Kennt-

nisse, sind für die pädagogische Begleitung von kindlichen Entwicklungsbewegungen

lohnend, da sie ein Denken in allen Dimensionen von menschlicher Entwicklung

schulen. Mit einer offenen pädagogisch ausgerichteten Grundhaltung antizipieren

pädagogische Fachkräfte die Erkenntnisse aus anderen Fachgebieten und verbinden

sie mit dem Lebenskontext der Kinder im Kindergarten.“

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Der Aufbau von Haltung, das heißt von Selbstverständnis, Zuwendungsbereitschaft,

Annahme von Problemen, Hinwendung zum behinderten Mitmenschen ist ein Lern-

prozess. Er beginnt mit der ersten Unterrichtsstunde der Langzeitfortbildung, führt mit

dem Abschluss der Langzeitfortbildung zu einem vermutlich schon deutlich erkenn-

baren Zwischenergebnis und endet (hoffentlich) nie.

Handlungsfähigkeit

Handlungsfähigkeit, Handlungskompetenz ist die Voraussetzung für die erforderliche

Arbeit im Rahmen inklusiver Pädagogik. Sie ist selbstverständlich zentrales Ziel der

Langzeitfortbildung. Wenn sie hier an zweiter Stelle genannt wird, dann, weil wir da-

von überzeugt sind, dass Handlungsfähigkeit ohne Haltung eine zweifelhafte Qualifi-

kation und deshalb kein geeignetes Merkmal einer anzustrebenden Professionalisie-

rung bezüglich inklusiver Pädagogik ist.

Was ist Handlungsfähigkeit?

Handlungsfähigkeit ist gegeben, wenn ein Mensch kompetent in realen privaten, be-

ruflichen und gesellschaftlichen Lebenssituationen Interessen und Ziele sachgerecht

durchdacht und individuell und sozial verantwortlich umsetzt, das heißt vorausschau-

end, planvoll und bewusst, selbstständig oder in Kooperation mit anderen eine Auf-

gabe, einen Auftrag erfüllen kann. Handlungsfähigkeit ist eine Lebenszugewandtheit

des Menschen, ist aktive Auseinandersetzung mit der Welt, ist Strukturierung und

Veränderung der Welt an dem Ort, an dem der Mensch privat, beruflich oder gesell-

schaftlich aktiv ist, ist Partizipation an der Welt, die er dabei verändert und bei der er

sich selbst ebenfalls verändert und weiterentwickelt.

Handlungsfähigkeit ist also eine komplexe Kompetenz, die erworben wird. In der

Langzeitfortbildung ist sie ein anzustrebendes Gesamtergebnis und umfasst den Er-

werb von differenzierten Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus unterschied-

lichen Gebieten und auf unterschiedlichem Niveau. Wissenserwerb ist die Grundlage

der Handlungsfähigkeit, mit Arbeitsaufgaben werden sowohl die erforderliche Refle-

xion angestoßen als auch ein angemessener Einstellungswandel ermöglicht. Im

Rahmenplan sind diese Perspektiven für die einzelnen Bausteine dargelegt.

Beispiel Baustein 1 (besteht aus zwei Teilen)

Teil I:

„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer

- informieren sich über die zurückliegende Entwicklung der gemeinsamen Er-

ziehung, Bildung und Betreuung von Kindern an ausgewählten Beispielen

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7

aus Deutschland und einigen europäischen Ländern, sowie dessen gegen-

wärtigen Stand in Niedersachsen;

- lernen Grundargumente, die für eine gemeinsame Erziehung, Bildung und

Betreuung sprechen, kennen und argumentativ zu verwenden;

- wissen, dass im Rahmen der gemeinsamen Erziehung, Bildung und Betreu-

ung zwei Ziele von grundlegender und übergeordneter Bedeutung sind: die

individuelle Förderung eines jeden einzelnen Kindes in seinen sozialen,

emotionalen, körperlichen und kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen und die

Ermöglichung gemeinsamer Aktivitäten (vgl. SGB VIII, § 22 und KiTaG § 3

Abs. 6));

- können die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegebene Sicht-

weise und die in dem Modell der International Classification of Functioning,

Disability and Health (ICF) benutzten Begriffe argumentativ verwenden;

- lernen die zentralen Begriffe in der deutschen Diskussion kennen und an-

wenden: Behinderung (Schädigung; Lebenserschwerung; Beeinträchtigung;

Benachteiligung; Isolation; Aussonderung/Selektion) und Integration (Inklu-

sion, d.h. ohne Aussonderung; Normalisierung; Partizipation).“

Teil II:

„Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer

- lernen die grundlegenden gesetzlichen Vorgaben für die gemeinsame Erzie-

hung, Bildung und Betreuung in Niedersachsen und deren Bedeutung für die

Praxis kennen und an Praxisbeispielen erläutern;

- können das Verfahren zur Anerkennung des individuellen Anspruchs auf Ein-

gliederungshilfe beschreiben;

- lernen das regionale Konzept als Vereinbarung zwischen allen an der integ-

rativen Erziehung, Bildung und Betreuung beteiligten Institutionen kennen

und die Möglichkeiten der integrativen Arbeit für die „eigene“ Kindertages-

stätte zu analysieren.“

Die Zusammenhänge, die Inhalte auf deren Hintergrund die Ziele zu sehen sind,

werden ebenfalls dargestellt:

„Die aktuelle Situation der gemeinsamen Erziehung, Bildung und Betreuung von Kin-

dern mit und ohne Behinderung in Kindertagesstätten ist begründet und geformt

durch wesentliche Erkenntnisse und Ergebnisse von bundesweit durchgeführten Mo-

dellversuchen einschließlich des Erprobungsprojektes in Niedersachsen. Auch Erfah-

rungen und Einsichten aus anderen europäischen Ländern sind hier von Bedeutung.

Die Bearbeitung von Fragestellungen zur aktuellen Entwicklung und Vorgehensweise

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bei der gemeinsamen Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit und ohne

Behinderung in Niedersachsen enthält deshalb folgende inhaltliche Schwerpunkte im

Zusammenhang mit den gesetzlichen Grundlagen:

- Bei der Darstellung gesetzlicher Vorgaben stehen das niedersächsische

Kindertagesstättengesetz einschließlich der Niedersächsischen Verordnung

über Mindestanforderungen für die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und

ohne Behinderung sowie einschlägige Paragraphen der Sozialgesetzbücher

(SGB V, VIII, IX, XII) im Vordergrund. Im Zusammenhang damit sind der Finan-

zierungsrahmen sowie spezifische regionale Vereinbarungen zu verdeutlichen.

- Die gemeinsame Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit und ohne

Behinderung in Kindertagesstätten ist als ein wesentliches Element der integra-

tiven pädagogischen Arbeit aller öffentlichen Erziehungs-, Bildungs- und Be-

treuungseinrichtungen zu verstehen. Die aktuelle Praxis und die Erfahrungen

mit der integrativen pädagogischen Arbeit in Schule, Krippe und Hort sind des-

halb hinzuzuziehen. Für den Bereich der Schule sind die Vorgaben des Nieder-

sächsischen Schulgesetzes, die Verfahren zur Einrichtung von Integrations-

klassen und Modelle (z.B. das Regionale Integrationskonzept – RIK) von Be-

deutung. Besonders beachtet werden sollten auch die Bestimmungen zur Ko-

operation zwischen Kindertagesstätte und Grundschule und die Ausführungen

im Orientierungsplan für Bildung und Erziehung.

- Besondere Positionen aus der jungen Geschichte der gemeinsamen Erziehung,

Bildung und Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung in der Bundes-

republik Deutschland können veröffentlichten Erfahrungsberichten und bil-

dungspolitisch-pädagogischen Darstellungen entnommen werden (Montessori-

Modell München; Evangelische Französisch-reformierte Gemeinde Frankfurt;

Diakonisches Werk Bremen; Deutscher Bildungsrat; Modellversuch Nieder-

sachsen u.a.).

- Anstöße für die Diskussion und Entwicklung der integrativen Erziehung, Bildung

und Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung in Kindertagesstätten in

Deutschland sind von entsprechenden Konzepten und Erfahrungen aus ande-

ren europäischen Ländern in die Entwicklung in Deutschland eingeflossen, be-

sonders aus Skandinavien und Italien (Normalisierungsprinzip; Psychiatriere-

form).

- Eine klare Begrifflichkeit ist als Grundlage für die gesamte Langzeitfortbildung

von wesentlicher Bedeutung. Hierzu ist eine frühzeitige Klärung der zentralen

Begriffe Behinderung und Integration und damit inhaltlich in Verbindung ste-

hender Begriffe wichtig. Diese Begriffe sind zu klären im Zusammenhang mit

dem im Modell der International Classification of Functioning, Disability and

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Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgegebenen Sicht-

weise.“

Angebote konzipieren, individuelle Förderung didaktisch strukturieren, gemeinsame

Aktivitäten von Kindergruppen initiierten, Fähigkeiten der Kinder erkennen, Probleme

sehen, Lernprozesse unterstützen und Lernergebnisse analysieren, Halt und Sicher-

heit geben, Situationen interpretieren, Gespräche führen, den Eltern Zusammen-

hänge erklären, Eltern beraten, im Team handeln (Handlungsforschung betreiben),

mit Therapeuten gemeinsame konzeptionelle Arbeit planen und vieles mehr – das

alles sind unabdingbare Aufgaben, denen sich die pädagogischen Fachkräfte in ihrer

inklusiven Arbeit stellen müssen. Die Langzeitfortbildung bietet dazu eine Grundle-

gung.

Struktur

Wenn etwas „funktioniert“, wenn also unterschiedliche Nutzer und Elemente eines

Systems eine Beziehung zueinander haben, diese erkennen, pflegen und miteinan-

der sinnvoll agieren, dann kann man das als ein Beispiel für „Struktur“ ansehen. Der

Strukturbegriff, der seit gut hundert Jahren genutzt wird, ist ursprünglich ein Begriff

der Biologie und wurde zur Beschreibung von Pflanzen benutzt. Man beschrieb die

Einzelteile, die jeweils ihre Funktion erfüllten, aber nur vom Ganzen her verständlich

waren. Die Einzelteile bekamen also erst dann eine Bedeutung, wenn man sie mit

dem Ganzen, der Struktur, in Verbindung brachte5 .

Heute benutzt man den Strukturbegriff auch im Zusammenhang mit Personen. Men-

schen können sich, mehr oder weniger bewusst, in Arbeitszusammenhängen oder

privat und aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus, zu einem gemeinsamen

Zweck zusammen finden, für den sie sich einsetzen, weil es für die Einzelnen und die

Gruppen die dort handeln, einen Sinn ergibt. Mit der Entscheidung einer Person für

eine Struktur sind somit auch Erwartungen auf Erreichung des von ihr gewollten Nut-

zens verbunden. N. LUHMANN formulierte es so: „Strukturen sind Erwartungen in

Bezug auf die Anschlussfähigkeit von Operationen.“6 Die Erwartungen werden formu-

liert und sie führen zu Handlungen.

Niklas LUHMANN weist mit einem Zitat von PARSONS, „Action is system“7, darauf

hin, dass Handlung und System nicht voneinander zu trennen sind. Handelnd be-

gründet der Mensch Strukturen. Durch Handlungen schaffe ich Realitäten8 und Struk-

5 Vgl. Meyers kleines Lexikon Philosophie, Zürich 1987, S. 405.

6 Niklas Luhmann: Einführung in die Systemtheorie. Heidelberg 2002, S. 103.

7 Luhmann, a.a.O., S. 19.

8 Vgl. Luhmann, a.a.O., S. 20.

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turen als Teil meiner, unserer Realitäten. Hier werden Zwecke verfolgt und Mittel ein-

gesetzt und gleichzeitig Strukturen geschaffen und erhalten.

Aber auch ein kurzer Hinweis auf MARX‘ „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ sollte

bei den Überlegungen zur Struktur nicht fehlen. Das mit Verweis auf die Dialektik, die

in dieser Aussage steckt. Denn wenn es so wäre, dass es, resignierend vor den ge-

sellschaftlichen Realitäten (dem „Sein“) nur das daran angepasste Bewusstsein

gäbe, dann säßen wir nicht hier. Aber gerade weil der Mensch als nicht spezialisier-

tes und weltoffenes Wesen die Erwartung, also vielleicht das „Vor-Bewusstsein“ von

einem anderen Sein hat, wird das Sein ständig in Richtung der Erwartungen neu

strukturiert. Sein und Bewusstsein stehen in enger Interaktion zueinander. Im Sein

orientiert sich und agiert das Bewusstsein, nutzt Strukturen, verändert sie, schafft ein

anderes Sein und entwickelt so das Bewusstsein weiter.

System und Handlung, Handlung und Strukturen sind also nicht voneinander zu

trennen. Es ist dabei zu unterstreichen, dass der hier benutzte Handlungsbegriff

auch „geistige Operationen“ als Handlung versteht. Daraus ergibt sich auch eine di-

rekte Verbindung zur „Haltung“, dem ersten Teil dieser Überlegungen.

Nun sind Theorien über Systeme und Strukturen nicht explizit Inhalt des Curriculums

der Langzeitfortbildung für die integrative Erziehung, aber ihre Elemente sind vielfäl-

tig vertreten. Das beginnt in den ersten beiden Bausteinen, die die „Entwicklung in-

tegrativer Erziehung (Teil I) und gesetzliche Grundlagen in Niedersachsen (Teil II)“

sowie „Integration im Kontext gesellschaftlicher Entwicklung“ zum Inhalt haben. Dort

werden die Strukturen und die handelnden und mitgestaltenden Subjekte vorgestellt.

Zur Entwicklungsgeschichte der Integration gehören neben den im Bericht zum nie-

dersächsischen Modellprojekt dargestellten Ergebnissen weitere Praxisberichte und

Reflexionen von Praxis in verschiedenen Veröffentlichungen (z.B. von FEUSER oder

aus dem Cuxhavener Modellprojekt u.a.9).

Zu den Strukturen in der Geschichte und Gegenwart der Integration gehören aber

auch die vielen Eltern und ihre Initiativen, die Fachkräfte in den Kindertagesstätten

und die Fachkräfte für Frühförderung. Sie haben im Vorfeld von Integration, quasi als

Akt eines fachlich reflektierten Ungehorsams, das in Szene gesetzt, was dann offiziell

als „graue oder schwarze Integration“ bezeichnet wurde. Diese Bewegung wurde am

Ende so stark, dass sie aus dem Graubereich heraus geholt werden musste.

9 Vgl. Georg Feuser: Gemeinsame Erziehung behinderter und nichtbehinderter Kinder im Kindertagesheim. Ein

Zwischenbericht. Bremen 1984; Joachim Büchsenschütz/Gerhard Regel (Hrsg.): Mut machen zur gemeinsamen Erziehung. Zeitgemäße Pädagogik im offenen Kindergarten. Darstellungen aus dem Erprobungsprojekt Cuxhaven. Hamburg 1991; Gerhard Regel/Axel Jan Wieland (Hrsg.): Offener Kindergarten konkret. Veränderte Pädagogik in Kindergarten und Hort. Hamburg 1993.

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FEUSER, Bremen, war einer derjenigen, der in dieser Zeit die zentralen Thesen zur

Integration formulierte. Und diese Thesen gehören heute immer noch zu den zentra-

len Inhalten des Curriculums. Strukturen einer Pädagogik der Nichtaussonderung

findet man in allen seinen 10 Thesen zur Integration. Als Beispiele für zentrale In-

halte, die Haltung und Handlung beleuchten, um Strukturen der Integration schaffen

zu können, zitiere ich nachfolgend aus einem Thesenpapier:

„1. Integration umschreibt die Idee vom Erhalt bzw. der Wiederherstellung gemein-

samer Lebens- und Lernfelder ..., um der Erweiterung der Entwicklungsmöglichkeiten

aller willen.“

2. Integrativer pädagogischer Arbeit geht es (in Anlehnung an E. Séguin, 1812-1880)

um

- die 'Wiederherstellung der Einheit des Menschen in der Menschheit' und

- die 'Wiederherstellung der Einheit unserer zusammenhanglos gewordenen Mittel

und Werkzeuge der Erziehung'. ....

3. Integration erfordert, daß (Regel-)Kindergärten und (Regel-)Schulen für alle so

gestaltet werden, daß jedes Kind/jede/r Schüler/in ohne sozialen Ausschluß und

ohne persönliche Etikettierung als "defekt", "abweichend" oder "behindert" ... geför-

dert und unterrichtet wird.

Sie realisiert die endgültige Absage an eine durch ... Auslese und Aussonderung ge-

kennzeichnete ... pädagogische und therapeutische Praxis ... und will daß allen von

»Behinderung« und/oder »psychischer Krankheit« betroffenen Kindern und Jugendli-

chen ... vor Ort ... alle speziellen Hilfen, pädagogische und therapeutischen Erforder-

nisse gewährt bekommen, derer sie für ihre weitere Persönlichkeitsentwicklung be-

dürfen (Prinzip der Dezentralisierung).

4. "Behinderung" verstehen wir als Ausdruck jener gesellschaftlichen, ökonomischen

und sozialen Prozesse, die auf einen Menschen hin zur Wirkung kommen, der durch

... Beeinträchtigungen gesellschaftlichen Minimalvorstellungen und Erwartungen hin-

sichtlich seiner individuellen Entwicklung, Leistungsfähigkeit und Verwertbarkeit in

Produktions- und Konsumtionsprozessen nicht entspricht. Sie definiert folglich einen

sozialen Prozeß ...“

Zu 1): FEUSER beschreibt in der ersten These „die Idee“ als erste, Struktur ge-

bende Handlung. Und er sagt, dass jede persönliche Entwicklung nur dann optimal

verlaufen wird, wenn die gemeinsamen Lebens- und Lernfelder erhalten bleiben oder

wieder hergestellt werden. Denn, so kann man fortfahren, es ist real für jedes Sub-

jekt, dass es große Phasen der Abhängigkeit und Leistungsminderung erlebt – so-

wohl am Anfang als auch am Ende des Lebens. Diese Tatsachen kann man aus-

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blenden oder man kann sie annehmen. Und dann ist doch die Frage, wie Mensch

sich in Problemen verwirklichen kann, viel interessanter als die, wie ein hoch leis-

tungsfähiger Mensch im Vollbesitz seiner Kräfte sein Leben gestaltet.

Zu 2): In der zweiten These unterstreicht FEUSER eine weitere wichtige Antwort auf

die Frage, was denn „Aufklärung“ sei. Gerne wird auf „die Befreiung von selbst ver-

schuldeter Unmündigkeit“ und KANT verwiesen. MENDELSSON hat auf diese Frage

geantwortet, dass es wichtig sei, „den Menschen im Menschen“ zu verwirklichen.

Das geht weit über eine solidarische Gemeinschaft im Sinne von Brüderlich-

keit/Schwesterlichkeit hinaus. Es ist die Einladung, dass keiner zurückgelassen wer-

den soll auf einem Weg zu gesellschaftlichen Strukturen, in denen das Unmögliche

positiv gedacht werden und gemeinsam entwickelt werden kann. Ein Wagnis mit of-

fenem Ausgang?

Zu 3): Nachdem FEUSER in den ersten Thesen die philosophischen und anthropolo-

gischen Strukturen seiner Ideen formulierte, formuliert er in These 3 die Strukturen,

die sich für die Gesellschaft und Pädagogik ergeben. Wohnortnahe Kindertagesstät-

ten und Schulen für alle Kinder. Dezentralisierung der Hilfen. Es ist die Forderung,

dass jedes Kind zu den Zeiten, zu denen es notwendig ist, das integrative und inter-

disziplinäre therapeutische und pädagogische Angebot ohne „Etikettierung“ bekom-

men sollte was es braucht. Diese Forderung ist noch lange nicht eingelöst. Immer

wieder berichten Eltern von hohen Hürden bei der Bewilligung von Hilfen; und von

einer soliden Finanzierung „integrativer Therapie“ scheinen wir noch weit entfernt.

Zu 4) Mit der vierten These weist FEUSER auf eine wesentliche und sehr wirksame

Struktur hin: „Behinderung“ ist immer noch Ausdruck gesellschaftlicher, ökonomi-

scher und sozialer Prozesse und Zuschreibungen. Mit der ICF 2005 der WHO wird

dieses System der Zuschreibungen und die wirksamen Strukturen sehr gut beschrie-

ben. Und aus ihr kann ein integrationspädagogischer Auftrag extrahiert werden.

Denn wenn es Strukturen im individuellen und gesellschaftlichen Kontext es schaffen

können, dass Menschen mit Schädigungen in ihrer problematischen Situation ste-

cken bleiben müssen, dann muss es der Gesellschaft und der Pädagogik auch mög-

lich sein, diesen Prozess umzukehren. Sie haben den Auftrag, Strukturen zu schaf-

fen, die es dem Einzelnen, ob „schwer behindert“ oder mit „anstrengendem Verhal-

ten“, ermöglicht, sinnvoll selbstbestimmt aktiv zu werden und zu partizipieren.

Diese aussondernden Strukturen zu erkennen und Wege zur Aktivität und Partizipa-

tion zu finden, sind zentrale Inhalte des Curriculums der Langzeitfortbildung.

Konkret wird es in diesem Curriculum bei der Pädagogik, Didaktik und Methodik. Als

Beispiele für Pädagogiken der Nichtaussonderung stehen die Konzeptionen

MONTESSORIs, FREINETs, u.a., für didaktische Konzepte einer nicht aussondern-

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der Pädagogik der „Situationsansatz“ in Verbindung mit der „Tätigkeitstheorie“ und

„Projekten“, aber auch die „offene Pädagogik“ mit ihrem an qualitativen Methoden

orientierten Forschungsansatz oder das schwedische Curriculum. Die Beobachtung

wird kritisch reflektiert und die Beobachterinnen und Beobachter bekommen den

Auftrag, die Kompetenzen eines Kindes mit in den Blick zu nehmen, nicht die Defizite

und Fehler zu sammeln, sondern mit den Stärken des Kindes sich für das Fehlende

einzusetzen.

In der Fortschreibung des Curriculums der Langzeitfortbildung werden die Ressour-

cen des einzelnen Kindes stärker in den Blick genommen und in die Strukturen der

Förderangebote eingebettet. Auch werden die Familienstrukturen nicht mehr mit der

Begründung als defizitär betrachtet, dass ein Kind mit Behinderung wohl auch aus

einem „behinderten Umfeld“ kommen müsse. Es wird erkannt, dass Väter und Mütter

Ressourcen zur Verfügung stellen und Bedürfnisse haben. Und dass diese Struktu-

ren der Familie nicht therapiert, sondern sie mit ihrem Bedürfnissen anerkannt und

ihre Strukturen gestärkt werden müssen. Eine gute Möglichkeit innerhalb der ge-

meinsamen Strukturen die Beziehung zu gestalten, bietet dabei der Dialog. Er ist auf

allen Ebenen der im Rahmen der inklusiven Pädagogik erforderlichen Interaktionen

ein adäquates Instrument, das menschliche Bedürfnisse zum Tragen kommen lässt

und humanes Umgehen miteinander absichert.