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150 Fette nnd Seifen 1937, Heft 4 Gemeinschaftsarbeit der DGF. 4. Mitteilung : Die Hydroxylsahl. Berichterstatter: Prof. Dr. H. P. Kaufmann. Munster i. W. Die Anfange der neuzeitlichen Fettanalyse sind von o s t e r r e i c h i s c h e n Fettchemikeni nach- drucklich beeinflul3t worden. Namen, wie v. Hubl, HanuB, Hazura, Benedikt, U1- zer, Reichert, MeiD1, Kottsdorfer und P o 1 en s k e , sind jedem Fettchemiker gelaufig. Diese Tradition ist spater von A. G r u n und dem auf aem Lipoidgebiet erfolgreich tati- gen W. Ha 1 d e n fortgesetzt worden. Die Kennzeichnung h y d r o x y 1 h a 1t i g e r Bestand- teile von Fetten durch die A c e t y 1 z a h 1 stammt von B e n e d i k t und U 1 z e r lj, die allerdings nur Oxysauren unter Benutzung der aus den Fetten zunachst abgeschiedenen, nicht fluch- tigen Fettsauren bestimmten. Sie acetylierten niit Essigsaureanhydrid, neutralisierten das Acetylpro- dukt (,,Acetylsaurezahl”) und ermittelten seine EsterTahl (,,Acetylzahl”). Damit waren verschie- dene Fehler verbunden, insbesondere Anhydri- sierung der Fettsauren und Estolidbildung. L e w - k o w i t s c h 2) bestimmte die gebundene Essig- saure in dem Acetylierungsprodukt nach Auf- spaltung desselben durch Abdestillieren rnit Was- serdampf und nachfolgende Titration rnit Lauge (,,Destillationsmethode”) oder durch Verseifung des Acetylproduktes, Neutralisation rnit der dem Alkaliverbrauch entsprechenden Menge Saure, Abfiltrieren von den abgeschiedenen Fettsauren und Titration der Essigsaure im Filtrat (,,Fil- trationsmethode”). Hier wirken naturlich mehr oder weniger wasserlosliche Fettsauren storend. In spateren Arbeiten verwandte L e w k o - wits ch3) die Neut ralf e t t e zur Acetylierung. W. Normann4) schlug 1912 eine Verein- fachung der Methode vor, derart, daJ3 nach der Acetylierung das uberschussige Essigsaureanhy- drid rnit einem C0,-Strom entfernt und die Be- stimmung der Esterzahl ohne Neueinwaage vor- genommen wurde. Den Laugenverbrauch bezog er auf I g des Ausgangsmaterials, so da13 bei der Errechnung die Esterzahl des Aus- gangsmaterials zugrundegelegt werden konnte. Die Differenz nannte Normann die Hy - d r o x y 1 z a h 1. Diese Bezeichnung ist auch von der I. C. angenonimen worden; die Acetylzahl sollte in Zukunft aus der fettchemischen Litera- tur verschwinden. Als Abkurzung iiir die Hy- droxylzahl wird die bereits vereinzelt angewandte Bezeichnung OH - Z. vorgeschlagen, um Ver- wechslungen mit anderen Kennzahlen, z. B. Hy- drierzahl, zu vermeiden. Die wesentlichsten Schwierigkeiten der Er- fassung von Hydroxylgruppen in Fettprodukten sind: restlose Acetylierung unter Vermeidung von Anhydrid- und Estolidbildung, vollige Beseitigung des uberschussigen Essigsaureanhydrids und Be- stimmung der gebundenen Essigsaure. Unter Ver- zicht auf die Wiedergabe verschiedener Vor- schlage 5) sol1 hier die Vorschrift der Deutschen Einheitsmethoden (1930) gebracht werden, die das Acetylierungsprodukt in Benzin lost und aus der Benzinlosung das uberschussige Essigsaure- anhydrid rnit Wasser auswascht 6). Sie errechnet das Ergebnis noch als Acetylzahl. 0-8 g Fett w-erden mit der doppelten MengeEssig- saureanhydrid 2 Std. in einem Acetylierungskolben mit eingeschliffenem Kiihlrohr gekocht. Die Mischung wird in 50-100 ccm benzolfreiem, unter 800 siedendem Benzin gelost und in einem Scheidetrichter mit 25 ccm 50 proz. Essigsaure mehrmals gewaschen, bis sich beim Verdiinnen des Waschwassers rnit der zehnfachen Menge Wasser weder eine Triibung noch ein Essig- saureanhydrid-Geruch bemerkbar macht. Bei hoch- schmelzenden Acetylprodukten ist unter Umstiinden eine grol3ere Menge Benzin zur Losung erforderlich und das Auswaschen in der Warme vorzunehmen. Nach Beendigung des Waschprozesses wird die Losung des Acetylproduktes so lange mit Wasser gewaschen, bis die Essigsaure vollstandig entfernt ist. Nach dem Abtreiben des Benzins wird das Acetylprodukt durch ein doppeltes, trockenes Filter filtriert. Sowohl vom urspriinglichen als auch vom acetylier- ten Fett werden die Verseifungszahlen bestimmt. Berechnung: Gegeben: V, = VZ. des urspriinglichen Stoffes. Berechnet : V2 = VZ. des acetylierten Stoffes. v2 - v, Acetylzahl = - __ I - 0,00075 x v-,. Die neuere Entwicklung der wissenschaftlichen und technischen Fettchemie verlangt in wachsen- dem A’laDe die Analyse komplizierter Gemische hydroxylhaltiger, z. T. auch wasserloslicher Stoffe. Oxysauren, ein- und mehrwertige Alkohole, Steiine, Mono- und Diglyceride, Laktone, Aether, Peroxyde, Oxydosauren usw. konnen, z. T. neben- einander, vorliegen, so z. B. in den Produkten der Paraffinoxydation und in gealterten oder tech- nisch veranderten Oelen. Auch phenolische Hy- droxylgruppen konnen eine Rolle spielen. Nur schonendste, trotzdem aber restlosen Ver- schluI3 der Hydroxylgruppen erreichende Metho- den konnen zum Ziel fuhren. Sie miissen, wenn l) Mh. Chem. 8, 40 [1887]. 2, J. SOC. chem. Ind. 9, 660 [18go]. 3, J. SOC. chem. Ind. 16, 503 [1897]. 4) Chem. Revue 19, 205 [1912]. 6, vgl. z. B. T w i t c h e 11, Seifensieder - Ztg. 1908, Nr. I u. 2; Grun, Oel- u. Fett-Ind., Wien 1, 365 [ISIS]; Els b a c h , Chem. Umschau 30, 235, 288 [1923]; Andr!, Bull. SOC. chim. France 37, 335 [1925]; Somiya, J. SOC. chem. Ind. Ja- pan 1930, Suppl., 140; Roberts u. Schuette, Ind. Eng. Chem. Analyst 1932, S. 257. Die gasanalytische Methode von T s c h u g a e f f und Z e r e w i t i no f f (Ber. dtsch. chem. Ges. 40, 2023 [1907]; 41, 2223 [IFS]; 43, 3590 [I~IO] und 47, , 1659 [1914)) 1st fur die Fettanalyse weiiig geeignet. 6) Holde u. B l e y b e r g , Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 2499 [I927I.

Gemeinschaftsarbeit der DGF. 4. Mitteilung: Die Hydroxylzahl

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Page 1: Gemeinschaftsarbeit der DGF. 4. Mitteilung: Die Hydroxylzahl

150 Fette nnd Seifen 1937, Heft 4

Gemeinschaftsarbeit der DGF. 4. Mitteilung : Die Hydroxylsahl.

Berichterstatter: Prof. Dr. H. P. Kaufmann. Munster i. W.

Die Anfange der neuzeitlichen Fettanalyse sind von o s t e r r e i c h i s c h e n Fettchemikeni nach- drucklich beeinflul3t worden. Namen, wie v. H u b l , H a n u B , H a z u r a , B e n e d i k t , U 1 - z e r , R e i c h e r t , MeiD1, K o t t s d o r f e r und P o 1 e n s k e , sind jedem Fettchemiker gelaufig. Diese Tradition ist spater von A. G r u n und dem auf aem Lipoidgebiet erfolgreich tati- gen W. H a 1 d e n fortgesetzt worden. Die Kennzeichnung h y d r o x y 1 h a 1 t i g e r Bestand- teile von Fetten durch die A c e t y 1 z a h 1 stammt von B e n e d i k t und U 1 z e r l j , die allerdings nur Oxysauren unter Benutzung der aus den Fetten zunachst abgeschiedenen, nicht fluch- tigen Fettsauren bestimmten. Sie acetylierten niit Essigsaureanhydrid, neutralisierten das Acetylpro- dukt (,,Acetylsaurezahl”) und ermittelten seine EsterTahl (,,Acetylzahl”). Damit waren verschie- dene Fehler verbunden, insbesondere Anhydri- sierung der Fettsauren und Estolidbildung. L e w - k o w i t s c h 2) bestimmte die gebundene Essig- saure in dem Acetylierungsprodukt nach Auf- spaltung desselben durch Abdestillieren rnit Was- serdampf und nachfolgende Titration rnit Lauge (,,Destillationsmethode”) oder durch Verseifung des Acetylproduktes, Neutralisation rnit der dem Alkaliverbrauch entsprechenden Menge Saure, Abfiltrieren von den abgeschiedenen Fettsauren und Titration der Essigsaure im Filtrat (,,Fil- trationsmethode”). Hier wirken naturlich mehr oder weniger wasserlosliche Fettsauren storend. In spateren Arbeiten verwandte L e w k o - w i t s ch3) die N e u t ralf e t t e zur Acetylierung.

W. N o r m a n n 4 ) schlug 1912 eine Verein- fachung der Methode vor, derart, daJ3 nach der Acetylierung das uberschussige Essigsaureanhy- drid rnit einem C0,-Strom entfernt und die Be- stimmung der Esterzahl ohne Neueinwaage vor- genommen wurde. Den Laugenverbrauch bezog er auf I g d e s A u s g a n g s m a t e r i a l s , so da13 bei der Errechnung die Esterzahl des Aus- gangsmaterials zugrundegelegt werden konnte. Die Differenz nannte N o r m a n n die H y - d r o x y 1 z a h 1. Diese Bezeichnung ist auch von der I. C. angenonimen worden; die Acetylzahl sollte in Zukunft aus der fettchemischen Litera- tur verschwinden. Als Abkurzung iiir die Hy- droxylzahl wird die bereits vereinzelt angewandte Bezeichnung OH - Z. vorgeschlagen, um Ver- wechslungen mit anderen Kennzahlen, z. B. Hy- drierzahl, zu vermeiden.

Die wesentlichsten Schwierigkeiten der Er- fassung von Hydroxylgruppen in Fettprodukten sind: restlose Acetylierung unter Vermeidung von Anhydrid- und Estolidbildung, vollige Beseitigung des uberschussigen Essigsaureanhydrids und Be- stimmung der gebundenen Essigsaure. Unter Ver- zicht auf die Wiedergabe verschiedener Vor-

schlage 5) sol1 hier die Vorschrift der Deutschen Einheitsmethoden (1930) gebracht werden, die das Acetylierungsprodukt in Benzin lost und aus der Benzinlosung das uberschussige Essigsaure- anhydrid rnit Wasser auswascht 6 ) . Sie errechnet das Ergebnis noch als Acetylzahl.

0-8 g Fett w-erden mit der doppelten MengeEssig- saureanhydrid 2 Std. in einem Acetylierungskolben mit eingeschliffenem Kiihlrohr gekocht. Die Mischung wird in 50-100 ccm benzolfreiem, unter 800 siedendem Benzin gelost und in einem Scheidetrichter mit 25 ccm 50 proz. Essigsaure mehrmals gewaschen, bis sich beim Verdiinnen des Waschwassers rnit der zehnfachen Menge Wasser weder eine Triibung noch ein Essig- saureanhydrid-Geruch bemerkbar macht. Bei hoch- schmelzenden Acetylprodukten ist unter Umstiinden eine grol3ere Menge Benzin zur Losung erforderlich und das Auswaschen in der Warme vorzunehmen. Nach Beendigung des Waschprozesses wird die Losung des Acetylproduktes so lange mit Wasser gewaschen, bis die Essigsaure vollstandig entfernt ist. Nach dem Abtreiben des Benzins wird das Acetylprodukt durch ein doppeltes, trockenes Filter filtriert.

Sowohl vom urspriinglichen als auch vom acetylier- ten Fett werden die Verseifungszahlen bestimmt. Berechnung:

Gegeben: V, = VZ. des urspriinglichen Stoffes.

Berechnet : V2 = VZ. des acetylierten Stoffes.

v2 - v, Acetylzahl = - __ I - 0,00075 x v-,.

Die neuere Entwicklung der wissenschaftlichen und technischen Fettchemie verlangt in wachsen- dem A’laDe die Analyse komplizierter Gemische hydroxylhaltiger, z. T. auch wasserloslicher Stoffe. Oxysauren, ein- und mehrwertige Alkohole, Steiine, Mono- und Diglyceride, Laktone, Aether, Peroxyde, Oxydosauren usw. konnen, z. T. neben- einander, vorliegen, so z. B. in den Produkten der Paraffinoxydation und in gealterten oder tech- nisch veranderten Oelen. Auch phenolische Hy- droxylgruppen konnen eine Rolle spielen. Nur schonendste, trotzdem aber restlosen Ver- schluI3 der Hydroxylgruppen erreichende Metho- den konnen zum Ziel fuhren. Sie miissen, wenn

l ) Mh. Chem. 8, 40 [1887]. 2, J. SOC. chem. Ind. 9, 660 [18go]. 3, J. SOC. chem. Ind. 16, 503 [1897]. 4 ) Chem. Revue 19, 205 [1912]. 6 , vgl. z. B. T w i t c h e 11, Seifensieder - Ztg. 1908,

Nr. I u. 2 ; G r u n , Oel- u. Fett-Ind., Wien 1, 365 [ISIS]; E l s b a c h , Chem. Umschau 30, 235, 288 [1923]; Andr!, Bull. SOC. chim. France 37, 335 [1925]; S o m i y a , J. SOC. chem. Ind. Ja- pan 1930, Suppl., 140; R o b e r t s u. S c h u e t t e , Ind. Eng. Chem. Analyst 1932, S. 257. Die gasanalytische Methode von T s c h u g a e f f und Z e r e w i t i n o f f (Ber. dtsch. chem. Ges. 40, 2023 [1907]; 41, 2223 [IFS]; 43, 3590 [ I ~ I O ] und 47, , 1659 [1914)) 1st fur die Fettanalyse weiiig geeignet.

6 ) H o l d e u. B l e y b e r g , Ber. dtsch. chem. Ges. 60, 2499 [I927I.

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sie zur Betriebskontrolle geeignet sein sollen, aul3erdem s c h n e l l d u r c h f u h r b a r sein.

Hier eroffnet die Acetylierung in P y r i d i n , eine dem organischen Chemiker vertraute Acy- lierungsmethode, neue Moglichkeiten. Sie wurde von V e r l e y und B o l s i n g ' ) zu einer maD- analytischen Bestimmung von hydroxylhaltigzn Stoffen, z. B. atherischen Oelen und Alkoholen (Glycerin), verwandt, und besteht darin, d a D das Untersuchungsmaterial in einer Mischung von Pyridin und Essigsaureanhydrid acetyliert wird, worauf man zur Zersetzung des uberschiissigen Essigsaureanhydrids Wasser hinzufiigt und die SO gebildete Essigsaure titriert. Die genannten Ver- fasser beschreiben die Methode wie folgt :

,,Wir stellten uns zunachst durch Vermischeii von ca. 120 g Essigsaureanhydrid rnit ca. 880 g Pyr idh eine Saurelosung (Mischung) her, die bei Verwendung wasserfreier Materialien ganzlich ohne gegenseitige Ein- wirkung bleibt. Versetzt man diese Mischung mit Wasser, so wird das Anhydrid sofort unter Bildung von Pyridinacetat verseift, welches seinerseits durch Alkalien in Alkaliacetat und Pyridin zerfallt, beides Korper, welche gegen Phenolphthalein neutral rea- gieren; man kann daher die Saure titrieren.

In unserem Falle entsprachen 25 ccm Mischung 60 ccm Normallauge, doch sind wir spater zwecks groDerer Genauigkeit dazu ubergegangen, Halhnormal- lauge zu gebrauchen.

Bei einwertigen Alkoholen resp. Phenolen ent- spricht jedes Molekiil absorbierter Essigsaure einem Molekiil Alkohol (Phenol).

In einem Kolbchen von ca. 200 ccm Inhalt wagt man 1-2 g des betreffenden Alkohols (Phenols), fiigt 25 ccm Mischung hinzu und erwarmt ohne Kiihler. 1 h Std. im Wasserbade; nach dem Erkalten vcrsetzt man rnit ca. 25 ccm Wasser und titriert unter Be- nutzung von Phenolphthalein als Indikator die nicht gebundene Essigsaure zuriick.

DaD sich beim Erhitzen im Wasserbade vom An- hydrid nichts verfliirhtigt, wurde durch einen Ver- such festgestellt:

z j ccm Mischung- im offenen Kolbchen 3 Std. auf dem Wasserbade erwarmt, verbrauchten zur Sattigung 60 ccm Normallauge.

E s ist nichtig, die Mischung und die Normallauge vor dem Entnehmen genau auf diejenige Temperatur zu bringen, bei welcher ihr gegenseitiger Wirkungs- wert ermittelt wurde, da durch Nichtbeachtung dieses Umstandes bedeutende Differenzen hervorgebracht wer- den konnen. * '

Mehrere Forscher haben in neuester Zeit auf die Bedeutung dieser Methode hingewiesen: P e - t e r s o n und W e s t s ) , M a r k s und M o r - re l l9) , H o l d e , B l e y b e r g und B r i l l e s l " ) , D e l a b y und B r e u g n o t l l ) , N o r m a n n und S c h i 1 d k n e c h t 12). Die genannten Autoren ver- folgen im Prinzip die Methode von V e r l e y und B o 1 s i n g , jedoch mit Abanderung der Ver- suchsanordnung, z. B. der Mischungsverhaltnissz von Pyridin und Essigsaureanhydrid, der Ein- wirkungsdauer und Temperatur, sowie der Ap- paratur. T a u f e 1 und Mitarbeiter 13) bestimmen die Essigsaure nach Acetylierung in Pyridin und

Isolierung des Acetylproduktes nach F r e u rl e 11 - b e r g .

Um eine umfassendere Bearbeitung dieses Ge- bietes anzuregen, hat die DGF die Hydroxylzahl- Bestimmung zum Gegenstand ihres Preisaus- schreibens 1936 gemacht 14). Ehe aber dessen Ergebnis abgewartet werden konnte, verlangten die internationalen Vereinbarungen eine Entschei- dung, welche Vorschlage die DGF auf der Ta- gung inLuzern unterbreiten sollte. Herr Dir. Dr. B e r t s c h stellte bereitwillig die reichen Erfah- rungen der Bohme Fettchemie-Ges. m. b. H. und ihrer Chemiker auf diesem Spezialgebiet, insbe- sondere des Herrn Dr. N o r m a n n und des Frl. Dr. S c h i 1 d k n e c h t , zur Verfugung. Sie waren in folgender Analysenvorschrift niedergelegt und stellen eine zweckmal3ige Abandening der Vor- schrift von V e r l e y und B o l s i n g vor:

E s werden 1-1,s g des Produktes in einen 150 ccm- Stehkolben eingewogen. Je nach der Hohe der zu erwartenden Hydroxylzahl richten sich Einwaage und Zugabe des Gemisches Essigsaureanhydrid-Pyridin. Die Zugabe muD so bemessen sein, daD von dem ange- wandten Essigsaureanhydrid mindestens die Halfte wie- der zuriicktitriert wird.

Die Acetylierungsmischung besteht aus einem Vol. Teil Essigsaureanhydrid und 3 Vol. Teilen Pyridin (frisch destilliert). U m einen Blindversuch unter 5 0 ccm zu erhalten, verwenden wir z. B. 66 ccm Essigsaure- anhydrid und 216 ccm Pyridin. Die Mischung mu6 aus einer Mikroburette ganz exakt zugegeben werden; das Arbeiten mit sonstigen Pipetten und Biiretten gibt ganz ungenaue Resultate. Normalerweise geben wir bei einer Hydroxylzahl von ca. 200 5 ccm Acetylierungslosung in den I 50 ccm-Stehkolben. Dieser wird mit einem Glastrichter verschlossen und eine Stunde lang in ein Glycerinbad von 950 gestellt, und zwar so, daD der Kolben I cm tief in das Glycerin eintaucht. Nach dem Herausnehmen aus dem Gly- cerinbade und Abkiihlenlassen des Kolbens werden Trichter und Wandung mit einem sehr feinen Wasser- strahl von 1 / ~ bis I ccm abgespritzt. Die Anwendung von mehr Wasser verursacht leicht eine Entmischung der Fliissigkeit. Durch Zersetzung des Anhydrids tritt wiecler Erwarmung ein, daher laDt man nochmals abkuhlen, gibt dann ca. 5 ccm neutralisierten Alkohol zu und titriert mit alkoholischer n / z - KOH gegen Phenolphthaleh zuriick. Selbstverstandlich hat jedes- ma1 ein Blindversuch unter genau den gleichen Ar- beitsbedingungen nebenher zu gehen. Die Saurezahl des Ausgangsmaterials muD hinzugezahlt werden. Berechnung:

verbr. ccm n/z KOH X 28,055 + Saurezahl. OH-Z. =. Einwaage.

W. N o r m a n n enielte rnit dieser Arbeits- weise nachstehende Ergebnisse :

7) Ber. dtsch. chem. Ges. 34, 3354 [ I ~ o I ] . 8 ) J. biol. Chemistry 74, 372 [1927]. 9) Analyst 56, 428 [ Ig I ] .

10) Allg. Oel- u. Fett-Ztg. 28, 27 [1931]. 11) Bull. Sci. pharmacol. 39, 354 [I932]. 12) Fettchem. Umschau 40, 194 [1933]. $3) K. T a u f e l , H. T h a l e r und d e M i n g o ,

14) Fette und Seifen 43, 125 [1936]. Fettchem. Umschau 42, 141 [1935].

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eingewog. Verbr. Blind- ~ i ~ - Easigsre- vertuch

anhydrid ccm OH-Z ccm n/2 &OH 1 g Miachg.

umger. auf ccmn/2KOH entspr.:

M a t e r i a 1 waage +Pyr.Gem. Gemisch

Lorol * 1,0407 1,2701

1,3541 1,3192

Stenol * & 1,5508 aus dem 1,265 I

Betrieb 1,8583

1,0787

Ricinusol 1,1848

1,6839 1,1260

1,8013

Tetrahydro- 0,9785 furfuralkohol O,*I I

1,808 j

0,7965

Ricinol- 0,8082 sauren 0,9226

0,9145 1,1342

Naphthen- 0,9497

alkohol 0,7605 ( 3 2 5 8 ) 0,7334

0,5698

Oktadekandio10,S 103

(nicht rein) 0,9430

0,6897 0,7797 0,7618

*) Alkohol-Gemisch der Reduktion von Cocosol. **) Technische Mischung von Hexadecanol und

Octadecar 01.

Die DGF hat daraufhin diese Methode einer Anzahl von Untersuchern zuganglich gemacht und ein von Professor M a r g a i 1 1 a n - Marseille erhaltenes Ricinusol untersuchen lassen. Infolge der Kurze der Zeit und der Knappheit des Un- tersuchungsmaterials konnte nur eine begrenzte Anzahl von Mitarbeitem herangezogen werden. Die I. G. Farben-Industrie A. G. teilte im An- schluD an diese Untersuchungen durch H e m Dr. W i e t z e l die folgende in Oppau ange- wandte Form der Pyridinmethode mit :

I g Substanz wird mit 10 ccm einer Mischung t o n 88 g Pyridin und 12 g Essigsaureanhydrid in einem Schliffstehkolben mit Steigrohr I Std. gekocht. Nach dem Erkalten gibt man durch das Steigrohr 25 ccm dest. Wasser und titriert niit Phenolphthalein als Indikator rnit n / 2 - KOH.

Wichtig ist, daD die 10 ccm Acetylierungsgemisch genau abgemessen werden, d a O,I ccm schon ca.

0,s ccm KOH entspricht. Man benutzt daher eine Mikrobiirette zu 10 ccm, die in 0,05 ccm einge- teilt ist. Zur Herstellung der Mischung von Pyridin- Essigsaureanhydrid miissen reine wasserfreie Praparate verwendet werden. Die zur Analyse verwendete Aus- gangssubstanz muO wasserfrei sein.

verbr. ccm n / z - K O I I x 28,1 f Saurezahl.

Unter Beriicksichtigung der erhaltenen Ergeb- nisse und der Stellungnahme der Bearbeiter legte die deutsche Delegation in Luzern als ,,Deutsche Pyridinmethode" folgenden Vorschlag vor:

Bestimmung der Hydroxylzahl. V o r b e m e r k u n g e n : Es mu13 auf die

Schwierigkeiten hingewiesen werden, eine Me- thode festzulegen, die fur die exakte Bestimmung der Hydroxylzahl s a m t 1 i c h e r Fette und Fett- produkte geeignet ist. Es wird mitunter der Fall eintreten, daf3 Hydroxylgruppen von Oxy- sauren, ein- und mehrwertigen aliphatischen und hydroaromatischen Alkoholen und ein- und zwei- saurigen Glyceriden gleichzeitig vorliegen. Eine besondere Erschwerung bedeutet auch die Ana- lyse oxydierter und polymerisierter Fette, da hier aus Oxyden oder inneren Anhydriden Hydroxyl- gruppen nachtraglich entstehen konnen. Es eki- stiert bis heute keine Methode, die a l l e n Fail- len durch Bestimmung einer G e s a m t hydroxyi- zahl gerecht wird.

Fur naturliche Fette, z. B. Ricinusol und zahl- reiche andere Fette, halt die Deutsche Dele- gation die Acetylierung bei Gegenwart von Pyri- din, wie sie zuerst V e r l e y und B o l s i n g (Ber. Dtsch. chem. Ges. 34, 3354 [ I ~ o I ] ) vor- schlugen, fur am besten geeignet. Die ubrigen Methoden wiesen bei der Nachpriifung Mange1 auf. Die Pyridin-Methode wird in folgender Aus- fiihrungsform vorgeschlagen :

Vorschlag. Man wagt je nach Hohe der zu erwartenden

Hydroxylzahl in einen I 50 ccm - Stehkolben 1-1,s g des Produktes ein. Dazu gibt man aus einer Mikroburette ein genau gemessenes Acety- lierungsgemisch hinzu, bestehend aus I Vol. Essigsaureanhydrid und 3 Vol. Pyridin (letzteres frisch uber Bariumoxyd destilliert). Bei einer Hydroxylzahl von etwa 200 sind 5 ccm Ace- tylierungslosung notig; die Menge mu6 derart bemessen sein, daD das angewandte Essigsaure- anhydrid mindestens zur Halfte wieder zuriick- titriert wird. Der Stehkolben wird mit einem Glastrichter verschlossen und eine Std. lang in ein Glycerinbad von 9 5 0 gestellt, und zwar so, d a D der Kolben I cm tief in das Glycerin eintaucht. Nach dem Herausnehmen aus dem Glycerinbad und Abkiihlenlassen des Kolbens werden Trichter und Wandung mit einem sehr feineii Wasserstrahl von I ccrn abgespritzt. Die Anwendung von mehr Wasser verursacht leicht eine Entmischung der Flussigkeit. Bei Zersetzung des Anhydrids tritt Erwarmung ein, daher la& man nochmals abkiihlen, gibt dann ca. 5 ccm neutralisierten Alkohol zu und titriert

~- OH-Z. =--- Einwaage.

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Fette und Seifen 1937, Heft 4 153

mit alkoholischer n / 2 - KOH gegzn Phenol- phthalein zuriick. Selbstverstandlich hat jedes Ma1 ein Blindversuch unter genau den gleichen Ar- beitsbedingungen nebenher zu gehen.

B e r e c h n u n g : Bei der Berechnung ist die Saurezahl des Untersuchungsmaterials zu beriick- sichtigen.

verbr. ccm n/z - KOH ?( z8,ogj OH-Z. = _- .+ Saurezahl

Einwaage. Die auslandischen Delegationen hatten durch-

weg den alteren Methoden den Vorzug gegeben. Die franzosischen Vertreter z. B. lehnten die Pyridinmethode (in der von D e 1 a b y veroffent- lichten Form) ab. Auch der hollandische Ver- treter, Dr. V o e r m a n - ten Haag, zog die Me- thode von L e w k o w i t s c h vor. Da die er- haltenen Werte stark differierten und eine Be- schluafassung verfriiht erschien, faBte die Kom- mission folgende EntschlieDung 15):

Zur Vereinfachung und Vereinheitlichung wird der fruhere Standpunkt wiederholt festgelegt, daD ledig- lich die Bestimmung der Hydroxylzahl jnicht Acetyl- zahl) beibehalten wird, damit alle Konstanten auf I g Fett bezogen werden, im vorliegenden Falle also ausgedruckt in mg verbrauchter Kalilauge. An der Aussprache uber die nachstehend genannten verschie- denen Methoden beteiligten sich au5er den Dele,' ULerten der Lander die Herren B o u g a u l t , D e l a b y , D u - b r i s a y und L o r m a n d . a) Die Pyridin-Methode ist schnell durchzufuhren und

hat den Vorteil einer Erhitzung auf Temperaturen, die keine Veranderung der Fette bzw. Fettsauren hervorrufen konnen. Nichtsdestoweniger kann sie bisher nicht als allgemein anwendbar bezeichnet werden. Ihre Brauchbarkeit in der Ausfuhrungsform von D e l a b y ist fur Fette rnit starkem Saure- gehalt heikel. Moglicherweise wird sie in der von der deutschen Kommission vorgeschlagenen Ab- anderung, bei der die endgultige Titration in alko- holischer Losung durchgefuhrt wird, brauclibar sein. Weiterhin muO festgestellt werden, o b die Pyridin- Methode auch bei Stoffen mit kleinerer Hydroxyl- zahl genugend konstante Werte liefert. Um dicse Zweifel zli klaren, werden die verschiedenen Lander- kommissionen die Pyridin-Methode und die Destil- lations-Methode bei einem Traubenkerndl rnit starkem Sauregehalt und einem handelsublichen ErdnuDo1 vergleichsweise anwenden. Die Ausfuhrungsform wird dem Vorschlag der deutschen Delegation entsprechen.

b) Die Destillations - Methode in der von L e w k o - w i t s c h beschriebenen Form, die allgemeiner an- wendbar ist, erfordert leider eine erhebliche Zeit. Erforderlichenfalls wird . man, um Fehlerquel!en, verursacht durch fliichtige Fettsauren, auszuschalten, letztere in einem Nebenversuch bestimmen miissen. Bei Angabe der analytischen Ergebnisse muD die angewandte Methode genannt werden (Pyridin- oder Destillations-Methode). Die notwendigen Proben wurden von Professor

F a c h i n i - Mailand inzwischen versandt (Trau- benkernol und ErdnuDo1). Sie sind einer Anzahl von Mitgliedern der DGF ubermittelt worden, und zwar zugleich rnit dem obengenannten Text der ,,Deutschen Pyridinmethode" und der in- zwischen eingegangenen genaucn Formulierung der L e w k o w i t s c h - Methoden. Letztere seien nachstehend mitgeteilt :

I . F i l t r a t i o n s m e t h o d e . (Text von der Brit. Stand. Inst. B. S. S. 6 5 0 . 1936).

10-20 g des zu untersuchenden Fettes versetzt man rnit dem doppelten Gewicht Essigsaureanhydrid (Siede- temp. 137-139~) und kocht das Gemisch in einer

Jenaer - Glas - Apparatur (,,all - glas - apparatus") z Std. lang am RuckfluDkuhler. Dann gieDt man die Losung in ein 5 0 0 ccin heiDes Wasser enthaltendes 1000 ccm- Becherglas und kocht das Gemisch 30 Min. lang, wobei wahrend der ganzen Zeit, um ein StoBen der Losung zu vermeiden, ein feiner C0,-Strom durch die Losung geleitet wird. Nach Ablauf dieser Zeit unter- bricht man das Kochen und laDt die beiden Schichten absetzen, alsdann wird das Wasser abgehebert. Das zuruckbleibende Fett wird noch dreimal rnit weiteren 500 ccm hei5en Wassers versetzt und wie bereits geschildert weiter behandelt. Das so hergestellte acetylierte Fett mird durch Filtration mittels trockenen Filtrierpapieres vom Wasser befreit, erforderlichenfalls unter Anwendung eines wasserentziehenden Mittels, wie wasserfreies Natriumsulfat. 5 g des wasserfreien, acetylierten Fettes werden rnit 50 ccm einer genau eingestellten n / z - alkoh. Kalilauge versetzt und 1/2 Std. , lang am RiickfluDkuhler verseift. Nach der Verseifung wird der Alkohol auf dem Wasserbad abdestilliert und die Seife in Wasser gelost. Zu der Seifenlosung fugt man dann die der zuvor zugesetzten n / z alkoh. Kali- lauge genau aequivalente Menge n / z Schwefelsaure zu und erwarmt das Gemisch gelinde, bis sich die Fettsauren deutlich abgesetzt haben. Die Fettsauren werden abfiltriert und rnit kochendem Wasser so lange gewaschen, bis das Waschwasser neutral reagiert und schlie5lich rnit n / 10 Kalilauge (Phenolphthalein als Indikator) titriert. Um bei eventuellen Schwierigkeiten die Fettsauren leichter von der Losung zu trennen, wird die Verwendung eines geringen Ueberschusses an n / 2 - Schwefelsaure (ca. 1 , 5 ccmj empfohlen, wo- bei dann der. UeberschuD durch Titration des Filtrates mit n / 10 - Alkali zu beriicksichtigen ware.

5 g des nicht acetylierten Produktes werden in der gleichen Weise, wie beschrieben, rnit 50 ccm n / 2 - alkoh. Kalilauge verseift und weiter behandelt. Die Acetylzahl ergibt sich dann aus

A X 561 5

wobei A die Differenz zwischen der Titration des acetylierten Fettes und dem nicht acetylierten Fett bedeutet.

2. D e s t i 11 a t i o n s IJI e t h o d e. Man arbeitet nach der gleichen Methode wie unter

I beschrieben, jedoch wird nach dem Verseifen des acetylierten Produktes und nach dem Abdestillieren des Alkohols das Verseifungsprodukt in einen 500 ccm- Kolben uberfiihrt. Die Sauren werden dann aus ihren Kaliumsalzen durch einen reichlichen UeberschuD an n / 10 - Schwefelsaure in Freiheit gesetzt, und die Essig- saure durch Wasserdampf, der frei sein mu5 von Kohlendioxyd, verjagt. Man destilliert 600-700 ccm der erhaltenen Losung, eine Menge, die im allgemeinen ausreichend ist. Die letzten 100 ccm durfen dabei nicht mehr als O,I ccm n / 10 Alkali absattigen. Man titriert schliehlich die destillierte Losung rnit n / 10 - Kalilauge (Phenolphthalein als Indikator). In der glei- chen Weise macht man mit dem nicht acetylierten Proclukt einen Blindversuch. Berechnung wie bei Me- thode I angegeben.

Die n / 10 - Kalilauge mu6 frei von Carbonaten sein; die Benutzung yon alkoholischer Kalilauge diirfte daher zweckmaDig sein.

Die H y d r o x y l z a h l ergibt sich aus: a

I - o , m 7 5 a wobei a den fur die Acetylzahl gefundenen Wert bedeutet.

Die Bearbeiter werden gebeten, ihre Ergeb- nisse und Erfahrungen mit ausfiihrlicher Stel- lungnahme sobald wie moglich der Geschafts- stelle der DGF zu ubermitteln, damit diese mit den ausliindischen Delegationen in Gedanken- austausch treten kann.

16) Fette und Seifen 43, 165 [1936].