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Generation G. Die neuen Chefs im Westen

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Das Buch über die neuen Chefs im Westen

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Herausgeber: Schönfeldt & Partner Verlags GmbH, Essen. In Zusammenarbeit mit dem Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR), Der Verbandsdirektor, Kronprinzenstraße 35,

45128 Essen; Ansprechpartnerin: Dr. Sabine Lange, Fon +49(0)201-2069-563 / 226, Fax +49(0)201-2069-500, [email protected] — Projektleitung: Claudia Reiß (S&P); Dr. Sabine Lange,

Karina Kleinowski (KVR) — Autoren: Betty van Loon (Porträtteil); Claudia Reiß (Porträtteil Gastronomie); Dr. Sabine Lange und Claudia Horch (KVR), Anja Strautz (KfW Bankengruppe),

Prof. Dr. Stephan Zelewski und Dipl.-Geogr. Wolf Thomas Nußbruch (Universität Duisburg-Essen), Axel Rube (Gründergeist e.V.), Martin Unterschemmann (BJU) — Textredaktion: Holger

Krüssmann — Gestaltung /PrePress: Klaus Trommer (Art Direction), Andrea Urban, Christian Boenisch, Lars Hedwig, Regine Schmelzer — Grafik /Design: KTDC (www.ktdc.de) —

Fotografie: Andy Scholz (www.andyscholz.com) — Druck: Druckerei und Verlag Peter Pomp GmbH — Verlagsauslieferung: Verlag Peter Pomp, Gabelsberger Straße 4, 46238 Bottrop,

Fon +49(0)2041-7471-10, Fax +49(0)2041-7471-50 — Besonderer Dank gilt der Unterstützung durch die KfW Bankengruppe, insbesondere der KfW Mittelstandsbank und den Beraterinnen

und Beratern aus dem Beraterpool der KfW Unternehmeragentur. — Alle Rechte, insbesondere der Vervielfältigung und Verbreitung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden.

© Schönfeldt & Partner Verlags GmbH, Essen — 1. Auflage 2003 — ISBN 3-9808417-8-2 — € 14,80

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Konsequenz zurLebensmitte

Ererbtes neu definiert

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Zum Geleit

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Das Ruhrgebiet ist eine der bedeutendsten Industrieregionen Europas imWandel. Neue Technologie- und Gewerbestandorte sind an der Ruhr ent-standen, Dienstleistungen haben sich entwickelt und nehmen heute einedominierende Stellung ein. Für Existenzgründerinnen und Existenzgrün-der bieten sich daher hervorragende Chancen, den Weg in die unterneh-merische Selbstständigkeit zu gehen.

Wir brauchen in Deutschland eine neue Kultur der Selbstständigkeit, diedeutliche Impulse für mehr Eigenverantwortung und die Verwirklichungunternehmerischer Ideen setzt. Selbstständige Unter-nehmerinnen und Unternehmer sind der Motor unse-rer Wirtschaft. Nur mit Ideenreichtum, Risikobereit-schaft und Unternehmergeist können nachhaltigesWachstum und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.Mit jeder Unternehmensneugründung entstehen imDurchschnitt vier neue Arbeitsplätze. Der Mittelstandin Deutschland schafft rund 70% aller Arbeitsplätzeund über 80% aller Ausbildungsplätze. Er ist damitHerz und Motor unserer Sozialen Marktwirtschaft.

Wir haben in Deutschland eine umfassende Förder-landschaft für Existenzgründungen. Sowohl der Bundals auch das Land Nordrhein-Westfalen erleichtern dieStartbedingungen für Gründerinnen und Gründer. Umdie Rahmenbedingungen für Existenzgründungen unddie mittelständische Wirtschaft noch weiter zu verbes-sern, hat die Bundesregierung jetzt die Kampagne „pro mittelstand“ mit ei-nem ganzen Paket von Maßnahmen auf den Weg gebracht: Wir förderngezielt Existenzgründungen und Kleinunternehmen, bauen Bürokratie ab,

stabilisieren die Finanzierung des Mittelstandes und starten eine Ausbil-dungs- und Innovationsinitiative sowie eine Außenwirtschaftsoffensive. Dabei gehen wir besonders auf die Bedürfnisse von Gründerinnen undGründern ein. Hervorzuheben sind Elemente der Haftungsentlastung undder angepassten Margengestaltung für Hausbanken, um die Durchleitungvon Förderdarlehen zu erleichtern. Mit der neu geschaffenen Mittel-standsbank des Bundes werden sich noch bessere Fördermöglichkeitendurch Bündelung und Straffung der Förderprogramme bieten. In einem„small business act“ haben wir für Gründungen und bestehende Klein-

unternehmen die Steuer- und Buchführungsregeln ver-einfacht und die soziale Absicherung bei Unterneh-mensgründungen verbessert. Wir wollen den Berufs-zugang im Handwerk und für nichthandwerkliche Exi-stenzgründungen deutlich erleichtern.

Zum Thema des unternehmerischen Generations-wechsels hat sich die „nexxt“ Initiative Unternehmens-nachfolge mit ihrer Internetplattform zum Anlauf-punkt für Informationen entwickelt. Als Alternative zuNeugründungen bieten sich für Gründerinnen undGründer gute Chancen, sich im Wege der Unterneh-mensnachfolge selbstständig zu machen.

Existenzgründungen sind heute wichtiger denn je.Menschen, die ihr Leben selbst gestalten und unter-nehmerische Verantwortung übernehmen wollen, ha-

ben in unserem Land gute Chancen. Ich hoffe, dass die in diesem Buch dar-gestellten Beispiele von erfolgreichen Gründungen viele Menschen ermuti-gen, den Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit zu wagen.

Ihr

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

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Vorwort

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zum Start in die Selbstständigkeit gehört neben eigener Initiative eine gu-te Portion Mut. Das gilt in der aktuellen Wirtschaftslage mehr denn je. Ho-he Insolvenzraten ermuntern potenzielle Existenzgründer nicht unbedingt,sich heutzutage selbstständig zu machen. Banken und Sparkassen sind äu-ßerst zurückhaltend bei der Vergabe von Krediten, nurselten kann man auf Förderpreise, geschweige denn aufVerständnis und entsprechende Hilfe hoffen.

Andererseits wird immer wieder zu Recht darauf hin-gewiesen, wie wichtig gerade kleine und mittelstän-dische Unternehmen als Motor unserer Wirtschaftsind. Wir brauchen innovative Geschäftsideen, neueTechnologien und die Erschließung neuer Kunden-gruppen. Ganz besonders im Ruhrgebiet, das nochimmer bei der Zahl der Selbstständigen im Deutsch-landvergleich einen der hinteren Plätze einnimmt.

Die Hürden auf dem Weg in eine erfolgreiche Selbst-ständigkeit sind hoch aber nicht unüberwindbar. Die-se Publikation kann die Probleme nicht aus der Welträumen. Sie will Ihnen aber bei der Risikoabwägung be-hilflich sein und Ihnen einen realistischen Überblick über die Möglichkei-ten und Risiken einer Existenzgründung liefern. Auf die üblichen Statisti-

ken und betriebswirtschaftlichen Hochrechnungen wird bewusst verzich-tet. Grundidee des Buches ist es, Ihnen branchenübergreifend ehrliche Bei-spiele aus der Berufspraxis vorzustellen, verbunden mit Basisinformationenund einem Serviceteil zum Thema Gründung.

Es kommen diejenigen zu Wort, deren eigene Erfah-rungen ein umfassendes Bild unternehmerischer Ent-wicklungen vermitteln können – inklusive der Krisenund der notwendigen Kurskorrekturen: Persönlichkei-ten, die in den letzten Jahren Unternehmen gegründetoder von Grund auf umstrukturiert haben. Denn was istaufschlussreicher als eine Sammlung von Fallbeispielenaus der Praxis? Wer berät besser als jene Unternehmer,die tagtäglich an der Front stehen, um ihre Existenz zusichern? Unternehmer, die lange genug im Geschäftsind, um praktikable Tipps zu geben.

Mit den Geschichten und Porträts aus dem unterneh-merischen Alltag möchten wir Ihnen Mut und Lust ma-chen. Wir möchten Selbstständigkeit als das darstellen,was es tatsächlich ist: Chance und Herausforderung,aber auch Entscheidung für verantwortliches Handeln

in ungewissen Zeiten. Wir glauben daran, dass sich gute Ideen durchset-zen. Auch heute.

liebe leserinnen und leser,

Ihr

Dr. Gerd Willamowski,Verbandsdirektor des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR)

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Essays

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Konzern- und Dienstleistungsstandort. Das Ruhrgebiet hat sich vomeuropaweit wichtigsten Montanindustriestandort innerhalb weniger Jahr-zehnte zu einem vielfältigen Konzern- und Dienstleistungsstandort entwi-ckelt. Rund ein Fünftel der hundert größten deutschen Unternehmen hatseinen Sitz im Ruhrgebiet.Die ehemals monostrukturierten Großkonzerne bewegen sich inzwischenauf breiter Basis: Maschinen- und Anlagenbau, Steuer- und Regelungs-technik, Umwelttechnologie, Informations- und Kommunikationstechno-logie, Mikrostruktur- und Medizintechnik sind neue Geschäftsfelder. In-novative Klein- und Mittelbetriebe tragen zur diversifizierten Wirt-schaftsstruktur bei. Für sie bietet die Region enorme Flächenpotenziale;Standorte, die heute zum Beispiel von Technologie- und Gewerbeparks ge-nutzt werden. Die Städte der Region entwickeln eigene Kompetenzfelder:So hat sich beispielsweise in Dortmund – zunehmend auch internationalbeachtet – eine Reihe von jungen Firmen auf die Entwicklung von Software

spezialisiert. Die Stadt plant, bis zum Jahr 2010 durch eine breit angeleg-te Expansion in den Bereichen Informationstechnologie, E-Commerce undMikrosystemtechnik bis zu 70.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen.Auf dem Logport-Gelände in Duisburg-Rheinhausen, wo einst die Krupp-Hütte stand, entsteht ein Logistikzentrum. Die wachsende BedeutungDuisburgs als Logistikdrehscheibe beruht nicht zuletzt auf der günstigenVerkehrslage, z.B. dem Duisburger Hafen mit Anbindung an die Nordsee.Essen ist nicht nur Standort führender deutscher Energiekonzerne wieRWE, RAG, Ruhrgas und Steag, sondern auch Sitz bedeutender Handels-unternehmen wie etwa Karstadt. Die Stadt hat sich zudem, wie Dortmund,zu einem bedeutenden Messe- und Kongresszentrum entwickelt.Darüber hinaus entstehen im Ruhrgebiet viele neue Arbeitsplätze in derMedizintechnik und der Gesundheitswirtschaft, gestützt durch einezunehmend engere Kooperation zwischen Forschern, Produzenten undAnwendern.

400 qkm Fläche, 5,4 Mio Einwohner, 11 kreisfreie Städte, vier Kreise, über 2.100 ha sofort

verfügbare Gewerbe- und Industrieflächen, über 30 Technologie- und Gründerzentren, über

ein Dutzend Transferstellen der Hochschulen, eine Vielzahl von Dienstleistern, Ansprech-

partnern und Netzwerken. Wo sonst finden Sie so viel Raum und Partner für Ihre Ideen?

wirtschaftsstandort ruhrgebiet

von dr. sabine lange und claudia horch

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Für junge Technologieunternehmen und ExistenzgründerInnen bieten über30 Technologie- und Gründerzentren im Ruhrgebiet eine erste stabile Ge-schäftsbasis. Mehr als 600 Firmen können hier schon auf die Vorzüge einervorhandenen Infrastruktur mit Büro- und Produktionsflächen zurückgrei-fen.Aus der Montanregion der Vergangenheit hat sich eine vielschichtigeTechnologieregion entwickelt, die beste Voraussetzungen für erfolgreichesund effizientes Wirtschaften bietet.

Standort für Forschung und Entwicklung. Forschung und Entwicklung haben wesentlichen Anteil am Strukturwandel der Industrieregion Ruhr-gebiet. Da Wissenschaft und Wirtschaft vom Informationsaustausch leben,hat sich im Ruhrgebiet eine reich differenzierte Transferlandschaft heraus-gebildet. Auch eine Reihe von Forschungseinrichtungen hat hier ihren Sitz.

Zur besseren Vermittlung zwischen Wissenschaft und potenziellen An-wendern sind an allen Universitäten und vielen Fachhochschulen Trans-ferstellen geschaffen worden, die insbesondere Klein- und Mittelbetriebenohne eigene Forschungsabteilung einen Zugang zu dem neuesten wissen-schaftlichen Know-how ermöglichen. Außeruniversitäre wissenschaftlicheForschung erfolgt insbesondere in den vier Fraunhofer-Instituten (Mikro-elektronik / Materialfluss und Logistik / Software und Systemtechnik /Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik), den Max-Planck-Instituten(Ernährungsphysiologie / molekulare Physiologie / Strahlenchemie /Kohlenforschung), den Bund-Länder-Instituten der sogenannten „BlauenListe“ (Arbeitsphysiologie / Spektrochemie / Wirtschaftsforschung /Kinderernährung / Montangeschichte) sowie den Forschungsinstituten

der Industrie. Ein Beispiel für private Forschungs- und Entwicklungszen-tren im Ruhrgebiet ist das Institut für Mobil- und Satellitentechnik (MST)in Kamp-Lintfort. Ein besonderer Forschungsschwerpunkt besteht in derWeiterentwicklung von Umwelttechnologien, u.a. zur Sanierung von Alt-lasten, zu abfallvermeidender Prozess- und Produktgestaltung und zumEinsatz regenerativer Energien (u.a. Solar- und Brennstoffzellentechnik).Zu einem weiteren Standbein hat sich der medizinisch-technische For-schungsbereich entwickelt, mit mikroinvasiver Chirurgie, implantierbarenHörhilfen, neuen Medikamenten und Nachweisverfahren. An der Entwi-cklung neuer Werkstoffe und den Verfahren zu ihrer Be- und Verarbeitung,an Informatik und Mikroelektronik wird im Ruhrgebiet geforscht.

Bildungsstandort. Auf dem Weg zu einem dynamischen Industrie-, Han-dels- und Dienstleistungszentrum entstand im Ruhrgebiet aber auch eine

einzigartige und moderne Bildungslandschaft. Mit der Ruhr-UniversitätBochum bekam die Region erst 1962 ihre erste Hochschule. Heute verfügtdas Ruhrgebiet über das dichteste Hochschulnetz in ganz Europa. Nebenden vier großen Universitäten in Bochum, Dortmund, Duisburg und Essenetablierten sich zahlreiche Fachhochschulen, eine Fernuniversität in Ha-gen sowie die erste deutsche Privatuni in Witten/Herdecke. An den sechsUniversitäten sowie den acht Fachhochschulen und ihren Abteilungen stu-dieren rund 170.000 Personen, wobei die naturwissenschaftlichen Fächersowie die Ingenieurwissenschaften mit Anteilen von 31% gut vertretensind. Die meisten StudentInnen im Ruhrgebiet werden in den BereichenRechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ausgebildet. Seit 2001 bie-ten die Fachhochschule Gelsenkirchen und der Siemens-Konzern

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gemeinsam einen dualen IT-Studiengang an. Die Ausbildung von Informa-tions-Spezialisten übernimmt Siemens in Eigenregie; die FH als staatlicheHochschule verantwortet die Lehrinhalte und die Prüfung. Damit werdenneue Maßstäbe in der hochschulpolitischen Landschaft gesetzt und Eng-pässen im Bereich der Informationstechnologie entgegengewirkt. Dazubietet das Ruhrgebiet vielfältige Möglichkeiten zur beruflichen Fort- undWeiterbildung, getragen von Wirtschaftsverbänden, Industrie- und Han-delskammern, Gewerkschaften, Handwerkskammern und privaten Trä-gern. Der Weiterqualifizierung von Führungskräften widmen sich zwei tra-ditionsreiche Spitzeninstitute: das „Essener Haus der Technik“ und die „Ge-sellschaft für Technik und Wirtschaft“ in Dortmund. PraxisorientierteWeiterbildung für Graduierte bieten auch die Hochschulen selbst an.

Infrastrukturausstattung. Im Ruhrgebiet entstand im Laufe der Zeit eineso dichte Verkehrsinfrastruktur wie in keinem anderen Ballungsraum in Eu-ropa. Der größte Binnenhafen der Welt in Duisburg und ein engmaschigesKanalnetz ermöglichen die weltweite Verschiffung von Gütern. Für deneuropäischen Straßen- und Schienenverkehr ist das Ruhrgebiet Dreh- undAngelpunkt. Das Ruhrgebiet wird durch die internationalen Verkehrsflug-häfen Düsseldorf und Köln/Bonn mit Zielen in der ganzen Welt verbun-den. Daneben konnte sich Dortmund/Wickede als bedeutender Zubrin-ger- und Regionalflughafen etablieren. Um den Verkehrsfluss im Ruhrge-biet reibungsloser zu gestalten, wird das Verkehrsleitsystem „Ruhrpilot“entwickelt. Grundlage ist ein alle Verkehrsarten umfassender Datenver-bund, der für die optimale Verbindung zwischen Fernverkehr, öffentlichemPersonennahverkehr und Individualverkehr sorgen soll. Die Region istKnotenpunkt nationaler und internationaler Rohrleitungssysteme für denTransport von Erdgas, Mineralöl und Mineralölprodukten (Chemsite: Neu-bau Polypropylen-Leitung). Das Dienstintegrierende Digitale Netz(ISDN) zur Übertragung aller Telekommunikationsdienste für Sprache,Text, Bild und Daten sowie das Breitbandnetz für den Verbund von Rech-nern oder für Videokonferenzen versorgt das Ruhrgebiet flächendeckend.An der Entwicklung neuester Informations- und Kommunikations-Tech-nologie wird im Ruhrgebiet stetig geforscht.

Freizeit und Erholung. Die heutige Kulturszene im Ruhrgebiet ist engverbunden mit der wirtschafts- und sozial-historischen Entwicklung sowieden tiefgreifenden strukturellen Wandlungsprozessen der letzten 150 Jah-re. Historische und moderne Kulturstätten auf engem Raum bedeuten ei-ne unvergleichliche Vielfalt. Nahezu 200 Museen, 5 Opernhäuser, 5 Tanz-kompanien, 8 Theater und etwa 150 Bühnen, Musicals, internationale undnationale Festivals, 30 soziokulturelle Zentren usw. machen die Region zueiner der dichtesten Kulturlandschaften der Welt. Das Ruhrgebiet bewirbtsich für 2010 als „Kulturhauptstadt Europas“. Viele ehemalige Werksanla-gen dienen inzwischen als Kulturzentren oder stehen dem Besucher als ein-drucksvolle Zeugen der Industriegeschichte zur Besichtigung offen. DasFreizeitangebot des Ruhrgebiets ist außergewöhnlich vielfältig. Die Ge-samtheit der zahlreichen Freizeiteinrichtungen der Ruhrgebietsstädte und-gemeinden mit ihren individuellen Schwerpunkten macht die einzigarti-ge Angebotsfülle dieser Region aus. Zahlreiche Parks und Erholungsanla-gen, Vergnügungsparks, Zoologische Gärten, Kinos, Discotheken, Clubs,Bars, Restaurants und vieles mehr bieten die Möglichkeit, die Freizeit imRuhrgebiet facettenreich zu gestalten. Sport im Ruhrgebiet – das heißt tra-ditionell: Fußball. Sport im Ruhrgebiet ist aber auch und vor allem das Ne-ben- und Miteinander von Freizeitsport jeder Art. Das Ruhrgebiet verfügtüber mehr als 10.000 Sportstätten für die verschiedensten Sportarten – vomBreitensport bis zum Extremsport. Ob Skifahren in Bottrop, Formel-1 Flairauf einer der zahlreichen Kartbahnen oder doch lieber Fußball, Reiten, Ru-dern, Tennis, Golf, Volleyball, ... alles ist möglich.

Wenn Sie Interesse an dieser Region haben, dann ist der Kommunalver-band Ruhrgebiet (KVR) Ihr zentraler, regionaler Ansprechpartner. ImNetzwerk mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur entwickelt undfördert der KVR regionale Initiativen, berät und unterstützt, moderiertund vernetzt. Für die Wirtschaft ist er erster Ansprechpartner in allen re-gionalen Fragen. Er bietet Unterstützung bei der Suche nach Standortenim Ruhrgebiet, nach Kooperationen oder strategischen Allianzen und lie-fert fundierte Beratung vor, während und nach der Gründung eines Unter-nehmens.

Dr. Sabine Lange ist Leiterin des Teams Regionale Wirtschaftsförderung beim KVR, Claudia Horch

ist Mitarbeiterin im Team Regionale Wirtschaftsförderung beim KVR, Essen.

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I. Entwicklung in NRW.Menschen, die „Lust auf Zukunft haben“ und damit einen aktiven Beitragzur positiven Entwicklung in NRW und besonders im Ruhrgebiet leisten,machen sich selbstständig. Sie haben unsere Hochachtung verdient,Unterstützung von allen Seiten ist notwendig. Dafür ist es auch wichtig,dass sich unser Unternehmerbild deutlich verändert.Mich persönlich hat es sehr motiviert, mit vielen solcher Neuunternehmerzu arbeiten. Es waren ausnahmslos engagierte, lebensfrohe Menschen, diedie Verantwortung für ihre Zukunft in die eigenen Hände genommenhaben. Sie waren bereit, ein hohes Risiko einzugehen. Dieser Mut zähltumso mehr, da Insolvenzen bekanntermaßen seit Jahren steigen. JungunternehmerInnen sind bereit, für ihre Zukunft weit mehr als in unse-rem Lande üblich zu arbeiten. Sie sind die einzigen, die in den letzten zehnJahren Netto-Arbeitsplätze geschaffen haben und viele neue Perspektivenerst ermöglichten. Neben Kapital, Initiative und guten Ideen sind Informationen aus neutra-ler und kompetenter Quelle am Anfang eines Weges in die Selbstständig-keit das „A & O“. Zum Glück gibt es in der Region eine Reihe von Ange-boten, die es zu finden, zu filtern und für den Einzelfall zu nutzen gilt. Zur schnelleren Übersicht sind im Folgenden alle hilfreichen Stellen fürGründungsberatungen räumlich und inhaltlich strukturiert aufgelistet. ImSchlussteil des Buches finden Sie darüber hinaus eine Link-Liste zu denwichtigsten Akteuren und Institutionen.

II. Heutige Struktur der Anlaufstellen und Unterstützer.1. Das Land NRW. Die Basis in NRW wird durch Go! (Go! – Das Grün-dungsnetzwerk) sowie MOVE (Mittelstands-Offensive) gebildet. Von der

Landesebene aus erfolgt die Organisation und Steuerung des Gesamtge-schehens. Hier werden die Grundsatzentscheidungen hinsichtlich der mög-lichen Förderungen und der geförderten Branchenschwerpunkte getroffen. 2. Das Ruhrgebiet. Innerhalb des Ruhrgebietes sind verschiedene Ak-teure mit unterschiedlichen Schwerpunkten tätig:Die landeseigene „Projekt Ruhr GmbH“, der privat-gemeinnützige „VereinPro Ruhrgebiet“ und der öffentlich-rechtliche Kommunalverband Ruhrge-biet (KVR) fördern den Standort Ruhrgebiet und sind demzufolge auch inSachen Existenzgründung aktiv, indem sie die Gründer der Region anspre-chen und ihnen Möglichkeiten des Meinungs- und Erfahrungsaustauschesbieten. KVR und Projekt Ruhr GmbH stellen hierfür Internet-Plattformenwie das Businessportal.de (initiiert vom KVR) und das Starternetz.de (Pro-jekt Ruhr) zur Verfügung. Der Initiativkreis Ruhrgebiet bietet Unterstüt-zung mit der Ideenbörse-PROGRESS, der Verein Pro Ruhrgebiet hinge-gen bündelt sowohl die Aktivitäten der „Business Angels Ruhr“, als auch den„Gründer-Support-Ruhr“. 3. Städte und Regionen. Die Handwerkskammern, Industrie- und Han-delskammern und andere Einrichtungen der Wirtschaftsförderung dienen vorOrt als erste Orientierungsstelle und als Anlaufstelle für die Beantragung vonZuschüssen für eine Unternehmensberatung. Auf ihre Initiative hin wurdenGründernetzwerke geschaffen, die die meisten am Thema interessierten undbeteiligten Institutionen einbeziehen (IHKs, Technologiezentren, Gründer-zentren, Berater, Krankenkassen, Arbeitsamt etc.). Ihre Dachgesellschaften LGH (Landes-Gewerbeförderstelle für das Hand-werk e.V.), IBP (IHK Beratungs- und Projektgesellschaft mbH) und RKW (Ra-tionalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V.) ver-walten die Fördertöpfe.

initiative und lust auf zukunft –gründerzentren im westen

von axel rube

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In einzelnen – insbesondere strukturschwachen Gebieten arbeiten darüberhinaus zahlreiche regional ausgerichtete Kompetenzzentren. Z.B.: > ELGO! (Emscher-Lippe Gründungsnetzwerk e.V.) > EN-Agentur (Wirtschaftsförderungsagentur Ennepe-Ruhr GmbH) > ÖBIS (Örtliche Beratungsagentur für junge Leute mit Ideen zur Selbst-

ständigkeit Essen/Oberhausen)In den einzelnen Städten werden zudem branchenorientierte „Gründer-stammtische“ angeboten. Gute Beispiele hierfür sind die „Meet IT“ fürbereits bestehende IT-Unternehmen sowie das „IT-Startforum“ für jungeUnternehmen und ExistenzgründerInnen in Essen, genauso wie dasDortmund-Projekt mit „Start2grow“.4. START-Messe (bundesweit). Die Messe für Existenzgründung, Fran-chising und junge Unternehmen ist die größte Messe ihrer Art im Bundes-gebiet und wird vom Veranstalter IMP in Zu-sammenarbeit mit Go! Dem Gründungsnetz-werk NRW organisiert. Die START ist ein wich-tiges Standbein der Gründungsoffensive inNRW. Sie bietet für Gründer und junge Unter-nehmer seit Jahren eine hervorragende Platt-form, um sich über alle relevanten Themen zuinformieren und sich einen Überblick über die Unterstützungsmöglich-keiten zu verschaffen. Die START (www.start-messe.de) findet jährlichEnde September in der Messe Essen statt.5. Zielgruppenberatung. Zusätzlich, teilweise überschneidend, gibt esAngebote für die Beratung spezieller Zielgruppen. Sie richten sich für denStart in die Selbstständigkeit u.a. an Frauen, Langzeitarbeitslose, Auslän-derInnen, Universitätsabsolventen oder etwa „ErfinderInnen“. So bemühensich die Transferstellen der Hochschulen im Ruhrgebiet speziell um Fach-hochschul- und Hochschulabgänger. Entsprechende Anlaufstellen könnenüber die Go!-Hotline oder die Gründungsnetzwerke erfragt werden.6. Freie Beratung und andere wirtschaftlich eigenfinanzierte Unter-stützung. Mittlerweile beraten auch eine Vielzahl von freien Unterneh-mensberaterInnen unterschiedlicher Qualität und Spezialisierung Exi-stenzgründer. Die Qualität hängt wesentlich von der Erfahrung der Berater,

gerade im Umgang mit Gründern, deren Berufserfahrungen und sonstigenWeiterbildungen ab. Die Qualitätsunterschiede sind ausgesprochen groß.ExistenzgründerInnen können sich vorab einen ersten Eindruck verschaf-fen, da erfahrene Berater in aller Regel kostenfreie Erstgespräche anbietenund bei allen wesentlichen Anlaufstellen bekannt und gelistet sind.Vorteile können sich bei einer „freien“ Gründungsberatung dadurchergeben, dass hier meist ein vollständiger Überblick über die möglichenFörder- und Zuschussprogramme von Bund und Ländern besteht. DieBerater können einen effektiven Weg während der gesamten Gründungs-phase aufzeigen. Sie sollten neutral die Konzepte analysieren und gemein-sam mit den Gründern Businesspläne erarbeiten, die auch als Finanzie-rungsanfrage genutzt werden können. Darüber hinaus widmen sichStiftungen und Vereine speziellen Themenbereichen und Aufgaben.

III. Hoffnung auf Zukunft – ein Ausblick. Angesichts der viel zitierten Globalisierungwächst in allen Volkswirtschaften des „alten“ Eu-ropas die Notwendigkeit zu mehr Eigeninitia-tive und Eigenverantwortung. Aktuelle Studien,z. B. des „Global Entrepreneurship Monitor“

(GEM), zeigen auf, dass in Deutschland in vielen Bereichen gute Aus-gangsvoraussetzungen bestehen. Eine gründungsbezogene Aus- und Wei-terbildung steckt dabei noch in den Kinderschuhen. Auch wenn die öf-fentliche Förder-Infrastruktur (Rang 3) als sehr gut beurteilt wird, schließtdie Unterstützung von Gründern (Rang 26 von 37 möglichen) schlecht ab. Viele zögern aus Angst zu scheitern. Der gesellschaftliche und institutio-nelle Umgang mit Gründern, aber eben auch mit ggf. in ihrer Initiativegescheiterten Unternehmern sollte sich grundsätzlich ändern. Stigmati-sierung und Ausgrenzung sind für die Einzelnen bitter, wenn sie zusätzlichzu den finanziellen Folgen eines Fehlschlags erlebt werden. Im gesell-schaftlichen Effekt sind sie – weil demotivierend – kontraproduktiv.Ansehen und Motivation der Akteure im Mittelstand müssen noch deut-lich steigen, denn wir brauchen viele neue Energien, insbesondere, um dasRückrat unserer Volkswirtschaft auf Dauer leistungsfähig zu halten.

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Axel Rube ist selbstständiger Unternehmensberater und Vorsitzender „Gründergeist e.V.“, Essen.

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existenzgründungen aus hochschulen des ruhrgebietes

– am Beispiel der Region Duisburg-Essen –von prof. dr. stephan zelewski und dipl.-geogr. wolf thomas nussbruch

1. Zur Lage von Spin-offs aus Hochschulen in NRWIn Nordrhein-Westfalen erhöhte sich zwischen 1995 und 2000 der Anteilder Selbständigen mit Universitätsabschluss – im Vergleich zum Bundes-durchschnitt überproportional – von 20,6% auf 27,7%. Der Weg in dieSelbstständigkeit nach einem Studienabschluss entwickelt sich also ver-stärkt zu einer Option für HochschulabsolventenInnen. Hierbei erfahrendie potenziellen ExistenzgründerInnen vielfältige Unterstützungsangebo-te. Erste Grundlagen werden schon während des Studiums durch Qualifi-zierungsangebote gelegt, die vornehmlich konzeptionelles Wissens überUnternehmensgründung und Unternehmensführung vermitteln. Für denwichtigen Ausbau der erforderlichen praktischen Fähigkeiten, wie z.B. dasVerfassen eines Business-Plans, existieren zahlreiche Angebote, die bis zurindividuellen Beratung (Coaching) einer konkreten Gründungsidee rei-chen können. Konkrete Beispiele für diese Unterstützungsangebote bildendie Aktivitäten an der Universität Duisburg-Essen, die jüngst selbst auf„innovative“ Weise aus zwei Ruhrgebietsuniversitäten via Fusion hervorge-gangen ist.

2. Initiative Campus-Start Essen (ICE) und Fonds für Essener Existenzgründer (FEE)2.1 ÜberblickIm Rahmen der Initiative Campus-Start Essen (Projekt ICE;

http://www.campus-start.de/) wurde im Oktober 2001 eine hochschular-tenübergreifende Kooperation zwischen der Universität Duisburg-Essen(damals: nur Essen), der Fachhoch-schule für Oekonomie & Manage-ment Essen und der Folkwang-Hochschule Essen ins Leben geru-fen. Sie wird als ein „Public-Priva-te-Partnership“ vom Institut fürProduktion und Industrielles Infor-mationsmanagement (PIM) desFachbereichs Wirtschaftswissen-schaften sowie der inomic GmbHdurchgeführt. Das Institut PIMträgt als Projektträger die Gesamt-verantwortung. Die inomic GmbHagiert als Ansprech- und Coaching-Partner sowie Projektmanager für Exi-stenzgründungen aus den beteiligten Hochschulen.Der Fonds für Essener Existenzgründer (FEE) wurde von der Sparkasse Es-sen eingerichtet. Er ist zunächst auf eine Laufzeit von fünf Jahren und fürmaximal fünf StipendiatInnen pro Jahr ausgelegt. Für diesen ersten Ab-schnitt wurde er von der Sparkasse Essen mit großzügigen Finanzmittelnim Umfang von insgesamt 500.000 Euro dotiert. Durch die FEE-Stipendien

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werden ExistenzgründerInnen aus dem wissenschaftlichen Bereich in derfrühen Phase der Ideenfindung und -ausarbeitung gefördert. Zur Bewer-bung um ein Existenzgründerstipendium wird ein plausibles, Erfolg ver-sprechendes Konzept für eine Gründungsidee erwartet. Die ausgearbeite-ten Geschäftsideen sollen nach Abschluss der Förderung jeweils zur Grün-dung eines gewerblichen Unternehmens führen.Der Fonds für Essener ExistenzgründerInnen und das ICE-Projekt sind engmiteinander verflochten: Der FEE-Fonds stellt den finanziellen Kern für dieUnterstützung potenzieller Existenzgründer dar. Das ICE-Projekt bildetein Rahmenprogramm. Es vermittelt existenzgründungswilligen Hoch-schulangehörigen die einschlägigen betriebswirtschaftlichen Fachkennt-nisse und Soft Skills, die für ein erfolgreiches Gründungsvorhaben unver-zichtbar sind. Es wendet sich vor allem an Hochschulangehörige, die keinwirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert haben, sondern z.B. aus

den Ingenieur-, Medizin- oder Naturwissenschaften stammen, steht abergrundsätzlich allen Interessierten offen.

2.2 Module des Projekts ICEDie Veranstaltungen des Ausbildungsprogramms ICE TRAIN werden al-len Studierenden und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der beteiligtenHochschulen, insbesondere den Stipendiaten des FEE-Stipendienpro-

gramms offeriert. Die SeminarteilnehmerInnen sollen sich wesentlicheKenntnisse und Fähigkeiten für die Entstehung und das Management vonökonomisch erfolgreichen Innovationen in der modernen Wirtschaft an-eignen. Dabei steht die Verwertung von Erkenntnissen – sowohl technisch-naturwissenschaftlicher als auch dienstleistungsorientierter Art – aus demBereich der Hochschule durch Unternehmensausgründungen im Vorder-grund.Über diese regelmäßige Veranstaltungsreihe hinaus werden potenziellenExistenzgründern weitere Seminare angeboten. Dazu gehört ein ganztägi-ges Seminar „Kommunikation und Gesprächsführung für Gründer“, in demGrundlagen einer zielführenden Kommunikation und wesentliche Präsen-tationstechniken trainiert werden. Ein Existenzgründerseminar „Verwer-tung von Innovationen und Entrepreneurship“ vermittelt praxisbezogenesHandlungswissen zur Ausgestaltung eines Unternehmenskonzepts – bis

hin zu einem Business-Plan. Aus dem Seminar sind bereits konkrete Unter-nehmenskonzepte hervorgegangen. Die ersten Business-Pläne wurden imOktober 2002 innerhalb des u-STARt Campus-Workshops „Entrepre-neurship & Design“ präsentiert.Das Modul ICE COACH bietet sowohl Einzelgründern als auch Gründer-teams ein Coaching an, das auf die jeweils verfolgte Gründungsidee zuge-schnitten ist. Die Coaching-Leistungen werden aus drei Gründen voll-

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ständig seitens der inomic GmbH erbracht. Erstens hat sie bereits eine Viel-zahl von Existenzgründungsprojekten professionell begleitet und verfügtdaher über einschlägige Erfahrungen. Zweitens handelt es sich um einenSpin-off aus den Universitäten Leipzig und Essen, sodass die speziellenGründungsprobleme im Hochschulbereich der inomic GmbH wohl ver-traut sind. Drittens verfügen ihre MitarbeiterInnen wegen ihrer eigenenuniversitären Herkunft über ähnliche Denk- und Sprachmuster wie dieFEE-Stipendiaten und ICE-Teilnehmer, so dass Mentalitäts- und Kommu-nikationsbarrieren nicht zu befürchten sind.

Das ICE NETWORK bietet in der Region Duisburg-Essen Kontakte zukompetenten Gesprächs- und potenziellen GeschäftspartnerInnen inallen Phasen der Gründung. Gleich, ob es um die Erstellung einesFinanzplanes, um die juristische Ausgestaltung eines jungen Unterneh-mens oder um Vertriebsstrukturen geht: Erfahrene Berater bieten spezi-fische Unterstützung. Sehr konkrete Hilfen gewähren auch das EssenerGründungsnetzwerk und die Essener Sparkasse, die sich in das ICE-Netzwerk eingebracht haben. Zahlreiche Kontakte sind intensiv ausge-baut worden, so mit dem Essener Technologie- und EntwicklungsCen-trum ETEC, der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH sowieder Business-Angels-Agentur Ruhr e.V. (BAAR e.V.). Als Modul ICESTUDY wurde im Sommer 2002 eine regionale Existenzgründerstudie

durchgeführt, die insbesondere die Gründungswilligkeit von Studieren-den am Standort Essen untersuchte. Sie hat wichtige Einblicke in Vor-stellungen und Bedürfnisse von potenziellen ExistenzgründerInnen so-wie Lücken im Angebot entsprechender Unterstützungsleistungen ge-liefert. So gaben 31,6% der Befragten an, dass sie ihr Studium überwie-gend dazu nutzen wollen, sich auf ihre spätere Selbstständigkeit vorzu-bereiten. Über 22% der Studierenden schätzten ihre Motivation, sichnach ihrer Ausbildung selbstständig zu machen, als „hoch“ oder sogar„sehr hoch“ ein.

3. Existenzgründungsaktivitäten am Standort Duisburg3.1 Darstellung des Status QuoAm Standort Duisburg der Universität Duisburg-Essen (vormals Ger-hard-Mercator-Universität Duisburg) arbeitet die Transferstelle Hoch-schule-PraxisTHP (www.uni-duisburg.de/THP/html/existenz) seit 1994auf Initiative des Rektorats daran, das „Gründungsklima“ nachhaltig zuverbessern. Direkte und bereits in gemeinsame Aktivitäten involvierteKooperationspartner im gründungsbezogenen Netzwerk der THP warenbislang außerhalb der Universität in erster Linie innovationsorientierteVC-Gesellschaften sowie regionale oder überregionale Unternehmen.Darüber hinaus sind die Technologiezentren und Kammern der Regionsowie Verbände weitere Netzwerkpartner.

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3.2 Bisherige MaßnahmenDie THP hat seit 1994 verstärkt Aktivitäten zu einer Verankerung desSelbstständigkeitsgedankens in der Hochschule unternommen. Damalsberichteten erstmals ehemalige Studierende über ihre individuellen Erfah-rungen mit der Selbstständigkeit. Diese Veranstaltung war der Start einesseitdem in jedem Semester angebotenen „Praxisseminars Existenzgrün-dung“, das von der THP in Kooperation mit der Gesellschaft für innovati-ve Beschäftigungsförderung NRW (G.I.B.) durchgeführt wurde.Dieses Angebot wurde durch den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Breith-

ecker zu einem umfassenden Lehrangebotnamens small business management (sbm)weiterentwickelt. Finanziell stark unter-stützt durch das Land NRW und Industrie-partner startete der sbm-Lehrbetrieb alsuniversitäres Pilotprojekt im Rahmen derGründungs-Offensive Go! NRW im Win-tersemester 1999/2000 (www.uni-duis-burg.de/sbm). Dabei ist sbm ein zusätzli-ches Lehrangebot, bei dem in praxisorien-tierten Workshops das betriebswirtschaft-liche und juristische Verständnis geschultund unternehmerische Fähigkeiten trai-

niert werden. Zugleich wird konkret die Befähigung geschult, eine Ge-schäftsidee auf ihre Erfolgsaussichten hin zu beurteilen, sie überzeugendzu vertreten und schließlich auch umsetzen zu können.Obwohl als freiwilliges Angebot konzipiert, verbuchte sbm bereits zumAuftakt eine Beteiligung von 120 TeilnehmerInnen. Auch die sbm-Jahr-gänge 2000/2001 und 2002/2003 wiesen jeweils weit über 100 Anmeldun-gen auf, von denen aus Effizienzgründen nur jeweils 60 aufgenommen wur-den, wobei inzwischen eine – bei erfolgreicher Zertifizierung – rückzahl-bare Teilnahmegebühr von 100 EUR eingeführt wurde. Insgesamt führtendiese Aktivitäten bisher zu 17 Existenzgründungen. Die Umsetzung vonsbm als qualifizierendes Querschnittsangebot hat das Gründungsklimanachhaltig verbessert. Parallel dazu wird ein zusätzlicher Kurs Betriebliches

Rechnungswesen angeboten, der komprimiert die Grundlagen dieses fürGründerInnen unverzichtbaren Know-hows vermittelt.Da das Ideenpotenzial in den natur- und ingenieurwissenschaftlichenFakultäten ein großes Reservoir an Gründungsideen darstellt, werden dortseit 1994 regelmäßig Seminare zum Thema „Gewerbliche Schutzrechte“angeboten.Das zunehmende Interesse war Anlass, Themen rund um die Existenz-gründung als Ergänzung zu sbm nachhaltig im Lehrprogramm der inge-nieurwissenschaftlichen Fakultät zu verankern. Seit dem WS 2001/2002wird dort mit Unterstützung industrieerfahrener Lehrbeauftragter derkonventionelle, zum Pflichtprogramm der Studierenden gehörende Vorle-sungszyklus „Grundlagen des ingenieurwissenschaftlichen Arbeitens“ inveränderter Form angeboten. Dabei liegen die neuen Schwerpunkte derAusbildung auf Themen wie Projektmanagement, Innovationsmanage-ment, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, etc. Über die Qualifizierungsangebote hinaus erhalten Gründungsinteressier-te individuelle Unterstützung bei ihren Vorhaben durch ein Coaching-An-gebot für Existenzgründer durch die THP und das von ihr initiierten Netz-werkes, zu dem Patentanwälte, innovationsorientierte Unternehmen, VC-Gesellschaften etc. gehören. Durch dieses Beratungsangebot konnte z.B.im vergangenen Jahr die Gründung der Firma IPAG wesentlich unterstütztwerden. Allein dieses unmittelbar auf dem Campus der UDE angesiedelteinnovative Halbleiterunternehmen konnte bislang 20 neue Arbeitsplätzeschaffen.Aufgrund der regionalen Rahmenbedingungen muss die Förderung von in-novationsorientierten Unternehmensgründungen im Umfeld der Univer-sität Duisburg-Essen künftig vor allem drei Aufgaben in Angriff nehmen:• die nachhaltige Stimulierung eines gründungsfreundlichen Klimas in ei-ner potenziell gründungsfeindlichen und wenig innovationsintensivenUmgebung, die einer Kultur der Selbstständigkeit entbehrt; • den Import von regional nicht verfügbarem Know-how für das Aufspü-ren, Bewerten, Entwickeln und Umsetzen von Geschäftsideen;• die dauerhafte und belastbare Vernetzung von potenziellen GründerIn-nen, regionsinternen und -externen Fachexperten und Kapitalgebern.

Prof. Dr. Stephan Zelewski ist Leiter des ICE Essen, Dipl.-Geogr. Wolf Thomas Nußbruch ist Leiter

der Transferstelle Hochschule-Praxis; beide Universität Duisburg-Essen.

019

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Auf dem Weg zur Mittelstandsbank. Immer mehr mittelständischeUnternehmen klagen über die zurückhaltende Kreditvergabepolitik derBanken, immer häufiger berichtet die Wirtschaftspresse in diesem Zu-sammenhang über den „zugedrehten Geldhahn“ oder spricht gar von einer„Kreditklemme“. Was zunächst als subjektives Empfinden der betroffenenUnternehmer galt, wurde Ende 2002 durch die Bundesbank – wenn auchmit vorsichtigen Worten – bestätigt: Die Banken legen eine „gewisse Zu-rückhaltung bei der Kreditvergabe“ an den Tag, hieß es in einem ihrer Mo-natsberichte.

Hier stellt sich eine große Herausforderung für ein Förderinstitut in derMittelstandsfinanzierung. Die Finanzierungskultur verändert sich – kleineund mittlere Unternehmen sind in diesem Kulturwandel auf Begleitung undUnterstützung angewiesen. Die Bereitstellung von Liquidität allein istkeine nachhaltige, adäquate Lösung. Vielmehr bedarf es zusätzlich einerintensiven Vermittlung von Know-how und einer guten Beratung, um denMittelstand für die veränderten Rahmenbedingungen fit zu machen. Diesist ein breites und wichtiges Aufgabenfeld, in dem alle gefordert sind, diesich für den Mittelstand engagieren. Das sind die Kammern, das sind dieUnternehmensberater und das sind natürlich auch die Förderbanken.

Die Politik hat auf die Probleme des Mittelstands, die aus der verändertenFinanzierungssituation resultieren, mit der Schaffung der Mittelstandsbankgeantwortet, einer Förderinitiative von DtA und KfW. Im Rahmen derMittelstandsoffensive der Bundesregierung bündeln und optimieren diebeiden Institute derzeit ihre rund 30 verschiedenen Förderprogramme fürGründer und Mittelstand unter dieser Marke. Sinn der künftigen Program-

me soll es auch sein, die Unternehmen zur stärkeren Eigenkapitalbildungzu bewegen. Die Verschmelzung der DtA auf die KfW wurde im Juli 2003vollzogen, die Mittelstandsbank wurde im Zuge der Fusion ein Teil derKfW-Bankengruppe. Die Marke „Die Mittelstandsbank.“ vereint somit dieKraft und das Know-how von DtA und KfW in einem übersichtlichenFinanzierungsangebot.

Künftig wird es für Hausbanken, Gründer und Mittelstand auf Bundesebe-ne nur noch einen Ansprechpartner für alle Fragen der Mittelstandsförde-rung geben. Keine lästigen Überschneidungen mehr bei den Förderpro-grammen, keine Zweifelsfragen, ob noch Existenzgründer oder bereitsetabliertes mittelständisches Unternehmen, keine Unsicherheiten, obFörderprogramme miteinander kombinierbar sind. Kurz und gut: DieMittelstandsförderung zeichnet sich demnächst aus durch mehr Effizienz,Konsistenz und Transparenz, und damit durch günstigere Bearbeitungsko-sten – gerade auch bei den Vertriebspartnern, den Hausbanken.

Die Hauptaufgabe einer Förderbank ist, die Wirtschaft – und damit vorallem auch den Mittelstand – zu unterstützen. Um den Weg zur Finanzie-rung offen halten zu können, müssen Mittel und Wege gefunden werden,Kredit und Kreditgewährung für Unternehmer und Banken wieder gleich-ermaßen attraktiv zu machen. Dafür müssen wir intelligente Finanzie-rungsinstrumente entwickeln, die sowohl den veränderten Bedürfnissen derKreditgeber als auch der Kreditnehmer entsprechen. Die Hausbanken wer-den ihren Kunden zukünftig nur dann öffentliche Fördermittel anbieten,wenn damit für sie keine zu hohen Kosten verbunden sind, sich das Risikoin Grenzen hält und risikogerecht bepreisen lässt.

neuer schwung in dermittelstandsförderung

von anja strautz

020

Page 23: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

DtA und KfW haben bereits ein gemeinsames Antragsformular auf denWeg gebracht, mit dem die Programme beider Häuser nach einem ein-heitlichen Schema beantragt werden können. Damit wurde eine Forde-rung der Hausbanken nach Kostensenkung erfüllt, was letztlich auch denWeg des Kunden zum Förderkredit erleichtert. Unter „www.mittel-standsbank.de“ hat die Förderinitiative einen eigenständigen Auftritt imInternet.

Die beiden Förderinstitute arbeiten derzeit intensiv daran, die Kredit-vergabe zu vereinfachen. Es sollen standardisierteKreditprogramme geschaffen werden, die nach kla-ren Kriterien gestaltet sind und auch zukünftig vonBanken und Sparkassen verkauft werden. Damitkönnten die Prozesskosten deutlich gesenkt und dasArgument, die Bearbeitung kleiner Mittelstandskre-dite sei für die Kreditinstitute relativ gesehen zu teu-er, entkräftet werden. Das Risiko für die Hausbankenkann beispielsweise gemindert werden durch Instru-mente wie die Haftungsfreistellung. Damit hat dieDtA in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht.Indem wir einen Teil des Kreditrisikos übernehmen,können wir vielen Banken das „Ja“ zur Kreditent-scheidung erleichtern. Gute Beispiele hierfür sind dasDtA-StartGeld und das DtA-Mikro-Darlehen. BeideProgramme richten sich an Kundengruppen, die es er-fahrungsgemäß besonders schwer haben: Existenz-gründer und Jungunternehmer in der Wachstums-phase bilden Risiken, die nur schwer einzuschätzensind und daher ungern übernommen werden. Wenn sie zudem nur einengeringen Kreditbetrag benötigen, übersteigt der Bearbeitungsaufwand inaller Regel den Nutzen, den die Banken aus einem solchen Kreditenga-gement ziehen können. Der durchschlagende Erfolg insbesondere desDtA-Mikro-Darlehens zeigt, dass Unternehmern und Banken dennochwirkungsvoll geholfen werden kann.

Neben den klassischen Förderdarlehen werden Instrumente zur Eigenka-pitalfinanzierung, wie die Mezzanin-Finanzierung, einen größeren Stel-lenwert erhalten. Dabei handelt es sich um Mittel, die Charakteristika vonFremdkapital und Eigenkapital sinnvoll miteinander verbinden – beispiels-weise Nachrangdarlehen. Auch hier bringt die DtA langjährige Erfah-rungen ein.

Darüber hinaus wird die Mittelstandsbank die Beteiligungs-Schiene aus-bauen. Die KfW arbeitet bereits an Beteiligungsmodellen, die auch für

kleinere mittelständische Unternehmen zugänglichsein sollen. Bedauerlicherweise bringen derzeit mit Be-teiligungskapital viele die Bauchlandung der jungen,aufstrebenden New Economy in Verbindung. Wurdein der Vergangenheit Beteiligungskapital zuweilenleichtfertig vergeben, ist der Venture-Capital Markt injüngster Zeit fast völlig zusammengebrochen. EineFörderbank muss in gewissem Maße auch antizyklischdenken. Innovative Unternehmen brauchen auch inZukunft Eigenkapital zum Aufbau ihrer Unternehmen.Und auch für kleinere Unternehmen der Old Econo-my muss Beteiligungskapital eine interessante Alterna-tive zur Investitionsfinanzierung darstellen.

Bildlich gesprochen wurden in der Mittelstandsbankzwei bislang parallel zueinander verlaufende Gleise zueinem Gleis zusammengeführt. Vorgesehen sind künf-tig vier Förderschwerpunkte: Gründungs-, Investi-tions- und Innovationsfinanzierung sowie die Förder-

mittelberatung. Dabei wird die Mittelstandsbank drei Finanzierungswegeanbieten: Fremdmittel, Mezzaninkapital und Beteiligungen. Damit reichtdie Palette der angebotenen Programme vom Mikrodarlehen über 25.000Euro bis hin zur Millionenbeteiligung. Das bisherige Fördervolumen fürden Mittelstand – im vergangenen Jahr waren es bei KfW und DtA zu-sammen mehr als zwölf Milliarden Euro – soll nicht verringert werden.

Anja Strautz ist Referentin Konzernkommunikation der KfW Bankengruppe.

Page 24: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

In der Zwischenzeit ist es stiller geworden. Das Gründen, Schaffen, Leu-te-Einstellen (und Bezahlen!), Akquirieren (und Bezahltwerden!), dasDurchkommen und Erfolghaben erfordert im 21. Jahrhundert eben jene –auch charakterliche – Qualitäten, die schon immer nötig waren, um in derSelbstständigkeit zu bestehen. Neben Ideen, „Nase“ und einem QuäntchenGlück braucht es wie schon immer langen Atem, Fleiß, Konzentration undständige Überprüfung. Controlling nicht nur des Marktes, der Mitarbeiter,sondern auch der eigenen Strategien. Ganz klassische Unternehmerqua-litäten also. Genau jene Tugenden, die uns vielleicht unsere Großväter ausdem Wirtschaftswunderland, zusammen mit der Konfirmationsuhr auf denWeg geben wollten: Soviel Gewichtiges und zugleich Lebensnahes schieneher hinderlich, als die e-Generation – mit kräftiger Pump-Hilfe ihrer Ban-ker – den großen Ballon der 90er Jahre aufpustete. Die zitierten Tugendenerschienen vielen von uns lästig und unangenehm und völlig von gestern.

Manche haben die Konfirmationsuhr (und „Omma ihr klein Häusken“) ver-zockt. Andere haben sie, die Uhr, zwar nicht weggegeben, verkauft oderverschenkt, aber getragen haben sie sie auch nicht. Wenn denn der Begriff „Unternehmer“ von „etwas unternehmen“ kommt,so sind die Bedingungen heute, im Tal von Basel Zwo, nicht eben ermuti-gend. Zumindest auf den ersten Blick. Es braucht auch und gerade im Zeit-alter der Ich-AGs eine gehörige Portion Mut, etwas in Gang zu bringen.Wir haben – im Gegensatz zu Großvaters Start ins Wirtschaftswunder –keine allgemeine Stunde Null. Es ist nicht die Zeit, in der Städte in Trüm-mern liegen und es an allem fehlt vom Damenstrumpf bis zum Dach überdem Kopf. Es ist (fast) alles da und (fast) alles fertig, bereits gekauft und be-zahlt. Es gibt zwar jede Menge objektiver Notwendigkeiten und politischerAppelle für einen Konsumanschub, bald sogar Steueranreize. Doch nochbestimmen Zögern und Abwarten die Lage. Geld wird von denen, die et-

Ein einleitendes Gründerbuch-Essay aus Jungunternehmer-Perspektive wäre im ausgehenden 20. Jahrhundert – also vor noch nicht einmal fünf Jahren –

sicher recht flott von der Hand gegangen. Ein paar prickelnde Zahlen, logarithmische Kurven, dazu ein paar knackige Sätze hätten gereicht: „Explodie-

rende Märkte“, „Möglichkeiten, von denen man sich heute noch keinen Begriff machen kann“, „Kreativität ist Trumpf“, „neue Unternehmerkultur“ hätten

die Politik und die Förderinstanzen befriedigt. Zum Setzen sprachlicher Duftmarken bei der Start-up-Kollegenschaft hätten die üblichen Anglizismen und

Kürzel von bench-marking, content bis shareholder-value „gefunzt“. Und wir selbst wären weiter in unseren Fun-Cars um das Goldene Kalb gerast.

�Bullen, Bären und Basel Zwo

von martin unterschemmann

Page 25: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

was für den Konsum als Konjunkturmotor hätten, eher vergraben als aus-gegeben. Zurückgehalten für schlechtere Zeiten, die umso schlechter wer-den, je intensiver wir sie herbeiwarten. Die Atmosphäre ist von Skepsis undrestriktiven Prüfungskriterien bei Kreditvergaben geprägt – und nach Bör-sianerweisheit ist 80 Prozent von Bullen und Bären, Gewinn und Verlust,atmosphärisch, sprich psychologisch bedingt. Wer sind also die die Mutigen, die sich wie der Motorrrad-Schrauber DirkAldorf aus Bottrop auf das „Abenteuer Selbstständigkeit“ einlassen und sichauch noch wohl dabei fühlen?Es sind heute mit Sicherheit größere Realisten und entschiedenere Prag-matiker bei den Gründern zu finden als noch vor acht oder zehn Jahren –selbst wenn wir, wie in diesem Buch mehrfach nachzulesen ist, manchmaldieselben handelnden Personen wie seinerzeit treffen. Eine der wichtigstenUnternehmer-Tugenden ist, neben den oben erwähnten, die Lernfähigkeit!Es sind Menschen mit genügend Persönlichkeit, die wie Markus Grabosch,der Systementwickler, erkennen, dass Netzwerke nicht nur als Laberclubssondern als Netz-Werke ihren Sinn haben. „Ein Mitbewerber“, sagt Gra-bosch, „muss nicht notwendigerweise ein Konkurrent sein.“ Diese Kon-sens- und Vernetzungsfähigkeit im Sinne von Grabosch macht heute viel-leicht den signifikantesten Unterschied zum Turbo-Kapitalismus dere-Generation aus. Recht hat er! Schließlich gründeten sich die erfolg-reichsten Wirtschaftszusammenhänge der Geschichte (Venedig, Hanse,Rothschild & Co.) auf funktionierende Netzwerke. Ein Wechsel ist einWechsel – und er funktioniert, weil er innerhalb eines Netzwerks anerkanntist. Weltweit seit dem Mittelalter.Es sind auch jene, die wie Lorenz Haase angesichts familiärer, also schick-salhafter Notwendigkeiten genügend Format zeigen, das akademisch er-worbene, international qualifizierte Wissen in ein ganz „hiesiges“ konven-tionelles Geschäftsfeld wie beispielsweise die Herstellung und die Ver-marktung von Gardinenkonfektion zu übertragen. Gute Ideen bleiben gu-te Ideen, auch wenn sie von unseren Großvätern ausgebrütet wurden.Wir stehen als Gründer, Jung-Unternehmer, Selbstständige anno 2003 vorden Fetzen vom geplatzten Ballon des „Neuen Markts“, der ein Spiel derZukunftsträume und auch eine überteuerte Versilberung alter (Staats-)

Monopole war. Dass die Konjunktur überhitzt wurde, besagt übrigensnichts über die realen Chancen, die im IT-Geschäft stecken, und die Be-deutung der Technologiebranchen. Hier spielt weiter die Musik für unserLand und unsere Gründer-Generation! Die Schlussfolgerungen aus Überhitzung und realen Chancen zu ziehen,ist unser täglich Brot, und sie stehen auf geradezu groteske Weise im Wider-spruch zu den neuen Ranking-Kriterien von „Basel II“. Dort sind nun gegenüber früheren Bewertungsmaßstäben „rechenbare“Kriterien künftig weit wichtiger als „persönliche“ Faktoren und Profile. Ein-schätzung von Gründerchancen und damit die Kreditvergabe werden nichtmehr von Person zu Person (Filialleiter /Antragssteller), sondern im Back-Office der jeweiligen Bank „objektiv“ gehandelt. Es ist dabei bezeichnend,dass zur Begründung der Entpersönlichung von Kreditgeber und Kredit-nehmer regelmäßig das Negativargument des „Klüngels“ ins Feld geführtwird. Im extremen Sinne: „Korrupter Banker hilft windigem Spezi auf dieSprünge.“ Wer zitiert jedoch die zigtausend gelungenen Finanzierungen,in denen gerade die persönliche, erfahrene Einschätzung des Bankers ei-nem Starter auf die Füße geholfen hat und die Bank wie alle anderen Be-teiligten inklusive „Vater“ Staat damit gutes Geld verdienten?Es greifen in Folge des starren Basel II-Reglements geradezu absurde Aus-brems-Automatiken, die es einem – selbst kreativen, kooperativen – Ban-ker verbieten, den Kreditrahmen der Auftragssituation anzupassen, auchwenn sie – sei es saisonal oder konjunkturell – begründet sind. Hier zählenRechenbarkeit und persönliche Credibility – ganz klassisch „Zuverlässig-keit“ – nicht im Verhältnis 80/20 wie im Sinne von Basel II betoniert, son-dern wie schon immer 50/50.Es ist, wie niemand bestreiten kann, viel Geld verbrannt worden in der Hit-ze der new economy. Mehr als die peanuts von Herrn Schneider. Es bringtauch niemanden weiter, das allzu Leichte des Turbo-Banking als Wurzelallen Übels zu fokussieren – im Sinne eines „selber Schuld“. Doch es istnicht nur aus Jungunternehmer-Sicht dringend nötig, die Messlatte auchim positiven Sinne an die persönlichen Kriterien zu legen: Kreativität,Initiative, persönliche Kompetenz. Hierzu finden sich in diesem Buch vie-le spannende persönliche Belege. Zur Nachahmung empfohlen!

Martin Unterschemmann ist selbstständiger Unternehmer und Vorstandsmitglied im Regionalkreis

Ruhr des Bund junger Unternehmer.

023

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Eine neunstöckige Terrasse beginnt mit einem Haufen Erde. Laotse (4. Jh. v. Chr.) Chinesischer Philosoph, Begründer des Taoismus

Page 27: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Absolute Beginners?

025

Wenn in einiger Zukunft rückblickend über die Post-Millenniumjahre als der „zweiten Gründerzeit“ die Rede sein wird, so

werden sie als die eigentlichen RepräsentantInnen der „Generation G.“ gelten: Sie haben den euphorischen Boom der 90er –

und sein überhitztes Scheitern – in wacher Beobachtung verfolgt. Sie gehen ihren persönlichen Weg in die Selbstständigkeit

ebenso pragmatisch wie motiviert. Sie nutzen Netzwerke und vertrauen auf sich selbst.

Page 28: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Beruf aus Berufung

Robert Heinemann nimmt die Frage ganz entspannt:Fast jeder spräche ihn auf seinen Großvater, den frühe-ren Bundesjustizminister und späteren Bundespräsi-denten an. Wie sein Großvater und sein Vater ist aucher Rechtsanwalt. Doch entgegen der Tradition zieht esihn nicht in die Politik – „eine juristische Karriere ge-nügt mir, eine politische habe ich nicht im Sinn.“So hat ihn auch nicht die Erwartung gegenüber demNamen zu seiner Berufswahl veranlasst: „Eher schon istes eine Berufung.“ Die abwechslungsreiche Tätigkeit,die damit verbundene Verantwortung hatten ihn schonfrüh fasziniert: „Mein Jura-Studium in Bochum und dieZeit als Rechtsreferendar in Düsseldorf waren erfül-lend, trotz schwieriger Lebensumstände. Während die-ser Zeit brauchte meine erkrankte Mutter ständigeUnterstützung, und die habe ich ihr gerne gegeben.“

Nach dem zweiten Staatsexamen erhält er das Ange-bot, in der Leipziger Filiale der väterlichen Kanzlei an-zufangen. Doch das reizt ihn nicht. „Wäre ich diesenWeg gegangen, wäre ich immer der Sohn geblieben.Vieles von dem, was ich mir selbst erarbeiten und inmeinem Leben erreichen möchte, wäre schon vorhan-den. Auch meine Vorstellungen von einem selbstbe-stimmten Arbeiten lassen sich in einer Großkanzleinicht unbedingt verwirklichen.“Die Konsequenz ist für ihn klar: Robert Heinemannmacht sich daran, ohne familiäre Unterstützung als An-walt zu arbeiten. Die erste Büroadresse ist die seinerWohnung. „Ich habe ganz bewusst klein angefangen:mit geringen Kosten und geringem Einkommen, aberauch mit geringem Risiko. Erst nach einigen Monatenund mit den ersten sicheren Mandanten habe ich mich

Jura zu studieren ist nicht nur seit Generationen eine Familientradition, sondern auch sein persönli-

ches Ziel. Nach Zulassung als Rechtsanwalt macht er sich aber nicht Einstiegsmöglichkeiten über die

bekannte Sozietät des Vaters zunutze, sondern eröffnet in derselben Stadt seine eigene Kanzlei.

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20

00A n w a l t s k a n z l e i H e i n e m a n n

1

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2000

t ä t i g k e i t s f e l d : Anwalt für die RechtsgebieteFamilienrecht, Arbeitsrecht und Verkehrsrecht

b r a n c h e :Freie Berufe(Rechtsanwalt)

p e r s o n : Robert Heinemann, Rechtsanwalt f u n k t i o n : Inhaber a d r e s s e : Steubenstraße 61, 45138 Esseni n t e r n e t : www.anwaltskanzlei-heinemann.de

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nach einem Büro zur Miete umgeschaut.“ Bei der Suche nach dem Stand-ort überlässt er nichts dem Zufall: „Ich wollte eine Situation, die mir denAufbau eines Netzwerkes ermöglicht und die auch stark genug frequentiertist, um beständig neue potenzielle Mandanten auf mein Büro aufmerksamzu machen.“ Die Strategie diskutiert er mit Freunden. Dabei erhält er neben Bestätigungfür sein Konzept auch einen Tipp: Einer der Freunde weiß von einer pas-senden Fläche in einem Bürohaus mittlerer Größe und mit mittelständi-schen Unternehmen als Mietern. „Obwohl ich die Standortwahl ja nichtdem Zufall überlassen habe, erweist sie sich sprichwörtlich als Glücksgriff.Vier der dort ansässigen Unternehmen arbeiten eng zusammen, und allebetreue ich seit meinem Einzug juristisch.“ Die juristischen Aufgaben gestalten sich vielfältiger als erwartet. „Durchdie kurzen Wege innerhalb des Bürohauses haben wir uns häufiger ausge-tauscht. Daraus ergab sich etwa, dass ich für eine der Firmen das komplet-te Mahnwesen übernommen habe.“ So kann Robert Heinemann innerhalbkürzester Zeit umfassende Erfahrung sammeln. Außergerichtliche Ver-gleichsverhandlungen, Gerichtsprozesse, Zwangsvollstreckungen werdenschnell zur sicheren Routine. Erfahrung und Notwendigkeiten aus vielen

Fällen prägen seine Organisation der betrieblichen Abläufe und tragen zueiner schnellen Professionalisierung der Kanzlei bei. „Gute Strukturen sinddabei alles. Sie sorgen für Übersicht und effizientes Bewältigen jeder Auf-gabe.“Mit einer weiteren Mandantengruppe rechnet Robert Heinemann zu-nächst nicht: Umso mehr freut er sich, dass er auch bald von den Mitar-beitern seiner Mandanten konsultiert wird. „Mit einer Verkehrsrechts-Sa-che fing es an – und dann hat sich wohl schnell herumgesprochen, dass ichmich erfolgreich für meinen Mandanten eingesetzt habe.“Seitdem habe er fast ständig den einen oder anderen Fall von Mitarbeiternin Bearbeitung – sei es das Verkehrsdelikt oder die Erbschaftsangelegen-heit. „Viele Menschen haben Berührungsängste oder sogar Misstrauengegenüber Anwälten. Da ich mich tagtäglich im Haus mit den dortigenMitarbeitern unterhalte, habe ich den Eindruck, dass allein durch diese Ge-spräche so mancher ein echteres und positiveres Bild vom Anwaltsberuf ge-wonnen hat.“ Robert Heinemann ist froh über diese Möglichkeit, sich ganz informellmit verschiedenen Menschen austauschen zu können. „Aus den meistenGesprächen kann ich immer wieder nützliche Erkenntnisse ziehen. Und

DIPL.-OEC. JUTTA EVERS · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · firm-consult.de, Essen

Robert Heinemann hat sich für den schwierigen Weg entschieden! Dazu gehört Mut, Durchsetzungsvermögen und ein langer

Atem. Denn einfach hat es ein Gründer auch in der Anwaltszunft heute nicht mehr. Aber die Freiheit zur Selbstbestimmung

hat was und ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Und jemand, der diese Entscheidung bewusst und gezielt trifft, wird dauerhaft

erfolgreich und zufrieden sein. Das sind Charaktereigenschaften, die den Gründergeist ausmachen, den wir in Deutschland

brauchen.

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gerade in jungen Fachgebieten wie dem Internetrecht empfinde ich es alssehr wichtig, lebensnahe und echte Eindrücke zu gewinnen. Schließlichkann ich einer Gegenpartei oder einem Richter nur das eingängig schil-dern, was ich selbst verstanden und richtig in einen größeren Kontexteingeordnet habe.“ Diesen ständigen Wechsel zwischen der oft abstrakten Betreuung vonUnternehmen und den sehr lebensnahen Fällen des Familien- oder Ver-kehrsrechtes möchte Robert Heinemann nicht mehr missen. „Anfänglichsah ich mich vor allem als Partner von Unternehmen, wollte mich daherauch stärker auf Spezialgebiete wie Internet- und EDV-Recht konzentrie-ren. Doch mittlerweile zeigt sich, dass die Ansprache von Unternehmenselbst unter Berufung auf solch recht seltene Spezialisierungen langwierigund oft auch zu aufwändig ist. Ein breitgefächertes Netz von Kontaktenbringt mir hingegen immer wieder Mandate von Privatpersonen, insbeson-dere im Bereich Familienrecht. Eine solche Basis ist letztlich sicherer als diezu starke Konzentration auf ausschließlich eine Mandantenzielgruppe.“An der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Privatperson sieht Ro-bert Heinemann das Arbeitsrecht. Folgerichtig hat er sich für die Fortbil-dung zum Fachanwalt für Arbeitsrecht entschieden. „Diesen Fortbil-

dungskurs habe ich besonders gerne absolviert“, erinnert er sich, „weilkünftig viele meiner Mandanten von meinem zusätzlichen Wissen profi-tieren können.“ Netzwerke, Kontakte zu vielen Menschen und persönli-ches Vertrauen seien für einen niedergelassenen Anwalt entscheidend. InOrganisationen wie dem Bundesverband Junger Unternehmer schaut Ro-bert Heinemann daher über den juristischen Tellerrand hinaus und knüpftneue Kontakte: „Für mich als Einzelkämpfer ist das sicher noch wichtigerals für Anwälte in großen Kanzleien. Man braucht einfach mehr ‚Empfeh-ler‘, die einem neue Mandantenbeziehungen ermöglichen.“Mittlerweile gehören auch alteingesessene Rechtsanwälte zu diesen Emp-fehlern. „Diese Anwälte arbeiten aus den unterschiedlichsten Beweggrün-den mit mir zusammen – etwa, weil ich durch meinen USA-Aufenthalt eng-lischsprachige Fälle mitbetreuen kann oder weil ich in jungen Rechtsge-bieten schon mehr Erfahrung sammeln konnte.“ Trotz der positiven Entwicklung hält Robert Heinemann die Anlaufpha-se seiner Praxis nicht für beendet. „Fünf Jahre sind realistisch. Kalkuliertman die Vorlaufkosten für Einrichtung und Technik, muss man eher mitbis zu zehn Jahren rechnen.“ Nun gelte es, auf der gefundenen Basis auf-zubauen.

Robert Heinemann empfiehlt: „Schaffen Sie sich bereits vor dem Start in die berufliche

Selbstständigkeit ein Netz von Multiplikatoren und potenziellen Auftraggebern. Prü-

fen Sie schon vor der Aufbauphase das Verhältnis zwischen sicher zu erwartendem

Umsatz und den notwendigsten fixen Kosten.“

��

029

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Rechnen mit Rädern

Die Selbstständigkeit lockt Dirk Aldorf schon kurznach dem Realschulabschluss. Mit einem Freund ge-staltet er in Sandstrahl-Technik Deko-Spiegel undüberlegt, daraus ein eigenes Gewerbe aufzubauen.Doch er entscheidet sich lieber für eine solide Basis: Erschließt eine Lehre als Kfz-Mechaniker ab und arbei-tet danach in verschiedenen Händlerbetrieben in Es-sen. So entstehen aus der Arbeit in diversen Betriebenzwölf Jahre Berufserfahrung. „An die Selbstständigkeithabe ich eigentlich immer gedacht. Einzige Hürde wardie Meisterprüfung. Aber immerhin hatte ich schonfrüh angefangen, zu sparen.“ 1999 ist es soweit: „Ich ha-be mir einen Ruck geben und mich für die Meister-schule angemeldet.“ Zeitgleich beginnt er, sich überFördermöglichkeiten zu informieren. „Das klang rich-tig gut“, erinnert sich Dirk Aldorf: „Gerade im Hand-

werk sei eine Existenzgründungs-Förderung gar keinProblem. Alle machten mir Mut.“ Er folgt den Empfehlungen der Handwerkskammer, in-formiert sich bei der Stadt, erhält Unterstützung voneinem Unternehmensberater, entwickelt schließlichmit einem Steuerberater einen detaillierten Wirt-schaftsplan. Mit dem druckfrischen Meisterbrief in derTasche sucht er im Frühjahr 2001 das Gespräch mit sei-ner Hausbank. „Ich wusste, dass ich bei der DeutschenAusgleichsbank ‚Startgeld‘ beantragen kann und hattedafür alle Unterlagen zusammengestellt.“ Acht Wo-chen lang hört er nichts von seiner Bank. „Dann kamein Anruf: Mein Berater wollte einen Ortstermin mitmir machen.“ Doch noch vor dem Termin sagt die Bankab: „Das Kfz-Gewerbe sei eine Krisenbranche, hieß es.“Dirk Aldorf versucht es noch bei drei weiteren Banken,

Zwölf Jahre lang lockt die Selbstständigkeit. Mit dem Meisterbrief in der Tasche wird sie endlich

greifbar – doch die Banken verweigern den Kredit. Mit eigenen Ersparnissen, Hilfe von Freunden und

alternativen Ideen gelingt dennoch die Gründung.

030

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01

A u t o - T e c h n i k A l d o r f

0

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2001

t ä t i g k e i t s f e l d : Meisterbetrieb mitAutomobil- und Motorrad-Werkstatt

b r a n c h e :Handwerk (Kfz-Gewerbe)

p e r s o n : Dirk Aldorf, Kfz-Technikermeister f u n k t i o n : Inhabera d r e s s e : Essener Straße 255, 46242 Bottropi n t e r n e t : www.auto-technik-aldorf.de

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erhält aber immer die gleiche Absage. Doch so kurz vor dem Ziel will ernicht aufgeben. Er bittet die Handwerkskammer um Unterstützung. „Dortbekam ich Rückendeckung – und erfuhr, dass die Begründung ‚Krisenbran-che‘ offenbar auch bei anderen Branchen herhalten muss.“Sein angestrebtes Kreditvolumen von 27.000 Euro ist unerreichbar. „Ichhabe mir dann überlegt, ob ich die Geräte wirklich brauche oder ob es inder Anfangszeit nicht auch anders geht. So habe ich Kollegen gefragt, obich Geräte in ihrem Betrieb leihweise nutzen darf.“ So findet er Über-gangslösungen für geplante Anschaffungen, wie beispielsweise ein Brem-

senprüfgerät oder einen Elektronik-Tester. „Anfang Dezember 2001 bin ichdann zur Stadt und habe mein Gewerbe angemeldet. Und mit meinen10.000 Euro Eigenkapital habe ich die absolut notwendigen Anschaffun-gen getätigt.“Die ersten Monate gestalten sich schwierig. Dirk Aldorf hat zwar, insbe-sondere durch Mundpropaganda im Bekanntenkreis, von Anfang an rechtgut zu tun. Doch mangels vollständiger Ausstattung muss er seine Arbeitimmer wieder unterbrechen, um sich bei anderen Firmen Geräte auszulei-hen oder um ein Fahrzeug beim TÜV vorzustellen. „Hätte ich die Geräte

wie geplant selbst anschaffen können, wäre die Zeitersparnis immens ge-wesen. Allein das hätte wahrscheinlich die Kreditkosten aufgewogen.“ Auch in Sachen Werbung muss Dirk Aldorf umdenken. Preiswert müssendie Lösungen sein. Er informiert sich bei seinem Cousin, der eine Werbe-agentur hat. Und erfährt nebenbei, dass die Werbeagentur keine festeWerkstatt für die Wartung der Firmenfahrzeuge hat. So entsteht das Gegen-geschäft „Gestaltung des Unternehmensauftritts gegen Inspektionen“. Dasrechne sich auch für ihn, meint Dirk Aldorf: „Mit einem professionellenAuftritt fällt man schon positiv auf. Und wenn Profis helfen, spart das Zeit.“

Dirk Aldorf ist mit dem Standort in einem Essener Gewerbegebiet zufrie-den. Schon vor ihm war dort eine freie Werkstatt, und so mancher Kundedes früheren Pächters wird sein Kunde. „Man muss sich außerdem überle-gen, wie man sich darstellen will. Und ich habe mich entschieden, zwar gün-stiger zu sein als eine Markenwerkstatt, aber nicht zu billig. Lieber biete ichguten Service, wie Abholen und Saubermachen. Und kleine Arbeiten ma-che ich auch mal kostenlos.“ Mit Beginn des Frühjahrs erscheinen weitereKunden seines Vorgängers: Zahlreiche Motorradfahrer erkundigen sich, obauch Dirk Aldorf ihnen weiterhelfen kann. „Damit hatte ich überhaupt nicht

Dirk Aldorf ist überzeugt: „Man sollte sich nur selbstständig machen,wenn man bereit ist, lange zu arbeiten und auf Urlaub zu verzichten.Gut ist, wenn man dann da ist, wenn die eigenen Kunden Zeit haben– etwa am frühen Abend oder samstags.“

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gerechnet“, gibt er zu. „Aber ich wusste direkt, dass jetzt ,entweder-oder‘ an-gesagt war.“ Dirk Aldorf entscheidet, hier Zeit und Energie zu investieren,schließlich fährt er selbst Motorrad: „Mir ist aufgefallen, dass es nur wenigegute Motorrad-Werkstätten gibt. Die meisten Fahrer basteln selbst an ihrerMaschine, und was dann noch zu tun ist, kann einfach nicht jeder.“ Also pro-duziert er zusammen mit der Werbeagentur einen Flyer und fährt damit al-le Motorrad-Treffs in der Region ab. „Das war gut, weil ich die Fahrer per-sönlich ansprechen konnte und die mich auch direkt mal gesehen haben.“Die Aktion bringt schnell Erfolg: Die Biker kommen zu ihm, einige lassen

ihre Maschine bei Dirk Aldorf überwintern. Die erste Bilanz Ende 2002 fälltrecht gut aus – doch Dirk Aldorf ist unsicher, ob sein recht abgelegenerStandort wirklich geeignet ist. „Zudem hatte ich von einer alten Feuerwa-che in Bottrop gehört, direkt an der A42 gelegen, mit viel mehr Platz undvor allem anderen Mietern, die für einen gewissen Besucherverkehr sorgen.Und trotz besserer Ausstattung wären die Kosten gleich.“ Er entschließt sichfür den Umzug, eröffnet Anfang März 2003 am neuen Standort. Das grö-ßere Platzangebot weckt neue Überlegungen: „Der Motorradbereich istschon recht speziell. Zum Beispiel muss man während der Saison oft länger

auf wichtige Teile warten. Das ist natürlich ärgerlich. Hier ist es nun mög-lich, größere Ersatzteilbestände zu lagern. Also könnte ich ein Ersatzteilla-ger aufbauen und damit auch Leute beliefern, die selbst basteln möchten.“Ärgerlich macht ihn, dass er immer wieder durch seine knappen Finanzengebremst wird, auch trotz guter Auftragslage niemanden einstellen kann:„Ich habe es zwischenzeitlich noch einmal mit einem Kredit versucht, demsogenannten Mikrodarlehen. Denn gerade im Motorradbereich sehe ichgute Chancen, brauche aber spezielle Technik und saisonal sicherlich auchHilfe.“ Auch bei diesem Kredit habe ihm die Hausbank Hoffnung auf

schnelle Bewilligung gemacht, dann aber – nach einem Monat Wartezeit– doch abgelehnt. Anschaffungen finanziert Dirk Aldorf daher aus den lau-fenden Umsätzen: „Die Hälfte der zu Beginn eingeplanten Geräte habe ichmittlerweile gekauft.“ Er ist stolz, sich trotz mancher Hürden durchgebissen zu haben. Immerhingebe es genügend Leute, die das Gleiche einfach in Schwarzarbeit erledig-ten. „Aber ganz ehrlich: Irgendwie wäre es der Gesellschaft gegenüber nichtfair. Und außerdem kann ich mit meinem Gewerbe unterstreichen, dass ichnicht auf schnelles Geld aus bin, sondern richtig gute Arbeit abliefere.“

AXEL TRIPPE-HELMER · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Unternehmensberater, Dortmund

Eine von vielen Existenzgründungen, denen trotz umfangreicher Planungen eine Fremdfinanzierung durch eine Bank nicht ge-

währt wurde. Aber auch eine der eher wenigen, wo die notwendigen Qualitäten von UnternehmerInnen deutlich werden: ein

gestecktes Ziel nicht aufzugeben. Durch Kundennähe und Marktorientierung, mit Engagement und Flexibilität, mittels Kreati-

vität, Mut und ein wenig Eigenkapital kann – zwar mühevoll – eine solche „alternative“ Existenzgründung erfolgreich sein.

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Konzept contra Kasse

Diana Svoboda wächst vielsprachig auf: Die Halbbul-garin besucht im rumänischen Temeschwar ein deut-sches Gymnasium. Sie erhält einen der raren Studien-plätze für Zahnmedizin und schließt ihr Studium mit23 Jahren ab. „Ich hatte Glück und konnte direkt amAufbau der neuen Abteilung für Werkstoffkunde mit-arbeiten.“ Sie nutzt die neuen Möglichkeiten im zu-sammenwachsenden Europa und sucht die Zusammen-arbeit mit amerikanischen und deutschen Unterneh-men. „Uns war wichtig, das Niveau der Ostblockstaa-ten zügig an den Westen anzugleichen. Deshalb fandich es großartig, dass ich für eine deutsche Firma Fort-bildungen durchführen konnte.“ Dies nimmt in ihremBerufsalltag bald den zentralen Raum ein. „Schließlichlernte ich bei einem Seminar in Köln meinen jetzigenEhemann kennen. Wir haben sehr schnell gewusst, dass

wir zusammenleben möchten“, lacht Diana Svoboda.„Durch die deutsche Partnerfirma hatte ich gute Aus-sichten, meine Arbeit hier weiterführen zu können. Soschien es mir, als würde ich nur den Wohnort wech-seln.“ Die Dentistin beginnt bei ihrem Ehemann mit-zuarbeiten, der in Duisburg eine Praxis betreibt und istverblüfft: „Ich habe die Wirklichkeit des niedergelasse-nen Arztes im deutschen Kassensystem kennen gelerntund war geschockt. In Rumänien konnten wir freier ar-beiten und hatten deutlich mehr Möglichkeiten in derTherapie.“ Als Tochter Nina geboren wird, pausiert Diana Svobo-da in der Patientenbehandlung und beschäftigt sichstattdessen mit Zukunftsperspektiven für die gemein-same Praxis. „Als ich die Praxis erst einmal als Wirt-schaftsunternehmen begriffen hatte, begann ich nach

Die junge rumänische Zahnmedizinerin nutzt neu entstehende Verbindungen in den Westen und zieht

nach Deutschland. Das dortige System der gesetzlichen Krankenkassen erscheint ihr wenig flexibel.

Sie sucht nach einer Lösung, die Ängsten und Wünschen der Patienten individueller gerecht wird.

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d i P u r a G m b H & C o . K G

4

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d :Privatklinik mit den Schwerpunkten Ästhetische Zahnmedizin und Spezialisierung auf Angstpatienten

b r a n c h e :Freie Berufe(Zahnmedizin)

p e r s o n : Diana Svoboda, Dr. med. dent. f u n k t i o n : Geschäftsführende Gesellschafterina d r e s s e : Rellinghauser Straße 16, 45127 Esseni n t e r n e t : www.dipura.de

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gangbaren Wegen in einem engen System zu suchen.“ Gemeinsam mit ih-rem Mann überdenkt sie Spezialisierungsmöglichkeiten. „Zuerst waren wirgemeinsam auf Fortbildungen, dann haben wir unsere jeweiligen Schwer-punkte getrennt verfolgt. Das hat uns ermöglicht, Patienten gemeinsam zubetreuen, statt getrennt unsere ‚eigenen‘ Patienten zu behandeln.“ Doch je mehr Diana Svoboda an Wissen hinzugewinnt, desto unzufriede-ner wird sie: „Die Kassenzwänge sind völlig konträr zu den Möglichkeitender Technik und den Therapienotwendigkeiten.“ Weil sie auch im Freun-deskreis offen über ihre Überlegungen spricht, erhält sie Rückmeldungen

und Anregungen. So entstehen bereits im Rahmen der Kassenpraxis neueAngebote, die die Praxis von anderen Mitbewerbern abheben: „Irgendwannsagte ein Freund: ‚Ich kenne ein tolles Gebäude in Essen. Da könntest dudeine Vorstellungen richtig verwirklichen.‘“ Tatsächlich scheint das Hausideal zu sein: Es wirkt großzügig, liegt zentral und besticht durch interes-sante Architekturdetails. „Wir waren begeistert und haben diese Entdek-kung auch als Wink genommen. Mit dem Bild der künftigen Klinik vorAugen gingen wir daran, die Idee zu verwirklichen.“ Doch bis zur Eröff-nung im Oktober 2002 sind viele Hürden zu nehmen.

„Zuerst mussten wir den Vermieter überzeugen. Es dauerte ein Dreiviertel-jahr, bis wir den ersten Vertragsentwurf erhielten.“ Die Wartezeit nutzt sie,um einen Geschäftsplan zu entwickeln und die Rahmenbedingungen zuklären. „Wir sind damit zu unserer Hausbank gegangen, mussten etlicheGespräche führen. Heute scheint mir, dass damit auch unsere Beharrlich-keit und unser Glaube an die Idee geprüft wurde. Denn die Personen sindbei einem solchen Projekt sicher ebenso wichtig wie die Zahlen.“ Als dieFinanzierung der Bank steht, beginnt Diana Svoboda mit den Architek-tengesprächen. „Mir gefiel eine Düsseldorfer Klinik, deshalb wollte ich das

gleiche Team. Und ich fand hilfreich, dass der Architekt Anforderungen anKliniken kennt und vor allem auch die Abstimmung mit den Behörden vor-nimmt.“ Diese Komplettbetreuung sei nicht billig gewesen, hätte aber letz-ten Endes Geld gespart. Im April 2002 beginnt der Umbau – nach gut ei-nem Jahr Planung mit Vermieter, Bank und Architekten. Die folgenden Mo-nate nutzt Diana Svoboda, um mit einer Werbeagentur das Erscheinungs-bild der Klinik zu entwickeln: „Den Kunstnamen diPura haben wir ge-meinsam gefunden. Er passt zu unserem klaren, schlichten Stil und war zumGlück noch nicht vergeben.“

DR. SIGRID OLBERTZ · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Dr. Olbertz Unternehmensberatung GmbH

Der Gesundheitsmarkt hat viele Nischen – sie müssen nur erkannt werden. Innovationsfreudige, fachkompetente Zahnärzte

gehen auch einmal einen etwas anderen Weg der Existenzgründung und verwirklichen anspruchsvolle Praxiskonzepte. Doch

sie sollten auf professionelle Unterstützung bei der Umsetzung nicht verzichten. Denn nur mit einem strukturierten, möglichst

mit realistischen Zahlen belegten Existenzgründungskonzept, ist die Hürde „Bankgespräch“ erfolgreich zu überwinden.

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Diana Svoboda geht es um einen – wie sie es nennt – „warmen Perfektio-nismus“: „Dafür brauchten wir ein Ambiente, das entspannt und schönwirkt. Ich hatte dabei vor allem die Angstpatienten im Blick, denen ich michspeziell widmen wollte.“ Der Empfang ähnelt einer Hotelrezeption, derWartebereich einer Lounge. Ein Gästezimmer ermöglicht Patienten denungestörten Rückzug, und im Untergeschoss hilft ein spezielles Entspan-nungsbad Patienten, vor der Behandlung Ängste abzubauen.Diana Svoboda will damit beim Hauptwiderspruch ihres Berufes ansetzen:„Für viel Geld eine schmerzhafte Behandlung zu erhalten ist doch wider-

sinnig. Deshalb beginnen wir jede Betreuung mit einem oder mehreren aus-führlichen Beratungsgesprächen. So gewinnt der Patient die Freiheit,selbstbestimmt über das Endergebnis zu entscheiden.“Psychologisches Wissen hilft ihr bei der Betreuung – „denn letztlich scheintmir entscheidend, dass wir das naturgemäß sehr intime Verhältnis zwischenPatient und Zahnarzt respektieren und schrittweise Vertrauen aufbauen.“Um das zu trainieren, „spielen“ Ärztin und ihre Mitarbeiter abwechselndPatient. „Indem wir unsere Behandlungsabläufe gegenseitig testen, werdenwir viel sensibler für eventuell Störendes. Und wir merken selbst, dass wir

durch Ruhe und Zuhören offenere Antworten und damit viel bessere In-formationen erhalten.“ Etwa die Hälfte aller Patienten hat Angst vor derBehandlung, die andere Hälfte kommt vorrangig aus ästhetischen Grün-den. „Beide Situationen erfordern einen sehr individuellen Umgang. Dasist im System der gesetzlichen Kassen nicht machbar.“ Die Klinik bean-tragte daher keine Kassenzulassung. „Aber die Resonanz zeigt uns, dass wirdie richtige Entscheidung gefällt haben.“Auf viel Interesse stößt das Klinikkonzept auch bei den Medien. „Ich hat-te zuerst überhaupt keine Erfahrung in Marketing und Öffentlichkeitsar-

beit. Neuerdings wird von mir erwartet, dass ich mich dabei auch selbstdarstelle – aber das wird für mich wohl immer ungewohnt bleiben.“ Angesichts dieses Rundum-Einsatzes ist Diana Svoboda froh, dass ihreTochter nun bald eingeschult wird. „Sie hatte zuletzt wirklich kein einfa-ches Leben mit mir“, gibt sie zu. „Zum Glück hat sie in unserer fantastischenHaushälterin eine zweite Mutter. Ich bin mir bewusst, dass ich für dieseMöglichkeit sehr dankbar sein kann. Denn die staatliche Unterstützung fürarbeitende Mütter ist hier in Deutschland viel zu gering und hätte mir kei-nen Start in die Selbstständigkeit ermöglicht.“

Diana Svoboda empfiehlt eine sorgfältige Partner-

wahl: „Mit den richtigen Partnern ist im Vorfeld präzi-

sere Planung möglich, aber auch flexibles Reagieren im

laufenden Betrieb. Diese Sorgfalt ist bei Geschäftspart-

nern ebenso wichtig wie bei der Mitarbeiterwahl.“ �

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Finger-spitzen-gefühl

Carmen Gonzalez ist glücklich, als sie nach der mittlerenReife eine Lehrstelle bei einem von Essens Top-Friseurenerhält. Und so ist es für sie selbstverständlich, nach der Ge-sellenprüfung dort auch den Meistertitel anzustreben.„Dort zu arbeiten, ist mir immer als etwas Besonderes er-schienen. Deshalb bin ich auch nach der Meisterschule wie-der in den Betrieb zurückgekehrt.“ Nach nur einem Jahr alsMeisterin macht der Chef ihr einen Vorschlag: „Er wolltemit mir einen gemeinsamen Salon eröffnen und uns zugleichberechtigten Partnern machen. Von einer solchenChance hatte ich nicht einmal geträumt.“ Der Vorschlag scheint fair: Beide Partner sollen je 50.000DM in eine GbR einbringen, um die Renovierung und Start-werbung für das Geschäft zu finanzieren. Firmieren soll derBetrieb unter dem Namen des Seniorpartners – „das fandich nur verständlich und richtig, schließlich hatte mein

Chef einen sehr guten Ruf.“ Ein Ladenlokal ist schnell ge-funden. Die Einrichtung soll – wie bei vielen Friseursalons– von einem Hersteller für Haarkosmetik kommen. „Ichwar froh, dass mein Chef diese Dinge in die Hand nahm.Schließlich hatte er die Erfahrung, während ich michohnehin um vieles für mich Neues kümmern musste.“ Erstspäter erfährt Carmen Gonzalez, dass ihre Anfangseinlagegar nicht für die eigentliche Betriebsgründung benötigtwurde. „Wella bietet Friseuren an, dass sie ihre Ladenein-richtung über den künftigen Verkauf von Haarkosmetik fi-nanzieren. Das ist sicherlich eine gute Regelung, weil da-durch weniger Mittel gebunden werden.“ Die Einlage der Einsteigerin wird dennoch gebraucht: DieAusstattung des Salons mit zeitgemäßer Elektrik- und Was-serinstallation im Haus erweist sich als teuer. „Wenn meinMann nicht die Bauleitung übernommen und vieles selbst

Nach der Meisterprüfung ist sie stolz, als der Ausbilder ihr eine Partnerschaft vorschlägt. Gemeinsam

gründen sie einen Friseursalon. Doch mit der Zeit stellt sie fest, dass der Vertrag sie benachteiligt. Sie

wehrt sich und kann schließlich den Betrieb allein und unter ihrem Namen weiterführen.

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03

G o n z a l e zH a i r s t y l i n g

5

m i t a r -b e i t e r :

g r ü n d u n g :1997u m f i r m i e ru n g :2003

t ä t i g k e i t s -f e l d :Friseur- undHairstylingsalon

b r a n c h e :Handwerk(Friseurgewerbe)

p e r s o n : Carmen Gonzalez Garcia,Friseurmeisterin f u n k t i o n : Inhaberina d r e s s e :Florastraße 4, 45131 Esseninternet: www.gonzalez-hair.de

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gemacht hätte, wären wir mit unserem Startkapital nicht so gut zurechtge-kommen.“ Für ihren Chef ist dieser persönliche Einsatz vorteilhaft: SeineEhefrau hat die Immobilie erworben. „Ich wusste, dass die Familie Eigen-tum besitzt und habe das nicht weiter hinterfragt. Aber geschickt war dasnatürlich schon: Erst wird die Renovierung des Objekts vom Mieter über-nommen, und später zahlt er auch noch hohe Mieten.“Doch was Carmen Gonzalez heute in der Rückschau kritisch beleuchtet,erscheint ihr beim Start 1997 noch nicht bedenkenswert. „Ich habe einfachdie Chance ergriffen. Und tatsächlich lief es gut an: Wir hatten sowohlKunden, die aufgrund des Namens kamen, als auch viele Kundinnen ausder näheren Umgebung, die zweimal pro Woche frisiert wurden.“Bis 1999 verzichtet Carmen Gonzalez auf Urlaub. Sie führt das Geschäftquasi alleine, stellt Auszubildende ein und erweitert das Team auf vier Mit-arbeiter. „Dann hat mir mein Vater geraten, dass ich mir den nicht ge-machten Urlaub zumindest auszahlen sollte. Mit meinem Chef hatte ichnur eine feste monatliche Zahlung für mich vereinbart. Mein Vater mein-te nun, dass entweder eine Anhebung oder eben eine Urlaubs-Sonderzah-lung für meinen Einsatz gerechtfertigt seien.“ Sie sucht das Gespräch – ohne Erfolg. „Mein Kompagnon hat nicht Neingesagt. Aber es passierte auch nichts.“ Carmen Gonzalez erkennt allmäh-lich, wie es mit dieser Partnerschaft bestellt ist. „Ich merkte, wie wenig Ar-gumente ich letztlich in der Hand hatte. Deshalb habe ich mir währendseines Urlaubs das Kassenbuch genommen und mich von einer anderenSteuerberaterin beraten lassen.“ Die Steuerberaterin zeigt ihr auf, welcheInformationen notwendig wären. Zudem erläutert sie ihrer Mandantin, wodie Knackpunkte der Partnerschaft liegen. „Mir wurde dadurch sehr schnellbewusst, wie er durch unsere Eigenleistung den Wert seiner Immobilie ge-steigert hatte und zudem jeden Monat noch eine im Verhältnis überhöhteMiete erhielt. Aber noch mehr ärgerte mich meine Unwissenheit: So wur-de mir erst durch das Gespräch klar, dass ich etwa meine Fahrzeugkostenauch über die Firma hätte abrechnen können.“Sie sucht noch einmal das Gespräch mit dem Geschäftspartner. Doch derblockt wieder ab, verweist sie an seine eigene Steuerberaterin. „Er wolltemich einfach nicht wie einen Partner behandeln, sondern sah in mir immer

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noch die kleine Auszubildende.“ Carmen Gonzalez versucht, zumindest ei-nige Aspekte zu ändern. „Auch wenn wir nicht einig wurden – ich habe zu-mindest erreicht, dass meine Steuerberaterin die Buchführung seines Steu-erberater-Büros prüft. So hatte ich immerhin fachlichen Rat und persönli-

che Unterstützung.“ Sie hält es für angemessen, die Gebühren dieser Steu-erberatung über die GbR laufen zu lassen. Doch ihr Geschäftspartner siehtdas anders – und tätigt eine Privatentnahme in gleicher Höhe.Die Zusammenarbeit wird schwieriger. Carmen Gonzalez sucht immerwieder das Gespräch, erreicht aber keine Verbesserung. „Zuerst habe ichnur gelitten, weil mir das schlechte Klima und die fehlende Anerkennungweh taten. Irgendwann ist das in Ärger umgeschlagen und ich habe mir ge-sagt, lieber keine Partnerschaft als diese.“ Ihre Mitarbeiter stehen hinter ihr,als sie immer konsequenter wird, immer wieder die Auflösung der GbR vor-schlägt. „Nach zwei Jahren machte mir mein Geschäftspartner endlich ei-nen Vorschlag: Er wollte mich auszahlen. Aber erstens war der Betrag zu

gering, und zweitens wollte ich bleiben.“ Sie bleibt hart, kämpft weiter.„Anfang 2003 kam endlich ein sinnvoller Vorschlag: Er kündigte unsereGbR zum 31. März des Jahres.“ Camen Gonzalez freut sich zwar über dasEnde einer schwierigen Zeit, doch sie sieht auch die anstehenden Proble-me: „Weil ich mich damals nicht um die Anschaffung unserer Einrichtunggekümmert hatte, fehlten mir Beweise. Und er behauptete einfach, dass ihmdie Einrichtung zustünde. Auch der Mietvertrag war ein Problem: Er läuftnoch bis 2007 – mit einer fest vereinbarten, aber zu hohen Miete.“Carmen Gonzalez weiß trotz allem, dass sie in ihrem Salon weitermachenwill. „Mein Team, viele Kunden standen hinter mir. Und ich merkte, dassich allein durch das Ende dieses Kleinkriegs wieder neue Energie hatte.“ Sie macht direkt einen Termin beim Hersteller und lässt sich beraten, ent-scheidet sich ebenfalls für eine Wella-Einrichtung mit Tilgung durch denProduktverkauf. „Diese Beratung hat mich sicherer gemacht. Vor allem gabmir Auftrieb, dass man mich unterstützte und mir die Weiterführung desGeschäfts zutraute.“Auch zu ihrer künftigen Werbung lässt sie sich beraten. „Aus Kostengrün-den habe ich von einer Werbeagentur das Konzept entwickeln lassen, dieUmsetzung aber an eine freie Grafikdesignerin vergeben.“ Alles mussschnell geschehen, denn schon am 1. April will Carmen Gonzalez ihr Ge-schäft wieder öffnen – dann endlich unter eigenem Namen. „Jeder solltewissen, dass ich das Geschäft weiterführe – und dann gefällt mir mein Na-me auch besser als ein Kunstbegriff.“ Für sie als Spanierin ist die Namens-frage ohnehin einfacher: „Wir führen unseren Mädchennamen weiter undhängen nur den Namen unseres Ehemannes an. Und genau das habe ichdann im Mai 2003 bei unserer lange geplanten Hochzeit getan.“So hat sich nach schwierigen Zeiten vieles zum Guten gewendet. „Im Be-trieb habe ich viele der bisherigen Standards über Bord geworfen. Bei mirwerden Termine großzügiger gefasst, damit mehr Zeit für den Kunden, aberauch den Mitarbeiter selbst bleibt. Und die alte Kleiderordnung habe ichauch gekippt. Ein gutes Betriebsklima ist mir nach dieser harten Zeit wich-tiger als hohe Erträge.“ Dennoch weiß sie, dass sie auch ohne dichten Ter-minkalender künftig wirtschaftlicher arbeiten wird. „Schließlich muss ichkeine GbR mehr mitfinanzieren, die keine echte Partnerschaft war.“

MARLIES ELSNER-BRENDT · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.mebpr.de, Baesweiler

Hier ist die „gute Freunde- / Vertrauensfalle“ zugeschnappt. Eine Existenzgründung ist eine existenzielle Entscheidung, die

im Vorfeld gründliche Recherche und unabhängige Beratung durch Experten erfordert. Im Falle einer Partnerschaft muss

zusätzlich zur vertraglichen Festlegung der Aufgaben, Verantwortungen, Risiken, Entlohnungen auch die menschliche Ebe-

ne einbezogen werden, damit das Prinzip Win-Win langfristig die Balance und damit den Erfolg sicherstellt.

Carmen Gonzalez betont die Bedeu-

tung einer wirklich gleichwertigen Part-

nerschaft. „Die Balance von Einsatz und

Ansprüchen im Innenverhältnis muss man

konsequent pflegen und abgleichen – zur

eigenen Sicherheit am besten mit profes-

sioneller Unterstützung.“

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Zwischen Studiumund Systemhaus

„Mein schönstes Erfolgser-lebnis hatte ich kurz nachdem Abitur, als ich mit mei-ner Firma vom Kinderzim-mer ins erste eigene Büronach Essen umzog.“ Da be-stand das Unternehmenvon Markus Grabosch be-reits vier Jahre. „Ich hattemit zwölf meinen erstenComputer bekommen undmir das Programmierenbeigebracht. Ein Ingenieur-büro war mein erster Kun-de.“ Die Gewerbeanmel-dung müssen 1994 noch die

Eltern unterschreiben, da der Jung-Unternehmer erst 16 ist.Hauptsächlich „Spaß hat mir das gemacht, geplant war dawenig.“ So beschäftigt sich Markus Grabosch mit ver-schiedenen EDV-Disziplinen, erlernt vieles im Tun und ar-beitet bereits bis zum Abitur für 25 verschiedene Kunden –Unternehmen von zwei bis zu 50 Mitarbeitern.Seinen ersten Mitarbeiter lernt er an der Universität Bo-chum kennen, wo er zwei Semester Elektrotechnik studiert.Dem Mitarbeiter ist er bis heute treu geblieben, dem Stu-dium nicht: „Eigene Firma und Präsenzstudium vertrugensich nicht. Heute studiere ich an der Fernuni Hagen Infor-matik mit Nebenfach BWL.“ Auf sein Diplom bereitet ersich zumeist abends vor. „Derzeit plane ich für mein Stu-dium zwölf Stunden pro Woche. Leider nutzt mir der In-formatik-Part nur als Hintergrundwissen, während ich denBWL-Stoff oft im betrieblichen Alltag nutzen kann.“

Als Schüler bringt er sich das Programmieren bei und meldet mit 16 Jahren sein erstes Gewerbe an. Als

Student stellt er die ersten Mitarbeiter ein und gründet eine GmbH. Nach großen Beratungsaufträgen

gilt es, die richtige Balance für die Zukunft seines Unternehmen zu finden.

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G r a b o s c h S y s t e m t e c h n i k G m b H & C o . K G

4

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g : 1994g m b h - g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d : Systemhaus für Hardware-lösungen und Sicherheitstechnik

b r a n c h e :Dienstleistungen(EDV-Systemhaus)

p e r s o n : Markus Grabosch f u n k t i o n : Geschäftsführera d r e s s e : Universitätsstraße 142, 44799 Bochumi n t e r n e t : www.grabosch.de

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Die Einstellung des ersten Mitarbeiters geht einher mit der Suche nachNischen im Markt: „Ganz ehrlich? Es ist interessanter und macht einfachmehr Spaß.“ In der Herausforderung sieht er zugleich eine unternehmeri-sche Chance: „Ich wollte mehr als die Masse der EDV-Systemhäuser bie-ten. Dazu galt es vornehmlich, Wissen aufzubauen: zu Produkten undDienstleistungen, aber auch zum Markt.“ Gerade Letzteres habe er langevernachlässigt. Dass es ihm nicht geschadet habe, sei letztlich Glück ge-wesen. „Ich bin mit offenen Augen durch die Welt gegangen, habe meinWissen aber nicht strukturiert.“ Voller Interesse für Innovationen lotet er ständig neue Möglichkeiten aus,

„zugegebenermaßen weniger unter vertrieblichen als technischen Ge-sichtspunkten.“ Dementsprechend nutzt er bei Kundengesprächen vor-rangig die Erfahrungen aus bisherigen Projekten. „Das ist auch logisch: Ichbin kein Verkäufertyp, sondern versuche immer erst einmal, die Bedarfssi-tuation festzustellen und daraus Vorschläge zu entwickeln. Und ich bin si-cher, dass die Kunden auf diese Weise zu mir Vertrauen aufbauen können.Das halte ich ohnehin für eine bessere Basis als geschicktes Verkaufen.“Wie wichtig fundiertes Wissen ist, erfährt er auch in einer anderen Situa-tion: „Ich wollte mit einem Partner eine Beratungstätigkeit aufbauen. Dochobwohl die Zusammenarbeit gut klappte, zeigte sich, dass die Geschäfts-idee nicht ausgereift war.“ Eine Menge Geld habe ihn der Versuch 1999 und2000 gekostet. „Trotzdem bin ich froh über die Erfahrungen – und von den

Kontakten aus dieser Zeit profitiere ichheute noch.“2001 erhält Grabosch Systemtechnik einenGroßauftrag – eine einmalige Chance, dieder Unternehmer gerne ergreift. „Wir habenfür ein großes Rechenzentrum die organisa-torischen und personellen Strukturen ge-schaffen, damit das Zentrum im sogenann-ten 24 x 7 Service betreut ist – also rund umdie Uhr, an jedem Tag des Jahres.“ Dieser

„Beratungsauftrag mit Betriebsverantwor-tung“ ist eine Riesenherausforderung fürMarkus Grabosch, denn für die Betreuungsoll er ständig zehn Mitarbeiter bereithalten.„Unser Auftraggeber konnte auf diese Weisesehr schnell umfassende Mehrwertdiensteanbieten. Uns hat diese Aufgabe spannendeErfahrungen gebracht – denn nur über einederartige Aufgabe lässt sich ein solch starkerMitarbeiteranstieg überhaupt finanzieren.“Während der zweijährigen Laufzeit qualifi-ziert Grabosch Systemtechnik die Mitarbei-

Markus Grabosch empfiehlt Gründern: „Die Bildung von Netzwerken

halte ich für absolut notwendig. Sie bringen Informationen sowie Kontakte

und helfen oftmals, Fehler zu vermeiden. Vor allem sollte man eines bedenken:

Nicht jeder Mitbewerber ist ein Konkurrent.“ �

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ter des Auftraggebers, bis das Rechenzentrum auch ohne die externe Unter-stützung arbeiten kann. „Das Projektende wurde zu einer Zeit der Neu-orientierung. Schließlich hatten wir uns als Dienstleister für weitere großeProjekte qualifiziert. Dennoch schien mir ratsam, insbesondere kleinere Auf-gaben anzustreben.“ Sie seien besser handhabbar, weil weniger Ressourcenin einem einzigen Projekt gebunden werden. „Das Ende eines großen Pro-jektes stellt immer ein Risiko dar. So waren wir dankbar, dass ein Großteil derneuen Mitarbeiter zu unserem Auftraggeber wechselte und wir dadurchschnell zur gewünschten Betriebsgröße zurückkehren konnten.“ Der Großauftrag bringt dem Unternehmer weitere Notwendigkeiten: „Bis-lang hatte ich das gesamte Wachstum aus Eigenkapital finanziert, was beidiesem Entwicklungssprung jedoch viel Überlegung erforderte.“ Doch dieHaftung aus dem Privatvermögen ist zu riskant, die GmbH-Gründungüberfällig: „Bis zur Eintragung als GmbH & Co. KG haben wir deutlich mehrZeit gebraucht als geplant. Statt Ende 2001 war es erst Mitte 2002 soweit.“Markus Grabosch orientiert sich auch als Chef neu: „Wir brauchen gute In-formationen, aber auch eine bessere Präsenz.“ Daher wird er Mitglied inverschiedenen Organisationen, nimmt sich abends häufig Zeit für offiziel-le Veranstaltungen. Eine Rolle, „die ich besser ausfüllen kann als jeder Mit-arbeiter. Denn gerade dort anwesende Firmeninhaber wollen nur mit mirals Chef sprechen.“ Die Erfahrung zeige ihm, dass 2,5 Tage pro Woche fürnichtproduktive Tätigkeiten notwendig sind: „Neben dem Vertrieb sind dasdie allgemeine Verwaltung sowie Planungsaufgaben.“In seiner produktiven Zeit testet er neue Produkte, „schraubt“ auch mal anRechnern und pflegt den betriebsinternen Wissensaustausch. „Wir habenfrüh eingeführt, dass sich ein Mitarbeiter in ein Thema einarbeitet und füralle ein Referat hält. Das ist für Projekte oft kriegsentscheidend – aber esfördert die Motivation.“ Ein Eintrag in die firmeneigene Wissensdatenbankgarantiert später den Zugriff auf diese Referate, aber auch auf gemachte Er-fahrungen. Gerade diese systematische Wissensweitergabe sei extremwichtig für den Zusammenhalt. Zugleich seien gut zugängliche Informa-tionen die Grundlage, um Mitarbeitern echte Verantwortung zu über-tragen. Markus Grabosch ist überzeugt: „Dass jeder in der Firma ein StückVerantwortung trägt, ist maßgeblich für das Gelingen des Ganzen.”

RALF SCHOEN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Schoen + Company GmbH

Wer in der Technologiebranche erfolgreich sein will, muss den Kundenbedürfnissen mehr Aufmerksamkeit schenken als

der technologischen Entwicklung. Das Ziel einer unternehmerischen Tätigkeit ist nicht der Nobel-Preis, sondern der zufrie-

dene Kunde, der einen klar erkennbaren Nutzen aus dem Leistungsangebot zieht. Das Unternehmen Grabosch System-

technik hat diese Herausforderung bewältigt, indem es die Erfahrung aus früheren Kundenprojekten systematisch nutzt.

Page 48: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Konzentration auf die Kernkompetenz

Ist Arnulf Schüffler ein typischer Jungunternehmer? Nachdem Abitur an der Waldorfschule, Bundeswehr und Bank-lehre beginnt 1998 ein Studium der Wirtschaftswissen-schaften und macht sich parallel mit einem Schulkamera-den selbstständig. „Wir betreuten kleine und mittelständi-sche Unternehmen im IT-Bereich.“ Immerhin 150 PC-Ar-beitsplätze besitzt das größte Unternehmen, das die beidenmit ihrer Firma „icks GmbH“ betreuen.„Die GmbH-Gründung war für uns selbstverständlich. DieIdee war, bei einem etwaigen Scheitern nicht überschuldetzu sein.“ Eine Überlegung, die sich durch die persönlicheHaftung gegenüber den Banken relativiert. Zudem unter-stützen beide Familien die unternehmerische Tätigkeit ih-rer Söhne finanziell, zumal diese Kostenbewusstsein be-weisen: Als Büro kaufen sie einen alten Baucontainer, be-kommen den zweiten dazugeschenkt. Nach einem Drei-

vierteljahr expandieren sie in den dritten Container. „In un-ser erstes richtiges Büro sind wir erst nach zwei Jahren ein-gezogen.“ Zu diesem Zeitpunkt hat sich „icks“ bestens entwickelt:„Mein Geschäftspartner konzentrierte sich auf den techni-schen Part, ich habe mich ganz dem Vertrieb gewidmet undviele Chancen aufgegriffen.“ So hat das Unternehmen Mit-arbeiter, die fest in Projekten bei Kunden arbeiten. Anderekümmern sich um die IT-Betreuung, aber auch um Tätig-keiten im Telekommunikationsbereich. Im Sommer und Frühherbst 2001 präsentiert sich „icks“ aufzwei Fachmessen – mit Erfolg und mehreren neuen Kun-den. „Doch dann kam der 11. September 2001. Dadurchhat sich die Gesamtsituation rapide verändert: Drei Schlüs-selkunden meldeten Insolvenz an. Da wir aus Kostengrün-den auf Forderungsausfallversicherungen verzichtet hat-

Ein Bankkaufmann macht sich mit einem Partner in der IT-Branche selbstständig, hat nach drei Jahren

fast 30 Mitarbeiter, muss dann Insolvenz anmelden. Mit diesen Erfahrungen meldet er ein neues

Gewerbe an – als Vertriebsdienstleister.

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01

H a n d e l s k o n t o rS c h ü f f l e r G m b H

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m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :2001

t ä t i g k e i t s f e l d : Vertriebsdienstleister mit den Leistungsbereichen Vertrieb, Handel und Events

b r a n c h e :Dienstleistungen(Vertrieb)

p e r s o n : Arnulf Schüffler f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Huyssenallee 70 –72, 45128 Esseni n t e r n e t : www.schueffler.info

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ten, mussten wir die Forderungen komplett abschreiben. Zugleich blieb dasFolgegeschäft fast völlig aus.“ Diese Situation ist durch beide Geschäfts-führer nicht zum Guten zu drehen. „Wir mussten bald erkennen, dass unseinige wenige singuläre Ereignisse ausmanövriert hatten. Wir waren zah-lungsunfähig.“ Die Insolvenz bedeutet allein für Arnulf Schüffler das Ein-stehen für Kreditsicherheiten von 200.000 Euro: „Teures Lehrgeld – diefinanzielle Entlastung fiel geringer aus, als wir bei der GmbH-Gründungangenommen hatten.“In der Rückschau sind ihm seine Fehler klar: „Unternehmer zu sein, klingt

In der Spitzenphase der IT-Wirtschaft stellt icks Mitarbeiter noch prä-ventiv ein. „Wir sind dadurch zu schnell gewachsen, durch den hohen Per-sonalstand waren die Mitarbeiter nicht immer wirtschaftlich eingesetzt.Heute würde ich versuchen, die vorhandenen Mitarbeiter besser einzu-setzen.“Doch gerade für seine bisherigen Mitarbeiter fühlt er sich in der Insolvenzverantwortlich. „Mir war wichtig, für jeden einen neuen Platz zu finden.“So können zwei Umschüler gemeinsam mit Arnulf Schüfflers Ex-Partnerzu einem befreundeten IT-Dienstleister wechseln.

aktiv und initiativ. Das habe ich insofern überfrachtet, indem ich viel pro-biert und viele Chancen genutzt habe. Dabei wurden aber zu selten die Er-träge exakt kalkuliert und vor allen Dingen einzelne Risiken zu wenig imGesamtrisiko betrachtet.“ Ein weiteres Problem offenbart sich für ihn in derAufgabenteilung mit je einem technisch orientierten und einem vertrieb-lichen Geschäftsführer: „Mit den IT-Fragen kannte ich mich im Kern zu we-nig aus. Man muss aber gerade in kleinen Organisationen als Chef auch maleinspringen können – und deshalb will ich künftig nur noch Felder bear-beiten, die ich komplett bis in die Details durchschaue.“

Nicht alle Verpflichtungen lassen sich über diese individuellen Konzeptelösen. „Ich hatte mich ehrenamtlich engagiert und wollte die anderen Ak-tiven ungern im Regen stehen lassen.“ Sein Engagement im Vorstand derEssener Wirtschaftsjunioren und im Bundesverband junger Unternehmer,wo er Vorsitzender des Regionalkreis Ruhr ist, koppelt sich eng an die unter-nehmerische Tätigkeit. Als junger Unternehmer politisch gefragt ist erebenfalls als stellvertretender Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes undMitglied der Bezirksvertretung. „Während sich mein Geschäftspartner für eine angestellte Tätigkeit ent-

MICHAEL LÜCK · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Ganz und Gar, Köln

Ein zentraler Punkt in der Selbständigkeit ist die Konzentration auf die eigene Kernkompetenz – je intensiver sich der

Unternehmer mit den eigenen Stärken auseinandersetzt, desto klarer wird der Beratungs-„Fremdbedarf“: an erster Stelle

oft Marketing & Kommunikation, dann Liquidität, Kalkulation, Risiko-Management, Motivation, etc. Dieser Beratungsbedarf

gehört vom ersten Tag an in den Businessplan, nicht erst in der Krise...

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schied, merkte ich in dieser Übergangsphase, wie viel mir das selbststän-dige Arbeiten bedeutet. Allerdings war dabei auch klar, dass die neue Tä-tigkeit stärker auf meine Stärken und meine Person gerichtet sein sollte.“So sind es vor allem Arnulf Schüfflers Erfahrungen im Vertrieb und seinPrinzip, jeden Prozess zu kennen und überall einspringen zu können, diein einer neuen Geschäftsidee münden. „Es lag nahe, das Thema Vertriebhierbei in den Mittelpunkt zu stellen. Zum einen hatte ich hier viele Er-fahrungen gesammelt. Außerdem zeigten Gespräche mit zahlreichenUnternehmen, dass dieser Aspekt oft vernachlässigt wurde.“

Diese Impulse sind mit ausschlaggebend für die neue geschäftliche Aus-richtung. „Ich arbeite als Vertriebsdienstleister – nicht mit dem alleinigenFokus Marketing, sondern mit einer ertragsorientierten Beratung und an-schließender Umsetzung im Vertrieb. Dabei gibt es für mich keine Durch-führung ohne Beratung.“ Für diese Leistung findet er Kunden in verschiedenen Branchen, besondersaber im IT-Bereich, bei dem er seine bisherige Erfahrung einbringen kann:„Wir haben beispielsweise Call-Center-Aufgaben für kleinere Firmen über-nommen, haben eine Fachhändlerbefragung durchgeführt und hatten

Die zwei kaufmännischen Auszubildenden übernimmt Arnulf Schüffler alsvorerst einzige Mitarbeiter in sein neues Unternehmen.„So entsteht einekleine, überschaubare Struktur, die dennoch flexibel genug für verschiede-ne Aktivitäten ist.“ „Schüffler – das feine Kontor“ heißt das neue Unter-nehmen, das Arnulf Schüffler mit Blick auf die Auszubildenden nur weni-ge Tage nach der Insolvenz seiner GmbH anmeldet. Gut ein Jahr nach der erneuten Gründung ist Arnulf Schüffler zufrieden mitden Entwicklungen: „Motiviert haben mich gerade in der ersten Zeit An-fragen von Partnern, die weiter mit mir arbeiten wollten.“

– worauf ich wirklich stolz bin – die Interims-Vertriebsleitung für einenführenden deutschen IT-Hersteller.“Teils logische Ergänzung, teils persönliche Leidenschaft ist der Handel mitedlen Markenartikeln wie Montblanc, Bree oder Cohiba, die Arnulf Schüff-ler als Werbemittel vertreibt. „Füller von Montblanc sind zum Beispiel einideales Anspracheinstrument. Sie lassen sich gut bewerben, während derDienstleistungsvertrieb oft wesentlich komplizierter ist.“ Was Arnulf Schüffler praktisch gelernt hat, untermauert er inzwischen nochakademisch – er steckt mitten im Diplom.

Arnulf Schüffler empfiehlt Gründern: „Starten Sie mit einer kleinen

Struktur. Überlegen Sie dreimal, bevor Sie Mitarbeiter präventiv

einstellen – diese Kosten sind nicht so schnell zurückzufahren.“

049

Page 52: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Tüftler mit tollem Team

Als Sportler verdankt er seine Erfolge einem starken Team. Als Unternehmer startet er zuerst alleine,

um sich schrittweise einen Mitarbeiterstab zu schaffen. In seinem Filialnetz sorgen umfassende Qua-

litätsstandards und festgelegte Handlungsabläufe für nachhaltigen Erfolg.

Dank jahrelanger Abstimmung von Arbeit und Sport ge-lingt beides: Ansgar Wessling gehört zum Olympiaachtervon Seoul 1988 und wird als bester Geselle Bundessieger.Als Olympiasieger im Deutschland-Achter wird er zu einerlokalen Berühmtheit. Mit beiden Auszeichnungen fällt esleicht, wieder eine Gesellenstelle in Essen zu erhalten. „Fi-nanziell hatte ich durch die Randsportart kaum Vorteile.Ich habe weiterhin meine Arbeit gemacht und die Ur-laubstage fürs Trainingslager genutzt.“ 1990 muss er wie-derum Weltmeisterschaft und Meisterprüfung bis auf die Mi-nute abstimmen. Danach stellt er den Beruf in den Vorder-grund: Er setzt sich noch mehr bei seinem Arbeitgeber ein,hofft auf eine Beteiligung am Unternehmen. „Zuerst hat mirmein Chef auch signalisiert, dass er mich zum Partner habenmöchte. Doch nach langen Verhandlungen gab es am Endekeinen Vertrag, sondern die Kündigung.“

„Supersaufaul“ sei er in der Schule gewesen, sagt AnsgarWessling von sich. Erst in der Ausbildung entdeckt er dieFreude am Lernen und will mehr. „Ich habe eingesehen, dassich das ja für mich mache“, bekennt er mit lachenden Au-gen. Deshalb entscheidet er sich, nach der Ausbildung zumAugenoptiker direkt eine weitere Lehre als Hörgeräte-Aku-stiker anzuschließen. Weil es hierfür 1984 kaum Lehrstel-len gibt, nimmt er schließlich einen Ausbildungsplatz imniedersächsischen Osnabrück an. „Diese Ausbildung warschon sehr ausgefallen, aber sie hat mich einfach gereizt.Und bis heute finde ich die Verbindung von technischenMöglichkeiten und dem Eingehen auf Menschen faszinie-rend.“ Der Beruf ist so selten, dass er zur Gesellenprüfungnach Lübeck reisen muss. Parallel kann er in Ratzeburg aneiner Qualifikationsüberprüfung für die besten deutschenRuderer teilnehmen – Seoul 1988 heißt das Ziel.

050

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19

93

H ö r s y s t e m e A n s g a r W e s s l i n g G m b H

24m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g : 1993t ä t i g k e i t s f e l d : Hörgeräte-Akustiker

b r a n c h e :Handwerk

p e r s o n : Ansgar Wessling f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Rüttenscheider Straße 85, 45130 Esseni n t e r n e t : www.hoersysteme-wessling.de

Page 54: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

In der Rückschau ist Ansgar Wessling dankbar, dass sein Plan nicht in Er-füllung ging. „Mir wurde recht bald klar, dass ich als mein eigener Herr mehrChancen auf selbstbestimmtes Arbeiten habe. Ich habe also meine Über-legungen zusammengefasst und vor allem aufgezeigt, welcher Sinn undwelche Sicherheit in meinem Konzept liegt.“ Beim Bankgespräch ermög-licht ihm eine Bürgschaft, den nötigen Kredit zu erhalten. Ganz ohne Mit-arbeiter startet Ansgar Wessling im November 1993, stellt erst ein halbesJahr später einen ersten Angestellten ein. Doch vom ersten Tag an beginnter, Abläufe festzulegen und Qualitätsstandards zu schaffen. „Vieles ist seit-dem schriftlich festgelegt, anderes leben die langjährigenMitarbeiter den Neuen im Boot ständig vor. So haben wirein effizientes Konstrukt geschaffen, in dem die Kollegenaufeinander und vor allem auf das Ergebnis aufpassen.“Die Teamorientierung bewertet er als entscheidend für denErfolg des Unternehmens: „Jeder Mitarbeiter betreut seineKunden selbstständig. Dabei weiß jeder um seine Grenzenund zieht bei Bedarf Kollegen hinzu. Grundlage jeder Ent-scheidung ist dabei, dass wir Kunden die höchstmöglicheVersorgungsqualität bieten wollen.“ Dass sich die Mitar-beiter auch außerhalb ihrer Arbeitszeit gern treffen, be-wertet Ansgar Wessling als ideal: „Unser Beruf verlangtmenschlich sehr viel. Gerade Berufsanfänger müssen ersteinmal Mut entwickeln, ihre Grenzen zu erkennen und Hil-fe einzuholen. Doch bei uns weiß jeder, dass wir nur danneine Zukunft haben, wenn alle miteinander arbeiten.“ Gestärkt durch dieses Team widersteht Ansgar Wesslingdem Branchentrend Richtung Discount. „Beim Hörgerätwird nie der Preis über die Zufriedenheit entscheiden, son-dern nur die Qualität. Bei uns endet die Versorgung nichtmit dem Verkauf, sondern sie beginnt dort erst. Es dauertoft ein halbes Jahr, bis wir mit einem zutiefst frustriertenSchwerhörigen wieder ein besseres Hörvermögen und da-mit echte Zufriedenheit erreichen. Mit Dumpingpreisenkönnten wir das niemals leisten.“

Obwohl Qualitätskriterien und Strukturen stehen, wartet Ansgar Wesslingmehr als sechs Jahre mit der Gründung der ersten Filiale. „Mir schien es not-wendig, alle Mitarbeiter selbst auszubilden und ihnen möglichst viel vor-zuleben.“ Größte Hoffnungen setzt er dabei in seinen ersten Mitarbeiter,dem er nach Abschluss der Meisterprüfung die Leitung der neuen Filialeübertragen hatte. „Ihm habe ich alles ermöglicht und sogar die Meister-prüfung finanziert. Als er dann kündigte, um sich selbstständig zu machen,war ich schwer getroffen.“ Er muss einsehen, dass man als Chef keine Ga-rantie auf gute Mitarbeiter hat. „Deshalb bin ich um so dankbarer, dass die

Ansgar Wessling rät, sich früh mit der

Mitarbeiterqualifikation zu beschäftigen: „Im

Idealfall identifiziert sich jeder Mitarbeiter

mit der Firma und bringt dadurch höheren

Einsatz. Ermutigen Sie die Angestellten, Pro-

bleme auch ohne Ihr Beisein zu diskutieren

und Ihnen nur die Lösung zu präsentieren.

Dieser Vertrauensvorschuss fördert ebenfalls

den Einsatz für die gemeinsame Sache.“

052

Page 55: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

späteren Mitarbeiter ohne Ausnahme dabeigeblieben sind. Denn für sie ha-be ich mich genauso eingesetzt.“ Die Eröffnung der ersten Filiale im Januar 2000 bestätigt das Konzept Ans-gar Wesslings. „Ich spüre beim Besuch in der Filiale recht schnell, ob dieZusammenarbeit im Team funktioniert. Dabei hilft mir sicherlich unser ge-meinsamer Standard. Falls ein Team nicht harmoniert, kann ich wie ein Trai-ner dafür sorgen, dass die Plätze getauscht werden.“Hohe Qualität und ein angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis bescherender Firma in den Folgejahren ein branchenuntypisches Wachstum.

„Voraussetzung war ein Umdenken bei mir. Lange Jahre war ich eher derTüftler, der für einen Kunden die beste Lösung erarbeiten will. Für meineMitarbeiter bin ich dadurch so etwas wie ein Guru geworden, weil ich im-mer wieder scheinbar hoffnungslosen Fällen zu neuer Lebensqualität undZufriedenheit verholfen habe. Das war zwar toll, doch nicht geradeRendite orientiert.“ Ansgar Wessling weiß, dass in Betrieben vergleichba-rer Größe die Chefs nicht mehr mitarbeiten. „Da ich das nicht wollte, mus-ste ich organisatorische Aufgaben an gute Leute delegieren.“ Kürzer wer-den seine Arbeitstage im wachsenden Unternehmen dadurch nicht: „Mein

Beruf ist und bleibt meine Selbstverwirkli-chung und Bestätigung. Und je mehr Zeit ichfür meine Kunden und Mitarbeiter habe, destozufriedener bin ich.“Seine Entscheidung zu Gunsten Kundenbe-treuung und Mitarbeiterführung greift: Bis2003 eröffnet er weitere drei Filialen, in deneninsgesamt 24 Mitarbeiter tätig sind. Mit fünfStandorten ermöglicht er seinen Essener Kun-den kurze Wege zur nächsten Filiale. Ein Hör-mobil besucht Kunden, die alters- oder ge-sundheitsbedingt nicht selbst zu uns kommenkönnen. „Unsere jetzige Größe macht Mitar-beiterverschiebungen bei Engpässen viel ein-facher. Und da wir unabhängig von der Filialenach den gleichen Kriterien arbeiten, ist jederüberall einsetzbar.“ In den Filialen gewährlei-sten die selbst ausgebildeten Meister einengleichbleibend hohen Standard. „Das sindmeine wichtigsten Mitarbeiter. Sie erinnernmich aber auch an meine damalige Situation alsangestellter Meister. Deshalb bereiten wir der-zeit Teilhaberschaften vor, um interessiertenMitarbeitern eine Perspektive und Herausfor-derung bieten zu können.“

DIPL.-VW. AXEL RUBE · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · FIRM-consult.de, Essen

„Supersaufaul“ zu sein, (gepaart mit Verantwortungsbewusstsein) ist eine gute Grundeinstellung für einen erfolgreichen

Unternehmer. So erfolgt die Konzentration auf das Wesentliche (Qualität, Kundenorientierung etc.). Ansgar Wessling zeigt

dies seit 10 Jahren erfolgreich. Eine Sportart mit Freude zu betreiben, stellt das notwendige Abschalten sicher. Jetzt heißt

es, den Erfolg für die Zukunft sicherzustellen. Das bedeutet Strategie, Controlling und ein maßvolles Ausgabeverhalten.

Page 56: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Fonds und Filme

Für die Finanzierung seinesBWL-Studiums in den frü-hen 90ern arbeitet MarkusVoigt bei der Stadtsparkas-se Köln. Mit drei Arbeits-kollegen diskutiert er häu-fig über das Produktange-bot der Sparkasse, vor al-lem über die geschlossenenBeteiligungsfonds. „Wir waren einfach derMeinung, dass man solcheImmobilienfonds besserkonzipieren und auch bes-ser vermarkten kann als daszu dieser Zeit üblich war.“

Mit einem Professor derUni Wien besprechen dievier ihre Idee und erhaltendessen fachliche Unterstüt-zung und Bestätigung. Und so gründen sie 1994ihre „Gesellschaft für Ver-trieb und Produktmarke-ting“, kurz GVP GmbH.„Wir vier hätten verschie-dener nicht sein können“,erinnert sich Markus Voigt.„Aber es ist uns gelungen,uns trotz unterschiedlich-ster Blickwinkel zu einemTeam zu entwickeln und

Als Student bei der Sparkasse hat er neue Produktideen für Investoren. Er macht sich mit drei Partnern

selbstständig. Das gemeinsame Unternehmen wächst beständig. Der Teilverkauf an eine Versicherung

ermöglicht neue Perspektiven und rapides Wachstum.

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19

94

I d e e n k a p i t a l A G

170m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :

1994t ä t i g k e i t s f e l d :Geschlossene Immobilien-, Medien-, Schiffs- undKommunalfonds, Services für freie Finanzdienstleister

b r a n c h e :Finanzdienstleistungen

p e r s o n : Markus W. Voigt f u n k t i o n : Vorstanda d r e s s e : Berliner Allee 27–29, 40212 Düsseldorfi n t e r n e t : www.ideenkapital.de

Page 58: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

immer den inneren Zusammenhalt zu wahren.“ Eine Einzelperson könnenicht annähernd das Gleiche erreichen: „Die anderen müssen immer einKorrektiv darstellen. Auf Augenhöhe und mit einer offenen Streitkultur.“ 1996 macht das junge Unternehmen bereits 4,5 Millionen DM Umsatz.Fonds der GVP werden längst nicht mehr allein von den Sparkassen ver-kauft – auch große Banken vertreiben die Produkte. Ein weiteres starkesWachstum setzt ab 1997 ein, als die GVP den ersten US-Immobilienfondin ihr Programm nimmt. Die Victoria-Versicherung wird auf die junge Ge-sellschaft aufmerksam. Für den Einstieg der Versicherung entsteht 1998die Ideenkapital AG, an der sich die Versicherung (die mittlerweile „Ergo“heißt) zu 60 Prozent beteiligt. „Diese Entscheidung für einen starken Part-ner war wichtig“, betont Markus Voigt. „Das brachte Bonität und damitauch Stabilität.“ Neue Produkte können hinzukommen: Die Ideenkapitalbietet nun auch Medienfonds an, mit denen Hollywood-Produktionenfinanziert werden. Die Ideenkapital AG wächst und verändertsich. Im Jahr 2000 entscheiden sich zwei derGründer auszuscheiden. 2001 folgt der drit-te Mitgründer. Markus Voigt als der alleinverbleibende Gründer führt nun mit seinenVorstandskollegen ein Unternehmen mit 85Millionen Euro Jahresumsatz, an dem er per-sönlich 21 Prozent der Anteile hält. Er muss seine Rolle im Unternehmen neudefinieren: „Früher war ich eher ein Tech-nokrat. Ich hatte wahrscheinlich das meisteFachwissen und habe mich vorrangig um dieProduktentwicklungen gekümmert. Des-halb war ich viel unterwegs und habe michkaum mit den Interna beschäftigt.“Die internen Abläufe waren die Hauptaufgabe eines seiner Mitgründer. Mitdessen Ausstieg stand Markus Voigt vor der Frage, was wichtiger ist für dieUnternehmenszukunft. „Ich habe mich klar für die innere Führung ent-schieden, weil ich sie für entscheidend für die Zukunft des Unternehmens

halte.“ Heute kümmert er sich um Fragen der Unternehmenskultur und dieAuswahl neuer Mitarbeiter. So verändert sich auch sein tägliches Arbeiten:„War ich früher ständig unterwegs, arbeite ich jetzt fast nur im Hause.“ Seine neue Rolle erfährt eine frühe Belastungsprobe: Er muss seinen neuenVorstandspartner auswählen. „Rolf Engelhardt hatten wir uns schon früherfür eine Führungsposition ausgeguckt. Doch er war mir zunächst wesens-fremd; ich habe mich schwer getan mit der Entscheidung. Letztlich war eraber genau die Ergänzung, die wir im Vorstand brauchten.“ Markus Voigt lernt aus der Erfahrung und beginnt sein Handeln stärker aufdie Notwendigkeiten einer inneren Führung auszurichten. Dabei versucht er,immer mehr auf seine Intuition zu achten. Mit ihrer Hilfe entscheidet er, wel-che Mitarbeiter als Führungskräfte die zehn Gesellschaften innerhalb derIdeenkapital leiten sollen. Und er fällt die finale Entscheidung zu jedem Pro-dukt:„Mir hat unsere gesamte Entwicklung gezeigt, dass ein kognitives Ge-

sundbeten im Nachhinein meist falsch ist.“ Gerade das sei in seiner Bran-che absolut gefährlich, „die der Pop-Industrie durchaus ähnelt. Sicherlichmüssen unsere Produkte wirtschaftlich und rechtlich absolut sauber sein.Letztlich entscheiden unsere Kunden aber ganz intuitiv, ob sie in ein Müll-

DR. ARND HEYMANN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · FINCOR GmbH, Krefeld

Wenn es um Finanzierung oder Vertrieb geht, reicht heutzutage nicht mehr allein ein gutes Produkt. Die Köpfe dahinter sind

in Verbindung mit den entsprechenden „Soft-Skills“ mehr gefragt denn je. Man investiert oder kauft schließlich nicht nur

ein Produkt, sondern Ideen von Menschen, die sich für ihr Produkt verbürgen. Es sind nicht nur nackte Zahlen, die Ent-

scheidungen forcieren, sondern oftmals das einfache „Bauchgefühl“. Existenzgründer sollten immer versuchen, Außen-

stehende zunächst von sich selbst und erst danach von dem vorgestellten Produkt oder Projekt zu überzeugen.

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heizkraftwerk oder in einen Spielfilm mit Sean Connery investieren.“ DasGefallen der Kunden an einem Produkt sei eine Melange zwischen hartenFakten und subjektiver Wahrnehmung. So werde der Staat immer noch als„unkaputtbar“ wahrgenommen, während so manches intelligente Produktnicht vermarktbar sei – „und das nur, weil es schwer kommunizierbar ist.“Die Frage nach der richtigen Kommunikation beschäftigt ihn immer wie-der: „In Hamburg haben wir ein Projekt, das sich absolut rechnet und auchnoch dem Zeitgeist entspricht. Dennoch verkauft es sich schlecht. Da hät-te ich noch mehr meinem Bauch vertrauen müssen.“ Folgerichtig versuchtMarkus Voigt, seine Entscheidungskompetenz weiter zu entwickeln: „Alsletzte Instanz für die Produktentwicklung fälle ich meine Entscheidungschnell, eben intuitiv. Aber für diese Intuition brauche ich auch faktischeGrundlagen, und die brauchen Zeit – ich muss schließlich mitbekommenwas passiert, muss Zeitung lesen, mich austauschen.“ Sein eigentlicher Ar-

beitsplatz sei infolgedessen die Sitzgruppe in seinem Büro.Um sich die zeitliche Freiheit zu bewahren, delegiert Markus Voigt alle Or-ganisationsfragen. „Wir haben hier eine Menge guter Leute, die Verant-wortung tragen können und müssen. Ich bin der kritische Hinterfrager, prü-

fe auch die Entscheidung. Aber damit bin ich Berater der Mitarbeiter, nichtihre ‚Entscheidungs-Müllhalde'.“ Um über laufende Prozesse informiert zu sein, lässt sich Markus Voigt aufsämtliche eMail-Verteiler setzen. „Zum einen ist das sicherlich für die Mit-arbeiter eine Absicherung. Zum anderen sorgen solche Informationswegeschrittweise dafür, dass weniger nachgefragt werden muss, so dass Infor-mationen in der internen Firmenkommunikation schrittweise von einerHolpflicht zu einer Bringpflicht werden.“ So richtig, gibt er zu, sei das beider Ideenkapital aber noch nicht gelöst. Eine regelrechte „Firewall“ trennt die Ideenkapital AG von der Ergo-Grup-pe. „Unsere Geschäftspartner bei der Ergo verstehen zum Glück, dass bei-de Unternehmenskulturen nicht kompatibel sind. Eine zu enge Bindungwürde höchstwahrscheinlich dem Wachstum schaden.“ Was für die Mut-ter gilt, setzt Markus Voigt auch für die Tochtergesellschaften konsequent

um: Information sei Pflicht, aber Einmischung höchst selten. Noch funk-tioniere das System: „Aber natürlich müssen wir uns fragen, ob wir bei wei-terem Wachstum weiterhin mit wenigen Regularien zurechtkommen, obFreiräume und Emotionen weiterhin möglich sind.“

Markus Voigt rät: „Tue nichts ohne guten Plan. Ein Plan

hat Macht bei Investoren und als eigene Messlatte.

Dass es doch noch anders kommen kann, ist Teil eines

jeden Plans. Doch gerade wenn es anders kommt, sind

Fakten entscheidend für die richtige Reaktion.“ �

057

Page 60: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Aus Ehrenamtwird Erwerb

Christian Schnaubelt entdeckt früh seineLiebe zum Schreiben. Zuerst bei der Schü-lerzeitung, später bei der Lokalzeitung,sammelt er Erfahrungen. Sein Wissen istauch im Verein hochwillkommen: Bei derdeutschen Pfadfinderschaft St. Georg wirder 1997 Pressesprecher für das Bistum Es-sen. „Mir war wichtig, beide Tätigkeitenauch neben meinem Studium der Sozial-wissenschaften aufrechtzuerhalten. Zumeinen halte ich es für wichtig, nicht nur the-oretisches Wissen anzuhäufen. Zum ande-ren sah ich vor allem in meiner Tätigkeit alsPressesprecher eine Perspektive für einespätere berufliche Tätigkeit.“ Diese Ideereift in den nächsten drei Jahren.

Schließlich entscheidet sich ChristianSchnaubelt, das Universitätsstudium zu-rückzustellen und erst einmal eine fun-dierte Basis für seine beiden anderen Ak-tivitätsbereiche zu schaffen. „Die evan-gelische Medienakademie bot 2000 erst-mals ein Fernstudium zur Non-Profit-Kommunikation an. Die zweijährigeAusbildung schließt mit dem staatlichanerkannten Kommunikationswirt ab –das schien mir ideal, um sowohl meinejournalistischen Kenntnisse zu vertiefenals auch strukturiertes Wissen zur Presse-und Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen.“Im Sommer 2002 hat er seinen staatlich an-nerkannten Kommunikationswirt in der

Schreiben liegt ihm: Er ist freier Mitarbeiter der Lokalzeitung, außerdem ehrenamtlicher Presse-

sprecher eines Vereins. Um das Amt professionell ausüben zu können, macht er neben dem Studium

einen Abschluss als Kommunikationswirt und spezialisiert sich auf Non-Profit-Kommunikation.

058

Page 61: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

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02

K O M M W I RT

0

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d :Büro für Non-Profit-Kommunikation, freier Journalist

b r a n c h e :Freie Berufe(PR-Dienstleistung)

p e r s o n : Christian Schnaubelt, Kommunikationswirt f u n k t i o n : Inhaber a d r e s s e : Josephinenstraße 58, 44807 Bochumi n t e r n e t : www.kommwirt.de

Page 62: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Tasche – und lotet Zukunftschancen aus. „Zurzeit gibt es wenig Möglich-keiten, als Journalist eine Festanstellung zu erhalten. Interessanter erschienmir, mit der Non-Profit-Kommunikation ein in Deutschland noch neuesFeld zu entwickeln.“ Bis zum Abschluss des Universitätsstudiums will er je-doch nicht warten. „Ich war durch das Fernstudium sehr motiviert und hat-te vor allem interessante Kontakte geknüpft. Deshalb wollte ich versuchen,mir direkt eine Basis für eine spätere Vollzeit-Selbstständigkeit zu schaffen.“

Als ersten Auftraggeber sucht er die Pfadfinderschaft. Dort muss er die Ver-antwortlichen überzeugen, dass aus bisher ehrenamtlichen Arbeiten fort-an auch bezahlte Tätigkeiten und Projekte werden. „Mein wichtigstes Ar-gument war sicherlich, dass ich den Verein seit Jahren kenne und mich nichterst in die besonderen Anforderungen eindenken muss.“ Dazu kann er dar-auf aufbauen, dass die Pfadfinder seine Arbeit bereits mit zwei Presseprei-sen gewürdigt hatten. Entscheidend ist aber, den richtigen Moment für dieAnsprache zu wählen. „Ich habe als Anlass gewählt, dass die deutsche De-

legation beim Weltpfadfindertreffen in Thailand professionelle Pressear-beit benötigt – und mich angeboten.“ Tatsächlich erhält er den Auftrag,die 700 Personen starke deutsche Delegation nach Bangkok zu begleiten.„So habe ich ein Kommunikationskonzept aufgestellt und umgesetzt – vonder Vorberichterstattung über Interviews mit Radiosendern bis hin zu An-geboten auf der Homepage.“Zwar kann Christian Schnaubelt nicht alle Leistungen in Rechnung stel-

len, weil manches von ihm als ehrenamtlicher Pressesprecher ohnehin er-wartet wird. Dennoch betont er, dass er mit diesem Einstieg hochzufriedenist: „Vor Ort habe ich eng mit der Pressestelle des Weltbüros zusammen-gearbeitet und dadurch viel gelernt. Allein das ist mir wichtig. Darüber-hinaus haben sich dadurch Folgeprojekte bei Publikationen und Mitglie-derzeitschriften des Georgs-Verlages ergeben.“Diese Vorgehensweise feilt er weiter aus, um auch andere Einrichtungenals Kunden zu gewinnen: „Aufbauen konnte ich dabei auf einer Menge De-

Christian Schnaubelt empfiehlt, sich sorgfältig mit dem Profil

eines potenziellen Kunden zu beschäftigen: „Das Selbstmarketing

muss zum Anspracheweg passen. ‚Stallgeruch‘ lässt sich dabei durch

richtige Wortwahl aufbauen, aber auch durch die klar dargestellte

Bereitschaft, ein echter Partner werden zu wollen.“

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Page 63: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

tail-, teilweise auch Insiderwissen. So wusste ich, welche Projekte in dernächsten Zeit in den Organisationen anstehen. Bei der Kirche etwa ist nichtnur wichtig, journalistisch schreiben zu können - am besten erzählt manauch, dass man bereits Beiträge in kircheneigenen Publikationen veröf-fentlicht hat.“ Auf diese Weise kann er auch andere Einrichtungen innerhalb der Pfadfin-derschaft und der katholischen Kirche von sich und seiner Arbeit über-

zeugen. Fünf verschiedeneOrganisationen werden zuseinen Kunden – und verge-ben regelmäßig Folgeauf-träge. „Weil sich die Akteu-re untereinander kennen,werde ich auf meine ande-ren Projekte angesprochen.Das gibt den Kunden dieSicherheit, mit dem richti-gen Partner zusammenzuar-beiten.“Zwar sind die Budgets oftrelativ knapp. Zum Aus-gleich kann er aber die Lei-stungen fast immer anhandseiner Stundenübersicht ab-rechnen, so dass er zumin-dest nicht das Problem fest-

er Budgets und daraus verbleibender unbezahlter Stunden hat. „MeineStundensätze variieren sehr stark. Zumeist kann ich Konzeptionsarbeitenzu marktüblichen Stundensätzen abrechnen. Andererseits komme ich denOrganisationen aber auch entgegen und reduziere Stundensätze fürRoutineaufgaben.“ Möglich ist ihm diese flexible Preisgestaltung, weil er mit einer kleinenStruktur und geringen Fixkosten gestartet ist. „Im Non-Profit-Bereichscheint mir wichtig, sich diese Flexibilität zu wahren. Deshalb will ich mei-

ne Firma vorerst auch nicht mit angestellten Mitarbeitern betreiben, son-dern mir durch Partner mit ähnlicher Ausrichtung die Basis schaffen, auchgrößere Projekte zuverlässig bewältigen zu können.“ Diesen Weg testet erzusammen mit seinem Studienkollegen Uwe von Schirp beim ökumeni-schen Kirchentag. Gemeinsam gründen sie „cu-communications – Team fürNon-Profit-Kommunikation“, betreuen die Jugendaktion „Sauerland – Po-werland“ und verschaffen dem Projekt die gewünschte Aufmerksamkeit vonMedien und Öffentlichkeit. „So aufgestellt, akquirieren wir auch neue Pro-jekte. In der Zusammenarbeit ergeben sich mehr Kontakte – und wir kön-nen gemeinsam auch konzeptionell viel bessere Grundlagen für unsere Ar-beit schaffen. Denn als Einzelkämpfer läuft man immer Gefahr, Wichtigeszu übersehen oder falsch zu beurteilen. Im Team kann man die Arbeit desanderen begleiten und gegebenenfalls korrigieren.“Erkennen musste Christian Schnaubelt, dass Entscheidungsträger im kirch-lichen Raum eine besondere Form der Ansprache erfordern. „Entscheidun-gen sind Chefsache. Also gilt es, in der Vorarbeit mit den zumeist ehren-amtlich tätigen Mitarbeitern viel Flexibilität an den Tag zu legen, zugleichaber das Projekt entscheidungsreif vorzubereiten. Hierbei zeigt sich immerstärker, dass Budgets knapper werden und man klare Zielvorgaben schaf-fen muss, etwa zu möglichen Spenden.“ Er versucht deshalb, die Möglich-keiten der Spendengewinnung stärker in seine Konzepte einzubauen. „DieÖffentlichkeitsarbeit entspricht in Non-Profit-Organisationen der Marke-tingabteilung. Mit Fundraising können wir Drittmittel akquirieren, durchPressearbeit für Bekanntheit sorgen. Dieser Dreiklang erfordert viel Ein-satz, bringt aber auch viel.“Gerade durch die hohe Identifikation mit den Projekten seiner Auftragge-ber weiß Christian Schnaubelt um die Gefahr, die eigene Arbeit zu wenigam Budget auszurichten. „Man muss eine Schere im Kopf haben und nurtun, was das Budget erlaubt. Auch wenn das heißt, manche Ideen nicht um-zusetzen und Möglichkeiten nicht auszuschöpfen.“ Dieser sorgfältige Umgang mit der Zeit ist Christian Schnaubelt wichtig:„Ich will mein Sozialwissenschaftsstudium mit dem Schwerpunkt Medien-politik abschließen – und wenn es geht, möchte ich auch weiterhin als freierJournalist für kirchliche und kirchennahe Medien arbeiten.“

MICHAEL LÜCK · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Ganz und Gar, Köln

Jeder Mensch ist einmalig, jede Unternehmensgründung ist einmalig, und somit ist in der Regel nur ein individueller Weg

zum Ziel erfolgreich. Je intensiver sich der Unternehmer mit den besonderen „Befindlichkeiten“ seiner Zielgruppe ausein-

andersetzt, desto größer sind seine Erfolgschancen. Im Wachstumsmarkt „Dritter Sektor“ muß zwar noch viel Grundlagen-

arbeit geleistet werden, aber die Dienstleister werden oftmals mit deutlich „sinnvolleren“ Aufgaben als anderswo belohnt .

Page 64: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Serviceorientierte Systemberatung

Bei der Gründung ihrer Firma hat Martina Lutz bereits14 Jahre Erfahrung mit der Selbstständigkeit. Dennnach ihrer Gärtnerlehre hat sie einen Gewerbescheinbeantragt und sich mit Gartenplanung und Umsetzungeine nebenberufliche Einkommensquelle geschaffen.Spaß habe ihr das immer gemacht, sagt sie. Also hat siedas Hobby zum Nebenerwerb gemacht? „Nein, das we-niger. Eher stand mein Sicherheitsdenken im Vorder-grund – in meinem Beruf hätte es ja anders laufen kön-nen als geplant.“Zum Glück gibt es keine Schwierigkeiten. MartinaLutz hat noch während der Lehre festgestellt, dass ei-ne Selbstständigkeit mit eigener Gärtnerei für sie nichtin Frage kommt – der Kapitalbedarf wäre einfach zuhoch. So entscheidet sie sich statt der Fortsetzung derbetrieblichen Ausbildung an der Meisterschule für ein

Studium der Landespflege an der Fachhochschule Höx-ter. Ihre Studienschwerpunkte bilden Landschaftspla-nung und Technik. Passend dazu macht sie Praktika inverschiedenen Ingenieurbüros und schreibt dort auchihre Diplomarbeit. „Der praktische Bezug hat mir den Einstieg in den Be-ruf ganz erheblich vereinfacht“, sagt Martina Lutz rück-blickend. Sie knüpft Kontakte und erhält so unmittel-bar nach dem Studium eine Stelle in einem der Pla-nungsbüros. Dort arbeitet sie an großen Projekten mit,plant für die Bundesgartenschau in Gelsenkirchen understellt den Landschaftsplan für Potsdam mit. „DieWahl eines Büros auf dem freien Markt war nahe lie-gend: In einem Planungsbüro konnte ich mehr berufs-praktische Erfahrungen sammeln als zum Beispiel ineiner Behörde.“

Die Selbstständigkeit plant sie schon in der Gärtnerlehre. Sie studiert Landespflege, arbeitet in Ingenieur-

büros und bildet sich zur technischen Betriebswirtin weiter. Als freiberufliche Beraterin im Qualitäts- und

Umweltmanagement macht sie aus persönlicher Planung berufliche Realität.

062

Page 65: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

20

02

m a n a g e m e n t s e r v i c e s l u t z

1

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d : Beratungsunternehmen für Qualitäts- und Umweltmanagement, Arbeitssicherheit undGesundheitsschutz

b r a n c h e :Freie Berufe

p e r s o n : Martina Lutz, Dipl.-Ing. / techn. Betriebswirtin (IHK)

f u n k t i o n : Inhaberin a d r e s s e : Ludgerusstraße 19, 45663 Recklinghauseni n t e r n e t : www.mslutz.de

Page 66: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Nach drei Jahren wechselt sie in ein anderes Büro, in dem sie unter ande-rem an der Raumverträglichkeitsstudie für das Alpincenter Bottrop arbei-tet. Beim neuen Arbeitgeber legt sie Wert darauf, gezielt Schwerpunkte zusetzen: Extern pflegt sie vor allem den Umgang mit Kunden, intern betreutsie Auszubildende. Das Ergreifen neuer Chancen macht ihr Freude: „Hun-dertprozentiger Einsatz ist für mich selbstverständ-lich. Nach drei Jahren hielt ich den Zeitpunkt für ge-kommen, mich um mehr Verantwortung zu bemü-hen.“ Doch der Inhaber kann ihr diese Entwick-lungsmöglichkeit nicht bieten. „Ein sehr interessan-tes Angebot veranlasste mich, daraufhin rechtschnell den Arbeitgeber zu wechseln.“ Die neue Aufgabe fordert sie heraus: Sie soll ein Bü-ro für Abwassertechnik aufbauen und Projekte ak-quirieren. Zuerst gelingt das auch. Doch der Marktist durch Fusionen in Bewegung, ihr Arbeitgeberstellt das Projekt nach einem halben Jahr ein. „Daswar meine erste Kündigung – es sollte aber auch mei-ne letzte sein.“ Martina Lutz überlegt sich ihren Weg in die Selbst-ständigkeit ganz genau. Sie weiß aus zahlreichen Ge-sprächen, dass sehr viele neugegründete Planungsbüros Startschwierigkei-ten haben. So versucht sie, die Situation für Planungsbüros realistisch zubewerten: „Mir schien, dass die meisten Einsteiger Honorar-Dumping be-treiben müssen. Erfolgreich sind vor allem jene Büros, die langfristig festeAuftraggeber bedienen. Und dies erreiche ich nicht durch eine selbstver-nichtende Preispolitik, sondern durch eine höhere Qualität meiner Arbeit.“Also überlegt sie, wie sie sich selbst Zugang zu solchen dauerhaften Auf-trägen verschaffen kann. Sinnvoll erscheint ihr die Erweiterung des Dienst-leistungsangebotes, um mehr Kunden ansprechen zu können. Sie informiert sich über Fortbildungsmöglichkeiten und absolviert schließ-lich eine einjährige Weiterbildung zur Qualitäts- und Umweltmanagerin.Das Studium hat Mehrfachnutzen, denn auch Arbeitssicherheit und Ge-sundheitsschutz sowie technische Betriebswirtschaft werden im Rahmen

der Ausbildung bis zur Prüfungsreife vermittelt. Martina Lutz ist auch imRückblick begeistert: „Der Kurs hat mir eine Vertiefung und Verzahnunggebracht. In den Managementsystemen spiegelt sich meine eigene Ar-beitsweise wider.“ Mit langjähriger Erfahrung ausgestattet und „marktge-recht zertifiziert“ – Martina Lutz fühlt sich nach der Fortbildung persön-

lich und fachlich bestens auf die Selbstständigkeitvorbereitet. „Mein Leistungsangebot ist kunden- undserviceorientiert und ergänzt sich: Qualitäts- undUmweltmanagement werden flankiert von Arbeits-sicherheit und Gesundheitsschutz.“ Nach den Prüfungen führt sie ihr Praktikum beimTÜV in ein Projekt bei einem großen Automobil-hersteller. So bald schon ein Kontakt zur Großindu-strie! Martina Lutz ist glücklich über die Chance.Schnell zeigt sich, dass sie zum richtigen Zeitpunktam richtigen Ort ist: Der Hersteller will sich künftigdauerhaft betreuen lassen. „Das war einfach riesigesGlück: Die Verantwortlichen hatten sich für einekontinuierliche Pflege des Umweltmanagementsentschieden.“ Nach dem Praktikum erhält sie tatsächlich den Be-

ratungsauftrag. Die Zeit bis zum Projektstart nutzt sie intensiv: In dem hal-ben Jahr legt sie ihre künftige Kostenstruktur fest, entwickelt das Erschei-nungsbild ihrer Firma und knüpft zusätzliche Kontakte. Sie besucht Semi-nare, Kongresse und Messen, lernt die Gründer-Stammtische der ver-schiedenen Institutionen schätzen: „Diese Hilfe ist unschätzbar. Dort trafich Menschen, die etwas bewegen wollen, kompetent sind und sympathi-sche, interessante Gesprächspartner. Das ist auch eine Basis für persönlicheFreundschaften.“ So vorbereitet, klappt die Gründung im Januar 2002 pro-blemlos. Ihren ersten Auftrag kann sie bereits als Referenz einsetzen. Da-durch fällt es ihr leichter, weitere Kunden zu gewinnen. Auch nach einem Jahr ergibt ihre Zwischenbilanz das Signal „Weiterma-chen!“: „Meine Auftragslage entwickelt sich positiv, denn durch mehr Kon-takte multiplizieren sich die Chancen nahezu.“

MARTIN F. SCHMIDT · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Mutamus Consulting, Bielefeld

Der Weg zur Selbstständigkeit ist für die meisten eine kalte Dusche. Angestellte jonglieren nur mit dem Kapital anderer und

wähnen sich in einer trügerischen Sicherheit. Nur, was ist heute schon sicher und kalkulierbar? Wer als Existenzgründer an

sich glaubt, Biss und profunde Kenntnisse mitbringt, wird die Früchte früher oder später ernten und die Risiken aus einem

anderen Blickwinkel sehen. Jeder Unternehmer hat einmal angefangen und die meisten würden es wieder tun.

Page 67: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Auf diese Entwicklung hat Martina Lutz schonwährend ihrer Weiterbildung hingearbeitet:„Gutes und zuverlässiges Personal ist nicht un-bedingt zum Zeitpunkt des Bedarfs verfügbar.Also habe ich bereits sehr früh begonnen, mir ei-nen Fundus von potenziellen Mitarbeitern zuschaffen.“ Zum einen arbeitet sie mit freien Mitarbeiternoder Aushilfskräften: „Das sehe ich als Chance,gutes Personal aufzubauen und geeignete Vo-raussetzungen für eine spätere Festanstellung zuschaffen. Andererseits nutze ich die Zusammen-arbeit mit Kooperationspartnern, wodurch ich jenach Projektgröße und -aufwand auf zusätzli-ches Personal zurückgreifen kann.“Ihre persönliche Prognose aus der Planungspha-se trifft voll zu: Sie muss viel Zeit in ihr Unter-nehmen investieren und auch am Wochenendearbeiten. In einer durchschnittlichen Arbeitswo-che verbringt sie zwei Beratertage bei verschie-

denen Kunden, eineinhalb Tage benötigen dieVor- und Nachbereitung – und auch Verwaltungund Akquise erfordern im Schnitt zwei volle Ar-beitstage. „Gezeigt hat sich auch, dass ich zusätzlich vielZeit in Weiterbildung stecken muss. Anders wä-re es mir nicht möglich, mit den Entwicklungendes Marktes Schritt zu halten.“ Bis zu sechs Wo-chen pro Jahr plant Martina Lutz deshalb für ih-re Fortbildungen ein – als persönliche Investitionin ihre unternehmerische Zukunft.Über Wirtschaftspresse, Branchenbriefe undFortbildungen gewinnt sie schon frühzeitig Er-kenntnisse zum künftigen Bedarf ihrer Kunden:„Wenn sich grundlegende Gesetze und Verord-nungen ändern, sind viele Unternehmen davonbetroffen. Aus neuen Richtlinien und Normenfolgende Notwendigkeiten gezielt für meineKunden herauszuarbeiten ist meine Stärke – unddie Basis erfolgreicher Akquisegespräche.“

Martina Lutz rät: „Partnerschaften können sinnvoll sein. Doch man sollte

gut überlegen, ob die Sichtweisen wirklich zueinander passen und ob wirk-

lich alle Beteiligten ein partnerschaftliches Verhältnis aufbauen wollen.“

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Page 68: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Von Langusten, Leberkäse und der Liebe

„Bottrop kam für mich als Standort jedoch von vorn-herein nicht in Frage. Essen hatte einfach mehr zubieten. Um herauszufinden, welcher Essener Stadtteilfür meine Existenzgründung von Vorteil wäre, stellteich mich einfach an verschiedene Verkehrsknoten-punkte der Stadt und zählte dort teure Autos. Am Land-gericht in Essen war der Schnitt von Mercedes und Por-sche zu den übrigen Fahrzeugen enorm hoch.“ Wie es der Zufall will, erfährt er eine Woche späterdurch eine Annonce in der WAZ, dass genau gegen-über vom Landgericht ein Ladenlokal zu vermieten ist.In einer ehemaligen Änderungsschneiderei eröffnet er1989 mit 3.000 DM Eigenkapital, geliehenem Geldvon Freunden und den Banken, das „Leonardo Stehca-fé“. Er bietet seinen Gästen Frühstück, Mittagstischund Kuchen und – er hat Erfolg.

Er ist Berufsmusiker in Innsbruck, als er seine spätere Ehefrau auf einem seiner Konzerte kennenlernt.

Zwei Jahre später beschließt er, das Show-Biz für die gemeinsame Zukunft an den Nagel zu hängen.

Als er 1988 nach Bottrop kommt, spricht er nur wenige Worte Deutsch. Er lernt schnell.

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In der ersten Zeit verkauft Igor Albanese Versicherun-gen an Landsleute aus Jugoslawien und an Italiener. Ererreicht sie in den beiden Sprachen, die er aufgrund derHistorie seiner Heimat Istrien fließend beherrscht.Doch ihn bewegen andere Pläne: „Am liebsten hätte ichsofort eine Piano-Bar eröffnet, doch ich hatte keineAhnung von der Gastronomie, konnte kaum deutschund kannte auch die Strukturen im Ruhrgebiet nicht“,blickt er auf die Anfangszeit in seiner neuen Heimat zu-rück. Das Versicherungsgeschäft bringt zwar Geld,aber keinen Spaß ein. Die deutsche Sprache lernt er„Ruck-Zuck“: Seine Frau Barbara ist Lehrerin und hilftihm dabei. Er entscheidet sich anstelle der Piano-Bar füreine praktikable Alternative und plant ein gestyltes Ta-gescafé mit Stehtischen, um in der Gastronomie ein-zusteigen und hier Erfahrungen zu sammeln.

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R e s t a u r a n t L e o n a r d o

10m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g s t e h c a f é : 1989

n e u g r ü n d u n g r e s t au r a n t : 1992t ä t i g k e i t s f e l d :Restaurant

b r a n c h e : Gastronomie p e r s o n : Igor Albanese f u n k t i o n : Inhaber a d r e s s e : Zweigertstraße 55, 45130 Essen

Page 70: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Schon nach vier Monaten schreibt das Café schwarze Zahlen. „Dieser Er-folg, zum wiederholten Mal etwas aus dem Nichts zu erschaffen, hat michfür einen entscheidenden Augenblick größenwahnsinnig gemacht. 1991habe ich das benachbarte Restaurant zusätzlich angemietet. Das war eineverrückte Geschichte. Es gab schon einen Vorvertrag mit einem anderenPächter. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion habe ich über den Grundbuch-eintrag den Eigentümer der Immobilie ausfindig gemacht und ihn von mei-nem Konzept überzeugt. In der Nachbargastronomie wollte ich eine ex-klusive Küche von Leberkäse bis Langusten bieten.“ Der Hausbesitzer lässtsich überzeugen und beide unterzeichnen einen neuen Vertrag.„Ich stellte einen der Köche aus der ‚Ente von Lehel‘ in Wiesbaden als Chef-koch und einen Kellner aus der ‚Residence‘ in Essen als Restaurantleiter ein,aus ‚Sterneläden‘ also. Damit schien der Erfolg programmiert, doch es wur-de alles anders. Ich ahnte nicht, dass viele Sterneköche ihre Perfektion nurmit einer eingespielten Küchenbrigade zu Stande bringen können. Schondie Eröffnung war eine Katastrophe. Es gab zwei große Menüs zur Auswahlund dazu Essen à la carte. Über sechzig Gäste, die alle pünktlich um zwan-zig Uhr gekommen waren, mussten lange auf ihre amuse gueule aus Wach-

telspiegeleiern auf Brennnesselpüree warten. Ein Stammgast aus dem Steh-café ist, nach drei Stunden Warten, vom Hunger getrieben zu McDonaldsgefahren. Der Abend wurde für mich zum Wechselbad der Gefühle:Anfangs noch mit stolzgeschwellter Brust, schrumpfte ich minütlich. Dasschlechte Omen bestimmte auch die Folgezeit des neuen Restaurants. Derenorme Wareneinsatz war falsch kalkuliert, denn es ist schwierig, ohneBranchenkenntnis eine gehobene Gastronomie zu führen. Ich habe damalsviele wichtige Entscheidungen an den Koch weitergegeben, was ein gro-ßer Fehler war. Mein damaliger Chefkoch war eben ein Gourmet-Künstlerund kein Betriebswirt.“1992 schließt das Restaurant wieder und hinterlässt beträchtliche Schul-den. Igor Albanese baut das Stehcafé zu einem kleinen Restaurant aus undbeginnt sein Geschäft quasi von Neuem. Er stellt einen neuen Koch ein undsucht attraktive Studentinnen für den Service. Auf gelernte Kellner will erin Zukunft verzichten. „Ich habe versucht, aus den schlechten Erfahrungenzu lernen. Seitdem ist mir bei allen betrieblichen Entscheidungen das Wohldes Gastes die erste Priorität. Ich möchte, dass meine Kunden sich wohlfühlen, von einem netten, herzlichen Servicepersonal ohne Verkaufsgier

Igor Albanese betont: „Berufseinsteiger in der Gastronomie sollten meines Erachtens viel-

fältige Erfahrung sammeln, bevor sie sich selbstständig machen. Es reicht nicht aus, in der Kneipe

lediglich eine schöne Sache zu sehen oder einige durchgezechte Nächte als Qualifikation zu

betrachten. Viele Prominente wie Stallone und Schwarzenegger sind daran gescheitert. Außerdem

sollte jedem klar sein, dass man mit der Gastronomie heute nicht mehr das schnelle, leichte Geld

verdienen kann. Diese Zeiten sind leider schon vor meiner Zeit zu Ende gegangen.“ �

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KLAUS OMMER · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Luxenburger und Partner, Wermelskirchen

Ein Unternehmer muss bei seinem Konzept seine persönlich-fachlichen Möglichkeiten genau analysieren. Im Erstkonzept war

dies die Kommunikationsfähigkeit, weniger das gastronomische Know-how. Je gehobener ein Restauranttyp ist, desto höher

muss das gastronomische und betriebswirtschaftliche Wissen sein. Ist dies nicht vorhanden, so begibt man sich in hohe Ab-

hängigkeit zum Personal. Man kann deren Leistungen weder selbst erbringen noch kontrollieren – der Fehler im Zweitkonzept.

Viele kommen tagsüber mit ihren Geschäftspartnern zum Essen und abendsmit Freunden oder mit der Familie. Igor Albanese kennt sie in den unter-schiedlichsten Situationen. Er ist in das Leben im Viertel eingebunden: „Je-der Mensch hat im Grunde seines Herzens etwas Nettes an sich, das er auchkommunizieren will, wenn er ausgeht und eine angenehme Zeit haben will.Darauf konzentriere ich mich. Der Gastronom hat die Aufgabe, die Gästeein bisschen aus der Reserve zu locken, sie zum Lachen zu bringen. Er istein wenig Arzt, ein wenig Priester und ein wenig Friseur, denn die Gästevertrauen ihm unter Umständen viel Privates an. Es ist nicht nur ein Beruf,es ist eine Berufung.“Mit und durch die Selbstständigkeit sind einige ganz persönliche Träumedennoch auf der Strecke geblieben oder zu kurz gekommen: Zeit für dasFamilienleben hat er kaum. Das „Baby“ Leonardo verlangt viel Engagement.Er, seine Frau Barbara und die zwölfjährige Tochter Anna nehmen das Ga-stronomen-Schicksal gelassen.„Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit!“ zitiert der Südländer Fried-rich Schiller formvollendet in perfektem Hochdeutsch – und lacht dabeiaugenzwinkernd verschmitzt.

bedient werden. Sogenannte Profis, die ihren Einsatz im Restaurant ausSelbstzweck erbringen und für die der Gast zu einer Nebensache wird, pas-sen weder zu mir, noch zu der Gastronomie, die ich betreiben möchte.“ Igor Albanese ist selbst täglich im Restaurant anzutreffen, außer an seinemRuhetag am Sonntag. „Das Geschäft, sowohl Mitarbeiter als auch Gäste,verlangen eine Bezugsperson, die das Geschäft prägt und die Menschenpersönlich bindet. Auch bei Reklamationen ist es ein entscheidender Vor-teil, wenn sich der Inhaber selbst darum kümmert. Viele Stammgäste sindgerade deshalb Stammgäste geworden, weil sie auf ihre Kritik oder auf ih-re Unzufriedenheit eine passende Entschuldigung, eine persönliche Zu-wendung erhalten haben. Der Inhaber ist die Konstante des Restaurants.Mich macht es glücklich, einen Gast zufrieden zu stellen, und diesen Erfolgmöchte ich letztendlich sehen.“Ein prägender Faktor im Leonardo ist die Musik. Die CDs, die täglich lau-fen, sind keine Zufallsentscheidung, und auch das Piano oder die Gitarrewerden oft von Gästen und Freunden des Hauses in Anspruch genommen.Der Stammgast „Rudi“, Ex-Berufsmusiker und Rentner, spielt öfters amspäten Abend für interessierte Gäste oder auch für den Wirt selbst.

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Lachen als Lohn

BWL oder Medizin? In der Oberstufe kann sich Jörn Thie-mer nicht so recht entscheiden. Das gute Ergebnis im Me-diziner-Test gibt den Ausschlag: Statt Marketing studiert erZahnmedizin. Auch das ergibt sich nicht selbstverständ-lich: „Meine Grundidee war gar nicht, Zahnarzt zu werden.Zuerst habe ich meinen Schwerpunkt im chirurgischen Be-reich gesehen, erst später erwachte mein Interesse an derästhetischen Zahnmedizin und der Wiederherstellung, alsoder Implantologie.“Mit erst 28 Jahren übernimmt Jörn Thiemer 1996 eineZahnarztpraxis in Bochum. Zwei Jahre später kommt seineEhefrau als Zahnärztin hinzu. Mit einem weiteren Denti-sten deckt die Praxis bald das gesamte Feld der Zahnmedi-zin ab. Ein eigenes Labor im Hause ermöglicht, Patientenohne externe Schnittstellen zu betreuen. In der Implanto-logie, einem noch relativ jungen Bereich der Zahnmedizin

findet Jörn Thiemer persönlich seine Berufung : „Es ist eineHerausforderung, denn das Wissen in diesem Bereich ver-doppelt sich alle zehn Jahre.“ Doch der Zwang zur ständi-gen Fortbildung fordert ihn – „und es rechnet sich, die neu-en Entwicklungen einsetzen zu können. Mir stehen da-durch Alternativen zur Verfügung, und ich kann dem Pa-tienten mehr Möglichkeiten aufzeigen.“ In der extremenSpezialisierung erkennt er deshalb besondere Chancen.„Statt von vielem nichts richtig zu können, habe ich Spaß,wenn ich ein Gebiet wirklich umfassend beherrsche. Nebender erkennbaren Qualifikation ist das ein wichtiges Ele-ment beim Aufbau von Vertrauen.“ Diese Spezialisierung erfordert immer wieder viel Zeit.Auch in seinem Bereich seien die USA das Land unbe-grenzter Möglichkeiten. Wo immer es geht, verbinde erdort Uni-Kurse mit Praxisbesuchen. Etwa eine Woche

Zum Studium der Zahnmedizin gesellt sich das Interesse an Chirurgie. Daraus resultiert die Speziali-

sierung auf Zahn-Implantate. Nach der Übernahme einer Praxis folgen konzeptionelle Änderungen

und starke Expansion. Heute decken drei Zahnärzte alle wichtigen Fachgebiete ab.

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T h i e m e r & P a r t n e r

24g r ü n d u n g :1996

t ä t i g k e i t s f e l d : Zahnärztliche Praxis mit drei Zahnärzten und eigenem Labor, Schwerpunkt Implantologie

b r a n c h e :Freie Berufe (Zahnarzt)

p e r s o n : Jörn Thiemer, Dr. med. dent. f u n k t i o n : Inhabera d r e s s e : Günnigfelder Straße 25, 44866 Bochumi n t e r n e t : www.thiemer.com

m i t a r b e i t e r : ~

Page 74: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Operationskurs für Implantologie, gefolgt von zwei Wochen Hospitanz ineiner Praxis. Eine langjährige Bekanntschaft zu einem dort ansässigen Arztwird fester Bestandteil seiner Weiterbildung. Dass in dessen Praxis schonder eine oder andere Hollywood-Star sein oscarreifes Lächeln erhielt, spieltfür Jörn Thiemer nur eine Nebenrolle: „Ob in Bochum oder in Hollywood:Was wir machen, ist zum Teil Luxus, zum anderen Teil Notwendigkeit. Ichfreue mich, wenn Patienten nach einer Behandlung wieder unbefangenlachen, ein Stück Lebensfreude und Lebensqualität zurückgewinnen.“ Neben den regelmäßigen Aufenthalten in den USA gehören Kongressteil-nahmen und seit kurzem auch wieder ein Studium zum Weiterbildungs-

mer sein. Ich sehe mich jedenfalls als Dienstleistungsunternehmer im Be-reich Zahnmedizin.“ Mit diesem unternehmerischen Denken startet JörnThiemer seinerzeit auch in die Selbstständigkeit: „Ich musste die Praxisohne Eigenkapital und ohne öffentliche Förderung erwerben. Umso wich-tiger war das Konzept. Überzeugt hat die Banken offenbar mein Fachwis-sen, exakte Zahlen und eine transparente Planung für die Folgejahre. Ab-gesichert haben wir den Kredit durch den Wert der Praxis.“ Den theoretischen Einschätzungen folgen praktische Erfahrungen nachder Übernahme. Die bisher auf nur einen Betreiber zugeschnittene Praxismuss modernisiert und erweitert werden. „Als bedeutenden Schritt haben

programm: An der Universität im österreichischen Krems will Jörn Thie-mer in fünf Semestern seinen „Master of Science“ für Implantologie erwer-ben. „Zum einen grenze ich mich mit dieser zusätzlichen Ausbildung vonanderen Ärzten ab, weil ich dann einer von wenigen Kollegen mit dieserspeziellen Qualifikation in Deutschland bin.“ Finanziell bedeutsam sei dieFortbildung ebenfalls: „Derartige Qualifikationen werden sich künftig po-sitiv auswirken, wenn ich etwa die Haftpflichtprämie für unsere Praxis ver-handle oder Einzelverträge mit Krankenkassen schließen möchte.“So spielen immer auch betriebswirtschaftliche Überlegungen in die beruf-liche Weiterentwicklung hinein: „Jeder Arzt muss heute auch Unterneh-

wir das Labor von einem auf heute fünf Mitarbeiter erweitert, um alle Be-reiche der Zahntechnik abdecken zu können.“ Wichtig für die Patienten-betreuung sei dabei, dass die Techniker im gleichen Haus arbeiten und dierestaurative Phase durchgängig begleiten können. Diese enge Zusammen-arbeit ist wichtig für die Patientenzufriedenheit: „Gerade bei Implantatensieht der Patient später nämlich nicht, was der Zahnarzt gemacht hat – wohlaber die Leistung des Technikers.“ Durch diese Strategie deckt Jörn Thiemer die Wertschöpfungskette weit-gehend ab. „Also initiierten wir die Gründung eines Unternehmens, das Im-plantat-Zubehör vertreibt. Durch diese Firma werden wir äußerst zuver-

DR. SIGRID OLBERTZ · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · DR. OLBERTZ UNTERNEHMENSBERATUNG GMBH, Marl

Angehörige der Heilberufe finden in Nordrhein-Westfalen viele berufliche Optionen. Allgemeinmedizinern und Zahnmedizinern

bietet sich in Land- und Stadtpraxen ein breites Betätigungsfeld. Fachlich hoch qualifizierte Spezialisten werden sich hingegen

eher in den Ballungsräumen orientieren. Die Nähe zu renommierten Universitäten ermöglicht zudem die postgraduale Aus- und

Weiterbildung in den verschiedensten Fachbereichen. Somit ist die wirtschaftliche Existenz einer Praxis gewährleistet – sowohl

im öffentlichen Kassen- wie auch im privaten Zuzahl-Bereich.

Page 75: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

lässig und gerade bei dem häufig sehr kurzfristigen Bedarf sehr gut versorgtund betreut.“ Seit 1996 hat sich die Mitarbeiterzahl verdreifacht, das Einzugsgebiet deut-lich erweitert. „Unsere Patienten kommen zwar überwiegend aus demRuhrgebiet, dank unserer Präsenz in Internet und Fernsehen aber auch ausganz Deutschland und dem Ausland.“ Trotz seines Erfolges ärgert sich Jörn Thiemer über das Werbeverbot fürÄrzte. Also nutzt er alle informierenden Darstellungsformen und achtetselbst im Gespräch mit Journalisten darauf, nicht werbend zu agieren: „Jede Außendarstellung ist eine Gratwanderung. Dabei ist es auch im Inter-

Hotel-Wochenenden mit allen Mitarbeitern überprüfen wir in entspannterAtmosphäre, ob wir diese Ziele auch erreichen.“ Hier gleicht Jörn ThiemerFehler aus der Anfangsphase aus: „Personalführung hatte ich an der Uninicht gelernt und war deshalb anfänglich zu lax. Heute weiß ich, dass dasFührungsverhalten die eigene Persönlichkeit widerspiegeln muss und mandie Dinge nicht sich selbst überlassen darf.“ Insgesamt betrachtet ist JörnThiemer zufrieden: „Zum Glück sind mir die größten Stolperfallen erspartgeblieben: Selbstüberschätzung, zuviel auf einmal wollen, sich finanziellübernehmen. Vor allem ist mir aber klar, dass man nie aufhören darf zu ler-nen, wenn man nicht nur am Ball bleiben, sondern Spielführer sein will.“

esse der Patienten, sich anhand von Fakten über die Leistungen einer Pra-xis informieren zu dürfen. Wir verfügen über zahlreiche Spezialisierungen– müssen aber immer aufpassen, wie wir das darstellen.“ Neue Wege innerhalb enger Rahmenbedingungen diskutiert Thiemer re-gelmäßig mit den beiden Kollegen und einem Unternehmensberater. „Wirerarbeiten Jahresziele bis hin zum Zehn-Jahres-Plan. Diese betriebswirt-schaftlichen Ziele müssen auch unsere fachlichen Überlegungen wider-spiegeln: Etwa meine Entscheidung, einen Tag pro Woche in die Fortbil-dung zu investieren.“ Die Überprüfung der Zielerreichung liegt jedochauch bei den Mitarbeitern: „Sie bewerten uns und umgekehrt. Und bei

Daher ist er auch auf ein verlockendes Angebot eingegangen: Künftig leiteter zusätzlich die implantologische Abteilung einer Privatklinik. „Das istschon sehr spannend. Und zudem eine sinnvolle Ergänzung meiner beste-henden Aufgaben.“Im Anschluss an die Geburt des zweiten Kindes hat er nach 16 Jahren alsFußball-Schiedsrichter aufgehört. Ein Hobby mit zuletzt sogar internatio-nalen Einsätzen: „Ich war 120 Tage im Jahr für den Fußball unterwegs undeigentlich halbprofessionell tätig.“ Es sei faszinierend, für große Spiele aus-gewählt zu werden, vor 70.000 Zuschauern in der Champions League zupfeifen. Doch jetzt hat am Wochenende die Familie für ihn Heimvorteil.

Jörn Thiemer rät Gründern: „Ich kann nur jedem Freiberufler emp-

fehlen, seine eigenen Zahlen in Soll- und Ist-Werten genau zu kennen

und damit auch sein eigenes Controlling zu gewährleisten.“

073

Page 76: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Kombination vonKompetenzen

Schon durch die Entscheidung für die Promotion setzt sich Rainer Aubergvom üblichen Karriereweg der Bauingenieure ab. Er nimmt eine Assisten-tenstelle am Institut für Bauphysik und Materialwissenschaft der Univer-sität Essen an. Professor Setzer erweist sich als wahrer Doktorvater und er-öffnet ihm viele Möglichkeiten – bis hin zum Mitentwickeln eines neuar-tigen Prüfverfahrens. „Durch die Anwendung neuer, zerstörungsfreierMessmethoden sah ich schon damals die Chance, mich später einmal mitBeratungsleistungen am freien Markt abzugrenzen.“ Zur gleichen Zeit kommt er mit Dr. Edelbert Schaffert ins Gespräch, deran der Essener Uni eine Dozentenstelle hatte. „Er erzählte mir, wie er sei-nen Einstieg in die Selbstständigkeit gewagt hatte – indem er zwei seinerProfessoren als Mitgründer gewann.“ Die Arbeit in einem kleinen Team,verbunden mit persönlichen Freiheiten erscheint Rainer Auberg verlo-ckend. Dennoch zögert er, seinen Doktorvater mit der Idee zu konfrontie-ren. „Ich dachte, dass die Gründung mit mehreren Mitgesellschaftern einhöheres Entwicklungspotenzial hat. Professor Setzer war für mich der

Während seiner Promotionszeit als Bauingenieur knüpft er internationale Kontakte. Doch ein Ange-

bot aus dem Ausland lehnt er ab. Er macht sich selbstständig und gewinnt renommierte Professoren

als Gesellschafter. In einer gemeinsamen Beratungsgesellschaft betreuen sie große Bauprojekte.

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W I S S B A U B e r a t e n d e n d eI n g e n i e u r g e s e l l s c h a f t m b H

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m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :1999

t ä t i g k e i t s f e l d : Beratende Ingenieurgesellschaftfür Werkstoffe, Bauphysik, Akustik und Umweltschutz

b r a n c h e :Freie Berufe

p e r s o n : Rainer Auberg, Dr.-Ing. f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschafter a d r e s s e : Kruppstraße 82–100, 45145 Esseni n t e r n e t : www.wissbau.de

Page 78: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

wichtigste Wunschpartner, weil er für mich einer der bedeutenden Grund-lagenforscher des Bauwesens ist, der nie den Blick für die Praxis verliert.“Für eine größere Gründung, glaubt Dr. Auberg, wären Gesellschafter mitergänzenden Fachgebieten ideal. „Heutige Bauprojekte sind sehr komplex.Insbesondere Instandsetzungen und Modernisierungen erfordern ein um-fassendes und damit fachübergreifendes Wissen.“Vorerst hat er wissenschaftlichen Erfolg: Er hat ein Prüfverfahren für Bau-stoffe mitentwickelt, das europaweit Anerkennung findet. Gemeinsammit seinem Doktorvater reist er zu zahlreichen Kongressen, um das Ver-fahren vorzustellen. Nach seiner Promotion spricht er mit Prof. Setzerendlich doch über seine Pläne. „Professor Setzer antwortete nur, dass ereigentlich immer selbst habe gründen wollen. Gezögert habe er vor al-lem, weil er die Zeit für Organisation und Koordination nicht überneh-men wollte und konnte.“ Rainer Auberg ist sich nach diesem ersten posi-tiven Bescheid sicher, dass ihm auch eine Gründung mit mehreren Part-nern gelingen wird.Er spricht den Essener Professor Dillmann an, der durch langjährige Tä-tigkeit in der Industrie über gute Kontakte verfügt. „Er erweiterte die Kom-petenz in dem Bereich der Baustofflehre und Betontechnologie, die unsereWerkstoffkunde und Bauphysik ideal ergänzte. Und ich sah in ihm den er-fahrenen Pragmatiker, der immer wieder neue, baupraktische Lösungen fin-det.“ Für Professor Dillmann läge der Vorteil darin, „dass er an seinem C3-

Lehrstuhl als Einzelkämpfer nicht die Möglichkeiten hatte, eine umfassen-de Beratungstätigkeit zu leisten.“ Als Dritten im Bunde wünscht Rainer Au-berg sich Dr. Schaffert, sein Gründungsvorbild aus Berlin. „Da er bereitsein Unternehmen hatte, wäre auch eine Kooperation mit ihm denkbar ge-wesen. Doch ich ging davon aus, dass er sich als Gesellschafter stärker fürdie gemeinsame Sache engagieren würde. Sein Vorteil war, dass unsereKompetenzen gleichzeitig auch zu seinem Fachgebiet Akustik Synergienschafften, so dass sich beide Büros perfekt ergänzen würden.“Zwar begeistern sich nach und nach alle Partner für die Idee, doch die Ge-spräche zum Gesellschaftervertrag erweisen sich als knifflig: „Es zeigte sich,dass ich jedem Partner eine Sperrmöglichkeit einräumen musste. Positiv aufdie Gründung wirkte sich allerdings ein anstehendes Großprojekt aus. DieBetoninstandsetzung des Berliner Olympiastadions hatten wir gemeinsammit Dr. Schaffert und Prof. Setzer akquiriert. Eine solche Größenordnungkonnten wir in dieser frühen Phase organisatorisch allerdings nur mit Prof.Setzer und seinem Institut bewältigen.“So muss es nun schnell gehen mit der Unternehmensgründung. Ab Febru-ar 1999 konzentriert sich Rainer Auberg ganz darauf. Der Gesellschafter-vertrag ist klar gehalten, berücksichtigt aber auch „Schlechtwetterzeiten“:„Wir haben wirklich alle negativen Szenarien durchgespielt – zugleich wardas ein gutes Beispiel dafür, wie man schwierige Verhandlungen zu einemfür alle zufriedenstellenden Ergebnis bringen kann.“

DIPL.-BETRIEBSWIRT ANTON HENNING · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · [email protected]

Unternehmer sein und Unternehmen führen ist mittlerweile eine so komplexe und vielseitige Aufgabe, dass viele gut bera-

ten sind, wenn sie nicht als Einzelkämpfer starten, sondern sich im Rahmen ihrer Unternehmensgründung Know-how,

Kompetenz und Qualifikation über die Beteiligung geeigneter Personen als Gesellschafter „einkaufen“.

Page 79: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Verhandlungen stehen für Rainer Auberg bald täglich im Terminplan: ImApril führt er bereits Gespräche mit den Auftraggebern bei der Walter Bau,im Juni wird die Gesellschaft eingetragen. Sie heißt nicht „Setzer & Part-ner“ sondern WISSBAU – beratende Ingenieurgesellschaft.„Der Name Wissbau steht für wissenschaftliches Bauen und ist ein gutesDach für unsere Beratungskompetenz in wichtigen Feldern – Werkstoffe,Bauphysik und Akustik.“ „Unsere Kostenplanung war relativ unkompli-ziert,“ erinnert sich Rainer Auberg. „Wir haben ein Büro in Essen gemietet,in Berlin konnten wir die Strukturen von Dr. Schafferts Firma vorerst mit-nutzen.“ Als wesentlich komplexer erweist sich die Kalkulation des erstenAuftrages. „Das Olympiastadion hatte eine Dimension, die in keiner Ge-bührenordnung abgebildet war. Zudem hatte ich zu diesem Zeitpunkt we-nig Kalkulationserfahrung, musste aber auf vier Jahre planen.“ Seine ersten Mitarbeiter rekrutiert Rainer Auberg aus früheren Diploman-den, die er schon als studentische Mitarbeiter des Institutes kannte. Mit ih-nen wird die Verständigung auch klappen, wenn Abstimmungen zwischenBerlin und Essen erfolgen müssen. Ein erster bedeutender Auftrag und diezahlreichen Kontakte der Partner – „die Wissbau war von Beginn an weichgebettet.“ Nach vier Jahren arbeiten neben den Partnern fünf weitere Ingenieure fürdas Unternehmen, für die Verwaltung hat Rainer Auberg zwei Halbtags-kräfte eingestellt. Den ersten Auszubildenden als Bauzeichner kann er noch

ohne Ausbilderprüfung einstellen, danach wäre eine Ausbilderprüfung er-forderlich. „Auch wenn das für die IHK nicht zählt, kommt mir doch mei-ne neunjährige Lehrtätigkeit zugute.“ Arbeitete er selbst zu Beginn noch zwei Tage pro Woche in Berlin, kon-zentriert er sich mittlerweile auf die Organisation des Unternehmens. Le-diglich die Hälfte seiner Zeit arbeitet er selbst in Projekten mit oder schreibteigene Gutachten. Die Unternehmensgröße mit nunmehr acht Mitarbei-tern empfindet der Ingenieur als ideal. „Ich habe weiter direkten Einblickin jedes Projekt und kann dadurch frühzeitig bei Engpässen eingreifen. Dieenge persönliche Bindung im Team erleichtert uns, Vorgänge für alle Mit-arbeiter transparent zu halten. Da so jeder die Auftragsabwicklung vom An-gebot bis zur Rechnung kennt und nachvollziehen kann, setzen sich dieMitarbeiter engagiert ein und entwickeln vor allem ein hohes Kostenbe-wusstsein.“Zukünftig will Rainer Auberg sich verstärkt um Auslandskontakte für dieWissbau kümmern. Hier helfen zum einen die internationalen Kontaktevon Prof. Setzer und zum anderen enge Verbindungen zu früheren auslän-dischen Diplomanden, die z.B. nach Teheran, Iran Kontakte haben: „ÜberProf. Setzer und Dr. Xu, einem Doktoranden von Professor Setzer, habenwir eine Kooperation mit der Materialprüfungsanstalt in Schanghai aufge-baut. Dort wollen wir bei einem zukünftigen Landgewinnungsprojekt fürdie Hafenerweiterung speziell mittelständische Unternehmen beraten.“

Rainer Auberg rät aus eigener Erfahrung: „Nehmen Sie sich Zeit, um sich mit Rechnungen und

Mahnungen zu beschäftigen. Seien Sie am besten die letzte Instanz, die jede Rechnung vor dem

Versand prüft. Arbeiten Sie aber dennoch daran, Strukturen zu schaffen, die ein Funktionieren des

Unternehmens auch ohne Ihre ständige Kontrolle ermöglichen.“

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Page 80: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Das beste Mittel gegen Verdrossenheit ist es, sich selbst zu aktivieren. Richard von Weizsäcker, (*1920) ehem. dt. Bundespräsident

Page 81: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

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Konsequenz zur Lebensmitte

Menschen, die sich nach Jahren im Beruf neu positionieren und mit der Selbstständigkeit neue (oder alte) persönliche

Potenziale aktivieren, zeichnet zweierlei aus: Der Mut, eigenverantwortlich Neues zu wagen, verbunden mit der Option,

Erlerntes und Erfahrenes zu nutzen. Sie blicken bereits auf eine gelebte Biografie zurück und ihr Handeln widerlegt wohl-

feile Klischees von „Midlife Crisis“ oder gar „altem Eisen“. Sie leben die Konsequenz zur Lebensmitte.

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Erfindungs-Reichtum

Mit 23 entdeckt Jörg Seiffert den Lautsprecherbau.„Zuerst war das ein spannendes Hobby. Doch als ichmein Lehramtsstudium beendet hatte, habe ich einenSelbstbauladen für Lautsprecher eröffnet.“ Zwei Jahrelang führt er das Geschäft alleine, dann steigt ein Ge-schäftspartner mit ein. „Richtig großes Geld ließ sich mitunserem kleinen Laden in einer Nebenstraße zwar nichtverdienen – aber es reichte zum Leben und hat eineMenge Spaß gemacht.“ Heute sieht er diese Phase alswichtige Lernstation für seine spätere berufliche Aus-richtung. „Ich hatte sogar ein eigenes Lautsprechermo-dell entwickelt, das ich an andere HiFi-Geschäfte ver-kauft habe. In dem Modell steckten schon erste techni-sche Ansätze für mein heutiges Patent – und damit kamder Lautsprecher so gut an, dass ich sogar eine gute Be-sprechung in einer Fachzeitschrift hatte.“ Dennoch

verkauft er 1989 den Laden mit kleinem Gewinn, um einPsychologie-Studium aufzunehmen. Die Lautsprecher lassen ihn aber nicht los: Jörg Seiffertsucht immer neue Ansätze, den Lautsprechern ein bes-seres Zeitverhalten abzugewinnen. „Das Thema faszi-nierte mich einfach. Viele namhafte Hersteller versuch-ten zu erreichen, dass hohe und tiefe Töne das Ohrgleichzeitig erreichen. Dann nämlich würde Musik soklar klingen wie im Konzert. Doch meiner Meinungnach war kein Ergebnis zufrieden stellend – und so ver-suchte ich zuerst, durch eine andere Anordnung vonBasslautsprecher und Hochtöner zu einem besserenErgebnis zu kommen. Später habe ich mich mit techni-schen Details wie der Impedanzkurve beschäftigt und soversucht, einen Lautsprecher mit verbessertem Klang-bild zu entwickeln.“

Lautsprechern den perfekten Ton zu entlocken, begeistert ihn. Er eröffnet einen Lautsprecher-Selbst-

bauladen, verkauft diesen aber, um Psychologie zu studieren. Nach fünfjähriger Pause gründet er ein

HiFi-Geschäft. Wieder sucht er den perfekten Ton – und lässt sich eine Erfindung patentieren.

080

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19

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A u r a H i F i

1

m i t a r -b e i t e r :

g r ü n -d u n g :1994

t ä t i g k e i t s f e l d :HiFi-Fachhandel

b r a n c h e :Handel /Produktion

p e r s o n : Jörg Seiffertf u n k t i o n : Inhabera d r e s s e :Rüttenscheider Straße 168–170, 45131 Esseni n t e r n e t : www.aura-hifi.de

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Was ihm damals als angenehmer Nebenerwerb erscheint, bewertet er heu-te viel positiver: „Während der Studienjahre habe ich insgesamt 80 PaarLautsprecher verkauft. Wenn man bedenkt, dass ich gerade einmal sechsHändler mit diesen No-Name-Produkten beliefert habe, war das schon eintoller Erfolg.“ Sein Studium hat er bis auf die Diplomarbeit beendet, da besucht ihn seinfrüherer Geschäftspartner. „Mit einigen Jahren Abstand konnten wir unse-re damalige Selbstständigkeit amüsiert Revue passieren lassen. Viele Feh-ler wurden uns klar, sei es im Umgang mit den Kunden oder im Einkauf.“Aus der Rückschau werden konkrete Überlegungen, wie man es besser ma-chen könne: „Wir hatten beide den Wunsch, stärker auf den Kunden ein-zugehen. Für die meisten war HiFi ein Hobby, über das sie gerne fachsim-pelten – da schien uns eine Café-Atmosphäre am passendsten.“ Schnell ist bei Jörg Seiffert die Begeisterung fürs eigene Geschäft wiederda. „Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt stand ein Ladenlokal neben unse-rem früheren Standort leer. Und so haben wir 1994 dort erneut ein HiFi-Geschäft eröffnet.“Die fachlichen Voraussetzungen sind deutlich besser als beim ersten Startzehn Jahre zuvor. Die finanziellen sind hingegen eher schlechter: „Wirwollten ein Einzelhandelsgeschäft und weg vom Selbstbau. Dazu fehlte unszuerst das Kapital. Als Zwischenlösung haben wir mit Gebrauchtgerätengehandelt.“ Um Kapital für den Einkauf weiterer Ware zu schaffen, suchen sich die bei-den Partner einen anstrengenden Zusatzerwerb: Sie verlegen Fertigparkett.„Mein Geschäftspartner kannte sich damit aus und überzeugte einen gro-ßen Holzmarkt, dass er uns als Subunternehmer empfehlen solle. So habenwir von frühmorgens an Parkett verlegt und von 14 bis 19 Uhr unseren La-den geöffnet.“ Der Zusatzerwerb erweist sich als lukrativ: Beide können ge-nug Geld für ihren persönlichen Bedarf entnehmen und zugleich viel Geldin den Laden stecken. „So haben wir uns innerhalb von drei Jahren ein Ge-schäft mit einem wirklich guten Sortiment geschaffen. Allerdings mit Kno-chenarbeit: Ich merkte schon, dass ich durch die harte körperliche Arbeitund die vielen Arbeitsstunden stark belastet war. Und außerdem wollte ichwissen, ob sich das HiFi-Geschäft nicht selbst tragen kann.“

Seinem Geschäftspartner erscheint hingegen das Geschäft mit dem Parkettlukrativer. „Wir haben uns also doch wieder getrennt. Ich habe ihn wie ver-traglich vereinbart über einen längeren Zeitraum ausbezahlt – und um dasGeld dafür zusammen zu bekommen, natürlich Parkett verlegt.“ Doch einfach nur alleine weitermachen will Jörg Seiffert nicht: „UnsereNebenstraßenlage erschien mir nicht zukunftsfähig. Das bestätigten mirauch frühere Geschäftsnachbarn, die durch den Umzug auf eine Haupt-einkaufsstraße ihre Erlössituation stark verbessern konnten.“ Jörg Seiffertbeginnt zu kalkulieren: Ein größeres Ladenlokal in attraktiver Lage würdeseine monatlichen Kosten verfünffachen. Er überlegt, welche flankieren-den Maßnahmen notwendig sind, um den erforderlichen höheren Umsatzzu erzielen. „Diese Überlegungen habe ich in einem Konzept zusammen-gefasst und um eine Werbeplanung ergänzt.“ Beides nimmt er mit zur Spar-kasse, die ihm 1998 anstandslos einen Kredit über 50.000 DM bewilligt. Das richtige Ladenlokal ist bald gefunden, die Neueinrichtung in der ge-wünschten Café-Atmosphäre dank des Kredites kein Problem. „In diesesneue Geschäft habe ich wirklich alle Erfahrungen gesteckt. Und ich warheilfroh, dass auch meine Umsatzprognosen eintrafen.“ Die gemütlicheCafébar wird zum Treff aller HiFi-Begeisterten. „Doch weil diese Stamm-kunden neue Kunden schon mal misstrauisch beäugten, habe ich die Ca-fébar später doch in einen Nebenraum verlegt.“ Denn auch in der Kun-denbetreuung will Jörg Seiffert seine Ziele verwirklichen: „Gute Beratungmuss sehr zugewandt sein. Sie braucht Zeit und persönlichen Einsatz.“Sind einmal keine Kunden im Laden, schult Jörg Seiffert sein Gehör. „Ichhabe mir alle Lautsprechermodelle wieder und wieder angehört und ver-sucht zu erkennen, welche am besten zu den Bedürfnissen der Kunden pas-sen. Vom dem neuen Modell eines bekannten Herstellers ist er besondersbegeistert – und als er auf einer Fachmesse den Entwickler trifft, loben sichbeide gegenseitig. „Er kannte meine frühe Entwicklung, ich schätzte seineaktuelle Weiterentwicklung.“ Hochmotiviert kehrt Jörg Seiffert in seinenLaden zurück. „Als Voraussetzung für technische Verbesserungen erschienmir erst einmal wichtig, mein Hören zu objektivieren: Steht ein Instrumentakustisch an der richtigen Stelle? Bleibt es im Verlauf des Musikstückes ge-wissermaßen dort stehen?“ Er versucht, „wasserfeste“ Versuchsanordnun-

BURKHARD GIMM · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.gimm-unternehmensbera tung.de, Menden

Jörg Seiffert eröffnet mit seinem patentierten Nachrüstsatz für alle gängigen Lautsprechermodelle dem „Klangerlebnis-Genießer“

die Möglichkeit, die vorhandenen Lautsprecher ohne teuren Neukauf erheblich zu verbessern. Sein Ziel, mit dieser Entwicklung

die Schönheit von Klangerlebnissen zu optimieren, hat auf dem Markt der Musikliebhaber eine große Chance, wobei der Selbst-

vermarktung Vorrang eingeräumt wird, was jedoch einer genauen Beobachtung bedarf.

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gen zu schaffen, Einzelprobleme sauber zu definieren und plausible Lö-sungen zu finden. Zugleich analysiert er jeden seiner früheren Lösungsan-sätze, ebenso wie die Ansätze der Hersteller. „Irgendwann wusste ich, dassich die Lösung habe. Aus den vielen Erfahrungen ergab sich eine relativ ein-fache technische Lösung, die sich als Nachrüstsatz standardisieren ließ.“Über einen Patentanwalt recherchiert Jörg Seiffert, ob diese Lösung schonpatentiert ist. Es zeigt sich, dass sein Weg tatsächlich neu ist – und so mel-det er sein „Black Wonder“ 2002 zum Patent an.Jörg Seiffert sieht in seinem neuen Produkt eine ideale Ergänzung zum Han-del. „Zum einen unterstreicht das Eigenprodukt die eigene Kompetenz,zum anderen lassen sich Erlöse viel besser planen.“ Deshalb steckt er vielZeit in die Entwicklung von Black Wonder-Versionen, die das Zeitverhal-ten gängiger Lautsprechermodelle enorm verbessern. Gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Phase wecke sein Produkt regesInteresse: „Wer ein echter HiFi-Fan ist, liebäugelt immer mit der noch bes-seren Lösung. Mein Black Wonder ermöglicht nun eine echte Verbesserung– ohne teuren Neukauf.“ Auch Hersteller seien bereits auf das Produkt auf-merksam geworden, nachdem Fachpresse und eine überregionale Tages-zeitung darüber berichteten. „Ich bin mir bewusst, dass die Vertriebsfrageeine Grundsatzentscheidung ist. Aufgrund der Produkteigenschaften ist einVertrieb über den Fachhandel ebenso wie die Selbstvermarktung möglich.Doch eine so grundlegende Entscheidung will ich nicht ohne externe Be-gleitung treffen.“

Jörg Seiffert rät Gründern, die Einstellung von Mitarbeitern und die Lage des Geschäfts genau zu

kalkulieren: „Man sollte exakt ermitteln, welcher Mehrumsatz für die Einstellung eines weiteren Mit-

arbeiters erforderlich ist. Wenn dieser Sprung unrealistisch scheint, sollte man sich mit Aushilfen

behelfen, bis über Sortimentsveränderungen oder andere Eingriffe der Mehrumsatz möglich ist.“

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Die Masse macht's

1988 verwirklicht Andreas Lambeck seinen Traum einer ei-genen Essener Stadtteil-Zeitung. Bald expandiert er in dieangrenzenden Stadtteile. Die eigenständigen Vororte er-halten damit eine „eigene“ Zeitung, wenn auch als anzei-genfinanziertes Blatt. „Dieses Konzept sublokaler Anzei-genblätter ging zuerst auf, wir verdienten gutes Geld. 1995haben wir die Zeitungen durch eine gestalterische Überar-beitung attraktiver, aber auch redaktionell besser betreubargemacht. Zusätzlich haben wir Leserreisen angeboten, umdie Leserbindung zu erhöhen und ein weiteres Standbeinzu schaffen.“ Doch obwohl Zeitung und Leserreisen gut laufen – Andre-as Lambeck erkennt bald, dass für künftigen Erfolg mehr er-forderlich ist. „Der Wettbewerb wurde schärfer. Doch mitder vergleichsweise geringen Auflage hatten wir insbeson-dere bei großen Ketten keine Argumente.“

Eine Chance sieht AndreasLambeck deshalb in derKooperation mit angren-zenden Anzeigenblättern.Interessiert stellt er fest,dass auch andere Verlageauf das Reisegeschäft alszweites Standbein setzen.„Ich habe mich dann mitThomas Lopp vom AWV-Verlag aus Burscheid ge-troffen, dessen Anzeigen-blätter zwischen Münsterund Köln erschienen. Aucher hatte eine kleine Reise-bürokette mit fünf Filialen.“

Für sein Anzeigenblatt sieht er wenig Entwicklungspotenziale, wohl aber für ein parallel aufgebautes

Reisebüro. Er verkauft die Zeitung an einen ähnlich aufgestellten Partner und konzentriert sich auf das

Reisegeschäft. Mit neuen Vertriebswegen wird er zum führenden Discount-Reiseanbieter.

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96b i l l i g w e g . d e

250m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :

1996t ä t i g k e i t s f e l d :Reisebüros, Reiseveranstalter

b r a n c h e :Touristik

p e r s o n : Andreas Lambeckf u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Friedrichstraße 181a, 42551 Velberti n t e r n e t : www.billigweg.de

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Die beiden Unternehmer tauschen sich immer offener aus – und stellen er-staunt fest, dass bei dem einen der Verlag, beim anderen das Reisegeschäftbesser läuft. „Das hat uns recht schnell einig werden lassen“, erinnert sichAndreas Lambeck. „Ich habe meinen Verlag an den wesentlich stärkerenAWV-Verlag verkauft und mit Thomas Lopp als Partner ein neues Reise-büro gegründet.“ „Travel Point“ startet 1996 als klassisches „Reisebüro ander Ecke“. Bis 2000 werden aus zunächst fünf Filialen vierzig. „Wir habenuns von diesem Erfolg nicht täuschenlassen. Die große Zahl der Standorteist zwar hilfreich für Verhandlungenmit den Reiseveranstaltern, letztlichführen aber hoher Beratungsbedarfund knappe Margen dazu, dass mankaum Geld verdient.“ Mit Prokurist Enrico Hess entwickeltAndreas Lambeck ein neues Konzept:„Wir wollten ein Markenprofil mitklarer Positionierung. Zudem war unswichtig, das veränderte Kundenver-halten abzubilden und neue Bera-tungs- und Buchungsformen zu eta-blieren.“ So entsteht 2001 der Name „billigweg.de“: „Damit sind wir bis heute daseinzige Reisebüro mit einer Internet-Adresse als Firmenname.“Die Kombination verschiedener Vertriebswege kommt beim Kunden gutan. „Wir informieren auf unterschiedlichsten Wegen. Natürlich schaltenwir viele Anzeigen – aber wir ergänzen sie um Radio-Shows, Teletext-Sei-ten, freie Reisevermittler und natürlich das Internet.“ Doch ganz gleich, wosich der Kunde informiert: Gebucht wird zumeist im Billigweg-Reisebüro.Mit der Namenswahl hat die Firma Glück: „Wir wollten eigentlich nur aufder Aldi-Welle mitschwimmen. Zuerst war ‚billig‘ alles andere als schick.Mittlerweile haben wir das Glück, Kult zu sein.“ Die neue, aggressive Po-sitionierung bringt zwischen 2000 und 2003 eine Verdreifachung des Um-satzes und eine Vergrößerung auf 57 Filialen. Die Margen bleiben dennoch

knapp. „So fiel der Entschluss, die Reisebüros als zentrale Verkaufsorte um-zugestalten. Auch dort muss die Assoziation ‚günstig' passen – vor allemmüssen wir aber die Beratungskosten senken.“ Grundlage der Planungen istdie Kundenstruktur: „Ein Großteil der Kunden ist unter 40, kommt ausGroßstädten. Das ermöglicht uns eine andere Ansprache als bislang im Rei-sebüro üblich.“ Entscheidend ist jedoch, dass das Unternehmen die not-wendigen Investitionen aus eigener Kraft bestreiten kann: „Wir sind 1996

bankfinanziert gestartet und haben bis 2001 gebraucht, um unabhängig vonKrediten zu werden. Wenn ich heute sehe, wie aufwändig Verhandlungenzur Einräumung eines noch dazu teuren Kontokorrent-Kredits ausfallen,will ich nur noch aus eigener Kraft wachsen.“Eine 300 Quadratmeter große Musterfiliale entsteht in Köln. Sie ist an sie-ben Tagen pro Woche von 9 bis 22 Uhr geöffnet. „Wir nennen uns auchdort ‚billigweg.de – Deutschlands Feriendiscounter‘ und leben das konse-quent: Die Kunden können sich an SB-Terminals informieren. Beraten wer-den sie im Stehen, weil die Gespräche so schneller in einer Buchung mün-den. Und auch die Getränke muss sich der Kunde selbst am Automaten kau-fen.“ Die Sonntagsöffnung sei dank einer großzügigen Gesetzesauslegungdes Kölner Ordnungsamtes möglich – und macht den Sonntag zum

DIETER BACKHAUSEN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Logo System Consulting, Bornheim

Die hier dargestellte Entwicklung eignet sich als Erfolgskonzept. Sie zeigt eindeutig, dass noch andere Faktoren als Ziel-

strebigkeit, Kreativität und Kundenorientierung den Unternehmenserfolg entscheidend beeinflussen. Nämlich eine re-

alistische Markteinschätzung und die nötige finanzielle Bewegungsfreiheit.

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erfolgreichsten Tag. „Wenn alle Langeweile haben, bieten wir gute Bera-tung und die Möglichkeit, etwas zu kaufen.“ In die Umgestaltung jederFiliale investiert billigweg.de bis zu 60.000 Euro. „Sieben Filialen entspre-chen derzeit dem neuen System und bringen deutlich höhere Erlöse.“ Wieerwartet, akzeptieren die Kunden das neue Filialkonzept als stimmigen Be-standteil der billigweg-Philosophie. „Jede Reise hat einen klar erkennbarenMehrwert. Das ist bei unserer Kernkompetenz Massentourismus entschei-

dend.“ Buchbar ist längst nicht nur die typische Drei-Sterne-Pauschalreise,sondern auch Angebote mit fünf Sternen. „Ich verlasse mich bei der Aus-wahl auf meinen Bauch. Das muss ich auch, weil ich ja nicht die Vorbildungdes typischen Touristik-Managers habe. Also frage ich mich, ob ich dieseReise auch für meine Familie buchen würde.“ Um günstigste Preise bietenzu können, kauft er Spezialpakete, zum Beispiel in frisch eröffneten Ho-tels. „So konnten wir eine 5-Sterne-Reise nach Fuerteventura um die Hälf-te billiger anbieten als die Wettbewerber.“Andreas Lambeck ist sich der Chance seines Konzeptes bewusst: „UnsereBranche ist die einzige, die Träume wahr werden lässt. Wir haben uns einso klares Profil geschaffen, dass viele Menschen nur mit uns über die Er-füllung ihres Traums sprechen werden.“ Dennoch beurteilt er die Perspek-

tiven nicht zu euphorisch: „Jeder hat gesehen, wie sich weltweite Krisenund wirtschaftliche Schwierigkeiten auf das Konsumverhalten auswirken.Damit ist die Zeit der frühen Reiseentscheidung ein für alle Mal vorbei.“Nur 20 Prozent aller Reisen ließen sich trotz Frühbucherrabatt frühzeitigabsetzen. „Anbieter werden immer schneller reagieren müssen. Aufgrundunserer kleinen Struktur können wir das, ohne uns im Krisenmanagementzu verzetteln.“ Seit Oktober 2003 agiert billigweg.de deshalb auch als

Veranstalter. „Wir setzen dabei auf einheitliche Qualitätsstandards undeinen jeweils klar erkennbaren Mehrwert für den Kunden. Unsere Pro-zesskosten fallen wesentlich niedriger aus als beim Wettbewerb – wir ver-zichten auf Kataloge und arbeiten mit wenigen Produkten.“ Würden an-dere Veranstalter an einem Zielort zahlreiche Hotels anbieten, hat derbilligweg.de-Kunde bezogen auf den einzelnen Ort weniger Auswahl.„Dafür kann er sich aber sicher sein, dass wir durch Belegung des ganzenHotels absolut unschlagbare Zimmerpreise bieten.“Für die nötige Markenbekanntheit sorgt Andreas Lambeck durch auffälli-ge PR-Aktionen. „Wenn wir Türkei für 9,99 Euro anbieten, berichtet selbstdie Bild-Zeitung redaktionell darüber. Ein solcher Aufmerksamkeitseffektist über Werbung gar nicht finanzierbar.“

Andreas Lambeck empfiehlt, einmalig zu sein: „Die meisten Anbieter einer Branche

sind mehr oder weniger austauschbar. Eine klare Positionierung sowie eine nachvoll-

ziehbare Nutzenargumentation tragen dazu bei, unverwechselbar zu werden. In

engen Märkten ist das entscheidend für den Unternehmenserfolg.“���

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Wiederentdeckungder Wurzeln

Die Kurzbiographie von Holger Krüssmann bedeckt – inkleiner Schrift – eine A4-Seite. Statt der Auflistung vonklassischen Karrierestationen finden sich vielfach Begriffewie „Initiator“, „Ideenforum“ „Berufung in den Beirat“. Dochdie vielen Einzelaktivitäten verbindet ein roter Faden.Schon als Schüler arbeitet Holger Krüssmann bei Kon-zertprojekten mit. Vor dem Abi initiiert er ein Jugendfesti-val, trampt danach schreibend durch Europa, wird Volon-tär bei der Westfälischen Rundschau. Freie Tätigkeiten fürWDR und Deutsche Welle folgen, nebenbei ein „unvoll-endetes“ Germanistikstudium. Musik fesselt ihn. Er beginnt, für Plattenfirmen und Mu-sikverlage zu schreiben, arbeitet an der Organisation derersten „Rockpalast“-Konzerte in der Essener Grugahallemit. „Das hat mir fachlich viel gebracht. Doch vor allemhabe ich in dieser Zeit Lebenserfahrung gewonnen.“

Er nennt zwei Beispiele: Als Journalist müsse man auchlernen, Diskretion zu wahren, als Begleiter von Künstlerninteger zu sein. Beides verlange absolute Vertrauenswür-digkeit. „Juliette Greco hat mich damals als ‚Good Trooper‘bezeichnet. Das ist eine schöne Formulierung für Teamfä-higkeit, aber sicher auch für Professionalität.“ Beide Qua-litäten sind Holger Krüssmann wichtig. Als die Jazz-Rock-Szene Anfang der 80er Jahre einbricht,sucht er sich eine neue Aufgabe. Der Kulturaspekt bleibtbestehen, die Rahmenbedingungen ändern sich: „Ich woll-te mit meiner damaligen Lebensgefährtin zusammen arbei-ten. Wir haben einen Weg gesucht, in dem wir unsere Vor-stellungen verwirklichen konnten.“ Sie entscheiden sich fürdie Eröffnung eines Cafés im Essener Südviertel. „Dastrendgenaueste Design, das ich je gemacht habe.“ schmun-zelt er heute. So sieht es auch das Publikum: Schnell wird

Sein Leben besteht aus Phasen: Elf Jahre lang verbindet er Journalismus und Musikszene, anschließend

führt er zwanzig Jahre lang ein Szene-Café und engagiert sich im Kulturleben der Stadt. Schließlich

entscheidet er sich, das Schreiben und die Kulturarbeit in einem neuen Profil zu vereinen.

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02

H o l g e r K r ü s s m a n n

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m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d : Textliche und redaktionelleBegleitung von öffentlichen und privaten Projekten,Ghostwriting, PR, Pressearbeit im Marketing

b r a n c h e :Freie Berufe (Projektdesigner,Texter, Autor)

p e r s o n : Holger Krüssmanna d r e s s e : Manteuffelstraße 1, 45138 Essene - m a i l : [email protected]

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das „Café Click“ zum In-Treff für Essen und darüber hinaus – und dieLegende kommt auf, dieses im Ruhrgebiet völlig neue Konzept stamme garvon Berliner Investoren. Dass ein Essener und eine Französin Kneipensze-ne und Kulturangebot verbinden, „clickt”: „In zwanzig Jahren hatten wirfast 100 Ausstellungen im Click, teils sehr bekannte Künstler, teils Erst-lingsschauen.“ Auch junge Künstler bekommen ihre erste Ausstellungs-plattform – wie der heute hoch gehandelte Oliver Jordan oder ChristophSchäfer, der im Jahr 2002 auf der „documenta 11“ zu sehen war.Der gastronomische Erfolg hat eine Schattenseite: Zum Schreiben bleibtHolger Krüssmann keine Zeit. Er ist unzufrieden. „Ich habe dann dieFotografie ausprobiert – und bin auch meinem persönlichen Anspruch nahegekommen. Doch für professionelles Arbeiten hätte das nicht genügt. Es gibt außerdem etliche Spitzen-Fotografen im Ruhrgebiet.“ Krüssmann nennt diese Phase rückblickend seine „Midlife-Crisis“. Erhinterfragt sein persönliches Skript, besinnt sich auf die Kernkompeten-zen. „Ich habe mich gefragt: Worin bist du denn wirklich gut?“ An seinem

47. Geburtstag nimmt er sich, einer alten Gewohnheit folgend, einen Tagmit sich selbst, schreibt einen Brief an einen imaginären Empfänger und fin-det die Antwort: „Ich erkannte, dass ich zurück sollte in mein altes Feld.Schließlich ist man in den Dingen am besten, die man schon als Kind gerngemacht hat. Dinge also, die man aus einem inneren Antrieb heraus tut –und ich wollte zudem auch nicht zum Gastronomie-Fossil werden.“Er beschließt, sich aus dem Click zurückzunehmen und wieder zu schrei-ben. „Eine typische Gründersituation. Ich hatte einen Plan, aber zunächstkeine Aufträge.“ Er entwickelt Ideen für das Kulturleben. In Essays undExposés bringt er sie zu Papier. Er analysiert die Arbeit der Essener Stadt-werbung, erarbeitet ein Exposé für das Profil eines „Kulturbeauftragten imStadtmarketing“. Dabei geht es Holger Krüssmann um nachvollziehbareAnsätze für Veränderungen in einer Stadt – verbunden mit der persönlichenPerspektive, dass man ihn künftig auch in die textliche und konzeptionel-le Begleitung dieser Veränderungsprozesse einbeziehen wird. Die Hoffnung fußt auf einem von Holger Krüssmann erkannten Bedarf:

Holger Krüssmann sieht auch im Projektdesign die

Chancen der Arbeitsteiligkeit: „Es geht bei Firmendarstellungen,

Investitionsvorhaben, Förder- und Kreditanträgen nicht zuletzt um

sprachlichen Ideentransfer zwischen Experten und Laien.“

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„Städte und Unternehmen brauchen ‚Sprachler‘, wie sie Planer und Rech-ner beschäftigen. Es geht um den Transfer von Ideen, fachlichen Inhalten,von Projekten und Initiativen: Sprache – nicht allein das Bild – ist das Werk-zeug in der Kommunikation zwischen Experten und Laien. Selbst das Inter-net ist zuerst ein Textmedium.“ Krüssmanns thematischen Schwerpunkte sind Geschichte, Event- und Kul-turkonzepte, Stadtentwicklung, Architektur. Er stellt seine AusarbeitungenEntscheidern in öffentlichen Institutionen zur Verfügung, diskutiert mit ih-nen seine Ansätze. Es zahlt sich aus, dass viele ihn seit Jahren kennen, ihndurch Ideen, Organisationstätigkeiten und die Berufung in den Kulturbei-rat der Stadt zu schätzen wissen.Die Exposés zur Stadtkultur schaffen Aufmerksamkeit. „Ich bin dadurch mitvielen Akteuren ins Gespräch gekommen.“ Es gelingt ihm, Menschen vonsich zu überzeugen – und er erhält den Auftrag, das Buch zum Essener Kul-turpfad zu verfassen. Dort sollte bewusst kein Architekt oder Historiker ausfachlicher Sicht referieren, sondern jemand mit einer interessierten Außen-

sicht. Krüssmann, der Journalist mit dem Blick von außen, überzeugt dieFachleute. Es folgen Arbeiten für öffentliche und private Träger: Die UniEssen, das Büro für Stadtentwicklung, Firmen, Initiativen.Zeit für eine Zwischenbilanz. Innerhalb eines guten Jahres entstanden ausIdeen Aufträge für Broschüren, Beiträge, Essays und Ghostwriting. IhreKernidee ist durchgehend: „Es geht immer darum, einen fachlichen Ansatzfür Außenstehende so schlüssig, fundiert, transparent wie möglich darzu-stellen. Ich bin zugleich Co-Denker und stellvertretend Publikum.“Holger Krüssmann benutzt hier gern den Begriff „Projektdesign“. „DieserBegriff ist zeitgemäßer als ‚Antragsbegründung‘. Außerdem macht er deut-lich, dass immer das Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten ist.“ Krüssmann schätzt die Zukunft für qualifiziertes Projektdesign gut ein. „DieRegion ist die spannendste Europas, was Innovation und Ideen angeht.“Eben die gilt es zu kommunizieren: „Man braucht hierfür Leute, die sie miteinem gewissen Abstand erfassen und darstellen. Also keine Spezialisten,sondern Generalisten, die sich auf Themen anderer eindenken können.“

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Existenzgründer sollten immer versuchen, einen hohen Deckungsgrad zwischen den eigenen Kompetenzen, dem „Was

mach’ ich gerne“ sowie den Kundenanforderungen auf dem Markt zu erreichen. Dabei lassen sich Kundenwünsche

auch generieren. Dass ein „Sprachler“ gebraucht wird, muss erkannt werden. Dies bedeutet jedoch im Vorfeld eine

genaue Analyse des Marktes, um die Erfolgsquote bei der Akquise zu erhöhen. Dies muss selbstverständlich struktu-

riert, geplant und begleitet werden.

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Music for theMasses

Blickt man in das gegerbteGesicht und die strahlendblauen Augen von KlausKoch wird sofort klar: Hierverwirklicht sich jemandselbst, hier lebt jemand,was er ist. 1966 besucht erals Teenager erstmals eineDiskothek. „Dieser Besuchwar ein echtes Ereignis fürmich. Ich war tief beein-druckt und dachte sofort:Das kannst und willst duauch mal machen!“ Um dasHandwerk zu erlernen, ab-solviert Klaus Koch zu-

nächst eine Ausbildung zum Schauwerbegestalter. Er plantMessen – und richtet auch Diskotheken ein. Als 34-Jähri-ger eröffnet er seinen ersten eigenen Club, den Szeneladen„Ekstasy“ in Essen-Rüttenscheid. Von 1985 bis 1989 feiert,arbeitet und (er-)lebt er hier, lernt seine Frau sowie den spä-teren Freund und Geschäftspartner Frank Siebers kennen.„Frank hatte damals einen Ton- und Lichtverleih und stat-tete unsere Partys aus. Die Zusammenarbeit zwischen unsfunktionierte von Anfang an perfekt. Ich schätzte sofortsein technisches Know-how und seine kaufmännischen Fä-higkeiten, er meine künstlerischen Konzepte. So beauf-tragte ich seine Firma noch lange nach der Ekstasy-Zeit, alsich Clubmanager im Tanzcafé und der Egobar war.“ Der-weil geht Frank Siebers ebenfalls seinen eigenen Weg: „Ichwollte keinesfalls in das Elektro-Unternehmen meiner El-tern einsteigen, in dem ich gelernt hatte. Es war mir einfach

Nightlife-Feeling definiert seit Jahrzehnten ihr Leben. Beide lieben die Musik und deren professionelle

Inszenierung. Nach erfolgreicher Einführung der „Musikpalette“ gründen sie gemeinsam einen

weiteren Club. Im trendigen Disko-Geschäft behalten sie Augenmaß.

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20

02

K o S i e G m b H

15m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :

2002t ä t i g k e i t s f e l d : Diskothek

b r a n c h e :Gastronomie

p e r s o n e n : Klaus Koch, Frank Siebers f u n k t i o n : Inhaber a d r e s s e : Pferdemarkt 2–4, 45127 Esseni n t e r n e t : www.disco-disco.de

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zu langweilig. Man kann so viele spannendere Dinge tun! “ Irgendwann be-gegnen sich beide einmal mehr im TC, trinken gemeinsam Bier und über-legen, dass sie in Zukunft enger zusammenarbeiten möchten. Die Gelegenheit zum gemeinsamen Start findet sich dann 1994. Beide sindsofort begeistert, als ihnen das ehemalige Kino Filmpalette als Ort für einezukünftige Bespielung als Diskothek angeboten wird. „Wir hatten schonlängere Zeit nach einer geeigneten Location gesucht“, so Frank Siebers.„Durch unsere Jobs kannten wir beide eine Menge Leute und bekamen soden Tipp, die Filmpalette in der Essener City wäre zu haben. Es war uns so-fort klar: Hier ist der richtige Ort für unser gemeinsames Ding.“ Nach einer neunmonatigen Umbauphase eröffnet die Musikpalette – nochmit dem alten Schriftzug „Palette“ des früheren Kinos im Logo und einigenOriginal-Einrichtungsgegenständen wie Lampen und Sitzgelegenheitenim Cafébereich. Beide Chefs kombinieren Nostalgie und modernste Tech-nik mit einer geeigneten Infrastruktur für 600 Gäste. Die Arbeit hat sich ge-lohnt: Neben unterschiedlichen DJs, die dem Publikum an Wochenenden

und vor Feiertagen kräftig einheizen, treten auch Comedygrößen und be-kannte Bands auf. „Atze Schröder und Hans Werner Olm waren hier, aberauch internationale Bands wie Great White, Musiker wie Hermann Broodund Ken Hensley. Wir hätten gern wesentlich mehr live gebracht, aber da-für sind die Essener als Publikum doch zu verhalten“, resümiert Koch. Ein Umbau 1998 bringt das neue „MuPa-Café“ mit sich. „Damit konntenwir unsere Gäste auch in der Woche bewirten, natürlich mit Drinks undguter Musik, aber auch mit Frühstück. Nett ist es auch im Sommer, wennman auf der kleinen Außenterrasse sitzen kann“, erläutert Siebers die Idee.„Für Lieferanten und Vermietungsanfragen ist dadurch ständig jemand vorOrt erreichbar. Viele Anforderungen, zwei Fliegen und eine Klappe.“ Zum Jahrtausendwechsel suchen die Geschäftspartner eine neue Heraus-forderung. Sie haben viele neue Ideen, haben sich, wie sie selbst sagen„weiterentwickelt“. Ein weiterer Club in Essen ist nun das Ziel. Als Kochund Siebers die Räume der ehemaligen Diskothek Flamingo besichtigen,ist wieder schnell klar, dass sie hier erneut gründen möchten.

Klaus Koch empfiehlt: „Eigenkapital ist für jede Exi-

stenzgründung der Jetztzeit äußerst wichtig, nicht

nur in der Gastronomie. In unserer Branche kann die

Selbstständigkeit dann sehr viel Spaß machen –

wenn man auch im laufenden Tagesgeschäft das

kaufmännische Fundament nicht vergisst.“

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Bauliche Veränderungen wie in der Musikpalette sind nicht erforderlich.Nach drei Monaten Umbau steht der neue Laden: die „Disco“ wird eröffnet.„Er ist ein bisschen schicker“, so Siebers, „etwas glamouröser“, so Koch. Under fasst mehr Gäste, zwischen 800 und 1.000 am Abend. Innen erkennt manklar die Handschrift der beiden Akteure. Licht- und Tontechnik bieten denmodernsten Stand, die Einrichtung ist postmodern bis avantgardistisch, dasAmbiente schlichter und edler als in der Musikpalette. Die Lounge der Di-sco gibt sich minimalistisch und dennoch warm. Was sich gegenüber der er-sten Geschäftsgründung grundlegend verändert hat, ist in der Außensichtnicht wahrzunehmen: die Finanzierung des Projekts. Denn anders als beider Musikpalette, die hauptsächlich durch Lieferanten-Darlehen ermög-licht wurde, ist die Disco maßgeblich mit Eigenkapital finanziert. „Bankenkann man heute echt vergessen“, sagt Frank Siebers kopfschüttelnd. „Undauch Lieferanten sind viel vorsichtiger als vor einigen Jahren. Eine neue Dis-kothekengründung durch Fremdmittel wäre für uns nicht möglich gewesen.“Klaus Koch und Frank Siebers folgen dennoch ihrer Intuition und dem

Wunsch, einen neuen Laden auf die Beine zu stellen. Die Chancen derSelbstständigkeit schätzen die Freunde grundsätzlich als sehr positiv ein.„Ich könnte mir für mein Leben nie vorstellen, zur Arbeit gehen zu müssen“,so Koch. „Ich möchte immer diese berufliche Unabhängigkeit haben, Sinnin dem sehen, was ich tue. Wenn Frank und ich uns jetzt treffen, müssen wirnicht zur ‚Arbeit‘. Wir fahren gern in die Firma – unsere Grundmotivationist also eine total andere. Was wir tun, tun wir für uns. Und wir arbeiten mitFreunden, sehen nicht nur nackte Zahlen.“ Zeit für die Familie bleibt in der Woche. Beide haben sich mittlerweile mitihren Familien in den grünen Essener Süden zurückgezogen, tanken hierfür jedes neue (Arbeits-)Wochenende auf. „Natürlich laufen Diskothekennicht von alleine. Ganz im Gegenteil. Wir hauen uns seit ewigen Zeiten je-des Wochenende um die Ohren, arbeiten an sämtlichen Feiertagen, sogaran Heiligabend und Silvester. Der Rhythmus ist einfach ein anderer. Ein er-fülltes Familienleben daher nur eine Frage der Akzeptanz, der Gewöhnungund – der guten Organisation“, sagt ein lächelnder Frank Siebers.

BURKHARD GIMM · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.gimm-unternehmensberatung.de, Menden

Die Gründung im Segment Gastronomie ist zur Zeit – insbesondere bei fehlendem Eigenkapital – nicht einfach, aber durch-

aus chancenreich. Ein gut geplantes Konzept, hohe fachliche Kompetenz, überdurchschnittliches persönliches Engage-

ment verbunden mit neuen Ideen, großer Kreativität, besonderem Service sowie Qualität und einem einfühlsamen Umgang

mit Kunden und Mitarbeitern sind wichtige Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Erfolg.

��

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ServiceorientierteStahlverarbeitung

Als junger Diplom-Kauf-mann erhält Gerd Cloppen-burg 1987 eine große Chan-ce: Im Krupp-Konzern soller den Markt für hauchdün-ne Metallfolien entwickeln.Bei Krupp VDM (Vereinig-te Deutsche Metallwerke)in Hagen steigert er in we-nigen Jahren den Umsatzvon 0 auf 25 Millionen Markund ist Anfang der 90er Jah-re stolz, dass das Unterneh-men einen Weltmarktanteilvon 90 Prozent hält. „Dannbegannen japanische Fir-

men, ebenfalls Metallfolien nach Europa zu liefern. Durchfehlende Kapazitäten ging unser Marktanteil Mitte der 90erJahre auf unter 30 Prozent zurück.“ Gerd Cloppenburg weiß,dass die Japaner durch verbesserte Technik dünnere Folienherstellen. Das bringt ihnen am Markt Vorteile: Zum einensinkt der Materialeinsatz, zum anderen ermöglichen dünne-re Folien bessere Nutzwerte, zum Beispiel in Abgas-Kataly-satoren und Ceranfeldern, den wichtigsten Anwendungen.„Ich habe analysiert, wie wir die Marktanteile zurück er-obern können und entsprechende Konzepte vorgestellt. Zudieser Zeit interessierte sich der Konzern allerdings mehrfür neue Geschäftsfelder als für ‚Old Economy‘.“ Doch alsGeschäftsbereichsleiter mit 400 Mitarbeitern fühlt er sichverantwortlich und plant weiter. Gemeinsam mit seinenKunden will er den Krupp-Konzernvorstand überzeugen,dass Investitionen hier wichtig und richtig sind.

13 Jahre lang entwickelt er für einen Konzern den Markt der hauchdünnen Metallfolien. Als aus-

ländische Wettbewerber große Marktanteile gewinnen, entwickelt er Verbesserungsvorschläge. Doch

seine Ideen werden im Konzern nicht angenommen. Er beschließt, sie selbst umzusetzen.

096

Page 99: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

19

99

M K M e t a l l f o l i e n G m b H

30m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :

1999t ä t i g k e i t s f e l d : Stahlverarbeitung, Herstellung von besonders dünnen Metallfolien,zum Beispiel für die Abgas-Katalysatoren

b r a n c h e :Metallverarbeitung

p e r s o n : Gerd Cloppenburg, Dipl.-Kaufmannf u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Volmarsteiner Straße 1–9, 58089 Hageni n t e r n e t : www.mk-metallfolien.de

Page 100: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Seine Argumente finden zwar Gehör, doch letztlich bleibt eine Zusage aus.„Das schmerzte: Ich wusste, dass der Markt durch höheren Bedarf an Ka-talysatoren um ca. 40 Prozent pro Jahr wachsen würde. Aber ohne das nö-tige Rüstzeug konnte ‚meine Firma‘ keinen Anteil daran haben.“ Wachstumsaussichten von 40 Prozent – irgendwann beginnt Gerd Clop-penburg zu reflektieren, ob er nicht als Selbstständiger einen Markt bear-beiten kann, in dem er ohnehin alle wichtigen Kunden kennt. „Ich habemich einfach hingesetzt und einen Geschäftsplan aufgestellt, ohne michmit technischen Details zu beschäftigen.“ Sein Plan scheint tragfähig, wasihm ein erstes Bankgespräch bestätigt. „Die Bank lobte meine Idee, auchDienstleistungen für die Kunden anzubieten. Dass es dafür Bedarf gibt, hat-te ich durch Anfragen bei früheren Kunden ermittelt.“ Nicht nur niedrigeKosten waren gewünscht, sondern auch höhere Flexibilität. „Alle Kundenhofften auf kürzere Dispositionszeiträume und flexible Abnahmemengen,abgestimmt auf den aktuellen Bedarf. Mit japanischen Lieferanten war dasaufgrund der Transportwege nicht machbar.“ Er sagt zu, diese Erwartungenzu erfüllen – und erhält feste Zusagen über künftige Abnahmemengen. Sokann Gerd Cloppenburgseine Planung weiter präzi-sieren. Eine große Hürde gilt es zunehmen: Die Bank fordert20 Prozent Eigenkapital –das sind bei einer Gesamt-investition von fünf Millio-nen Euro eine Million. „Ichhabe im BekanntenkreisPartner gesucht, die Geldanlegen wollten und vonmeinem Konzept über-zeugt waren.“ Zusätzlichbemüht er sich um Förder-mittel, um den Bankkreditabzusichern. Über das

Technologieprogramm des Landes NRW erhält er Fördergelder, zusätzlichsorgt eine Landesbürgschaft für eine Haftungsfreistellung: So kann er750.000 Euro des Bankkredites absichern.In einem Hagener Industriegebiet findet er eine geeignete Halle, die schonmit Kränen und Heizung ausgestattet ist. Beim Antrag auf Nutzungsände-rung unterstützt ihn die Wirtschaftsförderung. Nun müssen verschiedeneSchritte parallel erfolgen, denn seine Fabrik wird als Herzstück eine Walz-anlage aus amerikanischer Fertigung haben: „Diese mussten wir frühzeitigordern, weil ein Jahr Lieferzeit und weitere drei Monate Montage not-wendig waren.“ Um sich haftungsrechtlich abzusichern, gründet GerdCloppenburg im Juni 1999 die MK Metallfolien GmbH. Seinen Arbeitgeber hat er bereits informiert – und ihm signalisiert, dass erkünftig das Ausgangsmaterial bei Krupp VDM beziehen möchte. „Auf-grund meiner Vorverträge mit Kunden wusste ich, dass wir jährlich Mate-rial für ca. sechs Millionen Euro benötigen. Der Kauf bei VDM war nahe-liegend, denn durch die Entfernung von nur 30 Kilometern blieben dieTransportkosten gering.“ Noch wichtiger ist ihm, dass er in Hagen gute Ar-

beitskräfte findet: Dort hatdie Kaltwalzindustrie lan-ge Tradition. „Das wog hö-here Fördermittel auf, dieich in den neuen Bundes-ländern erhalten hätte.“Bald merkt er jedoch, dassgute Facharbeiter schwerzu gewinnen sind. „GuteLeute gehen ungern zujungen Firmen. Ich habealso jeden einzelnen vonmeiner Idee überzeugenmüssen.“ Einige Mitarbei-ter wirbt er ab, dannkommt ihm die Aufgabeeines Hoesch-Standortes

�Was Gerd Cloppenburg Gründern rät: „Investieren Sie

nicht Ihre kompletten Eigenmittel oder Fördergelder.

Halten Sie möglichst 20 Prozent als Puffer zurück, um auf

unerwartete Situationen reagieren zu können. Zudem ist

es wichtig, eng mit den Banken zusammenzuarbeiten.

Transparenz lässt sich hierbei gut mit Hilfe einer Vorschau

erreichen, die natürlich ständig gepflegt sein will.“

098

Page 101: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

in Dortmund zu Hilfe. Alssein Walzgerüst im Sep-tember 2000 geliefertwird, sind acht Mitarbeiterfür ihn zur Stelle. Unerlässlich werden Se-nior-Experten – hochspe-zialisierte Ingenieure, dievon den großen Konzer-nen früh in den Ruhestandgeschickt worden waren.„Sie waren entscheidendfür den Aufbau der Fabrik.Durch eine Teilzeitrege-lung konnten wir sie abru-fen, wenn Spezialisten fürdie Fortsetzung der Monta-ge notwendig waren.“ Die„alten Hasen“ genießen dieHerausforderung der Neugründung und identifizieren sich mit dem Unter-nehmen, als sei es ihr eigenes. „Sie sind auch mit in die USA geflogen, umsich vor Ort über das Walzwerk zu informieren.“ Die US-Firma erweist sichals guter Partner. Trotz der Entfernung bietet sie ihr Produkt günstig an, istschnell zur Stelle, wenn es Probleme gibt. „In Deutschland sind viele An-lagen überspezialisiert und damit zu teuer. Die Amerikaner haben einfachihr Basisprodukt auf unsere Anforderungen hin ausgelegt.“Ob die Anforderungen tatsächlich erfüllt werden, muss sich Anfang 2001zeigen. „Die Endkunden wollten die neuen Folien testen, ob sie die ge-wünschten Eigenschaften haben. Um ganz sicherzugehen, haben wir vor-ab eigene Prüfschritte vorgenommen.“ Die Erstbemusterung fällt zufrie-denstellend aus: Die angelieferten VDM-Folien von einem drittel Milli-meter Stärke walzt die Anlage auf gerade einmal ein sechzigstel Millime-ter. Obwohl zwanzigmal dünner, bleibt die Metallfolie reißfest und form-stabil. Nun kann Gerd Cloppenburg beginnen, Kunden zu beliefern.

Er stockt die Belegschaftauf 20 Mitarbeiter auf undfährt am Walzwerk einenDreischichten-Betrieb.Um die Folien weiter zuveredeln, werden sie in ei-ner Längsteilanlage auf dievom Kunden gewünschtenMaterialbreite geschnittenund gelagert, bis der Kun-de eine Teilmenge abruft. „Durch die Lieferung just intime bieten wir dem Kun-den einen echten Vorteil“,betont Gerd Cloppenburg.„Zusätzlich halten wir Fo-lien vor, um kurzfristigenSpezialbedarf befriedigenzu können.“

Der Markt hat sich besser entwickelt als prognostiziert. „Positiv wirkt sichaus, dass in der EU künftig auch LKW und in Asien Motorroller mit Kata-lysator ausgerüstet werden müssen.“ Um den vielfältigen Bedarf zubefriedigen, ist eine eigene Entwicklungsabteilung entstanden. Alle Kun-den werden intensiv zu den Materialeigenschaften beraten. Derzeit forscht das Unternehmen gemeinsam mit einer Hochschule anneuen Werkstoffkonzepten. Über den Zukunftswettbewerb Ruhrgebietwerden fast die Hälfte der 500.000 Euro Entwicklungskosten getragen. DieTeilnahme an Wettbewerben hat MK Metallfolien nicht nur Fördermittel,sondern auch einige Bekanntheit eingebracht. Ausgezeichnet wurde dasjunge Unternehmen bereits mit dem Zenit-Innovationspreis, als Hagener„Unternehmen des Monats“ und im Zukunftswettbewerb Ruhrgebiet.Das hat sich bis zu den Wettbewerbern aus Japan herumgesprochen: „Sieselbst liefern heute ihre Folien teilweise an uns. Wir schneiden sie auf diegewünschten Breiten, lagern sie und beliefern die Endkunden.“

DIPL. WIRT. ING. WERNER E. DIETRICH · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.dietrich-gmbh.de, Ennepetal

Der Gründer des Unternehmens beeindruckt durch eine systematische Umsetzung seiner hoch innovativen Idee. Die überzeugende

Geschäftsplanung berücksichtigt sämtliche Erfahrungen über den internationalen Wettbewerb, die bestehenden Marktmöglichkei-

ten und nicht zuletzt die fundierten technischen Kenntnisse. Der Rückgriff auf bewährte Lieferanten und erfahrene Ingenieure so-

wie der offene Kontakt zu den Banken sichern den verdienten Erfolg dieses Geschäftskonzeptes.

Page 102: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Marken als Markdes Erfolges

Große Erwartungen hat Martin Poettgen 1989 nachAbschluss seines BWL-Studiums: „Ich bewarb mich beiSpringer + Jacoby.“ Doch die große Hamburger Wer-beagentur hat wenig Interesse an einem Bewerber oh-ne Erfahrung – „und ich wenig Lust, mich weiterzube-werben.“ So mietet er sich im Atelier eines Freundes einund geht mit einer gemeinsamen „Projektagentur“ andie Kundengewinnung. „Damit kamen wir nicht auf dieFüße. Kleine Kunden waren wirtschaftlich nicht weg-weisend. Große Kunden bissen nicht an.“ Er erkennt,dass nur ein Nischenangebot geeignet ist, an Marken-artikler als Kunden zu kommen. „Die sind nach meinerMeinung entscheidend für die Position einer Agentur.“ Diesen Weg will der Partner nicht mitgehen. Martin Po-ettgen macht sich allein an die Ideenfindung. Als hilf-reich erweisen sich Kenntnisse aus der Gastronomie. In

Diskotheken sind 1989 Laserprojektoren im Kommen,die noch niemand werblich nutzt. „Ich fand einen Weg,die Geräte für Werbeeinblendungen zu nutzen.“Er überzeugt Betreiber von Großraum-Diskothekenvon seiner Idee und hofft, dass er damit den wirt-schaftlichen Durchbruch erzielen kann. Für seine Ak-quise gründet er ein Unternehmen. Dieses Mal soll esihm allein gehören. Der Erfahrungen aus seiner erstenGründung eingedenk, will er „jetzt den Weg des klas-sischen Gründers gehen – mit Unternehmensberatungund einer Finanzierung über öffentliche Mittel.“ Doch das ist leichter geplant als umgesetzt: „Über dasLand Nordrhein-Westfalen erhielt ich zwar eine Aus-fallbürgschaft, hätte aber dennoch Sicherheiten für70.000 DM vorweisen müssen. Zudem dauerte das An-tragsverfahren so lange, dass ich die notwendigen

Der erste Selbstständigkeitsversuch mit einem Partner bringt nicht den gewünschten Erfolg. Im

Alleingang findet er die Möglichkeit, Markenkunden zu betreuen. Das Konzept geht auf, bis sich die

Nachfrage verändert. Deshalb muss sich das Konzept ändern, um erneut erfolgreich zu sein.

100

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20

02

M P & P G m b H

15m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g : 1989

g m b h - g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d : Agentur für Markt-beobachtung, Promotion, Event und Internet

b r a n c h e :Dienstleistungen (Eventagentur)

p e r s o n : Dipl.-Betriebswirt Martin Poettgen f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Kohlenstraße 70, 44795 Bochumi n t e r n e t : www.mp-p.com

Page 104: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Investitionen über laufende Umsätze finanzieren musste.“ In der Rück-schau sei er ganz schön sauer: „Hätte ich mich auf die öffentliche Förde-rung verlassen, hätte ich das erste Geschäftsjahr nicht überlebt.“Doch er hat Erfolg. „Bereits die Anfangsumsätze stimmten, und deshalb warich zuversichtlich.“ Kunden gewinnt er durch Messebesuche bei den gro-ßen Fachmessen. Zigarettenhersteller und Getränkeindustrie sind begei-stert: Sie können nun dort werben, wo Spaß und Konsum aufeinandertreffen.“ In den folgenden vier Jah-ren zeigt sich, dass die La-serwerbung ideal zum ak-tuellen Werbeverhalten dergroßen Marken passt: „Indieser Zeit koppelten sichVerkaufen und Werben en-ger aneinander. Unsere La-serwerbung passte zu neuentwickelten Marketing-methoden ‚below the line‘,also abseits von den klassi-schen Werbemedien.“Es sind erfolgreiche vierJahre: Zuletzt liegen dieUmsätze bei über einer Mil-lion DM. Doch Martin Po-ettgen verpasst den An-schluss an die Marktent-wicklung. Auch Werbeformen haben ihren Produktlebenszyklus – und fol-gerichtig kommt 1995 der Einbruch. „Das Geschäft war wie ausgepustet,unser Umsatz ging um 60 Prozent zurück. Unsere Kunden zogen das ‚Spiel-geld‘ bei uns ab und investierten ins Internet.“ Er sieht wenig Möglichkeiten, dieser Entwicklung gegenzusteuern. „1996standen wir völlig ohne Aufträge da. Ich musste den drei Auszubildendenaus betrieblichen Gründen kündigen und sämtliche Rücklagen aus den

guten Jahren nutzen, um die Konten zumindest wieder auszugleichen.“ Was ihm hilft, sind die mittlerweile gefestigten Kundenbeziehungen. Alsein Kunde anfragt, ob er zusammen mit Laserwerbung auch eine Produkt-verkostung organisieren könne, sagt Martin Poettgen zu. Er bekommt denAuftrag und sammelt erste Erfahrungen mit der Kombination von zweiWerbeformen: „Die Laserwerbung hatte den geringeren Anteil, wichtigerwar hier bereits die Verkostung. Insgesamt ein spannender Auftrag, der mir

neue Möglichkeiten aufzeigte.“Martin Poettgen beschäftigt sich intensiv mit den veränderten Anforde-rungen seiner Kunden, erdenkt flankierende Aktionen. Und wie sechs Jahrezuvor, passt sein Angebot erneut zum aktuellen Werbetrend. Er gewinntneue Kunden und begleitet die Einführung neuer Marken. „Es passte ein-fach wieder. Ein neues Produkt lässt sich nun mal durch Probieren am bestenkennen lernen.“ Die Verkostungsaktionen benötigen mehr Mitarbeiterein-

Martin Poettgen empfiehlt: „Wer gründet, sollte seine Idee zu Ende

gedacht haben und schon den ersten Kunden zur Deckung der Gemein-

kosten haben. Ebenso riskant wie der Ideenklau durch Nachahmer ist,

dass die Chancen einer Idee vom Markt nicht erkannt werden. Im Alltag

muss man Produktlebenszyklen im Auge haben: 80 Prozent der Gründer

übersehen das, werden in den ersten sieben Jahren insolvent.“

102

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satz. Innerhalb von drei Jahren steigt die Mitarbeiterzahl auf acht. Für die-se neue Geschäftstätigkeit wird 1996 aus der PT Lasercom die „Agentur fürAktionsmarketing Martin Poettgen & Partner“.1999 soll Martin Poettgen ein Erfolgsgetränk aus Frankreich in den deut-schen Markt einführen. Für die Promotion-Veranstaltungen entwickelt er– des schnelllebigen Marktes eingedenk – ein Konzept unter Einbeziehungdes Internets. „Mit einer solchen Verbindung von Veranstaltung und Inter-

netangebot waren wir wohl die Ersten.“ Das kommt an: Im Jahr 2000 ver-hilft Martin Poettgen der Marke Metaxa mit internetgestützten Aktionenzu neuer Beliebtheit und führt das Szenegetränk Pitú ein. Ohne das Inter-net, so die Erkenntnis, geht in der Markenwerbung heute nichts mehr. Martin Poettgen versucht, ein Gespür für die Produktlebenszyklen in sei-nem Bereich zu entwickeln. In einem sich verändernden Markt mit zahl-reichen Unternehmensfusionen und vielen Markteinführungen erscheint

ihm das überlebenswichtig. Zudem untermauert er seine Leistungen argu-mentativ, schafft Formulierungen, wie sie seine Kunden in den Werbeab-teilungen hören wollen. Etwa die eMarke fürs Internet: „Sie ist das Medium der klassischen Markeund informiert über die Markenwelt sowie Aktivitäten, bietet aber auchMerchandising-Angebote.“ Dieses Konzept tauft Martin PoettgenEvent2Net. „Die Veranstaltungen liefern zugleich auch die Inhalte desInternets, beides ist Grundlage für eine Nachbetreuung.“ Leben erhalte dasSystem durch seine Relevanz für die Zielgruppe: „Wir binden die Persön-lichkeit des Teilnehmers ein und fangen ihn damit.“Wichtiger Bestandteil des Erfolgs ist die Verbindung von Konzeption, Pro-motion und Produktion der Werbemittel unter dem Dach nur einer Agen-tur. Ein vierter Bereich kommt hinzu: „Wir haben einen Partner hinzuge-nommen, der Wettbewerbsbeobachtung und Dokumentationen bietet.“2001 ist das erfolgreichste Jahr, der Umsatz verdoppelt sich von 1,5 auf 3Millionen DM. „Damit befanden wir uns im Bereich der Top 30 der Event-Agenturen.“ 2002 geht der Umsatz demgegenüber um 15 Prozent zurück.Erstmals sieht Martin Poettgen das gelassener: „Ein Auf und Ab ist normal.Deshalb haben wir für alle Mitarbeiter flexible Honorarvereinbarungeneingeführt.“ Nach einer solchen flexiblen Lösung habe er lange gesucht.„Zuvor hatten wir Grundgehalt und Jahresbonus. Daran missfiel mir, dassdie vom Einzelnen erbrachte Tätigkeit nicht exakt honorierbar war.“Im gleichen Prozess entwickelt Martin Poettgen mit dem Unternehmens-berater das System einer Mitarbeiterbeteiligung. Sie soll entscheidendePersonen enger an das Unternehmen binden.„Wir haben uns für die Rechts-form einer GmbH entschieden, an der fünf unserer 15 Mitarbeiter sowiezwei externe Partner als Gesellschafter beteiligt sind.“ Das neue Unter-nehmen heißt MP & P GmbH und setzt damit die Tradition fort. Martin Poettgen hält neben den Strukturen die Atmosphäre im Unterneh-men für entscheidend. „Wir arbeiten gleichberechtigt und kooperativ mit-einander. Damit geben wir bereits Auszubildenden die Möglichkeit, ihreIdeen einzubringen. Wer bei uns Familie und Beruf verbinden möchte, fin-det jede Unterstützung – denn wir wissen, dass der Einzelne durch dieseErfahrung auch persönlich reift.“

DIPL.-ING. MBA MICHAEL BUTZ · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.mb-consulting.net

Gute Ideen sollten nicht nur auf einer Gründereuphorie basieren, sondern die Chancen und Risiken von Geschäftsideen

abwägen. Bei der Auswahl der Partner ist es wichtig, dass diese eine Win-Win-Situation schaffen und die Zielerreichung

überwacht wird. Ein definierter Statusbericht sollte frühzeitig auf Abweichungen hinweisen, denn eine schnelle Reaktion auf

den sich verändernden Markt ist unerlässlich. Zur Anpassung an neue Vorgaben ist u.a. die „Gründerkreativität“ gefragt.

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StrategischerSanierer

In seiner 25-jährigen An-gestelltentätigkeit ist Wal-ter Münnich nur für dreiUnternehmen tätig. Wäh-renddessen durchläuft derDiplom-Ingenieur alle Kar-rierestationen vom Sach-bearbeiter bis zum Vor-standsvorsitzenden undentwickelt sein persön-lichstes Kapital: Erfah-rung. Er leitet die Produk-tion eines Röhrenbetriebs,wird Vertriebsvorstand ei-nes Getriebeherstellers,um schließlich erstmals

auch eigenes Geld zu investieren: In einem Unternehmenfür Automatisierungstechnik beteiligt er sich an der Über-nahme des angeschlagenen Betriebes durch die leitendenAngestellten. Als Vorstandsvorsitzender saniert er dasUnternehmen, um es schließlich zu verkaufen. „Dass das Unternehmen zu retten sein würde, hat niemandgeglaubt“, berichtet Walter Münnich. „Und deshalb warder Verkauf letztendlich auch extrem profitabel.“ Mit dererfolgreichen Rettung machte er sich einen Namen als Fir-mensanierer. Denn die Situation war speziell: Ein englisch-er Finanzinvestor hatte sich beteiligt, „und ich war der er-ste Deutsche, der eine Sanierung im Auftrag eines solchenPrivate Equity Fonds erfolgreich durchführte.“Doch dann ist das Unternehmen verkauft, und der umtrie-bige Walter Münnich nimmt sich zum ersten Mal in seinemArbeitsleben eine Auszeit. „Das war nötig. Zum einen

Bei seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender hat er 25 Jahre Industrieerfahrung. Nach einer

Auszeit entschließt er sich, nicht nur als freier Berater zu agieren, sondern zusammen mit Partnern

eine Unternehmensberatung zu gründen.

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Page 107: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

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02

M ü n n i c h R S T T u r n a r o u n d G m b H

8

m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g :2002

t ä t i g k e i t s f e l d :Turnaround-Beratung von Unternehmen desproduzierenden Gewerbes

b r a n c h e :Freie Berufe(Unternehmensberater)

p e r s o n : Walter Münnich, Dipl.-Ing. f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Bismarckstraße 51, 45128 Esseni n t e r n e t : www.muennich-rst.de

Page 108: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

musste ich wieder zu Atem kommen, zum anderen wollte ich gern unseren25. Hochzeitstag mit einer längeren Reise feiern.“ Er sucht den distanzier-ten Blick auf sein bisheriges Arbeitsleben. „Als Vorstand eines öffentlichnotierten Unternehmens ist man ständigem Überzeugungsdruck ausge-setzt: Man muss Betriebsrat, Banken, Medien, oft auch die leitenden An-gestellten überzeugen. Das verlangt einem häufig große Härte ab – dennkönnte man nicht überzeugen, müsste man die Konsequenzen ziehen.“Mit dieser Phase will Walter Münnich abschließen. „Ich hatte den Eindruck,dass ich mein Wissen auch auf anderem Wege vermarkten kann.“ Zuersteinmal nimmt er das Ange-bot einer der größten indu-striellen Beteiligungsgesell-schaften an, die ihn als Se-nior-Berater für die Bewer-tung von Unternehmenverpflichtet. Auch Auf-sichtsratsmandate werdenihm angetragen. „Doch vorallem wollte ich mich fürNeues öffnen und habemich deshalb bei den ‚Busi-ness Angels Ruhr‘ enga-giert.“ Dort bringt er seinWissen zur Sanierung vonjungen Unternehmen ein.Er knüpft Kontakte zu anderen Mitgliedern, vor allem Dr. Witte und des-sen Partnern. „Er interessierte sich sehr für meine Erfahrungen, denn erkannte zwar die betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Aspekte der Sa-nierung. Doch es fehlte Erfahrung in der Umsetzung.“Auch Walter Münnich weiß, dass seine Praktiker-Erfahrungen durch dieErgänzung um Wittes Aspekte sowie juristische Kompetenz noch bessernutzbar werden. Recht zügig fällt daraufhin die Entscheidung, gemeinsamdie „Münnich RST Turnaround GmbH“ zu gründen. Die weiteren Gesell-schafter sind bereits Partner in der Steuerberater- und Rechtsanwaltskanz-

lei RST Hansa, deren Infrastruktur das neue Unternehmen nutzt. Alle Gesellschafter haben daneben andere Tätigkeitsfelder. „Das verlangteine minutiöse Zeitplanung. Sie müssen Prioritäten setzen – und Ihr po-tenzieller Auftraggeber darf nie den Eindruck gewinnen, Sie seien nur halb-herzig dabei.“ Kommt es zum Sanierungsauftrag, sei das auch nicht ratsam:„Firmenrettungen sind extrem handlungsintensiv.“ Walter Münnich will daher nur jene Fälle betreuen, die das Unternehmenwirklich beherrscht. Um keine fachfremden Aufträge annehmen zu müs-sen, achtet er auf niedrige Fixkosten: „Wenn Sie eine sichere Basis haben,

können Sie vorsichtig investieren. Zu viele Firmen sind an einer zu opti-mistischen Einstellung und den daraus entstehenden zu hohen Verpflich-tungen gescheitert.“Die Mandate des ersten Tätigkeitsjahres zeigten, dass selbst kriselndeUnternehmen ihre Kernkompetenzen technisch durchaus beherrschen.Die Gründe für Krisen sind vielfältig: „Mal bringt ein neues ProduktSchwierigkeiten oder ein neuer Markt. Oder es werden Fehlentscheidun-gen in Größenordnungen gefällt, die das Unternehmen erschüttern. Er-staunlich und erschreckend ist dabei, wie oft jegliche Transparenz fehlt.“

Walter Münnich empfiehlt: „Nehmen Sie sich für

die Erstellung eines Angebotes zwei Tage Zeit, um

eine umfassende Bestandsaufnahme vornehmen zu

können. Sie erlaubt beiden Seiten eine präzise

Beurteilung des Leistungsinhaltes.“ �

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Viele Unternehmen wüssten nicht, mit welchem Produkt sie Geld verdie-nen oder vernichten. „Wir versuchen daher, die in Deutschland wenig ver-breitete Betrachtung des operativen Cash Flow anzuwenden. Denn geradeein steigender Auftragseingang führt oft vorschnell zur Annahme, dass esgut läuft, obwohl das nachgefragte Produkt keinen Ertrag bringt.“ Damitstelle sich die Aufgabe, das Produkt entweder aufzugeben, es von außenzuzukaufen oder intern zu einem Gewinnprodukt zu machen. „Oft ist ei-nem Kunden schon sehr geholfen, wenn geeignete Schritte zur Steigerungder Transparenz aufgezeigt werden.“ Dabei sollten Unternehmer jedoch

nicht zu perfektionistisch sein: „Statt eine 100-prozentige Lösung anzu-streben, sollte man mit 80 Prozent zufrieden sein. Mit Unzulänglichkeitenlässt es sich besser leben, als mit einem perfekten System, das nie umge-setzt wird.“Der Berater von außen könne viele Situationen leichter analysieren, weil eremotional unbelastet sei. „Daraus lässt sich dann auch eine geeignete Stra-tegie für die weitere Vorgehensweise entwickeln.“ Leider sei der BegriffStrategie vielfach missbraucht: „Viele Menschen verstecken dahinter ihreScheu vor unangenehmer operativer Tätigkeit oder sogar vor dringenden

Entscheidungen.“ Zusätzliche Erfahrungen gewinnt Walter Münnich ausseiner Beratertätigkeit für mittlerweile zwei Beteiligungsgesellschaften: „Indiesem Fall übernehme ich die Verantwortung für den künftigen Käufer.Aus Unterlagenstudium, Managementpräsentation und vor allem der Un-ternehmensüberprüfung muss ich erkennen, ob das Unternehmen etwa mitnicht quantifizierbaren Risiken belastet ist.“ Nur in zwei Prozent der Fälleentscheidet sich die Beteiligungsgesellschaft für ein Engagement bei demUnternehmen. „Dennoch enthält jeder Fall wichtige Erkenntnisse. Vor al-lem sehe ich immer wieder, dass es das ideale Unternehmen nicht gibt.

Unternehmensführung iststets der gut organisierteUmgang mit Unzuläng-lichkeiten.“Seiner eigenen Firmamöchte Münnich Unzu-länglichkeiten möglichstersparen: „Ich habe michdeshalb bei den BusinessAngels zurückgezogen, ummich nicht zu verzetteln.“Ihm sei wichtig, sich in dennächsten Jahren auf seinUnternehmen zu konzen-trieren: „Es wäre eineSchande, wenn ich mein

Wissen nicht zur Verfügung stellte. Gleichzeitig weiß ich, dass ich michschon jetzt nach jüngeren Partnern umsehen sollte. Das gebietet mir auchmein Verantwortungsgefühl.“ Mit derzeit acht Mitarbeitern habe dasUnternehmen eine gute Basis für weiteres Wachstum. „Allerdings brauchenwir dafür die Sicherheit laufender Beratungsverträge. Solange das nicht ge-währleistet ist, arbeiten wir vorzugsweise mit freien Mitarbeitern. Den ei-nen oder anderen hätten wir zwar gerne als Angestellten, um keine Ver-fügbarkeitsprobleme zu haben – aber wir können nicht die Wahrung pro-portionaler Kosten nach außen predigen und nach innen missachten.“

DIPL.-VW. AXEL RUBE · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · firm-consult.de, Essen

Ein typischer Jung-Unternehmer! So, wie wir ihn oft erleben. Zum Glück! Vor vier Jahren gab es scheinbar nur noch die „Dot-

commer“. Alle über 50 gehörten auf die Rentnerbank. Das hat sich geändert. Heute zählt Erfahrung wieder viel. Sie setzt

sich gerade in der Krise durch. Ihr sind ausreichende Handlungsalternativen bekannt, effektive Netzwerke bestehen. Viel

Erfolg weiterhin, Herr Münnich!

Page 110: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

König Kunde

„Lernen muss man immer.Egal, wann und wo.“ Derjunge Peter Pohlmann hatnicht einmal mittlere Reife,als er seine Lehre bei Kauf-hof beginnt. Die holt erspäter nach, besucht eineTextil-Akademie und wirdAssistent bei einer kleinenKaufhaus-Kette mit Sitz in Schwerte. Für einen ita-lienischen Hersteller vonTextilfasern wird er an-schließend Marketingchefund platziert ein bis datounbekanntes Produkt im

deutschen Handel. Er wechselt wiederum, wird Verkaufs-leiter bei einer Teppichfabrik. Dort hält es ihn sechs Jahrelang, bis ihm 1979 einer der drei Gesellschafter sagt: „Ma-chen Sie sich selbstständig. Ich fördere Sie.“ Peter Pohl-mann erinnert sich: „Ich hatte Vertrauen in Friedrich Rott-mann und seine Einschätzung. Aber mir fehlte eigenes Ka-pital. Wir gründeten dann eine kleine GmbH, für 7.500 DMerhielt ich 49 Prozent der Anteile.“ Die Idee der QuadroGmbH ist einfach: Weltweit werden günstige Produkte ein-gekauft, die in Deutschland von Firmen wie Tchibo, Aldiund Woolworth vertrieben werden. „Da war viel Kitsch da-bei“, erinnert sich Peter Pohlmann lächelnd. „Aber wir hat-ten Erfolg.“ Parallel entwickeln die beiden Geschäftspart-ner eine neue Idee: Im Gewerbegebiet bei der Teppichfa-brik wollen sie einen Werksverkauf eröffnen. „Wir nanntendas Geschäft ‚Teppich-Domizil‘ und stellten uns von vorn-

Sein Chef gibt ihm die Chance auf Selbstständigkeit und fördert ihn. Im Groß- und im Einzelhan-

del entwickelt er Discount-Lösungen. Den Durchbruch bringt das Konzept eines Einrichtungs-

Discounters mit regionaler Konzentration und einer konsequenten Kundenorientierung.

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1000m i t a r b e i t e r : ~

t ä t i g k e i t s f e l d : Einrichtungs-Discountermit 15 Filialen

p e r s o n :Peter Pohlmannf u n k t i o n :Geschäftsführera d r e s s e :Industriestraße 39, 59192 Bergkameninternet:www.poco.de

g r ü n d u n g :1989

P O C O H o l d i n g G m b H

b r a n c h e :Einzelhandel

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herein als Discounter auf, der auch andere Artikel verkauft.“ Das Geschäftläuft gut an. Sie reinvestieren ihre Erlöse und errichten insgesamt vierHallen, die sie an andere Firmen vermieten. Als einer der Mieter in Konkurs geht, will Partner Rottmann die leere Hal-le für die Erweiterung des eigenen Einzelhandels nutzen. „Ich aber war kri-tisch, weil ich nicht mehr Umsatz sah.“ Peter Pohlmann nutzt seine freund-schaftlichen Beziehungen zu seinen Quadro-Kunden. Er lädt einige vonihnen ein und bittet sie umRat. „Die Aussage war ein-deutig: Je größer das Ange-bot, desto mehr Menschenkommen“, erinnert sich Pe-ter Pohlmann. Zudem fragtein Gesprächspartner, wie-viel er regelmäßig fürWerbung ausgibt. „Er emp-fahl mir, den Betrag vonmonatlich ca. 15.000 auf50.000 Mark aufzustoc-ken. Würde ich nicht mehrwerben, könnte ich auchnicht mehr verdienen.“ Sein Werbebudget zu ver-doppeln, erscheint PeterPohlmann angemessen. Erschaut sich nach geeigne-ten Werbeträgern um undentwickelt dann ein eigenes Anzeigenblatt, die „Domizil-Zeitung“. Schonnach der ersten Ausgabe verdoppelt sich der Umsatz, und Peter Pohlmannweiß: Die neue Halle kann er brauchen. Wieder fragt er Kunden nach demrichtigen Ansatz. Roller-Gründer Wolfgang Marquardt rät ihm, Polster-garnituren zu verkaufen. Er lässt sich einen Lieferanten nennen und erklärtdiesem ganz offen: „Ich brauche Ihre Hilfe. Sie müssen mir nicht nur IhrenPreis nennen, sondern auch den Verkaufspreis für mich kalkulieren. Wenn

Sie mir eine reelle Rechnung aufmachen, profitieren wir beide davon.“ 1985startet er mit 500 Polstergarnituren. Und weil das neu aufgestellte Teppich-Domizil gut läuft, konzentriert er sich vor allem auf die Vertriebsfirma Qua-dro. Doch sein Partner Friedrich Rottmann möchte sich bald darauf zu-rückziehen und seine Anteile verkaufen. Peter Pohlmann leiht sich die Hälf-te des Geldes von der Bank, die andere Hälfte kann er seinem Partner überzehn Jahre ratenweise abzahlen.

1989 prägt als Jahr derMaueröffnung auch dieEntwicklung bei Quadro:Das Geschäft explodiertnahezu. Und in NRW mel-den sich andere Möbel-Discounter bei Peter Pohl-mann: Sie finden sein Kon-zept interessant und ladenihn ein, ihrem Einkaufsver-band beizutreten. „Alle hat-ten beste Fachkenntnisseund waren sehr erfolg-reich. Und so entstand dieIdee, mit fünf Partnern inAhlen einen Discounter zueröffnen.“ Pohlmann & Co.starten 1989 gemeinsamden ersten Poco Einrich-tungsmarkt.

„Ich hatte immer noch Quadro und mein Teppich-Domizil. Das habe ich1991 auch auf Poco umgestellt, Quadro habe ich 1994 an Friedrich Rott-mann zurückverkauft.“ Denn im Möbel-Discount stecken Möglichkeiten,die Peter Pohlmann ausschöpfen möchte: „Zuerst habe ich mich an derÜbernahme von drei bestehenden Einrichtungshäusern und der Umstel-lung auf Poco versucht. Das klappte erst gar nicht und hat mich eine Mil-lion Mark gekostet. Weitaus besser verlief die Übernahme der Dorstener

Peter Pohlmann rät, die Unternehmensentwicklung

durch einen Beirat zu begleiten: „Ein Beirat vermittelt –

ähnlich einem Aufsichtsrat – zwischen den Interessen

des Unternehmens und Erwartungen der Eigentümer. In

Phasen des Generations- und Führungswechsels kann er

damit die notwendige Kontinuität gewährleisten.“

DR. ANNEKATRIN KLAUS · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · TMS Unternehmensberatung AG, Köln/Hamburg

Beschäftigen Sie sich wie Peter Pohlmann rechtzeitig mit dem Thema Nachfolge und planen Sie gründlich, wie Sie Eigentum und

Management übergeben wollen. Gehen Sie dabei nicht unbedingt von einer familieninternen Übertragung aus: Den „geborenen“

Nachfolger gibt es nicht. Eine solide Einarbeitung des bzw. der Übernehmer ist äußerst wichtig, jedoch nur mit einem klaren Zeit-

plan für die endgültige Übernahme – auch aller strategischen Entscheidungen – realisierbar.

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Ikea-Filiale und die Umstellung auf Poco: Der Standort hatte bereits Dis-count-Charakter, und die Mitarbeiter kannten den Umgang mit Discount-Kunden.“Peter Pohlmann expandiert an weiteren Standorten, bis ihn die Bank 1993warnt: „Sie bestätigten meine guten Zahlen, sagten aber auch, dass ich dasKapital für eine Expansion nicht verdienen könne.“ Pohlmann nutzt dieWarnung. „Ich habe mich gefragt, was ich wirklich will. Und daraus wur-de die Idee einer Firma, diefilialisierbar ist. ZentraleDienste sollten in einerHauptstelle erbracht wer-den – und all das wollteich außerdem von meinerFamilie abkoppeln.“ Dennobwohl er stolzer Vatervon drei Kindern ist, willer ihnen die Firma nichtals selbstverständlichesErbe überlassen. „Ich wardabei geprägt von Vorbil-dern wie Brenninckmeyeroder Mohn, die ihreUnternehmen an gemein-nützige Stiftungen über-tragen haben.“ Dennochfreut ihn sehr, dass SohnNiko künftig im Unterneh-men mitarbeiten will – als Angestellter wie viele andere. „Mit der Gründungder Poco Service AG haben wir zugleich versucht, ein anderes typischesProblem von Familienunternehmen in den Griff zu bekommen: Sie sind zukopflastig und unterbinden Eigeninitiative.“ Seine Mitarbeiter in den 15 Fi-lialen sollen selbst Verantwortung übernehmen – und können es, weil ih-nen der administrative Alltag durch die Zentrale erleichtert wird.Bis zu seinem 60. Geburtstag 2003 will Peter Pohlmann mitwirken, dann

seinen Nachfolgern Platz machen. „Ich habe mir vorgenommen, in dieserZeit die Nummer 1 in Nordrhein-Westfalen zu werden. Diesen Markt ken-nen wir gut. Wir haben zudem unseren typischen Kunden definiert: Unser‚Kunde Pocowski‘ ermöglicht uns seitdem, uns exakt auf die Bedürfnisse un-sere Klientel einzustellen und immer das größte Angebot in der Preislagevorzuhalten, die sich unser Kunde auch leisten kann.“Das Konzept geht auf: Dreimal hintereinander kürt die Fachpresse Poco

mit dem Branchen-Oscar.Zweimal ist Poco schnellst-wachsendes Unternehmenin NRW. Durch Übernah-me der Gesellschafter-An-teile sowie Tilgungen an dieBanken gehört sich die Fir-ma selbst. „Das sind gute Vorausset-zungen für eine Expansionin Deutschland, aber auchin die Ostblockstaaten“,weiß Pohlmann. Ein eigen-ständiges Expansionsteamkümmert sich um die Aus-wahl neuer Standorte. 100bis 150 Märkte sollen eseinmal werden.Peter Pohlmann hat sich2003 wie angekündigt aus

dem operativen Geschäft zurückgezogen. Als Geschäftsführer der Holdingwählt er Mitarbeiter aus und kümmert sich um Strategiefragen. Seine Po-co International mit Sitz in Brüssel verfolgt weltweit interessante Projekteim Einzelhandel: „In Deutschland habe ich mich um förderwürdige Exi-stenzgründungen bemüht, habe aber leider bislang nichts gefunden. Dafürbin ich in Südafrika in die Sanierung des drittgrößten Einzelhändlers ein-gestiegen. Im Ausland sehe ich derzeit mehr Chancen als hierzulande.“

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Prozesse planen,Mitarbeiter motivieren

Nahezu idealtypisch ver-läuft der Start der deut-schen SITEL-Niederlas-sung: Der Kunde steht fest,ein paralleles Projekt desCall-Dienstleisters in Groß-britannien hat bereits einJahr Vorsprung und liefertwertvolle Erfahrungswerte.Technik und Kapitalaus-stattung kommen von derUS-Mutterfirma. Die An-spannung ist dennoch rie-sig, als 1997 die Leitungenfür den ersten Auftragge-bers geschaltet werden.

Geschäftsführer Mark Brown erinnert sich: „Anrufer ver-zeihen keine Fehler. Also war klar, dass zum Tag X alle Pro-zesse perfekt funktionieren müssen.“Fast sechs Jahre später bleibt die präzise Projektplanung dasA und O jedes neuen Auftrages. Nicht immer sind die Pro-jekte so groß wie beim ersten Auftraggeber. „Wir betreuenauch Unternehmen, die nur drei Mitarbeiter von uns be-nötigen. Für den größten Kunden sind es hingegen ständig160 Mitarbeiter.“ Insgesamt arbeiten ca. 1.000 Mitarbeiterbei SITEL und der Schwesterfirma SRM Inkasso GmbH inKrefeld und Dessau – je nach Projekt und Auftraggebernicht nur zu den üblichen Bürozeiten, sondern bis zu 7 ×24 Stunden pro Woche.Seit Mitte 2002 ist Mark Brown Chef der ca. 940 SITEL-Angestellten. Der Brite studierte Wirtschaftswissenschaf-ten und fing mit 22 Jahren bei einem Call-Center in Lon-

Ein US-Unternehmen sucht leitende Angestellte für die Gründung eines deutschen Call-Centers. Die

Herausforderung nehmen ein junger Brite, später ein deutscher Finanzprofi an. Als Geschäftsführer

eines Call-Center- bzw. Inkassounternehmens pflegen beide eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.

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19

96

S I T E L G m b H

1000m i t a r b e i t e r : ~

g r ü n d u n g :1996 (sitel) bzw.2000 (srm)

t ä t i g k e i t s f e l d : Call-Center mit ergänzenden Dienstleistungen: Kunden-service, Kundengewinnung, Vertriebssteuerung, Telesales, Technischer Support,Help Desk, Projektplanung, standardisierte Optimierungsprozesse, Forderungs-und Debitorenmanagement durch das Schwesterunternehmen SRM Inkasso GmbH

b r a n c h e :Dienstleistungen (Call-Center)

p e r s o n : Mark Brown (Foto rechts)f u n k t i o n : Geschäftsführer der SITEL GmbHp e r s o n : Rüdiger Bisping (Foto links)f u n k t i o n : Geschäftsführer der SRM Inkasso GmbHa d r e s s e ( s i t e l ) : Europark Fichtenhain A17, 47807 Krefelda d r e s s e ( s r m ) : Europark Fichtenhain A6, 47807 Krefeldi n t e r n e t : www.sitel.de

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don an. Schon nach einem Jahr wechselt er in ein Call-Center nach Düs-seldorf: „London ist als Stadt ziemlich anstrengend.“ In zehnjähriger Be-rufstätigkeit baut er daraufhin in verschiedenen Ländern Call-Center auf,unter anderem in Indien. 1997 kommt er zu SITEL, als das Unternehmenerst 30 Mitarbeiter zählte. „Ich hatte verschiedene Positionen inne, bevorich General Manager wurde.“ Durch den Aufstieg zum Managing Directorsind als Verantwortsbereiche Vertrieb und Marketing hinzugekommen.Rüdiger Bisping ist Mana-ging Director der SITEL-Schwesterfirma SRM Inkas-so GmbH. Nach BWL- undVWL-Studium ist er 14 Jah-re lang in verschiedenenBankinstituten tätig. „Aller-dings störten mich bald diedamals noch recht starrenStrukturen in den deutschenBankenhierarchien. Bei ei-ner US-Bank habe ich dannim Bereich ‚Credit & Risk'das Forderungsmanagementvon der Pike auf gelernt; spä-ter, im Bereich ‚General Ser-vices' habe ich die Infra-struktur weiterentwickeltund erlebt, wie sich durchOutsourcing ein völlig neu-er Markt entwickelt.“ So liegt es für ihn nahe, Unternehmen wie SITEL inder Presse zu beobachten: „Als in einer Stellenanzeige die Aufgabe gebotenwurde, die SRM Inkasso GmbH aufzubauen, habe ich nicht lange gezögert.Aufbauarbeit ist für mich eine der interessantesten Aufgaben überhaupt.“Ebenso wie Mark Brown sieht Rüdiger Bisping weder Internationalitätnoch Kapitalausstattung primär als entscheidend an. „Wir sind erfolgreichdurch motivierte Mitarbeiter. Unser Anteil am Erfolg ist, die Prozesse sinn-

voll zu organisieren und den Menschen richtig darin einzubinden.“ Auf Geschäftsführungsebene bedeutet das für beide, sich immer auch fürdie Probleme des anderen zu interessieren und ständigen Austausch zu pfle-gen. Mark Brown: „Wichtiger ist jedoch, dass es zwischen uns keine Poli-tik-Spielchen gibt. Intrigen kommen nicht vor.“ Beide wissen zu schätzen,dass SITEL-Gründer James Lynch dezentrale Entscheidungen in seiner Or-ganisation fördert. „Anders wäre das in der heutigen Zeit auch nicht denk-

bar“, sagt Mark Brown.„Wir fliegen zwar re-gelmäßig zur Firmenzen-trale nach Omaha in Ne-braska, fällen unsere Ent-scheidungen aber anhandlokaler Gegebenheiten.Dabei sind rechtliche Vor-schriften so wichtig wieMentalitätsfragen undMarktentwicklung.“Exakte Marktkenntnis be-trachten beide Geschäfts-führer als entscheidend fürihren Erfolg. Und das nichtnur auf Managementebe-ne: Wer für SITEL telefo-nisch die Kunden einesUnternehmens betreut,kennt die Aufgabe genau,

meistens ergänzt durch den Austausch mit Mitarbeitern des Auftraggebers.„So vermittelt sich dem Anrufer der Eindruck, direkt mit einem Mitarbei-ter des Unternehmens zu sprechen“, erklärt Mark Brown. Fast alle Groß-kunden entsenden Mitarbeiter direkt zu SITEL. Neben interner Schulungund der daraus resultierenden imagegerechten Außenwirkung profitierenSITEL und der jeweilige Auftraggeber noch weiter vom regelmäßigen Aus-tausch: „Unser Ziel ist, den jeweiligen Auftraggeber immer ins Boot zu ho-

�DR. ARND HEYMANN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · FINCOR GmbH, Krefeld

Teamwork als Schlüssel zum Erfolg: Gerade in Marktlagen von Konsolidierung und Überangebot ist Teamkompetenz ein

maßgeblicher Erfolgsfaktor für „junge“ Unternehmer. Hohe Aufwände für den Kompetenzaufbau werden vermieden, die

Gründungsrisiken auf mehrere Schultern verteilt, Vertrauen bei Kunden und Lieferanten gebildet und im Kontaktnetzwerk

weitere Wertschöpfungsbausteine geplant und generiert.

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len“, erläutert Mark Brown. „Kern jeder Planung sind ohnehin die Projekt-ziele, die wir anhand monatlicher Berichte miteinander quantitativ undqualitativ abgleichen. Doch darüber hinaus beschäftigen wir uns perma-nent mit den Erwartungen der Anrufer und den Bedürfnissen unseres Auf-traggebers. Aus täglich tausenden von Telefonaten filtern wir wichtigeRückmeldungen heraus, die wir an den Kunden weiterleiten.“ Gerade hier zeige sich, dass ein Computerprogramm allein kein erfolgrei-ches Arbeiten bedeutet:„Unsere Mitarbeiter sindSprachrohr unserer Auf-traggeber. Zugleich sind siesensibel für die Rückmel-dungen vom Markt.“ Dochkein Prozess ohne Prüfung:Eine eigens aufgebaute me-thodische Kommunikationfordert dieses Feed-backimmer wieder ein.Engagement verlangt Rüdi-ger Bisping auch in einemweiteren Bereich: „Wir soll-ten stets mehr tun, als derVertrag verlangt. Eine Er-wartungshaltung lässt sichnämlich nicht vertraglichfixieren. Gibt man demKunden immer wieder dasGefühl, dass man seinen Auftrag umsichtig und verantwortlich wahrnimmt,wirkt sich das entscheidend auf die künftige Vertragsgestaltung aus.“Als besonders sensibel würden wohl viele Menschen den Bereich bezeich-nen, mit dem Bispings Unternehmenszweig SRM Inkasso GmbH täglich zutun hat: Kunden an eine ausstehende Zahlung zu erinnern oder auch schonmal Vorschläge zum „Abstottern“ zu machen, sind das Arbeitsfeld: „Wir ha-ben zumeist die gleichen Kunden wie SITEL und wurden 2000 gegründet,

als ebenfalls ein konkreter Auftrag vorlag.“ Während zahlreiche Firmen dieKundenbetreuung in Call-Center ausgelagert haben, bearbeiten sie das In-kasso meist noch selbst. Hier lassen sich noch Effizienzpotenziale realisie-ren, insbesondere, wenn man nicht nur traditionelle Inkasso-, sondern auchLösungen für den gesamten Geschäftsprozess der Forderungsbearbeitungeinschließlich des Debitorenmanagments anbieten kann.„Die wirtschaftliche Situation bietet uns beste Voraussetzungen für weite-

res Outsourcing des Inkas-so“, ist sich Rüdiger Bispingsicher. „Zum einen helfenwir unseren Partnern, offe-ne Forderungen zügig zurealisieren. Zum anderentragen wir durch persönli-che Ansprache und ver-schiedene Lösungsangebo-te dazu bei, dass der ge-mahnte Kunde auch Kundedes Unternehmens bleibt.“Hauptwerkzeug der SRM-ist ein EDV-Programm, dasbis zu 100.000 Adressatenbearbeitet. Schon nach ei-nem Jahr laufenden Be-triebs nehmen die Mitar-beiter monatlich bis zu10.000 Gespräche an und

rufen bis zu 60.000 mal bei säumigen Zahlern an.Rüdiger Bisping: „Hierin unterscheiden wir uns von vielen der – formal ge-sehen – 650 Mitbewerber in Deutschland: Kleinen Inkassobüros mangeltes an Ausstattung und Struktur für die Bearbeitung großer Forderungsbe-stände. Wir kennen hingegen bei jedem Anruf alle relevanten Daten einesKunden und wissen daher genau, welche Bedeutung der Kunde für unse-ren Auftraggeber hat. So können wir uns absprachegemäß verhalten.“

Was Rüdiger Bisping Gründern rät: „Wer als externer

Dienstleister erfolgreich sein will, muss vor allem be-

weisen, dass er besser organisiert ist. Hilfreich ist

dabei, Schlüsselindikatoren für die Leistungsqualität

zu ermitteln und diese im eigenen Berichtswesen zu

dokumentieren, zu messen und zu bewerten.“

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Page 118: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

Liebe zum Licht

Mit dem Handel von Elektronikbauteilen macht sie sich selbstständig, nimmt später auch die Fertigung

auf. Für ihre Entwicklungen erhält sie zahlreiche Patente, nun auch den Innovationspreis NRW. Mitt-

lerweile fasziniert sie Design mit Licht – und so unterstützt sie ihren Sohn in dessen Unternehmen.

Zwei Unternehmensgeschichten, die doch entscheidend von einer Personabhängen. Was Lydia Wustlich für sich 1979 begonnen hatte und ver-wirklichte, würde sie heute nach dem Jahrtausendwechsel gern auch imUnternehmen ihres Sohnes wiederholt sehen: den ganz großen Erfolg.„Jede Zeit hat ihre Chancen. Ende der 70er Jahre war es der Handel mitelektronischen Komponenten, heute zähle ich dazu neuartige Gebäude-technik, zum Beispiel Lichtmöbel.“ Chancen zu ergreifen, gehört zu denStärken Lydia Wustlichs. Nach dem Besuch der Hotelfachschule bleibt sienur kurze Zeit im Hotel, wechselt dann in die Industrie und sammelt ersteErfahrungen in der Elektronikbranche. Ihr Ehemann Hans-Dieter Wustlichist Diplom-Ingenieur und als Vertriebsleiter und Prokurist ebenfalls ineinem Elektronikunternehmen tätig. Sie beschließt schon bald, sich in der gleichen Branche selbstständig zu ma-chen. „Ich hatte ein Startkapital von nur 3.500 Euro und habe davonSchreibmaschine, Tischrechner, Telex und erstklassiges Briefpapier ange-schafft.“ Kartons besorgt sie sich im Schuhgeschäft, Aufkleber bei der Post.

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20

00

W u s t l i c h - D e s i g n A G

19m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g : 1979

d e s i g n - ag : 2000t ä t i g k e i t s f e l d : Handel und Fertigung vonMöbeln und Accessoires, Innenarchitektur

b r a n c h e :Handel / Fertigung

p e r s o n : Lydia Wustlich f u n k t i o n : Aufsichtsrata d r e s s e : Carl-Friedrich-Gauß-Str. 44, 47475 Kamp-Lintfortinternet: www.wustlich-design.de

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Die ersten Schalter und Kondensatoren verkauft sie telefonisch, bestelltdann erst die Ware beim Lieferanten. „Nachts habe ich im Bett gesessenund mir aus Fachbüchern angelesen, was genau ich da eigentlich verkaufe.“Nach dem ersten Jahr kündigt ihr Mann seine bisherige Stelle und über-nimmt den Außendienst. Lydia Wustlich nutzt die Gelegenheit, nach Tai-wan zu reisen und Distributionsverträge mit drei aufstrebenden Unterneh-men zu schließen. Doch wiederholt nutzen ihr weder das immer umfas-sendere Wissen noch die Unterstützung ihres Mannes, wenn es gilt, ak-quirierte Großaufträge festzumachen und zu halten: „Wenn sich ein Auf-trag richtig lohnte, hat ihn uns ein Hersteller weggeschnappt. Das habenwir uns eine Zeitlang angeschaut und dann beschlossen, unsere Produkteselbst zu fertigen.“ Sie entscheidet sich für das noch junge Feld der Optoelektronik. „Das sindlebendige Produkte, farbenfroh und mit einer Anwendungsvielfalt, die ein-fach Freude macht.“ Vor allem in Technikbereichen, wo Leuchtendes derOrientierung und Information dient: in HiFi-Geräten, in Aufzügen, imAuto-Cockpit, im Flugzeug und nicht zuletzt in der Gebäudetechnik.

Diese Entscheidung erweist sich als goldrichtig. Aus den ersten zwölf Pro-dukten werden im Laufe der Jahre 4.500. Doch die Entwicklung neuer, im-mer besserer Komponenten ist aufwändig und teuer. Die Forschung verur-sacht extrem hohe Kosten. „1988 haben wir erstmals Fördermittel für neueTechnologien beantragt. Die Formulare waren so kompliziert – da habe ichmir ein Herz gefasst und bin ins Ministerium gefahren.“ Sie fragt sich durchund findet so den richtigen Sachbearbeiter, der ihr bei der Antragstellunghilft. Mit der Förderung gelingt die Entwicklung des ersten Mikroprodukts,einer Hintergrundbeleuchtung für LCD-Anzeigen. 1990 erhält die Firma Wustlich daraufhin das erste Patent. 15 nachfolgen-de Patente ergänzender Technologien beweisen bis heute, dass die erste In-vestition von fünf Millionen Mark in die Forschung und Entwicklung gutangelegt war. Das Unternehmen wächst auf 130 Mitarbeiter, die allesamtin Kamp-Lintfort arbeiten. „Wir hätten auch ins Ausland gehen können,wollten die Wertschöpfung aber im Land belassen.“ Dazu investiert LydiaWustlich 10 Millionen Euro in eine komplett neue Fertigung. Mit den Jahren steigen die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.

Lydia Wustlich rät Gründern: „Liquidität

ist entscheidend für Wachstum. Deshalb soll-

te man Gewinne möglichst nicht entnehmen.

Bei Mittelknappheit kann statt einer Bank auch

eine Partnerschaft oder Beteiligung für die not-

wendige Liquidität des Unternehmens sorgen.“

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Allein 40 Millionen Euro wird die Entwicklung einer 40 Zentimeter brei-ten, biegsamen Platine kosten, die wie eine Tapete eingesetzt werden kannund so Wände zum Leuchten bringt oder Informationen transportiert. „DieMöglichkeiten eines solchen Produktes sind nahezu unendlich. Das LandNRW belohnte uns für die Entwicklung 2000 mit dem InnovationspreisNRW.“ Unvermeidlich, dass ein großer Konzern auf das innovative Unter-nehmen aufmerksam wird. Lydia Wustlich begrüßt das: „Die Vossloh AGbesaß zu diesem Zeitpunkt weltweit 140 Vertriebsbüros – wir waren fastnur in Europa vertreten. Mir war schnell klar, wie positiv sich eine welt-weite Orientierung auf unseren Absatz auswirken würde.“ Dennoch ver-kaufen die Eheleute das Unternehmen nur zu 80 Prozent. Hans-DieterWustlich bleibt in der Geschäftsführung, Lydia Wustlich plant, sich nachzwei Jahren zurückzuziehen. Was für andere Abschluss einer erfolgreichen Karriere sein könnte, nimmtLydia Wustlich dann aber doch als Zwischenstand. Denn mittlerweile hatihr Sohn Daniel – geprägt durch Erfahrungen aus dem elterlichen Betriebund nach einem Studium als Kommunikationsdesigner – ebenfalls ein ei-

genes Unternehmen gegründet. Die Mutter wird erst zur Mentorin, steigtspäter auch in die Führung des Unternehmens ein. „Jeder Betrieb brauchteine technische und eine kaufmännische Führungsperson. Unser Sohn istder Praktiker. Ich unterstütze ihn vor allem bei der Finanzplanung und imControlling.“Kapital für die neue Wustlich-Design AG steht durch den Teilverkauf desoptoelektronischen Unternehmens zur Verfügung, wird durch Mittel derregionalen Wirtschaftsförderung weiter aufgestockt. Die Anfangszeit ge-staltet sich schwieriger als geplant: Das zuerst vor allem auf den Handelmit Designartikeln ausgerichtete Unternehmen kann durch Verzögerun-gen beim Neubau im Gewerbegebiet erst im Juni 2001 starten – und damitgenau in die Wirtschaftskrise nach dem 11. September. Gemeinsam sucht und findet die Familie eine neue Ausrichtung für das jun-ge Unternehmen. Ausschlaggebend ist hierbei die Kreativität von DanielWustlich, der sein Wissen aus dem elterlichen Unternehmen mit seinen eigenen Visionen verbindet. So entsteht „W-One“, eine LED-Lichtmöbel-Kollektion mit über 80 verschiedenen Vitrinen, Schrankelementen undSitzmöbeln. Bei den Überlegungen zum Erfolg versprechendsten Ver-triebsweg kann Lydia Wustlich ihre gesamte Erfahrung einbringen. Sie rätihrem Sohn, seine Designlinie von vornherein selbst zu fertigen: „Somitdecken wir die gesamte Wertschöpfungskette ab und haben durch Partnerund Lizenzvergaben ideale Möglichkeiten, dieser Einrichtungs-Innovationdie breite Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdient.“ Lydia Wustlich will das junge Unternehmen weiter begleiten: „Die Ent-wicklungen sind spannend und Erfolg versprechend. Wie in der Anfangs-zeit bei meiner unternehmerischen Tätigkeit ist auch heute für meinenSohn notwendig, risikobereit zu sein, durchzuhalten und dafür privateWünsche zurückzustellen.“ Einen Unterschied sieht sie jedoch in den wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen: „Heute ist es kaum noch möglich, dasStartkapital für ein Unternehmen von den Banken zu erhalten. Doch gera-de heute sollten und müssten die Banken Mittel bereitstellen, die innova-tiven Existenzgründern den Start ermöglichen. Von der Politik würde ichmir wünschen, dass sie verstärkt die Aufmerksamkeit auf junge, innovativeUnternehmen lenkt und ihnen damit bessere Chancen am Markt gibt.“

DIPL.-ING., DIPL.-WIRTSCH.-ING. FRANK STODOLKA · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · ISA Consult GmbH, Bochum

Bei dieser Gründung kann bereits auf Familienerfahrungen, Eigenkapital und Standfestigkeit zurückgegriffen werden. Die Pro-

duktpalette hebt sich von Massenartikeln ab und bietet der gehobenen Kundenschicht ein umfassendes Angebot. Die Kombi-

nation von Fertigung und Handel verbessert die Gewinnmargen. Allerdings spielt im (Einzel-)Handelgeschäft mit Kundenverkehr

die Lage eine besondere Rolle. Es ist hierauf besonders Wert zu legen, denn Erreichbarkeit ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.

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Die wichtigste Lebensaufgabe des Menschen besteht darin, seinem eigenen Wesen zum Durchbruch zu verhelfen. Erich Fromm (1900 – 1980), Philosoph, Psychoanalytiker

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Ererbtes neu Definiert

Es ist manchmal ein bestelltes Feld, nur selten der gedeckte Tisch und niemals ein gemachtes Bett, das Erben erben:

Von den Eltern werden mit Firma und Vermögen auch Verantwortung und manche persönliche Altlast übergeben. Die

Neuausrichtung eines (Familien-)Unternehmens wird im guten Fall von altersweiser Beratung begleitet, doch stets haben die

Nachfolgenden dem Betrieb ihr persönliches Profil zu geben, wenn er sich als zukunftsfähig erweisen soll.

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Controllingals Chance

Walter Grascht hätte gernein einem anderen Betriebseine Ausbildung gemacht:„Doch kaum ein Elektrikerbildet einen potenziellenWettbewerber aus.“ So lernt er bei Elektro Klei-neick und geht durch dieharte Schule des Vaters: „Erhat mich zu allen Lehrgän-gen und Weiterbildungengeschickt.“ Dieses zusätzli-che Wissen ist so förder-lich, dass er seine Meister-prüfung vorziehen kann.Danach, so möchte es der

Obwohl er beim Vater die Ausbildung zum Elektromeister absolviert, will er den elterlichen Betrieb

nicht übernehmen. Erst nach 14 Jahren beim RWE entscheidet er sich, den Vater in dem gewachsenen

Unternehmen zu unterstützen. Er setzt neue Akzente und führt ein konsequentes Controlling ein.

Vater, soll der Sohn bei ei-nem befreundeten Elektro-betrieb im hessischen Kas-sel arbeiten und weitereErfahrungen sammeln.„Die waren schon damalswirklich gut, hatten bereitsihre eigenen Computer-programme für das Con-trolling. Das hat mich sehrbeeindruckt und die Wei-chen für mein heutigesselbstständiges Handelngestellt.“ Ein halbes Jahrakzeptiert er die Entsen-dung, dann überwiegt der

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19

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E l e k t r o K l e i n e i c k G m b H & C o .

30m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g :

1931ü b e r g a b e n :1958 u n d 1997

t ä t i g k e i t s f e l d : Elektrofachbetrieb

b r a n c h e : Handwerk p e r s o n : Walter Grascht f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschaftera d r e s s e : Meisenburgstraße 31, 45133 Esseni n t e r n e t : www.elektro-kleineick.de

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Wunsch, nicht nur am Wochenende in Essen zu sein. Zeitgleich schreibtdie Uni Düsseldorf eine Stelle als Elektromeister aus. Walter Grascht be-wirbt sich und wird aus einer Vielzahl von Bewerbern ausgewählt: „Da-bei half sicherlich meine hervorragende Ausbildung und ein guter Ab-schluss zum Elektromeister.“ Doch ein Dreivierteljahr später erhält er einAngebot von der Netzsteuerstelle beim RWE, das er nicht ausschlagenwill. 13 Jahre lang arbeitet er dort als Elektromeister in verantwortungs-vollem Schichtdienst und ist mit seiner Arbeit und dem vielen Freizeit-ausgleich zufrieden. So schaut er häufig im Betrieb des Vaters vorbei. Als seine Stiefmutter, die

mit dem Vater die Firma leitet, schwer erkrankt, hilft er dem Vater nichtnur in der Pflege, sondern vor allem auch in der Firma. „Anders wäre dasnicht gegangen. Ich habe während dieser fünf Jahre häufig Termine wahr-genommen und Angebote ausgearbeitet.“Der Vater und er diskutieren in dieser Zeit viel über die Zukunft der Firma.Die Banken erwarten einen Nachfolger, der in die Kredithaftung einsteigt.Das kann Walter Grascht ebensowenig leisten wie verschiedene Kaufin-teressenten. Doch nach dem Tod der Stiefmutter 1994 ist die Entscheidungüberfällig. Walter Grascht soll die Firma übernehmen, der Vater will wei-ter mit seinen Anteilen im Unternehmen bleiben und ihm in beratender

Funktion zur Seite stehen. Das Verhältnis Vater-Sohn ist gut und ein idea-ler Grundstein für die generationenübergreifende Zusammenarbeit. Sokann Walter Grascht das Unternehmen weiterentwickeln. „Ich wusstenatürlich, dass ich damit eine 50- bis 60-Stundenwoche haben würde unddass dies der Preis für die Selbstständigkeit ist.“ Aber nach dem langenLeidensweg der Stiefmutter, den er hautnah miterlebt hat, genießt er seinewenige Freizeit und seine Hobbys umso intensiver.Walter Grascht kündigt beim RWE und steigt als Geschäftsführer ein. Erspezialisiert sich auf das Geschäft aus öffentlichen Ausschreibungen, ne-ben persönlichen Kontakten Hauptauftragsquelle. Alle zwei Tage studiert

er das Bundesausschreibungsblatt. „Die Bearbeitung dieser Angebote istzwar sehr personalintensiv, da es einen oder oft auch mehrere Mitarbeiterviele Tage ausschließlich an diese Arbeit bindet, aber bei fünf Prozent Zu-schlag aller Vergaben, an denen wir uns beteiligen, ist die Firma damit gutausgelastet. Zusätzlich zu der sorgfältigen Bearbeitung der Angebots-unterlagen ist die Prüfung durch unseren Anwalt unter dem Gesichtspunktdes Vergaberechts sehr wichtig, auf die ich besonderen Wert lege.“ Diese öffentlichen Auftraggeber erwarten nicht nur den professionellenUmgang mit der Ausschreibung, sondern auch stets aktuell geschulte Mit-arbeiter. Zertifizierungen werden selbstverständlich.„Wir haben uns 2002

Walter Grascht setzt auf ein firmeneigenes Controlling: „Wer auf Banken-

finanzierungen nicht zurückgreifen muss, gewinnt durch die fundierte

Abbildung aller Abläufe eine bessere Ausgangsposition für Verhandlungen.“

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Page 127: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

auditieren lassen,“ erzählt Walter Grascht. „Obwohl die Auftraggeber daserwarten, können wir die Kosten nicht umlegen. Mitarbeiterschulungenbedeuten ebenfalls hohe Kosten, da ein Ausfall des jeweiligen Mitarbeites– je nach Art der Fortbildung bis zu drei Wochen jährlich – vom Unter-nehmen zu tragen ist.“Dennoch steht Elektro Kleineick im Branchenvergleich gut da. „Wir habenviel in unser eigenes Controlling investiert. Stets aktuelle Konditionsver-einbarungen mit den Lieferanten und Großhandlungen, eine intensiveRechnungsprüfung und Baustellenkontrolle nach Material- und Stunden-verbrauch sind ein absolutes Muss in der heutigen Zeit.

Ein Jour fixe an jedem Freitagmorgen mit allen Meistern liefert ihm zu-sätzliche Informationen zum jeweiligen Projektstand.Verarbeiten lassensich die zusätzlichen Informationen nur mit einem „Mehr“ an Büroperso-nal. Seit der Übernahme durch Walter Grascht ist die Verwaltung um vierMitarbeiter und einen zusätzlichen Ausbildungsplatz erweitert worden.„Aber ich könnte schlecht schlafen, wenn ich nicht immer aktuell infor-miert wäre“, sagt Walter Grascht. „Die höheren Personalkosten schlagensich nur geringfügig im Ertrag nieder. Doch wir profitieren vom Lerneffekt,der dank greifbarer Daten viel klarer zu Tage tritt.“ Die endstehende Transparenz hilft auch bei der Personalplanung. „Anhand

unserer wöchentlichen Besprechung legen wir fest, ob wir mit unsererStammbelegschaft von 30 Mitarbeitern zurechtkommen oder ob Leihar-beiter angefordert werden müssen“, erklärt Walter Grascht. Zwar sei dieseflexible Ergänzung des eigenen Personals problemlos, aber nicht ideal. „Ichsuche ständig gute Mitarbeiter, aber leider entsprechen die Wissenständeder Bewerber oft nicht den Anforderungen des Marktes.“ So tut Walter Grascht viel, um zumindest die eigenen Angestellten, die demUnternehmen oft 15 Jahre und mehr angehören, zu binden: „Die meistensetzen sich ein. Also zahlen wir nach gut gemachten Jobs einen Bonus undbieten Extras wie gemeinsame, mehrtägige Ausflüge oder auch einen Va-

rieté- oder Musical-Besuch als Anerkennung.“ Mit den derzeit acht Auszubildenden ist Walter Grascht hingegen nur zumTeil zufrieden. „Wir versuchen vermehrt, Abiturienten einzustellen, weil sieinsgesamt bessere Leistungen bringen.“ Doch die Anspruchshaltung seiausgeprägt, die Leistungsbereitschaft dagegen gering. „Wir verfahren nachdem Prinzip von Geben und Nehmen. Wer Leistung bringt, bekommtUnterstützung durch Fachbücher und Lehrgänge auf Firmenkosten und dieAussicht auf eine Festanstellung nach erfolgreicher Abschlussprüfung. Wersich für die andere Variante entscheidet und kein Interesse zeigt, langweiltsich halt bei Routinearbeiten in Lager und Werkstatt.“

EUR.-ING. KURT VETTEN · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · www.kvu-online.de, Bergheim

Enorme Herausforderungen stellen sich derzeit an Familienunternehmen: Unternehmensnachfolge, Wettbewerbsdruck,

härtere Finanzierungsbedingungen – nur einige Beispiele! Eine frühe und begleitete Überführung des Geschäftes auf den

„Junior“, die einhergeht mit Optimierung von Angebot, Organisation und Betriebswirtschaft, heben das Unternehmen auf

ein neues Fundament. Gutes Projektcontrolling und Berichtswesen sichert ergänzend den Erhalt des höchsten Gutes:

der Liquidität!

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Kosten korrigieren,Mitarbeiter motivieren

Für den 30-jährigen Dirk Eckrath ist die Gründungsge-schichte seines Großvaters kurz nach dem Krieg weitweg: „Mein Großvater hatte zehn Hektar Land zur Ver-fügung. Die beste Nutzung erschien ihm 1949, Land-wirtschaft zu betreiben. Mein Vater hat ihn auf die Ideegebracht, eine Baumschule zu gründen. So hat unserUnternehmen in den ersten 15 Jahren vor allem Obst-bäume und Beerensträucher verkauft.“ Die waren auch in den großen Gärten wohlhabenderEssener Bürger beliebt – denn selbsteingewecktes Obstbereicherte seinerzeit auch dort den Speisezettel. „Erstin den 60er Jahren entwickelte sich die Nachfrage nachZierpflanzen“, erzählt Dirk Eckrath. „Mein Vater hatsein Sortiment entsprechend erweitert. Und weil erst-mals wieder Interesse an der Neuanlage von Gärten be-stand, ergänzte er die Baumschule um den Garten- und

Landschaftsbau.“ Gefragt sind englische Gärten, die je-doch mit einheimischen Pflanzen bestückt werden.„Mein Vater hat diese Nische besetzt, indem er eigeneRhododendren- und Azaleensorten züchtete.“ Die Ar-beit ist hart: Über lange Zeit ist ein Pferdefuhrwerk dieeinzige Hilfe des Vaters. „Er hat unglaublich viel gear-beitet.“ Zugleich sorgt er finanziell vor: Auf einem Teildes Grundstücks baut der Vater ein Mehrfamilienhaus,finanziert aus Ersparnissen und nach der täglichen Ar-beit Stein auf Stein gebaut.Das alles prägt den Jungen, der schon als Kind viel inder Baumschule hilft und viele Kunden kennt. Er willschnell mit der Ausbildung fertig werden und dann demVater helfen. Nach der mittleren Reife macht er dieAusbildung in zwei verschiedenen Betrieben – „dortwollte ich Dinge lernen, die ich später in unserem

Schon als Kind hilft er gerne in der elterlichen Baumschule. Noch während der Ausbildung steigt er

in die Geschäftsführung ein. Nach der Übernahme richtet er den Betrieb neu aus, expandiert und

nimmt seine Mitarbeiter verstärkt mit in die Verantwortung.

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19

92G a r t e n b a u D . E c k r a t h

10m i t a r b e i t e r :~

g r ü n d u n g : 1949ü b e r g a b e n :1958 u n d 1992

t ä t i g k e i t s f e l d : Garten- und Landschaftsbaumit angeschlossener Baumschule

b r a n c h e :Handwerk/Handel

p e r s o n : Dirk Eckrath f u n k t i o n : Inhaber a d r e s s e : Rüttelskamp 57, 45133 Esseni n t e r n e t : www.gartenbau-eckrath.de

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Betrieb nutzen kann.“ Als der Vater in Dirks drittem Lehrjahr schwer er-krankt, fährt er nach der Arbeit ins väterliche Unternehmen, kümmert sichum Mitarbeitereinsatz und Buchführung. „Ich wusste, das ich damit die Zu-kunft unserer Firma sichere. Heute erscheint mir das wie eine Feuertaufe.“ Am Krankenbett besprechen Vater und Sohn die Zukunft: „Es schien, dassmein Vater nicht wieder arbeitsfähig wird. So war klar, dass ich voll insUnternehmen einsteige.“ Nach der Gesellenprüfung zum Baumschulerübernimmt Dirk Eckrath1992, knapp 20-jährig denFamilienbetrieb. „Nachüberstandener Feuertaufehabe ich mir das zugetraut.Geholfen hat sicherlich,dass ich mittlerweile diemeisten Kunden kannte“,erklärt Dirk Eckrath. „MeinVater wurde zum Glückwieder so gesund, dass erden Telefondienst über-nehmen konnte.“ Dieses Nebeneinander vonJung und Alt funktioniertnicht sofort: „Ich wollte dieFirma mehr unternehme-risch führen und habe grös-sere Maschinenkäufe ge-plant. Das sah mein Vaternicht ein. Es ginge doch auch so, meinte er.“ Doch Dirk Eckrath wider-spricht: „Ich habe ihm erklärt, dass ich gerne hart arbeite, mich aber nichtso kaputt machen will wie er – und die Maschinen bestellt.“ So ausgestat-tet, nimmt er Neukunden an und expandiert schrittweise. 100.000 Euro in-vestiert er von 1992 bis 1996, um das Unternehmen zeitgemäß auszustat-ten. Schon in der Angebotsphase achtet er auf Kundenzufriedenheit. Sym-pathische Details bringen ihm Vertrauen und Zulauf: „Wir verlassen jede

Baustelle blitzsauber. Gibt es doch eine Unzufriedenheit, bessern die Mit-arbeiter sofort nach.“ 1996 zieht er Zwischenbilanz: „Wir waren so aufge-stellt, dass eine Expansion gut machbar war. So habe ich Mitarbeiter einge-stellt und die notwendigen Maschinen angeschafft.“ Ende 1999 muss DirkEckrath dennoch feststellen, dass der gestiegene Umsatz nicht mit einembesseren Erlös einhergeht. „Wir hatten mittlerweile zehn Mitarbeiter, aberschlecht handhabbare Abläufe.“ Vor allem ärgert ihn, dass bei guten Umsät-

zen und hoher Kundenzufriedenheit die Kostenseite explodiert ist. „Zuerstsah es aus, als läge das an der Verlagerung unserer Tätigkeit von der An-zucht auf Gartenbau. Doch dann habe ich die Zahlen genauer geprüft undfestgestellt, dass vor allem die Fahrzeugkosten extrem gestiegen waren.“ Denn in der gewachsenen Firma fiel es nicht mehr auf, wenn MitarbeiterFahrzeuge verschmutzt oder beschädigt zurückbrachten. „Ich habe die Si-tuation erklärt und vorgeschlagen, dass künftig Fahrzeuge und Maschinen

DIRK BREDIES · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · RDG Management, Köln

Vor der Übernahme des elterlichen Betriebs auch andere Unternehmen kennenzulernen, ist nach unserer Erfahrung ein

guter Weg, um neue Ideen in die Firma einzubringen, aber auch, um Akzeptanz in der Belegschaft zu gewinnen. Mitarbei-

ter in die Kalkulation einbinden ist ein wertvolles Instrument, um die Leistung der Mitarbeiter und deren Zufriedenheit zu

erhöhen. Nur wer die vorkalkulierte Zeit kennt, kann sich selbst kontrollieren, ob er die Zeit einhält.

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per Unterschrift übernommen und abgeliefert werden müssen. Damit wirdsichtbar, wer für welche Schäden verantwortlich ist.“ Innerhalb kürzesterZeit greift das System: „Unfälle aus Unachtsamkeit hörten auf, die Fahrzeu-ge wurden besser gepflegt. Das honorierten auch die Kunden.“ Die Repa-raturkosten sinken gegen Null. „Doch entscheidend für den Erlös war derWiederverkaufswert, der um fast 50 Prozent stieg.“ Seit Einführung des Sys-tems gibt es nur einen einzigen Schaden, den sich Mitarbeiter und Firma

teilen. „Das konnte ich nur erreichen, indem ich den Mitarbeitern Lust anLeistung vermittelte – durch tägliche Gespräche, aber auch durch Bonus-zahlungen.“ Gratifikationen erweisen sich – neben dem schicken Firmen-Handy – als wichtigster Anreiz. „Außerdem grillen wir auch mal zusammenund tauschen uns ganz informell aus.“ So zeigt Dirk Eckrath den Mitarbei-tern, dass Erfolg allen gut tut. „Zusätzlich habe ich mich entschieden, beiNeueinstellungen nur noch gelernte Kräfte auszuwählen. Die Kosten sind

zwar höher, aber die Mitarbeiter leisten mehr.“ Dirk Eckrath macht sich zurGewohnheit, Gruppenleiter zur Angebotskalkulation mitzunehmen. „Wirstimmen gemeinsam ab, wieviel Zeit für eine Aufgabe notwendig ist.“ Sokann er den Kunden Festpreise benennen, und die Mitarbeiter wissen exakt,was in welcher Zeit zu leisten ist. „Eine solche Baustelle muss ich dann auchnicht mehr kontrollieren, weil die Absprache mit den Mitarbeitern ja klarist. Ob sie ranklotzen und schneller fertig sind oder längere Pausen einle-

gen, ist Sache des Teams.“Das gibt Zufriedenheit aufbeiden Seiten: Der Kundefühlt sich bei Festpreisen si-cherer, und die Mitarbeiterschätzen die höhere Ein-genverantwortung.Nach dem Tod des Vaters2001 beschäftigt sich DirkEckrath erneut mit seinerSituation. „Mein Vaterhatte weitere Häuser ge-baut, und so besaß ich nun50 Wohneinheiten. Da-von hätte ich gut lebenkönnen.“ Doch mit 30 aus-zusteigen, scheint keinePerspektive. „Meine Firmaläuft bestens, die Ertrags-lage stimmt. Und natür-

lich macht es mir Freude, wenn mich anspruchsvolle Kunden für unsereArbeit und unsere Sorgfalt loben.“Doch ist es ein Muss, täglich der Erste, immer der Fleißigste zu sein? „Ichversuche gerade, mir Freiheiten zu schaffen. So haben wir eine 14-tägigeBetriebsruhe im Sommer getestet, wollen das vielleicht im nächsten Jahr inden ruhigeren Zeiten mehrfach machen. Denn so viel Urlaub wie meineMitarbeiter würde ich mir gerne auch selbst gönnen.“

Dirk Eckrath rät, bei verschiedenen Geschäftsfeldern

einer Firma auf Quersubventionierung zu verzichten: „Eine

klare Trennung der Bereiche hilft zu erkennen, wo Probleme

verborgen sind und die richtigen Lösungsansätze zu schaffen.

Zudem sollten Mitarbeiter mit in die Verantwortung gestellt

werden. Das funktioniert jedoch nur in einem System, von

dem alle Beteiligten profitieren.“

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Frisches fürs Fenster

Lorenz Haase zeigt Ehr-geiz. In sein Studium der Betriebswirtschaft inte-griert er zwei amerikani-sche Trimester an der Uni-versity of Michigan und hatso schon nach sieben Se-mestern das Diplom in derTasche: „Einen Einstieg inselterliche Unternehmenkonnte ich mir überhauptnicht vorstellen.“ Der Mit-telstand als solcher interes-siert ihn hingegen schon:Für eine Consultingfirmaberät er verschiedene mit-

telständische Unternehmen bei der Sanierung und Neu-ausrichtung, wechselt danach zur renommierten BostonConsulting Group. Sanierung bleibt sein Hauptthema: „DieArbeit ist intensiv und komplex. So habe ich während derdrei Jahre zehn verschiedene Unternehmen betreut. Da-raus ergaben sich vielfältige, komprimierte Erfahrungen.“ Doch dann erhält Lorenz Haase einen Anruf von seinemVater. Durch familiäre Probleme musste der die Firma eini-ge Zeit aus der Ferne führen: „So schlitterte unsere FirmaEnde 2000 unbemerkt in eine Krise – und mein Vater er-kannte sehr schnell, dass er alleine nicht genug ausrichtenkonnte. Und das nach 35 Jahren Selbstständigkeit.“Lorenz Haase schildert die Firmenentwicklung des elter-lichen Unternehmens sachlich, mit viel Respekt für denUnternehmer Reiner Haase, der eben auch sein Vater ist.„1965 kündigte mein Vater als Geschäftsführer eines

Den Einstieg in die elterliche Firma kann er sich lange nicht vorstellen. Als Unternehmensberater

betreut er zunächst mittelständische Firmen beim „Turnaround Management“. Dann muss er seinen

Eltern in einer schweren Krise beistehen – und entscheidet sich, zu bleiben.

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20

00

200m i t a r b e i t e r : ~ t ä t i g k e i t s f e l d : Hersteller von Fenster-

dekorationen und Sonnenschutz, angeschlosse-ner Einzelhandel mit über 50 Shops inEinkaufszentren und Warenhäusern

p e r s o n : Lorenz Haase, Dipl.-Kaufmannf u n k t i o n : Juniorchefa d r e s s e : Wolfsbankring 1, 45355 Esseni n t e r n e t : www.gardinen.de

g r ü n d u n g : 1965, t u r n a ro u n d : a b 2000

H a a s e G a r d i n e n

b r a n c h e :Produktion/Handel

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Warenhauses und machte sich selbstständig. Er hatte eine neue Geschäfts-idee für die Gardinenfertigung: So wie Menschen Konfektionskleidung tru-gen, wollte er auch preisgünstige und praktische ‚Fensterkonfektion‘ an-bieten, anstelle teurer Maßfertigung.“ Zwei der früheren Mitarbeiterinnenvon Reiner Haase vertrauten auf die Idee – sie sind bis heute dabeigeblie-ben. Unterstützt wurde Reiner Haase zudem von Ehefrau Brigitte, die vonder ersten Kollektion an jede neue Designlinie entwickelte. Drei Garagendienten als erste Produktionsstätte, sukzessive ergänzt um weitere Gara-gen, bis eine moderne Fertigung den ersten Standort ersetzte.Als entscheidend für die Expansion des Unternehmens bezeichnet Lorenz

Haase die frühe Entscheidung seines Vaters, neben dem innovativen Pro-dukt auch die Beratung mitanzubieten. „Er stellte fest, dass er durch kom-petente Beratung die Kunden besser zufrieden stellen konnte. So kam es,dass unsere Gardinen in den ersten Jahren noch bei 1.000 deutschen Raum-ausstattern zu kaufen waren, danach nur noch in unseren eigenen Ge-schäften.“ Als die Warenhausketten beginnen, ihre Gardinenabteilungenzu schließen, mietet Reiner Haase schrittweise solche Flächen an und stat-tet sie mit seinen eigenen Produkten aus. Heute gibt es in Deutschland über50 Haase-Shops, die als Alleinstellungsmerkmal die ‚Haase-Fensterlösung‘bieten: Stoff, Verarbeitung und Service sind aus einer Hand. Das schaffe

zufriedene Kunden: Die Reklamationsquote liegt unter einem Prozent.„Das ist sicherlich meinem Vater zu verdanken, der viele alltagstauglicheLösungen wie unsere patentierte ‚Haase-Falte‘ oder das Dekorieren mit Hil-fe von Klettbändern entwickelte.“Doch all das nützt Ende 2000 wenig. Lorenz Haase verspricht, seinem Va-ter zu helfen. „Ich ließ mich beurlauben und holte mir Unterstützung beimeinem früheren Team, das besonders mittelstandserfahren war.“ Das Kon-zept für den Turnaround entsteht unter Zeitdruck: „Nach drei Wochen hat-ten wir eine tragfähige Lösung entwickelt.“ Die Banken willigen ein – undLorenz Haase geht mit seinem Vater an die Umsetzung des Konzeptes.

Nicht ohne Konflikte. „Wir mussten uns erst zusammenraufen und eineStreitkultur entwickeln. Das war zuerst schwierig, erscheint mir aber heu-te sehr Gewinn bringend.“ Während sein Vater den Erfahrungsschatz ein-bringt sowie eine „besondere Fähigkeit, den Teufel im Detail zu erspüren“,konzentriert sich Lorenz Haase auf seine analytischen und dynamischenStärken. „Es ist aber gut, dass mein Vater mich nicht immer gewähren ließ– wie es auch gut ist, dass ich viele seiner Schritte hinterfragt habe.“ Diebeiden holen nach, was früher manchmal an Zeit füreinander fehlte. „In die-ser Phase ist mir erst klar geworden, wie sehr mein Vater zwar Patriarchwar, aber meinen Bruder und mich zur Selbstständigkeit erzogen hat.“

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Entscheidend für die Zusammenarbeit erscheint ihm jedoch, dass er ausseinem eigenen beruflichen Erfolg Rückgrat entwickeln konnte: „Daserleichtert das Bestehen vor dem Chef.“Das erste Turnaround-Jahr 2001 bezeichnet Lorenz Haase als „Jahr derInnenoptimierung“. Das Unternehmen konzentriert sich auf das Wesentli-che. Die aufwändige Spezialanfertigung bleibt im Haus, die einfachere Se-rienfertigung wird fremdvergeben. Abläufe werden gestrafft und ver-schlankt. Und Lorenz Haase, der nie im elterlichen Unternehmen arbeitenwollte, gewinnt Spaß an der Sache: „Ich habe weniger Einkommen als imConsulting, aber mehr Freude. Als Spezialist wird man zwar gut bezahlt,

arbeitet aber nur für andere. Jetzt bestimme ich mein eigenes Geschick.“ Gegenüber den Banken prognostiziert er für dieses erste Jahr einen Verlust.„Offenheit ist absolut wichtig“, betont Lorenz Haase. „Schönfärberei hilftweder einem selbst noch der Bank.“ Umso besser, dass der Verlust geringerausfällt als angekündigt, die eingeleiteten Schritte Erfolg haben.Das zweite Jahr 2002 wird zum „Jahr der Verkaufsoffensive“. „Wir wollendie Wünsche und den Nerv des Kunden besser treffen und mehr Begeiste-rung für unser Produkt schaffen.“ Dazu perfektioniert das Unternehmensein System „Easy Deco“. Modenschauen präsentieren erstmals Gardinen-mode als modischen, flexibel variierbaren Trend. Die Kunden sind tat-

sächlich begeistert, spenden reichlich Applaus. „Das hat es in der Gardi-nenwelt schon lange nicht mehr gegeben.“ Das Turnaround-Konzept sieht für 2002 auch den Abschluss der Neuaus-richtung vor. Doch Euro-Einführung und die Kaufzurückhaltung nach dem11. September 2001 machen das unmöglich. So muss die Firma ein weite-res Jahr unter Turnaround-Kriterien einplanen – und Lorenz Haase musssich entscheiden, ob er dabeibleiben oder nach Ende seiner Beurlaubungzurück will in die Consulting-Tätigkeit. Er bleibt.Das zusätzliche Jahr 2003 wird zum „Jahr der Innovationsoffensive“. Trägerdieser Innovation wird nicht nur Lorenz Haase, der ab 2004 schrittweise

die Nachfolge seines Vaters antreten soll – auch sein Bruder Jens wird vomHaase-Franchisenehmer im Saarland zum Leiter der technischen Entwick-lung in Essen. „Wir haben uns eine neue Organisationsstruktur mit defi-nierten Aufgabenbereichen gegeben. So verteilen sich die anstehendenAufgaben klarer – und da ist noch einiges zu tun: Wir wollen die Unter-nehmensidentität weiterentwickeln und in unseren Läden direkt erkennbarmachen. Gläserne Ateliers und innovative Events sollen die Begeisterungfür unsere Produkte verstärken – bei Mitarbeitern wie auch Kunden. Miteinem neuen Kollektionssystem und zusätzlichen Vertriebskanälen wollenwir unsere Produkte besser in den Markt bringen.“

DIPL.-VW. AXEL RUBE · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · firm-consult.de, Essen

Ein echtes Präsentationsbeispiel! Die Krise wird rechtzeitig erkannt. Als Ansprechpartner steht eine Vertrauensperson zur

Verfügung, die zudem das notwendige Fachwissen und die Kontakte zur Branche mitbringt. Auf Basis aktueller Unterneh-

mensinformationen kann die augenblickliche Situation transparent dargestellt werden. Auf dieser Basis wird kurzfristig ein

realistisches Turnaroundkonzept erstellt, das gegenüber der Bank mit offenen Karten spielt.

Lorenz Haase rät, den Generationswechsel gut zu planen: „Man sollte Zeiträume für

den Übergang vereinbaren. Ein bis drei Jahre sind für beide Seiten sinnvoll und er-

möglichen eine gleitende Umstellung in den betrieblichen Abläufen. Für die Zeit da-

nach sollte es klare Vereinbarungen geben, etwa einen Beratervertrag für den Senior.“

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Lernen in London undDelft, Einsteigen in Essen

Das Büro von KZA in der Essener Innenstadt erfüllt Besu-chererwartungen: Ein großzügiger Empfangsbereich gehtüber in gläserne, lichte Büros. Gebäudemodelle, Pläne undMaterialmuster an Computerarbeitsplätzen zeigen, dasshier kreativ gearbeitet wird. Und wer den Besprechungs-raum der Geschäftsführer verlässt und über eine Wen-deltreppe in die nächste Etage steigt, erlebt in gläsernen Sit-zungsräumen, an quadratischen Besprechungstischen undin den Aufenthaltsbereichen, dass dieses Architekturbüroauf Teamgeist und Teamarbeit setzt.Ein eingespieltes Team bilden zuallererst die beiden Ge-schäftsführer. Schon während des Studiums an der Techni-schen Hochschule Darmstadt unterstützt StudienanfängerAxel Koschany 1985 Wolfgang Zimmer bei dessen Di-plomarbeit: „Architekten sind Teammenschen, schon weilsie nicht auf jede Frage Antworten geben können.“ Danach

trennen sich ihre Wege:Wolfgang Zimmer zieht esnach London. „Ich hatte einAngebot von Sir NormanFoster und eines vom da-mals in Deutschland nochnicht so bekannten Nicho-las Grimshaw. Trotz desgroßen Namens entschiedich mich für das kleinere Bü-ro: Ich versprach mir davon,durch den direkten Kontaktmehr zu lernen.“ 1989 mussdas Ehepaar Zimmer über-legen, wo Sohn Constantineingeschult werden soll –

Zwei Studienkollegen werden erst Freunde, dann Partner. Zeitversetzt steigen sie in ein Architek-

turbüro ein, nehmen Strukturveränderungen und einen Generationswechsel vor. Heute führen sie

gemeinsam ein Büro, das auf Transparenz und Offenheit setzt.

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19

95

60m i t a r b e i t e r : ~

t ä t i g k e i t s f e l d : Architekten und General-planer, von der Standortanalyse über Masterplanund standortgerechte Projektentwicklung bis hinzur Schaffung von Baurecht sowie der Planungund Bauleitung von Gebäuden und derenInnenräumen.

p e r s o n :Axel Koschany und Wolfgang Zimmer, Dipl.-Ing. Architekten BDA

f u n k t i o n :GeschäftsführendeGesellschaftera d r e s s e : Limbecker Platz 1,45127 Esseni n t e r n e t : www.kza.de

g r ü n d u n g : 1995

K o s c h a n y , Z i m m e r & A s s o z i i e r t e G m b H

b r a n c h e :Freie Berufe (Architekten)

Page 138: Generation G. Die neuen Chefs im Westen

und kehrt nach Deutschland zurück. Wolfgang Zimmer entscheidet sich fürein besonderes Büro und eine nicht alltägliche Planungsaufgabe: Beim Köl-ner Architekten Joachim Schürmann ist er verantwortlich für den Biblio-theksbau des Bundestages in Bonn, dessen Umzug nach Berlin bei Fertig-stellung bereits besiegelt ist. Und so hält auch er 1992 die Zeit reif für einenWechsel. Auf der Hochzeit von Axel Koschany sprechen dieehemaligen Studienkollegen über ihre Pläne. AxelKoschany erinnert sich: „Ich war gerade mit demStudium fertig und mein Vater wünschte sich, dassich direkt in sein Architekturbüro einsteige, um ihnzu unterstützen. Doch ich wollte wie Wolfgang Zim-mer erst Erfahrungen im Ausland sammeln und hat-te damals auch zu wenig Erfahrung, um meinem Va-ter eine Entlastung zu sein.“ So entsteht mit Günter Koschany der Gedanke ei-ner wachsenden Partnerschaft zu dritt: WolfgangZimmer steigt in das bestehende Büro in Essen ein,Axel Koschany geht für zwei Jahre nach Delft undarbeitet dort bei Mecanoo. Axel Koschany möchtediese Zeit nicht missen: „Sie hat mir geholfen, meinsehr konzeptionell ausgerichtetes Studium ein Stückweit zu hinterfragen und ein offeneres Gefühl für dasFormale zu entwickeln.“ Zugleich begeistert er sich für die Frische und Of-fenheit der Holländer und „ihre Fähigkeit, externe Entwicklungen auf ihreeigene Art unverkrampft umzusetzen“. In Deutschland kommt er sich seit-dem „oft ein wenig ärmer vor“. Erst 1995 beginnt die tatsächliche Partnerschaft zu dritt. „Bereits seit 1992hatte Wolfgang Strukturanpassungen durchgeführt, etwa das Design mitdem Werkzeug Computer“, erklärt Axel Koschany. „Für ihn war es sichereinfacher, gewisse Veränderungen einzuführen, weil er nicht zur Familiegehört“. Bereits in der Gründungsphase der neuen Partnerschaft werden ex-terne Berater eingeschaltet: Erste Schritte gehen sie mit Anwalt, Versiche-rungs- und Steuerberater. Wolfgang Zimmer: „Wir erkannten dabei, dass

es nicht mehr genügt, ein guter Architekt zu sein. Daraus resultierte dieÜberlegung, eine andere Rechtsform anzustreben. Eine Kapitalgesellschafterwies sich als ideal, weil sie neben unserer künstlerischen Tätigkeit auchdas Handeln als Unternehmer abbildet – und uns vor der immer weiter ge-henden persönlichen Haftung schützt. Zudem konnten wir auch das ab-

sehbare Ausscheiden von Gesellschaftern regeln.“ Die Gründung von „Koschany, Zimmer und Assozi-ierte GmbH“ 1995 erfolgte mit einem Vertrag, „deralle Eventualitäten regelt. Wir haben ihn, benötigenihn aber nicht.“ Mittlerweile sind viele Architektur-büros diesen Weg gegangen und firmieren alsGmbH. Durch diese ersten Erfahrungen wird allenBeteiligten klar, dass gute Berater auch die weitereEntwicklung erfolgreich begleiten können. „Wirwollten die Struktur eines modernen Architekturbü-ros umsetzen und zugleich auf den gewachsenen, er-folgreichen Strukturen des Büros aufbauen“, erklärtAxel Koschany. „Deshalb haben wir uns einen auf Ar-chitekten spezialisierten Unternehmensberater ge-sucht, der unseren freien Beruf mit seinem kreativenArbeiten versteht und zugleich die aktuellenEntwicklungen des Berufsstandes kennt.“ Ein Vier-teljahr lang entwickeln sie gemeinsam mit dem Be-

rater den strukturellen Rahmen für die zukünftige Arbeit des Büros.Günter Koschany begleitet den Übergang bis 1998 und zieht sich dann –zwei Jahre vor dem geplanten Termin – aus dem Unternehmen zurück: „NeueArchitektur muss von neuen Leuten gemacht werden“, zitiert Axel Koschanyseinen Vater. „Da war er konsequent. Im persönlichen Gespräch ist er jedochweiterhin sehr engagiert. Seine Art, das Büro und die Verantwortung an unszu übergeben war Grundlage für den erfolgreichen Generationswechsel.“Die Bauherren akzeptieren den Generationswechsel des Büros, das in dieserZeit auch durch Wettbewerbserfolge von sich reden macht.Aus Umstrukturierung und Generationswechsel haben Wolfgang Zimmerund Axel Koschany wichtige Erfahrungen gewonnen: „Entscheidend ist,

HANS-HERBERT LOEBEL · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · Wir tschaf tsprü fer, Bochum

Perfektes Existenzgründungskonzept, auch im Hinblick auf die für manchen ungewöhnlich anmutende Gesellschaftsform.

Hier hat sich die rechtzeitige, hochqualifizierte Beratung ausgezahlt. Umfangreiche Erfahrungen im Ausland und auf

„Großbaustellen“ helfen, die vielen Facetten eines Unternehmensalltags zu meistern.

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offen miteinander umzugehen, niemals Vorbehalteaufzubauen und sich auch außerhalb des Büros Zeit fürGespräche zu nehmen.“ Mit dieser Bereitschaft zurOffenheit haben die Partner schrittweise eine moder-ne Struktur geschaffen, die im gesamten Unterneh-men gelebt wird, „in der für alle Mitarbeiter Transpa-renz über Kosten, Honorare und Zeitbudgetsherrscht. Wir als Geschäftsführer mussten zudem ler-nen, Verantwortung abzugeben und nicht mehr jedesfachliche Detail lösen zu wollen“, erläutert AxelKoschany. Bis zur GmbH-Gründung war das Büro des Vaters be-reits auf 16 Mitarbeiter angewachsen. Bis 1998 ver-doppelte sich die Mitarbeiterzahl auf 30, heute sind esmit über 60 noch einmal doppelt so viele. „Für diesesWachstum war die Neustrukturierung absolut ent-scheidend. Wir achten seitdem besonders darauf, dassjeder von uns ersetzbar ist, um Projekte nie zu gefähr-den.“ Innerhalb der Projekte seien die Aufgaben klarverteilt, betont Wolfgang Zimmer: „Jedes Projekt ist‚Chefsache‘ und einem von uns fest zugeordnet. Unse-re leitenden Angestellten fungieren als Projektkoordi-natoren und sind für die erfolgreiche Abwicklung derProjekte verantwortlich. Sie informieren uns regelmä-ßig über den Stand der Dinge. Zugleich achten sie aufeine möglichst gleichmäßige Auslastung aller Mitar-

beiter.“ Damit tragen die Mitarbeiter ihren Teil an derGesamtverantwortung – und das ist auch gewollt: „Siemüssen wissen und erleben, dass dieser Beruf mit Risi-ken behaftet ist.“ Für organisatorische Aufgaben ist ei-ne Prokuristin verantwortlich, Akquisition und Marke-ting liegen in den Händen der Geschäftsleitung: „Auchdas sind Erkenntnisse, die wir gesammelt und mit un-serem Unternehmensberater umgesetzt haben“, erklärtAxel Koschany. Nur wenige Architekturbüros in Deutschland haben ei-ne vergleichbare Größe wie KZA. Sie können damitauch als Generalplaner auftreten und eine Vielzahl vonPlanungsleistungen übernehmen. Angesichts des star-ken Wachstums seit 2000 haben die beiden Chefsschon wieder neue Pläne. Wolfgang Zimmer kann sichein zweites Standbein in Süddeutschland vorstellen,um dortige Bauherren besser betreuen zu können. AxelKoschany sieht die Chance und Notwendigkeit, überden Schritt ins Ausland nachzudenken. Einig sind sich beide in einem Punkt: „Die größte He-rausforderung liegt noch immer darin, im Kern die Exi-stenz des Büros zu sichern, die Kreativität in der Unter-nehmensführung zu bewahren und dabei unseren An-spruch an die Architektur, unsere Philosophie umzu-setzen: Gemeinsam mit unseren Bauherren Räume fürMenschen zu planen.“

Was KZA Firmengründern rät: „Nehmen Sie sich ausreichend Zeit. Suchen Sie sich qualifizierte

Berater, die alle Eventualitäten berücksichtigen. Sprechen Sie im Vorfeld nicht nur über die

Sonnenseiten, sondern planen Sie auch das Vorgehen bei Krisen und möglichem Scheitern.“

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���

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GrosszügigerGeneralunternehmer

Peter Langenberg liebt daselterliche Unternehmenvon Anfang an. „Mein Vaterhatte ab 1982 einen Allein-import für hochwertige ita-lienische Tapeten. Ich fanddas superspannend.“ Umsomehr, als der Vater seine1.500 Quadratmeter großeLagerhalle in einer ehema-ligen Zeche auch für ande-res nutzt: „Wir haben als er-stes die 15 Schaufenster mitMustern dekoriert und einekleine Fläche für den Ver-kauf von Tapeten und Far-

ben geschaffen.“ Als immermehr Kunden kommen,baut die Familie den Einzel-handel aus, bietet bald auchBogenbeläge an. Das Konzept passt zumHeimwerkertrend dieserJahre. So eröffnen die El-tern 1983 auch in Duisburgeinen Fachmarkt, die „4Wände GmbH“. Der Be-trieb bietet ein vergleich-bares Sortiment wie Essen –doch er entwickelt sichschlechter. „Die Arbeitslo-sigkeit im Umfeld war

Dass er das elterliche Handelsunternehmen übernehmen will, weiß er schon früh. Nach seiner Lehre

steigt er dort ein und baut ein zusätzliches Tätigkeitsfeld auf: Als Generalunternehmer übernimmt er

den Innenausbau von Neubauten und Altbausanierungen.

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00

L a s o T a p e t e n h a n d e l G m b H

25m i t a r b e i t e r : ~ g r ü n d u n g : 1982

Ü b e r g a b e : 2000t ä t i g k e i t s f e l d : Tapetenhalle ZecheLudwig, Innenausbau von Wohn- und Gewer-beobjekten, Vermittlung von Gewerken,Handel mit Boden- und Wandbelägen

b r a n c h e :Handel /Dienstleistungen

p e r s o n : Peter Langenberg f u n k t i o n : Geschäftsführender Gesellschafter a d r e s s e : Rellinghauser Straße 334, 45138 Esseni n t e r n e t : www.laso-tapetenhandel.de

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hoch, unser Angebot dementsprechend zu anspruchsvoll.Als ‚Resterampe‘ hätten wir bessere Chancen gehabt.“ Obwohl seine Eltern abraten, macht Langenberg eine Aus-bildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei einemNeusser Großhändler. „Ich wollte vorweg ganz bewusst ei-ne branchennahe Ausbildung machen, weil für mich derEinstieg in unsere Firma klar war.“ Als er mit dem Gesel-lenbrief in der Tasche in den elterlichen Betrieb einsteigt,beziehen ihn die Eltern in alle Überlegungen ein.Gemeinsam mit seiner Mutter, der „Seele“ des Einzelhan-dels „Tapetenhalle Zeche Ludwig“, und dem Vater sucht erExpansionsmöglichkeiten. „Wir wurden häufig gefragt, obwir den Teppich verlegen oder die Tapete kleben können.So erwies sich auch der an sich schwache Duisburger Be-trieb noch als lukrativ.“ Zufriedene Kunden empfehlen dieLangenbergs weiter – bald werden sie auch mit Renovie-rungen von Büroräumen beauftragt. „Dabei wurde deutlich,dass kaum ein Kunde die verschiedenen Gewerke koordi-nieren möchte. Also haben wir uns entschlossen, als Gene-ralunternehmer tätig zu werden, wenn Malerarbeiten undBodenbelänge zum Auftragsumfang gehören.“ Bei ihrem ersten Großprojekt werden sie 1998 beauftragt,in 60 Dresdner Altbau-Wohnungen Laminat zu verlegen.Dazu kommen Folgeaufträge, bei denen sie den Käufern derWohnungen Tapeten und Farbe zur Wahl vorlegen und dieArbeiten direkt ausführen. „Insgesamt hatte der Auftrag einVolumen von 380.000 Euro. Und am schönsten war, dassalle Kunden schnell zahlten, weil sie die Rechnungen fürihre Steuererklärung benötigten.“ Peter Langenberg erkennt, dass hier die Zukunft seiner Fir-ma liegen kann. Er entscheidet sich, an Ausschreibungenteilzunehmen, um neben dem Empfehlungsgeschäft eineweitere Auftragsbasis zu haben. „Ganz wichtig ist, dass icheinen Außendienst habe, der vor Ort zuverlässig mit den

Peter Langenberg emp-

fiehlt: „Es lohnt herauszufinden,

was Kunden wirklich zufrieden

stimmt. Das kann die kostenlose

Lieferung sein oder umfassende

Beratung in scheinbar unterge-

ordneten Detailfragen. Geld für

Leistungen zu nehmen, die dem

Kunden selbstverständlich er-

scheinen, kann gute Kunden-

beziehungen ein für alle Mal

kaputt machen.“

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Kunden spricht. Ich kann mich auf die inneren Abläufe konzentrieren.“ Vorallem koordiniert er die über 25 Angestellten in Handel und Handwerk.Hinzu kommen bis zu 35 Mitarbeiter von Partnerbetrieben. „Seit vier Jah-ren arbeiten wir ständig an bis zu sechs größeren Objekten, von 16 bis 120Wohneinheiten. Für gute Kunden führen wir Gas-, Wasser- oder Fliesen-Installationen auch separat aus. Bei neuen Projekten achten wir darauf, dassunsere Kernbereiche im Gesamtpaket vertreten sind.“ 2000 wird er Geschäftsführer beider Firmen. Seine Mutter ist weiterhin täg-lich im Betrieb, sein Vater kann leichter loslassen – er sieht sich fortan alsBerater, „wie ja überhaupt jeder Mitarbeiter zugleich Berater sein sollte.“Die Partnerwahl wird immer wichtiger: „Wir haben viele unserer Subun-ternehmer mit aufgebaut. Einigen habe ich das Bankkonzept geschrieben,anderen ein Darlehen gewährt oder den Steuerberater besorgt.“ Solangedie Zusammenarbeit funktioniert, kümmert er sich gerne: „Viele Hand-werker haben niemanden, der sich um Telefon und Buchhaltung kümmert.Und vielen fehlt die kaufmännische Sicherheit. Wir können Tipps gebenund dazu beitragen, dass die Selbstständigkeit Erfolg hat.“ Diese enge Bin-dung sei eine gute Basis für zuverlässige Arbeit. „Dennoch muss man ak-zeptieren, dass auch ein guter Handwerker nach einem langen Tag Detailsübersieht.“ Dann kommen die eigenen Mitarbeiter zum Zuge: „Ich habeimmer die besten Bewerber eingestellt. Sie arbeiten bei mir als Bauführer,kontrollieren die Arbeiten und beseitigen Mängel der Subunternehmer.“ Soist gesichert, die Baustellen mängelfrei zu übergeben.Der Markt verlangt mehr als „nur“ gute Ausführung: Eine termingerechte Fer-tigstellung der Objekte wird immer wichtiger. „Wir versuchen, Alarmein-sätze im Endspurt möglichst ohne Mehrkosten zu schultern. Wenn der Kun-de uns braucht und wir fordern in dieser Drucksituation nach, entstehtschnell Disharmonie und ein verlorener Kunde kann dann die Folge sein.“Trotz allem ist jedes Projekt für ihn als Generalunternehmer riskant: „Manmuss konsequent sein: aufhören, wenn Zahlungen ausbleiben. Denn derInnenausbau ist das letzte bei einem Bau – da geht manchem das Geld aus.“Deshalb sei es zwar attraktiv, dem einzelnen Käufer in einer NeubausiedlungSonderwünsche erfüllen zu können. „Aber was das an zusätzlichem Umsatzbringt, wird durch den Mehraufwand teilweise wieder aufgefressen.“

DIPL.-ING., DIPL.-WIRTSCH.-ING. FRANK STODOLKA · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · ISA Consult GmbH, Bochum

Ein sehr gutes Beispiel einer gelungenen Nachfolge. Der Erfolg des Konzeptes ist, erweiterte Dienstleistungen als Angebots-

bündel anzubieten, wobei auf eigene Schwerpunktbereiche Wert gelegt wird. Es bietet dem Kunden einen Mehrwert, wenn aus

einer Hand Leistungen über mehrere Gewerke angeboten werden. Wichtig ist die stete Einbeziehung des Kerngeschäftes, das

auch bei komplexen Dienstleistungen im Blick bleibt. Eine gute Basis, gegenüber Billig- und Massenanbietern in einer lukrativen

Nische zu überleben.

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Rahmen-bedingungen

Nach der Ausbildung zur Vergolderin bleibt sie als Mitarbeiterin bei ihrem Vater. Sie möchte Ideen

umsetzen, kann ihn aber nur selten überzeugen. Dennoch bleibt sie der Firma auf Halbtagsbasis treu

– um das Geschäft später in Eigenverantwortung zu übernehmen und neu zu strukturieren.

neue Lösung. Er erkennt: Das Interesse seiner Tochter anreibungslosen Abläufen führt auch zu Kosteneinsparungen.So „darf“ sie neue Kassen einführen, die Bar- und Scheck-einnahmen ebenso verwalten wie zwei Mehrwertsteuersät-ze. Immer wieder scheitert sie jedoch mit ihrem Wunsch,den Betrieb einladender zu gestalten: „Wir hatten damalsinsgesamt 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Wer je-doch mit einer Einrahmung zu uns kam, sah davon nichts.“Sie versucht eine Politik der kleinen Schritte, verbessertden Kundenservice, sorgt für mehr Ambiente. Dann brichtsie sich das Bein – „und in dieser Zeit fuhr mein Vater alleVerbesserungen im Service zurück.“ Sie ist enttäuscht, ver-kündet ihrem Vater schriftlich den Ausstieg. Nach einigem Überlegen entscheidet sie sich, zumindestdrei Tage pro Woche weiter zu arbeiten – denn aussteigenwill sie nicht, wie es vor Jahren ihr Bruder schweren Her-

Barbara Jahns startet in den Beruf wie viele Kinder vonSelbstständigen: Nach ihrer mittleren Reife beginnt sie imelterlichen Unternehmen eine Ausbildung zur Vergolderin– so wie schon ihr Großvater und Vater. Nach der Gesel-lenprüfung bleibt sie bis zur Geburt ihrer ersten Tochter zu-nächst neun Jahre bei „Rahmen & Bild Klein“.„Es war eine Zeit ständiger Diskussionen“, erinnert sich Bar-bara Jahns heute. „Ich war voller Ideen und wollte zumin-dest einige davon verwirklichen.“ Sie möchte außerdemAbläufe in der Firma neu ordnen, „ich war nämlich auch faulund hasste es, unnötige Dinge zu tun.“ Mit ihren Vorschlä-gen findet sie jedoch beim Vater wenig Gehör. Als sie dann allerdings mit ihrem Ehemann ein PC-ge-stütztes Lagerprogramm für das riesige Leistenlager ent-wickelt und damit die tägliche Suche, vor allem aber dieaufwändige Inventur vereinfacht, akzeptiert der Vater ihre

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R a h m e n & B i l d K l e i n G m b H

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m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g : 1931ü b e r g a b e n :1959 und 1998

t ä t i g k e i t s f e l d : Einrahmungen undRestaurierungen, Galerie

b r a n c h e :Handwerk

p e r s o n : Barbara Jahns f u n k t i o n : Geschäftsführende Gesellschafterina d r e s s e : Lindenallee 73, 45127 Esseni n t e r n e t : www.bilderrahmen-klein.de

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zens getan hatte. Sie hängt an der Firma, liebt es zu sehr, sich ganz per-sönlich um jedes Bild zu kümmern. Nach der Geburt von Tochter Nicoline nimmt sie sich nur ein VierteljahrAuszeit, kehrt dann auf ihre halbe Stelle zurück. Doch die Sichtweise hatsich verändert: „Die Entwicklung meiner Tochter rückte in den Mittel-punkt. Das hat mich gegenüber der Situation in der Firma wesentlich ge-lassener gemacht.“ Und so geht sie auch nach der Geburt ihrer zweitenTochter Celerina ein ganzes Jahr in die Familienpause. Was aus der Firmawerden soll, beschäftigt sie dennoch tief: „Ich hätte den Betrieb so gern

weitergeführt. Doch mein Vater erwartete eine hohe Pacht als Altersver-sorgung. Irgendwann habe ich einfach aufgehört, für diese Zukunft zukämpfen. Und damit war klar, dass der Betrieb 2000 geschlossen werdenwürde.“Doch es kommt anders. 1997 eröffnet ihr der Vater, dass er schwer kranksei und übergibt ihr seinen Betriebsschlüssel. Während er im Krankenhausliegt, diskutiert sie die Situation mit ihrem Bruder, der das Unternehmengut kennt. Beide schätzen die Branchensituation schlecht ein. „Wir haben

uns damals entschieden, den Betrieb wie geplant zu schließen. Allerdingswollten wir das schrittweise tun. Einige Mitarbeiter waren über 30 Jahre beiuns – sie hatten ja nicht nur langen Kündigungsschutz, wir wollten ihnenauch einen guten Übergang schaffen.“ Nach und nach kündigt sie 13 An-gestellten, bis schließlich fünf langjährige Mitarbeiter übrig bleiben.Als nächstes trennt sie sich vom riesigen Leistenlager. „Das war zwar im-mer das Herzstück der Firma, aber es zeigte sich, dass es zu groß und zuunübersichtlich war. Außerdem wollte ich neue, bessere Rahmungsmetho-den umsetzen, wofür der alte Bestand gar nicht geeignet gewesen wäre.“

Ihre Schließungspläne sprechen sich schnell in der Branche und bei Fach-kunden herum: „Auf einmal wollten andere Galerien unseren Restbestandkaufen – und die Kunden kamen scharenweise, um noch schnell eine Ein-rahmung bei Rahmen & Bild Klein machen zu lassen.“ Sie hat ganz uner-wartet mit der verbliebenen Mannschaft alle Hände voll zu tun. Bis nachtsum 12 rahmt sie, restauriert, repariert. Viel nächtliche Zeit, um nachzu-denken. Sie erkennt: „Ich bin doch nicht bescheuert und schließe jetzt,wenn es so gut läuft! Ich mache weiter – aber richtig!“ Innerhalb von zwei

Barbara Jahns hat viele Veränderungen

zuerst mit ihrem Bruder diskutiert: „Mehrere Mei-

nungen geben letztlich ein besseres Bild. Wichtig

ist dabei vor allem, die Rolle des anderen zu

akzeptieren und seine Meinung zu respektieren.“

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Jahren krempelt sie den Betrieb völlig um. Am Anfang berät ihr Bruder sie,doch mehr und mehr entscheidet sie selbst. Dabei hilft ihr auch die Erfah-rung der langjährigen Mitarbeiter – und ihre Einstellung: „Ich habe nie inHierarchien gedacht. So gesehen bin ich auch ganz froh, ‚Jahns’ zu heißenund nicht wie das Geschäft ‚Klein’.“ Neben dem Leistenlager organisiert sie die Werkstatt neu, schafft funktio-nalere Arbeitsplätze. Nach dem Tod des Vaters gestaltet sie auch die Aus-stellung neu: Großzügiger, mit mehreren Beratungsplätzen und gemüt-lichen Kaffeetischen. Bevor sie den vorhandenen Bildbestand weitgehend

einlagert, wird jedes Bild im Lagerprogramm erfasst. „So können wir schnellauf jedes Bild zugreifen, haben aber eine übersichtliche Ausstellung. Dasmacht mir einfach mehr Freude.“ Künftig stehen alle Bilderlisten im Inter-net – auch das eine Neuschöpfung von Barbara Jahns. Sie setzt ohnehinverstärkt auf die online-Kommunikation: „Ich will schließlich auch vonmeinem Heimarbeitsplatz Zugriff auf alle Daten haben.“ Sobald sie zufrieden ist mit den Veränderungen im Betrieb, geht sie an dieDetails: „Wir haben schon immer handwerklich perfekt gearbeitet. Aber

Kunden achten nun einmal auch auf Details wie Verpackung oder Aufhän-ger.“ Sie sucht sich neue Lieferanten, die diese Ansprüche erfüllen.2002, sohatte sich Barbara Jahns vorgenommen, soll die Reorganisation ab-geschlossen sein, der Betrieb mit wenigen Mitarbeitern reibungslos laufen.Denn nun kommt die ältere Tochter aufs Gymnasium – „und ich muss jetztZeit für sie haben.“ So schneidet sie das Unternehmen komplett auf ihreaktuellen Bedürfnisse zu: „In acht Jahren werden die wieder ganz andersaussehen.“ Sie reduziert die Öffnungszeit um eineinhalb Stunden, hat nurnoch bis 18 Uhr geöffnet. Nun verlässt sie zwar mittags das Geschäft, bleibt

aber für Mitarbeiter undLieferanten erreichbar.Auch Angebote schreibt sieim Heimbüro. So flexibel wie sie selbstsind auch die Mitarbeiter.Alle haben Teilzeitverträ-ge, stimmen ihre Arbeits-zeit je nach Auftragslageund persönlichen Wün-schen ab. Und so wie dieChefin sind auch die Mitar-beiter stets für Fragen er-reichbar. „Das alles macht uns auchfür sehr große Aufträgeschlagkräftig“, sagt Barbara

Jahns. Dennoch weiß sie, dass diese Lösung nicht ohne Zugeständnissefunktioniert: „Würde ich Vollzeit arbeiten, liefe vieles sicherlich besser. Aberich möchte dieses eine Mal versuchen, es anders zu machen als mein Vater:Mit einem schlank strukturierten Unternehmen, das auch in schwächerenMonaten funktioniert, aber den Boom der Vorweihnachtszeit ebenso be-wältigt. Ohne Aktionen um jeden Preis, die mir ohnehin nur die Freude rau-ben würden. Und mit genügend Zeit, in der ich mich auf jedes Bild und sei-nen Besitzer einstellen kann.“ Und mit Zeit für die Familie, natürlich.

BERND GRIES · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · BERND GRIES UNTERNEHMENSBERATUNG, Wiehl

Erfolgreiche Unternehmerin sein und gleichzeitig Zeit für die Familie haben?! Dazu sind kreative Ideen zur Organisation der

betriebliche Abläufe, ein kooperativer Führungsstil und eine strikte Kundenorientierung erforderlich. Frau Jahns hat sich

diese Voraussetzung durch ihren Weitblick und ihre Beharrlichkeit erarbeitet und führt ein schlankes, flexibles Unterneh-

men, das auch wirtschaftlich schwierige Situationen meistern kann – und ihr ausreichend Zeit für die Familie lässt.

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Lichtblick Laufvogel

Der Bauernhof von UweSchlieper liegt idyllisch imRuhrtal, zwischen Werdenund Kettwig. Eine Idyllemit Tücken: „Unser Hofhat 30 Hektar Fläche. 250Hektar wären notwendig,um wirtschaftlich zu arbei-ten“, erläutert der Inhaber. Schon sein Vater hatte inden 60er Jahren überlegt,wie er den 1928 gegründe-ten Bauernhof wirtschaft-lich führen könnte. Als die-ser den Hof 1961 vonGroßvater Schlieper über-

nahm, entschied er sich für die Bullenmast und schuf nachund nach Stallungen für 200 Tiere. 1998 stand Uwe Schlie-per vor der gleichen Frage wie einst sein Vater. „In unsererRegion ist Land ein knappes und vor allem teures Gut“, er-klärt er. „So hatten um uns herum schon mehrere Höfe ver-gleichbarer Größe auf Pferdehaltung oder Selbstvermark-tung gesetzt, um das Beste aus ihren Flächen zu machen.“ Doch der Rutherhof ist ein sogenannter „Hinterlieger“, erliegt relativ weit von den Hauptstraßen entfernt und hat da-durch weniger Entwicklungsmöglichkeiten. So entscheidetsich Uwe Schlieper, bestehende Gebäude umzuwidmenund bisherige Stallgebäude zu Mietwohnungen auszubau-en. „Doch ich wusste, dass solche Schritte allein keinenwirtschaftlichen Betrieb ermöglichen würden. Als Faustre-gel gilt heute, dass ein Landwirt seinen Hof komplett um-strukturieren muss. Früher wären solch weitreichende

Nach der Meisterprüfung arbeitet er 16 Jahre lang mit in der elterlichen Landwirtschaft, bis ihm sein

Vater den Bauernhof überträgt. Um wirtschaftlich zu sein, muss er den Betrieb komplett umgestalten.

Eine erfolgversprechende Nische findet sich in der Straußenzucht mit Selbstvermarktung.

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S c h l i e p e r sS t r a u ß e n f a r m

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m i t a r b e i t e r : g r ü n d u n g : 1928ü b e r g a b e n :1961 u n d 1998

t ä t i g k e i t s f e l d : Landwirtschaftlicher Betrieb mit zwei Betriebsstätten, Anbau von Futtermitteln, Bullen- und Schweinemast, Straußenzucht undSelbstvermarktung ab Hof

b r a n c h e : Landwirtschaft p e r s o n : Uwe Schlieper, staatlich geprüfter Landwirt f u n k t i o n : Inhabera d r e s s e : Rutherhof, Rutherweg 39, 45133 Esseni n t e r n e t : www.schliepers-straussenfarm.de

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Umnutzungen undenkbar, aber auch nicht erforderlich gewesen.“ UweSchlieper recherchiert also neue Optionen: „Oberstes Ziel in der Land-wirtschaft ist der Werterhalt. Zudem müssen meist mehrere Generationenvom Hof leben – und ich hatte mich bei der Übernahme des Betriebes ver-pflichtet, meine Schwester auszuzahlen.“ Doch die Möglichkeiten sind be-grenzt: Was er tut, muss eine Bindung zum Boden haben – ein anderes Ge-werbe im Landschaftsschutzgebiet wäre nicht genehmigungsfähig. Schließlich stößt er in einem Fachblatt auf einen Bericht über die erste deut-sche Straußenfarm im badischen Bühl. Ist es das? Er besucht die Farm,spricht mit den Inhabern, vertieft sich in die Thematik. Und entwickelt einGefühl für die Marktsituation: „Ich habe mit dem Bundesverband gespro-chen, die Haltungsrichtlinien studiert, ein Schlachtseminar besucht.“ Erüberlegt, wo er neben seinen 200 Mastbullen die Straußenvögel haltenkann, wie sich eine Vermarktung ab Hof realisieren lässt. Einfach scheintdies nicht, denn es sind Genehmigungen nötig. Zudem wirft seine erstePreiskalkulation Fragen auf: Werden die Kunden das teurere Fleisch ab Hofder preisgünstigen Tiefkühlware aus Südafrika vorziehen? Uwe Schlieper ist schließlich überzeugt, dass er das richtige Umfeld hat,auch die sonstigen Voraussetzungen stimmen. Noch keine sechs Monatevergehen nach dem Besuch im Badischen, da kauft er im Spätsommer 1998die ersten beiden Zuchttiere Ben und Fatima.„Ich habe mich dann um die Haltungsgenehmigung beim Veterinäramt be-müht und nur zur Antwort bekommen: ‚Du spinnst!‘ “ Er bekommt dennochdie Erlaubnis und hat schon im Frühjahr 1999 die ersten Küken. 2000 sinddie Jungtiere ausgewachsen – und Uwe Schlieper braucht einen Schlach-ter. Die zentralen Schlachthöfe der Ruhrgebietsstädte sind ungeeignet, undauch in den umliegenden ländlichen Kreisen gibt es nur noch wenige Metz-ger mit registrierter Schlachtanlage. Anfrage Nummer 30 hat schließlichErfolg: In Dinslaken findet sich ein Metzger, der bereit ist, an den not-wendigen Schulungen teilzunehmen, und dann die Straußenvögel vom Ru-therhof schlachtet.Ab sofort ist Ware für die Selbstvermarktung da, alle Zufahrtswege sind be-schildert – doch was Uwe Schlieper eigentlich beschäftigt, ist der BSE-Skandal. „Binnen weniger Tage waren unsere 140 Bullen 100.000 Mark we-

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niger wert. Zugleich wollten unzählige Wiederverkäuferunser Straußenfleisch kaufen.“ Uwe Schlieper entscheidetsich dennoch, sein Fleisch nur an Privatpersonen zu ver-kaufen. Denen kann er erklären, wie Braten, Steak und Fi-let vom Strauß am besten zubereitet werden, kann ihnenauch Straußenhals als Ossobucco-Variante schmackhaftmachen. Der BSE-Skandal ruft die Medien auf den Plan. Ein Fern-sehmagazin filmt auch bei Uwe Schlieper. Das bringt denvorgestellten Züchtern zwar Bekanntheit, den 100 deut-

schen Straußenzüchtern insgesamt aber jede Menge Pro-bleme: Die Straußenzucht wird kritisiert, die Kampagnegipfelt in einem Verbotsantrag beim Bundesrat.Uwe Schlieper ärgert sich über die Stimmungsmache, kri-tisiert die zumeist schlecht informierten Gegner. Doch erweiß, dass dagegen nur Eigeninitiative wirkt: „Ich habe da-raufhin begonnen, mich im Bundesverband deutscherStraußenzüchter zu engagieren. So haben wir zum Beispielbeschlossen, eigene Haltungsrichtlinien und damit einenachvollziehbare Grundlage zu schaffen. Schließlich kön-nen wir in Deutschland für Transparenz in Zucht und Hal-tung sorgen, während das in Afrika kaum möglich ist.“ Als

stellvertretender Vorsitzender des Verbandes hat er mitt-lerweile auch Seminare für Veterinärämter mitinitiiert. Ei-ne Doktorarbeit zum Thema soll weitere Grundlagenschaffen. Diesen ehrenamtlichen Einsatz sieht UweSchlieper einfach pragmatisch: „Meine Vereinsarbeitbringt Kontakte. Und was ich sage, wird auf diese Weiseanders bewertet und wahrgenommen als bei einem einzel-nen Züchter.“Nach nunmehr fünf Jahren hat die Straußenherde auf demRutherhof ständig 100 Tiere. Etwa 40 Eier legt jede Henne

pro Saison. Eine Brutmaschine sorgt für ideale Bedingun-gen, doch nur aus der Hälfte der Eier schlüpft ein Küken.Die Nachfrage sei stabil, erklärt Uwe Schlieper: „Und wenndie Küken jung sind, machen wir mit Führungen zusätzlichUmsatz.“ Der Hofladen – nach langer Diskussion mit denÄmtern erschien der Umbau eines Bauwagens als praktika-belste Variante – bietet ein komplettes Straußensortimentmit Eierlampen, Straußenleder und dekorativen Straußen-federn. „Die Straußenzucht alleine wird den Hof wohl nietragen“, sagt Uwe Schlieper. „Dazu müssten wir den Be-stand auf 500 Tiere steigern. Das wäre zwar möglich, wirdaber nicht von uns angestrebt.“

DR. OTTO A. STRECKER · [BERATERPOOL KfW Unternehmeragentur] · AFC CONSULTANTS INTERNATIONAL, Bonn

In der Landwirtschaft heißt es: „Wachsen oder weichen“. Unternehmerische Landwirte erschließen Nischen, die ihrer Größe

und den Standortbedingungen (Stadtnähe) angepasst sind. Ob Landtourismus, Straußenfarm, Rollrasenproduktion oder

Heilpflanzenanbau – einen wichtigen Erfolgsfaktor bildet die direkte Vermarktung durch den Landwirt oder auch der Aufbau

langfristiger vertraglicher Lieferbeziehungen. Damit verschieben sich die Anforderungen an den Unternehmer von der

Produktion zum Marketing.

Uwe Schlieper empfiehlt: „Suchen Sie sich als Neueinsteiger Leute, die

schon mittendrin sind. Seien Sie bereit, mit anderen an den Rahmenbedin-

gungen und Qualitätsrichtlinien für Ihre Tätigkeit zu arbeiten. Und akzeptie-

ren Sie, dass manches nicht ohne Lobbyarbeit geht. Das bedeutet auch, das

Gespräch mit Entscheidern in den Behörden zu suchen.“ ��

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