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Universität Augsburg Lehrstuhl für Algebra und Zahlentheorie Skript Geometrie Marc A. Nieper-Wißkirchen * 3. März 2010 http://www.math.uni-augsburg.de/alg Inhaltsverzeichnis 1 Projektive und affine Varietäten 2 1.1 Projektive Räume ................................. 2 1.2 Projektive Untervarietäten ............................ 4 1.3 Lineare Unterräume ................................ 6 1.4 Der duale projektive Raum ............................ 8 1.5 Endliche Punktmengen .............................. 9 1.6 Rationale Normkurven ............................... 11 1.7 Affine Räume .................................... 17 * [email protected] 1

Geometrie - math.uni-augsburg.de · 1 ProjektiveundaffineVarietäten 1.1 ProjektiveRäume Konvention1.1. EsbezeichneKeinenalgebraischabgeschlossenenKörper.Wennnichts weiter gesagt

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Universität Augsburg Lehrstuhl für Algebra und Zahlentheorie

Skript

GeometrieMarc A. Nieper-Wißkirchen∗

3. März 2010http://www.math.uni-augsburg.de/alg

Inhaltsverzeichnis1 Projektive und affine Varietäten 21.1 Projektive Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Projektive Untervarietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.3 Lineare Unterräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61.4 Der duale projektive Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.5 Endliche Punktmengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.6 Rationale Normkurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.7 Affine Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

[email protected]

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1 Projektive und affine Varietäten

1.1 Projektive RäumeKonvention 1.1. Es bezeichne K einen algebraisch abgeschlossenen Körper. Wenn nichtsweiter gesagt ist, seien alle vorkommenden Vektorräume endlich-dimensionale Vektor-räume über K.Gegenstand der Vorlesung ist die Theorie der Varietäten über K, also der Lösungs-

mengen polynomieller Gleichungssysteme in mehreren Variablen über dem KörperK. ImFalle von K = C führt dies auf die komplexe Geometrie, aber auch der Fall K = F̄p istzum Beispiel möglich, wobei F̄p für einen algebraischen Abschluß des endlichen KörpersFp mit p Elementen steht.Sei V ein Vektorraum.

Definition 1.2. Der Vektorraum V ∨ := Hom(V,K) := HomK(V,K) der linearen Ab-bildungen von V nach K heißt der Dualraum von V .Die bilineare Abbildung

〈·, ·〉 : V ∨ × V → K, (λ, v) 7→ 〈λ, v〉 := λ(v)

heißt das Inzidenzprodukt zwischen V und V ∨.

Wir erinnern daran, daß das Inzidenzprodukt nicht ausgeartet ist, also einen Isomor-phismus

V → (V ∨)∨, v 7→ (λ 7→ 〈λ, v〉)induziert. (Diese Tatsache ist äquivalent zu unserer Annahme, daß V endlich-dimensionalist.) Vermöge dieses Isomorphismus werden wir V mit seinem Doppeldualraum (V ∨)∨identifizieren. Insbesondere ist v ∈ V genau dann Null, wenn 〈λ, v〉 = 0 für alle λ ∈ V ∨.Auf dem Dualraum V ∨ operiert die Einheitengruppe K× = K \ {0} durch

K× × V ∨ → V ∨, (a, λ) 7→ a · λ.

Die Teilmenge V ∨ \ {0} ist stabil unter der Gruppenwirkung, das heißt für alle a ∈ K×und λ ∈ V ∨ \ {0} gilt auch a · λ ∈ V ∨ \ {0}.

Definition 1.3. Die Menge

P(V ) := K×\(V ∨ \ {0}) = {K×λ | λ ∈ V ∨ \ {0}}

der Bahnen der Vektoren λ ∈ V ∨ \ {0} heißt der projektive Raum über V . Elemente inP(V ) nennen wir Punkte.Ist P ein projektiver Raum über V , so schreiben wir auch

V = H0(P,O(1))

undK = H0(P,O).

Notation 1.4. Ist λ ∈ V ∨ ein Vektor, so bezeichnen wir mit [λ] := K×λ ∈ P(V ) seineBahn in P(V ), also den durch λ definierten Punkt in P(V ).Sei ξ = [λ] ∈ P(V ) ein Punkt. Dann ist H|ξ := ker(λ : V → K) eine Hyperebene durch

den Ursprung in V , welche unabhängig vom gewählten Repräsentanten λ des Punktes ξist. Mit

O(1)|ξ := V/H|ξbezeichnen wir den Quotientenvektorraum, welcher ein eindimensionaler Vektorraum,also eine Gerade ist. Nach dem Homomorphiesatz ist

O(1)|ξ ∼→ K, [v] 7→ λ(v)

ein wohldefinierter Isomorphismus von Vektorräumen.Bemerkung 1.5. Die Zuordnung ξ 7→ O(−1)|ξ, welche jedem Punkt ξ ∈ P(V ) eine Hy-perebene durch den Ursprung in V zuordnet, ist eine Bijektion; Punkte in P(V ) parame-trisieren also genau die Ursprungshyperebenen von V . Wir geben die Umkehrung an: SeiH eine beliebige Hyperebene durch den Ursprung in V . Dann ist der QuotientenraumV/H eindimensional. Damit existiert ein Isomorphismus λH : V/H ∼→ K von Vektorräu-men. Sei λH : V → K, v 7→ λH [v]. Dann hängt der Punkt ξH := [λH ] ∈ P(V ) nicht vomgewählten Isomorphismus λ ab. Es ist H 7→ ξH die Umkehrung.Mit O(−1)|ξ = Hom(O(1)|ξ, K) bezeichnen wir den Dualraum von O(1)|ξ. Nach dem

Homomorphiesatz ist

O(−1)|ξ = (V/H|ξ)∨ ∼= {µ ∈ Hom(V,K) | µ|H|ξ = 0} = Kλ.

Wir identifizieren daher O(−1)|ξ mit der Ursprungsgeraden durch λ in V . Diese Ur-sprungsgerade ist insbesondere unabhängig von der Wahl des Repräsentanten λ desPunktes ξ.Bemerkung 1.6. Die Zuordnung ξ 7→ L∨(ξ), welche jedem Punkt ξ ∈ P(V ) eine Ur-sprungsgerade in V ∨ zuordnet, ist eine Bijektion; Punkte in P(V ) parametrisieren alsoauch die Ursprungsgeraden von V ∨. Wir geben wieder die Umkehrung an: Sei Λ einebeliebige Gerade durch den Ursprung in V ∨. Dann existiert ein λΛ ∈ V ∨ \ {0} mitΛ = K · λΛ. Der Punkt ξΛ := [λΛ] ∈ P(V ) hängt nicht vom gewählten Vektor λΛ ab. Esist Λ 7→ ξΛ die Umkehrung.Im Falle V = Kn+1, n ≥ −1 schreiben wir

Pn := P(Kn+1).

Es V ∨ = Kn+1 der Vektorraum der Zeilenvektoren der Länge n+1. Ist ξ ∈ Pn ein Punktmit einem Repräsentanten λ = (λ0, . . . , λn) ∈ Kn+1, so schreiben wir

ξ = (λ0 : · · · : λn),

und die λi heißen die homogenen Koordinaten von ξ. Die homogenen Koordinaten sindeindeutig bis auf simultane Multiplikation mit einem Skalar a ∈ K×.

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1.2 Projektive UntervarietätenSei V ein Vektorraum. Sei P ein projektiver Raum über V .

Definition 1.7. Sei d ∈ N0. Mit SdV bezeichnen wir die d-te symmetrische Potenzvon V , das heißt den Vektorraum, der erzeugt wird von formalen Produkten der Formv1 · · · vd mit vi ∈ V , wobei die Relationen

v1 · · · vd = vσ(1) · · · vσ(d),

(v1 + v′1) · v2 · · · vd = v1 · v2 · · · vd + v′1 · v2 · · · vd

und

(v1α) · v2 · · · vd = (v1 · · · vd) · α

für vi, v′1 ∈ V , α ∈ K und Permutationen σ ∈ Sd gelten.Ist P ein projektiver Raum über V , so schreiben wir auch

SdV = H0(P,O(d)).

Beispiel 1.8. Es ist S0V = K, erzeugt vom leeren Produkt 1. Weiter ist S1V = V , ganzim Einklang mit den bisherigen Bezeichnungen.Beispiel 1.9. Ist (x0, · · · , xn) eine Basis von H0(P,O(1)), so ist

H0(P,O(d)) = K[x0, · · · , xn]d

der Vektorraum der homogenen Polynome in den xi vom Grad d. Daher nennen wirElemente aus H0(P,O(d)) homogene Polynome vom Grad d in H0(P,O(1)).Sei λ ∈ H0(P,O(1))∨ ein Vektor. Dann existiert genau eine lineare Abbildung

H0(P,O(d))→ K, f 7→ f(λ)

mit(v1 · · · vd)(λ) = 〈λ, v1〉 · · · 〈λ, vd〉

für vi ∈ H0(P,O(1)). Ist a ∈ K, so gilt f(aλ) = adf(λ), d.h. f(·) : H0(P,O(1))∨ → K isteine homogene Abbildung vom Grad d. Für f ∈ H0(P,O(d)) ist damit

Z(f) = {[λ] ∈ P | f(λ) = 0}

eine wohldefinierte Teilmenge von P.

Definition 1.10. Ist f ∈ H0(P,O(d)) ein homogenes Polynom vom Grade d, so heißtdie Teilmenge Z(f) ⊂ P die Verschwindungsmenge von f . Ist allgemeiner F eine Mengehomogener Polynome (von nicht notwendigerweise gleichem Grade), so heißt

Z(F ) =⋂f∈F

Z(f)

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die Verschwindungsmenge von F . Im Falle einer endlichen Menge F = {f1, . . . , fr}schreiben wir auch

Z(f1, . . . , fr) = Z(f1) ∩ · · · ∩ Z(fr).Teilmengen von P der Form Z(F ) heißen projektive Untervarietäten in P. Ein Element

f ∈ F heißt homogene Gleichung von Z(F ).

Bemerkung 1.11. Seien f1, . . . , fn ∈ H0(P,O(d)) homogene Polynome vom Grade d. SeiF := 〈f1, . . . , fn〉 der von den fi erzeugte Untervektorraum in H0(P,O(d)). Dann gilt

Z(F ) = Z(f1) ∩ · · · ∩ Z(fn).

Seien Z(F1), . . . ,Z(Fr) ⊂ P projektive Untervarietäten. Mit F1 · · ·Fr bezeichnen wirdie Menge aller Polynome f1 · · · fr mit fi ∈ Fi. Dann ist

Z(F1 · · ·Fr) = Z(F1) ∪ · · · ∪ Z(Fr).

Insbesondere ist die endliche Vereinigung projektiver Untervarietäten wieder eine pro-jektive Untervarietät. Der Spezialfall r = 0 liefert, daß die leere Teilmenge ∅ = Z(1) eineprojektive Untervarietät von sich P ist.Sei (Z(Fi))i∈I eine Familie projektiver Untervarietäten. Dann ist

Z(⋃i∈IFi

)=⋂i∈I

Z(Fi).

Insbesondere ist ein beliebiger Schnitt projektiver Untervarietäten wieder eine projektiveUntervarietät. Der Spezialfall I = ∅ liefert, daß der ganze projektive Raum P = Z(∅)eine projektive Untervarietät von sich selbst ist.Damit gibt es auf P genau eine Topologie bezüglich der die projektiven Untervarietäten

gerade die abgeschlossenen Mengen sind. Diese Topologie heißt die Zariski-Topologie aufP.Bemerkung 1.12. Im Falle K = C trägt P neben der Zariski-Topologie noch eine wei-tere Topologie, die sogenannte analytische Topologie: Zunächst trägt V ∨ = H0(P,O)∨

als endlich-dimensionaler Vektorraum über C eine Topologie, welche durch eine Norminduziert wird. Wir versehen V ∨ \ {0} mit der Teilraumtopologie. Die davon aufP = K×\(V ∨ \ {0}) induzierte Quotiententopologie ist die analytische Topologie vonP. Eine Teilmenge Z ⊂ P ist also genau dann in der analytischen Topologie abgeschlos-sen, wenn die Menge {λ ∈ V ∨ \ {0} | [λ] ∈ Z} der Repräsentanten von Punkten in Z imTeilraum V ∨ \ {0} abgeschlossen ist.Im folgenden wird für uns nur die für jeden Körper K definierte Zariski-Topologie eine

Rolle spielen, es sei denn, wir weisen im Falle K = C speziell darauf hin.Beispiel 1.13. Eine projektive Untervarietät der Form Z(f) mit f ∈ H0(P,O(d)) fürein d > 0 mit f 6= 0 heißt auch Hyperfläche in P. Wir erinnern daran, daß der Ringaller Polynome in V ein faktorieller Ring ist, also ein Ring, in dem jedes Element bisauf Einheiten eindeutig in Produkte irreduzibler Elemente zerfällt. Es folgt, daß jedeHyperfläche in P Verschwindungsmenge eines homogenen Polynoms ohne mehrfache ir-reduzible Faktoren ist.

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Wir bemerken, daß für eine Hyperfläche stets Z(f) 6= ∅ gilt. Dies folgt daraus, daßder Körper K algebraisch abgeschlossen ist: Nach Wahl einer Basis (x0, . . . , xn) vonH0(P,O(1)) können wir f als Polynom in K[x0, . . . , xn] vom Grad d auffassen. Es ist zuzeigen, daß dieses Polynom eine nicht triviale Nullstelle besitzt. Wir unterscheiden zweiFälle: Im ersten Falle enthält f das Monom xd0. In diesem Falle gibt es eine Nullstellea ∈ K von f(X, 1, . . . , 1) ∈ K[X]. Dann ist (a, 1, . . . , 1) eine nicht triviale Nullstelle vonf . Im anderen Falle enthält f das Monom xd0 nicht. Dann ist zum Beispiel (1, 0, . . . , 0)eine nicht triviale Nullstelle von f .Beispiel 1.14. Sei K = C. In diesem Falle kann P mit der analytischen Topologie auchals kompakte komplexe Mannigfaltigkeit aufgefaßt werden. Jede abgeschlossene komple-xe Untermannigfaltigkeit Z ⊂ P ist Verschwindungsmenge von Polynomen, also eineprojektive Untervarietät im algebraischen Sinne. Dies ist die Aussage des ChowschenSatzes.

1.3 Lineare UnterräumeSei f : V → W eine lineare Abbildung.Definition 1.15. Die lineare Abbildung

f∨ : W∨ → V ∨, µ 7→ (µ ◦ f : v 7→ µ(f(v)))

heißt die duale Abbildung zu f .Die duale Abbildung ist durch

〈µ, f(v)〉 = 〈f∨(µ), v〉

für alle µ ∈ W , v ∈ V eindeutig festgelegt.Sei speziell f : V → W eine surjektive lineare Abbildung. Dann ist f∨ : W∨ → V ∨

eine injektive lineare Abbildung; wir können insbesondereW∨ vermöge f∨ als Untervek-torraum von V ∨ auffassen. Damit wird durch

P(f) : P(W )→ P(V ), [µ] 7→ [f∨(µ)]

eine wohldefinierte injektive Abbildung gegeben. Insbesondere können wir P(W ) mitseinem Bild in P(V ) identifizieren.Sei F = ker f ⊂ V . Nach dem Homomorphiesatz ist dann

f : V/F 7→ W, [v] 7→ f(v)

ein wohldefinierter Isomorphismus von Vektorräumen.Das Bild von P(W ) in P(V ) ist durch die projektive Untervarietät Z(F ) gegeben: Für

ξ = [λ] ∈ P(V ) gilt:

ξ ∈ Z(F ) ⇐⇒ (∀v ∈ F : 〈λ, v〉 = 0)⇐⇒ (∃µ ∈ W∨ : λ = f∨(µ))⇐⇒ (∃η ∈ P(W ) : ξ = P(f)(η)) .

Sei im folgenden P ein projektiver Raum.

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Definition 1.16. Sei F ⊂ H0(P,O(1)) ein Untervektorraum. Eine projektive Unterva-rietät L der Form L = Z(F ) von P heißt linearer Unterraum.

Damit ist also das Bild von P(f) ein linearer Unterraum von P(V ).Sei L ⊂ P ein linearer Unterraum, etwa L = Z(F ) für einen Untervektorraum F ⊂

H0(P,O(1)). Dann ist

F = {v ∈ V | ∀[λ] ∈ L : 〈λ, v〉 = 0},

das heißt durch F 7→ Z(F ) wird eine (inklusionsumkehrende) Bijektion zwischen denUntervektorräumen von H0(P,O(1)) und den linearen Unterräumen von P gegeben. Wirschreiben

F = L∗.

Beispiel 1.17. Sei F = H0(P,O(1)). Dann ist Z(F ) = ∅. Damit ist die leere Teilmengevon P ein linearer Unterraum.Beispiel 1.18. Sei (Li)i∈I eine Familie linearer Unterräume von P. Mit F := ∑

i∈IL∗i ⊂

H0(P,O(1)) bezeichnen wir die Summe der L∗i , das heißt den von allen Vektoren aus⋃i∈IL∗i erzeugten Untervektorraum. Dann ist

Z(F ) =⋂i∈ILi,

das heißt, beliebige Schnitte linearer Unterräume von P sind wieder lineare Unterräume.Linearen Unterräumen läßt sich außerdem leicht ein Dimensionsbegriff zuordnen:

Definition 1.19. Sei L ⊂ P ein linearer Untervektorraum. Dann heißt

dimL := dim H0(P,O(1))− dimL∗ − 1

die Dimension von L.

Beispiel 1.20. Es ist dim P = dim Z(0) = dim H0(P,O(1)) − 1. Weiter ist dim ∅ =dim Z(H0(P,O(1)) = −1. Umgekehrt ist jeder lineare Unterraum der Dimension −1der leere Unterraum. Für einen allgemeinen linearen Unterraum L von P gilt schließlich

dimL = dim P− dimL∗ = dim P(H0(P,O(1))/L∗

).

Definition 1.21. Ein linearer Unterraum L ⊂ P mit dimL = 1 heißt eine Gerade in P.Ein linearer Unterraum L mit dimL = dim P− 1 heißt eine Hyperebene in P.

Seien L1, L2 zwei lineare Unterräume von P.

Definition 1.22. Der lineare Unterraum

L1L2 := Z(L∗1 ∩ L∗2)

von P heißt der lineare Spann von L1 und L2.

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Der lineare Spann L1L2 ist der kleinste lineare Unterraum, welcher L1 und L2 um-faßt. Die Definition des linearen Spanns läßt sich von zweien auf eine endliche und sogarunendliche Menge linearer Unterräume ausdehnen. Aus der Dimensionsformel für Un-tervektorräume folgt die Dimensionsformel für lineare Unterräume:

dimL1L2 = dimL1 + dimL2 − dim(L1 ∩ L2).

Daraus können wir insbesondere folgern: Sind L1, L2 ⊂ P zwei lineare Unterräume mitdimL1 + dimL2 ≥ dim P, so folgt L1 ∩ L2 6= ∅. Dies ist eine grundlegende Eigenschaftdes projektiven Raumes. Allgemeiner gilt, daß

dimL1 ∩ L2 ≥ dimL1 + dimL2 − dim P.

Beispiel 1.23. Ist P eine projektive Ebene, also dimP = 2, so schneiden sich je zweiGeraden in mindestens einem Punkt.

1.4 Der duale projektive RaumSei P ein projektiver Raum. Sei V = H0(P,O(1)).

Definition 1.24. Der projektive Raum

P∨ := P(V ∨)

heißt der duale projektive Raum zu P.

Es ist insbesondereH0(P∨,O(1)) = H0(P,O(1))∨.

Für die Dimension des dualen projektiven Raumes gilt dim P∨ = dim P. Es existiert aberkeine natürliche Isomorphie zwischen P und P∨.Sei x = [v] ∈ P∨ mit v ∈ V \ {0} ein Punkt im dualen projektiven Raum. Dann

ist F (x) := vK ⊂ V ein eindimensionaler Untervektorraum von V , welcher nicht vomRepräsentanten v von x abhängt. Der lineare Unterraum H(x) := Z(F (x)) ⊂ P ist eineHyperebene in P. Wir behaupten, daß durch x 7→ H(x) eine Bijektion von der Men-ge der Punkte des dualen projektiven Raumes P∨ auf die Menge der Hyperebenen desprojektiven Raumes P gegeben wird; Punkte des dualen projektiven Raumes P∨ para-metrisieren damit die Hyperebenen im projektiven Raum P. Wir geben die Umkehrungan: Sei H ⊂ P eine Hyperebene, das heißt, es ist H = Z(FH) für einen eindimensionalenUntervektorraum FH ⊂ H0(P,O(1)). Sei vH ∈ V \ {0} mit vHK = FH . Dann hängtxH = [vH ] ∈ P∨ nur von FH , also von H ab. Es ist H 7→ xH die Umkehrung.

Definition 1.25. Seien ξ ∈ P und x ∈ P∨. Gilt ξ ∈ H(x), so sagen wir, daß x und ξinzidieren, geschrieben

x⊥ ξ.

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Es istH(x) = {ξ ∈ P | x⊥ ξ}.

Der kanonische Isomorphismus V ∼= (V ∨)∨ induziert einen kanonischen IsomorphismusP ∼= (P∨)∨. Damit parametrisieren die Punkte ξ ∈ P Hyperebenen H(ξ) von P∨. Es gilt

H(ξ) = {x ∈ P∨ | x⊥ ξ}.

1.5 Endliche PunktmengenSei P ein projektiver Raum. Sei ξ ∈ P ein Punkt. Dann ist {ξ} = Z(H|ξ) ein nulldi-mensionaler linearer Unterraum. Ist umgekehrt L ⊂ P ein nulldimensionaler linearerUnterraum, so ist L∗ eine Hyperebene durch den Ursprung von H0(P,O(1)). Damit exi-stiert genau ein ξ ∈ P mit L∗ = H|ξ. Es ist L = {ξ}. Damit ist ξ 7→ {ξ} eine Bijektionzwischen den Punkten von P und den nulldimensionalen linearen Unterräumen von P.Es folgt, daß alle endlichen Punktmengen von P projektive Untervarietäten sind.Aufgabe 1.26. 1. Sei Z ⊂ P eine endliche Teilmenge mit d = |Z| Elementen. Zeige,

daß homogene Polynome fi ∈ H0(P,O(di)), i = 1, . . . , n mit di ≤ d existieren, sodaß Z = Z(f1, . . . , fn).

2. Sei f ∈ H0(P,O(e)) mit e < d. Sei L ⊂ P eine Gerade, welche Z(f) in mindestensd verschiedenen Punkten schneidet. Zeige, daß dann schon L ⊂ Z(f).

3. Seien umgekehrt ξ1, . . . , ξd ∈ P Punkte, welcher nicht auf einer Geraden liegen.Zeige, daß dann homogene Polynome f1, . . . , fn ∈ H0(P,O(d − 1)) existieren, sodaß Z(f1, . . . , fn) = {ξ1, . . . , ξd}.

Definition 1.27. Es heißen d Punkte ξ1, . . . , ξd in P unabhängig, falls dimP1 . . . Pd =d− 1 mit Pi = {ξi}, ansonsten abhängig.

Sei n = dim P. Es sind je n+2 Punkte in P notwendigerweise abhängig. Es sind n+1Punkte genau dann abhängig, wenn sie in einer Hyperebene von P liegen.

Definition 1.28. Eine endliche Teilmenge Z von Punkten in P heißt in allgemeinerLage, falls keine Teilmenge aus n+ 1 oder weniger Punkten von Z abhängig ist.

Enthält Z mindestens n+1 Punkte, so ist dies dasselbe wie zu sagen, daß keine n+1Punkte von Z in einer Hyperebene liegen.

Hilfssatz 1.29. Sei Z eine endliche Teilmenge von Punkten in allgemeiner Lage in P.Dann existiert ein weiterer Punkt ξ ∈ P \ Z, so daß auch Z ∪ {ξ} in allgemeiner Lageist.

Beweis. Jede Teilmenge von höchstens n Punkten von Z liegt in einer Hyperebene.Damit reicht es zu zeigen, daß das Komplement endlich vieler Hyperebenen in P nichtleer ist. Eine Hyperebene in P ist eine Verschwindungsmenge der Form Z(v) für einv ∈ H0(P,O(1)) mit v 6= 0. Eine endliche Vereinigung von Hyperebenen in P ist damit

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durch ein nicht verschwindendes Produkt f := v1 · · · vr mit vi ∈ H0(P,O(1)) gegeben. DaK als algebraisch abgeschlossener Körper unendlich viele Elemente besitzt, f aber nurendlich viele Nullstellen in H0(P,O(1))∨, existiert ein λ ∈ H0(P,O(1))∨ mit f(λ) 6= 0.Damit ist ξ := [λ] ∈ P im Komplement der endlich vielen Hyperebenen.

Satz 1.30. Sei Z eine endliche Teilmenge von d ≤ 2n Punkten in allgemeiner Lage inP. Dann existieren quadratische Formen q1, . . . , qr ∈ H0(P,O(2)) mit Z = Z(q1, . . . , qr).

Wir sagen auch, Z sei ein Schnitt endlich vieler Quadriken Z(qi) in P. In der projek-tiven Ebene sind also alle Teilmengen von höchstens vier Punkten in allgemeiner Lage(das heißt keine drei liegen auf einer Geraden) Schnitte von Quadriken.

Beweis. Wir gehen zunächst davon aus, daß d = 2n. Für ein ξ ∈ P gelte, daß ξ ∈ Z(q)für alle q ∈ H0(P,O(2)) mit Z ⊂ Z(Q). Wir wollen zeigen, daß ξ ∈ Z. Sei Z = Z1 ∪ Z2eine disjunkte Zerlegung mit |Zi| = n. Dann spannen nach Voraussetzung Z1 und Z2jeweils Hyperebenen H1, H2 auf, welche Verschwindungsmengen linearer Polynome sind.Damit ist H1 ∪ H2 die Verschwindungsmenge eines quadratischen Polynoms, also mußξ ∈ H1 ∪ H2 gelten. Damit liegt ξ in einer Hyperebene, welche von Punkten aus Zaufgespannt wird.Sei ξ1, . . . , ξk ein minimale Teilmenge von Z, so daß ξ in dem von ξ1, . . . , ξk aufgespann-

ten Unterraum liegt. Nach dem Vorhergehenden ist k ≤ n. Sei Z ′ ⊂ Z \ {ξ1, . . . , ξk} eineTeilmenge mit |Z ′| = n− k + 1. Nach der Voraussetzung an die allgemeine Lage von Zenthält die von Z ′ und ξ2, . . . , ξk aufgespannte Hyperebene H den Punkt ξ1 nicht. Eskann H den Punkt ξ nicht enthalten, denn aufgrund der Minimalität von k muß derSpann von ξ2, . . . , ξk und ξ auch ξ1 enthalten. Nach dem Vorhergehenden muß ξ dannauf der Hyperebene liegen, welche von ξ1 und den restlichen n− 1 Punkten aufgespanntwird. Insgesamt muß ξ damit auf jeder Hyperebene liegen, welche von ξ1 und einer belie-bigen Teilmenge von n− 1 Punkten aus ξk+1, . . . , ξ2n aufgespannt wird. Da der Schnittaller dieser Hyperebenen ξ1 ist, muß ξ = ξ1 gelten.Damit ist Z die Verschwindungsmenge von F := {q ∈ H0(P,O(2)) | Z ⊂ Z(q)}. Ist

q1, . . . , qr eine Basis von F , so folgt Z = Z(q1, . . . , qr).Es bleibt, den Fall d < 2n zu behandeln. Nach dem Hilfssatz existieren endlich viele

endliche Teilmengen Z ′1, . . . , Z′r ⊃ Z von 2n Punkten in allgemeiner Lage in P mit

Z = ⋂iZ ′i. Nach dem schon bewiesenen existieren quadratische Polynome qi1, . . . , qisi

mit Z ′i = Z(qi1, . . . , qisi). Damit ist Z = Z(q11, . . . qrsr).

Aufgabe 1.31. Sei k ≥ 2. Sei Z ⊂ P eine endliche Teilmenge von d ≤ kn Punktenin allgemeiner Lage in P. Zeige, daß f1, . . . , fr ∈ H0(P,O(k)) existieren, so daß Z =Z(f1, . . . , fr).Schließlich führen wir noch folgende Begrifflichkeit ein: Sei f ∈ Aut(H0(P,O(1))) ein

Automorphismus. Dieser induziert eine Bijektion

f∗ : P→ P, [λ] 7→ [(f−1)∨λ]

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des projektiven Raumes. Insbesondere können wir für jede Teilmenge Z ⊂ P ihr Bildf(Z) := f∗(Z) betrachten. Ist speziell Z = Z(F ) eine projektive Untervarietät, so ist

f(Z) = Z(f(F )).

Damit ist das Bild einer projektiven Untervarietät unter einem Automorphismus wiedereine projektive Untervarietät.

Definition 1.32. Zwei projektive Untervarietäten Z1, Z2 von P heißen projektiv äquiva-lent, falls ein Automorphismus f ∈ Aut(H0(P,O(1))) mit f(Z1) = Z2 (oder äquivalentZ2 = f−1(Z1)) existiert.

Aufgabe 1.33. Zeige, daß je zwei Teilmenge von je n + 2 Punkten in allgemeiner Lagein P projektiv äquivalent sind. Genauer: Sind ξ1, . . . , ξn+2, ξ

′1, . . . , ξ

′n+2 ∈ P, so daß die

Teilmengen Z1 := {ξ1, . . . , ξn+2} und Z2 := {ξ′1, . . . , ξ′n+2} in allgemeiner Lage sind, soexistiert ein Automorphismus f ∈ Aut(H0(P,O(1))) mit f∗(ξi) = ξ′i für alle i.

1.6 Rationale NormkurvenSei P1 eine projektive Gerade, das heißt dim P = 1. Es folgt, daß H0(P,O(1)) ein zwei-dimensionaler Vektorraum ist. Für d ∈ N0 setzen wir

Pd := P(Sd H0(P1,O(1))).

Es ist dim Pd = dim Sd H0(P1,O(1)) − 1 = (d + 1) − 1 = d, denn ist (x, y) eine Basisvon H0(P1,O(1)), so ist (xd, xd−1y, . . . , yd) eine Basis von Sd H0(P,O(1)). Wir definiereneine natürliche Abbildung n : P1 → Pd wie folgt: Sei λ ∈ H0(P1,O(1))∨ eine Linearform.Dann ist

λd : Sd Hd(P,O(1))→ K, f 7→ f(λ)eine wohldefinierte Linearform. Es ist λd 6= 0, falls λ 6= 0, und es (aλ)d = adλd für allea ∈ K. Damit ist die Abbildung

v : P1 → Pd, ξ = [λ] 7→ ξd := [λd]

wohldefiniert. In homogenen Koordinaten ist die Abbildung durch

v : (x : y) 7→ (xd : xd−1y : · · · : yd)

gegeben. Daraus folgt für d > 0 insbesondere, daß n eine injektive Abbildung ist.

Definition 1.34. Das Bild C := v(P1) heißt die rationale Normkurve in Pd. Im Fallevon d = 3 heißt C auch getwistete Kubik.

Sei η = [φ] ∈ C ein Punkt auf der rationalen Normkurve. Dann ist H|η = kerφ ⊂H0(P1,O(d)) eine Hyperebene mit Z(H|η) 6= ∅ ⊂ P1: Denn da η ∈ C, existiert einξ = [λ] ∈ P1 mit φ = λd. Es folgt, daß ξ ∈ Z(H|η). Sei umgekehrt η = [φ] ∈ Pdein Punkt, so daß Z(H|η) 6= ∅ ⊂ P1. Dann existiert ein ξ = [λ] ∈ Z(H|ξ) ⊂ P1. Sei

11

φ = λd. Dann ist H|η ⊂ H|[φ] ⊂ H0(P1,O(d)) = H0(Pd,O(1)). Da H|η und H|[φ] alsHyperebenen dieselbe Dimension haben und Punkte in Pd Hyperebenen in H0(Pd,O(1))parametrisieren, folgt η = [φ] = [λd] = ξd. Also ist η ∈ C. Damit haben wir gezeigt,daß die Punkte auf der rationalen Normkurve C ⊂ P1 genau die Hyperebenen H ⊂H0(P1,O(d)) parametrisieren, für die Z(H) 6= ∅ ⊂ P1 gilt.Wir behaupten, daß die rationale Normkurve eine projektive Untervarietät von Pd ist.

Wir können d > 0 annehmen. Dazu erinnern wir zunächst an folgende Definitionen derlinearen Algebra:

Definition 1.35. Seien V,W zwei Vektorräume. Mit V ⊗W bezeichnen wir das Ten-sorprodukt von V und W , das heißt den Vektorraum, der erzeugt wird von Produktender Form v ⊗ w mit v ∈ V und w ∈ W , wobei die Relationen

(v + v′)⊗ w = v ⊗ w + v′ ⊗ w,v ⊗ (w + w′) = v ⊗ w + v ⊗ w′

und

(vα)⊗ w = (v ⊗ w) · α

für v, v′ ∈ V , w,w′ ∈ W und α ∈ K gelten.

Beispiel 1.36. Ist (x1, . . . , xm) eine Basis von V und (y1, . . . , yn) eine Basis von W , soist (x1 ⊗ y1, x2 ⊗ y1, . . . , xm ⊗ yn) eine Basis von V ⊗W .Beispiel 1.37. Es ist V → V ⊗K, v 7→ v ⊗ 1 ein Isomorphismus von Vektorräumen.Außerdem brauchen wir noch die äußere Potenz eines Vektorraumes:

Definition 1.38. Sei V ein Vektorraum. Sei k ∈ N0. Mit ΛdV bezeichnen wir died-te äußere Potenz von V , das heißt den Vektorraum, der erzeugt wird von formalenProdukten der Form v1 ∧ · · · ∧ vk mit vi ∈ V , wobei die Relationen

v1 ∧ · · · ∧ vk = sgn σ · vσ(1) ∧ · · · ∧ vσ(k),

(v1 + v′1) ∧ v2 ∧ · · · ∧ vk = v1 ∧ v2 ∧ · · · ∧ vk + v′1 ∧ v2 ∧ · · · ∧ vk,(v1α) ∧ v2 ∧ · · · ∧ vk = (v1 ∧ · · · ∧ vk) · α

und

v1 ∧ v1 ∧ v3 ∧ · · · ∧ vk = 0

für vi, v′1 ∈ V , α ∈ K und Permutationen σ ∈ Sk gelten.

Beispiel 1.39. Es ist Λ0V = K, erzeugt vom leeren Produkt. Weiter ist Λ1V = V .Beispiel 1.40. Ist (x1, . . . , xn) eine Basis von V , so ist eine Basis von ΛkV durch alleVektoren der Form xi1 ∧ · · · ∧ xik mit i1 ≤ · · · ≤ ik gegeben. Es folgt dim ΛkV =

(nk

),

insbesondere also ΛkV = 0, falls k > n.

12

Beispiel 1.41. Für alle d ∈ N0 gibt genau eine kanonische wohldefinierte lineare Abbil-dung ΛdV ⊗ ΛdW → Sd(V ⊗W ) mit

ΛdV ⊗ΛdW → Sd(V ⊗W ), (v1 ∧ · · · ∧ vd)⊗ (w1 ∧ · · · ∧wd) 7→∑σ∈Sd

sgn σd∏i=1

vi⊗wσ(i).

Diese Abbildung hat folgende Bedeutung: Sei β : V ×W → K eine Bilinearform. Dieseinduziert eine lineare Abbildung

Sd(V ⊗W )→ K, (v1 ⊗ w1) · · · (vd ⊗ wd) 7→ β(v1, w1) · · · β(vd, wd).

Komposition mit der kanonischen Abbildung ΛdV ⊗ ΛdW → Sd(V ⊗ W ) liefert dasd-Volumen ΛdV ⊗ ΛdW → K bezüglich der Bilinearform β. Dieses verschwindet genaudann nicht, wenn β mindestens Rang d hat.Nach diesem Einschub kehren wir zur rationalen Normkurve zurück. Dazu wählen wir

k, l ∈ N mit k + l = d. Es ist

H0(P1,O(k))⊗ H0(P1,O(l))→ H0(P1,O(d)) = H0(Pd,O(1)), f ⊗ g 7→ fg

eine wohldefinierte lineare Abbildung. Das Quadrat dieser Abbildung ist die lineareAbbildung

S2(H0(P1,O(k))⊗ H0(P1,O(l))

)→ S2 H0(Pd,O(1)) = H0(Pd,O(2)),

(f1 ⊗ g1) · (f2 ⊗ g2) 7→ (f1g1) · (f2g2),

wobei die rechte Seite ein quadratisches Polynom in Polynomen vom Grad d inH0(P1,O(1)) ist. Diese Abbildung können wir mit der kanonischen Abbildung

Λ2 H0(P1,O(k))⊗ Λ2 H0(P1,O(l))→ S2(H0(P1,O(k))⊗ H0(P1,O(l))

)komponieren und erhalten eine natürliche wohldefinierte lineare Abbildung

Λ2 H0(P1,O(k))⊗ Λ2 H0(P1,O(l))→ H0(Pd,O(2)),(f1 ∧ f2)⊗ (g1 ∧ g2) 7→ (f1g1) · (f2g2)− (f1g2) · (f2g1),

deren Bild in H0(Pd,O(2)) wir mit Fk bezeichnen. Wir zeigen jetzt, daß C = Z(Fk). Seidazu ξ = [λ] ∈ P1. Für f1, f2 ∈ H0(P1,O(k)) und g1, g2 ∈ H0(P1,O(l)) gilt dann

((f1g1) · (f2g2)− (f1g2) · (f2g1)) (λd) =⟨λd, f1g1

⟩ ⟨λd, f2g2

⟩−⟨λd, f1g2

⟩ ⟨λd, f2g1

⟩f1(λ)g1(λ)f2(λ)g2(λ)− f1(λ)g2(λ)f2(λ)g1(λ) = 0,

also ist C ⊂ Z(Fk).Sei umgekehrt η = [φ] ∈ Z(Fk). Dann hat die nicht verschwindende Bilinearform

β : H0(P1,O(k))⊗ H0(P1,O(l))→ K, (f, g) 7→ 〈φ, fg〉

13

nach den vorhergehenden Überlegungen Rang 1. Damit ist

U := {f ∈ H0(P1,O(k)) | ∀g ∈ H0(P1,O(l)) : 〈φ, fg〉 = 0}

eine Hyperebene durch den Ursprung in H0(P1,O(k)). IstW = U ·H0(P1,O(l)) der Raumder Polynome, welcher von allen Produkten von Polynomen aus U mit Polynomen aufH0(P1,O(l)) erzeugt wird, so ist W in der Hyperebene H|η in H0(P1,O(d)) enthalten,es gilt also insbesondere dimW ≤ d. Wir benötigen als nächstes folgenden Hilfssatz:

Hilfssatz 1.42. Sei U ⊂ H0(P1,O(k)) ein echter Untervektorraum mit Z(U) = ∅ ⊂ P1.Sei W := U · H0(P1,O(1)). Dann ist

dimW > dimU + 1.

Aus dem Hilfssatz können wir folgern: Angenommen Z(U) = ∅ ⊂ P1. Dann folgt ausdem Hilfssatz, daß dim(U ·H0(P1,O(1))) > dimU+1 = d+1, also dim(U ·H0(P1,O(1))) =dim H0(P1,O(k + 1)). Da H0(P1,O(l)) als Ring von H0(P1,O(1)) erzeugt wird, folgtW = H0(P1,O(d)), ein Widerspruch zu dimW ≤ d. Damit muß ein ξ ∈ P1 mit ξ ∈ Z(U)existieren. Da Z(U) ⊂ Z(H|η) folgt, Z(H|η) 6= ∅ ⊂ P1, also η ∈ C. Es folgt, daß C eineprojektive Untervarietät von Pd ist. Es bleibt damit, den Hilfssatz zu beweisen:

Beweis. Wir machen zunächst folgende Beobachtung: Sei V ⊂ H0(P1,O(k)) ein Un-tervektorraum homogener Polynomen von einem Grad k. Sei ξ ∈ P1 ein Punkt. Dannkönnen wir jedem Polynom f ∈ V seine Nullstellenordnung ordξ(f) an ξ zuordnen, wel-che folgendermaßen definiert ist: Sei x ∈ H0(P1,O(1)) mit {ξ} = Z(x). (So ein x ist bisauf ein Vielfaches eindeutig.) Dann ist ordξ(f) die größte nicht negative ganze Zahl o,so daß f durch xo teilbar ist. Wir setzen

Ordξ(V ) = {ordξ(f) | f ∈ V \ {0}}.

Dann ist |Ordξ(V )| = dim V . Dies folgt per Induktion über dim V , denn ist f ∈ V \ {0},so daß ordξ(f) minimal ist, so existiert eine Hyperebene H durch den Ursprung von Vmit ordξ(g) > ordξ(f) für g ∈ H \ {0}.Kehren wir zum Beweis des Hilfssatzes zurück. Sei ξ ∈ P1 ein Punkt. Wir wählen x, y ∈

H0(P1,O(1))\{0}mit ξ ∈ Z(x), aber ξ /∈ Z(y). Sei n := dimU . Nach den vorhergehendenÜberlegungen ist |Ordξ(U)| = n. Da ξ /∈ Z(U) muß außerdem 0 ∈ Ordξ(U) gelten. Wirnehmen an, daß dimW ≤ n+ 1. Es folgt, daß |Ordξ(W )| ≤ n+ 1. Wegen

Ordξ(W ) ⊃ Ordξ(yU) ∪Ordξ(xU) = Ordξ(U) ∪ (Ordξ(U) + 1)

folgt Ordξ(U) = {0, 1, . . . , n − 1} und damit Ordξ(W ) = {0, . . . , n}. Insbesondere kön-nen wir eine Basis (f1, . . . , fn) von U mit ordξ(fi) = n − i finden. Die drei Polynomexf1, yf1, xf2 ∈ W haben Verschwindungsordnung an ξ von mindestens n − 1. Damitmuß eine nicht triviale lineare Relation zwischen den Polynomen existieren. Da wegenordξ(xf1) > ordξ(yf1) die ersten beiden Polynome linear unabhängig sind, muß folglich

14

xf2 eine Linearkombination von xf1 und yf1 sein. Damit haben f1 und f2 den gemein-samen Faktor x−1f1 ∈ H0(P1,O(d−1)). Im nächsten Schritt betrachten wir die fünf Po-lynome xf1, yf1, xf2, yf2, xf3 ∈ W , welche Verschwindungsordnung an ξ von mindestensn− 2 haben. Damit müssen zwei unabhängige lineare Relationen zwischen den Polyno-men existieren. Da xf1, yf1, xf2, yf2 wieder aus Gründen der Verschwindungsordnung anξ einen (mindestens) dreidimensionalen Unterraum aufspannen, muß folglich xf3 eine Li-nearkombination von xf1, yf1, xf2 und yf2 sein. Es folgt, daß f1, f2, f3 den gemeinsamenFaktor x−2f1 ∈ H0(P1,O(d− 2)) haben. Indem wir auf diese Art und Weise fortfahren,erhalten wir, daß f1, . . . , fn einen gemeinsamen Faktor g ∈ H0(P1,O(d− n+ 1)) haben.Insbesondere ist Z(g) ⊂ Z(U). Da K algebraisch abgeschlossen ist, ist Z(g) = ∅ nur,wenn d− n+ 1 = 0, also n = d+ 1, da Hyperflächen (Fall d− n+ 1 > 0) immer Punkteenthalten. Dies ist ein Widerspruch dazu, daß U ein echter Unterraum von H0(P1,O(d))ist. Damit muß also dimW > n+ 1 sein.

Beispiel 1.43. Betrachten wir die getwistete Kubik, also die rationale Normkurve C in P3.Sei (x, y) eine Basis von H0(P1,O(1)). Dann bilden z0 := x3, z1 := x2y, z2 := xy2, z3 := y3

eine Basis von H0(Pd,O(1)).Eine Basis von Λ2 H0(P1,O(1)) ist durch (x ∧ y), eine Basis von Λ2 H0(P1,O(2)) ist

durch (x2∧xy, x2∧y2, xy∧y2) gegeben. Eine Erzeugendensystem von F1 ist damit durch

q0 := z0z2 − z21 ,

q1 := z0z3 − z1z2,

q2 := z1z3 − z22

gegeben. Damit ist also C = Z(q0, q1, q2), ein Schnitt dreier Quadriken.Aufgabe 1.44. Für λ = (λ0, λ1, λ2)> ∈ K3 mit λ 6= 0 definiere qλ := q0λ

0 + q1λ1 + q2λ

2.Seien λ, µ ∈ K3 \ {0} mit λ 6= µ. Zeige, daß Z(qλ) ∩ Z(qµ) die Vereinigung von C mit

einer Geraden Lλµ ist.Insbesondere ist C nicht das Nullstellengebilde von je zwei der drei quadratischen

Polynome q0, q1, q2.

Definition 1.45. Eine rationale Normkurve in Pd ist eine zu C projektiv äquivalenteUntervarietät.

Es folgt, daß bezüglich der Basen (x, y) und (z0, . . . , zd) von oben von H0(P,O(1))und H0(P1,O(d)) = H0(Pd,O(d)) eine beliebige rationale Normkurve in Pd durch dasBild einer Abbildung

(x : y) 7→ (h0(x, y) : · · · : hd(x, y))gegeben ist, wobei die hi eine Basis der homogenen Polynome vom Grad d in x, y bilden.Aufgabe 1.46. Sei Z ⊂ C eine endliche Teilmenge von Punkten auf einer getwistetenKubik C ⊂ P3. Zeige, daß Z in allgemeiner Lage ist, das heißt, daß je vier Punkte aufder getwisteten Kubik den P3 aufspannen.Aufgabe 1.47. Zeige, daß je d + 1 Punkte auf einer rationalen Normkurve C im Pdunabhängig sind. Was hat das mit der Vandermondeschen Determinanten zu tun?

15

Aufgabe 1.48. Sei C ⊂ P3 eine getwistete Kubik. Seien ξ1, . . . , ξ7 ∈ C paarweise verschie-dene Punkte. Sei

Q := {q ∈ H0(P3,O(2)) | ξ1, . . . , ξ7 ∈ Z(q)}.

Zeige, daß C = Z(Q).Aufgabe 1.49. Sei C ⊂ Pd eine rationale Normkurve. Sei k ≥ 2. Seien ξ1, . . . , ξkd+1 ∈ Cpaarweise verschiedene Punkte. Sei F ∈ H0(Pd,O(k)) mit ξi ∈ Z(F ) für alle i. Zeige,daß C ⊂ Z(F ).Wir beschreiben eine weitere Möglichkeit, die Punkte einer rationalen Normkurve zu

parametrisieren. Dazu wählen wir zunächst µ0, . . . , µd, ν0, . . . , νd ∈ K, so daß bezüglichder Basis (x, y) die Punkte ξi := (µi : νi) ∈ P1 wohldefiniert und paarweise verschiedensind. Seien `i := µiy − νix und hi := ∏

j 6=i`j. Dann ist ξi ∈ Z(`j) genau dann, wenn

i = j. Also ist ξi ∈ Z(hj) genau dann, wenn i 6= j. Wir behaupten, daß (h0, . . . , hd) eineBasis von H0(Pd,O(1)) ist. Sei etwa ∑

ihiα

i = 0 eine nicht triviale Linearkombination.Auswerten an (x : y) = (µi : νi) liefert αi = 0. Damit ist

v : P1 → Pd, (x : y) 7→ (h0(x, y) : · · · : hd(x, y))

eine rationale Normkurve. Mit

εi := (0 : . . . : 1 : . . . : 0) ∈ Pd

(die 1 steht an der i-ten Stelle, beginnend bei 0 gezählt) bezeichnen wir die Koordina-tenpunkte von Pd (bezüglich der Basis zi). Dann ist v(ξi) = εi, das heißt diese rationaleNormkurve geht durch die Koordinatenpunkte. Seien außerdem µi, νi 6= 0. Dann gelten

v((1 : 0)) =( 1ν0 : · · · : 1

νd

)und

v((0 : 1)) =(

1µ0 : · · · : 1

µd

).

Seien umgekehrt η0, . . . , ηd+2 insgesamt d + 3 Punkte in allgemeiner Lage in Pd. Bisauf projektive Äquivalenz können wir davon ausgehen, daß ηi = εi für i ≤ d, ηd+1 =(

1ν0 : · · · : 1

νd

)und ηd+2 =

(1µ0 : · · · : 1

µd

)mit µi, νi ∈ K wie eben. Es folgt aus der obigen

Konstruktion, daß eine rationale Normkurve durch die Punkte η0, . . . , ηd+2 geht. Dieseist außerdem eindeutig: Sei

v : P1 → Pd, (x : y) 7→ (h0(x, y) : . . . : hd(x, y))

eine Parametrisierung einer solchen rationalen Normkurve. Bis auf Umparametrisierungin P1 können wir davon ausgehen, daß v((1 : 0)) = ηd+1 und v((0 : 1)) = ηd+2. Sinddie ξi ∈ P1 dann diejenigen Punkte mit v(ξi) = εi, so folgt, daß wir für die hi genaudieselben Ausdrücke in den ξj wie oben wählen können. Wir haben damit bewiesen:

16

Satz 1.50. Durch je d+ 3 Punkte in allgemeiner Lage in Pd geht genau eine rationaleNormkurve.Beispiel 1.51. Wir wollen den Satz im Falle d = 2 genauer studieren. In diesem Falleist eine rationale Normkurve C ⊂ P2 durch die Verschwindungsmenge eines quadrati-schen Polynoms q ∈ H0(P2,O(2)) gegeben. Da auf einer rationalen Normkurve in P2

je 3 Punkte unabhängig sind, darf ein solches q nicht in ein Produkt linearer Faktorenzerfallen.Zwei verschiedene quadratische Polynome q, q′ ∈ H0(P2,O(2)) mit q = q′α für ein

α ∈ K× definieren offensichtlich dieselbe Verschwindungsmenge, das heißt wir kön-nen jedem Punkt [q] im projektiven Raum P := P(H0(P2,O(2))∨) eine wohldefinierteVerschwindungsmenge Z(q) ⊂ P2 zuordnen. Ein Element in P nennen wir einen Kegel-schnitt oder eine ebene Quadrik. Sei η ∈ P2 ein Punkt. Dann bilden die Kegelschnitte[q] mit η ∈ Z(q) eine Hyperebene Hη in P. Da sich je fünf Hyperebenen in P wegendim P = 5 in mindestens einem Punkt schneiden müssen, existiert für gegebene fünfPunkte η1, . . . , η5 ∈ P2 ein Kegelschnitt [q] ∈ P mit ηi ∈ Z(q) für i = 1, . . . , 5. Sinddie fünf Punkte in allgemeiner Lage, so ist Z(q) eine durch die ηi eindeutig bestimmterationale Normkurve. Da keine 3 Punkte auf einer Geraden liegen, darf in diesem Falleq nicht in ein Produkt aus linearen Faktoren zerfallen. Wir nennen einen solchen Ke-gelschnitt glatt. Die folgende Aufgabe sagt aus, daß insbesondere der Kegelschnitt [q]eindeutig bestimmt ist. Es zeigt sich so, daß die glatten Kegelschnitte genau den ratio-nalen Normkurven in P2 entsprechen, denn zerfällt q nicht in ein Produkt aus linearenFaktoren, so können keine drei Punkte in Z(q) auf einer Geraden liegen.Aufgabe 1.52. Seien η1, . . . , η5 ∈ P2 fünf Punkte, von denen keine vier auf einer Ge-raden liegen. Zeige, daß sich dann die Hηi , i = 1, . . . , 5, in genau einem Punkt inP = P(H0(P2,O(2))∨) schneiden.

1.7 Affine RäumeAm Ende dieses Kapitels führen wir schließlich noch den Begriff des affinen Raumes ein.Dazu definieren wir zunächst den Begriff eines Vektorraumes mit Eins: Ein Vektorraummit Eins ist ein Paar W = (W, 1W ) bestehend aus einem Vektorraum W und einemVektor 1W ∈ W mit 1W 6= 0. Besteht keine Gefahr einer Verwechslung mit dem Kör-perelement 1 ∈ K, so schreiben wir auch 1 = 1W . Eine lineare Abbildung f : W → W ′

zwischen Vektorräumen mit Eins ist eine lineare Abbildung f zwischen den zugrunde-liegenden Vektorräumen mit f(1W ) = 1W ′ .Beispiel 1.53. Der Vektorraum K ist in kanonischer Weise ein Vektorraum mit Einsindem wir 1K := 1 setzen.Ist W ein Vektorraum mit Eins, so existiert genau eine lineare Abbildung f : K → W

von Vektorräumen mit Eins, nämlich f : α 7→ 1Wα. Umgekehrt definiert eine lineareAbbildung f : K → W zwischen Vektorräumen auf W die Struktur eines Vektorraumesmit Eins, indem wir 1W := f(1) setzen. In dem, was folgt, wird W ein Vektorraum vonFunktionen sein. Die Funktion 1W ist dann die konstante Funktion 1. Ein Vektorraummit Eins ist ein Vektorraum, in dem eine Koordinatenachse ausgezeichnet ist.

17

Beispiel 1.54. Ist U ein Vektorraum, so ist W := K ⊕ U durch die Setzung 1W = (1, 0)in kanonischer Weise ein Vektorraum mit Eins.

Definition 1.55. Sei W = (W, 1) ein Vektorraum mit Eins. Dann heißt die Teilmenge

A(W ) := A(W, 1) := {ξ ∈ W∨ | 〈ξ, 1W 〉 = 1} ⊂ W∨

der affine Raum zu W . Elemente in A(W ) heißen Punkte.Ist A ein affiner Raum zu W , so schreiben wir auch

K = F0 H0(A,O)

und

W = F1 H0(A,O).

Die Menge A(W ) ist ein affiner Teilraum von W∨, das heißt sind ξ1, . . . , ξn ∈ A(W )und a1, . . . , an ∈ K mit a1 + · · · + an = 1, so ist auch

n∑i=1

aiξi ∈ A(W ), das heißt A(W )

ist abgeschlossen unter affinen Linearkombinationen.Im Falle von W = K ⊕Kn schreiben wir auch

An := A(K ⊕Kn).

Ist ξ = (ξ0, . . . , ξn) ∈ An ⊂ Kn+1, so muß ξ0 = 1 gelten. Wir schreiben daher

ξ = (ξ1, . . . , ξn)

und nennen die ξi die affinen Koordinaten von ξ. Im Gegensatz zu projektiven Koordi-naten sind diese eindeutig bestimmt.Sei H0(A,O) der von allen formalen Produkten der Form w1 · · ·wd mit d ∈ N0, wi ∈ W

erzeugte (im allgemeinen nicht endlich-dimensionale) Vektorraum, wobei die Relationen

w · w′ = w′ · w,(w + w′) · w′′ = w · w′′ + w′ · w′′,

(wα) · w′ = (ww′) · α

und

1W · w = w

für alle w,w′, w′′ ∈ W , α ∈ K gelten sollen. Mit Fi H0(A,O) bezeichnen wir den Un-terraum, welcher von allen Produkten w1 · · ·wd mit d ≤ i erzeugt wird. Elemente inH0(A,O) können wir miteinander multiplizieren, der Vektorraum wird damit zu einer(kommutativen) K-Algebra.

18

Bemerkung 1.56. Die Algebra H0(A,O) können wir auch durch

H0(A,O) =( ∞⊕d=0

SdW)/(1W − 1)

definieren, wobei (1W − 1) das von 1W − 1 in der symmetrischen Algebra erzeugte Idealist.Beispiel 1.57. Ist 1W , w1, . . . , wn eine Basis von W , so ist

K[w1, . . . , wn] ∼→ H0(A,O), wi 7→ wi

ein Isomorphismus von K-Algebren. Die Algebra H0(A,O) ist also immer isomorph zueiner Polynomalgebra.Sei ξ ∈ A ein Punkt im affinen Raum. Dann existiert genau eine lineare Abbildung

H0(A,O)→ K, f 7→ f(ξ)

mit (w1 · · ·wn)(ξ) = 〈ξ, w1〉 · · · 〈ξ, wn〉 für alle d ∈ N0, wi ∈ W . Jedes Element f ∈H0(A,O) definiert also eine Funktion

A→ K, ξ 7→ f(ξ).

Eine solche Funktion nennen wir eine reguläre Funktion auf A.

Definition 1.58. Ist f ∈ H0(A,O), so heißt die Teilmenge

Z(f) := {ξ ∈ A | f(ξ) = 0}

die Verschwindungsmenge von f . Ist allgemeiner F ⊂ H0(A,O) eine Teilmenge, so heißt

Z(F ) =⋂f∈F

Z(f)

die Verschwindungsmenge von F . Im Falle einer endlichen Menge F = {f1, . . . , fr}schreiben wir wieder

Z(f1, . . . , fr) = Z(f1) ∩ · · · ∩ Z(fr).

Teilmengen von A der Form Z(F ) heißen affine Untervarietäten in A. Ein Elementf ∈ F heißt Gleichung von Z(F ).

Bemerkung 1.59. Genau wie im Falle projektiver Untervarietäten zeigt man, daß genaueine Topologie auf A existiert, bezüglich der die abgeschlossenen Teilmengen gerade dieaffinen Untervarietäten sind. Diese Topologie heißt die Zariski-Topologie auf A.Im Falle von K = C ist diese wieder von der analytischen Topologie zu unterscheiden.

19

Wichtige Beispiele für affine Räume kommen aus der projektiven Geometrie: Sei dazuP ein projektiver Vektorraum. Sei H ⊂ P eine Hyperebene gegeben durch H = Z(L),wobei L eine Ursprungsgerade in H0(P,O(1)) ist. Mit W := L−1 H0(P,O(1)) bezeichnenwir dann den Vektorraum der linearen Abbildungen von L nach H0(P,O(1)). Indem wir1W : L→ H0(P,O(1)), v 7→ v setzen, versehen wir L−1 H0(P,O(1)) mit der kanonischenStruktur eines Vektorraumes mit Eins. Damit ist A := A(L−1 H0(P,O(1))) ein affinerRaum. Sei s ∈ L ein beliebiger von Null verschiedener Vektor, also L = sK und H =Z(s). Wir behaupten, daß

P \H → A, [λ] 7→(L−1 H0(P,O(1))→ K, ` 7→ 〈λ, `(s)〉

〈λ, s〉

)

eine Bijektion ist. Dazu bemerken wir zunächst, daß die Abbildng wohldefiniert ist, dennes ist 〈λ, s〉 6= 0, da [λ] /∈ H. Weiter ist 〈λ,s〉〈λ,s〉 = 1. Da sich zwei bestimmte Wahlen vonλ nur um einen Skalar aus K× unterscheiden, folgt weiter, daß die Abbildung von derWahl von λ unabhängig ist. Ebenso ist die Abbildung von der Wahl von s unabhängig.Wir bekommen also eine kanonische Abbildung P \H → A. Es bleibt zu zeigen, daß siebijektiv ist. Dazu geben wir eine Umkehrung an:

A→ P \H, ξ 7→ [λξ]

an. Hierbei ist λξ : H0(P,O(1))→ K wie folgt definiert: Wähle zunächst ein φ ∈ L∨\{0}.Sei v ∈ H0(P,O(1)) beliebig. Dann sei

λξ(v) := ξ(v · φ).

Vermöge dieser Bijektion werden wir Punkte in A damit mit den Punkten in P \ Hidentifizieren und schreiben daher A = P \H.Sei weiterhin s ∈ L \ {0}. Für v ∈ H0(P,O(1)) ist

v

s: L→ H0(P,O(1))

diejenige lineare Abbildung mit vs(s) = v. Diese Abbildung induziert eine lineare Abbil-

dungH0(P,O(d))→ H0(A,O), v1 · · · vd 7→

v1

s· · · vd

s,

welche wir f 7→ fsd

schreiben. Diese Abbildung ist ein Isomorphismus auf Fd H0(A,O).Die Umkehrung ist durch

Fd H0(A,O)→ H0(P,O(d)), w1 · · ·wd 7→ w1(s) · · ·wd(s)

gegeben, wobei die wi Elemente in L−1 H0(P,O(1)), also lineare Abbildungen L →H0(P,O(1)) sind. Ist ξ = [λ] ∈ P \H und fassen wir ξ als Punkt in A auf, so ist

f

sd(ξ) = f(λ)

sd(λ) .

20

Beispiel 1.60. Sei (z0, . . . , zn) eine Basis von H0(P,O(1)), so daß L = z0K. Damit könnenwir s = z0 wählen. Es bilden wi := zi

z0mit i = 0, . . . , n eine Basis von F1 H0(A,O).

Außerdem istH0(A,O) = K

[z1

z0, . . . ,

znz0

].

Die behauptete Isomorphismus ist durch

H0(P,O(d)) = K[z0, . . . , zd]→ Fd H0(A,O), f 7→ f(1, z1

z0, . . . ,

znz0

)gegeben.Sei F ⊂ H0(P,O(d)) ein Untervektorraum von Polynomen vom Grad d. Dann ist

F |A ={f

sd| f ∈ F

}⊂ Fd H0(A,O)

ein Untervektorraum, welcher unabhängig vom gewählten s ∈ L\{0} ist. Wir nennen F |Adie Einschränkung von F auf A. Nach den vorangegangenen Überlegungen existiert zujedem Untervektorraum G ⊂ Fd H0(A,O) genau ein Untervektorraum F ⊂ H0(P,O(d))mit F |A = G. Wir nennen F die Homogenisierung von G. Es gilt dann

A ∩ Z(F ) = Z(F |A),

denn ist ξ = [λ] ∈ A, so ist

f(λ) = 0 ⇐⇒ f

sd(ξ) = 0.

Daraus können wir folgern, daß die Menge der affinen Untervarietäten von A gerade dieMenge der Schnitte der projektiven Untervarietäten von P mit A ist.Bemerkung 1.61. Sei n = dim P. Wählen wir n+1 unabhängige Hyperebenen H0, . . . , Hn

in P (das heißt die assoziierten Punkte im dualen projektiven Raum P∨ sind unabhängig),so ist H0∩· · ·∩Hn = ∅, das heißt der projektive Raum P wird von n+1 affinen Räumenüberdeckt, nämlich von den P \Hi. Wir können eine Basis (z0, . . . , zn) von H0(P,O(d))wählen, so daß Hi = Z(zi). Wir schreiben Ai := P\Hi. Sei Z ⊂ P eine Teilmenge, so daßAi∩Z für alle i eine affine Untervarietät von Ai ist. Wir behaupten, daß daraus folgt, daßZ eine projektive Untervarietät von P ist: Zunächst ist Ai ∩ Z als affine Untervarietätder Schnitt von Ai mit einer projektiven Untervarietät Zi von P. Indem wir von Zieventuell auf Zi ∪ Hi übergehen, können wir davon ausgehen, daß Hi ⊂ Zi. Dann istZ = Z0 ∩ · · · ∩ Zn, denn der Schnitt der rechten Seite mit Ai ist Ai ∩ Z und die Ai

überdecken P. Wir sagen daher auch, daß eine Teilmenge von P, welche lokal eine affineVarietät ist, eine projektive Untervarietät ist.

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