25
ISBN Print: 9783525300244 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 2: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 3: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Bilder,die Geschichte

schrieben1900 bis heute

Herausgegeben von Gerhard Paul

Vandenhoeck & Ruprecht

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 4: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

UmschlagabbildungStudenten in Rio de Janeiro protestieren gegen Korruptionin der Regierung; © Ricardo Funari / BrazilPhotos

Mit 196 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-525-30024-4

© 2011 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, GöttingenVandenhoeck & Ruprecht LLC, Oakville, CT, U.S.A.Internet: www.v-r.deAlle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf dervorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.Printed in Germany.

Satz: Dörlemann Satz, LemfördeDruck und Bindung: Göttinger Tagesblatt Mediengruppe, Druckhaus Göttingen

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 5: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

5 Inhalt

Inhalt

Bilder, die Geschichte schrieben.Medienikonen des 20. u. beginnenden21. JahrhundertsEinleitung 7Gerhard Paul

Der Mann mit dem AdlerhelmWilhelm II. – Medienstar um 1900 18Martin Kohlrausch

Der Untergang der TitanicModellkatastrophe und Medienmythos 26Günter Helmes

Die «weiße Dame»Eine Frauenfigur der Werbung im Wandelder Zeit 34Martina Heßler

Josephine BakerDie Sexikone der Zwischenkriegszeit 42Annette Dorgerloh

ReichsparteitagDer Massenkörper als visuelles Versprechender «Volksgemeinschaft» 50Paula Diehl

Migrant MotherEine Ikone der Großen Depression 60Thomas Hertfelder

The Falling SoldierEine politische Ikone des 20. Jahrhunderts 70Irme Schaber

Picassos GuernicaVom propagandistischen Auftragsbild zurpolitischen Ikone 80Otto Karl Werckmeister

LakehurstDie Havarie als Medienereignisund die Ikonografie der Katastrophe 88Gerhard Paul

LeidDmitri Baltermanz’ Foto der Bergung vonErmordeten auf Kertsch 1942 98Peter Jahn

Der Junge aus dem Warschauer GettoDer Stroop-Bericht und die globalisierteIkonografie des Holocaust 106Christoph Hamann

Iwo JimaDie patriotische Siegesikone der USA 116Jost Dülffer

Torhaus Auschwitz-BirkenauEin Bild macht Geschichte 124Christoph Hamann

«Mushroom Clouds»Bilder des atomaren Holocaust 132Gerhard Paul

DoppelhelixDie Karriere eines Wissenschaftsbildes 140Martina Heßler

MarilynDiva und Sexikone der 50er Jahre 148Elisabeth Bronfen

Der «Käfer»Die Ikone des Wirtschaftswunders 156Erhard Schütz

CheEine globale Protestikonedes 20. Jahrhunderts 164Stephan Lahrem

Der JahrhundertmordAttentat vor laufender Kamera 172Sibylle Machat

MaoDas Porträt als Reliquie und Pop-Ikone 180Gerhard Paul

Sgt. Pepper & Co.Plattencover als Ikonen der Popkultur 188Detlef Siegfried

Der Schuss von SaigonGefangenentötung für die Kamera 196Stephan Schwingeler und Dorothée Henschel

«Die Macht der Ohnmächtigen» im BildDie Ikone des Prager Frühlingsaus Bratislava 204Elena Demke

«Der Mond ist ein Ami»Bilder der Mondlandungund die Inszenierung der Wissenschaft 212Martina Heßler

Das Mädchen Kim PhúcEine Ikone des Vietnamkriegs 220Gerhard Paul

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 6: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Inhalt 6

Der Tank ManWie die Niederlage der chinesischenProtestbewegung von 1989 visuell in einen Siegumgedeutet wurde 228Benjamin Drechsel

Der Fall der MauerBilder von Freiheit und/oder Einheit 236Godehard Janzing

MadonnaDie Konstruktion einer Popikoneim Musikvideo 244Jan-Oliver Decker

Lara CroftDie virtuelle Ikone der Mediengesellschaft 252Astrid Deuber-Mankowsky

Johannes Paul II.Der Schmerzensmann 260Petra Dorsch-Jungsberger

Aufmerksamkeitsterror 20019/11 und seine Inszenierung als Medienereignis 268Stephan Weichert

Der «Kapuzenmann»Eine globale Ikone des beginnenden21. Jahrhunderts 276Gerhard Paul

TsunamiBilder einer Katastrophe 284Martin Hellmold

Die Autorinnen und Autoren 293

Bildnachweis 295

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 7: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

7 Bilder, die Geschichte schrieben

Bilder, die Geschichte schriebenMedienikonen des 20. und beginnenden 21. JahrhundertsEinleitung

von Gerhard Paul

Bereits der Titel unseres Bandes verweist auf die kom-plexe Kraft von Bildern, die sich in dreifacher Weiseauszeichnet: zunächst sind Bilder in der Lage, gestal-tend in den historischen Prozess einzugreifen, Ge-schichte zu machen; sodann besitzen sie die Fähigkeit,den Prozess der Erinnerung an eben diese Geschichtezu formen, d.h. Geschichte im wörtlichen Sinne zuschreiben, und schließlich verfügen sie über eineeigene Geschichte, eine Bildgeschichte. Damit sind sienicht nur Abbildung von etwas, als die sie der Histori-ker gerne nutzt.

In der modernen Mediengesellschaft des 20. Jahr-hunderts waren es besondere, technisch und elektro-nisch generierte Bilder, die die Kraft besaßen,Geschichte zu machen und zu schreiben. Aufgrundihrer Reproduzierbarkeit und Verbreitungsgeschwin-digkeit waren sie zugleich in der Lage, Gesellschaftenzu durchdringen und Grenzen zu überspringen, alsotendenziell omnipräsent und global zu sein. Für dieseneue Qualität der Bilder hat sich in den letzten Jahrender Begriff «Medienikone» durchgesetzt. Von denBildern oder Ikonen der Bildenden Kunst unterschei-den sich Medienikonen vor allem dadurch, dass sichdie Eigenheiten und Gesetzmäßigkeit ihrer medialenBildträger strukturell in sie eingeschrieben haben. Essind somit vor allem nach kommerziellen Aspektenhandelnde Medien, die mit ihren BilderzeugnissenPolitik und Erinnerung beeinflussen. Diese komplexeund besondere Kraft der Medienikonen des 20. undbeginnenden 21. Jahrhunderts ist Gegenstand diesesBuches.

y Im «Bilder-Tsunami»

Nie zuvor haben sich die Zahl und der Status der Bil-der so rasant verändert wie in den letzten Jahrzehnten.Kamen Bilder noch im 19. Jahrhundert eher selten vorund waren weitgehend dem Ritual, später dann derHochkunst und dem Museum vorbehalten, sind wirim Zeitalter von Kino, Fernsehen und Internet alltäg-lich von Myriaden von Bildern umgeben. Sie dringenheute in alle Segmente unseres Alltags ein. Mit Hilfevon Bildern werden Nachrichten vermittelt; Infogra-fiken sind aus den Printmedien nicht mehr wegzu-denken; Geschichtsbücher mutieren zu Bildbänden;bildgebende Verfahren prägen die medizinische Diag-

nostik; das Fernsehen wandelt sich zum hundert-kanäligen Unterhaltungsmedium; Großbildleinwändewerben für die neuesten Produkte oder senden «Brea-king News»; Handys versenden Kurzfilme fast schonin Echtzeit. Das 20. Jahrhundert ist zum «Jahrhundertder Bilder» geworden und dies sowohl quantitativ, wasdie Zahl der Bilder betrifft, als auch qualitativ, wasihre Bedeutung in den unterschiedlichen gesellschaft-lichen Bereichen angeht. Aus der oft zitierten «Bilder-flut» des 20. Jahrhunderts ist ein «Bilder-Tsunami» ge-worden.

Bilder sind zu einem zentralen, nicht mehr weg-zudenkenden Faktor in Wirtschaft und Werbung, inMedizin und Wissenschaft, in Politik und Nachrich-tenkommunikation sowie bei der Überwachung desöffentlichen Raumes geworden. Längst sind sie auchmilitärische Waffen, mit deren Hilfe Kriege geführtwerden, und kommerzielle Waren, mit denen Milliar-den verdient werden.

Bereits zu Beginn der 1960er Jahre diagnostizierteMarshall McLuhan (1962) das Ende der durchdie Schriftkultur geprägten «Gutenberg-Galaxis». Zurgleichen Zeit sprachen andere vom «optischen Zeital-ter» als «Grundzug der Epoche» (Pawek 1963). NachMeinung von Gottfried Boehm (1994) befinden sichdie modernen Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundertim Prozess einer «ikonischen Wendung», durch diedas Kunstwerk seine Aura verliert und zum massen-medialen Bild wird. Begleitet wurde und wird dieseWende von einem verstärkten Nachdenken über denStatus der Bilder in der modernen Mediengesellschaft.Seit dem byzantinischen Bilderstreit und den Bilder-stürmen der radikalprotestantischen Bewegungen,so jüngst Horst Bredekamp, sei nicht «in derselben In-tensität über den Status des Bildes nachgedacht wor-den wie in den letzten vier Jahrzehnten» (2007, S. 14).Die Folgen dieses Bedeutungszuwachses der Bilderund des Nachdenkens über ihren Status werdenseit einigen Jahren unter den Begriffen «iconic turn»(Boehm) bzw. «pictural turn» (W.J.Thomas Mitchell)diskutiert. Unter dem Titel «Visual History» hat dieser«turn» auch die Geschichtswissenschaft und die Ge-schichtsdidaktik erreicht, die sich zunehmend Bildernauch als Aktiva des historischen Prozesses und der Er-innerung zuwenden (Paul 2006, 2010). Ein Ausdruckdieser Perspektivenerweiterung ist der vorliegendeBand.

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 8: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Gerhard Paul 8

y Ikonen der Moderne

Aus den Myriaden der uns alltäglich umgebenden Bil-der ragen einzelne Bilderzeugnisse, zunehmend auchBildsequenzen heraus, an die sich die Erinnerung hef-tet, die eine größere Erinnerungskraft besitzen als an-dere, die ständig zitiert und reproduziert, verehrt undverteidigt, aber auch attackiert werden. Es sind Bildermit Ikonenstatus, gleichsam moderne Heiligenbildermit Wirkungsgarantie.

Unter den vom griechischen Wort eikfiya, ikóna,«Bild», «Abbild» abgeleiteten Begriff «Ikone» werdentraditionell Kult- und Heiligenbilder der orthodoxenOstkirche, besonders des byzantinischen Ritus ver-standen. Der primäre Zweck der zumeist auf Holz ge-malten Heiligenbilder ist es, eine Verbindung zwi-schen dem Betrachter und dem Dargestellten unddamit zu Gott herzustellen. Die Motive dieser Heili-gendarstellungen sind durch einen Bilderkanon vor-gegeben, so dass diese wiederum als Vorlage für an-dere Ikonen verwendet werden können. Die Figurensind häufig frontal und axial, d.h. entlang einer Achsedargestellt, wodurch der Blick des Betrachters in derRegel auf Gesicht und Augenpaar des/der Abgebilde-ten gelenkt wird und dadurch eine unmittelbareBeziehung zwischen Bild und Betrachter aufbaut. An-ders als im heutigen Gebrauch des Begriffs beanspru-chen Ikonen, nicht authentisch zu sein. Farben, Figu-ren und Bildhintergrund besitzen eher symbolischeBedeutung.

In Kenntnis der Bedeutung, die Bilder in der mo-dernen Mediengesellschaft gewonnen haben, ist derBegriff «Ikone» in der Umgangssprache seit etwa zweiJahrzehnten aus seinem eng definierten Zusammen-hang mit den Heiligenbildern der Ostkirche herausge-löst worden. Als «Ikonen des 20. Jahrhunderts»werden heute u.a. Persönlichkeiten aus Kunst, Sport,Politik und Wissenschaft bezeichnet (Caddy 1990).Wir sprechen von Sex- und Werbeikonen. Playboy-Gründer Hugh Hefner erkor so etwa Marilyn Monroezur «größten Sex-Ikone des 20. Jahrhunderts». DieCoca-Cola-Flasche avancierte zur «Werbeikone des20. Jahrhunderts». Wegen seines einzigartigen De-signs geriet der VW-Käfer zur «Ikone des Designs».Madonna, selbst der Papst und Sigmund Freud wur-den zu «Pop-Ikonen» des Jahrhunderts erklärt. DasUS-Magazin Variety wählte 2005 die Beatles auf Platz 1der «icons of the century». Der inflatorische Gebrauchdes Begriffs reicht weiter. Aus Bildern des Nazi-Ter-rors wie den Aufnahmen der aus ihren Verstecken imWarschauer Getto gezerrten Juden oder den Fotogra-fien der Leichenberge aus den befreiten Konzentra-tionslagern wurden «Ikonen der Vernichtung» (Brink1998). Der Holocaust gilt als «Ikone des Negativen»schlechthin. Auch die einzelnen Medien selbst habenwiederum ihre eigenen Ikonen geschaffen, so dass

etwa von «Ikonen» der Pressefotografie oder jenen derFilmgeschichte die Rede ist. Wenn sich diese Bilderdann auch noch in das kollektive Bildgedächtnis ein-schreiben, wird von «Ikonen des Bildgedächtnisses»gesprochen (Kirschenmann/Wagner 2006).

Bezeichnungen und Praktiken wie diese verweisendarauf, dass wir es im 20. Jahrhundert nicht nur allge-mein mit einer «ikonischen Wendung» zu tun haben,sondern mit einer regelrechten Renaissance von Iko-nen, genauer: von medialen Bildern, von Medieniko-nen mit einer besonderen, die Erinnerung prägendenkulthaften Bedeutung. Hatte Walter Benjamin (1963)mit dem Siegeszug der modernen Reproduktionstech-niken Fotografie und Film 1936 noch den «Verlustder Aura» des Kunstwerks, gleichsam eine Ent-Ikoni-sierung der Gesellschaft, beklagt, lässt sich in denmassenmedialen Bildkulturen das 20. Jahrhundert ge-radezu gegenläufig eine «Wiederentdeckung des Iko-nischen» beobachten (Fahlenbrach 2010, S. 59). Zwarunterschieden sich Erscheinungsweisen, Funktionenund Verwendungsweisen religiöser Ikonen in vielerleiHinsicht grundsätzlich von denen moderner Bildkul-turen, dennoch, so Kathrin Fahlenbrach, hätten sichin der Geschichte der technischen Massenmedien«Formen der Ikonisierung von Bildern entwickelt, indenen einzelne Bilder eine Aura des Mythischen er-langen, die übergeordnete Werte und Sinndeutungs-muster symbolisch verdichten und zugleich als au-thentischer Bestandteil eines Kollektiverlebnisseswahrgenommen werden» (ebd.).

Ähnlich den «klassischen» Ikonen besitzen die me-dialen Ikonen der Gegenwart einige gemeinsame Cha-rakteristika. So sind sie in der Regel mit bedeutendenPersönlichkeiten und/oder dramatischen Ereignissender Geschichte wie Wendepunkten, Umbrüchen undKatastrophen verknüpft. In ihnen verdichten sichÄngste, Hoffnungen, Leidenschaften zu Symbolenmenschlichen Seins. Dadurch besitzen sie zugleicheinen über das abgebildete Ereignis oder die abgebil-dete Person hinausweisenden Symbolgehalt. Durchihre herausragenden gestalterischen Qualitäten, d.h.durch ihr ikonisches Potenzial, prägen sie sich den Be-trachtern ein. Auf diese Weise können sie zu Kristalli-sationspunkten kollektiver Identität und Erinnerungmit einem hohen Wiedererkennungswert aufsteigen.Bereits die Nennung einer auf dem Bild dargestelltenPerson oder eines Ereignisses vermag die visuelle Er-innerung an diese zu aktivieren; sie stehen als Bilderunmittelbar vor Augen.

Von ihrem Entstehungsprozess her lassen sich Iko-nen der Bildenden Kunst und Ikonen der modernenMassenmedien unterscheiden. Als «Superikonen»oder «superlativische Bilder» der Kunst, die sich überJahrhunderte bzw. Jahrzehnte nachhaltig in das kol-lektive Gedächtnis eingebrannt haben und durch Kör-perhaltung und Blick – vergleichbar dem byzantini-

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 9: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

9 Bilder, die Geschichte schrieben

schen Bilderkanon – selbst wiederum zum Vorbild fürzahlreiche andere Bildschöpfungen geworden sind,gelten etwa die Pietá des Michelangelo im Peters-dom zu Rom (1498/99) oder die «Mona Lisa» vonLeonardo da Vinci (um 1510) im Pariser Louvreals Meisterwerke der Renaissance, «Der Schrei» vonEdvard Munch (1893) im Osloer Munch-Museum alsMeisterwerk des Expressionismus des ausgehenden19. Jahrhunderts oder zeitgenössisch Pablo PicassosMonumentalgemälde «Guernica» (1937) im MuseoReina Sofia in Madrid. Ihre beständige technische Re-produktion hat auch sie längst zu Medienikonen wer-den lassen.

Unter diesem Begriff verstehen wir Produktionender technischen, elektronischen und digitalen Me-dien, die durch die Art ihrer Gestaltung, ihren überdas abgebildete Ereignis hinausweisenden symboli-schen Mehrwert und die Weisen ihrer Reproduktionals visuelle Bollwerke der Erinnerung aus der geschil-derten Bilderflut herausragen (Viehoff/Fahlenbrach2003, 2005). Für den Betrachter in der Regel nichterkennbar, haben sich in diese Bilder mediale Techni-ken, Formate und Gesetze wie Retusche, Beschnittund Inszenierung sowie Plots der Personalisierung,Emotionalisierung und Dramatisierung eingeschrie-ben. Ob ein Bild wie das Foto des «Napalm-Mäd-chens» Kim Phúc aus dem Vietnamkrieg beschnittenund retuschiert wurde, ob ein Bild wie das der Flag-genhissung auf der Pazifik-Insel Iwo Jima eigens fürdie Fotografen «gestellt» oder eine digitale Aufnahmeam Computer nachträglich «bearbeitet» wurde, bleibtdem Betrachter in aller Regel verborgen, obwohl sichdadurch die Aussage eines Bildes nicht unwesentlichändern kann.

Im Einzelnen können wir verschiedene Typen vonMedienikonen unterscheiden: «politische Ikonen»,auf denen sich bedeutende Politikerpersönlichkeitendes Jahrhunderts wie Wilhelm II., Adolf Hitler,Mao Zedong oder Che Guevara abgebildet finden;«Ereignisikonen», die herausragende Ereignisse wieden Absturz des Luftschiffs «Hindenburg» 1937, dieZerstörung der Twin Towers 2001 oder die Opfer desTsunami 2004 festhalten; «Ikonen der Popkultur»mit den Konterfeis der Titanen des Pop wie MarilynMonroe, den Beatles, Madonna und Michael Jackson;«Werbeikonen» wie dem Bild der Persilfrau, der Coca-Cola-Flasche oder dem des VW-Käfer; «kulturelleIkonen», auf denen Wissenschaftsbilder wie etwa dieZeichnung der DNA zu sehen sind. Mit dem Siegeszugdes Fernsehens haben sich zu diesen zumeist fotogra-fischen Ikonen bzw. Standbildern verstärkt auch ein-zelne Filmsequenzen mit ikonischem Status geselltwie die Aufnahmen des Zapruder-Videos vom Atten-tat auf John F. Kennedy 1963 in Dallas, die Fernseh-bilder von der Landung der US-Astronauten 1969 aufdem Mond sowie die Endlosschleifen vom Anflug des

gekaperten zweiten Flugzeuges am 11. September2001 auf den Südturm der New Yorker Twin Towers.Zumeist sind es aber Standbilder aus diesen Filmen,sogenannte «Stills», die zu Ikonen des kulturellenBildgedächtnisses werden. Auch das digitale Zeitalterhat in der Zwischenzeit seine ersten virtuellen Ikonen,die über kein Analogon mehr in der materiellen Rea-lität verfügen, herausgebildet. Zu nennen ist hier etwadie Fantasiefigur der Lara Croft.

Auch Medienikonen können zu «Superikonen»werden, indem sie entweder direkt auf das «superlati-vische Bild» des gekreuzigten oder leidenden Christusverweisen wie die digitale Fotografie des «Kapuzen-mannes» von Abu Ghraib, oder nachweislich Ikonennachgebildet sind und als solche verehrt werden wiedas staatsoffizielle Porträt Mao Zedongs auf dem Tia-nanmen Platz, das als «Mona Lisa Chinas» oder «MonaLisa der Weltrevolution» zunehmend mit der Super-ikone der abendländischen Malerei verglichen wird.

Wie alle Bilder sind Medienikonen immer Abbildund Bild zugleich. Nur aufgrund ihrer Eigenschaft,Bild zu sein, sind sie überhaupt in der Lage, Wirkun-gen zu entfalten. Wie ihre religiösen Vorläufer verfü-gen Medienikonen zudem über einen besonderenDoppelcharakter: sie sind authentisches Abbild eineskollektiv erlebten Ereignisses oder einer Person; zu-gleich besitzen sie eine eigene Bildgeschichte, die ihreDeutung vorgibt und die sich zunehmend über dasauthentische Abbild legt. Durch die massenmedialeVerbreitung und ihren Gebrauch verändern sich Be-deutung und Wahrnehmung der Medienikonen indesbeständig, koppeln sich von ihrem spezifischen Ent-stehungskontext ab und beginnen ein Eigenleben zuführen.

Wie ihre religiösen Vorläufer können auch Me-dienikonen religiösen Status gewinnen und zu moder-nen Heiligenbildern werden, die sich einem rationa-len Diskurs entziehen, an die nur mehr geglaubt wird,die nur mehr verehrt werden. Hierfür sind die Por-trät-Bilder Maos und Che Guevaras geradezu typisch.Religiösen Reliquien ähnlich wurden diese bei De-monstrationen mitgetragen und kultisch verehrt. Vonihrem Abbild versprach man sich Wunderheilungen.Auch dem Pressefoto des «Napalm-Mädchens» KimPhúc aus dem Vietnamkrieg wurden geradezu mysti-sche Kräfte zugesprochen. Bis heute glaubt man, die-ses Bild habe dazu beigetragen den Vietnamkrieg zubeenden. Gegen alle Bedenken verteidigte man dasFoto als Symbolbild der Verbrechen der USA in Süd-ostasien, obwohl es nachweislich mit dem Krieg derAmerikaner nur wenig zu tun hatte. Bildanthologienund Fernsehsendungen wie die ZDF-Serie «Die Bilderdes Jahrhunderts», verstärkt noch durch den pasto-ralen Ton des Sprechers, gerieten zu Dogmensamm-lungen einer geradezu kultischen Überhöhung dieserBilder (Knopp 1994, 2003). Und wie die klassischen

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 10: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Gerhard Paul 10

Ikonen der byzantinischen Kirche wurden zahlreicheMedienikonen des 20. Jahrhunderts immer wieder ko-piert und reinszeniert.

Neben ihrer besonderen bildlichen Potentia, die siemit ihren religiösen Vorbildern teilen, unterscheidensich Medienikonen von diesen durch zwei Eigenschaf-ten: durch ihre technische und elektronische Mediali-tät, die zugleich ihre Transmedialität befördert, sowiedurch die beständige Bezugnahme auf sie in der mo-dernen Gedächtnis- und Erinnerungspolitik. Um dieWirkungsmacht von Medienikonen im historischenProzess wie in der Erinnerung zu bestimmen, bedarfes daher eines transdisziplinären Zugriffs, den ich an-dernorts als «Visual History» beschrieben habe (Paul2006, 2010). Die Medienwissenschaft rekonstruiertdabei die Wege, wie Bilder zu Medien werden, wie undwarum sie ihr Medium wechseln und enge Kultur-räume überwinden. Die Kunstgeschichte hilft zu klä-ren, worin die besondere Triebkraft von Bildern be-steht und warum einzelne Bilder «aus dem Rahmenfallen». Die moderne Geschichtswissenschaft und dieGeschichtsdidaktik schließlich fragen danach, wie,warum und mit welchen Folgen sich Politik und Ge-dächtnispolitik bestimmter Bilder bedienen. Einersolchen transdisziplinären Betrachtung der «Bilder,die Geschichte schrieben» ist auch der vorliegendeBand verpflichtet.

y Medialisierung, Kanonisierung,Entkontextualisierung

Damit Bilder mediengeschichtlich überhaupt zu Me-dienikonen werden konnten, bedurfte es neben derErfindung des Fotoapparates und der Filmkamerazunächst der Möglichkeit ihrer massenmedialen Re-produktion und Verbreitung. Ein ganzes Bündel vonVoraussetzungen musste vorhanden sein, damit diesein die Lage versetzt werden konnten, Gesellschaftenzu durchdringen und Ozeane zu überwinden – publi-zistisch: die Etablierung illustrierter Zeitungen undentsprechender Formate wie der Bildreportage unddem Bildessay; drucktechnisch: die Erfindung desAutotypie-Rasterdruckverfahrens, wodurch Fotogra-fien überhaupt erst in Zeitungen abgedruckt werdenkonnten; übertragungstechnisch: Erfindungen im Be-reich der Fernübertragung von Bildern durch elektri-sche Signale, d.h. der Bildtelegrafie und des Bildfunks;organisatorisch: die Gründung national und inter-national tätiger Distributionsagenturen, d.h. Bilder-dienste und Bildagenturen. Alle diese Voraussetzun-gen zusammengenommen waren erst Mitte der 1930erJahre gegeben, so dass die Aufnahme des Presse-fotografen Sam Shere vom Absturz des Luftschiffs«Hindenburg» 1937 in Lakehurst vielleicht die erste

Medienikone überhaupt war, die in kürzester Zeittransnational bzw. transatlantisch aus der Fülle derAufnahmen herausragte und zum Sinnbild der Kata-strophe wurde. Nicht zufällig stammen auch einigeandere Bilder unserer Auswahl wie Robert Capas«Falling Soldier» und Dorothea Langes Fotografie«Migrant Mother» aus der Zeit Mitte der 1930er Jahre.Als erste wirklich global zirkulierende Aufnahmen mitIkonenstatus können die Standbilder des Zapruder-Videos vom Attentat 1963 auf John F. Kennedy sowiedie Bilder der Mondlandung von 1969 angesehenwerden. Mit den digitalen Übertragungstechnikenschließlich zirkulieren Bilder seit den 1990er Jahrenglobal und in denkbar kürzester Zeit um den Erdball.Die Aufnahmen vom Angriff auf die Twin Towers unddie Folterbilder aus dem US-Gefängnis in Abu Ghraibavancierten auf diese Weise zu den ersten ikonischenBildclustern des digitalen Zeitalters. Der amerikani-sche Bildtheoretiker William J.T. Mitchell (2004) cha-rakterisierte das Foto mit dem Gefangenen auf derKiste denn auch als «a historical marker» und «theglobally circulated icon of the war in Iraq. It has beentransmitted to every corner of the world». KathrinFahlenbrach (2010, S. 70) zählt das Foto zu den «Me-dienikonen des digitalen Zeitalters».

Die synchrone, d.h. die gleichzeitige Reproduktionin den diversen medialen Teilkulturen allein reicht in-des nicht aus, um aus Bildern moderne Ikonen wer-den zu lassen (Viehoff/Fahlenbrach 2005, S. 371f.).Erst die diachrone, d.h. die zeitlich nachfolgendeNutzung und Re-Inszenierung in Kunst und Kultur(die kulturelle Kanonisierung), die Verbreitung in derKonsum- und Alltagskultur (die ökonomische Kano-nisierung), die Etablierung als Gegenstand von politi-schen Kampagnen (die politische Kanonisierung) so-wie vor allem die massenhafte und kontinuierlicheAneignung des Bildes durch die Rezipienten und seineNutzung im alltäglichen, sozialen, kulturellen undpolitischen Leben als Gebrauchsgegenstand, Protest-symbol, Anschauungsobjekt in Ausstellungen undMuseen entscheiden darüber, ob Bilder überhaupt zuIkonen werden und wie intensiv sie Zugang zum indi-viduellen wie zum kollektiven Gedächtnis finden. AlsBeschleuniger dieser diachronen Kanonisierung wir-ken populäre Buch- und Zeitschriftencover, Bild-dokumentationen und -chroniken, Fernsehsendun-gen sowie neuerdings auch Websites wie Wikipedia.

Im digitalen Zeitalter hat der Umgang mit Bilderninsgesamt eine neue Qualität gefunden. Dies dürfteAuswirkungen auf die Entstehung von Medienikonenhaben. Nicht nur, dass Amateure zunehmend an dieStelle von Bildprofis treten und mit ihren schnellendigitalen Aufnahmen eine Entprofessionalisierungdes Bildjournalismus befördern, mit den unendlichenVerbreitungswegen des Netzes lassen sich die Wegeder Bilder nicht mehr nachverfolgen. Sie flottieren frei

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 11: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

11 Bilder, die Geschichte schrieben

im Netz und erhalten je nach Gebrauch die unter-schiedlichsten Zuschreibungen.

Mit der drucktechnischen, potenziell unendlichenReproduzierbarkeit der Bilder im Allgemeinen undder Medienikonen im Besonderen sowie ihrer Distri-bution durch Bildagenturen und das World Wide Webwurde das ursprünglich ortsgebundene fotografischeUnikat tendenziell orts- und heimatlos. Es begannauf «Weltreise» zu gehen und wurde für vielfältigsteZwecke verwendbar. In diesem Prozess lösten sich dieMedienikonen zunehmend aus ihrem konkreten his-torischen und kulturellen Entstehungskontext, sieverselbständigten sich zu allgemeinen Symbolen undFormeln, sprangen auf andere mediale Bildträger überund veränderten dabei ihre Bedeutung. Rolf Sachsse(2010) hat in diesem Zusammenhang eine «medialepositive Transformation» dieser Bilder ausgemacht.Einer der schlimmsten Diktatoren des 20. Jahrhun-derts wie Mao Zedong geriet auf diese Weise zum Pop-star der Linken, später zum Talisman der Chinesen.Aus dem Napalm-Opfer Kim Phúc wurde ein positivesSymbol des Friedens und der Versöhnung. Das Fotoder explodierenden «Hindenburg» geriet zum Erken-nungszeichen einer Kult-Band. Das stilisierte Konter-fei der Polit-Ikone Che Guevara findet sich in derZwischenzeit «millionenfach auf T-Shirts, Postern,Kaffeetassen und Uhren. Wer sich heute mit solchenAccessoires ausstattet, ist in aller Regel kein ‹Gueva-rista› mehr, keiner, der mit der Waffe in der Hand ge-gen die Unterdrückung in der Welt kämpfen will.‹Che› ist längst zu einer Ikone geworden, mit der zuzieren politisch zu nichts verpflichtet und doch nochimmer einen kommerziellen oder ideellen Gewinnverspricht,» so Stephan Lahrem in seinem Aufsatz indiesem Band.

Verstärkt werden solche Transformationsprozessedurch die marktabhängigen Formen der Bildverwen-dung durch Agenturen und Zeitschriften, welche dieEntkontextualisierung der Bilder zu einem zentralenCharakteristikum von transnationalen und globalenMedienikonen werden lassen. Um möglichst viele Ab-nehmer zu finden und damit Einnahmen zu erzielen,müssen die Bilder dekontextualisiert, d.h. aus demsozialen Kontext herausgelöst werden. Wie sich anetlichen Beispielen dieses Bandes nachverfolgen lässt,werden dabei das historisch Spezifische und der geo-grafische Ort eines Bildes zu vernachlässigenden Grö-ßen. Diese Entkontextualisierung artikuliert sich u.a.in immer knapperen, oftmals ungenauen bzw. fal-schen Bildlegenden, mit denen die Agenturen ihre Bil-der anbieten und bewerben. Auch in der Publikations-praxis werden fotografische Ikonen immer stärkerihres konkreten raum-zeitlichen Kontextes beraubt,beschnitten und auf das scheinbar Wesentliche redu-ziert. Wie Kapital und Arbeit zirkulieren Bilder heute,von Ort und Zeit befreit, um den Erdball. Durch die

Logik der Distribution, durch Mobilität und Multipli-kation, werden sie aus der Aura der Nahgesellschaft injene der Ferngesellschaft geschleudert und dabei dis-lokiert. Ortlosigkeit und Bilderfülle sind daher zweiSeiten ein- und derselben Medaille (Weibel 2004).

Mit der Vielzahl der Bilder vom selben Geschehenin Fernsehen und Internet zerstreut sich zugleich dieAufmerksamkeit und diversifizieren sich die Zuschrei-bungen, was die «Ikonisierung einzelner Bilder immerschwieriger» macht (Fahlenbrach 2010, S. 68). Viel-leicht war das Bild des «Kapuzenmanns» daher dieerste wirkliche globale Echtzeit-Ikone des digitalenZeitalters und zugleich eine ihrer letzten. Parallelzur massenhaften Nutzung von Bildbearbeitungspro-grammen stiegen in den letzten Jahren zugleich dieZweifel an der Authentizität der visuellen Medien-erzeugnisse – ein Prozess, der eben erst begonnenhat und dessen Langzeitwirkungen noch völlig unbe-stimmt sind.

y «Pathosformeln» und die «Triebkraftder Form»

Zuvorderst sind es natürlich eine bestimmte Personoder ein Ereignis, die Aufmerksamkeit finden und derAbbildung wert erscheinen: eine herausragende Per-sönlichkeit, eine Katastrophe, eine Revolution, einAlltagsdrama usf. Um aus der Masse der gleichzeitiggemachten Abbilder dieser Personen oder Ereignisseherauszuragen, muss das Bild als Bild «aus dem Rah-men fallen». Es darf daher nicht nur passiv verdop-peln, sondern muss dem Betrachter – ob dem Foto-grafen beim Entwickeln seines Filmes oder demLayouter am Leuchttisch, ob dem Passanten auf derStraße oder dem Fernsehzuschauer zuhause am Bild-schirm – unmittelbar, oft im Bruchteil einer Sekunde«ins Auge springen». Mit dieser Formulierung ver-weist die Umgangssprache auf die besondere Kraft,das ikonische Potenzial des Bildes, das den Blick desBetrachters von sich aus sucht, ihn gleichsam an-springt. Hierdurch erzeugt das Bild zugleich etwasNeues mit einer eigenen Aussage und Bedeutung, dieüber die Abbildung hinausweist.

Das zentrale «Symbolmedium» unserer primärchristlich geprägten Kultur ist der menschliche Kör-per (Krois 2002). Seit Aby Warburg wissen wir, dassbestimmte, emotional aufgeladene figurale Dar-stellungen, sogenannte «Pathosformeln», die bestenGaranten für das Wirkungspotential von Bildern imAllgemeinen und von Medienikonen im Besonderendarstellen. Sie sind der «Treibstoff der Bildenergie»(Schulz, 2005, S. 35f.), gleichsam magisch wirksameErregungsbilder, die sich unabhängig vom jeweiligenhistorischen Kontext und Bildträger durchzusetzen

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 12: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Gerhard Paul 12

vermögen. Zahlreiche solcher Pathosformeln findensich in den körpersprachlichen Darstellungsformender christlichen Ikonografie, etwa im Bild des Gekreu-zigten, in der Darstellung Marias als leidende Muttermit dem Leichnam des vom Kreuz genommenenJesus, der Pietà, oder in der biblischen Allegorie desungleichen Kampfes zwischen David und Goliath. Dieikonische Energie dieser in der Kunstgeschichte seitlangem und vielfach etablierten Pathosformeln hatsich über Zeiten und Räume und durch unterschied-liche mediale Träger hindurch bis hinein in die Ikonender Moderne fortgesetzt, die oft nur unbewussteBildzitate dieser älteren Darstellungen sind. Im«Kapuzenmann» von Abu Ghraib spiegelt sich so das«superlativische Bild» des Gekreuzigten. Das Foto destodkranken Papstes Johannes Paul II. verweist auf dasin der Kunstgeschichte bekannte Motiv von Christusals «Schmerzenmann». Das Personenensemble aufDorothea Langes Fotografie «Migrant Mother» von1936 erinnert an die Madonnenikonografie. Nochin der Visualisierung asymmetrischer Gewaltkonflikteder Gegenwart etwa in Gestalt des vor einem sowje-tischen Panzer 1968 in Bratislava protestierendenArbeiters oder in dem «Tank Man» 1989 in Pekingschimmert die Allegorie des ungleichen Kampfes vonDavid gegen Goliath aus dem Alten Testament durch.Che Guevara erscheint in zahlreichen Darstellungenals «neuer Christus». Aufgrund ihrer immensen iko-nischen Potenz wirken die religiösen «Vor-Bilder»noch durch ihre massenmedialen säkularen «Nachfol-ger» hindurch: das Bildzitat als Bedeutungsträger.

Sodann war und ist es die besondere «Triebkraft»oder «potentia» der Form, durch die ein Bild auffällt,den Betrachter anspringt. Horst Bredekamp (2010,S. 233ff.) hat diese Kraft als «intrinsischen Bildakt»bezeichnet. Im Bereich der Bildkomposition könnenso etwa auffällige Linienführungen und Perspektiven,ungewöhnliche Bildausschnitte und Bewegungsrich-tungen sowie provozierende Kontraste und Asym-metrien und natürlich auch die Farbe Elemente derErregung von Aufmerksamkeit und der Bildsteuerungsein, durch die der Betrachter hin zum Bild situiertwird. Im Idealfall vermögen sie die Aufmerksamkeitdes Betrachters zu erregen oder eine regelrechte Sog-wirkung auf ihn auszuüben, die diesen in das Bild-ereignis integriert. Prägnante Beispiele in unseremBand sind hierfür das Standbild aus Leni RiefenstahlsReichsparteitagsfilm «Triumph des Willens» sowie dasFoto des polnischen Fotografen Stanislaw Mucha vomTorhaus des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau –beides Aufnahmen, die den Betrachter regelrecht indas Bild hineinziehen.

Weitere formale Mittel, durch die eine Beziehungzwischen Bild und Betrachter hergestellt, dieser zurIdentifikation eingeladen bzw. in das Bildgescheheninvolviert wird, sind auch bei modernen Medieniko-

nen der auf den Betrachter weisende Zeigegestus undsogenannte Repoussoirfiguren, d.h. Rücken- oderHalbrückenfiguren, wie wir sie aus Robert Capas Auf-nahmen von der Landung der alliierten Truppen am«D-Day» 1944 oder von den Egoshootern der moder-nen Computerspiele wie etwa Lara Croft kennen. Dieaus dem Bild blickende Figur erweist sich auch im Me-dienzeitalter als eine der wichtigsten bildimmanentenVoraussetzungen überhaupt, um den Betrachter «ein-zufangen». Mit dem Blick aus dem Bild, wie er für sounterschiedliche Medienikonen wie das Mao-Porträtund das Foto Marilyn Monroes auf dem Luftschachtso charakteristisch ist, öffnet sich das zweidimensio-nale Bild dem Betrachter. Der Blick des Porträtierten,so der Kunsthistoriker Alfred Neumeyer (1964, S. 21),nehme «Fühlung mit der Welt des Draußen auf», diezweidimensionale Fläche öffne sich in den dreidimen-sionalen Raum und ziehe den Betrachter und mit die-sem dessen Realität in ihren Bann. Die Sichtachse ver-längere sich in Richtung des bildexternen Raumes.Der Betrachter sei auf diese Weise im Bild.

In der Regel eher unbewusst, reproduzieren undnutzen die Ikonen der Mediengesellschaft solche klas-sischen Wirkungsmechanismen. Konnektivität, d.h.die netzwerkartige Anschlussfähigkeit an kulturellvorgegebene Sujets und Ikonografien, an Bildformenund Bildstrategien sowie an spezifische «Blickregime»bilden auch bei ihnen ein zentrales Wirkungspoten-zial. Gleichwohl kommen im Medienzeitalter spezifi-sche Bildformen und Bildstrategien hinzu, die einemBild ebenfalls Aufmerksamkeit verschaffen können.Dazu gehören etwa die Generierung eines die Fantasieaktivierenden Bildraumes im Off, d.h. außerhalb desBildes selbst, die synästhetische Qualität einer Auf-nahme, die gleichzeitig mehrere Sinne anzusprechenvermag, formale Signale, welche die Authentizität ei-nes Bildes suggerieren wie das Anschneiden von Per-sonen und Gegenständen oder zunehmend auch dieUnschärfe einer Aufnahme, die Dramatik und Erre-gung auszudrücken scheint.

Gute Chancen, zu medialen Superikonen aufzu-steigen, haben Bilder dann, wenn sie gleich mehreredieser Voraussetzungen aufweisen: eine Gebärdefigurin klassischer Leidenspose im Bildzentrum, die fron-tale Ansprache des Betrachters, die Suggerierung einesBildraumes im Off, eine synästhetische Qualität usf.Das Foto des «Napalm-Mädchens» aus dem Vietnam-krieg von 1972 erfüllte diese Voraussetzungen in ge-radezu mustergültiger Weise, weshalb es nicht nur zueiner der «Ikonen des Krieges» im 20. Jahrhundert,sondern zu einer seiner wichtigsten Medienikonenüberhaupt wurde (Paul 2005b).

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 13: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

13 Bilder, die Geschichte schrieben

y Bilder, die Geschichte schrieben

Durch ihre besondere ikonische Qualität ragen ein-zelne Bilder als Ikonen nicht nur aus der alltäglichenBilderflut heraus, sie besitzen zugleich die Fähigkeit,Deutungen und Bedeutungen zu vermitteln, die inihrem Abbildcharakter nicht aufgehen. Die Kraft desIkonischen vermag den Betrachter nicht nur sinnlich,sondern auch intellektuell zu überwältigen. Durch siebeginnt das Bild mit dem Betrachter zu sprechen, ihmeine Deutung des abgebildeten Ereignisses oder einerPerson nahe zu legen. Vielleicht ist das der tiefere Sinndes viel zitierten Satzes «Ein Bild sagt mehr als tausendWorte.»

Aufgrund seines ikonischen Potenzials bietet einBild dem Betrachter immer auch eine Deutung, eineInterpretation des Abgebildeten. Es verfügt über einsemantisches Potenzial, das es überhaupt erst in dieLage versetzt, historischen Ereignissen oder Personeneine Bedeutung zuzuweisen. Gottfried Boehm (2004,S. 28) spricht von einer ikonisch generierten Sinner-zeugung, die sich vor- und außersprachlich aus «ge-nuin bildnerischen Mitteln» ergebe und «nicht nachdem Muster des Satzes oder anderer Satzformen gebil-det» werde (ders. 2007). Das bedeutet, die Ursachender Zuschreibung von Sinn sind immer auch im Bildselbst zu suchen. Zum einen kann dies durch figuraleDarstellungen geschehen, zum anderen vermag dieGenerierung von Sinn auch auf der Basis der formalenSpezifika eines Bildes erfolgen.

So vermitteln etwa Gebärdefiguren starke, die Bild-betrachtung dominierende Gefühle wie Angst, Unsi-cherheit und Verzweiflung, wie Leid, Schmerz undTrauer oder wie Freude, Zuversicht und Widerständig-keit. Sie lenken den Blick, oft unter Vernachlässigunganderer Bildelemente, auf die figurale Darstellung undunterbreiten dem Betrachter zugleich ein Deutungsan-gebot, das die Faktizität des Abgebildeten überschreitetbzw. überschreibt. Ebenso vermag die Anordnung ein-zelner Bildelemente oder deren Verteilung im Raumbzw. deren Relation zueinander «einen Sinn aufschei-nen» lassen, «der zugleich alles Faktische überbietet»(Boehm 1994, S. 30). Formale Gestaltungselementewie Komposition und Perspektive, Licht und Farbe,Kontrast und Tiefenschärfe sind für ein Bild dahernicht akzidentiell, sondern geradezu konstitutiv. Siebesitzen eine Sinn und Deutung generierende Funk-tion und sind daher bei der Analyse von Bildern imAllgemeinen und Medienikonen im Besonderen mitzu beachten. In diesem Sinn haben Bilder einen «über-mächtigen Einfluss» auch auf unsere Vorstellung vonGeschichte. Sie sind, wie es der Züricher HistorikerBernd Roeck (2008) formulierte, «mächtige Kraft-zentren in Geschichtsbildern», indem sie den Betrach-tern Deutungsangebote offerieren. Drei Beispiele ausdiesem Buch mögen dies illustrieren.

Das vielfach reproduzierte und ins kollektive Bild-gedächtnis eingegangene Standbild aus Leni Riefen-stahls Film «Triumph des Willens» über den NSDAP-Reichsparteitag 1934 in Nürnberg ist nicht nur Abbilddes Geschehens. Durch seine Konstruktionslinienlenkt es den Blick des Betrachters über die in Säulenformierte Masse auf die drei reliquienartigen Fahnenmit dem Hakenkreuz im Bildhintergrund als symboli-scher Repräsentation des Nationalsozialismus. Indemdas Bild der Masse eine klare Ordnungsstruktur ver-passt, vermittelt es zugleich die propagandistischeIdealvorstellung der nationalsozialistischen «Volksge-meinschaft» als disziplinierter, geschlossener und ge-sichtsloser Masse, die so geschlossen und diszipliniertkeineswegs war. Verschiedentlich ist auf die «ungebro-chene Kraft» solcher Propagandabilder für das kom-munikative Gedächtnis verwiesen worden. Wie Ha-rald Welzer u.a. (2002, S. 108) befanden, suggeriertenBilder wie diese die Vorstellung, «die NSDAP habebinnen kürzester Zeit eine formierte Masse gleichge-schalteter ‹Volksgenossinnen› und ‹-genossen› produ-zieren können». Ihr Befund: In den oftmals nebulösenund fragmentarischen Familienerzählungen zur NS-Zeit schöben sich mediale Produkte wie diese als«Füllmaterial für die Leerstellen» in die Erzählungenein und wirkten so unabhängig von Zeitpunkt undvom unmittelbaren Kontext der Präsentation weiter.

Ähnliches gilt auch für die Fotografie des Torhausesdes NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau vomFebruar/März 1945, das dem Betrachter ebenfalls einDeutungsangebot offeriert. Wie Christoph Hamannin seinem Beitrag in diesem Band hierzu sehr schönherausgearbeitet hat, fungiert in diesem Bild die Per-spektive als zentraler Bedeutungsträger. Die Suggestiv-kraft der Zentralperspektive lade den Betrachter nichtnur dazu ein, den Raum des Bildes imaginär zu be-treten, sie bediene zugleich eine Rezeptionshaltung,«welche den Holocaust zwar zur Kenntnis nimmt, ihnaber exterritorialisiert und in einen Raum jenseits dertopografischen Kartierung der zivilisierten Welt si-tuiert» (Hamann 2007, S. 100). Der Genozid erscheineals unpersönlich-bürokratische Tat in der Unsichtbar-keit eines Jenseits und ohne Täter und Opfer. Auf dieseWeise mache das Bild Geschichte, indem es «eine tota-litäre und intentionalistische Deutung des Holocaustnahelegt» (ebd.).

Eine regelrechte Umdeutung der Geschichte be-wirkte die Publikation des Pressefotos des jungenMannes mit der Plastiktüte vor einer Reihe von vierchinesischen Panzern im Juni 1989 im Stadtzentrumvon Peking: das Bild des sogenannten «Tank Man».Zunächst ist es auch hier eine Rückenfigur, die denBetrachter einlädt, in das Bild zu schauen. In der kom-positorischen Reduktion der Aufnahme auf den Ge-gensatz von «guter» Protestbewegung, symbolisiertdurch den «Tank Man», und «bösem» Regime, sym-

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 14: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Gerhard Paul 14

bolisiert durch die zahlenmäßige Übermacht der Pan-zer, artikuliert sich – ähnlich wie in Ladislav BieliksFoto vom August 1968 in Bratislava – ein asymmetri-scher Gewaltkonflikt, der die westlichen Betrachterzurückerinnert an das alttestamentarische Motiv desungleichen Kampfes des Jünglings Davids gegen denübermächtigen Riesen Goliath, in dem der Jünglingdiesen mit einer Steinschleuder bezwang und damitzur überzeitlichen Heldenfigur wurde. Die Aktivie-rung dieser Erinnerung, so Benjamin Drechsel in sei-nem Beitrag, legte sich wie ein Palimpsest über dasGeschehen und deutete auf diese Weise die faktischeNiederlage der chinesischen Protestbewegung in einenmoralischen Sieg um.

Immer waren einzelne Bilder oder Bildgruppenauch Waffen im Erinnerungskampf, im Kampf um dieDeutung der Geschichte. Sie stellten damit unter Be-weis, dass sie auch über die Kraft verfügten, Diskursezu verändern und Mythen zu dekonstruieren. Die fik-tionalen Bildsequenzen des US-Mehrteilers «Holo-caust» etwa rückten 1978/79 international den Holo-caust ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Die«Knipserfotos» aus den Westentaschen der Wehr-machtssoldaten in der sogenannten «Wehrmachtsaus-stellung» machten seit Mitte der 1990er Jahre inDeutschland den Blick frei auf eine andere Sicht desZweiten Weltkriegs und der Wehrmacht.

In der modernen Mediengesellschaft fungierenMedienikonen wie diese, publiziert in Ausstellungen,Zeitschriften, Büchern und Fernsehsendungen, zu-nehmend als visuelle Erinnerungsorte, an die sich daskollektive Gedächtnis heftet. Unter «Erinnerungsort»verstehen wir mit Pierre Nora (1990, 2005) das kollek-tive Gedächtnis einer sozialen Gruppe, das sich an be-stimmten Orten – einem geografischen Ort, einemEreignis, einem Gegenstand, einer Institution, einemBegriff usf. – manifestiert. Das Spezifische dieser Orteist es, dass sie eine besonders aufgeladene, symboli-sche Bedeutung besitzen, die identitätsstiftende Funk-tionen haben. Auch Medienikonen, wie die in diesemBand versammelten, können solche Erinnerungsortesein, mit denen Einzelpersonen wie ganze Gesellschaf-ten ihre Geschichte deuten. Diese sind – und dies giltes nicht genug zu betonen – indes keine einfachenSpiegelungen im Sinne von Schnappschüssen, son-dern mediale Produktionen und Konstruktionen,in die sich kunsthistorische Darstellungsmuster derVergangenheit ebenso wie mediale Praktiken, Gesetz-mäßigkeiten und Intentionen der Gegenwart einge-schrieben haben. In diesem Sinne sind auch visuelleErinnerungsorte zugleich Abbild historischer Ereig-nisse und Personen wie Abbild der medialen Prak-tiken der Mediengesellschaft. Erinnert wird nicht diephysische Tat, das materielle Ereignis, sondern dessenBild. Nur dieses schreibt sich langfristig in das Ge-dächtnis ein. Dies meint Benjamin mit dem viel zitier-

ten Satz, dass Geschichte in Bilder zerfällt, heutezumeist in mediale Bilder. Die Aufgabe des Bildhisto-rikers ist es, die Geschichte dieser Bilder und diePrägung unserer Vorstellungen von Geschichte durcheben diese Bilder zu rekonstruieren und zu analy-sieren.

y Bilder, die Geschichte machten

Bilder machten im 20. Jahrhundert indes auch ganzreal Geschichte, indem sie gestaltend in den histori-schen Prozess eingriffen, zu politischen Entscheidun-gen zwangen, Bilderkämpfe provozierten, als Waffenin politischen Auseinandersetzungen benutzt wurdenoder als Bildakt selbst historische Wirklichkeiten er-zeugten. Das 20. und das beginnende 21. Jahrhundertist reich an Beispielen für die Kraft von Bildern alsWaffen im Kalten Krieg der Blöcke, in den asymmetri-schen Kriegen der Gegenwart und im modernen Ter-rorismus Geschichte zu machen.

Beim Abwurf der Atombomben 1945 über Japanging es nicht primär um die Zerstörung der beidenStädte und der in ihnen lebenden Menschen, sondernum die Bilder der gewaltigen «Mushroom Clouds»,die von den begleitenden Bombenflugzeugen «ge-schossen» wurden. Mit diesen Bildern, die bis heutenachwirken, demonstrierte die US-Führung der Sow-jetunion und der Welt, dass sie nicht nur über dieneue Bombe verfügte, sondern bereit war, diese auchgegen die Zivilbevölkerung einzusetzen: der Beginnder Bildakt-Politik des Kalten Krieges. Und auch beider Landung der Apollo 11-Kapsel 1969 auf demMond ging es, wie Martina Heßler zeigt, weniger umden technisch-wissenschaftlichen Erfolg der Missionals um den symbolischen Gewinn im Wettrüsten mitder Sowjetunion. Die berühmt gewordenen Fotos, aufdenen der Astronaut Buzz Aldrin vor dem Sternen-banner salutiert, stünden für einen «Herrschergestus,für eine Eroberung, deren Wahrnehmung sie sichernund die sie damit überhaupt erst vollenden». Sie seien«Inszenierungen des amerikanischen Sieges». Seitden 1970er Jahren fungierten Fotografie, Videotech-nik und Fernsehen zudem als Medien terroristischerPolitik.

Besonders markante Medienikonen machten Ge-schichte noch in einem weiteren Sinne, indem sie im-mer auch Gegen-Bilder und ikonoklastische Praktikenprovozierten. Zu denken ist etwa an die auch als Bil-der- und Symbolkämpfe zu deutenden Auseinander-setzungen auf dem Platz des Himmlischen Friedens1989 in Peking, an die Bilder- und Denkmalstürzenach 1989 im ehemaligen Ostblock oder an den jüngs-ten Irak-Krieg, der auch als amerikanische Reaktionauf die «grandiosen» Bilder des 11. September 2001gedeutet werden kann.

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 15: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

15 Bilder, die Geschichte schrieben

Bilder machten Geschichte schließlich auch in demSinne, dass sie als Bildakte selbst Realitäten generier-ten. Die Erzeugung von Bildereignissen für die globaleBerichterstattung, das Bild als Tat, ist heute die gewisshöchste Form der generativen Kraft von Bildern. Rea-lität wird dabei eigens zu dem Zwecke erzeugt, um einBild von ihr zu kommunizieren. Zwar hat es die Liqui-dierung von Menschen eigens für die Kamera unddamit für das Zuschauerauge in der Geschichte desmodernen Krieges – denken wir etwa an die Erschie-ßung eines Vietcong 1968 auf offener Straße durchden Polizeipräsidenten von Saigon oder an die Lei-chenschändungen abgeschossener amerikanischer Pi-loten 1993 in den Straßen Mogadischus – immer wie-der gegeben, mit den asymmetrischen Kriegen derGegenwart indes werden Menschen zunehmendeigens zu dem Zwecke getötet, um sie zu Bildern zumachen. Zentral ist dabei der Bildakt, der die Augender Rezipienten erreicht. Hatten die Terroristen der«Roten Armee Fraktion» noch den Arbeitgeberpräsi-denten Hanns-Martin Schleyer als Person im Visier,geht es im modernen Terrorismus primär um das Bilddes terroristischen Akts selbst. Die Menschen, die da-bei zu Opfern werden, sind zweitrangig. Ziel ist es,den Gegner mittels Bilder zu demoralisieren. Vor al-lem der islamistische Terrorismus hat sich in den letz-ten Jahren der energetischen Kraft von Bildern be-dient und grausame Bildereignisse hervorgebracht. Soging es beim Angriff auf die Twin Towers 2001 nicht inerster Linie um die Tötung von Tausenden von Men-schen, sondern um die Erzeugung mächtiger Bilder,mit denen die USA und die gesamte westliche Weltunter Schock gesetzt werden sollten (Paul 2004,S. 433ff.); nicht zufällig hatte man die Stadt mit derhöchsten Medien- und Kameradichte der Welt ge-wählt. Das eigentliche Ziel der Aktion war das Augedes Zuschauers an den Bildschirmen. Im Irak-Kriegantworteten die USA auf diese Bilder mit der Bombar-dierung Bagdads zur Primetime des amerikanischenFernsehens, mit der Tötung der Saddam-Söhne undden Folterfotos von Abu Ghraib, die ihrerseits islamis-tische Kommandos mit der Tötung amerikanischerZivilisten konterten. Für Horst Bredekamp (2004) be-legen Bildereignisse wie diese, dass der Fakten schaf-fende Bildakt heute ebenso wirksam sein kann wieder militärische Waffengebrauch oder die Lenkungvon Geldströmen. Längst haben Bilder auf dieseWeise eine völlig neue Konflikt- und Realitätsebene inden asymmetrisch gewordenen «neuen Kriegen»(Paul 2004; Münkler 2006, S. 189ff.) etabliert – auchdas schließt die Formulierung ein, Bilder machtenGeschichte.

y Bildauswahl und -analyse

Aus dem zweibändigen Werk «Das Jahrhundert derBilder» (Paul 2008/09) habe ich 33 Medienikonenaus den Bereichen Fotografie, Werbung und Bilden-der Kunst ausgewählt, die heute national, transnatio-nal und global Ikonenstatus besitzen und Geschichtegeschrieben haben. Die Auswahl beginnt mit einemFoto des deutschen Kaisers Wilhelm II., jenem Poten-taten, der sich wie kein anderer seiner Zeit der moder-nen visuellen Medien bediente, sich dabei aber nochin ganz klassischer Herrscherpose dem Fotografenstellte. Dass das Knipserfoto des «Kapuzenmanns» ausAbu Ghraib am Ende unserer Sammlung von Medien-ikonen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts steht, ist kei-neswegs zufällig, kulminieren in diesem Bild dochganz unterschiedliche Prozesse: der Funktionswandelder Fotografie zur modernen Ikone und Reliquie mitRückbezügen in die christliche Ikonografie, die Funk-tionalisierung des Bildes als Waffe, die nicht mehrkontrollierbare Zirkulation digitaler Dateien, der Auf-stieg des Bildes als Teil einer «visuellen Rüstungsspi-rale» (Paul 2005a, S. 158ff.).

Die nachfolgenden Bildanalysen entsprechen weit-gehend den vier, von Helmut Korte (1999, S. 21ff.)vorgeschlagenen Ebenen der Filmanalyse, die sichauch für die Zwecke der Analyse der ausgewähltenMedienikonen eignen. Auf einer ersten Ebene wirddie «Bedingungsrealität» untersucht, d.h. der Fragenachgegangen, warum ein bestimmter Inhalt einerhistorischen Situation visuell in einer bestimmtenForm festgehalten wird. Dabei geht es um Kontext-faktoren der historisch-gesellschaftlichen Situation,um den Stand der Bildtechnik, der konkreten Bildgat-tung bzw. des Bildmediums im Vergleich zu anderenGattungen und Medien sowie um Bezüge zu andereninhaltlich und ästhetisch ähnlichen Bildern usf. Aufeiner zweiten Analyseebene geht es um die «Bezugs-realität», d.h. die Frage, welche historische Problema-tik im Bild dargestellt ist, was dessen eigentlicher Ge-genstand ist und in welchem Verhältnis die visuelleDarstellung eines Ereignisses zu dessen realer Bedeu-tung steht. In einem dritten Zugriff wird nach der«Bildrealität» gefragt, d.h. nach dem Einsatz der visu-ellen und dramaturgischen Darstellungsmittel undTechniken, die eine eigenständige Realität über demmateriellen Bezug erzeugen. Es geht um Fragen wie:Was findet sich auf dem Bild konkret abgebildet undwie geschieht dies? Wie und worauf wird der Blickdes Betrachters gelenkt? Wie werden Aufmerksamkeitund Spannung erzeugt? Ein vierter Analysestrangschließlich geht der «Wirkungsrealität» der Bildernach, ihrer synchronen sowie ihrer diachronen Kano-nisierung in den unterschiedlichen Bereichen der Pu-blizistik, der Politik, der Kunst, des Alltagsgebrauchsund damit auch der Frage, wie sich Deutung und Be-

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 16: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Gerhard Paul 16

deutung eines Bildes in Rezeption und Nutzung än-dern können.

Mit wenigen Ausnahmen steht zu Beginn eines je-den Beitrages das Bild in seiner originalen, d. h. un-beschnittenen und unretuschierten Form, bzw. dasBild, wie es erstmals publiziert wurde. Die weiterenAbbildungen illustrieren jeweils die komplexen Nut-zungs- und Kanonisierungsprozesse. Kleine Käst-chen im Text verweisen auf Bezüge zu anderen Bil-dern bzw. Aufsätzen dieses Bandes. Um die Nutzungund Lesbarkeit zu fördern, wurde auf detaillierteNachweise verzichtet. Dafür werden am Ende einesjeden Beitrages Hinweise auf benutzte Quellen undLiteratur gegeben.

y Literatur

Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischenReproduzierbarkeit (1936), in: ders., Drei Studien zur Kunst-soziologie, Frankfurt a.M. 1963, S. 7–64.

Gottfried Boehm, Die Wiederkehr der Bilder, in: ders. (Hrsg.), Wasist ein Bild?, München 1994, S. 11–38.

Ders., Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder, in:Christa Maar/Herbert Burda (Hrsg.), Iconic Turn: Die neueMacht der Bilder, Köln 2004, S. 28–43.

Ders., Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens, Berlin2007.

Horst Bredekamp im Interview mit Ulrich Raulff: «Wir sind befrem-dete Komplizen», in: Süddeutsche Zeitung, 27. 5. 2004.

Ders., Schlussvortrag: BILD – AKT – GESCHICHTE, in: Geschichts-bilder. 46. Deutscher Historikertag vom 19.–22. September2006 in Konstanz. Berichtsband, Konstanz 2007, S. 289–309.

Ders., Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen2007, Frankfurt a.M. 2010.

Cornelia Brink, Ikonen der Vernichtung. Öffentlicher Gebrauchvon Fotografien aus nationalsozialistischen Konzentrationsla-gern, Berlin 1998.

Barbara Caddy, Ikonen des 20. Jahrhunderts, Köln 1999.Kathrin Fahlenbrach, Ikonen in der Geschichte der technisch-

apparativen Massenmedien. Kontinuitäten und Diskontinuitä-ten medienhistorischer Ikonisierungsprozesse, in: MatthiasBuck/Florian Hartling/Sebastian Pfau (Hrsg.), Randgänge derMediengeschichte, Wiesbaden 2010, S. 59–74.

Christoph Hamann, Visual History und Geschichtsdidaktik: Bild-kompetenz in der historisch-politischen Bildung, Herbolz-heim 2007.

Johannes Kirschenmann/Ernst Wagner (Hrsg.), Bilder, die dieWelt bedeuten: ‹Ikonen› des Bildgedächtnisses und ihre Ver-mittlung über Datenbanken, München 2006.

Guido Knopp (Hrsg.), Bilder, die Geschichte machten, München1994.

Ders. (Hrsg.), 100 Jahre. Die Bilder des Jahrhunderts, München2003.

Helmut Korte, Einführung in die systematische Filmanalyse, Ber-lin 1999.

John Michael Krois, Die Universalität der Pathosformeln. Der Leibals Symbolmedium, in: Hans Belting/Dietmar Kamper/MartinSchulz (Hrsg.), Quel corps? Eine Frage der Repräsentation,München 2002, S. 295–308.

Marshall McLuhan, The Gutenberg Galaxy, London 1962.William J. T. Mitchell, Echoes of a Christian Symbol. Photo rever-

berates with raw of Christ on cross, in: Chicago Tribune, 27. 6.2004.

Herfried Münkler, Der Wandel des Krieges. Von der Symmetrie zurAsymmetrie, Weilerswist 2006.

Alfred Neumeyer, Der Blick aus dem Bilde, Berlin 1964.Pierre Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Berlin 1990.Ders., Erinnerungsorte Frankreichs, München 2005.Gerhard Paul, Bilder des Krieges / Krieg der Bilder. Die Visualisie-

rung des modernen Krieges, Paderborn 2004.Ders., Der Bilderkrieg. Inszenierungen, Bilder und Perspektiven

der «Operation Irakische Freiheit», Göttingen 2005a.Ders., Die Geschichte hinter dem Foto. Authentizität, Ikonisierung

und Überschreibung eines Bildes aus dem Vietnamkrieg, in:Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History2 (2005b), S. 224–245, http://www.zeithistorische-forschun-gen.de/16126041-Paul-2–2005.

Ders. (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006.Ders. (Hrsg.), Das Jahrhundert der Bilder. Bildatlas 1900 bis

heute, 2 Bde., Göttingen 2008/09.Ders., Visual History, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte,

11. 2. 2010, http://docupedia.de/zg/Visual_History?oldid=76820.

Karl Pawek, Das optische Zeitalter. Grundzüge einer Epoche,Olten u. Freiburg i.Br. 1963.

Bernd Roeck, Gefühlte Geschichte. Bilder haben einen übermäch-tigen Einfluss auf unsere Vorstellungen von Geschichte, in:Recherche. Zeitung für Wissenschaft H. 2 (2008).

Rolf Sachsse, How To Do Things With Media Images. Zur Praxispositiver Transformationen stehender Bilder, in: Image H.12

(Bild u. Transformation) (2010), S. 68–77; http://www.bild-wissenschaft.org/image/ausgaben.

Martin Schulz, Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bild-wissenschaft, München 2005.

Reinhold Viehoff/Kathrin Fahlenbrach, Ikonen der Medienkultur.Über die (verschwindende) Differenz von Authentizität und In-szenierung der Bilder der Geschichte, in: Michael Beuthneru.a. (Hrsg.), Bilder des Terrors – Terror der Bilder? Krisenbe-richterstattung am und nach dem 11. September, Köln 2003,S. 42–60.

Dies., Medienikonen des Krieges. Die symbolische EntthronungSaddams als Versuch strategischer Ikonisierung, in: ThomasKnieper/Marion G. Müller (Hrsg.), War Visions. Bildkommuni-kation und Krieg, Köln 2005, S. 356–387.

Peter Weibel, Ortlosigkeit und Bilderfülle. Auf dem Weg zur Tele-gesellschaft, in: Christa Meer/Hubert Burda (Hrsg.), IconicTurn. Die neue Macht der Bilder, Köln 2004, S. 216–226.

Harald Welzer/Sabine Moller/Karoline Tschuggnall, «Opa warkein Nazi». Nationalsozialismus und Holocaust im Familien-gedächtnis, Frankfurt a.M. 2002.

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 17: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

17 Bilder, die Geschichte schrieben

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 18: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Der Mann mit dem AdlerhelmWilhelm II. – Medienstar um 1900

von Martin Kohlrausch

Es handelt sich um eines der am weitesten verbreiten Herrscherporträts des 20. Jahrhunderts. Hierfindet sich, was Wilhelm II., den ersten Medienstar unter deutschen Politkern und einen der ersten

weltweit, darstellerisch ausmachte. Kaum ein anderes Bild vermag besser zusammenzufassen,was mit Wilhelminismus und «persönlichem Regiment», dem Traum vom «Platz an der Sonne»,

Imperialismus und preußisch-deutschem Militarismus gemeint ist. Ins Auge springt zunächst die Pose:eine herausfordernde, «schneidige» Haltung, die Hände demonstrativ auf den Säbelknauf gestützt.

Der Blick geht starr nach vorn, die von Heinrich Mann persiflierten «blitzenden» Augen sind auf denBetrachter gerichtet. Lediglich ein Tisch mit undeutlich erkennbaren Herrschaftsattributen ergänzt

die Darstellung. Der Kaiser ist sich selbst genug – nicht zuletzt weil verschiedene Zeichen sich auf seinePersönlichkeit und Herrschaftsauffassung beziehen, diese erläutern und unterstreichen.

1905

Wilhelm II. in Paradeuniform, 1905; Fotograf unbekannt;auch als Bildpostkarte vertrieben.

Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 19: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 20: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Martin Kohlrausch 201905

Wilhelm II. trägt die Uniform des Regiments Gardedu Corps, dessen Chef er als preußischer König quaAmt ist. Das «vornehmste Regiment der Christenheit»war eines der ältesten preußischen Regimenter unddas mit Abstand exklusivste. Als Leibgarde war derfast ausschließlich adlige Verband noch enger an dieDynastie der Hohenzollern gebunden, als dies für diepreußische Armee ohnehin galt. Auf die Hohenzollernverweisen zudem der Hausorden vom Schwarzen Ad-ler über dem linken Arm und der Pour le Mérite aufder Brust, die deutlich gegenüber anderen Ehrenzei-chen und der schwarz-weißen Schärpe hervorgehobensind.

Die Garde-Uniform eignete sich für die Herrscher-darstellung, wie Wilhelm II. sie im Sinn hatte, vorallem aufgrund ihrer Zeichenhaftigkeit und Einzig-artigkeit. Dies beginnt mit dem lohengrinhaften ge-krönten weißen Adler als Kopfschmuck. Ergänztdurch den schwarzen preußischen Adler auf der Vor-derseite des Helmes symbolisierte er Reich, Preußenund Dynastie. Das romantische Element betont dersilbrig glänzende Brustharnisch. Die schneeweißeUniform, die scharf – und im preußischen Zweiklang –mit den zugehörigen schwarzen Schaftstiefeln kon-trastiert, kam wiederum den Anforderungen kleinerFotoformate und Postkarten nach möglichst plakati-ver Aussage entgegen.

Die markant-männliche Botschaft der Uniformunterstreicht der «Es-ist-erreicht-Bart». Das gezwir-belte «W», eine Schöpfung des Prominenten- undHoffriseurs François Haby, sinnig und geschäftsüchtigdurch die Barttinktur «Es-ist-erreicht» in Form gehal-ten und durch die «Kaiserbinde» nachts geschützt,zeigt anschaulich die Vermischung der Reklame-,Marken- und Herrscherlogik. So albern der Bart heutewirken mag, er war in seiner wörtlichen Zeichen-haftigkeit zweifellos modern. Die überdeutlicheDynamik hob sich entschieden von den altväterlichenBarttrachten Wilhelms I. oder Franz-Josephs I. ab.Zusammen mit Adlerhelm und Schaftstiefeln bildeteder Kaiserbart eine Trias, die in ganz neuartiger Re-

duktion ausreichte, die Marke «Deutscher Kaiser» –oder «The Kaiser», wie es andernorts hieß – zu evozie-ren. Der Kaiser war, wie Ludwig Roselius, der Mar-ketingpionier und Erfinder von Kaffee-Haag, be-wundernd anerkannte, ein besonders erfolgreichesBeispiel der Markenentwicklung. Allerdings reichtenhierfür ein merkwürdiger Helm, ein auffälliger Bartund hohe Stiefel allein nicht aus.

y «Dressed to Rule» – Wilhelm II.als Ikone

Nachdem Wilhelm I. sich eher als preußischer Königdenn als deutscher Kaiser gesehen hatte und demdurchaus reformfreudigen Friedrich III. keine Zeit fürNeuerungen geblieben war, war Wilhelm II. der erstedeutsche Kaiser, der sich entschieden als solcher prä-sentierte. In offiziellen Porträts kam der neue An-spruch deutlich zum Ausdruck. Max Koner malte1890, im Jahr der Entlassung Bismarcks, den trium-phierenden Neukaiser in extremer Untersicht – und

Wilhelm II.geboren 1859 als Sohn des späteren Kaisers Friedrich III. undder englischen Prinzessin Victoria; 1888 Thronbesteigung. VonBeginn an interpretiert er sein Amt offensiv, betont das deut-sche Kaisertum gegenüber der preußischen Königswürde undversucht, eine politisch aktive Rolle zu spielen. Die massiveAusweitung des Flottenbaus und die damit eng verbundenesogenannte Weltpolitik wurden zu Markenzeichen wilhelmi-nischer Politik, allerdings letztlich auch zu Symbolen ihresScheiterns. Nach dem verlorenen Krieg flieht er nach Holland,wo er bis zu seinem Tod 1941 im sogenannten Doorner Exilhoflebte.

Max Koner, Wilhelm II., Öl auf Leinwand (1890), Kriegsverlust,daher Schwarzweiß-Fotografie.Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 21: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

21 Der Mann mit dem Adlerhelm 1905

noch ohne «Kaiserbart»: Der zurückgeworfene Kopfund der Marschallstab, die preußischen Kroninsig-nien und der hellblau gefütterte Purpurmantel desschwarzen Adlerordens demonstrierten, dass sich derMaler an Hyacinthe Rigauds Abbildung von LudwigXIV. – der Ikone des Absolutismus – orientierte. WasWilhelm II. ausdrücklich gewünscht hatte, wirkte al-lerdings bereits 1890 operettenhaft unzeitgemäß –und provozierend: Koner illustrierte Wilhelms II. niewirklich durchdachtes, militant übersteigertes, neo-absolutistisches persönliches Regiment.

Während auf Jugendporträts der kranke und ver-kürzte Arm des Prinzen noch deutlich zu sehen ist, ister hier, wie in allen späteren Gemälden durch ge-schickte Präsentation nur zu erahnen. Das Tabu derKörperbehinderung des Kaisers blieb bis 1918 weitge-hend gewahrt. Wilhelm II war als Kaiser schließlichzuallererst «Oberster Kriegsherr».

Die preußische Tradition blieb für die Herrscher-darstellung Wilhelms II. verpflichtend. Neben demMilitärischen gehörte dazu die Betonung des aktiven,selbst regierenden Herrschers. Wilhelm II. nahm die-sen unzeitgemäßen Anspruch überaus ernst, wie diebeiden Bildbeispiele deutlich zeigen. Der Kaiser be-harrte auf den Traditionselementen, die nur ihm zurVerfügung standen und ihn deutlich von den neuenGeldaristokraten abhoben. Gleichzeitig wurden dieseTraditionselemente – auch dies zeigen die Bilder –überspitzt, vulgarisiert und symbolisch überladen.Dies konnte so weit gehen, dass eine Statue Friedrichsdes Großen auf der Siegesallee oder ein steinerner Karlder Große im neuen Posener Schloss die Züge Wil-helms II. trugen. Historische Kostümierungen evo-zierten den Ruhm des Hauses Hohenzollern und die«Kaiserherrlichkeit»; künstlerische Erweiterungen derAbbildungen – etwa eine ovale Plakette mit dem Kai-serbildnis im Körper des Reichsadlers – stellten denBezug zum politischen Programm her. Das wohl sinn-fälligste Beispiel bieten Postkarten, die Ereignisse derZeitgeschichte direkt in das Gesicht des Monarcheninkorporierten.

Allerdings darf dies nicht darüber hinwegtäuschen,dass Wilhelm II. sich wesentlich individueller präsen-tierte als noch seine Vorfahren. Seine Person stand imVordergrund, erst dann die Funktion, das Amt. Ru-dolf Borchardt beobachtet bei Wilhelm II. die «ego-zentrische Maßlosigkeit seiner Epoche». Neben demmilitärisch-politischen Bildprogramm stand mindes-tens gleichbedeutend die sentimentale und in der in-timen und «authentischen» Präsentation durchausmoderne Darstellung der kaiserlichen Familie – dieweiche Seite des Kaisers. Seine sieben Kinder und baldauch diverse Enkel eigneten sich für verschiedensteArrangements monarchisch-bürgerlicher Familien-idylle. Mit der Herausstellung der Generationenfolge,etwa in einem Porträt, das Wilhelm I., und die späte-

ren Kaiser Friedrich III., Wilhelm II. sowie dessen äl-testen Sohn vereinigte, unterstrich die Dynastie ihrenHerrschaftswillen bis in die ferne Zukunft. Wilhelm II.war zudem einer der ersten Monarchen überhaupt,der nahezu von Geburt an fotografiert wurde und so-mit dem Publikum bereits lange bekannt war, bevor ereine politische Rolle spielte.

y Wilhelm II. als Medienstar

Was die Zeitgenossen als neu und als Quintessenz deswilhelminischen Kaisertums empfanden, waren aller-dings weniger die einzelnen symbolischen Neuerun-gen in der Bildsprache. Neu war vielmehr die – vor al-lem medial vermittelte – Omnipräsenz des Kaisers.Wilhelm II. war ein unermüdlicher Lieferant farben-prächtiger Bilder, gegenüber denen die Bildproduk-tion heutiger Politiker geradezu spartanisch wirkt.Der Kaiser schuf eine ganze Phalanx von Pseudoereig-nissen, für die sich die neue Massenpresse und vor al-lem die Foto- und Postkartenindustrie als dankbareAbnehmer erwiesen.

Bestes Beispiel sind die sogenannten Kaiserreisen,gewissermaßen die Quintessenz der oft beschriebenenpartiellen Modernität Wilhelms II. Das Reisen galt alsAusdruck einer neuartigen Mobilität. Betont wurdenaber auch die modernen Verkehrsmittel, die dabeizum Einsatz kamen: der Hofzug, das hochmoderneDampfschiff Hohenzollern und immer öfter das Auto-

Wilhelm II. im Kaiserpanorama als Objekt der frühenUnterhaltungsindustrie; handkoloriertes Glasfotogramm desKaisers in einer Gruppe von Offizieren beim Schrippenfest,undatiert (um 1900).ullstein bild – Kaiserpanorama

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 22: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Martin Kohlrausch 221905

mobil. Schließlich waren oft genug die Errungen-schaften der neuen industriellen Moderne die Zieleder Reisen: die Kruppfabriken, die neuesten Schiffeder kaiserlichen Marine, Bauwerke nach dem aktuel-len Stand der Technik, Zeppelinaufstiege und Flug-zeugvorführungen. Um bildlich zu unterstreichen,dass er Teil dieser modernen Welt der Technik war,legte der Kaiser für die Einweihung eines Kaiser-Wil-helm-Instituts 1913 sinnreich eine Uniform der Ma-schinenengewehrabteilung an.

Geschwindigkeit und Beweglichkeit wurden zueinem Signum der wilhelminischen Monarchie. Derdänische Schriftsteller Johannes V. Jensen fasste 1914seine Deutschlandeindrücke dahin zusammen, dasssich «das Tempo des Kaisers jetzt über das ganze Reichausgebreitet» habe, während es früher lediglich zu«Berlins Physiognomie» gehört habe, dass das kaiser-liche Automobil sich «unter hohen feurigen Trompe-tensignalen wie ein Blitzstrahl die Linden hinunterbewegte».

Wilhelm II., lieferte eine ununterbrochene Show.Unbewusst entsprach er als «Signalperson» (FriedrichNaumann) der Devise des englischen Monarchietheo-retikers Walter Bagehot: «Royalty is a government inwhich the attention of the nation is concentrated onone person doing interesting actions.» Monarchenbe-suche wurden im Zuge des 19. Jahrhunderts europa-weit zu Medienereignissen. Hinzu kamen fürstlicheHochzeiten und Jubiläen. Dazwischen weihte Wil-helm II. Denkmäler ein, zelebrierte Einzüge in diegroßen und kleinen Orte des Reiches, die aus diesemAnlass «Kaisertage» begingen und eine «Kaiserrede» –auch dies bald ein durchaus ambivalenter Markenbe-griff – zu hören bekamen. Dass der Ablauf derartigerEreignisse vorhersehbar war, tat dem medialen Inte-resse keinen Abbruch bzw. war, weil die Auftritte be-rechenbar waren, sogar die Grundlage umfangreicherBerichterstattung in Wort und Bild. Besonders an-schaulich zeigt sich dies in den massenweise besuch-ten Kaisermanövern und ihren sorgfältig choreogra-phierten Massenszenen mit Wilhelm II. an der Spitze.

Der reisende Monarch war beileibe nichts Neues,der Radius und die Häufigkeit der Reisen Wilhelms II.aber durchaus. Der «Reisekaiser» war bald mehr alsdie Hälfte des Jahres unterwegs, zunächst im Reichund den Hauptstädten der benachbarten Staaten, aberauch ohne erkennbares Ziel in den norwegischenFjorden oder im Mittelmeer. Einen exotischen Höhe-punkt bot die Reise Wilhelms II. als eine Art imperia-ler Kara Ben Nemsi nach Palästina 1898, organisiertvom Pauschalreisepionier Thomas Cook und Quellespektakulärer Bilder für die mitreisenden Fotografenund damit die daheim gebliebenen Untertanen. DieFotografen wurden sorgsam ausgesucht und warenTeil einer nur auf den ersten Blick paradoxen Wechsel-wirkung von Flucht vor den Zumutungen der öffent-

lichen Herrschaft und aktiver Bebilderung derselben.In den trauten Szenen direkt von der SMS Hohen-zollern, auf der Wilhelm II. zwischen 1893 und 1914zusammengerechnet immerhin viereinhalb Jahre ver-brachte, zeigt sich anschaulich die «intimacy on dis-tance» (John B. Thompson) als neues Phänomen desaufkommenden Jahrhunderts der Massenmedien. Derdurch seinen exklusiven Lebenswandel metaphorischund tatsächlich immer weiter entrückte Kaiser tratdurch die illustrierten Medien direkt in die Wohn-zimmer.

y «Ich kaufe mir den Kaiser» –Der reproduzierte Monarch

Dieses intensive Wechselspiel war nur denkbar, weilnahezu zeitgleich mit dem Regierungsantritt Wil-helms II. der endgültige Durchbruch der Massenme-dien in Deutschland erfolgte. Zahlreiche technischeNeuerungen und verbesserte Verfahren machten dieFotografie zur Volksangelegenheit. Wilhelm II. war,soweit sich dies heute noch feststellen lässt, das häu-figste Motiv der Massenfotografie in Deutschland um1900. Der garantierte massenhafte Absatz diesesMotivs trug erheblich zur preiswerten Produktionund zu technischen Neuerungen bei. Zudem erlaubteab 1890 das Bromsilberverfahren, in dem auch dashier besprochene Ausgangsbild hergestellt wurde, in-nerhalb kurzer Zeit, unzählige Abzüge in anspruchs-voller Qualität herzustellen.

Zunehmend fanden sich fotografische Abbildun-gen in Illustrierten, ab 1901 auch in der Presse. Daswesentliche Medium für die Verbreitung des Kaiser-bildes im wörtlichen Sinne wurde allerdings die Post-karte. Vor allem durch neue technische Möglichkei-ten, aber auch vor dem Hintergrund des beginnendenMassentourismus, wuchs die Zahl von Bildpostkartenin den 1890er Jahren explosionsartig an.

Als das deutsche Kaiserpaar auf seiner Palästina-reise in Venedig Station machte, wurden allein am An-kunftstag 60000 Ansichtspostkarten aufgegeben. Dieextrem schnellen – in kleineren Städten wurde die Postmindestens dreimal, in Großstädten wie Berlin bis zuachtmal täglich ausgetragen – und kostengünstigenneuen technischen Möglichkeiten machten die Post-karte zum perfekten Medium, um den Kaiser und seineFamilie bei verschiedensten Tätigkeiten bildlich einzu-fangen. Vom Brauteinzug der Kronprinzessin Cäciliein Berlin 1905 wurden gut 650000 Karten verkauft.

Die Postkarten bildeten also nicht nur den Souve-rän in verschiedenen Posen ab, sondern waren gleich-zeitig kommerzielle, von spezialisierten Verlagen inhunderttausendfacher Auflage vertriebene Güter undGebrauchsgegenstände. Im Fotoalbum, das bereitsum 1860 auf den Markt kam, vermischten sich Bilder

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 23: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

23 Der Mann mit dem Adlerhelm 1905

der eigenen Familie mit denen des Kaisers und andererProminenter. Auch die Sammelbilder – die bekann-testen stellte die Firma Liebig her – bedienten sichbevorzugt des Kaisers, gerade wenn es um die Einfüh-rung kostenintensiver, exklusiver Druckverfahrenging. Monarchiekult und kommerzielle Interessenvermischten sich in der allgegenwärtigen Möglichkeit,sich «den Kaiser zu kaufen» (Eva Giloi).

Ohne über eine reflektierte Strategie zu verfügen,schaffte es das Hofmarschallsamt in erstaunlichemMaße, diese Bilderflut zu kontrollieren. Nicht nur dieFirma Liebig, auch jeder kleine Fotograf, der Kaiser-bilder verbreiten wollte, musste diese zur Genehmi-gung vorlegen – und tat dies offenbar auch. Dabei warder Hof generell darauf aus, Bildnisse des Kaisers zuverbreiten, und verlangte, eine entsprechende Qua-lität vorausgesetzt, lediglich Abzüge für die privateSammlung des Kaisers. Sie galten als «hauptsächlicheMittel, durch welche auch der kleine Mann vaterlän-dische und königliche Gesinnung zum Ausdruckbringen kann und zu bringen pflegt».

Folgerichtig gediehen Überlegungen, auf die Kai-seraufnahmen eine Gebühr für einen wohltätigenZweck zu erheben, nicht weit. Vielmehr wurde es üb-lich, Kaiserbilder flächendeckend in allen Amtsgebäu-den zu verbreiten, eine Praxis, die auch privat in weitstärkerem Maße als vor dem Durchbruch der Foto-grafie nachgeahmt wurde. In einem fein abgestuftenSystem vergab der Hof zudem Kaiserbildnisse unter-schiedlicher Formate und Gütestufen als Gunsterweis,eine Praxis, die bis ins Doorner Exil beibehaltenwurde.

Noch direkter verlief der Einfluss über die mindes-tens 20 offiziellen Hoffotografen. Zu den prominen-testen gehörten Reichard und Lindner, die das ein-gangs diskutierte Bild aufnahmen, und Emil Bieber,einer der innovativsten Fotografen des Kaiserreichsüberhaupt: Bieber hatte sich auf die «Celebrities» sei-ner Zeit spezialisiert und setzte den Kaiser mit dengleichen Mitteln ins Bild wie etwa y Josephine Baker.

Auch die anderen Hoffotografen hatten ihre «Fach-gebiete». Theodor Jürgensen begleitete den Kaiserauf Reisen und erlangte sogar Zutritt zu seinen Pri-vaträumen, Max Ziesler betreute offizielle Festlich-keiten. Ottomar Anschütz und die Brüder Oscar undFranz Tellgmann waren Pioniere der Bewegungs- undManöverfotografie. Die hier geforderten technischanspruchsvollen und gleichzeitig extrem nachgefrag-ten Bilder förderten Innovationen. Der Anschütz-Verschluss erlaubte radikal verkürzte Belichtungs-zeiten und dadurch gestochen scharfe, suggestiveMomentaufnahmen, vom Kaiser «in action». Die inverschiedenen Perspektiven überlieferte Abbildungder Paroleausgabe des Kaisers mit seinen zahlreichenSöhnen zum Neujahrstag ist hierfür ein gutes Bei-spiel.

y «Erster deutscher Filmstar»

All das, was den Kaiser zum beliebtesten Foto- undPostkartenmotiv qualifizierte, half ihm auch dabei der«erste deutsche Filmstar» (Martin Loiperdinger) zuwerden. Spätestens um 1900 war er die meistgefilmtePerson weltweit. Die gut konturierte «Kaisermarke»wirkte auch hier, zumal sie dem qualitativ-dürftigenfrühen Film ein leicht wiedererkennbares Objekt bot.Hinzu kam, dass sich die bis ins Detail choreogra-phierten Einzüge, Denkmalseinweihungen und Para-den besonders gut für die statische Kameraführungeigneten – die Paroleausgabe existierte auch als be-liebter Film.

Allerdings trug hierzu auch Wilhelm II. mit einemintuitiven Gespür für gute, dramatische Bilder bei.Nach Anlaufschwierigkeiten wurden die Filmteamszuvorkommender behandelt und auf bestimmte Er-eignisse «angesetzt». Gerade die so erreichte Intimitätwirkte reizvoll. Filme mit dem Kaiser galten in derWerbung als «Zugstück». Aufnahmen von der kaiser-lichen Parforce-Jagd in Döberitz wurden als «der

Kurt Tucholsky 1925 über Emil Ludwigs Wilhelm II.-Biografie«Im Buch finden sich elf Photographien des Kaisers – die fürden Kenner jeden Text fast überflüssig machen. Sie sind ver-nichtend. ‹Als Admiral› steht da unter einer, und ‹Als …› könnteunter jeder stehen. Es sind Aufnahmen eines mäßigen Provinz-schauspielers in seinen Rollen. Das Schlimmste freilich ist dasBild: ‹In Zivil›. Der sauber gewaschene Inhaber eines Wäsche-geschäfts der Mark Brandenburg, Reserve-Offizier, ordentlichverheiratet, respektabel rasiert – zum Heulen. Es ist im übrigenaus diesem Bild zu lernen, wie der Typus die Nation verseuchthat und wie sehr er der Ausdruck seiner Epoche gewesen ist.»

Wilhelm II. mit seinen Söhnen auf dem Weg vom Schloss zum Zeughauszur Paroleausgabe, Bildpostkarte, Berlin, 1. 1. 1908.Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin / Franz Kühn

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 24: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

Martin Kohlrausch 241905

größte Schlager der Saison», angepriesen, weil sie das«sich zwanglos Geben der hohen Herrschaften» zeig-ten. Dabei trat das, was eigentlich Anlass des Ereignis-ses war, oft hinter dem fotogenen Monarchen zurück.Filmaufnahmen von der Einweihung des Völker-schlachtdenkmals 1913 z.B. zeigten zwar ausführlichden Kaiser, nicht aber das Denkmal.

Für die Kinematografie bot Wilhelm II. die will-kommene Möglichkeit, sich als seriös und staatstra-gend zu präsentieren. Noch aus heutiger Sicht mussverwundern, wie selbstverständlich sich hier «Highand Low» vermischen, wie schnell die in Deutschlandso wichtige Grenze zwischen «Ernst» und «Unterhal-tung» überwunden wurde.

y Die Entzauberung des Medienstars

Es kann nicht überraschen, dass sich Wilhelm II.durch seine extreme mediale Präsenz angreifbarmachte, zumal er auch politisch immer stärker insKreuzfeuer der Kritik geriet. Wenn Maximilian Har-den Wilhelm II. als «Filmhelm» verspottete, dannzielte das auch darauf, dass der Medienkaiser ver-meintlich ein politisches Leichtgewicht sei und keineaußenpolitische Härte zeige: «Das europäische Kon-zert lässt eben keine Starherrlichkeit aufkommen»kommentierte 1906 ein «Schwarzseher» die nun of-fensichtliche außenpolitische Isolation des Reiches.

Die Politik des «als ob» galt zeitgenössischen Kom-mentatoren als typisch für den Wilhelminismus. Dasvermeintliche Operettenregiment des immer wiederals Schauspieler verspotteten Kaisers schien hier zu-gleich logische Folge und – als fatales Vorbild – Ursa-che zu sein. Der Schönwetterkaiser ritt demnach un-verdrossen gestellte Kavallerieattacken, um prächtigeSzenen zu generieren, während doch tatsächlich derErnst des Krieges hätte vorbereitet werden sollen. Ku-lisse, Fassade und Dekoration wurden zu schlagkräfti-

gen Metaphern der Zeit, vor allem aber auch der lin-ken und neurechten Herrscherkritik. Die Kritik an der«unwahren Pose» des Konerschen Porträts war einetypische Stimme in einem vielstimmigen Chor.

Insofern mag es nicht verwundern, dass das kai-serliche Image im Krieg schnell und nachhaltig zer-brach. Zwar stellten frühe Propagandabilder nochden Führungsanspruch des Monarchen heraus undpräsentierten Wilhelm II. zusammen mit Erich Lu-dendorff und Paul von Hindenburg als den ent-scheidenden Strategen des Krieges. Anspruch undWirklichkeit klafften jedoch allzu weit auseinander.Während die heimische Propaganda mit dem Kaisernicht mehr allzu viel anzufangen wusste, mutierteWilhelm II. in britischen Karikaturen und Plakatenzur Inkarnation des Bösen, zur adlerbehelmten, kin-dermordenden Bestie mit W-förmigem Schnurrbart.Im November 1918 ließ sich schließlich kaum ein eu-ropäischer Karikaturist entgehen, über die enormeFallhöhe des fliehenden Obersten Kriegsherren zuspotten.

Aber auch in Deutschland wurde über den ehema-ligen Kaiser hauptsächlich in Bildern gesprochen: DieFlucht, klagte ein Monarchist, «bleibt am Kaiser haf-ten, weil der Volksverstand sich immer an das Sinn-liche, Augenfällige und Äußerliche hält». Daher war esnur konsequent, dass viele Noch- und Ex-Monarchis-

Die Theatralität der modernen MonarchieIn Otto Julius Bierbaums wilhelminischem SchlüsselromanPrinz Kuckuck urteilt die Romanfigur Hermann Honrader überdie moderne Monarchie:

«Die heutigen Souveräne haben, auch wenn sie mit ihrerPersönlichkeit tagtäglich ins grelle Rampenlicht der Presse tre-ten, immer etwas Unpersönliches. Was sie immer tun mögen,es wirkt als Repräsentation, wie persönlich auch die Gebärdesein mag. Ein heutiger Fürst ist immer offiziell, er kann sichnicht die Nase schnäuzen, ohne dass es in alle Welt hinaustelegraphiert wird; – und wenn einer es darauf anlegt, nicht offi-ziell zu scheinen (denn es bleibt immer bloß Schein), so ärgertsich das Publikum und zischt (man sagt jetzt Publikum stattVolk – alles Öffentliche hat etwas Theaterhaftes bekommen).»

Bild des Doorner-Kaisers als entblößte Ikone, CoverillustrationTime-Magazine vom 28. 6. 1926.http://www.time.com/time/covers/0,16641,19260628,00.html

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben

Page 25: Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben · PDF fileDer Untergang der Titanic ... Attentat vor laufender Kamera 172 Sibylle Machat Mao Das Porträt als Reliquie und Pop-Ikone

25 Der Mann mit dem Adlerhelm 1905

ten bedauerten, dass sich Wilhelm II. nicht in einerfinalen Kavallerieattacke in einen dramatischen Kö-nigtod gestürzt habe, um ein letztes großes Bild zu lie-fern, aus dem man dann Kapital hätte schlagen kön-nen. So konnte auch in der berühmten Kontroverseum die Neuausrichtung der Deutschen NationalenVolkspartei (DNVP) 1925 Walter Lamprecht den Ver-zicht auf den Monarchismus damit begründen, dass«für die nach 1905 Geborenen Kaiser und König» oh-nehin lediglich «Film- und Bühnenangelegenheitengeworden» seien.

Während die gleiche Behörde, die zuvor mit derDistribution der allgegenwärtigen Kaiserbilder inAmtsstuben befasst gewesen war, diese nun mit preu-ßischer Gründlichkeit wieder einsammelte – und 1933in einigen Fällen wieder hervorholte – hatten sich dieSehgewohnheiten des Publikums mittlerweile ohne-hin geändert. Wilhelm II. war jetzt eine abgehalfterteZelebrität, die mit sehr vielen neuen, frischeren Starskonkurrierte. Als solchen suchten ausländische Jour-nalisten den optisch deutlich veränderten Ex-Kaiserim holländischen Exil auf, kaufte ein amerikanischerVerlag für horrende Summen die Kaiser-Erinnerun-gen, wurden Filmprojekte geplant und setzte ihn dasTime-Magazine als Kuriosität auf das Titelblatt – sehrzum Ärger einiger Weltkriegsveteranen unter den Le-sern.

In Deutschland stieß eine derartige Vermarktungauf Kritik von links wie rechts. Irritierend wirkten –schließlich verbotene – französische Filmaufnahmen,die Wilhelm II. in Nahaufnahme beim Entenfüttern,Zeitunglesen und Holzsägen als rüstigen DoornerRuheständler porträtierten. Bereits mit dem Schnapp-schuss eines Jungen von Wilhelm II., der an der hol-ländischen Grenze auf die Einreisegenehmigung war-tete, begann die Geschichte diverser Paparazzi-Fotosdes Kaisers im Exil, ein Phänomen, das vor dem Kriegkaum existierte. Hier kam die Trivialisierung der Mo-narchie, die bereits lange zuvor eingesetzt hatte, zueinem vorläufigen Endpunkt.

Bereits 1913 hatte der Schriftsteller Carl Techet dendeutschen Fürsten vorgehalten, dass sie das sie umge-bende «Mysterium» durch die «illustrierten Blätterund den Kinematographen» selbst zerstört hätten. Dieextreme Zeichenhaftigkeit der Erscheinung hatte Wil-helm II. zum populären Motiv für primitiv bebilderteSchinken oder Verzierungen von Nippes aller Art ge-macht. Wie ambivalent diese Zeichenhaftigkeit war,zeigen auch die unzähligen Karikaturen, die – Pars proToto – mit einem Hinweis auf Helm, Bart oder kaiser-liches Schuhwerk auskamen oder – vielleicht am dras-tischsten – das zeitweilige Verbot im Zuge des Eulen-burgskandals, die Garde-du-Corps Uniform öffentlichauszuführen, da deren Stiefel zum allzu beliebten Fe-tisch der Berliner Homosexuellenszene geworden wa-ren. Hier half weder der zunehmend ausgehöhlte Ma-jestätsbeleidigungsparagraph noch das ohnehin niefür den Kaiser durchgesetzte Recht am eigenen Bild.

Trotz zahlloser kommunikativer Pannen galt auchKritikern «dieser Mann, dem es nicht gelungen ist, dieMenschheit zu erobern, [als] eine der fesselndstenund größten Erscheinungen unserer Zeit». Der Pazi-fist Alfred Fried erklärte Wilhelm II. 1905, also imJahr, in dem das eingangs präsentierte Bild aufge-nommen wurde, zur «populärsten Persönlichkeit desErdballs». Als solche gehört dieser nolens volensan herausragender Stelle in das «Familienalbum derDeutschen» (Dieter Vorsteher). Dies gilt im wört-lichen Sinne für die unzähligen Kaiserpostkarten zu-mindest bis in die 1920er Jahre, aber vor allem imübertragenen Sinne. Die markanten Bilder WilhelmsII. prägten – stark reduktionistisch – die kollektive Er-innerung an das «Zweite Reich». Sie beeinflussten aberauch Erwartungen an die Ikonografie von Herrschaftund bildeten eine Brücke zwischen den traditionellenFormen der Herrschaftspräsentation des 19. Jahrhun-derts und den neuen, ikonografisch radikaleren undinnovativeren politischen Kulten des 20. Jahrhundertsund den Hindenburgs, Hitlers und immer noch Bis-marcks, die nun ins Zentrum rückten.

y Quellen und Literatur

Saskia Asser/Liesbeth Ruitenberg (Hrsg.), Der Kaiser im Bild. Wilhelm II. und die Fotografie als PR-Instrument. Der fotografische Nach-lass des letzten deutschen Kaisers, Zaltbommel 2002; Walter Bagehot, The English Constitution, London 1867; Otto Julius Bierbaum,Prinz Kuckuck. Leben, Taten, Meinungen und Höllenfahrt eines Wollüstlings, München 1907; Martin Kohlrausch, Der Monarch imSkandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Monarchie, Berlin 2005; Martin Loiperdinger, KaiserWilhelm II.: Der erste deutsche Filmstar, in: Thomas Koebner (Hrsg.), Idole des deutschen Films, München 1997; Kaspar Maase/WolfgangKaschuba (Hrsg.), Schund und Schönheit. Populäre Kultur um 1900, Köln u.a 2001; Philip Mansel, Dressed to Rule. Royal and CourtCostume from Louis XIV to Elisabeth II, New Haven 2005; Johannes Paulmann, Pomp und Politik: Monarchenbegegnungen in Europazwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn 2000; Klaus-Dieter Pohl, Der Kaiser im Zeitalter seiner technischenReproduzierbarkeit, in: Hans Wilderotter/Klaus-Dieter Pohl (Hrsg.), Der letzte Kaiser. Wilhelm II. im Exil, Gütersloh/München 1991;Jost Rebentisch, Die vielen Gesichter des Kaisers. Wilhelm II. in der deutschen und britischen Karikatur, Berlin 2000; Rainer Schoch, DasHerrscherbild in der Malerei des 19. Jahrhunderts, München 1975; Franziska Windt/Jürgen Luh/Carsten Dilba, Die Kaiser und die Machtder Medien, Berlin 2005; Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholsky), Das Buch vom Kaiser, in: Die Weltbühne, 29. 12. 1925.

ISBN Print: 9783525300244© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen

Gerhard Paul, Bilder, die Geschichte schrieben