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5/7/2018 Geschlechtsspezifische Gesprächsunterschiede - slidepdf.com
http://slidepdf.com/reader/full/geschlechtsspezifische-gespraechsunterschiede 1/29
Universität Zürich, Deutsches Seminar
Pädagogische Hochschule Zürich
Abschlussarbeit Fachwissenschaft DeutschSekundarstufe 1, Linguistik
Herbstsemester 2008
Geschlechtsspezifische
Gesprächsunterschiede bei Schülern und
Schülerinnen und deren Konsequenzen für
die Lehrperson
Dozentin:
Prof. Dr. Doris Grütz
Lagerstrasse 5, LAA 007
8090 Zürich
Verfasser:
Rafael Hegetschweiler
Im Trichtisal 11
8053 Zürich
Tel. 077/ 408 19 23
Abgabetermin: 27.02.2009
5/7/2018 Geschlechtsspezifische Gesprächsunterschiede - slidepdf.com
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INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS..............................................................................................2
1 EINLEITUNG..............................................................................................................3
2 GESCHLECHTSSPEZIFISCHE UNTERSCHIEDE BEI ERWACHSENEN..............4
2.1 Einfluss von Sprachverhaltensnormen........................................................................................4
2.2 Resultate zur Genderlekt-Forschung bei Erwachsenen..............................................................6
3 ENTSTEHUNGSPROZESS DER GESCHLECHTSSPEZIFISCHENUNTERSCHIEDE IM GESPRÄCHSVERHALTEN VON KINDERN ...........................9
3.1 Sozialisation durch Eltern..............................................................................................................9
3.2 Einfluss der Peers auf das geschlechtsspezifische Gesprächsverhalten von Kindern.........11
4 GESPRÄCHSVERHALTEN DER LEHRPERSON..................................................13
4.1 Die Aufmerksamkeitsverteilung der Lehrperson ......................................................................13
4.2 Die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrperson...............................15
5 GESCHLECHTSPEZIFISCHES GESPRÄCHSVERHALTEN VON SCHÜLERNUND SCHÜLERINNEN ..............................................................................................17
5.1 Schüler und Schülerinnen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen..........................................18
5.2 Gesprächsverhalten von Schüler/innen in getrenntgeschlechtlichen Gruppen. ...................21
5.3 Einfluss der Thematik auf das Gesprächsverhalten von Schüler/innen..................................23
6 KONSEQUENZEN FÜR DIE LEHRPERSON UND IHREN UNTERRICHT ..........24
6.1 Betrachtung der beiden Gesprächsstile von Schüler/innen.....................................................25
6.2 Das Erlernen verschiedener Gesprächsstile..............................................................................26
6.3 Die Sozialform des Unterrichts....................................................................................................26
7 FAZIT .......................................................................................................................27
8 LITERATURVERZEICHNIS.....................................................................................28
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1 Einleitung
Bücher, in denen es um die Kommunikation von Mann und Frau geht, wie zum
Beispiel „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“, um nur eines von vielen zu
nennen, erfreuen sich in der heutigen Zeit einer riesigen Nachfrage. Diese Tatsache
lässt den Schluss zu, dass ein grosses Interesse an einer besseren Verständigung
zwischen den Geschlechtern besteht. Die Kommunikation zwischen Mann und Frau
scheint hochkomplex und für viele Menschen ein unlösbares Rätsel zu sein. Die
geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gesprächsverhalten sind oft nicht bekannt,
werden in der Volksschule nicht gelehrt und deshalb auch nicht bewusst
wahrgenommen. So sind viele Missverständnisse und Verletzungen im
zwischenmenschlichen Bereich vorprogrammiert. Anstelle der früheren Annahme,
dass das biologische Geschlecht für das Gesprächsverhalten verantwortlich ist, hat
sich heutzutage die Theorie durchgesetzt, dass das Gesprächsverhalten sozial
erlernt wird (Wetschanow 1997, 134). Es erstaunt deshalb nicht, wenn man ähnliche
Gesprächsstile wie bei Erwachsenen auch bei Schüler/innen vorfindet. Als
angehende Lehrperson werden von mir täglich kommunikative Fähigkeiten erwartet.
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gesprächsverhalten von Schüler/innen
zu kennen, erachte ich nicht bloss als eine Hilfe, sondern als eine Voraussetzung,
um diesen anspruchsvollen Beruf professionell ausüben zu können. Ohne diese
Kenntnis und die nötige Sensibilisierung besteht nämlich die Gefahr, dass ich die
stereotypen Muster im Gesprächsverhalten der Schüler/innen gar nicht bewusst
wahrnehme und sie schlimmstenfalls noch verstärke. In dieser Arbeit geht es mir
darum, ein möglichst umfassendes, facettenreiches Bild des geschlechtsspezifischen
Gesprächsverhaltens bei Schüler/innen zu entwerfen, das sowohl den
Entstehungsprozess der geschlechtsspezifischen Gesprächstile der Schüler/innen
durch die Eltern, aber auch durch die Peers und deren Verstärkung durch die
Lehrpersonen beinhaltet. Dies hat zur Folge, dass ich keine linguistische
Gesprächsanalyse im engeren Sinne vornehmen werde. Da die Schüler/innen ihr
Gesprächsverhalten von der Umwelt, in der sie aufwachsen, erlernen – also von den
Erwachsenen, ihren Peers, aber auch von den Massenmedien – scheint es mir
sinnvoll, einen kurzen Abriss über die wichtigsten Erkenntnisse der Genderlekte der
Erwachsenen zu geben. Dies soll für den Leser eine Brücke bilden, um dasGesprächsverhalten der Schüler/innen besser zu verstehen. Das Ziel meiner Arbeit
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besteht nicht bloss darin, die unterschiedlichen Gesprächsstile der SuS und deren
Entstehungsprozess zu dokumentieren, sondern ich möchte zusätzlich der Frage
nachgehen, welche Konsequenzen diese für die Lehrperson haben. Wie ich im
letzten Kapitel genauer erläutern werde, ist es erstrebenswert, dass Schüler/innen
neben ihrem „natürlichen“ geschlechtsspezifischen Gesprächsverhalten
verschiedene Sprachregister erlernen. Dies ist unumgänglich, wenn sie seriös auf die
Berufswelt, die eine umfassende Kommunikation erfordert, vorbereitet werden sollen.
2 Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Erwachsenen
Dass es geschlechtsspezifische Unterschiede im Gesprächsverhalten gibt, steht
ausser Frage und wurde durch mehrere Forschungen bewiesen. Um Unterschiede
im Gesprächsstil von Männern und Frauen zu finden und zu benennen, war es
unmöglich, alle individuellen Eigenschaften der betreffenden Personen zu
berücksichtigen. Der Fokus wurde ausschliesslich auf den Gender gerichtet.
Kreienbaum (1995) meint dazu:
„Pauschalisierungen sind bis zu einem gewissen Grad jedoch „leidige“, aber notwendige Zwischenschritte, deren Gültigkeit immer wieder in Frage gestellt werden muss.“ (Kreienbaum in Hasenhüttl 2001, 74)
Unzählige Einflüsse wie Religion, Alter, Klasse und Rasse mussten dazuausgeblendet werden. So gesehen gibt es die Frauen oder die Männer nicht.
2.1 Einfluss von Sprachverhaltensnormen
Die Komplexität und Schwierigkeit bei der Untersuchung von geschlechts-
spezifischen Gesprächsunterschieden sowohl bei Erwachsenen als auch bei
Schüler/innen besteht zum einen darin, dass sie stets verbunden sind mit
Sprachverhaltensnormen und gesellschaftlichen Erwartungshaltungen, an denen
sich das Sprachverhalten orientiert, und zum anderen, dass diese Normen oftmals
gar nicht bewusst wahrgenommen werden. Selbst wenn sie unbewusst wirken,
haben sie doch – vielleicht auch gerade deswegen – einen starken Einfluss auf die
Kommunikation (Linke 1991, 37). Strebt man ein umfassendes Verständnis der
geschlechtsspezifischen Gesprächsunterschiede an, ist es unumgänglich, sich mit
den in der Gesellschaft vorherrschenden Sprachverhaltensnormen auseinanderzu-
setzen und sich ihrer bei der Betrachtung der Unterschiede der Genderlekte stets
bewusst zu sein. Diese kritische Betrachtung muss zur Erkenntnis führen, dass
sprachliches Verhalten nicht bloss das Produkt individueller Entscheidung ist,
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sondern oft als Rollenverhalten verstanden werden muss. Deshalb scheint es mir
angebracht, exemplarisch einige Beispiele zu nennen, welche die Normen des
Gesprächsverhaltens der Geschlechter bestimmt haben.
Ein Zitat aus der Bibel:
„Wie in allen Gemeinden der Heiligen lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, dass sie reden, sondern
sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie etwas lernen, solasset sie daheim ihre Männer fragen.“ (……)
Die Bibel hatte zumindest in früherer Zeit einen grossen Einfluss auf das
gesellschaftliche Leben und somit auch auf das Gesprächsverhalten von Mann und
Frau. Nicht nur in Bezug auf das Sprechen wird die Dominanz und Überlegenheit der
Männer über die Frauen von der Bibel stark geprägt, sondern ganz klar auch in der
hierarchischen Stellung. Die Frauen sollen nach der Bibel dem Manne untertan sein.
Dem Mann wird eine Expertenrolle zugeschrieben, die Frau hingegen darf ihr Wissen
erweitern, indem sie sich bei ihrem Mann erkundigt. Ein etwas neueres Zitat aus
einem englischen Ratgeber für Hausfrauen von 1957 formuliert ein ähnliches
Anliegen folgendermassen:
„The woman who has a receptive ear not only can provide great comfort and release for her husband – she possesses a priceless social asset as well. Thequiet, unpretentious woman who is fascinated by another’s conversation, who isthe girl most likely to succeed socially, not only with the menfolk, but also withher fellow females.” (Swann 1992, 18)
Eine Frau, die eine harmonische Beziehung anstrebt, ihren Ehemann unterstützt und
sozial anerkannt werden will, tut gemäss diesem Ratgeber gut daran, sich in
Gesprächen bescheiden und ruhig zu verhalten, eigene Gespräche zu unterbinden
und dafür ein umso offeneres Ohr und Interesse für die Gesprächsthemen des
Gegenübers zu haben. Erstaunlicherweise sind diese Ratschläge nicht nur für den
Umgang mit dem Ehemann, sondern auch für die Kommunikation mit ihren
Freundinnen gedacht.
Zurecht mag man einwenden, dass sich die Zeiten und somit die Menschen
verändert haben, die Gesellschaft nicht mehr dermassen stark von der Bibel geprägt
wird und eine Gleichberechtigung der Geschlechter beinahe vollzogen ist. Doch man
bedenke, dass die Frauen in unserem Land auf politischer Ebene erst seit 1972
etwas zu sagen haben, nämlich als die Schweiz als eines der letzten europäischen
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Länder das Frauenstimmrecht einführte. Zudem leben solch stark geprägte Normen
oft unbewusst weiter und werden von der Medienwelt teils geradezu gepflegt (man
denke an die Werbung). Noch heute lassen sie sich im Gesprächsverhalten von
Frauen und Männern sowie bei Schüler/innen erkennen. Dies wird ersichtlich, wenn
wir die Zusammenfassung der neusten Forschungen zu den geschlechtsspezifischen
Gesprächsunterschieden von Erwachsenen betrachten.
2.2 Resultate zur Genderlekt-Forschung bei Erwachsenen
Einen kurzen Überblick über die wichtigsten Resultate zur Forschung über die
Genderlekte von Erwachsenen möchte ich anhand der Ausführungen von Angelika
Linke (1991) und der Zwei-Kulturen-Theorie von Deborah Tannen (1998) geben. Die
Resultate von Linke sollen veranschaulichen, dass die Sprachverhaltensnormen
noch heute das Gesprächsverhalten beeinflussen, während die Resultate von
Tannen bei der späteren Betrachtung des Gesprächsverhaltens bei den
Schüler/innen von Bedeutung sein werden.
Linke fasst zusammen, dass Frauen leiser, dafür mit höherer Stimme sprechen und
eine andere Wortwahl sowie andere Argumentationsstrukturen verwenden. Sie
lächeln mehr und gelten als die besseren Zuhörer, indem sie ihren
Gesprächspartnern mehr Rückmeldesignale geben. In gemischtgeschlechtlichenGruppen werden Gesprächsthemen von Frauen seltener aufgegriffen und oft weniger
lang verfolgt, als dies bei Männern der Fall ist. Frauen werden in solchen Gruppen
häufiger unterbrochen als Männer. Dies zeigt deutlich, dass Frauen in
kommunikativer Hinsicht anders behandelt und erstaunlicherweise sogar anders
wahrgenommen werden. Eine Frau, die eine gleich lange Redezeit wie Männer
beansprucht, wird – unbeachtet der tatsächlichen Redezeit – als geschwätzig und
dominant angesehen (Linke 1991, S.37).Vergleichen wir nun die neusten Forschungen mit den beiden obigen Zitaten aus der
Bibel bzw. dem Ratgeber für gute Hausfrauen, so sind die Parallelen nicht zu
übersehen. Wenn neuere Forschungsergebnisse belegen, dass Frauen ihrem
Gegenüber aktiver zuhören, indem sie mehr Rückmeldesignale wie mmh, ja usw.
verwenden und in gemischtgeschlechtlichen Gruppen bei öffentlichen Diskussionen
weniger sprechen als Männer, könnte man wirklich meinen, dass sie dem oben
genannten Ratschlag für Hausfrauen folgen. Die erwünschte bescheidene, ruhige Art
könnte man darin erkennen, dass Frauen eher leise sprechen. Die Überlegenheit des
Mannes, wie es das Bibelzitat impliziert, sieht man darin, dass Männer in ihrer
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„Expertenrolle“ Frauen öfters unterbrechen und deren Gedankengänge praktisch
nicht verfolgen, sondern vielmehr ihre eigene Meinung zum Gesprächsthema in den
Vordergrund stellen. Es mag schockierend wirken, wenn man bedenkt, dass heutiges
Gesprächsverhalten den gesellschaftlichen Normen entspricht, die ihre Gültigkeit vor
über 50 Jahren hatten – wenn nicht gar noch früher.
Die Genderlekte nur auf die Prägung durch Gesellschaftsnormen zurückzuführen,
wäre sicherlich zu kurz gefasst. Für ein noch differenzierteres Verständnis der
Genderlekte möchte ich deshalb auf die wichtigsten Erkenntnisse von Deborah
Tannen zu sprechen kommen.
Sie beschreibt in ihrem Buch „Du kannst mich einfach nicht verstehen“ (1998) das
Gespräch zwischen Mann und Frau als eine interkulturelle Kommunikation (Tannen
1998, 58). Sie sieht die Probleme im Gespräch zwischen Mann und Frau darin, dass
beide, obwohl sie innerhalb desselben Kulturraumes aufgewachsen sind, die Welt
mit völlig unterschiedlichen Augen wahrnehmen. Die Männer sehen sich eher als
Individuen in einer sozialen hierarchischen Ordnung, in der man entweder überlegen
ist oder unterliegt. Das Leben wird somit zu einem Wettkampf, bei dem Gespräche
und Verhandlungen dazu genutzt werden, Unabhängigkeit bzw. Status zu sichern.
Die Macht, Anweisungen zu erteilen, entspricht somit einem hohen Status, Befehle
und Anweisungen entgegenzunehmen jedoch einem niedrigen Status.
Männer haben ein tiefes, ursprüngliches Bedürfnis nach Freiheit und
Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit zeigt sich darin, dass sie Befehle erteilen und
Entscheide selbständig fällen. Männer leben daher eher in einer Statuswelt.
Die Welt der Frauen skizziert Tannen als ein gut gepflegtes Netzwerk von
zwischenmenschlichen Beziehungen. Der Pflege von Freundschaften wird viel Wert
beigemessen. Gespräche werden dazu genutzt, Bestätigung und Unterstützung zu
vermitteln, um möglichst eine Übereinstimmung zu erzielen. Das Bemühen besteht
darin, Unterschiede zu minimieren und das Aufdecken von Unterschieden wie auch
das Demonstrieren von Überlegenheit zu vermeiden. Das übergeordnete Ziel der
Kommunikation besteht in der Bindung, der Bewahrung von Intimität und der
Vermeidung von Isolation (Tannen 1998, 25).
Folgendes Beispiel von Deborah Tannen zeigt, wie das Aufeinandertreffen der
beiden Kulturen zu einem Konflikt führen kann.
Es handelt von einem Ehepaar, Linda und Josh, das sich lange nicht mehr gesehenhat und den bevorstehenden Samstagabend für ein gemütliches Beisammensein
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reserviert hat. Josh erhält jedoch ein Telefonat von einem alten Kumpel, der sich
zufällig in der Gegend aufhält. So lädt ihn Josh für den Samstagabend ein. Als er
seiner Frau von der Einladung erzählt, ist sie sehr enttäuscht.
Ein Beispiel, das sich wahrscheinlich in ähnlicher Weise schon in vielen Beziehungen
abgespielt hat. Linda war nicht in erster Linie enttäuscht, dass ihr Wunsch nach
einem gemütlichen Abend mit ihrem Mann nicht in Erfüllung ging, sondern darüber,
wie Josh eigenmächtig gehandelt und sie vor vollendete Tatsachen gestellt hatte.
Ihre Vorstellung von einer harmonischen Beziehung besteht nämlich darin, dass man
Vorhaben miteinander bespricht und gemeinsam eine Lösung findet. Linda würde nie
Pläne fürs Wochenende schmieden, ohne sich mit Josh abzusprechen. Dieser
antwortete auf Lindas Einwände, dass er nicht seinem Freund habe sagen können,
er müsse zuerst seine Frau um Erlaubnis bitten (Tannen 1998, 28). Josh setzt das
Absprechen mit seiner Ehefrau der Bitte um Erlaubnis gleich. Das würde für ihn
bedeuten, dass er nicht unabhängig ist. Hinzu kommt noch, dass sein Kumpel dies
mitbekommen würde, was einer zusätzlichen Schmach und einer Verletzung seines
Status gleichkäme.
Somit fühlten sich beide verletzt: Linda hatte das Gefühl, dass in ihrer Beziehung die
Nähe fehle, und Josh war unzufrieden, weil er sich von seiner Frau kontrolliert fühlte.
Die Einsicht, wie das Prinzip von Status und Bindung das Gesprächsverhalten
beeinflusst, hilft in vielen Fällen, Licht auf die Kommunikation zwischen den
Geschlechtern zu werfen.
Weiterhin prägte Deborah Tannen im Zusammenhang mit der Frage, wer mehr redet,
Männer oder Frauen, den Begriff der Beziehungssprache (rapport-talk) und der
Berichtssprache (report-talk). Dabei legt sie dar, dass Frauen die Sprache als
Beziehungssprache verwenden, d.h. als eine Möglichkeit, Bindungen zu knüpfen und
Gemeinschaft herzustellen. Daraus schliesst sie, dass Frauen zu Hause mehr
sprechen, sei es mit ihren Freundinnen oder ihrem Mann.
Nach Tannen nutzen Männer Gespräche vor allem zur Wahrung ihres Status und
ihrer Unabhängigkeit. Ihr Gesprächsverhalten lässt sich daher der Berichtssprache
zuordnen. Dies zeigt sich daran, dass Männer in öffentlichen Diskussionen häufiger
das Wort ergreifen und mehr sprechen als Frauen, da sie dadurch im Mittelpunkt
stehen, ihre Überlegenheit demonstrieren und Aufmerksamkeit erhaschen können
(Tannen 1998, 100ff).
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In diesem Kapitel ging es mir darum, einen ersten Einblick in die
geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gesprächsverhalten der Erwachsenen zu
vermitteln. Ich habe dabei versucht darzustellen, dass geschlechtsspezifische
Unterschiede im Gesprächsverhalten ihre Ursachen sowohl in oft unbewussten
geschlechtlichen Rollenerwartungen als auch in verschiedenen Weltsichten von
Männern (Status) und Frauen (Bindung) haben. Ein weiterer wichtiger Punkt – auch
für die spätere Betrachtung der Unterschiede der Genderlekte bei Schüler/innen – ist
(wie Deborah Tannen mit der Berichts- und Beziehungssprache erläutert), dass
Gespräche stark durch den Kontext (öffentliches vs. privates Sprechen) geprägt sind,
in dem sie stattfinden. Diese Erkenntnisse müssen in eine kritische Betrachtung der
Forschung von geschlechtsspezifischen Gesprächsverhalten mit einbezogen
werden.
3 Entstehungsprozess der geschlechtsspezifischen Unterschiede
im Gesprächsverhalten von Kindern
In diesem Kapitel möchte ich einen Einblick in den Entstehungsprozess der
Genderlekte von Schüler/innen geben. Wie ich unter 2.1 ausgeführt habe, wird das
Gesprächsverhalten von Normen geprägt. Da Kinder auf der Grundschulstufe bereits
ein geschlechtsspezifisches Verhalten zeigen, das auch das Gesprächsverhalten mit
einschliesst, lohnt es sich als Erstes, den mit der Sozialisation verbundenen
Entstehungsprozess der Genderlekte im vorschulischen Bereich anzuschauen. Ich
werde zunächst aufzeigen, wie die ersten erworbenen geschlechtsspezifischen
Verhaltensweisen durch die Eltern und durch zusätzliche Verinnerlichung in
geschlechtshomogenen Spielgruppen aussehen.
3.1 Sozialisation durch Eltern
Wir leben in einer Kultur der Zweigeschlechtlichkeit. Bereits in jungen Jahren
erbringen die Kinder einen grossen Lernzuwachs. Sie lernen nämlich, dass sie ein
Geschlecht besitzen, und welches Verhalten bzw. welche Rollen und Erwartungen
damit verbunden sind:
„Für Kinder ist die Erkenntnis, selbst weiblichen oder männlichen Geschlechts zu sein, keine einmalige Einsicht, sondern ein Prozess. Im Verlauf dieser
Entwicklung müssen die „verborgenen“, von Erwachsenen nicht geradebewusst vermittelten Signale und Zeichen für die Geschlechtszugehörigkeit angeeignet werden.“ (Hagemann-White in Fuchs 2001,.47)
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Dieser Prozess, bei dem Kinder lernen, sich und andere als weiblich oder männlich
zu definieren, wird vor allem durch die Eltern geprägt. Wie diese den Prozess der
Aneignung eines zum Geschlecht passenden Sprachverhaltens beeinflussen,
möchte ich mit den Worten von Regina Becker-Schmidt (1987) wiedergeben:
„Ganz am Anfang eines Lebens erlaubt die Antwort: es ist ein Mädchen – es ist ein Junge, eine spekulative Linie in die Zukunft zu ziehen, ein wenig Ordnung ins Ungewisse zu bringen. Mit dem Geschlecht kann man rechnen: es gibt „Zielwahrscheinlichkeitsräume“ vor, die Eltern mit ihren Entwürfen und Träumen ausfüllen können. (…) So wird das Kind in ein vorstrukturiertes Feld von Erwartungen, Hoffnungen und Begrenzungen hineingeboren. Im Glücksfall ist es als Kind willkommen, aber ein Mädchen wird auf andere Weisewillkommen geheissen als ein Junge. (…) Schon bevor ein kleines Mädchen sich
selbst und sein Geschlecht in Beziehung zu setzen vermag und eigene Erfahrungen damit macht, hat das Geschlecht für die Erwachsenen als sozialeOrdnungskategorie funktioniert.“ (Becker-Schmitd in Fuchs 2001, 42)
Die Verhaltensweise der Eltern, wie sie ihr Kind seinem Geschlecht entsprechend
willkommen heissen, d.h. wie sie es wahrnehmen und sich ihm gegenüber verhalten,
trägt somit auch zur Ausprägung zweier verschiedener geschlechtsspezifischer
Gesprächsstile bei. So zeigen Untersuchungen, dass Kinder im Alter zwischen
3-5 Jahren sich nicht bloss mit einem Geschlecht identifizieren, sondern bereits ein
umfangreiches Repertoire an geschlechtsangemessenem und -unangemessenem
Verhalten im Kopf haben. Sie wissen bereits, wie sich eine Frau bzw. ein Mann
verhält (Fuchs 2001, S.73).
Der Einfluss der Eltern auf die Ausprägung der Genderlekte wurde durch mehrere
Untersuchungen bestätigt, die sich mit der Kommunikation zwischen Eltern und Kind
auseinandersetzen. Hierzu gehört die „Study of the eye of the beholder“ (Studie des
Betrachterauges). Sarah und John Condry (1976) zeigten verschiedenen
Erwachsenen Videosequenzen von schreienden Babys. Je nachdem, ob die
Erwachsenen glaubten, ein Junge oder ein Mädchen zu sehen, ordneten sie ihnen
unterschiedliche Gefühlsregungen zu. Ein schreiendes Mädchen wurde häufig als
ängstlich beschrieben, das Schreien eines Jungen hingegen eher als Ausdruck von
forderndem Verhalten oder Wut interpretiert (Fuchs 2001, 71).
Die Studie lässt den Schluss zu, dass die stereotypen Vorstellungen vom
Geschlechtsverhalten der Erwachsenen deren Wahrnehmung stark beeinflussen,
und bestätigt die Aussage von Regina Becker-Schmidt (1987), wonach das Leben
eines Kindes bei der Geburt aufgrund seines Geschlechts von den Erwachsenen
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bereits vorstrukturiert ist. Eine weitere Untersuchung von Esther Blank-Greif (1980)
weist darauf hin, dass Eltern ihre Kinder nicht nur dem Geschlecht entsprechend
verschieden wahrnehmen, sondern – was auch wesentlich ist für die Ausprägung der
Genderlekte – sogar unterschiedlich mit ihnen sprechen. Greif untersuchte das
Gesprächsverhalten von Eltern, die mit ihren Kindern spielten. Sie stellte fest, dass
beide Elternteile ihre Töchter öfters unterbrachen und simultan redeten, ihren
Söhnen hingegen mehr Einfühlung für deren Gesprächsrechte entgegenbrachten
(Fuchs 2001, 72).
Dass Väter ihre Töchter öfters unterbrechen als ihre Söhne, überrascht nicht, wenn
man sich die Ergebnisse der Forschung zu den Genderlekten der Erwachsenen in
Erinnerung ruft (vgl. Kap. 2.2). Laut dieser Forschung sind es nämlich die Männer,
welche die Frauen in gemischtgeschlechtlichen Diskussionen häufiger unterbrechen.
Es erstaunt hingegen, dass Mütter ihre Töchter ebenfalls öfters unterbrechen, da der
Genderlekt der Frauen als kooperativ wahrgenommen wird und eher auf Bindung
abzielt. Ich vermute, dass das Gesprächsverhalten mehr durch ihre Vorstellung der
Geschlechterrolle ihrer Töchter als durch ihren eigenen Gesprächsstil zustande
kommt.
3.2 Einfluss der Peers auf das geschlechtsspezifische Gesprächsverhaltenvon Kindern
Neben den Eltern haben die gleichgeschlechtlichen Peers, unter denen die
Schüler/innen einen grossen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbringen, einen
wesentlichen Einfluss auf deren Gesprächsverhalten. Sie lernen dabei, wie man sich
ausdrückt und wie man Gespräche unter ihresgleichen führt. Der Zusammenhang
zwischen dem Spielverhalten der Kinder und dem Erproben und Vertiefen von
geschlechtsspezifischem Gesprächsverhalten wurde von den Anthropologen Daniel
Maltz und Ruth Borker (1982) untersucht. Sie stellten fest, dass sich in den
homogeschlechtlichen Spielgruppen nicht nur die Lieblingsspiele der Kinder, sondern
auch ihre Sprechweise erheblich unterscheiden. Die Jungen spielen vorzugsweise im
Freien in grossen, hierarchisch strukturierten Gruppen mit einem Anführer, der
Anweisungen gibt, was und wie etwas gemacht werden soll. Eine andere Lieblings-
beschäftigung der Jungen ist das „wettkampfmässige“ Erzählen von Witzen und
Geschichten, indem man über ein möglichst spannendes Erlebnis berichtet und
zugleich die Geschichten der anderen lächerlich macht. Deborah Tannen (1998)
sieht darin zwei verschiedene Möglichkeiten, Status auszuhandeln oder zu
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gewinnen. Das Erteilen von Anweisungen und deren Durchsetzung stärkt den Status
des Anführers. Dies wird dadurch ersichtlich, dass Jungen in ihren Gruppen mehr
Direktiva verwenden, z.B. „Gib mir…!“ oder „Komm her…!“. Beim Erzählen hingegen
wird derjenige am meisten Aufmerksamkeit erlangen, der die besten Witze oder
Geschichten vorträgt oder die anderen am ehesten lächerlich macht. Sowohl eine
hohe Aufmerksamkeit wie auch die Macht, Befehle zu erteilen, lassen auf einen
hohen Status schliessen (Tannen 1998, 52ff). Nach Malz/Borker (1982) sind es
folgende Sprechweisen, die Jungen in ihrer Spielgruppe erlernen:
• ihre dominante Position geltend zu machen;
• eine Zuhörerschaft anzuziehen und in Bann zu halten;
• sich selbst durchzusetzen, wenn andere das Rederecht haben.
(Malz/Borker in Fuchs 2001, 75)
Die Spielgruppen der Mädchen sind laut Deborah Tannen (1998) wesentlich kleiner
als bei den Jungen. Die Mädchen bevorzugen es, zu zweit oder in kleinen Gruppen
zu spielen. Der Intimität kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Sie setzt jedoch
auch Bindung zwischen den Mädchen voraus, die durch eine Gleichwertigkeit aller
Teilnehmenden entsteht. So erstaunt es nicht, dass es bei vielen Mädchenspielen
(z.B. Seilspringen oder Mutter und Kind) keine Gewinner oder Verlierer gibt. Dadurch
wird verhindert, dass ein Mädchen besser ist und heraussticht, da dies dieSymmetrie ihrer Beziehung gefährden würde. Die Spiele sind oft so konzipiert, dass
alle einmal an die Reihe kommen. Somit wird die Harmonie nicht durch eine
wettkampforientierte Konkurrenz gefährdet und mögliche Konflikte im Voraus
verhindert. Direkte Handlungsanweisungen werden von den Mädchen weniger
benützt. Vielmehr bringen sie ihre Anliegen durch wohlbegründete Aussagen zum
Ausdruck: „Wir könnten dort hingehen, weil…“ (Goodwin in Fuchs 2001, 75f).
Mädchen lernen nach Malz/Borker (1982) in ihren Spielgruppen folgende
Sprechweisen:
• gleichberechtigte und enge Beziehungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten;
• andere in akzeptabler Weise zu kritisieren;
• die Rede anderer Mädchen richtig und genau zu interpretieren.
(Malz/Borker in Fuchs 2001, 76)
Vergleichen wir die Resultate des geschlechtsspezifischen Gesprächsverhaltens der
Kinder in ihren Spielgruppen mit den unter Kapitel 2.2 beschriebenen Genderlekte
der Erwachsenen, lassen sich Parallelen ziehen. Bei den Jungen findet dieFestlegung des Status durch die Machtspiele in ihrer Spielgruppe statt. Die Männer
tun dies auch in gemischtgeschlechtlichen öffentlichen Diskussionen oder
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Veranstaltungen, indem sie mehr Redezeit beanspruchen und andere öfters beim
Reden unterbrechen. Die Intimität bei den Mädchen wird dadurch garantiert, dass sie
in kleinen Gruppen spielen, Wettkämpfe vermeiden und keine Befehle erteilen,
sondern Vorschläge in die Runde werfen. In ähnlicher Weise sprechen laut Tannen
(1998) Frauen gerne zu Hause, d.h. zu zweit oder in einer kleinen Gruppe. Zusätzlich
finden sich bei der unterschiedlichen Spielweise der Kinder sowohl die
Berichtsprache (Witze erzählen vor einer grösseren Zuhörerschaft) als auch die
Beziehungssprache (vorsichtiges und nicht forderndes Einbringen von Ideen in
Kleingruppen oder zu zweit). Diese Gemeinsamkeiten im Gesprächsverhalten von
Jungen und Männern bzw. Mädchen und Frauen weisen darauf hin, dass die Kinder
ihr Gesprächsverhalten von den Erwachsenen erlernen.
Nachdem ich den Entstehungsprozess der geschlechtsspezifischen Gesprächsstile
aufgrund des Verhaltens der Eltern sowie der Erfahrungen aus den Kinderspielen in
gleichgeschlechtlichen Gruppen beschrieben habe, möchte ich nun mit diesem
geschärften Blick das Gesprächsverhalten im Klassenzimmer erläutern.
4 Gesprächsverhalten der Lehrperson
Die Kommunikation im Schulzimmer ist durch Asymmetrie geprägt. Die Lehrperson
befindet sich nicht auf der gleichen hierarchischen Stufe wie die Schüler/innen. Als
Autoritätsperson hat sie einen weitaus höheren Status. Dieser Umstand übt einen
direkten Einfluss auf die Kommunikation im Schulzimmer aus. Da das
Gesprächsverhalten der Lehrperson dasjenige der Schüler/innen beeinflusst, werde
ich mich zuerst mit diesem beschäftigen.
4.1 Die Aufmerksamkeitsverteilung der Lehrperson
Dale Spender (1982) beschreibt, dass Lehrpersonen zwei Drittel ihrer Zeit für Schüler verwenden, selbst wenn diese zahlenmässig in der Klasse untervertreten
sind. Spender hat in Kenntnis dieses Resultats für ihre Forschung
Tonbandaufnahmen von ihrem eigenen Unterricht hergestellt. Dabei legte sie
während 10 Schulstunden den Fokus bewusst auf eine gleichberechtigte
Aufmerksamkeitsverteilung von Schülerinnen und Schülern. Das Ergebnis war ein
Schock für sie, denn selbst mit einer bewussten Anstrengung, den Schülerinnen
mehr Aufmerksamkeit zu schenken, brachte die Auswertung eine solche von bloss38% zugunsten der Schülerinnen. Andere Lehrerinnen erzielten noch schlechtere
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Resultate von 36% bzw. 34% und waren gleichermassen schockiert, was in ihren
Aussagen zum Ausdruck kommt:
„Ich habe doch so bewusst versucht, mehr Zeit mit den Mädchen zu verbringen, dass ich
wirklich dachte, ich hätte es übertrieben“ (Spender 1982, 74).
Eine andere Lehrerin meinte:
„Ich dachte wirklich, ich hätte die Mädchen bevorzugt“ (Spender 1982, 74)
Diese Aussagen weisen darauf hin, dass das persönliche Gesprächsverhalten in uns
sehr stark eingeprägt ist. Dies wird dadurch ersichtlich, dass selbst mit einem
bewussten Aufwand nur ein geringfügiger Unterschied in der
Aufmerksamkeitsverteilung zustande kam. Das Gesprächsverhalten bzw. die
Sprachverhaltensnormen wirken, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht.
Aufschlussreich sind auch die erbosten Reaktionen der Schüler auf eine Lehrerin, die
bewusst versuchte, den Mädchen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, und damit
eine magere Aufmerksamkeitsverteilung von 34% bei den Schülerinnen erzielte:
„Sie nimmt immer nur die Mädchen dran“ (Spender 1982, 74)
Ein anderer Schüler meinte:
„Sie mag Jungen nicht und hört nur auf die Mädchen“ (Spender 1982, 74).
Es scheint, dass die Schüler bezüglich Rederecht ein ähnliches Gerechtigkeits-
empfinden besitzen wie die oben zitierten Lehrerinnen und auch versuchen, diesem
Gehör zu verschaffen. Daraus lässt sich schliessen, dass die Sprachverhaltens-
normen von Lehrerinnen und Schülern in diesem Beispiel übereinstimmen. Dale
Spender erklärt die oben geschilderten Ergebnisse so:
„[…] unsere gesellschaftlichen Strukturen und unser Erziehungswesen sind so beschaffen,
dass Gleichheit und faire Behandlung der Geschlechter bedeutet, dass die Jungen einfach
mehr Aufmerksamkeit bekommen (Spender1982, 72).
Die Aussage darf auf ihre heutige Gültigkeit hinterfragt werden, da in den letzten30 Jahren eine Sensibilisierung stattgefunden hat, was den Gender anbelangt.
Dale Spender zeigt weiter, dass Lehrpersonen den Jungen mehr Aufmerksamkeit
schenken, indem sie den Schulstoff nach den Interessen der Schüler didaktisieren.
Die Themenwahl fiel jedoch nicht zufällig in den Interessenbereich der Schüler,
sondern wurde absichtlich so gewählt. Auf die Frage, weshalb die Lehrpersonen dies
so handhaben, erhielt Spender folgende Rechtfertigungen:
„Die Jungen sind schwerer in Schach zu halten“, sagte eine Lehrerin. „Ja“, meinte eineandere, „sie sind immer so lebhaft und unruhig. Es ist wichtig, sie bei der Stange zu halten…
sonst kommt es zu furchtbaren Scherereien.“ (Spender 1982, 77)
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Durch ihre Dominanz und ihr auffälliges Verhalten erreichen die Schüler, dass ihre
Interessen im Unterricht verfolgt werden und die Schülerinnen sich weiterhin mit
einem Drittel der Aufmerksamkeit zufriedengeben müssen. Als angehende
Lehrperson stellt sich mir die Frage, ob die Klassenführung und die
Disziplinarmassnahmen dieser Lehrerinnen versagt haben, so dass sie praktisch vor
den Wünschen der Schüler kapitulieren mussten. Inwiefern sich das
Unterrichtsthema auf das Gesprächsverhalten der Schülerinnen und Schüler
auswirkt, werde ich unter 5.3 separat erläutern.
Linda Morse und Herbert Handley (1985) haben die Kommunikation in einem
Schulzimmer mit traditionellem Frontalunterricht untersucht. Die Auswertung von
sechs Lektionen bestätigte die Resultate von Spender, wonach Lehrpersonen mehr
mit Jungen sprachen als mit Mädchen. Zudem stellte sich heraus, dass den Jungen
mehr Fragen gestellt wurden und mehr Zeit aufgewendet wurde, um Fragen der
Jugendlichen aufzugreifen, anders zu formulieren und somit ihren Fragen mehr
Bedeutung beizumessen. Die Schüler erhielten auch mehr Rückmeldungen, was zu
einer Verlängerung des Gesprächs zwischen Lehrern und ihnen führte
(Swann 1992, 56). Wie subtil Mechanismen sein können, die zur Bevorzugung der
Schüler im Unterricht führen, zeigen Swann und Graddol (1988) in einer kleineren
Untersuchung in einer Primarklasse. Das Rederecht bekam, wer als Erster
aufstreckte. Die Videoaufnahmen vom Unterricht zeigten, dass der Blick der Lehrerin
über die meiste Zeit auf die Schüler gerichtet war. Wenn sie mit Blick auf die Schüler
eine Frage stellte, neigte sie dazu, ihren Blick bei den Schülern zu belassen, und
zwar so lange, bis sich ein Mädchen meldete. Im anderen Fall, wenn sie den
Schülerinnen eine Frage stellte, tendierte sie dazu, ihren Blick zu den Schülern hin
zu bewegen. Swann und Graddol (1988) kamen zum Schluss, dass diese
Gewohnheit der Lehrerin die Schüler bevorzugte (Swann 1992,62).
Die unterschiedliche Aufmerksamkeitsverteilung steht im engen Zusammenhang
damit, wie Lehrpersonen Schülerinnen oder Schüler sehen. Deshalb soll nun näher
auf die Wahrnehmung der Lehrperson eingegangen werden.
4.2 Die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrperson
Wie ich unter 3.2 anhand der „Study of the eye of the beholder“ erwähnt habe, führt
die Wahrnehmung des Geschlechts zu einem ihm entsprechenden
Gesprächsverhalten. Deshalb wird die Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler
durch die Lehrperson einen Einfluss auf das Gesprächsverhalten haben und
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möglicherweise auch erklären, wie es zur Benachteiligung von Schülerinnen in der
Unterrichtskommunikation kommt.
Erika Hasenhüttl (2001) berichtet von Interviews mit Lehrpersonen, wonach Mädchen
eher als eine Gruppe, Buben hingegen als Individuen wahrgenommen werden. Die
Lehrpersonen konnten wesentlich mehr über die Buben erzählen als über die
Mädchen. Mädchen gelten als „eine undifferenzierte Masse an der Peripherie des
Bewusstseins der Lehrkraft“ sowie als „anonym, unbekannt und gesichtslos“
(Spender 1989 in Hasenhüttl 2001, 85). Führt man sich diese Aussagen zu Gemüte,
bestehen wohl keine Zweifel mehr an den Resultaten zur Aufmerksamkeitsverteilung
bei Lehrpersonen – falls diese Aussagen für deren überwiegenden Teil zutreffen
sollte. Wenn eine solche undifferenzierte Masse überhaupt noch 33%
Aufmerksamkeit bekommt, kann man schon fast von Glück sprechen. Eine ähnliche
Einschätzung zeigt sich auch, wenn Lehrpersonen aufgefordert werden, ihre Klasse
zu beschreiben. Die Aufzählung beginnt dabei meistens mit den Jungen und endet
oft mit Wendungen wie „und die übrigen sind Mädchen“ oder „und ausserdem ein
Haufen Mädchen“ (Spender 1985 in Hasenhüttl 2001, 85??). Die geringe Bedeutung
und Wertschätzung, die den Mädchen beigemessen wird, verdeutlicht die Aussage
einer Lehrerin über ihre Klasse: „Das ist eine H8 mit 23 Schülern: 8 Jungen und der
Rest Mädchen“ (Brehmer 1992 in Hasenhüttel 2001, 85?).
Mädchen werden sogar dann als Rest angeschaut, wenn sie eine Mehrheit der
Klasse bilden. Hasenhüttl (2001) kommt zum Schluss, dass Lehrpersonen oft
traditionelle Geschlechtervorstellungen haben. Obwohl sie zunächst die Gleichheit
der Geschlechter betonen, beschreiben sie im Gespräch die Buben als disziplinär
schwieriger, dafür aber kompetenter und damit auch interessanter. Die Mädchen
hingegen werden als ruhig, brav und fleissig wahrgenommen. Diese Eigenschaften
werden jedoch nicht speziell honoriert, sondern als typisch weiblich angeschaut und
vorausgesetzt (Hasenhüttl 2001, 90). Zur Illustration folgende Aussage einer
Lehrperson:
„Jungen haben oft sehr viele Ideen, spritzige Ideen, auch in Mathematik, Mädchen sind dafür
manchmal ein bisschen gründlicher und sorgfältiger beim Schreiben. Die Burschen sind viel
dynamischer und witziger und bringen `nen ganz anderen Charme und anderes Interesse mit
in den Unterricht.“ (Kreienbaum 1995 in Hasenhüttl 2001, 91)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schüler mit den „typisch“ männlichenEigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Intelligenz, Humor und innovative
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Kreativität, Schülerinnen mit den „typisch“ weiblichen Eigenschaften wie Ruhe,
Fleiss, Ordentlichkeit, Sauberkeit, Anstand und Hilfsbereitschaft in Verbindung
gebracht werden. Ein grosser Unterschied besteht jedoch darin, dass die positiven
Eigenschaften der Schüler hervorgehoben werden, diejenigen der Schülerinnen aber
keine solche Anerkennung erfahren, sondern von ihnen erwartet werden (Hasenhüttl
2001, 91). Die Gegenüberstellung von Intelligenz (Schüler) und Fleiss (Schülerin)
findet sich laut Dweck et al. (1978) auch in den Rückmeldungen der Lehrpersonen
an ihre Schüler/innen. Jungen würden vor allem solche bekommen, die auf ein
Fehlverhaltung zurückzuführen seien (Unordnung, Unaufmerksamkeit), jedoch nicht
auf einen Mangel an Fähigkeiten. Bei den Mädchen würden
Misserfolgsrückmeldungen häufig auf mangelnde intellektuelle Fähigkeit
hinauslaufen. Dieses Gesprächsverhalten ist wiederum auf die Vorstellung der
Lehrpersonen zurückzuführen, die sie über die Geschlechterrollen von Frauen bzw.
Mädchen haben (Kotthoff 1988, 85).
Andererseits ist es naheliegend, dass eine Lehrperson, die zwei Drittel ihrer
Aufmerksamkeit den Jungen schenkt, diese als intelligenter, durchsetzungsfähiger
und interessierter einschätzt, da sie viel häufiger zu Worte kommen als die Mädchen,
die nur einen Drittel der Lehreraufmerksamkeit bekommen und deshalb eher als
ruhig und brav eingestuft werden. Doch man könnte auch schlussfolgern, dass die
Jungen die Aufmerksamkeit der Lehrperson einfordern, die Mädchen hingegen dies
nicht tun und deshalb selbst dazu beitragen, als ruhig bezeichnet zu werden. Diesen
Umstand möchte ich im folgenden Kapitel noch genauer untersuchen.
5 Geschlechtspezifisches Gesprächsverhalten von Schülern und
Schülerinnen
Das Gespräch in der Schule findet zum einen in einer grösseren
gemischtgeschlechtlichen Gruppe statt, zum anderen entspricht es meistens dem
von Tannen (1998) beschriebenen öffentlichen Sprechen, das sie Berichtsprache
nennt. Wenn man sich ins Bewusstsein ruft, dass Männer sich vorzugsweise einer
Berichtsprache bedienen und – wie Forschungen auch bewiesen haben – in
öffentlichen Diskussionen mehr sprechen als Frauen, erstaunt es nicht, dass Jungen
mehr Aufmerksamkeit fordern und deshalb mehr Gelegenheit zu sprechen
bekommen als Mädchen. Die Schüler haben in ihren gleichgeschlechtlichenSpielgruppen (vgl. Kap. 3.2) viele Erfahrungen gesammelt, wie man sich im
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Gespräch durchsetzt, die eigenen Anliegen erfolgreich vertritt, Geschichten
spannend schildert und andere lächerlich oder gar mundtot macht. So haben die
Jungen im Unterricht gegenüber den Mädchen einen wesentlichen Vorteil, zumindest
beim Frontalunterricht, wo das Gespräch einen öffentlichen Charakter annimmt.
Bevor ich mich mit dem Geschlechterstereotyp des frechen, lauten, auffälligen
Schülers gegenüber der ruhigen, fleissigen, anständigen Schülerin befasse, möchte
ich nochmals darauf hinweisen, den Forschungen in diesem Bereich mit Vorsicht zu
begegnen. Wie ich schon bei den Genderlekten zu den Erwachsenen erwähnt habe,
gibt es neben dem Gender noch viele andere Faktoren, die das Gesprächsverhalten
beeinflussen. Schüler und Schülerinnen sind keine homogene Gruppe. Wie heikel
Pauschalisierungen sind, zeigt folgendes Zitat:
„Wenn von der feministischen Schulforschung – zu Recht – kritisiert wird, Mädchen würden
im koedukativen Unterricht nur als Gruppe wahrgenommen, so trifft dieser Vorwurf auch sie
selbst, wenn generell und pauschal von der Benachteiligung der Mädchen gesprochen wird.“
(Nyssen/Schön 1992 in Hasenhüttl 2001, 72)
5.1 Schüler und Schülerinnen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen
Schüler/innen verbringen die meiste Schulzeit in ihrer ganzen Klasse, die eine
typisch gemischtgeschlechtliche Gruppe darstellt. Die bereits beschriebenenResultate der Aufmerksamkeitsverteilung der Lehrpersonen zugunsten der Schüler
bestätigen indirekt, dass Schüler mehr sprechen, da sie mehr Möglichkeit dazu
bekommen. Dies werde ich belegen anhand einiger Forschungen, die sich direkt auf
die Redezeit von Schüler/innen beziehen. Krähling (Hase???) zeigt deutlich auf, wie
Schüler einer Gymnasialklasse die Diskussion, deren Thema vorgegeben war,
dominierten. Von 23,5 Minuten redeten die Jungen mehr als 20 Minuten. Es waren
jedoch zwei Schüler, die zusammen über 16 Minuten in Anspruch nahmen. Der ruhigste Bub sprach dabei immer noch so viel wie das aktivste Mädchen (Hasenhüttl
2001, 115). Sadker und Sadker (1985) haben in ihrer Studie zu einer
gemischtgeschlechtlichen Klasse in den USA belegt, dass Schüler acht Mal häufiger
aufgerufen wurden als Schülerinnen (Swann 1992, 51). Regula Rüegg (1995) gibt
einen noch aufschlussreicheren Einblick in das Gesprächsverhalten von
Schüler/innen. In ihrer eigenen Schulklasse, die aus 17 Mädchen und 7 Buben
bestand, stellte sie ein stark traditionelles Rollenverhalten fest. Die Mädchen waren
unauffällig, brav, fleissig, die Buben hingegen fielen auf durch Lärm, Schwatzen,
betont originelles Verhalten, Dreinreden und Sprüchereissen. Die Dominanz der
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Jungen im Gesprächsverhalten führte zu einer Einschüchterung der Mädchen,
obwohl sie in der Überzahl waren. Im Gespräch, das Rüegg analysierte, ging es um
den Schreibstil von Böll. Als ein Mädchen das Wort Assoziation, das in dieser Stunde
neu gelernt wurde, benutzte, wurde sie sogleich von den Jungen attackiert, da es für
sie immer noch ein Fremdwort war. Sie stellten die Schülerin als Streberin oder
Besserwisserin hin, indem sie ihr unterstellten, sie habe das Wort nur gebraucht, weil
es „cool töne“ (Rüegg 1995, 174ff.) Doch der Grund für die Sanktion war vielmehr,
dass sie es nicht tolerieren konnten, dass ein Mädchen mehr wusste als sie selbst
und ihnen vom Wissen her unterlegen war. Dadurch sahen sie ihren Status gefährdet
und mussten eingreifen. Die Mädchen brachten die Kritik am dominanten
Gesprächsverhalten der Jungen der Lehrerin nur indirekt hervor, als sie in einer
reinen Mädchengruppe nach dem Verlauf einer Mädchendiskussion meinten:
„es lauft guet, will mer nu Meitli sind“
„mir käned öis guet“
„d Buebe widerspräched vill mee“
„sie werdet persönlich, si griifed aa, si stelled öis blöd ane“
„sie werdet eifach luut, ich ha dänn überhaupt e kä Chance me!“ (Rüegg 1995, 182 )
Die Aussagen stammen von verschiedenen Schülerinnen und charakterisieren durch
die Kritik am Gesprächsverhalten der Jungen ihren eigenen Gesprächsstil, der sich
dadurch auszeichnet, dass man sich gut kennt und eine persönliche Bindung besteht
oder gar eine gewisse Intimität vorhanden ist. Man unterbricht einander nicht, bleibt
sachlich, verletzt niemanden und achtet darauf, dass jede die Möglichkeit bekommt,
etwas zu sagen. Die Äusserungen weisen in erster Linie darauf hin, dass die
Mädchen unter dem dominanten Gesprächsstil der Jungen leiden und – wie die
Aussage „ich ha dänn überhaupt kä Chance mee!“ zeigt – auch ungleich behandelt
fühlen (vgl. Rüegg 1995, 182).
Jane French and Peter Franch (1984) stellten in ihrer Untersuchung fest, dass die
Schüler mit 50 Turns gegenüber den 16 der Schülerinnen den Unterricht dominierten
und dabei Strategien verwendeten, die es ihnen erlaubten, länger zu sprechen. Eine
Strategie war zum Beispiel, eine bestimmte Antwort auf die Frage des Lehrers zu
geben, die ihn veranlasste, genauer nachzufragen, was dem Schüler wiederum zu
einer weiteren Wortmeldung verhalf (Swann 1992, 58).
Für gemischtgeschlechtliche Gruppen und Schulklassen gibt es sehr viele Hinweiseund Forschungsergebnisse, die ein dominantes Auftreten der Schüler auf Kosten der
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Schülerinnen bestätigen. Dies erstaunt nicht wirklich, da die Forschungsresultate
zum Gesprächsverhalten der Erwachsenen dasselbe belegen. Dennoch bin ich auf
einige Hinweise gestossen, die der besagten Dominanz der Jungen im
Unterrichtsgesprächsverhalten widersprechen.
Gay Randall (1987) untersuchte in England eine Klasse während Handwerks-,
Zeichen- und Technologielektionen. Da er den Fokus bewusst auf handwerklichen
Unterricht legte, kam es zwischen Lehrperson und Schüler/innen nicht zum sonst
üblichen offenen Klassengespräch. Die Lehrperson ging im Schulzimmer umher und
sprach individuell mit den Schüler/innen. Die Resultate widersprechen dem üblichen
Gesprächsverhalten, wie es in den anderen Forschungen beschrieben wird. Die
Schülerinnen sprachen nicht etwa gleichviel wie die Schüler, sondern verzeichneten
sogar mehr Turns. Allerdings waren diese Turns oft bloss Fragen vom Typ „Was soll
ich jetzt machen?“ Randall (1987) interpretiert das Resultat auf drei verschiedene
Arten: Die Schülerinnen sind weniger selbständig und brauchen mehr Unterstützung,
sie bevorzugen es, persönlich mit der Lehrperson zu sprechen, oder die Lehrperson
hat das Ungleichgewicht der Aufmerksamkeitsverteilung bzw. der Redezeit
aufgehoben (Swann 1992, ??) Um eine der drei Annahmen zu bestätigen, müsste
man das Gesprächsverhalten dieser Klasse in einer „normalen“ Unterrichtsstunde
beobachten und die Ergebnisse mit den Resultaten aus dem Werkunterricht
vergleichen. Dazu habe ich leider keine weiteren Informationen gefunden.
Swann (1992) erwähnt eine weitere Studie, die das dominante Gesprächsverhalten
von Schülern in Frage stellt. Es ist eine Studie aus Australien von Barry Dart and
John Clarke (1988), die 24 Lektionen in Naturwissenschaft analysierten. Angaben
zur Unterrichtsform fehlen, die Antworten der Schüler/innen lassen laut Swann
jedoch auf eine Mischung von offenen Klassen- und individuellen Gesprächen
zwischen Lehrperson und Schüler/innen schliessen. Das Ergebnis zeigt, dass die
Lehrperson gesamthaft mehr mit den Jungen sprach als mit den Mädchen. Die
Differenz war jedoch so gering, dass sie statistisch unbedeutend ist (Swann 1992,
57ff.). Die Jungen antworteten häufiger auf die Fragen der Lehrperson, die Mädchen
initiierten dafür mehr Lehrerkontakte. Diese Studie belegt, dass Schülerinnen und
Schüler im Unterricht gleichviel sprechen und sich keine Dominanz der Schüler
erkennen lässt.
Die Forschungen von Randall (1987) sowie Barry Dart und John Clarke (1988) sollenzu einer differenzierteren Sicht über das stereotype Gesprächsverhalten von Jungen
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führen. Ihre Ergebnisse heben die Bedeutung des Kontexts hervor, in welchem sich
das Gespräch in der Schule abwickelt. Die Mädchen tendieren dazu, mehr zu sagen,
wenn sie die Gelegenheit haben, individuell mit der Lehrperson zu sprechen
(Werkunterricht). Die Jungen scheinen dafür beim offenen Klassengespräch aktiver
zu sein (Beantworten von Lehrerfragen). Erneut erinnert dieses Verhalten an die
Zwei-Kulturen Theorie von Tannen (1998). Die Beziehungssprache der Mädchen
zeigt sich im Einzelgespräch mit der Lehrperson, die Berichtsprache der Jungen an
den vermehrten Beiträgen bei Fragen der Lehrpeson im offenen Klassenunterricht.
Nun besteht aber im Schulunterricht immer wieder die Möglichkeit (z.B. bei
Gruppenarbeiten), dass Schüler/innen in geschlechtsgetrennten Gruppen arbeiten.
Welchen Einfluss dieser Umstand auf ihr Gesprächsverhalten hat, soll nun näher
betrachtet werden.
5.2 Gesprächsverhalten von Schüler/innen in getrenntgeschlechtlichen
Gruppen.
Wie die Gesprächsanalyse von Daniele Rüegg (1995) gezeigt hat, fühlen sich die
Mädchen sehr wohl und ungestört („es lauft guet, will mer nu Meitli sind“??), wenn
sie unter sich in einer Gruppe diskutieren oder arbeiten können. Sie treffen auf eine
Situation, in der sie – wie in ihren Kindheitsspielen – eine Beziehungssprachesprechen können. Sie verhalten sich deshalb sehr kooperativ im Gespräch, was
infolgedessen auch eher zu einem guten Lernerfolg führt. Auf der Seite der Schüler
sieht es jedoch anders auch.
Davies (1999) verglich die Arbeits- und Sprechweise von getrenntgeschlechtlichen
Schüler/innen. Die Jungen wichen dabei sehr oft vom zu erarbeitenden Ziel ab.
Diejenigen, die wirklich lernen wollten, mussten zuerst viele Störungen und Angriffe
seitens anderer Jungen bewältigen, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnen konnten.
Selbst wenn das Thema die Jungen interessierte, mussten sie zuerst ihren Status
unter Beweis stellen, bevor sie sich auf den Inhalt konzentrieren konnten. Kotthoff
(2003??) kommt zum Fazit, dass Jungen sich in gleichgeschlechtlichen Gruppen
kompetitiver verhalten als Mädchen und darunter Leiden. Sie müssen in diesem
Sinne im Unterricht doppelte Arbeit leisten: Zuerst müssen sie sich profilieren, um
nicht geächtet zu werden, und anschliessend müssen sie gleichzeitig schulischen
Erfolg erbringen (Kotthoff 2003, 87).
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Hasenhüttl (2001). Sie stellt fest, dass sich die
Mädchen in geschlechtshomogenen Gruppen häufiger gegenseitig unterstützten als
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die Buben. Obwohl in den Mädchengruppen auch Streit und Ärger vorkämen, würden
die Mädchen im Gegensatz zu den Jungen keine körperliche Gewalt anwenden. Die
Buben würden unter ihresgleichen ein starkes Konkurrenzverhalten aufzeigen und
sich selten aufeinander beziehen. Dabei hätten vor allem Kämpfe um Werkzeuge
sowie begehrte Plätze stattgefunden (Hasenhüttl S.101ff.). Eine niederländische
Studie von Gilbert bekräftigt die obigen Resultate. Er analysierte das
Gesprächsverhalten von 15 Teenagern in Diskussionen sowohl in homo- als auch in
heterogeschlechtlichen Gruppen. Dabei unterbrachen die Buben in reinen
Bubengruppen einander fast doppelt so häufig wie Mädchen und Buben in den
anderen Gruppen. Gilbert stellte zudem fest, dass die Mädchen sowohl in den
Mädchen- als auch in den gemischten Gruppen die anderen kaum unterbrachen,
sondern ihnen erlaubten weiterzureden, bis sie nichts mehr zu sagen hatten
(Hasenhüttl 2001, 115)
Weitere interessante Unterschiede zwischen mono- und koedukativem Unterricht
bestehen darin:
„[…] dass die Mädchen in den Mädchengruppen alle Positionen einnahmen, die in
gemischten Gruppen meinst polar verteilt sind von lauten Störerinnen über lustige
Klassenclowns bis zu stillen und unauffälligen Mädchen, und dass die Mädchen sich in
koedukativen Gruppen eher zurückzogen bzw. von den Buben verdrängt wurden.“
(Hasenhüttl 2001, 80)
Die oben genannten Untersuchungen zum Lern- sowie auch zum
Gesprächsverhalten von Schüler/innen führen mich zu folgenden Schlüssen:
• Mädchen fühlen sich in reinen Mädchengruppen wohler, sicherer und machen
aktiver mit. Untersuchungen, die belegen, dass Mädchen deshalb mehr oder
gleichviel sprechen wie Jungen in geschlechtshomogenen Gruppen, konnte
ich leider nicht finden. Doch ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass
Mädchen, die von Jungen nicht unterbrochen werden, auch mehr sprechen.
• Buben scheinen von geschlechtshomogenen Gruppen bezüglich des
schulischen Lernens sowie des Erlernens eines kooperativen
Gesprächsverhaltens nicht zu profitieren. Es macht eher den Eindruck, dass
sie unter ihresgleichen noch mehr um ihre Profilierung kämpfen müssen als in
geschlechtsheterogenen Gruppen und sich dies zusätzlich negativ auf ihre
schulische Leistung auswirkt.
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Neben den verschiedenen beschriebenen Gruppen, in denen Gespräche stattfinden,
beeinflusst ein weiterer Umstand die Redeaktivität von Schüler/innen, nämlich die
Themen, die im Unterricht behandelt werden.
5.3 Einfluss der Thematik auf das Gesprächsverhalten von Schüler/innen
Wie ich bereits unter 5.1 aufgezeigt habe, erreichen die Jungen durch ihr zum Teil
rebellisches und dominantes Verhalten im Unterricht, dass ihre Interessen eine
höhere Beachtung finden. Dass dies Folgen für das Gesprächsverhalten der
Schüler/innen hat, liegt auf der Hand. Eine Lehrperson, die sich über die
unausgewogene Verteilung des Rederechts bewusst war, sich jedoch keine
Gedanken bei der Themenwahl machte, konnte auch keine Ausgewogenheit im
Rederecht herstellen. Ihr gewähltes Thema war „Krieg“. Es erstaunt deshalb nicht,
dass 16 Bubenmeldungen 6 Mädchenmeldungen gegenüberstanden (Hasenhüttl
2001, 78ff.). Doch selbst bei neutralen Themen stellte Kaiser (1985) völlig
unterschiedliche Auswirkungen auf die Redebeteiligung der Schüler/innen fest. Sie
untersuchte Unterrichtseinheiten zum Thema „Schulfrühstück“. Bei der Frage, wo
eingekauft werden solle, verzeichneten die Schülerinnen bloss 13% der Redezeit.
Bei der Diskussion um Frühstückskollagen lag die Beteiligung bei 21% zu 79%, und
den höchsten Anteil (47% zu 53%) hatten die Schülerinnen bei der Unterrichtsszene,bei der es darum ging, den Einkauf zu planen (Hasenhüttl 2001, 79). Die Studie zeigt
eindrücklich, wie die verschiedenen Aspekte eines Unterrichtsthemas verschiedene
Beteiligungen der Schüler/innen nach sich ziehen. Leider geht aus der Studie die
Sozialform nicht klar hervor, denn falls die Schüler/innen in der Unterrichtslektion, bei
der es um die Planung des Einkaufes ging, in gleichgeschlechtlicher Partnerarbeit
vorgegangen sind, könnte dies einen weitaus grösseren Einfluss auf die
Redebeteiligung gehabt haben als das Thema an sich.Julie Fischer (1991) meint, dass der entscheidende Punkt nicht im Unterschied
zwischen den Geschlechtern liegt, sondern in der Tatsache, dass die Beteiligung am
Unterricht stark variiert in Abhängigkeit zu den Umständen. Sie beobachtete eine
Gruppe von Kleinkindern, die aus zwei Buben und zwei Mädchen bestand:
„For instance, in one context (building a wolf-proof house) girls spoke only 5 and 7 words
each, compared to boys’ 615 and 373 words; in another context (building a coach for
Cinderella) girls spoke 336 and 69 words and boys 240 and 274 words.” (Swann 1992,
62ff.)
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In der Informatik, der ein männliches Image anhaftet, zeigen sich auch grosse
Unterschiede im Gesprächsverhalten der Schüler/innen. In einer Primarschule, in der
immer ein Junge und ein Mädchen an einem Computer arbeiteten, untersuchten
Hoyles und Sutherland (1989) das Gesprächsverhalten. Sie stellten fest, dass die
Mädchen nicht um das Sagen am Computer kämpften, ganz im Gegensatz zu den
Jungen, die bemüht waren, ihre Autonomie zu etablieren und den Mädchen das
Vorgehen sowie die Lösungen nahezulegen. Die Jungen versuchten also heftig, die
Mädchen von ihren Ideen zu überzeugen (Swann 1992, 54).
Ich habe in diesem Kapitel anhand der aufgezeigten Resultate verdeutlicht, wie
wichtig die Betrachtung der Umstände ist, unter welchen die Kommunikation in der
Schule stattfindet, und wie stark das Gesprächsverhalten dadurch variiert. Studien,
die bloss die Turns von Schüler/innen zählen, ergeben demnach nur ein verzerrtes
Bild der Realität im Gesprächsverhalten. Selbst wenn mehrere Forschungen
bestätigen, dass die Buben ein dominantes und die Mädchen ein ruhiges Verhalten
an den Tag legen, konnte ich doch durch die Betrachtung des Gesprächsverhaltens
der Schüler/innen in verschiedenen Situationen deren uneingeschränkte Gültigkeit in
Frage stellen. Die Betrachtung des Kontexts, in dem Unterrichtskommunikation
stattfindet, hilft auch der Lehrperson, allfällige Missstände zu erkennen und nötige
Korrekturen im Unterricht anzugehen.
6 Konsequenzen für die Lehrperson und ihren Unterricht
Die Koedukation wurde eingeführt, um Mädchen und Jungen eine gleichwertige
Ausbildung zu ermöglichen. Jede Lehrperson würde dem Grundsatz zustimmen,
dass Schüler/innen gleichermassen die gleichen Rechte zugesprochen werden. Die
Ergebnisse, die ich bis anhin aufgezeigt habe – es sei nochmals an die
Aufmerksamkeitsverteilung der Lehrpersonen oder an die Dominanz der Jungen im
Klassenzimmer erinnert – widersprechen allerdings deutlich dem Grundsatz der
Koedukation, wonach Schüler/innen gleichberechtigt sind. Wenn das
Unterrichtsthema nach den Interessen der Knaben ausgerichtet ist und die Mädchen
sich nicht mehr getrauen zu sprechen, weil sie Sanktionen seitens der Knaben
befürchten müssen, ist die Lehrperson gefordert, diese als bereits existierend
angenommene Gleichberechtigung von Schüler/innen zu verwirklichen. Das
Klassenzimmer ist ein Ort, in dem die ungleiche Behandlung entweder weitergeführtoder dann kritisch betrachtet und verändert wird. Die Schule, wie auch die
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Lehrperson, tragen diesbezüglich eine grosse Verantwortung, insbesondere wenn
man bedenkt, dass gelerntes Verhalten sich auch in anderen Lebensbereichen der
Schüler/innen manifestieren kann. Als angehende Lehrperson weiss ich, dass man
sich oftmals Rezepte zur Lösung von Unterrichtsproblemen wünscht, diese aber
nicht existieren, da die Bandbreite von Situationen kaum solche zulässt. Ich bin der
Meinung, dass der Umgang mit den Genderlekten der Schüler/innen deshalb in einer
Weiterbildung gelehrt und erlernt werden sollte, da es doch ein sehr wichtiges,
komplexes und zeitintensives Thema ist. Dass solche Weiterbildungen fruchtbare
Ergebnisse aufweisen, zeigt die Studie von Rennie and Parker (1987) (Swann 1992,
57). Dennoch möchte ich einige mögliche Konsequenzen im Umgang mit den
verschiedenen Gesprächsstilen der Schüler/innen aufzeigen.
6.1 Betrachtung der beiden Gesprächsstile von Schüler/innen
Als Erstes gilt es für die Lehrperson, die Gesprächsstile von Schüler/innen zu
erkennen. Auf dieser Grundlage sollte die Lehrperson zur Einsicht gelangen, dass
der Gesprächsstil einer Schülerin nicht schlechter ist als der eines Schülers und
umgekehrt. Vielmehr soll die Lehrperson die Gesprächsstile als gewünschte Register
einer Sprache betrachten, die – falls sie fehlen – erlernt werden sollen. Wenn diese
Register jedoch mit dem Geschlecht und der dazugehörigen Bewertung verbundenwerden, sind die geschlechtsspezifischen Stile problematisch. Weibliches
Gesprächsverhalten wird entsprechend dem traditionellen Rollenbild der Frau
bewertet, das noch immer bestimmt wird von der im Hintergrund wirkenden,
hilfsbereiten (Haus-) Frau. Wenn Frauen dominant auftreten, Rederecht
beanspruchen und Sachwissen bestimmt vertreten, werden sie als kalt und ehrgeizig
bezeichnet (nicht etwa als kompetent, wie es bei Männern der Fall wäre), weil sie
gegen die gesellschaftlichen Normen oder gar gegen die Natur handeln (Rüegg1995, 172). Die Lehrperson sollte sich ihrer Normen genau bewusst sein, die sie
über das Gesprächsverhalten der Schüler/innen hat. Oftmals wird dieses Verhalten
als Norm angeschaut und somit als wünschenswert, selbst wenn es gegen die Norm
der Schule verstösst. Dies ist zu einem gewissen Grad verständlich, da die
Lehrpersonen auf eine aktive Beteiligung der Schüler/innen angewiesen sind.
Möglicherweise bevorzugen sie es aus diesem Grund, eher ein bisschen zu laute
Schüler als zu ruhige Schülerinnen in ihrer Klasse zu haben. Wird jedoch das
Gesprächsverhalten der Schüler als Norm angeschaut, so bedeutet das
unmissverständlich, dass die Schülerinnen nicht dieser Norm entsprechen und ihr
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eigenes Verhalten defizitär ist. Rüegg (1995) spricht in diesem Zusammenhang von
der „Minderbewertung weiblichen Gesprächsverhaltens“ (Rüegg 1995, 173).
6.2 Das Erlernen verschiedener Gesprächsstile
Der Gesprächsstil der Mädchen ist keinesfalls weniger wert als derjenige der Jungen.
Dies wird umso deutlicher, wenn man die Ziele bezüglich Kommunikation im
Lehrplan betrachtet. Dazu gehören unter anderem: sachkompetente Gespräche
führen, andere im Gespräch nicht verletzen, sondern ihnen zuhören und sie
ausreden lassen, Rücksicht nehmen und tolerant sein gegenüber Anders-
denkenden. Die vom Lehrplan geforderten Ziele sind typische Eigenschaften des
Gesprächsverhaltens von Schülerinnen (Rüegg 1995, 173). Dies wirft unweigerlich
die Frage auf, ob es wohl nur die Schüler sind, die lernen müssen, ihren
Gesprächsstil zu erweitern. Dem ist jedoch nicht so. Auch wenn die Schüler gewiss
mehr zu lernen haben als die Schülerinnen, müssen beide Geschlechter ihre
Kommunikationsfähigkeit verbessern. Das Defizit bei den Jungen ist klar ersichtlich.
Sie kennen hauptsächlich ein dominantes Gesprächsverhalten, das positiv gesehen
Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen, negativ betrachtet aber
Unterdrückung und Egoismus beinhaltet. Sie müssen einen Gesprächsstil erlernen,
der auf andere eingeht und Kooperation anstrebt. Genauso ist es für dieSchülerinnen wichtig, dass sie lernen, sich in Gesprächen einzubringen, sich
bisweilen durchzusetzen und Selbstbewusstsein zu zeigen. Dennoch muss an dieser
Stelle erwähnt werden, das sie oft schon mehrere Register der Sprache beherrschen
und verwenden, sofern sie nicht von der Dominanz der Jungen eingeschüchtert
werden (Hasenhüttl 2001, 80ff.). Es kann dadurch sehr wohl sinnvoll sein, den
Schülern und insbesondere den Schülerinnen einen sicheren Rahmen zu bieten, in
dem sie andere Gesprächsstile erproben und erlernen können. Die Mädchenbrauchen sich dann nicht vor Sanktionen seitens der Buben zu fürchten, und den
Buben fällt die Last weg, sich durch auffälliges Verhalten vor den Mädchen beweisen
zu müssen oder anderseits sich vor ihnen lächerlich zu machen, wenn sie sich im
kooperativen Gesprächsstil üben wollen.
6.3 Die Sozialform des Unterrichts
Wie ich bereits mittels verschiedener Studien dargelegt habe, hat die Wahl der
Unterrichtsform einen Einfluss auf das Gesprächsverhalten der Schüler/innen. Eine
Lehrperson tut gut daran, ein breites Spektrum von Unterrichtsformen zu verwenden.
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Der Frontalunterricht wird dem Gesprächsverhalten der Schüler eher gerecht, da er
einem öffentlichen Gespräch gleicht. Hingegen kommen Gruppenarbeiten in
gleichgeschlechtlichen Gruppen und individuelle Gespräche eher dem
Gesprächsverhalten der Schülerinnen entgegen. Die Vielfalt von Unterrichtsformen
bietet somit allen Schüler/innen einen sicheren Rahmen, indem sie zumindest hin
und wieder die Gelegenheit bekommen zu sprechen und somit lernen, sich auch
unter ungewohnten oder unliebsamen Umständen auszudrücken. Um Letzteres zu
ermöglichen, ist es von grosser Bedeutung, die Dominanz der Jungen im
Klassenzimmer auf ein gesundes Mass an Selbstvertrauen zurückzubinden, das
andere Schüler/innen nicht mehr zu unterdrücken braucht. Nur so kann von einer
gleichberechtigten Chance gesprochen werden, den Mädchen die Möglichkeit zu
geben, in einer gemischtgeschlechtlichen Gruppe gleich viel zu sprechen wie die
Jungen.
7 Fazit
In meiner Arbeit habe ich aufgezeigt, dass das Gesprächsverhalten, sei es von
Schüler/innen oder von Erwachsenen, nur dadurch erfasst werden kann, indem eine
leidige aber nötige Pauschalisierung in Kauf genommen wird. Andererseits musste
ich erkennen, dass das Gesprächsverhalten dermassen komplex ist, dass es nicht
gesondert von den Umständen betrachtet werden darf, unter denen es stattfindet, da
sonst ein verzerrtes und möglicherweise falsches Abbild des realen
Gesprächsverhaltens dargestellt wird. Dies hat mich veranlasst, viel Zeit in die
genauere Betrachtung dieser Umstände zu investieren, angefangen damit, dass
Sprache stark durch gesellschaftliche Normen geprägt ist und uns diese oftmals
unbewusst veranlassen, auf eine bestimmte Art und Weise zu sprechen. Dabei
musste ich feststellen, dass diese alten Normen noch heute im Gesprächsverhalten
von Erwachsenen zu finden sind. Anschliessend habe ich dargelegt, wie im
Sozialisationsprozess der Kinder die Eltern durch ihr Gesprächsverhalten die
Entstehung der Genderlekte bei den Kindern in Gang setzen. Dazu habe ich
erläutert, wie die Kinder und Jugendlichen in ihren homogeschlechtlichen
Spielgruppen unterschiedlichen Spielen nachgehen, die zur weiteren Verfestigung
ihres geschlechtsspezifischen Gesprächsstils beitragen. Unter Berücksichtigung,dass sowohl die Wahrnehmung der Lehrperson von ihren Schüler/innen als auch die
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eigene Geprägtheit durch die Sprachverhaltensnormen einen enormen Einfluss auf
das Gesprächsverhalten von Schüler/innen ausübt, habe ich gezeigt, dass die
Schüler klar favorisiert werden durch eine deutlich erhöhte Aufmerksamkeit seitens
der Lehrperson, die sich auch in der Gestaltung des Unterrichts widerspiegelt.
Indem ich das Gesprächsverhalten sowohl in gemischt- als auch in
getrenntgeschlechtlichen Gruppen untersucht habe, ist es mir gelungen aufzuzeigen,
dass das Bild des lauten Schülers und der ruhigen Schülerin nicht unter allen
Umständen zutrifft und deshalb kritisch hinterfragt werden sollte.
Als Konsequenz für die Lehrperson habe ich Wert darauf gelegt, nicht Rezepte zum
Besten zu geben, sondern aufgrund der Befunde der dargelegten Forschungen eine
Sensibilisierung für die Lehrperson anzustreben. Diese soll keine Wertung der
beiden Gesprächstile der Schüler/innen vornehmen, sondern sie als gleichwertige
Register einer Sprache betrachten und als solche unter passenden Bedingungen den
Schüler/innen lehren. Der Rahmen meiner Arbeit hat es mir nicht erlaubt, noch
zusätzlich das geschlechtsspezifische Verhalten von Schüler/innen untereinander zu
untersuchen. Ausserdem müsste der Frage nachgegangen werden, inwiefern
Mädchen von einem vollständig geschlechtsgetrennten Unterricht profitieren würden,
da sie dadurch nicht mehr der oft vorherrschenden Dominanz der Knaben ausgesetzt
wären. Dies sollte unter Betrachtung sowohl der schulischen Leistung als auch der
Entwicklung verschiedener Sprachregister geschehen.
8 Literaturverzeichnis
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der LehrerInnen-Ausbildung. Wien: Milena Verlag.
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