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Christian KOCH Gewichtsverlust und Essverhalten bei Menschen mit Alzheimer Krankheit Abschlussarbeit Karl-Franzens-Universität Graz Mag. Daniel Morscher 2013

Gewichtsverlust und Essverhalten bei Menschen mit ... · „Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreiten- den Krankheit des Gehirns mit Störung

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Christian KOCH

Gewichtsverlust und Essverhalten

bei Menschen mit Alzheimer Krankheit

Abschlussarbeit

Karl-Franzens-Universität Graz

Mag. Daniel Morscher

2013

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe

verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder

inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher

in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbe-

hörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der

eingereichten elektronischen Version.

02.09.2013 Christian Koch

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis .....................................................................................................5

Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................6

1 Einleitung ..................................................................................................................7

1.1 Problemstellung / Motivation .............................................................................7

1.2 Ziel ....................................................................................................................9

1.3 Fragestellung .....................................................................................................9

1.4 Methode .............................................................................................................9

2 Begriffserläuterungen ............................................................................................. 10

2.1 Definition Demenz nach ICD 10 ...................................................................... 10

2.2 Definition Demenz nach DSM 4 ...................................................................... 10

2.3 Definition Alzheimer Krankheit nach ICD 10 .................................................. 11

2.4 Schweregrade der Demenz – Stadien ................................................................ 11

2.4.1 Leicht ................................................................................................... 11

2.4.2 Mittel .................................................................................................... 12

2.4.3 Schwer.................................................................................................. 12

2.5 Demenz: Prävalenz- und Inzidenzdaten Österreich ........................................... 12

2.5.1 Demenz Prävalenz Österreich ............................................................... 12

2.5.2 Demenz Inzidenz Österreich ................................................................. 13

2.6 Definition Mangelernährung (Malnutrition) nach DGEM ................................. 14

2.6.1 Prävalenz von Mangelernährung ........................................................... 14

2.6.2 Teufelskreis der Mangelernährung im Alter .......................................... 14

2.6.3 Meals on wheels ................................................................................... 15

3 Fragenbeantwortung ............................................................................................... 16

3.1 Studie 1: A prospective study of nutrition education and oral nutritional

supplementation in patients with Alzheimer’s disease ............................................... 16

3.1.1 Konklusion ........................................................................................... 18

3.2 Studie 2: Different modes of weight loss in Alzheimer disease: a prospective

study of 395 patients ................................................................................................. 19

3.2.1 Konklusion ........................................................................................... 21

3.3 Studie 3: Energy expenditure, energy intake and weight loss in Alzheimer

disease ...................................................................................................................... 21

3.3.1 Konklusion ........................................................................................... 22

3.4 Studie 4: Weight loss and Alzheimer’s disease: temporal and aetiologic

connections ............................................................................................................... 23

3.4.1 Konklusion ........................................................................................... 26

3.5 Studie 5: Weight loss in Alzheimer disease ...................................................... 26

3.5.1 Konklusion ........................................................................................... 28

3.6 Zusammenfassung aller Studien ....................................................................... 30

4 Diskussion ................................................................................................................ 31

5 Ausblick auf die Institution des Autors .................................................................. 33

6 Konzeptionelle Grundlage ...................................................................................... 34

Literaturverzeichnis....................................................................................................... 35

Internetquellen ............................................................................................................... 36

5

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prävalenzdaten Österreich .......................................................................... 13

Abbildung 2: Inzidenzdaten Österreich ............................................................................ 13

Abbildung 3: Teufelskreis der Mangelernährung im Alter ................................................ 15

Abbildung 4: Meals on wheels mnemonic for the causes of weight loss .......……………16

Abbildung 5: Mögliche Mechanismen die Gewichtsverlust bei AK induzieren ...………..25

Abbildung 6: Zusammenfassung aller Studien ....………………………………………...30

6

Abkürzungsverzeichnis

AK Alzheimer Krankheit

BMI Body Mass Index

ca. circa

CDR Clinical Dementia Rating

DGEM Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin

DIMDI Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information

DSM 4 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Version vier

et. al et alter: und andere

ICD 10 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter

Gesundheitsprobleme

MCT Mesialer Temporaler Cortex

MMSE Mini Mental State Examination

MNA Mini Nutritional Assessment

RMR Resting Metabolic Rate (=Basal Metabolic Rate), deutsch: Grundumsatz

S. Seite(n)

1 Einleitung

7

1 Einleitung

1.1 Problemstellung / Motivation

Der demographische Wandel bringt einen starken Bevölkerungsanstieg mit sich, bei dem

es zu einer Altersverteilung, in Bezug auf junge und alte Menschen, wesentlich mehr alte

als junge Menschen geben wird. Die Lebenserwartung ist zudem in den letzten 50 Jahren

bei Frauen und Männern jeweils um ca. elf Jahre gestiegen. Frauen haben mittlerweile eine

Lebenserwartung von ca. 83 Jahren, Männer von ca. 77 Jahren (vgl. Statistik Austria,

2012, S.101).

Altwerden gilt als Hauptrisikofaktor für eine Demenz. Bedingt durch die Alterung der Ge-

sellschaft wird es in Zukunft auch mehr Menschen mit Demenz geben. Dies könnte bedeu-

ten, dass es zukünftig mehr Institutionen zur Betreuung und Pflege älterer Menschen benö-

tigt. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist die qualitative und quantitative Versorgung von

alten Menschen und auch Menschen mit Demenz eine große Herausforderung. Wenn die

Anzahl der Menschen mit Demenz in Zukunft steigen wird, bedeutet dies, dass auch die

durchschnittlichen Jahreskosten pro Demenzpatient steigen werden. Diese liegen in Öster-

reich bei ca. 17.000 Euro (vgl. Gleichweit/Rossa, 2009, S.125).

Durch die enge Verbindung von Demenz und Mangelernährung kommt es auch hier zu

einer Erhöhung der gesundheitsökonomischen Kosten. Diese sind bedingt durch zusätzli-

che Behandlungen und Krankenhausaufenthalte. Mangelernährung führt zu eingeschränk-

ter Lebensqualität und enormer Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Diese pflegeri-

sche Betreuung kann sehr aufwändig verlaufen (vgl. Schmidt, S. 2010, S.52).

Der Autor ist seit Oktober 2003 im stationären Langzeitbereich tätig und beobachtet immer

wieder den Verlauf eines Gewichtsverlustes (Mangelernährung) bei Menschen mit De-

menz. Angehörige drückten dabei oft ihre Angst und Verzweiflung aus. Aber auch das

Pflegepersonal fühlt sich zunehmend hilflos und ratlos. Als Schlüsselerlebnis wird nach-

folgendes Beispiel geschildert:

Eine 86 Jahre alte Frau kommt zur Aufnahme in das Seniorenheim, da sie ihren Alltag

trotz Unterstützung von Angehörigen, mobilem Hilfsdienst und Hauskrankenpflege nicht

mehr bewältigen kann. Sie hat eine diagnostizierte Form der Alzheimer-Demenz und Dia-

betes mellitus Typ II, der mit oralen Antidiabetika sehr gut eingestellt ist. In ihrer Beweg-

lichkeit ist sie stark eingeschränkt und kann mit Hilfe ihres Gehbocks Distanzen von ca. 40

1 Einleitung

8

Metern langsam und vorsichtig zurücklegen. Sie erzählt wiederholend gerne von ihrem

großen Haus, ihren Eltern und Geschwistern. Das Wichtigste für sie ist Essen und Trinken.

Sie isst alles und am liebsten viel. Anfänglich hat sie alle Mahlzeiten selbst gegessen,

konnte mit Besteck ihre Speisen selbständig einnehmen und verfügte über ein gewisses

Sittlichkeitsverhalten am Esstisch. Im Laufe der Zeit fing sie an die Nahrung während dem

Essen teilweise auszuspucken. Weiters hat sie die gekauten Speisen im Mund behalten und

nicht mehr geschluckt und später hat sie diese aus dem Mund fallen lassen. Schlussendlich

hat sie in den letzten Wochen ihres Lebens die eingenommenen Flüssigkeiten großteils

herausrinnen lassen. Trotz unstillbarem Hunger, Lust auf Speisen und Getränke und min-

destens vier Mahlzeiten pro Tag hat sie kontinuierlich an Gewicht verloren und wurde im-

mer magerer. Sie wollte stetig Nahrung zuführen, konnte diese aber nicht mehr adäquat

einnehmen. Begleitet wurde diese Symptomatik immer mit denselben Worten von ihr:

"Mmmhhh ist das gut, ... gut, gut, gut! Mmmhhh, danke, danke!"

Für die Angehörigen war dies ein unerklärlicher Prozess, den sie nur schwer begleiten

konnten. Auch für das Pflegepersonal war diese Situation eine große Herausforderung, da

das Verlangen nach Essen und Trinken vorhanden war, sie jedoch nicht mehr in der Lage

war, diese adäquat einzunehmen.

1 Einleitung

9

1.2 Ziel

• Einen Beitrag zum Verständnis von Ursachen und Risikofaktoren zum Thema Ge-

wichtsverlust bei Menschen mit Alzheimer Krankheit leisten.

• Wissen über präventive Maßnahmen generieren, um einem Gewichtsverlust längst

möglich entgegenwirken zu können.

• Schaffen einer Grundlage zur möglichen konzeptionellen Entwicklung eines Ver-

pflegungskonzepts für das Sozialzentrum Bürs zur bedarfs- und bedürfnisgerechten

Ernährung bei Menschen mit Demenz.

1.3 Fragestellung

• Gibt es einen Zusammenhang zwischen dementieller Entwicklung Typ Alzheimer

und Gewichtsverlust?

• Gibt es einen Zusammenhang zwischen dementieller Entwicklung Typ Alzheimer

und Essverhalten?

1.4 Methode

Das Thema Demenz und Ernährung hat für den Autor im Berufsalltag eine große Bedeu-

tung. Die Auseinandersetzung mit den Themen fand mittels Grobliteraturrecherche in Bü-

chern und Internetdatenbanken wie Google-Scholar, Pubmed und Dimdi statt. Danach

wurde das Thema auf „Gewichtsverlust bei Menschen mit Alzheimer Krankheit“ einge-

grenzt. Darauf folgte die Formulierung der Fragestellung und der Ziele. Relevante Artikel

für die Literaturarbeit wurden gesichtet, bewertet und zur Bearbeitung und Beantwortung

der Fragestellungen herangezogen.

Suchbegriffe in:

http://scholar.google.at

Ernährung und Demenz, Gewichtsverlust und Alzheimer

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/

Alzheimer disease and weight loss 289 Treffer

http://www.dimdi.de/static/de/db/index.htm

Alzheimer disease and weight loss 686 Treffer

2 Begriffserläuterungen

10

2 Begriffserläuterungen

Der anschließende Teil der Arbeit befasst sich mit den Definitionen der Begriffe Demenz,

Alzheimer Krankheit und Mangelernährung. Weiters wird die Situation von Betroffenen in

Österreich dargestellt (Prävalenz, Inzidenz).

2.1 Definition Demenz nach ICD 10

Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesund-

heitsprobleme, kurz „ICD 10 GM“, definiert Demenz folgendermaßen:

„Demenz (F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreiten-

den Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließ-

lich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und

Urteilsvermögen.“ (ICD 10 GM, Demenz F00-F03, [online]).

Es besteht keine Eintrübung des Bewusstseins, jedoch hat die beeinträchtigte Hirnleis-

tungsfähigkeit Auswirkungen auf das Verhalten in der Öffentlichkeit und Gefühle können

immer weniger kontrolliert werden. (vgl. ICD 10 GM, Demenz, [online]).

2.2 Definition Demenz nach DSM 4

Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (vierte Auflage), kurz „DSM

4“, definiert Demenz so:

„Eine Demenz wird diagnostiziert, wenn mehrere kognitive Defizite vorliegen, die sich

zeigen in: Gedächtnisbeeinträchtigung plus mindestens eine der folgenden Störungen

• Aphasie: Störung der Sprache

• Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen

• Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren bzw. wieder zu erkennen

• Störung der Exekutivfunktionen, d.h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihen-

folge“ (DSM 4, Demenz, [online]).

Diese Einbußen der Hirnleistungsfähigkeit führen zu erheblichen Problemen im privaten

und mitunter beruflichen Bereich. Es kommt zu einem allmählichen Vorschein der man-

gelnden Hirnleistungsfunktionen. (vgl. DSM 4, Demenz, [online]).

2 Begriffserläuterungen

11

2.3 Definition Alzheimer Krankheit nach ICD 10

Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesund-

heitsprobleme, kurz „ICD 10 GM“, definiert Alzheimer Krankheit wie folgt:

„Demenz bei Alzheimer-Krankheit (G30.-†) ist eine primär degenerative zerebrale Krank-

heit mit unbekannter Ätiologie und charakteristischen neuropathologischen und neuro-

chemischen Merkmalen.“ (ICD 10 GM, Alzheimer Krankheit F00.-*, [online]).

Es kommt in den meisten Fällen zu einem langsamen und kontinuierlichen Abbau der kog-

nitiven Funktionen. Dieser Zustand kann über mehrere Jahre stattfinden. (vgl. ICD 10 GM,

Alzheimer-Krankheit, [online]).

Alzheimer Krankheit ist mit 60 Prozent aller Demenzformen die häufigste. Tritt die Alz-

heimer Krankheit vor dem 65. Lebensjahr auf spricht man von einer präsenilen Form (ca. 5

Prozent). Die senile Form ab dem 65. Lebensjahr macht 95 Prozent aller Alzheimer

Krankheiten aus (vgl. Gleichweit/Rossa, 2009, S.26)

2.4 Schweregrade der Demenz – Stadien

Die Stadien der Demenz werden im Demenzhandbuch wie folgt beschrieben (vgl. BMSK,

2008, S.5f):

2.4.1 Leicht

Das alltägliche Arbeiten und die sozialen Beschäftigungen sind sehr stark beeinträchtigt.

Die Fähigkeiten der persönlichen Körperhygiene und das intakte Urteilsvermögen selb-

ständig zu leben ist erhalten. Hier ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Die Men-

schen leiden unter ihrer ständigen Vergesslichkeit. Sie verlegen immer wieder ihre Habse-

ligkeiten. Datum und Uhrzeit wird oft verwechselt und in einer anderen Umgebung finden

sie sich nur schwer zurecht. Sie merken, dass sich etwas verändert und wirken oft ängst-

lich, verärgert oder traurig.

2 Begriffserläuterungen

12

2.4.2 Mittel

Eine selbständige Lebensführung ist nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich. Es

kommt zu starken Einbußen des Erinnerungsvermögens, die die Betroffenen erheblich ver-

unsichern. Es ist ein gewisses Maß an Aufsicht durch Betreuungs- oder Pflegepersonen

nötig. Die Sprache und Motorik verschlechtert sich zunehmend. Oft sind die Betroffenen in

diesem Stadium stark angetrieben und gehen viel umher.

2.4.3 Schwer

Das alltägliche Leben ist so enorm beeinträchtigt, dass eine kontinuierliche Aufsicht erfor-

derlich ist. Es kommt zu einer völligen Abhängigkeit durch Drittpersonen. Altbekannte

Personen werden nicht mehr erkannt. Die Betroffenen leiden gerne unter Wahnvorstellun-

gen, Stimmungsschwankungen, Harn- und Stuhlinkontinenz. Weiter kommt es zum Ver-

lust der Sprache und erheblichen Problemen beim Essen und Schlucken von Nahrung. Be-

gleitet werden diese Probleme von Geschmacks- und Geruchsstörungen der Betroffenen.

Es geht hin bis zur gänzlichen Bettlägerigkeit.

2.5 Demenz: Prävalenz- und Inzidenzdaten Österreich

2.5.1 Demenz Prävalenz Österreich

Im Jahr 2000 gab es ca. 100.000 Menschen mit Demenz. Verglichen mit dem Jahr 1960

bedeutet dies, dass es seither zu einer Verdoppelung der Prävalenz gekommen ist. Ver-

schiedene Studien und Berechnungen erwarten einen Anstieg auf ca. 235.000 Betroffene

im Jahr 2050, einige Hochrechnungen vermuten sogar 270.000 bis 290.000 Betroffene.

Für Österreich wurden keine exakten Prävalenzerhebungen durchgeführt, die angegebenen

Zahlen basieren auf Schätzungen und Hochrechnungen (vgl. Gleichweit/Rossa, 2009,

S.13ff).

2 Begriffserläuterungen

13

Abbildung 1: Prävalenzdaten Österreich

Quelle: Gleichweit/Rossa (2009): Erster Österreichischer Demenzbericht. Teil 1. Wien: S. 15

2.5.2 Demenz Inzidenz Österreich

Bei der Inzidenz gibt es noch weniger Studien als bei der Prävalenz, ebenfalls basieren die

Werte auf Hochrechnungen. Jedoch ist beachtenswert, dass sich die Inzidenz zwischen

1951 bis 2000 mehr als verdoppelt hat (vgl. Gleichweit/Rossa, 2009, S.17).

Abbildung 2: Inzidenzdaten Österreich

Quelle: Gleichweit/Rossa (2009): Erster Österreichischer Demenzbericht. Teil 1. Wien: S. 17

2 Begriffserläuterungen

14

2.6 Definition Mangelernährung (Malnutrition) nach DGEM

Der Begriff Mangelernährung (Malnutrition) wird im Expertenstandard - Ernährungsma-

nagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung wie folgt beschrieben:

"Ein anhaltendes Defizit an Energie und / oder Nährstoffen im Sinne einer negativen Bi-

lanz zwischen Aufnahme und Bedarf mit Konsequenzen und Einbußen für Ernährungszu-

stand, physiologische Funktionen und Gesundheitszustand." (Schmidt, S. 2010, S.52)

2.6.1 Prävalenz von Mangelernährung

Laut Expertenstandard Ernährungsmanagement liegen kaum Daten bezüglich Prävalenz

von Mangelernährung im stationären Langzeitbereich vor.

Eine Untersuchung aus dem Jahr 1980 erforschte den Ernährungszustand bei geriatrischen

Patienten in einer Klinik und kam zum Ergebnis, dass ca. 55 Prozent der geriatrischen Pa-

tienten mit einem Durchschnittsalter von 74 Jahren von einer Mangelernährung betroffen

sind. Zudem haben Patienten mit Alzheimer Erkrankung einen signifikant höheren Ge-

wichtsverlust bei starker kognitiver Beeinträchtigung verglichen mit keiner oder leichter

Beeinträchtigung der Kognition (vgl. Schmidt, S. 2010, S.56).

2.6.2 Teufelskreis der Mangelernährung im Alter

Die folgende Abbildung von Dorothee Volkert deutet auf die enorme Komplexität der Ein-

flussfaktoren hin, die eine Entstehung von Mangelernährung im Alter begünstigt. Betroffe-

nen alten Menschen fällt es sehr schwer sich diesem Teufelskreis der Mangelernährung

wieder zu entziehen (vgl. Volkert, 2004, S.193).

2 Begriffserläuterungen

15

Abbildung 3: Teufelskreis der Mangelernährung im Alter

Quelle: Volkert, D. (2004), Ernährungszustand, Energie- und Substratstoffwechsel im Alter. Stuttgart, S. 195

2.6.3 Meals on wheels

Beim Thema Mangelernährung und Gewichtsverlust wird im englischen Sprachraum oft

der Begriff „meals on wheels“ genannt. Dieser Begriff fungiert als Gedächtnisstütze und

beinhaltet die wichtigsten Ursachen und Einflussfaktoren, die einen Gewichtsverlust und

eine Mangelernährung im Alter begünstigen (vgl. Morley, 1997, S.765f)

Medikamente

Depression

Alkohol, Anorexia tardive, Misshandlung an alten Menschen

Paranoide Symptome im Alter

Schluckbeschwerden (Dysphagie)

Probleme im Mundbereich

Kein oder wenig Geld, Armut

Ständiges Umhergehen und andere demenzbezogene Probleme

Hyperthyreose, Phäocromozytom

Enterale Probleme (Malabsorption)

3 Fragenbeantwortung

16

Essstörungen

Salz- und cholesterinarme Diäten

Probleme beim Einkaufen und der Mahlzeitenzubereitung

Abbildung 4: Meals on wheels mnemonic for the causes of weight loss

Quelle: Morley, JE. (1997), Anorexia of aging: physiologic and pathologic. Bethesda, S. 766

3 Fragenbeantwortung

3.1 Studie 1: A prospective study of nutrition education and oral

nutritional supplementation in patients with Alzheimer’s

disease

Titelübersetzung Deutsch: Eine prospektive Studie der Ernährungsbildung und oralen

Nahrungsergänzungen bei Patienten mit Alzheimer Krankheit.

Pivi et al. (2011) verfolgten bei Ihrer Untersuchung nachfolgendes Ziel:

Gibt es einen Unterschied zwischen Ernährungsbildung/ -bewusstsein und oralen Nah-

rungsergänzungen auf den Ernährungszustand von Menschen mit Alzheimer Krankheit?

Sie führten eine randomisierte, prospektive Studie über sechs Monate aus. 90 Patienten

beiderlei Geschlechts mit wahrscheinlicher Alzheimer Krankheit nahmen an der Studie

teil. Sie waren mindestens 65 Jahre oder älter. Alle Probanden wurden in monatlichen Ab-

3 Fragenbeantwortung

17

ständen beurteilt. Die Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt. Eine Kontrollgruppe,

eine Bildungsgruppe, die an einem Ausbildungsprogramm teilgenommen hat und eine

Supplementationsgruppe, die täglich zwei Portionen Nahrungsergänzung einnahm. Die

Probanden wurden bewertet mittels anthropometrischen Daten (Gewicht, BMI, Größe,

Trizepshautfalte, Armumfang, Armmuskelumfang), biochemischen Daten (Gesamt-

Protein, Serumalbumin, Gesamt-Lymphozytenzahl). Die biochemischen Daten wurden

jeweils nach zwölfstündigem Fasten erhoben und im Zentrallabor ausgewertet. Auch die

Abhängigkeit durch Betreuungs- oder Pflegepersonal während der Mahlzeiten wurde be-

wertet. Der kognitive Zustand aller Probanden wurde durch einen Neuropsychologen mit-

tels MMSE (Mini Mental State Examination) und CDR (Clinical Dementia Rating) unter-

sucht (vgl. Pivi, 2011, S.1)

Die meisten Probanden hatten ein CDR (Clinical Dementia Rating) der Stufe zwei. In die-

ser Stufe werden Symptome wie Veränderung im Essverhalten, Vergesslichkeit und Uner-

sättlichkeit beim Essen beschrieben (vgl. Pivi, 2011, S.3).

Die Supplementationsgruppe erhielt zwei Mal täglich über sechs Monate lang zusätzlich

Nahrungsergänzungsmittel. Beide Portionen zusammen enthielten täglich 680 Kilokalorien

und 25,6 Gramm Protein. Von 90 in die Studie aufgenommenen Probanden haben 78 Pro-

banden die Studie beendet (vgl. Pivi, 2011, S.2).

Folgende Ursachen werden für die Gewichtsabnahme bei Alzheimer Patienten beschrie-

ben: Höhere Infektionsraten, erhöhter Energieaufwand wegen teilweise starkem Bewe-

gungsdrang, kognitive Defizite und starke Beeinträchtigung der Unabhängigkeit. Ein Ge-

wichtsverlust erhöht das Risiko für Infektionen, Dekubitus und schlechte Wundheilung.

Dies wiederum beeinträchtigt die Lebensqualität der Menschen mit Alzheimer (vgl. Pivi,

2011, S.1)

Ergebnisse:

Die Supplementationsgruppe zeigte eine signifikante Verbesserung bei Gewicht, BMI,

Armumfang, Armmuskelumfang und Trizepshautfalte verglichen mit der Bildungsgruppe

und der Kontrollgruppe. Es gab signifikante Veränderungen im Gesamt-Protein und der

Gesamt-Lymphozytenzahl in der Supplementationsgruppe verglichen mit der Bildungs-

gruppe und der Kontrollgruppe. Diese Ergebnisse unterstützen die Ergebnisse aus anderen

Studien, die zeigen, dass Bildung im Ernährungsbereich einen positiven Einfluss auf die

Diät hat und positiv das Wissen bezüglich Essen und Trinken verändert. Bei der Supple-

mentationsgruppe kam es zu einer deutlichen Verbesserung der gemessenen Parameter im

3 Fragenbeantwortung

18

Vergleich zur Kontroll- und Bildungsgruppe: Gewicht, BMI, Armumfang, Armmuskelum-

fang.

Bei der Trizepshautfalte gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Unter-

suchungsgruppen. Der BMI in der Bildungsgruppe zeigte einen signifikanten Anstieg im

Vergleich mit der Kontrollgruppe. Die signifikanten Unterschiede in der Supplementati-

onsgruppe im Vergleich zu der Kontrollgruppe und der Bildungsgruppe in Bezug auf das

aktuelle Gewicht, BMI, Armumfang und Armmuskelumfang deuten darauf hin, dass die

Verwendung von oralen Nahrungsergänzungsmitteln bei Menschen mit Alzheimer Krank-

heit den Ernährungszustand verbessert. Die Erhöhung der Lymphozytengesamtzahl in der

Bildungsgruppe zeigt, dass Ernährungslehre dazu beitragen kann, den Immunstatus der

Menschen mit Alzheimer Krankheit zu verbessern. Dies wird auf die bewusste Auswahl

gesünderer Nahrungsmittel zurückgeführt. Die signifikante Verbesserung der Lymphozy-

tengesamtzahl in der Supplementationsgruppe zeigt, dass die Anwendung von oralen Nah-

rungsergänzungsmitteln den Immunstatus verbessern. Diese kann auf Grund der antioxida-

tiven Mikronährstoffe in den Supplementen sein, insbesondere Selen, Betacarotin, Vitamin

C und E, welche Auswirkungen auf das Immunsystem haben können (vgl. Pivi, 2011,

S.2f).

Orale Nahrungsergänzungsmittel verbessern den Ernährungszustand bei Menschen mit

Demenz signifikant. Die Studie zeigt deutlich, dass es für alle die im Gesundheitsberuf

Menschen mit Alzheimer betreuen wichtig ist, das Vorhandensein von Mangelernährung

rechtzeitig erkennen zu können. Ernährungsweiterbildung und orale Nahrungsergän-

zungsmittel sind Strategien die den Ernährungszustand von Alzheimer Patienten beeinflus-

sen können. Oberste Priorität in der Behandlung von Menschen mit Alzheimer Krankheit

sollte die Verbesserung oder Erhaltung des Ernährungszustandes sein. Daher ist dies eine

große Verantwortung für alle Beteiligten (vgl. Pivi, 2011, S.5).

3.1.1 Konklusion

Bei der Verbesserung des Ernährungszustandes bei Menschen mit Alzheimer hat sich ge-

zeigt, dass sich die Verwendung von oralen Nahrungsergänzungsmittel positiv auswirken.

Noch besser wirken diese in Kombination mit Bildung in Bezug auf das Nahrungsbewusst-

sein. Orale Nahrungsergänzung verbessert den Ernährungszustand von Patienten mit Alz-

heimer Krankheit effektiver im Vergleich zur Ernährungsbildung (vgl. Pivi, 2011, S.5).

3 Fragenbeantwortung

19

Die Fragestellung des Autors, ob es einen Zusammenhang zwischen Alzheimer Krankheit

und Essverhalten oder Gewichtsverlust gibt, wird mit dieser Studie belegt. Die meisten der

untersuchten Probanden wiesen ein CDR der Stufe zwei auf. Ab diesem Stadium kommt es

zu Veränderungen im Essverhalten. Ursachen für den Gewichtsverlust sind laut Pivi et. al

(2011) Infekte, mehr Energieaufwand bei ständigem Umhergehen und Beeinträchtigung

der Unabhängigkeit.

3.2 Studie 2: Different modes of weight loss in Alzheimer dise-

ase: a prospective study of 395 patients

Titelübersetzung Deutsch: Verschiedene Modelle des Gewichtsverlusts bei der Alzheimer

Krankheit: Eine prospektive Studie mit 395 Patienten

Diese prospektive Studie wurde bei 395 Patienten im Durchschnittsalter von 75,4 Jahren

durchgeführt. Ziel dieser Untersuchung war es, Patienten mit Alzheimer Krankheit und den

zwei verschiedenen Möglichkeiten des Gewichtsverlusts mittels einer standardisierten Er-

nährungsuntersuchung zu identifizieren und Risikofaktoren zu bestimmen.

Diese Studie untersucht seit 1994 Menschen mit Alzheimer Krankheit. Die Patienten wur-

den alle sechs Monate klinisch, neuropsychologisch und biologisch untersucht. Alle Pati-

enten erfüllten die Kriterien für eine Demenz die im "Diagnostic and statistical manual of

mental disorders" (dritte Auflage) beschrieben sind. 395 Patienten schlossen die Untersu-

chung im Jahr 2000 ab. Der Ernährungszustand wurde quantifiziert mit dem Mini Nutritio-

nal Assessment (vgl. Guérin, 2005, S.435).

Es werden zwei Formen des Gewichtsverlusts bei Menschen mit Alzheimer beschrieben.

Progressiver Gewichtsverlust bedeutet, Gewichtsabnahme von 4 Prozent des Körperge-

wichts innert eines Jahres. Dies traf auf 33,4 Prozent der Probanden zu. Schwerer Ge-

wichtsverlust bedeutet, Gewichtsabnahme von 5 kg des Körpergewichts innert sechs Mo-

naten. Dies traf auf 10,2 Prozent der Probanden zu. Mangelernährung/ Unterernährung

(Malnutrition) führt zu Veränderung des allgemeinen Gesundheitszustandes, erhöht die

Häufigkeit und Schwere von Komplikationen (vor allem Infektionen) und führt zu schnel-

lerem Verlust der Unabhängigkeit. Diese Zustände von Malnutrition können verhindert

3 Fragenbeantwortung

20

oder zumindest verbessert werden, wenn eine frühe Interventionsstrategie eingesetzt wird.

Jedoch muss diese schnell und angemessen eingesetzt werden (vgl. Guérin, 2005, S.435).

Guérin et al. (2005) sind zur Erkenntnis gekommen, dass Menschen mit Alzheimer Krank-

heit mit schwerem Gewichtsverlust schneller in ein Krankenhaus oder eine Institution auf-

genommen werden als jene mit progressivem Gewichtsverlust (vgl. Guérin, 2005, S.438).

Bei der Untersuchung verloren mehr als ein Drittel der Probanden ihr Gewicht progressiv.

Menschen mit einer schweren Form der Alzheimer Krankheit haben ein sechs- bis sieben-

fach höheres Risiko einen progressiven Gewichtsverlust zu erlangen. Diese Ergebnisse

bestätigen die Erkenntnisse aus einer anderen Studie, in denen Veränderungen in den Sta-

dien der Alzheimer Krankheit signifikant mit Gewichtsverlust korrelieren (vgl. Guérin,

2005, S.439).

Eine überraschende Erkenntnis war, dass Cholinesterasehemmer eine präventive Wirkung

gegenüber einem progressiven Gewichtsverlust mit sich bringen. Wobei sie dieser Er-

kenntnis keine Ursache-Wirkungs-Beziehung zuschreiben. Krankheitsbedingter Gewichts-

verlust kann mit der Krankheitsentwicklung bis hin zur Kachexie führen. 10 Prozent der

Probanden erlebten in der Studie einen schweren Gewichtsverlust. Deshalb ist ein Scree-

ning bei akutem Gewichtsverlust sehr wichtig, um frühzeitig eine ernährungsphysiologi-

sche Versorgung gewährleisten zu können.

Ein Drittel der Probanden hat das verlorene Gewicht teilweise bis komplett wieder zurück-

erlangt. Zwei Drittel erlitten jedoch einen krankheitsbedingten progressiven Gewichtsver-

lust. Um eine Verbesserung des Ernährungszustands zu ermöglichen, ist es entscheidend,

so früh wie möglich den Gewichtsverlust zu erkennen und dementsprechend zu intervenie-

ren. Zwei verschiedene Möglichkeiten der Gewichtsabnahme mit unterschiedlichen Risi-

kofaktoren wurden bei Menschen mit Alzheimer identifiziert. Häufig tritt ein fortschrei-

tender (progressiver) Gewichtsverlust auf, welcher in Zusammenhang mit der Entwicklung

und Verschlimmerung der Alzheimer Krankheit steht. Seltener kommt es zu einem schwe-

ren Gewichtsverlust. Die Prognosen der beiden Möglichkeiten sind unterschiedlich. Es

wird befürwortet, dass bei einem starken Gewichtsverlust so früh wie möglich bzgl. Nah-

rungsversorgung interveniert werden sollte, da es sonst zu spät ist um positiv dem Ge-

wichtsverlust entgegenwirken zu können (vgl. Guérin, 2005, S.440).

3 Fragenbeantwortung

21

3.2.1 Konklusion

Es gibt zwei Modelle der Gewichtsabnahme bei Menschen mit Alzheimer Krankheit. Die

Ergebnisse führen in dieser Untersuchung zum Schluss, dass alle sechs Monate eine Be-

wertung des Ernährungszustandes und des kognitiven Zustands sinnvoll ist, damit Risiko-

patienten frühestmöglich identifiziert werden können und ernährungsphysiologisch inter-

veniert werden kann (vgl. Guérin, 2005, S.435).

In Bezug auf die Fragestellung des Autors wird der Zusammenhang zwischen Alzheimer

Krankheit und Gewichtsverlust in dieser Studie bestätigt. Zwei Formen des Gewichtsver-

lustes bei Menschen mit Alzheimer Krankheit werden beschrieben, die progressive und

schwere Form. Malnutrition kann verhindert beziehungsweise verbessert werden, dazu

bedarf es einer frühen Erkennung der Mangelernährung und gezielter Interventionsmaß-

nahmen. Menschen mit schwerer Form der Alzheimer Krankheit haben ein sechs- bis sie-

benfach größeres Risiko für einen progressiven Gewichtsverlust. Was bedeutet, je schwe-

rer die Alzheimer Erkrankung, desto eher kommt es zum Gewichtsverlust. Dieser führt bis

hin zur Kachexie. Progressiver Gewichtsverlust steht häufig in Korrelation mit der Ent-

wicklung der Alzheimer Krankheit.

3.3 Studie 3: Energy expenditure, energy intake and weight loss

in Alzheimer disease

Titelübersetzung Deutsch: Energieaufwand, Energieaufnahme und Gewichtsverlust bei

Alzheimer Krankheit

In dieser Untersuchung wurde die Wechselbeziehungen zwischen Energieaufnahme, Ener-

gieverbrauch und der Körperzusammensetzung bei Menschen mit Alzheimer Krankheit

erforscht. Sie untersuchten den täglichen Energieverbrauch und die Körperzusammenset-

zung von 30 nicht-institutionalisierte Alzheimer Patienten im Alter von 73 +/- 8 Jahren und

von 103 gesunden älteren Probanden im Alter von 69 +/- 7 Jahren mit Hilfe des doppelt

markierten Wasser-Verfahrens. Dies ermöglicht den Energieaufwand genau zu messen.

Der tägliche Energieverbrauch wurde über zehn Tage beurteilt. Grundumsatz und Körper-

zusammensetzung wurden jeweils nach nächtlichem Fasten erhoben (vgl. Poehl-

man/Dvorak, 2000, S.652).

3 Fragenbeantwortung

22

Die Forscher stellten fest, dass der tägliche Energieverbrauch bei 30 untersuchten Alzhei-

mer Patienten niedriger war, als bei den 103 gesunden älteren Probanden. Dies bedeutet,

dass die körperliche Aktivität und der tägliche Energieumsatz nicht verantwortlich für den

Gewichtsverlust bei Alzheimer Patienten sind (vgl. Poehlman/Dvorak, 2000, S.653).

Die Erhaltung der Muskelmasse von Menschen mit Alzheimer hat eine signifikante klini-

sche Bedeutung, weil der Verlust der Muskelmasse zu verringerter Muskelkraft führt und

dies wiederum erhöht die Häufigkeit von Stürzen. Zudem ist es einer der wichtigsten Fak-

toren für den Verlust der funktionalen Unabhängigkeit und letztendlich Mortalität. Es

scheint daher gut zu sein wenn Menschen mit Alzheimer Krankheit sich regelmäßig bewe-

gen, um so ihre Energieaufnahme zu stimulieren und ihre verbrauchte Energie mittels Nah-

rungsaufnahme wieder auszugleichen (vgl. Poehlman/Dvorak, 2000, S.653f).

Sie fanden, dass die körperliche Anwesenheit der betreuenden Angehörigen eine beruhi-

gende Wirkung auf die Menschen mit Alzheimer Krankheit vermittelt hat. Alzheimer Pati-

enten haben einen um 14 Prozent niedrigeren Energieverbrauch auf Grund eines 9 Prozent

niedrigerem RMR (täglicher Grundumsatz) und einer um 26 Prozent niedrigeren täglichen

körperlichen Aktivität. Alzheimer Patienten haben eine niedrigere fettfreie Masse als

gleichaltrige Menschen ohne Alzheimer Krankheit. Fettfreie Masse spielt eine wichtige

Rolle beim Energieverbrauch (vgl. Poehlman/Dvorak, 2000, S.652).

Die Forscher haben keine signifikanten Unterschiede zwischen Alzheimer Patienten und

gesunden älteren Probanden in Bezug auf den täglichen Grundumsatz oder körperlicher

Aktivität (Energieaufwand) gefunden. Die untersuchten Menschen mit Kachexie zeigten

keine Hinweise auf einen hypermetabolischen Zustand (vgl. Poehlman/Dvorak, 2000,

S.654).

Es sollte im Auge behalten werden, dass diese Ergebnisse bei nicht-institutionalisierten

Personen erhoben wurden. Das heißt, die Menschen mit Alzheimer wurden zu Hause in

vertrauter Umgebung von vertrauten Personen gepflegt. Deshalb können diese Ergebnisse

nicht auf institutionalisierte Patienten mit Alzheimer umgelegt werden (vgl. Poehl-

man/Dvorak, 2000, S.653).

3.3.1 Konklusion

Es gibt keinen zwingenden Beweis, dass der Energieaufwand bei Alzheimer Patienten ver-

hältnismäßig zur Körpergröße abnorm erhöht ist. Aufgrund unterschiedlicher und wider-

3 Fragenbeantwortung

23

sprüchlicher Studienergebnisse schlagen die Forscher vor, dass sich zukünftige Studien mit

dem Nahrungs- und Bewegungsverhalten von Menschen mit Alzheimer Krankheit ausei-

nandersetzen um Interventionsstrategien zu entwickeln, die die Energiebilanz wiederher-

stellen und eine Aufrechterhaltung von Muskelmasse gewährleisten. Dies ist insbesondere

wichtig, weil Ernährung und körperliche Aktivität praktische und kostengünstige Mittel in

der Pflege und Betreuung von Menschen mit Alzheimer sind (vgl. Poehlman/Dvorak,

2000, S.654).

Es wird in der Studie auf den Zusammenhang Gewichtsverlust bei Alzheimer Krankheit

hingewiesen, allerdings gibt es keine Hinweise, dass Menschen mit Alzheimer Krankheit

auf Grund eines hypermetabolischen Zustands (mehr Energieverbrauch) an Gewicht verlie-

ren. Dennoch ist zu beachten, dass es sich um nicht institutionalisierte Probanden handelte.

Einige der untersuchten Probanden waren kachektisch, jedoch nicht auf Grund eines hy-

permetabolischen Zustandes.

3.4 Studie 4: Weight loss and Alzheimer’s disease: temporal and

aetiologic connections

Titelübersetzung Deutsch: Gewichtsverlust und Alzheimer Krankheit: Zeitliche und ätiolo-

gische Verbindungen

Laut Sergi et al. (2012) ist es ein Risikofaktor für eine Demenz wenn es bedingt durch

Malnutrition zu einem Gewichtsverlust kommt bevor irgendwelche Zeichen der kognitiven

Symptomatik auftreten. Das heißt, das Fehlen von Mikronährstoffen, Vitaminen, essentiel-

le Fettsäuren was zu oxidativ bedingten Gewebeschäden führen kann. Mögliche Mecha-

nismen die einen Gewichtsverlust bei Menschen mit Alzheimer induzieren, sind geringe

Energieaufnahme, höhere, übertriebene körperliche Aktivität oder eine Kombination dieser

Faktoren. Im Verlauf einer Alzheimer Krankheit finden es die betroffenen Menschen in der

Regel zunehmend schwierig zu essen, so dass sie weniger Nahrung aufnehmen. Neurode-

generation, bedingt durch die Alzheimer Krankheit, wirkt sich auch auf Hirnregionen aus,

die an der Appetitregulierung beteiligt sind (vgl. Sergi, 2012, S.160).

3 Fragenbeantwortung

24

Pflege und Betreuung spielen eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung einer angemes-

senen Nahrungsaufnahme und Kontrolle von Verhaltensstörungen. Die Forscher weisen

darauf hin, dass Menschen mit Alzheimer vor allem im mittleren und fortgeschrittenen

Stadium der Krankheit Gewicht verlieren und dass der Gewichtsverlust mehrere Jahre vor

einer demenziellen Symptomatik einsetzt. Andere Studien wiederum weisen darauf hin,

dass er kurz vor dem Einsetzen der kognitiven Symptome auftritt (vgl. Sergi, 2012, S.160).

Die Beziehung zwischen Gewichtsverlust und Alzheimer Krankheit ist sehr komplex und

ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Wenn der Gewichtsverlust mehr als ein Jahr vor Be-

ginn der Demenz stattfindet, könnte das durchaus ein Risikofaktor sein. Gewichtsverlust

kann auf verschiedene Art und Weise zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Erstens

kann es die kognitive Leistungsfähigkeit bedingt durch einen Mangel an Mikronährstoffen,

wie Vitaminen und essentiellen Fettsäuren verschlechtern. Die möglichen Mechanismen

hinter diesem Effekt könnten sich auf die schützende Wirkung von Vitaminen gegen oxi-

dative Gewebsschädigungen beziehen. Die biophysikalische Auswirkung essentieller Fett-

säuren könnte sich auf die neuronale Membranstruktur positiv auswirken (vgl. Sergi, 2012,

S.161).

Es wird darauf hingewiesen, dass Leptin in der Pathogenese von Alzheimer eine wichtige

Rolle spielen könnte. Wenn ein Mensch Gewicht verliert, sinkt automatisch der Leptin-

spiegel. Bestätigt wird dies auch durch die Framingham-Studie. Diese wurde über einen

Zeitraum von zwölf Jahren durchgeführt und zeigt, dass Menschen mit sehr niedrigem

Leptinspiegel ein vierfach höheres Risiko der Entwicklung einer Alzheimer Krankheit ha-

ben, als diejenigen die einen hohen Leptinspiegel aufweisen (vgl. Sergi, 2012, S.161).

Ein gewisses Maß an Neuroprotektion liefern Flavonoide, pflanzliche Präparate, Phos-

phatidylserin, essentielle Fettsäuren und Vitamine. Diese Stoffe können die Kognition ver-

bessern (vgl. Sergi, 2012, S.163).

Falls Menschen mit Alzheimer Krankheit Medikamente einnehmen, sollten diese auf Ne-

benwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit oder andere Magen-Darm-

Symptome überprüft werden. Ebenfalls empfehlen sie Appetitstimulierende Medikamente

zu verabreichen (vgl. Sergi, 2012, S.164).

Der Verlust des Körpergewichts verursacht einen Verlust von Muskelmasse und Muskel-

kraft. Dies wiederum führt zu einer größeren Gefahr von Stürzen, funktioneller Abhängig-

keit und Verschlechterung der Lebensqualität. Um diese negativen Konsequenzen zu ver-

hindern ist es wichtig, Gewichtsschwankungen frühzeitig zu erkennen und mit geeigneten

Ernährungsstrategien zu intervenieren (vgl. Sergi, 2012, S.160).

3 Fragenbeantwortung

25

Der Gewichtsverlust geht weiter mit dem Fortschreiten der Demenz bzw. führt in fortge-

schrittenen Stadien der Alzheimer Krankheit zu Kachexie und Tod. Menschen haben in

fortgeschrittenem Stadium der Alzheimer Krankheit Schwierigkeiten die Nahrung zum

Mund zu führen und zu kauen. Dies korreliert signifikant mit Gewichtsverlust. Zudem sind

Menschen mit Alzheimer Krankheit in fortgeschrittenem Stadium nicht bereit zu essen und

zeigen oft Schluckbeschwerden. Diese macht eine orale Nahrungszufuhr sehr schwierig

(vgl. Sergi, 2012, S.162f).

Die nachfolgende Abbildung aus der Studie zeigt mögliche Mechanismen, die einen Ge-

wichtsverlust bei Alzheimer Krankheit induzieren. Dazu gehören Neurodegeneration, sys-

temische Entzündungen, chronische oder akute Krankheiten, Verlust von Geschmacks-

und Geruchssinn, Depression, Medikamente, reduzierter Appetit, geringe Energiezufuhr,

Ruhelosigkeit und gesteigerte körperliche Aktivität um nur einige davon zu nennen.

Abbildung 5: Mögliche Mechanismen die Gewichtsverlust bei AK induzieren

Quelle: Sergi, G. (2012), Weight loss and Alzheimer‘s disesase: temporal and aetiologic connections. Cambridge, S. 162

3 Fragenbeantwortung

26

3.4.1 Konklusion

Gewichtsverlust ist ein Risikofaktor für die Alzheimer Krankheit. Dieser kann schon vor

Eintritt der kognitiven Beeinträchtigung auftreten und nimmt mit Fortschreiten der De-

menz zu. Eine regelmäßige Bewertung des kognitiven und ernährungsphysiologischen Zu-

standes ist für Menschen mit Alzheimer Krankheit wichtig um geeignete diätetische Maß-

nahmen einsetzen beziehungsweise anpassen zu können. Um den Gewichtsverlust und

dessen Konsequenzen begrenzen zu können, ist eine angemessene Unterstützung durch

Betreuungs- oder Pflegepersonals entscheidend. Für sie ist es wichtig, Ernährungsproble-

me frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren (vgl. Sergi, 2012, S.164).

Mechanismen für Gewichtsverlust bei Menschen mit Alzheimer Krankheit sind geringe

Energieaufnahme, starke körperliche Aktivität oder eine Kombination dieser beiden Fakto-

ren. Mit zunehmender Entwicklung der Alzheimer Krankheit haben die betroffenen Men-

schen immer mehr Probleme beim Essen, diese führen zu einer verringerten Energieauf-

nahme. Ebenso wirkt sich die Neurodegeneration durch die Alzheimer Krankheit auf die

Appetitregulierung aus. Ein Mangel an Mikronährstoffen wie Vitaminen und essentiellen

Fettsäuren verschlechtert die Hirnleistungsfähigkeit. Gewichtsverlust geht mit fortschrei-

tender Demenz weiter und führt zu Kachexie und schließlich zum Tod. Menschen haben

im fortgeschrittenen Stadium große Schwierigkeiten Nahrung zum Mund zu führen und es

kommt zu Schluckbeschwerden. Diese Schwierigkeiten korrelieren signifikant mit dem

Gewichtsverlust. Die Forscher bestätigen somit den Zusammenhang zwischen Gewichts-

verlust und dem erschwerten Essverhalten bei Menschen mit Alzheimerkrankheit.

3.5 Studie 5: Weight loss in Alzheimer disease

Titelübersetzung Deutsch: Gewichtsverlust bei Alzheimer Krankheit

Das Ziel dieser Untersuchung war es, den Gewichtsverlust bei der Alzheimer Krankheit zu

beschreiben. Ihre Ergebnisse basieren auf einer longitudinalen Studie bezüglich der Ände-

rung der Ernährungsvariablen bei Menschen mit Alzheimer Krankheit (vgl. Gillette-

Guyonnet, 2000, S.637).

Methode: Die Probanden wurden ernährungsphysiologisch untersucht: Gewicht, Größe,

BMI, Blutwerte, mini nutritional Assessment und Einschätzung durch Diätassistentin/ Di-

3 Fragenbeantwortung

27

ätassistent. Die Betreuer führten ein dreitägiges Ernährungstagebuch über die Ess- und

Trinkgewohnheiten der Patienten. Eine Ernährungsberaterin/ ein Ernährungsberater analy-

sierte das geführte Ernährungstagebuch. Innerhalb des ersten Jahres wurde bei den Proban-

den ein signifikanter Gewichtsverlust ermittelt (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.639).

Der krankheitsbedingte Verlauf von Alzheimer wird mit Gewichtsverlust assoziiert. Dieser

führt zu einer Verminderung der Muskelmasse, einem Verlust von Autonomie, einem er-

höhten Risiko für Stürze, Dekubitus und systemischen Infektionen. All dies wiederum er-

höht die Belastung durch die Krankheit und verschlechtert die Lebensqualität der Betroffe-

nen und dessen Pflegepersonal (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.637).

76 Patienten mit Alzheimer Krankheit wurden über ein Jahr lang untersucht. 94 Prozent

dieser Patienten wurden zu Hause gepflegt. 34 Patienten verloren mehr als 4 Prozent ihres

Körpergewichts innerhalb von einem Jahr, obwohl sie zu Hause betreut wurden. Überra-

schenderweise hat kein Patient mit Alzheimer Krankheit an Gewicht zugenommen wäh-

rend der Studiendauer (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.639).

In einer weiteren Studie wurden 50 Alzheimer Patienten über 30 Monate begleitet. In die-

ser verloren 24 der Probanden mehr als 4 Prozent des Körpergewichts. 26 Probanden hat-

ten eine signifikante Gewichtszunahme (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.639f).

Bei denjenigen Patienten, die in 30 Monaten langsam aber fortschreitend Gewicht verlo-

ren, kam es begleitend zu einer signifikanten Abnahme der Mini Mental Status Punktezahl,

der anthropometrischen Marker (Umfänge) und des MNA Wertes. Zugleich kam es zu

einem signifikanten Anstieg der Verhaltensstörung der Patienten welche sich mit höherer

Belastung für das Betreuungspersonal auswirkte. Es besteht laut Forschern die Möglich-

keit, dass überforderte Pflegekräfte im Laufe der Erkrankung nicht bereit sind, adäquat

Ressourcen zu investieren, um Menschen mit Alzheimer Krankheit ausreichend zu ernäh-

ren (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.640f).

Diese Ergebnisse werden bestätigt durch eine andere Studie, in der 362 Menschen mit Alz-

heimer Krankheit und 317 Personen einer Kontrollgruppe untersucht wurden. In dieser

kam man zur Erkenntnis, dass die Alzheimer Patienten fast doppelt so oft an 5 Prozent des

Körpergewichts verloren haben als die Probanden der Kontrollgruppe (vgl. Gillette-

Guyonnet, 2000, S.637).

3 Fragenbeantwortung

28

Die Forscher beschreiben die Schwierigkeit der Nahrungseinnahme/ Nahrungsverabrei-

chung bei Menschen mit Demenz die sich mit fortschreitendem Verlauf der Demenz er-

schwert. Somit verlieren diese Menschen im Laufe der Zeit mehr Gewicht als nicht demen-

te Menschen. Eine weitere Hypothese des Gewichtsverlusts bei Alzheimer Krankheit ist

die Atrophie des mesialen temporalen Cortexes, der beim Ernährungsverhalten beteiligt ist

und bei der Pathogenese der Alzheimer Krankheit eine wichtige Rolle zu spielen scheint.

Diese Erkenntnis wird durch eine andere Studie bestätigt, dass ein niedriger BMI mit der

Atrophie des MTC korreliert (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.637f).

Anorexie (Appetitlosigkeit) bei Alzheimer Krankheit wird in der Regel assoziiert mit einer

progressiven Veränderung des Ernährungsverhaltens. Anorexie kann in der späten Phase

der Erkrankung auftreten und ist bedingt durch den Gewichtsverlust, dieser kann durch

folgende Ursachen eintreten:

• physikalische Veränderungen (verminderter Geschmack, Geruch, Appetit)

• neuropsychiatrische Störungen (Gedächtnisverlust, Orientierungslosigkeit)

• Autonomieverlust

• Änderung der Ernährungsgewohnheiten

Alzheimer Krankheit ist verbunden mit Störungen der Kognition und des Verhaltens und

geht häufig mit Ernährungsproblemen wie Gewichtsverlust und Essstörungen einher (vgl.

Gillette-Guyonnet, 2000, S.638).

3.5.1 Konklusion

Weiterbildungen im Bereich der Ernährung für das Betreuungspersonal von Menschen mit

Alzheimer Krankheit scheinen der beste Weg zu sein um Gewichtsverlust zu verhindern

und zur Verbesserung des Ernährungszustandes dieser Menschen beizutragen (vgl. Gillet-

te-Guyonnet, 2000, S.637).

Die Ätiologie des Gewichtsverlusts bei Menschen mit Alzheimer Krankheit erscheint mul-

tifaktoriell (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.639).

In Bezug auf die Fragestellungen des Autors führt fortschreitender Gewichtsverlust zur

Abnahme geistiger und körperlicher Fähigkeiten und es treten vermehrt Verhaltensstörun-

gen auf. Menschen mit Alzheimer Krankheit verlieren fast doppelt so oft an 5 Prozent ihres

Körpergewichts als kognitiv nicht beeinträchtigte Menschen. Fortschreitende Demenz be-

3 Fragenbeantwortung

29

deutet zunehmende Schwierigkeiten beim Essen und Trinken. Die Atrophie des MTC kor-

reliert mit niedrigem BMI. Die unterschiedlichen Gründe für Änderungen des Essverhal-

tens gehen häufig mit Gewichtsverlust und Essproblemen einher. Auch hier werden die

Zusammenhänge zwischen Alzheimer Krankheit und Gewichtsverlust sowie gestörtem

Essverhalten bestätigt.

3 Fragenbeantwortung

30

3.6 Zusammenfassung aller Studien

Zusammenfassung

Studie 1 Bei der Verbesserung des Ernährungszustandes bei Menschen mit Alzheimer

hat sich gezeigt, dass sich die Verwendung von oralen Nahrungsergän-

zungsmitteln positiv auswirken. Noch besser wirken diese wenn sie kombi-

niert mit einer Bildung in Bezug auf Nahrungsbewusstsein erfolgen.

Studie 2 Es gibt zwei Modelle der Gewichtsabnahme bei Menschen mit Alzheimer

Krankheit. Die Ergebnisse führen zum Schluss, dass alle sechs Monate eine

Bewertung des Ernährungszustandes und des kognitiven Zustands sinnvoll

ist, damit Risikopatienten frühestmöglich identifiziert werden können und

ernährungsphysiologisch interveniert werden kann.

Studie 3 Es gibt keinen zwingenden Beweis, dass der Energieaufwand bei nicht-

institutionalisierten Alzheimer Patienten abnorm erhöht ist. Es wird vorge-

schlagen, dass sich zukünftige Studien mit dem Nahrungs- und Bewegungs-

verhalten von Menschen mit Alzheimer Krankheit auseinandersetzen um

Interventionsstrategien zu entwickeln die die Energiebilanz wiederherstellen

und eine Aufrechterhaltung von Muskelmasse gewährleisten. Dies ist insbe-

sondere wichtig, weil Ernährung und körperliche Aktivität praktische und

kostengünstige Mittel in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Alz-

heimer sind.

Studie 4 Gewichtsverlust ist ein Risikofaktor für die Alzheimer Krankheit. Dieser

kann schon vor Eintritt der kognitiven Beeinträchtigung auftreten und nimmt

mit Fortschreiten der Demenz zu. Eine regelmäßige Bewertung des kogniti-

ven und ernährungsphysiologischen Zustandes und angemessene Unterstüt-

zung durch Betreuungs- oder Pflegepersonal ist für Menschen mit Alzheimer

Krankheit wichtig, um geeignete diätetische Maßnahmen einsetzen bezie-

hungsweise anpassen zu können.

Studie 5 Weiterbildungen im Bereich der Ernährung für das Betreuungspersonal von

Menschen mit Alzheimer Krankheit scheinen der beste Weg zu sein um Ge-

wichtsverlust zu verhindern und zur Verbesserung des Ernährungszustandes

dieser Menschen beizutragen. Die Ätiologie des Gewichtsverlusts bei Men-

schen mit Alzheimer Krankheit erscheint multifaktoriell.

Abbildung 6: Zusammenfassung aller Studien

4 Diskussion

31

4 Diskussion

Der Autor ist der Meinung, dass die signifikante Verbesserung des Immunstatus und des

Ernährungszustandes durch Supplemente sehr beeindruckend sind (vgl. Pivi, 2011, S.2f).

Die Verabreichung flüssiger Zusatznahrung wird bei unaufhaltsamem Gewichtsverlust

auch von Rückert et al. (2007) ebenfalls gefordert (vgl. Rückert et al. 2007, S.83).

Laut Guérin et al. (2005) muss bei starkem Gewichtsverlust früh interveniert werden, da es

sonst zu spät ist, mit gezielten Maßnahmen gegenzusteuern. Um Risikopatienten so früh

als möglich zu erkennen, findet der Autor das kontinuierliche Screening mittels MNR sehr

sinnvoll. Die Ergebnisse von Guérin et al. (2005) bestätigen auch die Erfahrung des Au-

tors. Der unaufhaltsame progressive Gewichtsverlust bei Menschen mit Alzheimer Krank-

heit wurde bei zwei Drittel aller Probanden festgestellt (vgl. Guérin, 2005, S.440).

Die Ergebnisse von Poehlman und Dvorak (2000) sind für den Autor und dessen zu be-

treuende Personen im stationären Langzeitbereich nicht umlegbar (vgl. Poehlman/Dvorak,

2000, S.653). Bei institutionalisierten stark agitierten Menschen mit Demenz stellt der Au-

tor immer wieder fest, dass sich diese Menschen den ganzen Tag suchend und bewegend

verhalten. Kombiniert wird diese Symptomatik meist mit Ess-, Kau- und Schluckbe-

schwerden. Völlig konträr zu den Ergebnissen von Poehlman und Dvorak wird im Buch

Ernährung bei Demenz beschrieben, dass Menschen mit Demenz mit starkem Bewegungs-

drang einen Energieverbrauch von bis zu 4000 Kilokalorien pro Tag erreichen (vgl.

Rückert et al. 2007, S.31). „Eat by walking“ ist in solchen Situationen eine Möglichkeit bei

Menschen mit Demenz und starkem Bewegungsdrang den enorm hohen Verbrauch an

Energie annähernd abdecken zu können. Hierbei werden mundgerechte Häppchen (Finger-

food), wenn möglich hochkalorisch, bereitgestellt und im Gehen eingenommen (vgl. Craw-

ley, 2008, S.62).

Die Studie von Sergi et al. (2012) bestätigt viele Erlebnisse des Autors mit Menschen mit

Demenz. Die Wichtigkeit des frühzeitigen Screenings wird hier ebenfalls hervorgehoben

(vgl. Sergi, 2012, S.160). Die möglichen kognitiven Beeinträchtigungen bei einem Mangel

an Mikronährstoffen werden von A.F. von Arnim (2012) bestätigt. Sie beschreibt die medi-

terrane Diät oder auch Mittelmeerdiät genannt, welche sich mit B-Vitaminen, Folsäure,

Antioxidantien und ungesättigten Fettsäuren charakterisiert. Diese speziell ausgewogene

Kost verringert das Risiko an Alzheimer zu erkranken (vgl. A.F. von Arnim, 2012, S.14)

Gillette-Guyonnet et al. (2000) beschreiben die erhöhte Infektionsgefahr durch Gewichts-

verlust bei Menschen mit Alzheimer Krankheit (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.637).

4 Diskussion

32

Mangelernährung führt zu Infektion, Infektion bedeutet erhöhter Bedarf an Nährstoffen.

Menschen mit einer Infektion essen dann jedoch weniger. Es kommt zur Mangelernährung

und diese wiederum macht anfällig für erneute Infektionen und hat starken Einfluss auf die

Lebensqualität der betroffenen Menschen (vgl. Crawley, 2008, S.27).

Die Erfahrungen des Autors werden durch die Resultate von Gillette-Guyonnet et al.

(2000) bestätigt, dass fortschreitender Gewichtsverlust mit der Abnahme der kognitiven

Leistungsfähigkeit, erhöhten Verhaltensstörungen der Patienten und erhöhter Belastung für

das Pflegepersonal korrelieren (vgl. Gillette-Guyonnet, 2000, S.640).

Diese erhöhte Belastung von Pflegekräften wird in einer deskriptiven Studie von Rüsing

(2008) bestätigt. In dieser wurden 135 Einrichtungen bezüglich Problemsituationen im

Umgang mit Menschen mit Demenz befragt. Die häufigste Antwort auf die Frage, „Was ist

für Sie die häufigste/ wichtigste Problemsituation im Umgang mit Menschen mit De-

menz?“, lautete „bei der Ernährung“. In diesem Zusammenhang wird die enorme Wichtig-

keit von fachlicher Kompetenz des Betreuungs- und Pflegepersonals hervorgehoben. (vgl.

Rüsing, 2008, S.13).

Der Autor ist der Meinung, dass die Förderung einer offenen Gesprächskultur, in der eige-

ne Grenzen und Belastungen angesprochen werden sollen, sehr wichtig ist. Dies vor allem

deshalb, um eine angemessene Anzahl an Ressourcen für Menschen mit Demenz bei Er-

nährungsproblematik einzusetzen und diese somit ausreichend ernähren zu können. Dies

soll mittels Schulung des Betreuungs- und Pflegepersonals umgesetzt werden.

5 Ausblick auf die Institution des Autors

33

5 Ausblick auf die Institution des Autors

Für die Institution des Autors haben die erlangten Erkenntnisse folgende Bedeutung:

Das Personal soll im Bereich Ernährungslehre und adäquater Einsatz von Nah-

rungsergänzungsmitteln bewusst geschult und weitergebildet werden.

Bei unzureichender Ernährung von Menschen mit Demenz soll gezielt mit flüssigen

Nahrungsergänzungsmitteln gearbeitet werden.

Im Bereich Essen und Trinken bei Menschen mit Demenz wurde das gesamte Per-

sonal bereits im Frühjahr 2013 geschult.

Ein regelmäßiges Screening mittels MNA im Zusammenhang mit BESA wird be-

reits durchgeführt. Ein Gewichtsverlust soll somit frühestmöglich erkannt werden,

um dementsprechend angemessene Maßnahmen einleiten zu können.

Prüfen der Dauermedikation bei Menschen mit Demenz auf Nebenwirkungen wie

Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit soll zukünftig regelmäßig durch die loka-

le Apotheke durchgeführt werden. Der Einsatz von Appetitstimulantien ist eine

spannende Idee, die in der Praxis gezielt versucht werden soll.

Schulung des Betreuungs- und Pflegepersonals im Bereich Kommunikation, zur

Förderung einer offenen Gesprächskultur.

„Eat by walking“ soll bei Bedarf gezielt und individuell erprobt werden.

Der Einsatz von Fingerfood wird seit Frühjahr 2013 praktiziert.

Nahrungsmittel die auf der mediterranen Diät basieren, sollen mehrmals wöchent-

lich in den Speiseplan miteinbezogen werden.

6 Konzeptionelle Grundlage

34

6 Konzeptionelle Grundlage

Der Autor möchte eine Grundlage zur konzeptionellen Entwicklung zur bedarfs- und be-

dürfnisgerechten Ernährung bei Menschen mit Demenz schaffen. Die nachfolgende Auflis-

tung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und bezieht sich auf einen spezifischen

Teil der angängigen konzeptionellen Grundlage.

Nahrungsergänzungsmittel gezielt einsetzen

Personalbildung Bereiche:

o Ernährungslehre

o Offene Gesprächskultur – Grenzen wahrnehmen

Screening: alle sechs Monate

o Kognitionszustand (z.B. mit MMSE)

o Ernährungszustand (z.B. MNA) erheben

Angehörige als Systempartner miteinbeziehen – beruhigende Wirkung für Be-

troffene

Menschen mit Demenz regelmäßig Bewegung ermöglichen und zulassen

Interaktionsprüfung der Dauermedikation auf Nebenwirkungen durch lokale Apo-

theke

Appetitstimulantien gezielt ausprobieren

Mediterrane Kost in den Speiseplan miteinbeziehen

„Eat by walking“ ermöglichen

35

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