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Tages-Anzeiger – Samstag, 28. Februar 2015 21 Zürich Der Parteivorstand der Grünen hat sich mit 14:1 für Girod und gegen Prelicz-Huber entschieden. Ruedi Baumann Zürich – Die grüne Parteipräsidentin Marionna Schlatter bezeichnete Bastien Girod gestern an einer Medienkonferenz als «bestes Pferd im Stall». Er sei als ETH-Forscher im Umwelt- und Energie- bereich «ein echter Grüner». In Umwelt- themen könne er punkten wie kein an- derer. Zudem sei Girod in und ausser- halb der Partei ein «Sympathieträger», der Optimismus, Energie und Sponta- neität ausstrahle. Girod selber wies darauf hin, das die Grünen im Ständerat krass untervertre- ten seien; die Deutschschweiz stelle kei- nen einzigen Grünen. Girod arbeitet zur- zeit an der ETH an seiner Habilitation und ist Leiter eines Projektes, das Stra- tegien für energieeffiziente Gebäude und Quartiere entwickelt. Nach Ansicht der grünen Fraktions- präsidentin Esther Guyer kann es Girod im Wahlkampf mit allen anderen Kandi- daten aufnehmen. Dies sind bis jetzt Hans-Ueli Vogt (SVP), Ruedi Noser (FDP), Martin Bäumle (GLP) und Daniel Jositsch (SP). Laut Parteipräsidentin Ma- rionna Schlatter war Girod im Parteivor- stand mit 14:1 Katharina Prelicz-Huber vorgezogen worden. Seine Nomination sei nicht nur thematisch, sondern auch mathematisch konsequent. Er habe 2011 das beste Wahlresultat erzielt und auch sehr viele Panaschierstimmen von Wäh- lern anderer Parteien erreicht. Prelicz- Huber dagegen wurde abgewählt. Was macht Prelicz-Huber? Alt-Nationalrätin Katharina Prelicz- Huber hatte ursprünglich angekündet, sie wolle an der Mitgliederversammlung vom 12. Mai selbst dann antreten, wenn sie nicht vom Parteivorstand unterstützt werde. Gestern sagte sie: «Ich muss diese Frage mit meinem Komitee noch analysieren.» Dabei gehe es auch um eine Nationalratskandidatur. Die Mög- lichkeit, zusammen mit ihrem grün- gewerkschaftlichen Komitee eine eigene Gewerkschaftsliste aufzustellen, sei noch nicht diskutiert worden. Nach An- sicht von Prelicz-Huber muss ein grüner Ständeratskandidat «eher grün-rot statt grün-grün» sein. Im Sorgenbarometer der Bevölkerung komme die soziale Sicherheit klar vor der Energiewende. Der Vorstandsentscheid Das «beste Pferd im Stall» Im Kongresshaus findet zum 27. Mal die Esoterik- Messe Lebenskraft statt. Hugo Stamm Zürich – Wer erfahren will, in welche Richtung sich die Trends auf dem Eso- terikmarkt entwickeln, erfährt es an die- sem Wochenende in Zürich. Auffällig ist, dass sich die Gewichte in Richtung Liebe, Sex und Gesundheit verschieben. Viele der gut 150 Aussteller und zahlrei- chen Referenten fokussieren zuneh- mend auf Lebensberatung, Gesundheit und Heilangebote. Über «Artgerechte Partnerhaltung» referiert beispielsweise der deutsche Esoteriker Andres Winter, über «Schmetterlinge auch nach 15 Jah- ren Ehe» spricht Mahima aus Zimbabwe und über «Sexual Healing» die Deutsche Gerti Samel. Dass Gesundheit und sanftes Heilen zentrale Themen und wichtige Einnah- mequellen sind, liegt auch daran, dass viele Esoteriker in die Jahre gekommen sind. Es werden Wundermittel aus der Natur angeboten und Geräte, um die Struktur des Wassers zu verändern oder dieses energetisch aufzuladen. In einem rechtlichen Graubereich be- wegen sich an der Messe die vielen Hei- ler und Anbieter von Heilgeräten. Das Gesundheitsgesetz verbietet ihnen, Heil- versprechen zu machen, weil sie keine anerkannte Ausbildung im Sinn eines Heilberufes besitzen. Deshalb sprechen sie in ihren Broschüren gern von der Ak- tivierung der eigenen Heilkräfte. Bei den Einzelsitzungen und «Therapien» ist dann aber von dieser Zurückhaltung oft nicht mehr viel übrig. Um die Messebesucher zur Investi- tion in die Angebote zu motivieren, wird ihnen mitunter auch Angst gemacht. So behauptet etwa der deutsche Arzt und Esoteriker Manfred Doepp, Elektrosmog öffne die «Blut-Hirn-Schranke», wo- durch viele Giftstoffe und Erreger im Blut deponiert würden. Dadurch ent- stünden frühzeitig Hirnkrankheiten wie Demenz, Alzheimer und Parkinson. Da- gegen hat der Arzt Mittel und Methoden entwickelt, die prophylaktisch helfen sollen und nicht ganz billig sind. Einer der wenigen klassischen Esote- riker ist Thomas Young. Der Mann aus Hawaii vermittelt den Besuchern angeb- lich einen «Kontakt mit den göttlichen Blaupausen». Young verspricht, «die göttliche Blaupause in die vier unter- schiedlichen Körper hinabzuladen». Einen wissenschaftlichen Anspruch erhebt ein Standbetreiber, der Quan- tum-Engel-Heilung anbietet. Aus der Esoterikecke befreien will sich auch das Institut für Frequenzmedizin. Sektenberatungsstelle warnt Viele Anbieter und Referenten der Eso- terikmesse sind der Zürcher Sekten- beratungsstelle Infosekta bekannt. Zu jedem siebten hat die Institution schon kritische Anfragen erhalten. Ein Drittel aller Anfragen betreffen esoterische Gruppen und Anbieter. «Viele davon sind äusserst sektenhaft und können Nutzer und Nutzerinnen in grösste Ab- hängigkeit bringen, manche gefährden die Gesundheit», erklärt Infosekta. Eso- terik sei heute ein gesellschaftliches Phänomen, das von Events wie der Eso- terikmesse begünstigt werde. Namentlich nennt Infosekta den be- kannten deutschen Esoteriker Harald Wessbecher, der in der Schweiz wohnt, und den italienischen Esoteriker und Heiler Attilio Ferrara. Beide bezeichnet die Beratungsstelle als hochproblema- tisch. Gleiches gilt für sektenhafte Grup- pen wie die weltweit tätige Bewegung Oneness des indischen Gurus Sri Bhaga- van. In nahezu all diesen Gruppen gehe es laut Infosekta «um grosse Entfrem- dung von nächsten Angehörigen und starke Abhängigkeit vom Anbieter». Auch Relinfo, die zweite Zürcher Be- ratungsstelle, setzt sich kritisch mit der Esoterikmesse auseinander. Stellenlei- ter Georg Otto Schmid mietete gleich einen Stand und betreibt an der Messe Aufklärungsarbeit. Eine grosszügige Geste der Veranstalterin Angelika E. Meier, die mit Erfolg für ihre Esoterik- show kämpft: Während die meisten Mes- sen in Österreich und Deutschland längst aufgeben mussten, macht sie un- beirrt weiter. Kongresshaus. Samstag: 11 bis 21 Uhr, Sonntag: 11 bis 17 Uhr. Der Jahrmarkt des Magischen Zürich – Die Guggach-Brache beim Buch- eggplatz in Zürich steht in den nächsten fünf Jahren der Quartierbevölkerung zur Verfügung. Am vergangenen Mitt- wochabend tauschten Garten- und Ge- staltungsbegeisterte erste Ideen für die Nutzung aus. Auf dem Gelände an der Ecke Hofwiesenstrasse/Wehntaler- strasse wollen sie Gemüsebeete und eine Oase mit Weidenskulpturen anl- egen. Im Gespräch sind zudem ein Ska-ter- und ein Bikerpark, ein Pizza- ofen und ein lauschiger Treffpunkt unter einem Sonnensegel. Bis auf der Ackerfläche Beete ange- legt werden können, müssen sich die Gärtner allerdings noch etwas gedulden. Der Boden ist zu nass, um schon in der kommenden Saison angepflanzt zu wer- den. Die grosse Kiesfläche daneben soll bis April für die Nutzung parat sein. Für Veranstaltungen steht ein Gebäude mit Küche und sanitären Anlagen zur Ver- fügung. Wer sich an der Platzgestaltung beteiligen will, kann sich unter www.gz- zh/buchegg/brache informieren und Projektideen einbringen. (ame) Gärtnern und Skaten am Bucheggplatz Mit Bastien Girod sprach Ruedi Baumann Sie waren früher Greenpeace-Akti- vist, Offroader-Gegner und haben sich splitternackt auf ein Polizeiauto gesetzt. Haben Sie das richtige Profil für einen Ständerat? Damals war ich noch jünger. Aber ich habe mich für ein zentrales Anliegen eingesetzt, das selbstverständlich sein sollte: Nachhaltigkeit. Zu meinen Aktio- nen stehe ich – ganz nach dem Motto von Gölä: «I hätt no viu blöder ta.» Früher waren es ausgefallene Aktionen, heute kämpfe ich mehr mit Argumenten. Anfang Jahr hatten Sie den Grünen abgesagt, jetzt treten Sie doch an. War es die Kandidatur von Katharina Prelicz-Huber oder der Verzicht von Verena Diener? Mit Katharina Prelicz hat das nichts zu tun. Nach dem Verzicht von Verena Die- ner haben sich sehr viele Leute bei mir gemeldet und mich motiviert. Das war ausschlaggebend. Sie hatten auch gesagt, ein Ständeratswahlkampf lasse sich nicht mit Ihrem Job an der ETH vereinbaren. Für meinen Professor war nach dem Entscheid Dieners klar: «Bastien, jetzt musst du ins Rennen steigen.» Dieses Verständnis für meine Kandidatur war wichtig, weil ich so auch mein ETH-Pen- sum während des Wahlkampfs reduzie- ren und weiterhin einen Papi-Tag unter der Woche einschalten kann. Weshalb liegt Ihrem Professor etwas an einem Ständerat Girod? Das müssen Sie ihn fragen. Unsere For- schungsgruppe heisst «Technologie und Nachhaltigkeit». Es geht dabei um die Fragen: Wie reagieren Unternehmen auf Umweltpolitik? Was beeinflusst ihr Ver- halten? Was ist die Wirtschaftlichkeit von Umwelttechnologien? Entspre- chende Erkenntnisse bringe ich auch in meine Politik ein. Mit Ihrer Kandidatur setzen die Grünen auf Grün. Sind Sie nicht zu einseitig? Mir geht es um eine nachhaltige Ent- wicklung. Diese beinhaltet neben der Natur auch die Wirtschaft und das So- ziale. Für die Wirtschaft ist die Innova- tion zentral. Viele Parteien sind heute auf dem Holzweg, weil sie glauben, mit Steuerdumping seien Arbeitsplätze zu sichern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir starke staatliche Institutionen wie unsere Hochschulen brauchen und dass Energiewende und eine grüne Wirt- schaft Zukunftschancen sind. Innovation fordert auch Ihr FDP-Konkurrent Ruedi Noser. Er hat sogar den Innovationspark Dübendorf angestossen. Ich finde den Park eine gute Sache, würde ihn aber noch stärker auf Clean- tech ausrichten. Es wäre bedauerlich, wenn die Chance der Energiewende ver- kannt würde und wir weiterhin mit veralteten Technologien fuhrwerkten. Start-ups müssen die Möglichkeit haben, ihre Produkte im Markt zu erproben und weiterzuentwickeln. Als Grüner reden Sie viel über Industrie, Unternehmertum und Marktwirtschaft. Was ist Ihre Differenz zu FDP und GLP? Ich predige keinen Scheinmarktfun- damentalismus. Eine UBS, die Axpo und die ganze Pharmaindustrie stehen nicht im rauen Wind der Marktwirtschaft, wie es rechtsbürgerliche Parteien immer wieder behaupten. All diese Branchen profitieren davon, dass ihnen der Staat viele Risiken abnimmt oder sie gar schon einmal gerettet hat. Ich aner- kenne die wichtige Zusammenarbeit zwischen Staat und Markt. Auch die GLP spielt immer wieder den Markt gegen den Staat aus. Dabei braucht es ein gu- tes Zusammenspiel. Innovation kommt nicht durch Laisser-faire. Dazu braucht es staatliche Institutionen, welche neue Technologien voranbringen. Mit Innovation und Wirtschaft buhlen Sie bei der FDP, mit dem Thema Familie bei der CVP? Ich buhle um die Wähler aller Parteien, sonst werde ich nie gewählt (lacht). Die Familie ist wichtig für den gesellschaftli- chen Zusammenhalt und trägt entschei- dend zur Lebensqualität bei. Von der CVP-Initiative profitieren aber nur we- nige Familien. Ich engagiere mich für Krippenplätze. Meine Frau und ich kön- nen uns zum Glück einen Krippenplatz leisten, wenn wir aber auf subventio- nierte Plätze angewiesen wären, müss- ten wir noch länger warten Erwarten Sie von sich nicht etwas zu viel? Wie wollen Sie bei SVP-Wählern Stimmen holen? Da gibt es ein grosses Potenzial. Das Hei- matkonzept der SVP ohne Naturschutz funktioniert nicht. Die viel gepriesene Schweizer Identität wird zu einem gros- sen Teil durch unsere schöne Land- schaft geprägt. Der Schutz von Heimat und Natur gehören zu einem gesunden Patriotismus, ebenso der Erhalt unse- rer Institutionen. Wenn gewisse SVP- Politiker bei jeder Gelegenheit den Staat schlecht machen, finde ich das un- patriotisch. Sie haben die spitze Bemerkung gemacht, Energiepolitik beschäftige die Bevölkerung mehr als das Strafrecht. War das ein Tritt ans Bein von SP-Kandidat Jositsch? Nein. Daniel Jositsch ist sicher der Kan- didat, der mir inhaltlich am nächsten steht. Im Umweltbereich kann ich es auch gut mit Martin Bäumle, im Sozialen allerdings stimmt die GLP häufig nicht mit uns. Bäumle berücksichtigt zu we- nig, dass zur Nachhaltigkeit neben der Wirtschaft auch das Soziale gehört. Sie haben bei den Grünen eine Frau verhindert … Das sehe ich nicht so. Wenn nicht ich, dann wäre wohl Balthasar Glättli aufge- stellt worden. Im Vorstand wurde ich vor allem von Frauen unterstützt, und im Vorfeld wurde ich vor allem von Frauen zu einer Kandidatur ermuntert. Man sagt, Sie werden auch vor allem von Frauen gewählt. Statistisch ist das nicht erwiesen. Die Analyse der Wahlen zeigt bloss, dass ich viele überparteiliche Stimmen hole. «Ich buhle um die Wähler aller Parteien» Der grüne Ständeratskandidat Bastien Girod ist überzeugt, dass er als Experte für Energiepolitik und Nachhaltigkeit nicht nur linke Stimmen holt. Er glaubt, sogar in den SVP-Hochburgen punkten zu können. «Den Staat schlecht machen ist unpatriotisch», sagt Bastien Girod. Foto: Keystone

Girod, das "beste Pferd im Stall"

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Interview mit TagesAnzeiger, Februar 2015

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Page 1: Girod, das "beste Pferd im Stall"

Tages-Anzeiger – Samstag, 28. Februar 2015 21

Zürich

Der Parteivorstand der  Grünen hat sich mit 14:1 für Girod und gegen Prelicz-Huber entschieden.

Ruedi Baumann

Zürich – Die grüne Parteipräsidentin Marionna Schlatter bezeichnete Bastien Girod gestern an einer Medienkonferenz als «bestes Pferd im Stall». Er sei als ETH-Forscher im Umwelt- und Energie-bereich «ein echter Grüner». In Umwelt-themen könne er punkten wie kein an-derer. Zudem sei Girod in und ausser-halb der Partei ein «Sympathieträger», der Optimismus, Energie und Sponta-neität ausstrahle.

Girod selber wies darauf hin, das die Grünen im Ständerat krass untervertre-ten seien; die Deutschschweiz stelle kei-nen einzigen Grünen. Girod arbeitet zur-zeit an der ETH an seiner Habilitation und ist Leiter eines Projektes, das Stra-tegien für energieeffiziente Gebäude und Quartiere entwickelt.

Nach Ansicht der grünen Fraktions-präsidentin Esther Guyer kann es Girod im Wahlkampf mit allen anderen Kandi-daten aufnehmen. Dies sind bis jetzt Hans-Ueli Vogt (SVP), Ruedi Noser (FDP), Martin Bäumle (GLP) und Daniel Jositsch (SP). Laut Parteipräsidentin Ma-rionna Schlatter war Girod im Parteivor-stand mit 14:1 Katharina Prelicz-Huber vorgezogen worden. Seine Nomination sei nicht nur thematisch, sondern auch mathematisch konsequent. Er habe 2011 das beste Wahlresultat erzielt und auch sehr viele Panaschierstimmen von Wäh-lern anderer Parteien erreicht. Prelicz-Huber dagegen wurde abgewählt.

Was macht Prelicz-Huber?Alt-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber hatte ursprünglich angekündet, sie wolle an der Mitgliederversammlung vom 12. Mai selbst dann antreten, wenn sie nicht vom Parteivorstand unterstützt werde. Gestern sagte sie: «Ich muss diese Frage mit meinem Komitee noch analysieren.» Dabei gehe es auch um eine Nationalratskandidatur. Die Mög-lichkeit, zusammen mit ihrem grün-gewerkschaftlichen Komitee eine eigene Gewerkschaftsliste aufzustellen, sei noch nicht diskutiert worden. Nach An-sicht von Prelicz-Huber muss ein grüner Ständeratskandidat «eher grün-rot statt grün-grün» sein. Im Sorgenbarometer der Bevölkerung komme die soziale Sicher heit klar vor der Energiewende.

Der Vorstandsentscheid

Das «beste Pferd im Stall»

Im Kongresshaus findet zum 27. Mal die Esoterik-Messe Lebenskraft statt.

Hugo Stamm

Zürich – Wer erfahren will, in welche Richtung sich die Trends auf dem Eso-terikmarkt entwickeln, erfährt es an die-sem Wochenende in Zürich. Auffällig ist, dass sich die Gewichte in Richtung Liebe, Sex und Gesundheit verschieben. Viele der gut 150 Aussteller und zahlrei-chen Referenten fokussieren zuneh-mend auf Lebensberatung, Gesundheit und Heilangebote. Über «Artgerechte Partnerhaltung» referiert beispielsweise der deutsche Esoteriker Andres Winter, über «Schmetterlinge auch nach 15 Jah-ren Ehe» spricht Mahima aus Zimbabwe und über «Sexual Healing» die Deutsche Gerti Samel.

Dass Gesundheit und sanftes Heilen zentrale Themen und wichtige Einnah-mequellen sind, liegt auch daran, dass viele Esoteriker in die Jahre gekommen sind. Es werden Wundermittel aus der

Natur angeboten und Geräte, um die Struktur des Wassers zu verändern oder dieses energetisch aufzuladen.

In einem rechtlichen Graubereich be-wegen sich an der Messe die vielen Hei-ler und Anbieter von Heilgeräten. Das Gesundheitsgesetz verbietet ihnen, Heil-versprechen zu machen, weil sie keine anerkannte Ausbildung im Sinn eines Heilberufes besitzen. Deshalb sprechen sie in ihren Broschüren gern von der Ak-tivierung der eigenen Heilkräfte. Bei den Einzelsitzungen und «Therapien» ist dann aber von dieser Zurückhaltung oft nicht mehr viel übrig.

Um die Messebesucher zur Investi-tion in die Angebote zu motivieren, wird ihnen mitunter auch Angst gemacht. So behauptet etwa der deutsche Arzt und Esoteriker Manfred Doepp, Elektrosmog öffne die «Blut-Hirn-Schranke», wo-durch viele Giftstoffe und Erreger im Blut deponiert würden. Dadurch ent-stünden frühzeitig Hirnkrankheiten wie Demenz, Alzheimer und Parkinson. Da-gegen hat der Arzt Mittel und Methoden entwickelt, die prophylaktisch helfen sollen und nicht ganz billig sind.

Einer der wenigen klassischen Esote-riker ist Thomas Young. Der Mann aus Hawaii vermittelt den Besuchern angeb-lich einen «Kontakt mit den göttlichen Blaupausen». Young verspricht, «die göttliche Blaupause in die vier unter-schiedlichen Körper hinabzuladen». Einen wissenschaftlichen Anspruch erhebt ein Standbetreiber, der Quan-tum-Engel-Heilung anbietet. Aus der Esoterik ecke befreien will sich auch das Institut für Frequenzmedizin.

Sektenberatungsstelle warntViele Anbieter und Referenten der Eso-terikmesse sind der Zürcher Sekten-beratungsstelle Infosekta bekannt. Zu jedem siebten hat die Institution schon kritische Anfragen erhalten. Ein Drittel aller Anfragen betreffen esoterische Gruppen und Anbieter. «Viele davon sind äusserst sektenhaft und können Nutzer und Nutzerinnen in grösste Ab-hängigkeit bringen, manche gefährden die Gesundheit», erklärt Infosekta. Eso-terik sei heute ein gesellschaftliches Phänomen, das von Events wie der Eso-terikmesse begünstigt werde.

Namentlich nennt Infosekta den be-kannten deutschen Esoteriker Harald Wessbecher, der in der Schweiz wohnt, und den italienischen Esoteriker und Heiler Attilio Ferrara. Beide bezeichnet die Beratungsstelle als hochproblema-tisch. Gleiches gilt für sektenhafte Grup-pen wie die weltweit tätige Bewegung Oneness des indischen Gurus Sri Bhaga-van. In nahezu all diesen Gruppen gehe es laut Infosekta «um grosse Entfrem-dung von nächsten Angehörigen und starke Abhängigkeit vom Anbieter».

Auch Relinfo, die zweite Zürcher Be-ratungsstelle, setzt sich kritisch mit der Esoterikmesse auseinander. Stellenlei-ter Georg Otto Schmid mietete gleich einen Stand und betreibt an der Messe Aufklärungsarbeit. Eine grosszügige Geste der Veranstalterin Angelika E. Meier, die mit Erfolg für ihre Esoterik-show kämpft: Während die meisten Mes-sen in Österreich und Deutschland längst aufgeben mussten, macht sie un-beirrt weiter.

Kongresshaus. Samstag: 11 bis 21 Uhr, Sonntag: 11 bis 17 Uhr.

Der Jahrmarkt des Magischen

Zürich – Die Guggach-Brache beim Buch-eggplatz in Zürich steht in den nächsten fünf Jahren der Quartierbevölkerung zur  Verfügung. Am vergangenen Mitt-wochabend tauschten Garten- und Ge-staltungsbegeisterte erste Ideen für die Nutzung aus. Auf dem Gelände an der  Ecke Hofwiesenstrasse/Wehntaler-strasse wollen sie Gemüsebeete und eine Oase mit Weidenskulpturen anl-egen. Im Gespräch sind zudem ein Ska -ter- und ein Bikerpark, ein Pizza-ofen und ein lauschiger Treffpunkt unter einem Sonnensegel.

Bis auf der Ackerfläche Beete ange-legt werden können, müssen sich die Gärtner allerdings noch etwas gedulden. Der Boden ist zu nass, um schon in der kommenden Saison angepflanzt zu wer-den. Die grosse Kiesfläche daneben soll bis April für die Nutzung parat sein. Für Veranstaltungen steht ein Gebäude mit Küche und sanitären Anlagen zur Ver-fügung. Wer sich an der Platzgestaltung beteiligen will, kann sich unter www.gz-zh/buchegg/brache informieren und Projektideen einbringen. (ame)

Gärtnern und Skaten am Bucheggplatz

Mit Bastien Girod sprach Ruedi Baumann

Sie waren früher Greenpeace-Akti-vist, Offroader-Gegner und haben sich splitternackt auf ein Polizeiauto gesetzt. Haben Sie das richtige Profil für einen Ständerat?Damals war ich noch jünger. Aber ich habe mich für ein zentrales Anliegen eingesetzt, das selbstverständlich sein sollte: Nachhaltigkeit. Zu meinen Aktio-nen stehe ich – ganz nach dem Motto von Gölä: «I hätt no viu blöder ta.» Früher waren es ausgefallene Aktionen, heute kämpfe ich mehr mit Argumenten.

Anfang Jahr hatten Sie den Grünen abgesagt, jetzt treten Sie doch an. War es die Kandidatur von Katharina Prelicz-Huber oder der Verzicht von Verena Diener?Mit Katharina Prelicz hat das nichts zu tun. Nach dem Verzicht von Verena Die-ner haben sich sehr viele Leute bei mir gemeldet und mich motiviert. Das war ausschlaggebend.

Sie hatten auch gesagt, ein Ständeratswahlkampf lasse sich nicht mit Ihrem Job an der ETH vereinbaren.Für meinen Professor war nach dem Entscheid Dieners klar: «Bastien, jetzt musst du ins Rennen steigen.» Dieses Verständnis für meine Kandidatur war wichtig, weil ich so auch mein ETH-Pen-sum während des Wahlkampfs reduzie-ren und weiterhin einen Papi-Tag unter der Woche einschalten kann.

Weshalb liegt Ihrem Professor etwas an einem Ständerat Girod?Das müssen Sie ihn fragen. Unsere For-schungsgruppe heisst «Technologie und Nachhaltigkeit». Es geht dabei um die Fragen: Wie reagieren Unternehmen auf Umweltpolitik? Was beeinflusst ihr Ver-halten? Was ist die Wirtschaftlichkeit von Umwelttechnologien? Entspre-chende Erkenntnisse bringe ich auch in meine Politik ein.

Mit Ihrer Kandidatur setzen die Grünen auf Grün. Sind Sie nicht zu einseitig?Mir geht es um eine nachhaltige Ent-wicklung. Diese beinhaltet neben der Natur auch die Wirtschaft und das So-ziale. Für die Wirtschaft ist die Innova-tion zentral. Viele Parteien sind heute auf dem Holzweg, weil sie glauben, mit Steuerdumping seien Arbeitsplätze zu sichern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir starke staatliche Institutionen wie unsere Hochschulen brauchen und dass Energiewende und eine grüne Wirt-schaft Zukunftschancen sind.

Innovation fordert auch Ihr FDP-Konkurrent Ruedi Noser.

Er hat sogar den Innovationspark Dübendorf angestossen.Ich finde den Park eine gute Sache, würde ihn aber noch stärker auf Clean-tech ausrichten. Es wäre bedauerlich, wenn die Chance der Energiewende ver-kannt würde und wir weiterhin mit veralteten Technologien fuhrwerkten. Start-ups müssen die Möglichkeit haben, ihre Produkte im Markt zu erproben und weiterzuentwickeln.

Als Grüner reden Sie viel über Industrie, Unternehmertum und Marktwirtschaft. Was ist Ihre Differenz zu FDP und GLP?Ich predige keinen Scheinmarktfun-damentalismus. Eine UBS, die Axpo und die ganze Pharmaindustrie stehen nicht im rauen Wind der Marktwirtschaft, wie es rechtsbürgerliche Parteien immer wieder behaupten. All diese Branchen profitieren davon, dass ihnen der Staat

viele Risiken abnimmt oder sie gar schon einmal gerettet hat. Ich aner-kenne die wichtige Zusammenarbeit zwischen Staat und Markt. Auch die GLP spielt immer wieder den Markt gegen den Staat aus. Dabei braucht es ein gu-tes Zusammenspiel. Innovation kommt nicht durch Laisser-faire. Dazu braucht es staatliche Institutionen, welche neue Technologien voranbringen.

Mit Innovation und Wirtschaft buhlen Sie bei der FDP, mit dem Thema Familie bei der CVP?Ich buhle um die Wähler aller Parteien, sonst werde ich nie gewählt (lacht). Die Familie ist wichtig für den gesellschaftli-chen Zusammenhalt und trägt entschei-dend zur Lebensqualität bei. Von der CVP-Initiative profitieren aber nur we-nige Familien. Ich engagiere mich für Krippenplätze. Meine Frau und ich kön-nen uns zum Glück einen Krippenplatz leisten, wenn wir aber auf subventio-nierte Plätze angewiesen wären, müss-ten wir noch länger warten

Erwarten Sie von sich nicht etwas zu viel? Wie wollen Sie bei SVP-Wählern Stimmen holen?Da gibt es ein grosses Potenzial. Das Hei-matkonzept der SVP ohne Naturschutz funktioniert nicht. Die viel gepriesene Schweizer Identität wird zu einem gros-sen Teil durch unsere schöne Land-schaft geprägt. Der Schutz von Heimat und Natur gehören zu einem gesunden Patriotismus, ebenso der Erhalt unse -rer Institutionen. Wenn gewisse SVP-Politiker bei jeder Gelegenheit den Staat schlecht machen, finde ich das un -patriotisch.

Sie haben die spitze Bemerkung gemacht, Energiepolitik beschäftige die Bevölkerung mehr als das  Strafrecht. War das ein Tritt ans Bein von SP-Kandidat Jositsch?Nein. Daniel Jositsch ist sicher der Kan-didat, der mir inhaltlich am nächsten steht. Im Umweltbereich kann ich es auch gut mit Martin Bäumle, im Sozialen allerdings stimmt die GLP häufig nicht mit uns. Bäumle berücksichtigt zu we-nig, dass zur Nachhaltigkeit neben der Wirtschaft auch das Soziale gehört.

Sie haben bei den Grünen eine Frau verhindert …Das sehe ich nicht so. Wenn nicht ich, dann wäre wohl Balthasar Glättli aufge-stellt worden. Im Vorstand wurde ich vor allem von Frauen unterstützt, und im Vorfeld wurde ich vor allem von Frauen zu einer Kandidatur ermuntert.

Man sagt, Sie werden auch vor allem von Frauen gewählt.Statistisch ist das nicht erwiesen. Die Analyse der Wahlen zeigt bloss, dass ich viele überparteiliche Stimmen hole.

«Ich buhle um die Wähler aller Parteien»Der grüne Ständeratskandidat Bastien Girod ist überzeugt, dass er als Experte für Energiepolitik und Nachhaltigkeit nicht nur linke Stimmen holt. Er glaubt, sogar in den SVP-Hochburgen punkten zu können.

«Den Staat schlecht machen ist unpatriotisch», sagt Bastien Girod. Foto: Keystone