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VERÖFFENTLICHT VON DER UEFA-DIVISION FUSSBALLENTWICKLUNG N R .9 JUNI 2009 Editorial : Die reale Welt des Fussballs • • • Höhepunkte in Hamburg • • • Kinderspiel • • • Dem Behindertenfussball zum Durchbruch verhelfen • • • Einmal Fussball, immer Fussball • • • Ein professioneller Ansatz • • • Griff nach den Sternen GRASSROOTS FOOTBALL NEWSLETTER

GRASSROOTS Nr. 9

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Editorial: Die reale Welt des Fussballs • • • Höhepunkte in Hamburg • • • Kinderspiel • • • Dem Behindertenfussball zum Durchbruch verhelfen • • • Einmal Fussball, immer Fussball • • • Ein professioneller Ansatz • • • Griff nach den Sternen VERÖFFENTLICHT VON DER UEFA-DIVISION FUSSBALLENTWICKLUNG N R . 9 J U N I 20 0 9

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VERÖFFENTLICHT VON DER

UEFA-DIVISION FUSSBALLENTWICKLUNG

N R . 9J U N I 2009

Editorial : Die reale Welt des

Fussballs• • •

Höhepunkte in Hamburg• • •

Kinderspiel• • •

Dem Behindertenfussball zum Durchbruch

verhelfen• • •

Einmal Fussball, immer Fussball

• • •Ein professioneller

Ansatz• • •

Griff nach den Sternen

GRASSROOTS FOOTBALL NEWSLETTER

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DER FUSSBALL FÖRDERT

GESUNDHEIT, AUSBILDUNG

UND INTEGRATION.

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I M P R E S S U MREDAKTIONAndy RoxburghGraham Turner

ADMINISTRATIONFrank LudolphHélène Fors, Evelyn TernesUEFA-Sprachdienste

PRODUKTIONAndré VieliDominique MaurerAtema Communication SA Druck: Artgraphic Cavin SA

TITELBILDDer Workshop in Hamburgwar eine Mischung aus praktischen Einheiten,Präsentationen undGruppendiskussionen.Foto: Sportsfile

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DIE REALE WELTDES FUSSBALLS

Jeder Spitzenfussballer hat klein an-gefangen. Jeder durchlief dieselben Ent-wicklungsphasen, vom Spielen im Hin-terhof über den organisierten Fussball bis hin zum ernsten, strukturiertenArbeitsalltag im Verein, nachdem seinTalent entdeckt wurde.

Xavi Hernández, Andrés Iniesta undCarles Puyol, Eigengewächse des FC Bar-celona, haben diesen Prozess durch-laufen. Schritt für Schritt erarbeiteten siesich ihr technisches Rüstzeug und er-lernten die Tugenden, die sie heute alsMensch und Sportler auszeichnen: harteArbeit, Teamgeist und Bescheidenheit.Von ihren Juniorentrainern lernten sie,dass es bei einem Fussballprofi nicht auf die Fassade, sondern die Persönlich-keit ankommt, und sie entwickelten sich zu bescheidenen, engagierten undbodenständigen Fussballern.

Im Gegensatz zu vielen Jugendlichen von heute wuchs das Barça-Trio nicht inder virtuellen Welt von Computerspielenund Internet auf. Die Realität war für sie der Fussball mit all seinen Facettendes Lebens – sich selbst kennenlernenund mit anderen umgehen. Alle Jugend-lichen müssen dieselben Herausfor-derungen bewältigen: Selbstkontrolle,Selbstbewusstsein, Mut, Anpassungs-fähigkeit und Engagement erlernen undsich im Umgang mit Mitmenschen wei-terentwickeln – all dies sind menschlicheQualitäten, die Psychologen seit rundzehn Jahren zu emotionaler Intelligenzzählen.

Die Botschaft für im Breitenfussball tätigePersonen ist klar: Junge Spieler technischweiterzubringen ist eine Herausforde-rung, doch zur persönlichen Entwicklungdes jungen Menschen beizutragen istebenfalls ein grundlegendes Ziel. Breiten-fussball-Trainer können bedeutenden

E D I T O R I A LVON ANDY ROXBURGH,TECHNISCHER DIREKTOR DER UEFA

Einfluss auf den emotionalen Reife-prozess ihrer Spieler haben und ihnenOptimismus, Selbstkontrolle, Konflikt-fähigkeit, Konzentration, Zusammen-arbeit, Kampfgeist und soziale Integra-tionsfähigkeit beibringen. Die erziehe-rische, soziale Bedeutung des Breiten-fussballs kann nicht genug betont werdenund sein Nutzen für junge Menschen, die Gesellschaft und den Sport selbstmuss energisch verfochten werden. Auch Spitzenspieler können einen Beitragleisten, indem sie menschliche Quali-täten verkörpern, die im Fussball und im realen Leben den entscheidendenUnterschied ausmachen.

Beim Stichwort Loyalität denkt man so-fort an Ryan Giggs von Manchester Unitedund Paolo Maldini von AC Milan. DerWaliser und der Italiener hielten ihremStammverein immer die Treue und sindherausragende Beispiele für Hingabe und Zuverlässigkeit. Beim Stichwort Tap-ferkeit kommen einem z.B. Petr Cechvom FC Chelsea und Eduardo da Silvavom FC Arsenal in den Sinn. Beide kamennach schweren Verletzungen zurück –Ersterer nach einem Schädelbruch, Letz-terer nach einem zerfetzten Knöchel –und setzten sich mutig wieder denselbenGefahren aus. Die Torhüter Iker Casillas(Spanien) und David James (England)wiederum zeichnen sich durch ihresoziale Ader aus. Der Schlussmann vonReal Madrid reiste wenige Tage nachdem EM-Titelgewinn nach Peru, umbenachteiligte Kinder zu unterstützen,während der Keeper des FC Portsmouthneben seiner Tätigkeit als Special-Olym-pics-Botschafter eine Stiftung gründete,um Farmern und bedürftigen Teenagernin Malawi zu helfen. Was die Arbeitsein-stellung betrifft, macht Steven Gerrardvom FC Liverpool oder Wayne Rooneyvon Manchester United niemand etwasvor; dasselbe gilt für Alessandro Del Piero(Juventus) und Andrei Arshavin (Arsenal)in Bezug auf das stille Selbstvertrauen.Die Fähigkeit, Kampfgeist und Hilfsbereit-schaft zu vereinen, ist auch äusserst wertvoll – Javier Zanetti von Inter Mailandist diesbezüglich ein Vorbild. Der zurück-haltende Argentinier ist ebenfalls bekanntfür seine Wohltätigkeitsarbeit und er hateine klare Botschaft an die Breitenfuss-ball-Verantwortlichen: «Dem Sport müssen

immer Werte zugrunde liegen. Diesmüssen wir unseren Kindern vermitteln.»

Nur ein kleiner Bruchteil der geschätztenMilliarde Breitenfussballer weltweit wirdseinen Traum verwirklichen und als Profiauflaufen. Doch die Allermeisten kön-nen einen unermesslichen Nutzen ausihren Erfahrungen im Fussball ziehen, sei es als Spieler, Trainer, Schiedsrichter,Offizieller oder Fan. Das Spiel zu lernenund sich auf dem Spielfeld zu entfaltenist grossartig – über sich selbst zu lernenund sich menschlich weiterzuentwickelnist noch besser. In ihrer Bescheidenheitsehen sich die spanischen EuropameisterXavi Hernández, Andrés Iniesta undCarles Puyol nicht einmal als Vorbilder,doch steht es ausser Frage, dass sie positive menschliche Qualitäten ent-wickelt haben, die junge Nachwuchs-spieler verinnerlichen sollten. Es inSachen Ballbehandlung mit ihnen auf-zunehmen, dürfte hingegen ungleichschwieriger werden.

Ryan Giggs von Manchester United: ein herausragendes Beispiel für Loyalität einem Verein gegenüber.

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In seiner Eröffnungsansprache be-zeichnete UEFA-Vizepräsident GerhardMayer-Vorfelder solche Veranstaltun-gen als sinnvolle Instrumente zur Verwirklichung von Ideen und zur Ver-breitung des Geistes des Breitenfuss-balls. Die drei Tage sollten ihm Rechtgeben. DFB-Präsident Dr. Theo Zwan-ziger sieht im Breitenfussball in all seinen Facetten einen Mehrwert fürdie Gesellschaft, weshalb ein geeintesVorgehen zentral sei. Ausserdem müs-se der Breitensport von der Strahlkraftder Elitewettbewerbe profitieren.

Steffi Jones nahm dieses Stichwort als erste auf. Die frühere deutsche Nationalspielerin steht dem Organisa-tionskomitee der FIFA Frauenfuss-ball-Weltmeisterschaft 2011 vor. «Wir möchten einerseits ein friedliches Turnier in einer angenehmen Atmo-sphäre und andererseits einen starkenBezug zu den Familien und zum Breitensport schaffen, die Bedeutungdes Fussballs als Mittel zur Integrationaufzeigen und unsere Verantwortunginnerhalb der Gesellschaft wahrneh-men. Entwicklungsprogramme und

Vermächtnisse werden an diese Welt-meisterschaft gekoppelt, unter ande-rem die Kampagne «Kinderträume2011» und 80 unterstützungswürdigelokale Breitenfussballprojekte.»

Dass dies durchaus Sinn macht, ver-deutlichte Johannes Axster von street-footballworld, der über die Zusam-menarbeit seiner Organisation mit derUEFA beim Projekt EUROSCHOOLS imRahmen der EURO 2008 berichtete,das einen regen interkulturellen Aus-tausch und soziale Aktivitäten mit sichbrachte, so dass nicht nur die Schul-fussballturniere profitierten. Die UEFAhat bereits früher erkannt, wie wichtigder Bezug vom Spitzen- zum Brei-tensport ist: Seit 2002 verbindet sieBreitenfussballwettbewerbe und«Champions Festivals» mit Endspielender UEFA Champions League und desUEFA-Pokals – eine Tradition, die dieseSaison fortgeführt und ausgebautwurde: So finden in Rom Breitenfuss-ballturniere in den Altersgruppen 8-10,10-12 und 12-14 Jahre statt, und inIstanbul messen sich 144 Teams und1 500 Spieler an zwölf Wochenendenbis zum Finale. Nächstes Jahr wird

HÖHEPUNKTEIN HAMBURG

EIN BERICHT IM MAGAZIN UEFADIRECT VERDEUTLICHTE DIE ZUGKRAFT DES ACHTEN

UEFA-BREITENFUSSBALL-WORKSHOPS, DIE KEIN TEILNEHMER IN ABREDE STELLEN WÜRDE: DAS

INTENSIVE, DREITÄGIGE PROGRAMM UMFASSTE NEBEN PRAXISBEZOGENEN ARBEITSBESUCHEN

BEI DEN BEIDEN GROSSKLUBS DER STADT DIVERSE PRÄSENTATIONEN UND GESPRÄCHE.

KERNTHEMA WAR DIE FÖRDERUNG DES KINDERFUSSBALLS, DARUM HERUM WAREN ZAHLREICHE

THEMEN GRUPPIERT. DIESER NEWSLETTER WIDERSPIEGELT DIE VIELFALT DER GESAMMELTEN

ERKENNTNISSE, WOBEI NATÜRLICH NICHT AUF ALLE EINGEGANGEN WERDEN KANN.

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UWE SEELER UND HANSI MÜLLER

SIND GERNE BREITENFUSSBALL-BOTSCHAFTER.

Eine praktische Einheit in der Arena des Hamburger SV.

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Madrid im Vorfeld des ersten sams-täglichen UEFA-Champions-League-Endspiels die ganze Woche im Fokusvon Breitenfussballaktivitäten stehen.In der gleichen Woche findet – eben-falls in Madrid – das erste Endspiel der UEFA Women’s ChampionsLeague überhaupt statt. Doch das istein anderes Thema.

Zurück nach Hamburg: Dass sich zahl-reiche aktive oder ehemalige Spitzen-fussballer als Botschafter engagieren,wurde begrüsst – nicht zuletzt vonHansi Müller und Lokalmatador UweSeeler, die über die Breitenfussball-strukturen beim VfB Stuttgart bzw.beim Hamburger SV sprachen. Diebeiden ehemaligen deutschen Na-tionalspieler geniessen ihre Aufgabeals Botschafter. «Ich mache das gerne»,meint Uwe, «da ich schon immer ein Teamplayer war und gerne einerGemeinschaft angehörte. Die Men-schen hören auf uns und wir könnenihnen beibringen, wie man besser lebt und lernt. Wir können auch malEltern, die ihre Kinder nerven, nachHause schicken!»

Hansi sieht es genau so: «Wir müs-sen sicherstellen, dass Eltern, die sichim Breitenfussball engagieren, entspre-chend ausgebildet sind. Wir müssenauch die Grenze aufzeigen zwischenFussball als Hobby und seriöser Vor-bereitung. Wir müssen den Jugend-lichen klar machen: Wer ganz nachoben will, muss vollen Einsatz an denTag legen und braucht mehr als Eltern,die ihr Kind zweimal pro Woche insTraining fahren.»

Der Einfluss der Eltern im heutigenKinderfussball – sowohl bei Mädchenals auch bei Jungen – kristallisierte sich bei den Debatten in Hamburg alseine der Hauptschwierigkeiten heraus.Weitere soziale Faktoren, wie wenigerFreizeit, hohe Kosten für Kinder und

Familien sowie die negativen Aus-wirkungen der modernen Technologiensind für erhöhte Ausstiegsraten beimKinder- und Juniorenfussball verant-wortlich. Umgekehrt befürchten viele,dass das schnelle Wachstum desBreitenfussballs zu einem Mangel anTrainern und Ausbildern führt, was derQualität abträglich wäre.

Wie kann der Kinderfussball verbes-sert werden? Am häufigsten genanntwurden die Rekrutierung und Aus-bildung von Trainern und freiwilligenHelfern sowie die Bereitstellung dernotwendigen Infrastruktur in der erforderlichen Qualität. In einigen Ver-bänden ist der Mangel an Fussbällenund Ausrüstung ein Problem; einigemachen die fehlende politische Unter-stützung oder die zu geringe Aufmerk-samkeit für den Breitenfussball dafürverantwortlich. Gleichzeitig gilt die Zu-sammenarbeit mit Schulen und lokalenBehörden als wichtige Voraussetzungfür ein nachhaltiges Wachstum.

Wie kann die UEFA zusätzliche Entwick-lungsanreize schaffen? Durch Wissens-austausch, so der allgemeine Tenor in Hamburg. Veranstaltungen wie derBreitenfussball-Workshop seien unbe-

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zahlbar, und laut Andy Roxburgh hatsich auch das Studiengruppen-Pro-gramm bewährt. «Rund ein Viertel derStudiengruppen dürfte sich mit demBreitenfussball befassen. Bis EndeJuni werden in 23 Verbänden 52 Ver-anstaltungen mit 149 Studiengruppen(meistens mit je elf Teilnehmern)stattgefunden haben. Sechs Besuchewaren ausschliesslich dem Breiten-fussball gewidmet, bei vielen anderenwar er mit ein Grund für den Besuch.»

Die sechs Diskussionsgruppenwünschten sich einen regeren Infor-mationsaustausch, indem beispiels-weise der Bereich Breitenfussballunter der Rubrik «Training Ground» auf der UEFA-Website oder via Intra-net einen höheren Stellenwert be-käme. Unterstützung bei der Aus-bildung, Hilfe bei der Ausarbeitungvon Richtlinien und der Umsetzungeiner Breitenfussballphilosophie,Unterstützung beim Aufbau von alters-spezifischen Trainerausbildungs-kursen und gesamteuropäische Aus-bildungsinstrumente wurden eben-falls erwähnt. Kurzum: Zahlreiche Diskussionspunkte aus dem Work-shop fanden den Weg nach Nyon –und umgekehrt.

EINE GRUPPENDISKUSSION

BEIM WORKSHOP IN HAMBURG.

Die jungen Spieler schauen ihrem Ausbilder aufmerksam zu.

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DER TITEL DES REFERATS VON ANDY ROXBURGH, DAS ER AM ERSTEN MORGEN IN HAMBURG HIELT,

WAR BEWUSST RÄTSELHAFT. KINDERFUSSBALL WAR DAS ZENTRALE THEMA DER VERANSTALTUNG.

DER BEGRIFF «KINDERSPIEL» BEDEUTET LAUT WÖRTERBUCH «EINE AUSSERORDENTLICH EINFACHE

AUFGABE» ODER «EIN HANDELN VON GERINGER BEDEUTUNG» – DOCH DIESE BEGRIFFE STEHEN IM ABSO-

LUTEN GEGENSATZ ZUR PHILOSOPHIE, DIE PER RAVN OMDAL, VORSITZENDER DER UEFA-KOMMISSION

FÜR ENTWICKLUNG UND TECHNISCHE UNTERSTÜTZUNG UND MITGLIED DES EXEKUTIVKOMITEES,

MIT SECHS WORTEN ZUM AUSDRUCK BRACHTE: «UNSERE ZUKUNFT GEHÖRT DEN KINDERN».

KINDERSPIEL

In diesem entscheidenden Bereich an der Basis der Breitenfussballpyramideist die Ausbildung von Kindern keines-wegs ein «Kinderspiel», sondern eineäusserst schwierige Aufgabe von grosserBedeutung. Ausserdem muss das rich-tige Gleichgewicht gefunden werden.Kinderfussball muss in erster Linie Spassmachen – doch gleichzeitig muss erernsthaft betrieben werden. Es geht umgut organisierten Spass, nicht um Leicht-sinn. Im Zentrum sollten nicht die Re-sultate, sondern die Spielpläne stehen. Der Kinderfussball sollte eine Plattformfür die Entwicklung von Talenten sein,jedoch keine Plattform für herrische

Trainer, die sich selbst für Sir Alex Fer-guson oder Marcello Lippi im Kleinfor-mat halten. Er sollte den Siegeswillen fördern, jedoch nicht vorzeitig die Ver-haltensweisen und Belohnungen des Erwachsenenfussballs übernehmen.

Hervorgehoben wurde die Bedeutungdes Kinderfussballs von Andy Roxburgh,von Willi Hink, dem für die Fussball-entwicklung zuständigen DFB-Direktor,und von Stig-Ove Sandnes, dem stellver-tretenden Generalsekretär des Norwe-gischen Fussballverbands, der im Bereichder Breitenfussballentwicklung Massstäbegesetzt hat. Andy Roxburgh hielt fest,dass die UEFA die Aufgabe habe, dasInteresse zu wecken, die Standards fest-zulegen, die Qualität zu verbessern, dieBeteiligung zu vergrössern, die Spieler zuschützen und die Nationalverbände zuunterstützen, die sich darum bemühen,den jüngsten Mitgliedern der Fussball-familie die Möglichkeit zu geben, Spassam Fussball zu haben.

Eine allgemein akzeptierte Definition von «Kinderfussball» besteht darin, dassdieser Bereich die Volksschulkinder biszwölf Jahre umfasst – gemäss den Äus-serungen beim gesamteuropäischenTreffen in Hamburg wechseln die meis-ten Nationalverbände ab diesem Altervom Kleinfeldfussball zu Teams mit elfSpielern. Teilweise erfolgt dieser Wechselauch schon im Alter von zehn Jahren(wobei sich die Spitzenklubs tendenziellfür einen frühen Übergang aussprechen)oder erst bei den 13-Jährigen. In Nor-wegen wird beispielsweise das folgende

System angewandt: 3 gegen 3 bei den 4- bis 5-Jährigen; 5 gegen 5 beiden 6- bis 10-Jährigen; 5 gegen 5 oder7 gegen 7 bei den 11- bis 12-Jährigenund 11 gegen 11 ab 13 Jahren.

Aus der norwegischen Statistik geht die Bedeutung des Kinderfussballs hervor: Dieser entspricht 64% des orga-nisierten Fussballs mit 17 000 Teamsund 170 000 aktiven Spielerinnen und Spielern in der Alterskategorie der6- bis 12-Jährigen. Bei den 11- und 12-Jährigen spielen 70% der Jungen und 30% der Mädchen Fussball –wobei darin die Aktivitäten an Fussball-schulen, Turnieren und Festivals nichtenthalten sind.

Damit hat der Kinderfussball ein sehrgrosses soziales Potenzial. In diesem Zusammenhang weist der Kinderfussballzwei grundlegende Elemente auf: dasKind und das Spiel. Was den Fussballanbelangt, geht es um die Entwicklungder Spieler, der technischen Fähigkeiten,der Leistungsfähigkeit und der Fitness.Doch in dieser Altersgruppe müssen die Anstrengungen auch darauf aus-gerichtet sein, ein integriertes Mitgliedder Gesellschaft mit sozialen Kom-petenzen und einem gesunden Lebens-stil zu entwickeln. In Deutschland gilt für die niedrigste Alterskategorie dasMotto «Hält sie in Bewegung». In dernächsten Phase werden die Kinder er-muntert, ihren Lebensstil auf den Sportauszurichten, um Übergewicht sowieReizüberflutung und geistige Leere zuvermeiden – in einer Gesellschaft, in

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KINDERFUSSBALL

IST ALLES ANDERE ALS

EIN KINDERSPIEL

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der ein hoher Prozentsatz der Misse-taten und strafbaren Handlungen aufblosse Langeweile zurückgeführt wer-den kann, ist der letztere Punkt vonebenso grosser Bedeutung. Die interes-sante zweiseitige Zusammenfassung der Regeln, die in Norwegen für die 6- bis 12-Jährigen gelten, erinnert daran,dass solche Regeln weder zu umfang-reich noch zu streng sein sollten.

Daraus folgt, wie wichtig es ist, dass für die jüngsten Spieler die Fun-Elementeund die Attraktivität des Fussballs in denVordergrund gestellt werden und dass in diesen Jahren für genügend Romantikund Engagement gesorgt wird, um die Zahl der Kinder, die dem Fussball den Rücken kehren, möglichst gering zu halten. Wenn der Nachwuchs nicht richtig gefördert und betreut wird, ist dieGefahr, dass die Fussballfamilie dieseMitglieder verliert, besonders im Teen-ageralter gross.

Selbstverständlich erfordert dies Inves-titionen in die Ausbildung der Fussball-lehrer. Auf dieser Stufe wird ein Fuss-balllehrer (im Gegensatz zum Trainer)benötigt, der die Kinder liebevoll unter-stützt, gut organisiert, kompetent allesvorzeigen kann, zuverlässig ist und eine ansteckende Begeisterung für denFussball hat. Wie Uwe Seeler und Hansi Müller betonten, müssen gleich-zeitig auch Richtlinien für die Eltern klar kommuniziert und eingehalten werden, damit das richtige Umfeld entsteht.

Bis zum Alter von acht Jahren geht es im Kinderfussball ausschliesslich darum,Spass mit Freunden zu haben, demWunsch nach Lernen und Verbesserungnachzukommen, die Zusammenarbeit in der Gruppe zu fördern, die Faszina-tion des Fussballs zu intensivieren unddie grundlegenden Fähigkeiten zu ent-wickeln, indem für möglichst viele Ball-kontakte gesorgt wird. Das Alter von 9 bis 12 Jahren ist eine wichtige Phasefür die Grundlagenbildung, weil dieKinder in diesem Alter besonders leichtNeues erlernen. In diesem Zeitraumkönnen die Trainingseinheiten auf diefolgenden Elemente fokussiert werden:Ballbeherrschung, Spielübersicht, koor-dinative Fähigkeiten, Tempo, Mobilitätund Förderung von Teamidentität,

Kreativität und Selbstbewusstsein. Mit anderen Worten ist Fussball ein Ins-trument für Begeisterung, persönlicheBeziehungen, Zufriedenheit, Selbst-darstellung und Selbstachtung und gleich-zeitig eine Lernkurve, bei der Heraus-forderungen festgelegt und bewältigtwerden müssen. Kinder müssen behut-sam an ihre Grenzen herangeführtwerden.

Das ist auch der ideale Zeitraum für dieVermittlung von Werten wie Respekt undFairplay. In Norwegen werden die Kindervor Saisonbeginn aufgefordert, einen Fair-play-Vertrag zu unterschreiben, und vorjeder Begegnung geben sich die Spielerwie in der UEFA Champions League dieHand. Doch heutzutage weist der Res-pekt vor den Mannschaftskollegen, denSchiedsrichtern und den Gegnern nocheine weitere Dimension auf. In Deutsch-land werden neue Strategien für denBreitenfussball entwickelt, um der gesell-schaftlichen Realität Rechnung zu tragen,dass bei den Kindern bis sechs Jahren32,5% einen Migrationshintergrund auf-weisen und dass dieser Anteil bei den 7- bis 9-Jährigen 29,3% und bei den 10- bis 15-Jährigen 26,7% beträgt. Diesbedeutet, dass der Kinderfussball mehrdenn je das Potenzial hat, sich zu einembedeutenden Element der Integration zu entwickeln, das auf dem traditionel-len Grundsatz beruht, dass der Breiten-fussball allen offen steht und keinen

Raum für Rassismus oder irgendeineForm von Diskriminierung bietet.

Es bedeutet auch, dass der Kinderfuss-ball in den Gemeinschaften eine be-stimmte Rolle spielen muss, und dass –wie ein anderer Beitrag in dieser Ausgabezeigt – die Profiklubs heutzutage bereitsind, einen wesentlichen Beitrag zuleisten. Doch der «Amateurgeist» ist nachwie vor von grosser Bedeutung. Die 260 000 Jungen und 110 000 Mädchen,die in Norwegen 330 000 Partien proJahr bestreiten, werden von 130 000Freiwilligen betreut. Deren Leiter habenvier- oder zwölfstündige Kurse besucht,die vom Nationalverband veranstaltetwerden, und die Breitenfussball-Trainerhaben ihre C-Lizenz aufgrund von vier16-stündigen Trainerausbildungsmodulenerhalten. In Deutschland hat man rascherkannt, dass die Lehrer entsprechendvorbereitet und für eine qualitativ hoch-stehende Betreuung der wichtigstenAlterskategorien motiviert werden müs-sen, wenn der Fussball Teil des Lehrplansbilden soll. Im Alter von elf Jahren habendie Jugendlichen die Möglichkeit, eineder 366 Trainingsschulen in Deutschlandzu besuchen, in denen 29 vollzeitlich angestellte Koordinatoren und 992 quali-fizierte Trainer tätig sind.

Die Definition im Wörterbuch kann manfolglich getrost vergessen: Kinderfussballist definitiv kein «Kinderspiel».

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DER BREITENFUSSBALL-TRAINER

MUSS DIE BESONDERE ROLLE DES

TORHÜTERS BERÜCKSICHTIGEN.

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EINE KÜRZLICH IN SCHOTTLAND DURCHGEFÜHRTE STUDIE HAT ERGEBEN, DASS EIN

SIEBTEL DER BEVÖLKERUNG UNTER EINER ART VON BEHINDERUNG LEIDET. RECHNET MAN BESTIMMTE

PSYCHISCHE LEIDEN HINZU, IST ES GAR EIN FÜNFTEL. AUSSERDEM WEISEN 5% DER KINDER

IM SCHULALTER EINE BEHINDERUNG AUF. STUART SHARP, DER ENTWICKLUNGSBEAUFTRAGTE FÜR

BEHINDERTENFUSSBALL DES SCHOTTISCHEN FUSSBALLVERBANDS, PRÄSENTIERTE DIESE ZAHLEN,

DIE VERDEUTLICHEN, DASS KONZEPTE WIE «FUSSBALL FÜR ALLE» UND «FUSSBALL OHNE

DISKRIMINIERUNG» NUR DANN UMGESETZT WERDEN KÖNNEN, WENN IM BEHINDERTENFUSSBALL

MÖGLICHST VIELE GELEGENHEITEN ZUR TEILNAHME GESCHAFFEN WERDEN.

DEM BEHINDERTENFUSSBALLZUM DURCHBRUCH VERHELFEN

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JEFF DAVIES, DER

FUSSBALLENTWICKLUNGSMANAGER

DES ENGLISCHEN VERBANDS.

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von Jeff Davies, Fussballentwicklungs-manager des englischen Verbands (FA)und Mitglied des UEFA-Ausschusses für Breitenfussball, geleitet wurde. DieFA feiert in diesem Jahr das zehnjährigeBestehen ihres Programms «AbilityCounts» für behinderte Spieler. Jeffmachte keinen Hehl aus den Schwierig-keiten der ersten Jahre und den Pro-blemen, mit denen viele Verbändeheute zu kämpfen haben. Das Grund-problem in England war, dass derBehindertensport von diversen Akteu-

ren organisiert wurde. Erst der Zu-sammenschluss von sieben nationalenOrganisationen im Rahmen des natio-nalen Behindertensportverbands er-möglichte es der FA, effiziente Arbeits-beziehungen und eine solide Ent-wicklungsplattform zu schaffen. In derRepublik Irland konnte die FAI dank der Bildung einer «Football For All»-Kommission, der je ein Mitglied allerBehindertenfussballgruppen angehörte,wesentliche Fortschritte erzielen. Auch in vielen anderen Verbänden liegt der Schlüssel zum Erfolg in derBündelung aller Kräfte und einem einheitlichen Vorgehen.

Stuart Sharp erklärte, dass der schot-tische Verband eine ähnliche Strategieverfolgt. Bedeutende finanzielle Mittelwerden vom nationalen Behinderten-sportverband sowie von McDonald’sbereitgestellt. Zuvor hatten die Work-shop-Teilnehmer bereits erfahren, dassdas Fast-Food-Unternehmen auch mit dem Deutschen Fussball-Bund imRahmen eines Breitenfussball-Projektszusammenarbeitet, das allein in diesemJahr 200 000 Teilnehmer bei 2 700Veranstaltungen umfasst. In Gross-britannien stammen viele Gelder ausdem Projekt «Sportsmatch», dank demseit 1992 über EUR 60 Mio. aus der

Begegnungen zwischen gemischten

Mannschaften aus Spielern mit

und ohne Behinderung sind

eine wertvolle Erfahrung.

Dennoch zeigte sich beim Breitenfuss-ball-Workshop in Hamburg, dass trotzPionieren wie dem KNVB in Holland,der seit 1984 Behindertenfussball-Pro-jekte und -Partnerschaften pflegt, esvielen anderen Verbänden schwer fällt,die Kriterien für den Stern der Kategorie«Soziales und Behindertenfussball» im Rahmen der UEFA-Breitenfussball-Charta zu erfüllen.

Diese interessante Tatsache war dasHauptthema einer Gesprächsrunde, die

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Wirtschaft in den Breitensport flossen,wobei die Regierung jeden Euro miteinem eigenen verdoppelte.

Auf diese Weise konnte der schot-tische Verband einen Masterplan für dieEntwicklung des Behindertenfussballserstellen, der im Projekt «Hitting theTarget» mündete – einem Vierjahres-plan, der 2010 abgeschlossen wird. Wie in England wurde das Hauptaugen-merk auf höhere Teilnehmerzahlen, die Verbesserung von Trainings- undWettkampfmöglichkeiten, den Aufbausolider Strukturen für künftiges Wachs-tum, die Steigerung der öffentlichenWahrnehmung und des Profils desBehindertenfussballs, die Etablierungumfassender Ausbildungs- und Betreu-ungsprogramme für bestehende undneue Trainer sowie auf die Schaffungsportlicher Anreize durch klar definierteLeistungsstufen von Freizeit-Events für alle Behindertengruppen über Schulprogramme und Fussballzentrenbis hin zu regionalen Auswahlen undetablierten Klubs auf Elitestufe gelegt.Der englische Verband hat sogar ein System für die Erfassung 14- bis 16-jähriger Talente geschaffen, die eines Tages für eine der (erfolgreichen)sechs Nationalmannschaften desLandes in Frage kommen.

Die Schotten kontaktierten zudem dieführenden Fussballvereine des Landes,von denen bereits sieben Behinderten-teams unterstützen, indem sie ihnenzum Beispiel Trainingseinrichtungen zur Verfügung stellen – was die Rah-menbedingungen weiter verbessert.Gleichzeitig wird Behindertenfussball in Fussballzentren und in Vereinen aufGemeindeebene gespielt. Eine weitereHürde wurde mit der Eröffnung des nationalen Behindertenfussballzentrumsim Oktober 2005 genommen, dankdem für die Eliteauswahlen nun Trai-ningslager, eine kontrollierte Ernährung,personalisierte Fitnessprogramme auf der Grundlage medizinischer Unter-suchungen und Profile sowie wert-volle Unterstützung im Alltag möglichgeworden sind.

Gleich unterhalb dieses Elitezentrumsfolgen in der Behindertenfussball-Pyramide zwei regionale Zentren, indem Spieler mit Nationalmannschafts-potenzial bewertet und betreut werdenkönnen. Das Hauptziel besteht jedochdarin, im Rahmen von Partnerschaftenmit 32 lokalen Behörden und 16 Zweig-stellen des Behindertensportverbandsdie Basis der Pyramide zu festigen. So wurde 2007 beschlossen, einen nationalen Entwicklungstag einzufüh-ren, und zu den Zielen des laufenden Jahres gehört die Durchführung vonmindestens einem Behindertenfuss-ball-Festival in jedem Regionalbezirk des Landes.

Jeder Entwicklungsplan muss die Rekru-tierung und Ausbildung von genügendTrainern beinhalten, damit er funktio-niert. Der schottische Verband führte2006 ein spezifisches Trainerzertifikatein, das auf einem sechsstündigen Kurs beruht und ab 16 Jahren erlangtwerden kann – dies vor dem Hinter-grund der Tatsache, dass junge Men-schen sehr oft bereit und fähig sind,Behindertensportler zu betreuen. So sollen durch das Projekt «Hitting the Target» bis Ende Jahr mindestens 240 neue Trainer rekrutiert werden.Hinzu kommt eine landesweite Kam-

pagne, in deren Rahmen 150 000freiwillige Helfer für den schottischenSport gesucht werden.

Wie Jeff Davies in Hamburg betonte,dreht sich im Behindertenfussball alles um Partnerschaften: «Im Rahmender Breitenfussball-Charta gibt es Ver-bände, die den Stern für diese Kate-gorie erhalten haben, obwohl sie nichtam Ursprung der Projekte standen.Vielmehr arbeiten sie mit Partnern zusammen, um die Kriterien für denErhalt des Sterns zu erfüllen – ichkann mir sehr gut vorstellen, dass esandere Verbände gibt, die den Sternnicht beantragt haben, die Anforde-rungen jedoch erfüllen könnten. Es scheint einige Verbände zu geben,die die Organisationen, die in ihremLand Behindertensport-Veranstaltun-gen durchführen, nicht einmal kennen,oder denen diese Aktivitäten gänzlichunbekannt sind. Der erste Schritt muss daher immer darin bestehen,herauszufinden, wer wo was machtund wie. Anschliessend können dieVerbände das Fussballelement ein-bringen und Partnerschaften schlies-sen, die dem Behindertenfussball zum Durchbruch verhelfen – und dem Verband zum Erhalt des Sternsfür Behindertenfussball-Programme.»

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STUART SHARP,

DER ENTWICKLUNGSBEAUFTRAGTE

FÜR BEHINDERTENFUSSBALL

DES SCHOTTISCHEN VERBANDS.

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EINMAL FUSSBALL,IMMER FUSSBALL

«ICH MAG ES NICHT, WENN MICH DIE LEUTE ALS «EX-FUSSBALLER» BEZEICHNEN.

SIE SPRECHEN VON «EX», WEIL SIE NUR DIE ZEIT ALS PROFI BETRACHTEN.

DABEI WAREN WIR ALLE SCHON VORHER FUSSBALLER UND WERDEN ES AUCH IMMER BLEIBEN.

EINMAL FUSSBALLER, IMMER FUSSBALLER.»

Dies sagte Christian Karembeu,französischer und spanischer Meister,Europa- und Weltmeister, unlängst ineinem Interview. Karembeu trägtseine Leidenschaft für den Fussballderzeit aus Europa in seine HeimatOzeanien hinaus. Seine Gedankenerinnern daran, dass Breitenfussballnicht nur Kinder und Jugendliche be-trifft, sondern auch ältere Menschen,die auf dem Spielfeld ihre lebens-lange Verbundenheit mit dem Fuss-ball zum Ausdruck bringen möchten.

Teammitglied eine Belastung für dieMitspieler ist. Wo also spielen?

Der Niederländische Fussballverband(KNVB) hat sich diese Frage gestellt.Piet Hubers, Manager Amateurfuss-ball der Technischen Abteilung beimKNVB, stellte in Hamburg ein neuesProjekt vor, das vor dem Hintergrundentstand, dass es in Holland mehr als eine halbe Million registrierte Spie-ler über 35 gibt, darunter 40 000Frauen. Das ist ein beachtlicher Teilder Fussballbevölkerung des Landesund eine «Gesellschaftsschicht», diesich Mitgliederbeiträge leisten kannund in der – abseits des Berufslebens– der Spassfaktor und der Wunsch,verletzungsfrei zu bleiben, zentral sind.Ein Pilotwettbewerb, wo sich ältereFussballer mit ihresgleichen messenkönnen – das Projekt 45+ des KNVB – war geboren und ist im Aprilangelaufen.

«Wir haben uns für die Altersgruppe45+ entschieden», so Piet, «weil eszahlreiche Spieler gibt, die bis Anfang40 Klubfussball spielen, dann aberaufhören. Deshalb fragten wir uns:Weshalb mit 45 aufhören? Mit einemWettbewerb für jene, die man an denschwarzen Schuhen und sauberenHosen erkennt, war die Frage beant-wortet.»

Einfach ist es nicht. In einigenLändern bleiben ehemalige Profis inSenioren-Meisterschaften aktiv, wosich Turniere mit ehemaligen Fuss-ballprofis auch wirtschaftlich aus-zahlen. Gehört man allerdings nichtzu den Zidanes, Butragueños oderLaudrups dieser Welt und spielt auchnicht wie sie, kann die Sache kom-plizierter werden. Der Spassfaktornimmt ab, wenn man gegen Spielerantreten muss, die 20 Jahre jüngersind oder wenn man als ältestes

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EIN SPIEL ZWISCHEN EHEMALIGEN

PROFIS IN ENGLAND.

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Ein Aufeinandertreffen zwischen älteren UEFA- und FIFA-Semestern.

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«Das Projekt geht auf den strategi-schen Marketingplan des KNVB zurück,was etwas seltsam klingt, weil es nicht als gewinnbringendes Projekt initiiert wurde, sondern sich zum Zielsetzte, dass Fussballer länger aktivbleiben können und ein bedeutenderTeil der Bevölkerung strukturiert Fuss-ball spielen kann.»

Im Rahmen des Projekts 45+ wollteman Spieler im Fussball halten, die bisüber 40 aktiv waren, und die Türe füralle jene öffnen, die ihre Fussball-schuhe an den Nagel hängen mussten,ob freiwillig oder nicht. BestehendeSchranken mussten also abgebaut undneue Konzepte eingeführt werden,wobei die Wettbewerbsstrukturen andie physischen Voraussetzungen derSpieler angepasst werden sollten.

Mit verschiedenen Klubs wurdenzweijährige Testphasen durchgeführt;der KNVB untersuchte in dieser Zeitdie physischen Merkmale, die beiSenioren-Wettbewerben zu beachtensind. So wurden Fitnesstests, Trainings-programme und medizinische Exper-tenansichten ausgewertet.

Eine interessante Erkenntnis war, dassdas Format mit Siebenermannschaf-ten optimal ist und am meisten Spassmacht – ein Format, das auch andereVerbände mit Senioren-Wettbewer-ben verwenden. Gemäss Piet Huberswurde die Einführung des Turniers 45+ in den Niederlanden «von Klubs,Spielern, Medien, anderen Sportartenund Sponsoren rundherum begrüsst.Gemäss unserem Reglement sind bis zwölf Spieler pro Team zugelassen,der Durchschnitt liegt bei etwa zehnSpielern. Wir freuen uns, dass sich 215Teams zum Pilotturnier angemeldethaben. Im ersten Jahr ist die Teilnahmekostenlos, wir wollten möglichst vieleMannschaften dabei haben, da wärenfinanzielle Schranken wenig sinnvoll

gewesen. Ausserdem wollten wir den Bekanntheitsgrad des Projekts er-höhen. Der KNVB wird nach Turnier-ende eine Analyse vornehmen undüber die künftigen Kosten und Struk-turen entscheiden. Derzeit stehen die Turniere aktiven und ehemaligenSpielern des KNVB offen.» Eine Spieler-datenbank soll Aufschluss geben über die Spieler, die auch mit 45 undmehr Jahren noch wettkampfmässigFussball spielen wollen.

In der ersten Saison wird der Wett-bewerb im Miniturnierformat ausge-tragen: Vier Teams tragen jeweils dreiSpiele von je 20 Minuten aus; darauffolgen regionale Endspiele. Geplant ist jedoch, auf regelmässige wöchent-liche Termine umzusteigen, wenn sichder Wettbewerb etabliert hat, wobei in Siebenerteams jeweils zweimal 30 Minuten gespielt werden soll.

Die Gesundheit der Teilnehmer hatnatürlich oberste Priorität. Die Heim-

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PIET HUBERS,

VERANTWORTLICHER AMATEURFUSSBALL

DES NIEDERLÄNDISCHEN VERBANDS,

WÄHREND SEINER PRÄSENTATION BEIM

WORKSHOP IN HAMBURG.

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Es macht immer noch grossen Spass, auch wenn es langsamer zugeht.

mannschaften stellen das Erste-Hilfe-Personal vor Ort, der KNVB die medizi-nische Versorgung bei den Finalspielensicher – und bei den Senior Games,die in der ersten Saison eine zusätz-liche Motivationsspritze darstellen.

Im September finden in der südwest-lichen Provinz Zeeland Seniorenspielemit rund 3 500 Teilnehmern statt, diesich in 22 Disziplinen messen. Fussball45+ ist eine der Sportarten dieser Veranstaltung, die der KNVB finanziellund logistisch unterstützt, beispiels-weise indem er die Anmeldegebührenübernimmt und die medizinische Versorgung sicherstellt. Bei den End-spielen treten die zwölf Teams, die aus der ersten Saison des niederlän-dischen Wettbewerbs 45+ siegreichhervorgegangen sind, in mehreren Begegnungen gegen vier Mannschaf-ten aus einem anderen Land an –bester Anschauungsunterricht dafür,dass die Faszination Fussball ein Leben lang andauert.

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DIE THEORIE, DASS SICH GEGENSÄTZE ANZIEHEN, WIRD AUF DEN FUSSBALL NUR SELTEN

ANGEWANDT. PROFI-KLUBS UND DER BREITENFUSSBALL GELTEN IN DER REGEL ALS DIE ANTIPODEN DES

FUSSBALLS. DOCH EINE FASZINIERENDE VERANSTALTUNG AM DRITTEN MORGEN IN HAMBURG

MACHTE KLAR, DASS IN DEN LETZTEN JAHREN ZAHLREICHE ENGE VERBINDUNGEN ZWISCHEN DIESEN

BEIDEN GEGENSÄTZEN ENTSTANDEN SIND. DIESE BEZIEHUNGEN GEHEN SO WEIT, DASS DIE

AUFFASSUNG GEÄUSSERT WURDE, ES SEI MÖGLICHERWEISE AN DER ZEIT, DIE TRADITIONELLE,

PYRAMIDENFÖRMIGE STRUKTUR ZU ÜBERDENKEN, BEI DER DER BREITENFUSSBALL DIE BREITE BASIS

UND DIE PROFI-VEREINE DIE SCHMALE, WEIT DARÜBER LIEGENDE SPITZE BILDEN.

Der moderne Fussball nimmt neue Struktu-ren an. Die Spitzenklubs erkennen die Rolle,die sie innerhalb der Gesellschaft spielenkönnen, und realisieren, dass sie mit einemEngagement auf der Ebene des Breiten-fussballs nicht nur Talente entdecken und entwickeln, sondern auch ihre Anhänger-schaft verbreitern und ein lang anhaltendesZugehörigkeitsgefühl zu ihrem Verein fördern können.

Verkündet und vor Augen geführt wurdendiese Botschaften von den zwei bedeutenden

Profi-Klubs am Veranstaltungsort Hamburg,von Robin Russell, einem erfahrenen Exper-ten für Spielerentwicklung und Trainerausbil-dung aus England, sowie vom AC Milan undvon dessen Stadtrivalen FC Internazionale.

Die Hamburger Vereine veranstalteten aufihren heimischen Trainingsplätzen kontrast-reiche, aber trotzdem aufeinander abge-stimmte praktische Einheiten. Der HamburgerSV organisierte eine Trainingseinheit mit technisch begabten elfjährigen Elitejunioren.Doch wie Jörn Spuida, der Verantwortliche für Amateursport des Vereins, erklärte, enga-giert sich der HSV auch ausserhalb des Klubs,indem er Aktivitäten in 27 Sportarten aufnichtprofessioneller Ebene veranstaltet, andenen über 5 000 aktive Sportlerinnen undSportler teilnehmen. Was den Fussball anbe-langt, verfügt der HSV über sechs Männer-und sieben Frauenteams. Doch der Verein be-teiligt sich auch an Programmen zur sozialenIntegration, an Gemeinschaftsprojekten mitSchulen und an Ferienlagern, in denen jähr-lich rund 6 000 Kinder an 30 Standorten inHamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holsteinund Mecklenburg-Vorpommern «ernsthaft betriebenen Fun-Fussball» geniessen können.

Robin Russell betonte, dass solche Fussball-kurse an Schulen und in Ferienlagern sehrwichtig sind. «In England werden die belieb-testen Ferienkurse von Profi-Vereinen ver-anstaltet», erklärte er. «Gegenwärtig kommenauf diese Weise über 900 000 U16-Juniorenmit rund 100 Vereinen in Kontakt: eine halbeMillion im Rahmen von Schulprogrammen,200 000 in Ferienkursen und 200 000 dank

organisierten Besuchen bei Spielen des A-Teams. Dies bedeutet, dass sich 500 Voll-zeitangestellte ausschliesslich mit Breiten-fussball-Aktivitäten beschäftigen und dassetwa 100 Vereine rund 2 000 Teilzeittrainerbeschäftigen.»

In Hamburg zeichnete Robin Russell die Ent-wicklung der letzten beiden Jahrzehnte nach.1986 hatte man entschieden, in 14 füh-renden englischen Profi-Klubs sogenannte«Community Officers» einzusetzen. «Das warein weitsichtiger Entscheid», hielt er fest. «Undes war auch ein mutiger Entscheid. Denn die Community Officers, die in den Klubs tätig wurden, kamen nicht aus dem Fussball. Sie hatten den Auftrag, staatliche Gelder im Rahmen von Partnerschaften mit den Vereinen einzusetzen. Dabei ging es darum, Arbeitslosen Weiterbildungsmöglichkeiten und Arbeitsplätze anzubieten, Minderheitenund bestimmte ethnische Gruppierungen in soziale Projekte und Freizeitaktivitäten zu integrieren sowie zu versuchen, das Rowdy-tum und den Vandalismus einzudämmen, die sich im englischen Fussball in den 1980erJahren zu einer wirklichen Plage entwickelthatten. Gleichzeitig trugen sie auch zu einermaximalen Nutzung der Infrastruktur der Vereine bei.» Das Ergebnis bestand in einemnoch nie dagewesenen Gemeinschaftspro-jekt, an dem sich auch der Englische Fussball-verband, die Spielergewerkschaft, die Ligen, die Regionalverbände, die nationale Regie-rung und verschiedene Lokalregierungen beteiligten. Bis Anfang der Neunzigerjahrewurden in allen 92 Vereinen der englischenProfiligen soziale Projekte realisiert.

EIN PROFESSIONELLERANSATZ

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Viele Profiklubs sind sich der Bedeutung des Breitenfussballs bewusst.

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Diese Anstrengungen hatten sowohl einenkonkreten als auch einen nicht direkt mess-baren Nutzen. Aus der Statistik geht einehöhere Zahl von Kindern hervor, die Fussballspielen und – was für die Profi-Vereine be-sonders wichtig ist – als Zuschauer in die Sta-dien kommen. Andere positive Auswirkungenlassen sich weniger einfach quantifizieren.Dank einem besseren Verhalten in denStadien und einem positiveren Image desFussballs sind heute mehr Familien unter denZuschauern, und die Verbindungen zwischenden Vereinen und ihrem Umfeld sind engergeworden. Mit anderen Worten wurde derFussball in erster Linie als wirksames Instru-ment für das Erreichen gesellschaftlicher Zielegenutzt, was wiederum auch für die Vereinemit positiven Auswirkungen verbunden ist.

Mit solchen Erfahrungen ist auch der FC St. Pauli, der andere Hamburger Profi-Verein,bestens vertraut. Roger Hasenbein, der Leiterdes im Jahr 2002 lancierten SozialprojektsKiezkick, hielt dazu Folgendes fest: «UnserVerein hat seinen Sitz mitten im Stadtzen-trum. Dies bedeutet, dass wir nur sehr wenig Platz haben, aber stark in das Leben in diesem Teil der Stadt eingebunden sind. Unsere Philosophie basiert auf Überlegungendes Vereins und der Fans zur Frage, wie der FC St. Pauli den Anforderungen in einemsozialen Brennpunkt am besten gerechtwerden kann. Das Kiezkick-Projekt ist eingrosser Erfolg geworden, weil es eine dyna-mische Mischung aus sozialen Einrichtungen,Fans und purem Enthusiasmus geschaffenhat. Das war eine wichtige Erfahrung, weil sieuns gezeigt hat, welch grosses Potenzial derFussball für das Verständnis und das Über-brücken von sozialen Unterschieden hat.»

Die Philosophie ist darauf ausgerichtet, imnäheren Umfeld Stolz zu schaffen und zu fördern, indem die Möglichkeit geboten wird,Fun-Fussball zu spielen und ein Zusammen-gehörigkeitsgefühl zu entwickeln. Über denFan-Shop des Vereins im Stadion werdenkostenlose Trainingseinheiten angeboten, andenen jedermann teilnehmen kann. SiebenVereinsmitglieder – mehrheitlich Lehrer – stel-len sich als Juniorentrainer für zweistündigeTrainingseinheiten zur Verfügung, die mehr-mals wöchentlich durchgeführt werden. Da sich der Verein in einer Gegend mit einemhohen Prozentsatz an Immigrantenfamilienbefindet, sind unter Umständen in einer einzigen Trainingseinheit vierzehn Kulturenund Sprachen vertreten. Gleichzeitig scheutder Verein keine Mühen, um Mädchen anzu-werben, deren Eltern möglicherweise etwaszurückhaltend sind, wenn es darum geht,ihren Töchtern die Teilnahme am Fussball

zu gestatten. Der Verein unterstützt die Ver-anstaltung von Turnieren, an denen Jungen-und Mädchenteams von Schulen, Migranten-gemeinschaften und Jugendvereinen teilneh-men. Dabei stehen jedoch nicht die Resul-tate, sondern der Spass am Fussball und dieIntegration im Vordergrund. Dank gesellschaft-lichen Aktivitäten wie Grillabenden vertiefensich die Kontakte innerhalb der lokalen «Fuss-ballfamilie», und dank speziellen Beziehun-gen, die der Verein mit zwei lokalen Schulenunterhält, können die Kinder im Winter die Sporthallen benutzen. Kurz gesagt ist der FC St. Pauli ein beeindruckendes Beispieleines Profi-Vereins, der in seinem lokalen Umfeld tief verwurzelt ist.

Inter-Campus-Projekt wurde mittlerweile auf 19 Länder in Europa, Afrika, Asien sowiein Nord- und Südamerika ausgedehnt. Rund 200 lokale Ausbilder helfen mit, denFussball als Erziehungsinstrument einzu-setzen und pro Jahr etwa 10 000 Kinderndie Möglichkeit zu geben, Fussball zu spielen. Im nächsten September wird das Projekt einen weiteren Meilenstein errei-chen: Kinder aus 19 Ländern werden zur allerersten Toskana- und Inter-Campus-Weltmeisterschaft zusammenkommen. Anlässlich dieses Fussballturniers werden alle möglichen bildungsbezogenen und kulturellen Aktivitäten auf dem Pro-gramm stehen.

MIT EINER GUTEN

INFRASTRUKTUR MACHT DAS

SPIELEN MEHR SPASS.

Der FC Internazionale Milano kombiniertdiesen lokalen Ansatz mit weitreichendenBreitenfussballaktivitäten auf weltweiter Ebene. Roberto Samaden, Leiter der Brei-tenfussballentwicklung in der Inter-Aka-demie, erläuterte, wie der italienische Klubzum lokalen Fussball beiträgt, indem erKinder im Alter von 5 bis 7 Jahren an denFussball heranführt. Diese können in vierTrainingszentren in Mailand spielen. Aus-serdem werden jeden Sonntag Turniere veranstaltet, an denen Mannschaften vonanderen Fussballschulen in Mailand und aus der Lombardei teilnehmen. Was dieSpielerentwicklung anbelangt, liegt die Prio-rität auf der Steigerung der Trainingsqualitätin den 53 angeschlossenen Vereinen, diedas über ganz Italien gespannte Inter-Netz-werk bilden. Das im Jahr 1997 lancierte

Nicht alle Vereine verfügen über genügendMittel, um so weitreichende globale Projektezu finanzieren. Doch in Hamburg wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass Synergienzwischen Profi-Klubs und Breitenfussball-projekten für beide Seiten von Vorteil sind.Der frühere deutsche Nationalspieler HansiMüller hat die Auswirkungen der Beteili-gung des VfB Stuttgart an der Entwicklungdes Breitenfussballs in einem Umkreis von 200 km untersucht und ist zu folgendemSchluss gekommen: «Abgesehen davon,dass dadurch enge Bindungen zu den Ver-einen aufgebaut werden, hat es auch sehrpositive Auswirkungen auf die Spieler, die inder Regel ihren «Star-Status» etwas anderssehen, wenn sie unmittelbar mit der Lebens-realität des Umfelds konfrontiert werden, aus der die Fans des Klubs stammen.»

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Die

HSV-Spieler

werden ins

Breitenfuss-

ball-Programm

des Klubs

eingebunden.

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GRIFF NACHDEN STERNEN

IN HAMBURG DURFTE NACH DEN STERNEN GEGRIFFEN WERDEN. ABER NICHT BLINDLINGS.

HUNDERTE VON AUGEN WAREN AUF DAS BREITENFUSSBALL-STERNESYSTEM

UND DESSEN WEITERENTWICKLUNG GERICHTET. EIN SPEZIELLER FOKUS GALT DEM BERATUNGS-

UND UNTERSTÜTZUNGSANGEBOT FÜR DIE 16 NATIONALVERBÄNDE, DIE DIE BREITENFUSSBALL-CHARTA

DER UEFA NOCH NICHT UNTERZEICHNET HABEN.

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SIEBEN UEFA-MITGLIEDSVERBÄNDE

UNTERZEICHNETEN ANLÄSSLICH

DES UEFA-KONGRESSES IM MÄRZ IN KOPENHAGEN

DIE BREITENFUSSBALL-CHARTA.

Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Seit Hamburg hat sich die Breitenfuss-ball-Galaxie weiter entwickelt, prüftedoch das UEFA-Exekutivkomitee zumZeitpunkt des Drucks des vorliegendenNewsletters die Bewerbungen Geor-giens, Rumäniens und der Slowakei fürdie Ein-Stern-Mitgliedschaft. Damithätten 40 Mitgliedsverbändemindestens einen Stern, und die Zielsetzung für dieSaison 2009/10 wäre bereits erreicht.

Nur 13 Sterne fehlen noch in der UEFA-Galaxie; weitere Bewerbungenwerden zurzeit geprüft, so dass in denkommenden Monaten neue Sterne am Himmel auftauchen dürften.

Die bestehenden Mitglieder entwickelnsich ebenfalls weiter: Das Exekutivkomi-tee prüfte die Bewerbungen der Färöer-Inseln, Moldawiens, Russlands, derSchweiz, der Tschechischen Republik,der Türkei und von Wales für zusätzlicheSterne. Werden sie gutgeheissen, haben21 Verbände mehr als einen Stern –nahe an der Zielsetzung (25 Verbände)für die Saison 2009/10.

Obwohl diese Zahlen zuversichtlichstimmen, hätten bereits mehr Verbändeeinen zusätzlichen Stern ergattern kön-nen, hätte kein Missverständnis vor-gelegen. Voraussetzung für den erstenStern sind Philosophie, Struktur sowieSpieler- und Leiterprogramme im Brei-tenfussball. Die vier zusätzlichen Sternewurden nummeriert. Zwar wurde stetsbetont, dass sie in beliebiger Reihen-folge erworben werden können – den-noch war man versucht, den Vergleichmit dem Hotelsektor zu ziehen, bei demeine Vier-Sterne-Mitgliedschaft erst nachErhalt des zweiten und dritten Sternsmöglich ist. Der zweite Stern erfordertdie Durchführung von Programmen imBereich Soziales und Behindertenfuss-ball, was die Verbände aus Gründen,

die in dieser Publikation ebenfallserörtert werden, vor Probleme stellenkann. Tatsache ist, dass elf der 21 Ver-bände mit mehr als einem Stern dieseKriterien erfüllt haben, da sie gemässden Anforderungen mindestens vier Programme geschaffen haben (zwei pro Kategorie).

Um in Zukunft Missverständnisse zu vermeiden, werden die vier zusätzlichenSterne der Fortgeschrittenenstufe nichtmehr nummeriert, sondern lediglich miteinem Anfangsbuchstaben versehen: P für Promotion und Wachstum, R fürregistrierte Teilnehmer, S für Sozialesund Behindertenfussball und W fürweibliche Teilnehmer. So können sichdie Verbände nach Erreichen der Ein-Stern-Mitgliedschaft wahlweise umeinen (oder mehrere) P-, R-, S- oder W-Stern(e) bewerben.

Voraussetzung für Stern P: Mindestensvier Werbeveranstaltungen pro Jahr sinddurchzuführen, und die Zahl der Teil-nehmer muss um 0,1% zugenommenhaben. Norwegen setzte mit 128 993Teilnehmern bei vier Veranstaltungenund einem Wachstum von 0,22% einehohe Messlatte.

Stern R: Die Zahl der ordnungsgemässregistrierten Spieler muss mindestens400 000 (bei grösseren Verbänden) be-tragen oder 2% der GesamtbevölkerungSp

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des jeweiligen Landes ausmachen. Auch hier steht Norwegen an der Spitzemit 10,8%, gefolgt von Deutschland(8,14%) und den Niederlanden (7,2%).

Stern S wurde bereits erläutert, fehltnoch Stern W: Mindestens 3% aller registrierten Spieler müssen weiblichsein. Auch hier führt Norwegen mit 27,9%, gefolgt von Dänemark mit 19% und Deutschland mit 14,2%.

In Dänemark gibt es laut ThomasSlosarich, Nachwuchstrainer beim Dä-nischen Fussballverband (DBU), ein vergleichbares Anreizsystem für Vereinezur Verbesserung der Rahmenbedin-gungen im Breitenfussball. «Wir habenversucht, das System der UEFA aufunsere 1 600 Klubs anzupassen.» «Es handelt sich um ein auf sechs Jahreangelegtes Projekt, das auf sieben Säu-len beruht: Schaffung von sicheren Rah-menbedingungen; Zahl der Teilnehmer;Trainerausbildung; Hochhaltung derGrundsätze des Fussballs; Zahl der Ver-einsmitglieder; praxistaugliche Konzeptesowie die Entwicklung von Schieds-richtern zu «Leitern des Spiels», wobeidie Vereine mindestens neunstündigeKurse organisieren müssen. Wer einenStern ergattert, macht Werbung in

eigener Sache; der Verein hat eineZielsetzung, schafft Anreize und fördertden gesunden Wettbewerb mit denNachbarn.»

Die Breitenfussball-Charta der UEFAentwickelt sich in neue Richtungenweiter – beispielsweise mit der finan-ziellen Unterstützung von Verbändenmit Ein-Sterne-Mitgliedschaft. Gemässeinem neuen Bewertungsverfahrenwird der Status eines Verbands, dersich während des dreijährigen Zeit-raums um keinen zusätzlichen Sternbewirbt, erneut bewertet. Und dasSternesystem wurde um zwei Stufenerweitert.

Kurz nach dem Startschuss der Brei-tenfussball-Charta mit der Aufnahmevon fünf Ein-Stern-Mitgliedern 2005schrieb Andy Roxburgh im Breiten-fussball-Newsletter: «Greif nach dem Mond, verfehlst du ihn, landest duimmer noch zwischen den Sternen» ist ein altes Sprichwort, mit dem wiraufgefordert werden, unser Bestes zugeben. Deshalb wird speziell für dieÜberflieger bei der Entwicklung desBreitenfussballs eine Sechs- und eineSieben-Sterne-Kategorie geschaffen.Um den sechsten Stern zu erhalten,

muss ein Verband bereits über dieersten fünf Sterne verfügen und Belegedafür vorlegen, dass er spezielle Inves-titionen für die folgenden Bereiche tätigt: Weiterentwicklung des Breiten-fussballs, qualitativ hoch stehendeTrainingsprogramme für Spieler undTrainer, eine gut entwickelte Infra-struktur, Erziehung durch Fussballpro-gramme und fantasievolle Aktivitätenzur Förderung des Breitenfussballs.»Knapp drei Jahre später ist seine Aus-sage Realität geworden.

Deutschland, England, Finnland, dieNiederlande, Norwegen, Schottland und die Ukraine haben sich um einensechsten Stern beworben. Die Dossierswurden dem UEFA-Exekutivkomitee zur Genehmigung unterbreitet.

Der sechste Stern wird an Verbändeverliehen, die über ein innovatives, weiterführendes Programm verfügen,das in zentralen Bereichen wie spezielleInvestitionen im Breitenfussball, Infra-struktur, Ausbildungs- und Trainingspro-gramme sowie Werbeaktivitäten überden Fünf-Sterne-Status hinausgeht. England stellte in seiner Bewerbungeinen neuen Strategieplan vor, dieRekrutierung und Ausbildung von spe-ziellem Breitenfussballpersonal, ein Programm für Leiterkurse, verschiedeneInitiativen in der Futsal-Entwicklung, beträchtliche Investitionen in Regional-und Schulfussball, ein innovatives Pro-jekt mit der Zielsetzung, ein nationalesNetz von «Sportdörfern» zu errichten,und vieles mehr. In der Tat würde diezehnseitige Bewerbungsdokumentationder FA für die Sechs-Sterne-Mitglied-schaft genug Material für einen separa-ten Bericht bieten.

Die nächste Stufe der Breitenfussball-Charta wird die Lancierung des siebtenSterns zur Anerkennung eines heraus-ragenden und umfassenden Breiten-fussball-Programms sein. Gleichzeitig ist die UEFA stets bestrebt, noch mehrAnreize für die Nationalverbände zuschaffen, um ihnen den Griff nach denSternen zu ermöglichen.

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