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Gravitation und QuantentheorieEinige Aspekte der Unvereinbarkeit beider Theorien
Diplomarbeit
von
Thomas Muller
Institut fur Theoretische Physik
Eberhard-Karls-Universitat Tubingen
Marz 2001
Einleitung
Die Physik wie wir sie heute kennen, basiert im Wesentlichen auf zwei Theorien, der
Quantentheorie und der Allgemeinen Relativitatstheorie. Jede Theorie fur sich wurde
auf sehr intensive Weise auf ihre Gultigkeit gepruft und in weiten Bereichen glanzend
bestatigt. In dieser Arbeit wollen wir uns damit beschaftigen, warum sich diese Theorien
einer angestrebten Vereinigung so sehr widersetzen.
Galileo Galilei [1564-1642] gilt sicher als einer der Begrunder der”modernen“
Physik, die bis zu seiner Zeit mehr eine Naturphilosophie war als eine exakte Wis-
senschaft. Wahrend Galilei sich dem Experiment widmete, versuchte Isaac Newton
[1643-1727] eine hauptsachlich mathematische Beschreibung der Naturphanomene zu
finden. Die von ihnen und vielen anderen Physikern entwickelten Theorien konnten
jedoch nur einzelne Bereiche der Physik beschreiben. Zusammenhange zwischen den
verschiedenen physikalischen Disziplinen konnte niemand richtig angeben. Der erste,
dem eine Vereinigung zweier bis dahin unterschiedlicher Phanomene gelang, war Ja-
mes Clerk Maxwell [1831-1879]. Er konnte die elektrische und die magnetische Kraft
zu einer elektromagnetischen Kraft verbinden. Dies war sicher der Schlussel zu dem
bis heute andauernden Versuch, alle seither gefundenen Krafte zu einer einzigen zu
verschmelzen. Man verwendet heute nur noch in den klassischen Theorien wie der Me-
chanik und der Elektrodynamik den Begriff der Kraft. Im Allgemeinen spricht man von
den fundamentalen Wechselwirkungen, da drei von ihnen – die elektromagnetische, die
schwache und die starke Wechselwirkung – nach heutigem Kenntnisstand durch die
Wechselwirkung von Austauschteilchen vermittelt werden. Weiterhin wird mit dem
von Newton gepragten Kraftbegriff eine instantane Wechselwirkung in Verbindung ge-
bracht, welche die Spezielle Relativitatstheorie nicht zulaßt. Steven Weinberg, Shel-
don Lee Glashow und Abdus Salam konnten 1968 die elektromagnetische und die
schwache Wechselwirkung zur elektroschwachen Wechselwirkung zusammenfassen, wel-
che bei niedrigen Energien in die beiden zuerst genannten aufspaltet. Die Vereinigung
der elektroschwachen mit der starken Wechselwirkung in einer”Groß Vereinheitlichten
Theorie“ (GUT, engl. Grand Unified Theory) ist bis heute noch nicht experimentell
gesichert. In noch weiterer Ferne liegt die Verschmelzung mit der Gravitation. Sie hat
sich bisher allen Versuchen, sie mit den anderen drei fundamentalen Wechselwirkungen
zu vereinen, widersetzt.
Bevor eine Theorie gefunden werden kann, die alle vier Wechselwirkungen beschreibt,
muß untersucht werden, inwiefern sich die von Albert Einstein [1879-1955] entwickelte
i
ii
Allgemeine Relativitatstheorie mit der von Max Planck [1858-1947] initiierten Quan-
tentheorie zur sogenannten Quantengravitation kombinieren laßt. Wie wir noch sehen
werden, gibt es auch einige Zweifel daran, daß solch eine Theorie uberhaupt Sinn macht.
Ein Argument fur eine Quantentheorie der Gravitation ist das von Max Planck 1899
aufgestellte absolute Einheitensystem – die sogenannte Planck-Skala –, das aus dem
Planckschen Wirkungsquantum h, der Lichtgeschwindigkeit c und der Newtonschen
Gravitationskonstanten G gebildet werden kann. Keine Theorie kann fur sich allein
solch eine naturliche Dimensionsskala bilden, was fur eine Verbindung beider Theo-
rien spricht. Ein weitaus uberzeugenderes Argument fur eine Quantisierung ist das
Auftauchen von Singularitaten in der”klassischen“ Allgemeinen Relativitatstheorie,
die in einer Quantentheorie”verschmiert“ wurden. Die Beschreibung des Endzustands
eines Schwarzen Lochs, dessen Masse sich durch Hawking-Strahlung bis auf die Planck-
Masse reduziert hat, ist ein weiterer Bereich, in dem die heutige Quantentheorie und
die Gravitationstheorie allein versagen.
Eine Quantisierung der Gravitation kann im Wesentlichen auf zwei Arten durch-
gefuhrt werden. Die aus der Quantenmechanik bekannte”kanonische“ Quantisierung
zerlegt die Raumzeit wieder in die drei Raum- und die eine Zeitdimension. Dies wider-
spricht aber in gewisser Hinsicht der allgemeinen Kovarianz der Relativitatstheorie. Das
großte Problem hier ist die Zeit, da es keinen ausgezeichneten Zeitparameter gibt. Der
”kovariante“ Weg hingegen wendet die Idee der Quantisierung auf die volle Raumzeit
an. Die dabei auftretende Nicht-Renormierbarkeit, die wir in Kapitel (3) betrachten
werden, stellt das großte Problem bei diesem Zugang dar.
Die Dimensionen bzw. Großenskalen bei denen man eine Auswirkung einer Quanten-
gravitation erwarten kann, laßt sich durch die Betrachtung des Quantenmechanischen
Meßprozessen gewinnen, was wir in Kapitel (1) tun wollen. Die klassische Mechanik
erlaubt im Prinzip eine beliebig genaue Messung aller physikalischen Großen zu einem
Zeitpunkt. Die Quantentheorie hingegen reduziert die Anzahl der gleichzeitig meßbaren
Großen. So kann zum Beispiel der Ort und der Impuls eines Teilchens nicht beliebig
genau angegeben werden. Je starker man es lokalisiert, desto ungenauer kann man ei-
ne Aussage uber dessen Impuls machen. Allerdings schrankt die nicht-relativistische
Quantenmechanik die Orts- oder Impulsbestimmung nicht ein. Setzt man voraus, daß
sowohl die Quantentheorie als auch die Allgemeine Relativitatstheorie bis zu beliebig
kleinen Skalen ihre Gultigkeit behalten, findet man eine untere Grenze der Meßge-
nauigkeit, die der Planck-Lange entspricht. Es ist allerdings fraglich, ob diese beiden
Theorien hier noch einen Sinn machen, oder ob dazu nicht eine Quantentheorie der
Gravitation notwendig ist. Andererseits kann man sich die Frage stellen, ob eine solche
Quantentheorie der Gravitation uberhaupt Sinn macht, wenn eine Beobachtung der
Voraussagen dieser Theorie generell ausgeschlossen ist. Lev Davidovich Landau and
Rudolf Peierls versuchten 1931 bei der noch neuen Quantenelektrodynamik zu zei-
gen, daß eine derartige Quantisierung nicht notwendig ist. Dies sollte der Fall sein, da
es durch eine zusatzliche Unscharferelation, die von dieser Theorie vorhergesagt wurde,
iii
keine neuen Resultate geben konnte. Niels Bohr und Leon Rosenfeld wollten 1933
zeigen, daß die Argumentation von Landau und Peierls falsch ist und es keine neuen
Unscharfen gibt. Eine Quantisierung des elektromagnetischen Feldes macht ihrer Mei-
nung nach Sinn; dies hat sich heutzutage in zahlreichen Experimenten bestatigt. von
Borzeszkowski und Treder setzten das Landau-Peierls-Argument auf die Gravita-
tion um und konnten so zeigen, daß das Gravitationsfeld nicht genauer als die Planck-
Lange vermessen werden kann. Nach dem Argument von Landau und Peierls liefert
eine Quantisierung der Gravitation keine meßbaren Effekte.
Ein sehr großes Problem einer Vereinigung liegt darin, daß die Quantentheorie ei-
ne globale und lineare, die Gravitation aber eine lokale und hochgradig nichtlineare
Theorie ist. In der Quantenfeldtheorie ist die Reihenfolge von Ortsmessungen beliebig.
Schließt man aber die Gravitation mit ein, so kann diese Annahme nicht mehr aufrecht
erhalten werden. Betrachtet man weiterhin das EPR-Experiment auf einer gekrummten
Raumzeit, so ist nicht klar, ob und wie eine Korrelation weiter existiert.
Probleme bei einer Quantisierung der Gravitation kann man auch bei der Untersu-
chung des klassischen Vakuum-Begriffs erkennen. Dies fuhrt uns direkt zu dem Problem,
inwieweit der Teilchenbegriff in der Quantenfeldtheorie und einer Quantengravitation
noch Sinn macht.
Aristoteles [384-324 c. Chr.] und seine Schuler waren der Meinung, ein vollig
leeres Raumgebiet konne nicht existieren: Die Natur verabscheue das Vakuum [10]. Die
Kontroverse uber die Existenz eines absolut leeren Raumes begann 1644 mit Evange-
lista Toricelli, der behauptete, er hatte ein Vakuum erzeugt. Der Hohepunkt der
Auseinandersetzung war 1654, als Otto von Guericke mit seinen beruhmten Magde-
burger Halbkugeln Aristoteles Lehren widerlegte. Die Einsicht in die Natur des Vakuums
anderte sich jedoch im 19. Jhdt. wieder. Man fand heraus, daß sich in einem Raum-
gebiet bei einer Temperatur großer Null eine Temperaturstrahlung befindet, die auf
Kompressionen wie ein Gas reagiert, obwohl das Volumen frei von Materie ist. Die
korrekte Beschreibung des Spektrums dieser Temperaturstrahlung durch Max Planck
im Jahre 1900 war der Beginn der Quantentheorie. Er war der erste, der mit der re-
volutionaren Theorie einer Quantelung der Energie das volle Spektrum eines idealen
Schwarzen Korpers erklaren konnte. Nach dem Wienschen Gesetz hangt die spektrale
Energiedichte nur von der Frequenz und dem Verhaltnis von Frequenz und Temperatur
ab. Josef Stefan [1835-1893] und Ludwig Boltzmann [1844-1906] schlossen daraus,
daß die gesamte Energiedichte direkt proportional zur vierten Potenz der Temperatur
ist. Am absoluten Nullpunkt der Temperatur sollte also keine Strahlung mehr vor-
handen sein. Ein Vakuum, so glaubte man daher, existiere genau dann, wenn neben
aller Materie auch die elektromagnetische Strahlung entfernt wurde. Jedoch auch diese
Theorie des Vakuums ist nicht ganz richtig. Stellt man zwei elektrisch leitende, ungela-
dene Platten in einem Vakuum parallel sehr dicht nebeneinander, so erfahren sie infolge
von Vakuumfluktuationen eine Krafteinwirkung. Dieses von Hendrik B. G. Casimir
1948 vorgeschlagene Experiment wurde 1958 von M. J. Sparnaay bei immer tieferen
iv
Temperaturen durchgefuhrt. Sein Resultat war, daß selbst sehr nahe beim absoluten
Nullpunkt der Temperatur eine Restkraft ubrig bleibt, verursacht durch die sogenannte
Nullpunktsstrahlung. Die Annahme Aristoteles, das Vakuum konne nie vollig leer sein,
hat sich also nach mehr als zweitausend Jahren bestatigt.
Fur die Nullpunktsstrahlung werden heute die Fluktuationen von Quantenfeldern
verantwortlich gemacht. In der Quantenfeldtheorie sind die Quantentheorie, die Feld-
theorie und das Relativitatsprinzip vereint. Einer der fundamentalsten Einsichten die-
ser Theorie ist, daß jedes Teilchen mit einem bestimmten Feld-Typ verbunden ist und
umgekehrt. Obwohl die Theorie die bisher genauesten Voraussagen treffen kann, ist es
andererseits sehr verwunderlich, daß sie uberhaupt funktioniert. Die unendliche Anzahl
an Freiheitsgraden hat zur Folge, daß die Gesamtenergie eines Vakuumfeldes divergiert,
wie man sich durch Zerlegung des Feldes in harmonische Oszillatoren klarmachen kann.
Deren Grundzustand muß aufgrund der Heisenbergschen Unscharferelation eine nicht-
verschwindende Energie besitzen. Da es je Einheitsvolumen unendlich viele solcher
Feldoszillatoren gibt, ist die Energiedichte des Vakuums unendlich hoch. In einer rei-
nen Quantenfeldtheorie ist das kein Problem, da nur Energiedifferenzen gemessen wer-
den konnen. In der Gravitationstheorie wurde aber eine unendliche Energiedichte eine
ebenso unendliche Raumkrummung zur Folge haben. Die vierdimensionale Raumzeit
des Vakuums – die Minkowski-Raumzeit – ist jedoch flach.
Neben diesen Problemen, die hauptsachlich den Bereich der”klassischen“ Quant-
feldtheorie beruhren, finden wir auf dem Weg zu einer Quantentheorie der Gravitation
weitere Schwierigkeiten. Lassen wir die Gravitation noch einen Augenblick außer acht.
In Kapitel (2) werden wir uns mit der Sichtweise eines beschleunigten Beobachters im
Minkowski-Vakuum auseinandersetzen. William G. Unruh entdeckte 1976, daß ein
beschleunigter Detektor das gleiche Verhalten zeigt, wie wenn er sich in einem ther-
mischen”Bad“ befinden wurde. Damit wird der oben betrachtete Vakuumbegriff noch
paradoxer. Es scheint so, als ob reelle Teilchen aus dem Nichts entstehen konnten. Ein
inertialer und ein beschleunigter Beobachter widersprechen sich in der Frage, ob ein
bestimmter Raumbereich ein Vakuum darstellt oder mit Teilchen angefullt ist. Der
Teilchenbegriff kann daher nur noch begrenzt aufrecht erhalten werden. Die Existenz
reeller Teilchen ist aber von entscheidender Bedeutung, wenn man ihre Ruckwirkung
auf die Raumzeit betrachtet.
Ein weiterer Effekt, der sogenannte Hawking-Effekt, zeigt die Teilchenentstehung
beim Kollaps eines Sterns zu einem Schwarzen Loch. Man erkennt daran, daß eine
zeitabhangige Raumzeit fur spontane Teilchenentstehung verantwortlich ist. Die ent-
standenen Teilchen wirken aber wieder auf die Raumzeit zuruck. Eine Frage konnte
dann sein, ob eine Gravitationswelle eine Singularitat erzeugen konnte oder ob diese
Moglichkeit etwa durch eine Quantisierung der Raumzeit selbst unterbunden wird.
In Kapitel (3) werden wir versuchen, einen Einblick in das Problem der Nicht-
Renormierbarkeit zu bekommen. Dazu benotigen wir zunachst eine Beschreibung der
Gravitation als Quantenfeldtheorie. Wie bei den anderen drei fundamentalen Wechsel-
v
wirkungen findet dann auch bei einer Quantenfeldtheorie der Gravitation die Wech-
selwirkung durch Austausch von Wechselwirkungsteilchen, hier den Gravitonen statt.
Die enorme Schwierigkeit einer Quantenfeldtheorie der Gravitation steckt in der Tat-
sache, daß sie eine nicht-abelsche Eichtheorie ist. Einerseits ist sie mathematisch kom-
pliziert, andererseits tauchen unphysikalische Freiheitsgrade auf, die durch sogenannte
”Geist“-Felder kompensiert werden mussen, auf die wir hier aber nicht eingehen wer-
den. Weiterhin folgt daraus, daß Gravitonen untereinander wechselwirken. Dies spiegelt
zwar die hochgradige Nichtlinearitat der Gravitation wider, ist aber auch dafur ver-
antwortlich, daß es Graviton-Vertizes beliebiger Ordnung gibt. Die Beschreibung der
Gravitonselbstwechselwirkung benotigt daher eine unendliche Reihe an Termen in der
Lagrange-Dichte.
Betrachtet man Storungsreihen, so sind diese in der Regel nicht konvergent, sondern
mussen als asymptotische Entwicklung behandelt werden. Viel drastischer ist noch, daß
einzelne Terme einer Storungsreihe unendlich sind. Man kann solche Terme teilweise
durch eine sogenannte Renormierung in den Griff bekommen. Die Rechtfertigung dafur
ist, daß in der ursprunglichen Lagrange-Dichte des betrachteten Systems nicht die
physikalisch meßbaren sondern die”nackten“ Großen stehen, welche physikalisch nicht
meßbar sind. Diese mussen durch die Renormierung mit den physikalischen Großen in
Beziehung gebracht werden. Eine Renormierung ist jedoch nicht immer durchfuhrbar.
Dann bleibt die Frage, ob solch eine nicht-renormierbare Theorie uberhaupt noch eine
Voraussage eines Meßergebnisses liefern kann.
Ein moderner Zugang zu Quantenfeldtheorien ist der uber die Pfadintegralmethode.
Wir werden aber nur einige Eckpunkte dieser Methode, die fur die Berechnung des
Graviton-Propagators und von Graviton-Vertizes benotigt werden anschauen.
Ein weiteres Hindernis einer Quantisierung der Gravitation liegt in dem Unvermogen,
einen Detektor zu bauen, der Gravitationsstrahlung voll absorbieren kann. Es fehlt also
das Analogon zum Schwarzen Korper der Elektrodynamik. In Kapitel (4) werden wir
uns hauptsachlich die Absorption einer Gravitationswelle durch ein elastisches Medi-
um anschauen. Es gibt aber auch noch zwei weitere Absorptionsmechanismen wie etwa
den Gravitoelektrischen Effekt, der das Pendant zum Photoeffekt darstellt. Anderer-
seits kann eine Gravitationswelle auch durch Phononenanregung absorbiert werden.
Alle drei Mechanismen zeigen deutlich, daß keine vollstandige Absorption moglich ist.
Dies hat zur Folge, daß man nicht zwischen einem reinen und einem gemischten Zu-
stand unterscheiden kann. Konnte man zum Beispiel auf irgendeine Weise einen reinen
Zustand praparieren, so kann dieser durch keine Messung zu einem spateren Zeitpunkt
wieder als reiner Zustand identifiziert werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Quantenmechanischer Meßprozeß 1
1.1 Der Meßprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.1 Klassische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.2 Quantenmechanische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1.3 Energie-Zeit-Unscharferelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.1.4 Untere Schranke der Meßgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Ist eine Quantisierung der Gravitation notwendig? . . . . . . . . . . . . 4
1.2.1 Landau und Peierls (1931) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
1.2.2 Bohr und Rosenfeld (1933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
1.2.3 Umsetzung auf die Gravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.3 Lokalitat in der QFT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2 Unruh- und Hawking-Effekt 13
2.1 Quantenfelder auf gekrummten Raumzeiten . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.1.1 Quantenfelder auf der Minkowski-Raumzeit . . . . . . . . . . . 14
2.1.2 Struktur der Raumzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.2 Unruh-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2.1 Minkowski- und Rindler-Moden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.2.2 Unruh-DeWitt-Detektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.2.3 Physikalische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3 Hawking-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3 Gravitation als Quantenfeldtheorie 29
3.1 Gravitation ohne Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.2 Hilbert’s Wirkungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.3 Die linearisierte Lagrange-Dichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
3.4 Die ART als Eichtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.4.1 Koordinatentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.4.2 Eichinvarianz der linearisierten Lagrange-Dichte . . . . . . . . . 35
3.5 Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.6 Ankopplung von Materiefeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.7 Pfadintegralmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.7.1 Ubergangsmatrixelemente als Pfadintegrale . . . . . . . . . . . . 38
vi
INHALTSVERZEICHNIS vii
3.7.2 Erzeugendes Funktional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.7.3 Pfadintegrale in der Quantenfeldtheorie . . . . . . . . . . . . . . 40
3.7.4 Wirkungen mit quadratischer Feldabhangigkeit . . . . . . . . . 41
3.7.5 Ein-Teilchen-Irreduzible Green-Funktion . . . . . . . . . . . . . 42
3.7.6 Faddeev-Popov-Determinante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.8 Graviton-Propagator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
3.9 Der 3er-Vertex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.10 Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.11 Oberflachlicher Divergenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
3.11.1 Wie divergent sind Feynman-Graphen? . . . . . . . . . . . . . . 48
3.11.2 Dimensionen in der Lagrange-Dichte . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.12 Nicht-Renormierbarkeit der ART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4 Absorption von Gravitationsstrahlung 54
4.1 Vermutung von Smolin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.2 Grundvoraussetzung fur die Absorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.3 Elastische Eigenschaften eines Mediums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3.1 Das Verschiebungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3.2 Der Deformationstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.3.3 Der Spannungstensor und das elastische Potential . . . . . . . . 58
4.3.4 Die Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.3.5 Das Hookesche Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.3.6 Elastische Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.4 Gravitationswellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.1 Linearisierte Einsteingleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.2 Ebene Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.4.3 Polarisation einer ebenen Welle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.5 Absorption einer Graviationswelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.5.1 Bewegungsgleichung des elastischen Korpers . . . . . . . . . . . 66
4.5.2 Wechselwirkung Gravitationswelle – Medium . . . . . . . . . . . 67
4.5.3 Absorption einer ebenen Gravitationswelle . . . . . . . . . . . . 68
4.5.4 Energiefluß einer Gravitationswelle . . . . . . . . . . . . . . . . 71
4.6 Gravitoelektrischer Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.7 Phononen-Anregung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
4.8 Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
A Klassische Theorie 78
A.1 Einheiten und Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.1.1 Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
A.1.2 Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
A.1.3 Planck-Skala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
A.2 Beschleunigung in der SRT und ART . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
viii INHALTSVERZEICHNIS
A.2.1 Die Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
A.2.2 Geschwindigkeitstransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
A.2.3 Beschleunigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
A.2.4 Gleichformige Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
A.2.5 Rindler-Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
A.3 Oberflachengravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
A.3.1 Kerr-Newman-Metrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
A.3.2 Nullhyperflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
A.3.3 Oberflachengravitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
A.4 Kruskal-Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
B Quanten-Theorie 88
B.1 Zeitabhangige Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Literatur 90
Kapitel 1
Quantenmechanischer Meßprozeß
1.1 Der Meßprozeß
1.1.1 Klassische Messungen
Ein sehr einfaches historisches Beispiel fur einen klassischen Meßprozeß ist die experi-
mentelle Bestimmung der Periodendauer eines Pendels durch Galileo Galilei. Er stellte
im Jahre 1581 mittels seines Pulsschlages fest, daß die Periode T von zwei gleichlangen
Pendeln unabhangig von deren Auslenkungen ist [5]. Naturlich ist die Genauigkeit die-
ser Aussage beschrankt durch die Genauigkeit des Pulsschlags und dessen Frequenz,
wie auch die Zeitauflosung der menschlichen Beobachtung. Wie man an diesem einfa-
chen Beispiel bereits sieht, werden bei jeder Messung gewisse Fehler und Schwankungen
auftreten. Man unterscheidet nun zwischen systematischen Fehlern, die zum Beispiel
auf experimentelle Ungenauigkeiten zuruckzufuhren sind, und statistischen Fehlern, die
durch unkontrollierbare Storungen wie Temperatureinflusse oder chaotisches Verhalten
zustande kommen. Es spricht aber prinzipiell nichts dagegen, daß diese Schwankungen
beliebig klein gemacht werden konnten. Vor allem die Wechselwirkung zwischen phy-
sikalischem System und der Meßapparatur kann so gering gemacht werden, daß sie
praktisch zu vernachlassigen ist.
1.1.2 Quantenmechanische Messungen
Die Quantenmechanik unterscheidet sich insbesondere in punkto Meßprozeß grundsatz-
lich von der klassischen Mechanik. Es ist in der Quantenmechanik nicht mehr moglich,
jede Beobachtungsgroße (Observable) beliebig genau zu messen. So kann man zum Bei-
spiel den Ort x und den Impuls p eines Teilchens zu einer Zeit t nur mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit angeben. Bestimmt man den Ort des Teilchens sehr genau, so kann
man dessen Impuls nur mit einer sehr großen Schwankung angeben und umgekehrt.
Bei einer Messung wird das zu untersuchende System unumganglich gestort, da
zwischen diesem und der Meßapparatur mindestens ein Quant ausgetauscht werden
muß. Das Ergebnis einer Messung hangt folglich von der Reihenfolge der Meßgroßen
1
2 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
ab.
Im mathematischen Apparat der Quantenmechanik wird dem Wahrscheinlichkeits-
charakter wie auch der Erfahrung der Quantisierung Rechnung getragen, indem man
Observablen selbstadjungierte Operatoren (O† = O) zuweist. Fur die Observablen Ort
und Impuls ergeben sich in der Ortsdarstellung die Operatoren:
x = x p =h
i
∂
∂x(1.1.1)
Die oben bereits erwahnte grundlegende Eigenschaft der Quantenmechanik, daß zwei
Observablen O1 und O2 nicht immer gleichzeitig meßbar sind, druckt man durch die
Unscharferelation
∆O1 ·∆O2 ≥1
2| 〈i [O1, O2]〉 | (1.1.2)
aus. Dabei kennzeichnet ∆O = ∆ψO =√〈O2〉ψ − 〈O〉
2ψ die Streuung und 〈O〉 =
〈ψ|O|ψ 〉 den Erwartungswert der Observablen O in einem Zustand |ψ 〉. Die Große
[O1, O2] = O1O2 − O2O1 ist der Kommutator der beiden Observablen O1 und O2.
Im Fall der Orts- und Impulsoperatoren (1.1.1) erhalt man mit dem Kommutator
[p, x] = −ih die bekannte Heisenbergsche Unscharferelation:
∆x ·∆p ≥ h
2. (1.1.3)
Allein von der Mathematik her betrachtet haben die Unscharfen bzw. Streuungen
keine obere Schranke. Wird z.B. der Ort immer starker lokalisiert, so steigt die Im-
pulsunscharfe ins unermessliche. Die “klassische“ Quantentheorie macht keine Aussage
daruber, ob der Impuls beliebig groß werden kann. In Abschnitt (1.1.4) werden wir
sehen, daß bei Einbeziehung der Gravitation eine untere Grenze der Meßgenauigkeit
existieren sollte.
1.1.3 Energie-Zeit-Unscharferelation
Wie wir in Abschnitt (1.1.2) gesehen haben, laßt sich der Impuls sowie der Ort ei-
nes Teilchens nie gleichzeitig beliebig genau bestimmen. Betrachtet man die Spezielle
Relativitatstheorie, in der Raum und Zeit verschmolzen sind zur sogenannten Raum-
zeit, so konnte man Energie und Zeit, als die jeweiligen 0-Komponenten von Ort- und
Impuls-Vierergroßen, miteinander in Beziehung setzen. Sieht man das ∆-Symbol in
der Heisenbergschen Unscharferelation als einfache Standardabweichung der Statistik
an und verwendet fur den Impuls die relativistische Naherung E ≈ pc, so folgt recht
schnell:
h
2≤ ∆x ·∆p = ∆x · ∆E
c= ∆t ·∆E, (1.1.4)
1.1. DER MESSPROZESS 3
wenn ∆x = c · ∆t die Ortsunscharfe bei der Maximalgeschwindigkeit c ist. Aus dem
mathematischen Apparat der Quantenmechanik laßt sich diese Beziehung nicht so leicht
herleiten, da die Zeit t ein einfacher Parameter ist und nicht durch einen Operator
dargestellt wird.
Mandelstamm und Tamm [1] versuchten eine Herleitung der Energie-Zeit-Unscharfe-
relation im Heisenberg-Bild. Dazu betrachteten sie eine dynamische Variable A(H) =
A(t) (z.B. die Position eines sich frei bewegenden Teilchens; der Index (H) kennzeichnet
einen Operator im Heisenberg-Bild) und verwendeten diese als Zeitmarker. Wenn ∆A
die Unscharfe in A sei, A nur wenig variiert, sowie ∆A〈A〉 vernachlassigbar ist, so gilt:
∆t =∆A
|〈A〉|(1.1.5)
Aus der allgemeinen Unscharferelation (1.1.2) ergibt sich mit der Kommutator-Relation
[A,H] = ihA im Heisenbergbild [45]:
∆A ·∆H ≥ 1
2|〈i[A,H]〉| = h
2|〈A〉| (1.1.6)
⇒ ∆t ·∆H = ∆t ·∆E ≥ h
2(1.1.7)
Was bedeutet nun diese Beziehung? Befindet sich das System in einem Eigenzustand, so
ist ∆E = 0 und die Beziehung (1.1.7) macht keinen Sinn mehr. Betrachtet man statt
dessen ein Wellenpaket, so besitzt dieses eine gewisse Energieunscharfe. Die Große
∆t = τ stellt dann die mittlere “Lebensdauer“ des Pakets dar. Die Beziehung (1.1.7)
als Energie-Zeit-Unscharferelation macht nur Sinn, wenn man sie an den jeweiligen
Einzelfall anpaßt und genau definiert, was mit den Großen ∆E und ∆t gemeint ist.
1.1.4 Untere Schranke der Meßgenauigkeit
Obwohl es uns die Quantentheorie nicht ermoglicht, Ort und Impuls eines Teilchens
gleichzeitig beliebig genau zu messen, so hindert sie uns nicht daran, zumindest ei-
ne dieser Großen nahezu beliebig genau anzugeben. Allerdings konnen wir in diesem
Grenzfall (∆x → 0) nichts mehr uber den Impuls aussagen. Gehen wir davon aus,
daß sowohl die Quantentheorie als auch die Allgemeine Relativitatstheorie bis zu be-
liebig kleinen Skalen ihre Gultigkeit behalten, dann setzt eben die Einbeziehung der
Gravitation eine unter Grenze der Meßgenauigkeit.
Betrachten wir z.B. ein Teilchen der Masse m, welches durch geeignete Krafte oder
Potentiale in einem Raumbereich der Große R “gefangen“ gehalten wird [53]. Nach
dem relativistischen Energiesatz besitzt dieses Teilchen die Energie:
E =√|~p|2c2 +m2c4 ≥ c|~p|.
4 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
Aus der Unscharferelation (1.1.3) folgt mit den Abschatzungen ∆x ≈ R und ∆p ≈ |~p|fur die Energie E des Teilchens:
E >∼ch
2R. (1.1.8)
In der Allgemeinen Relativitatstheorie ist die Masse verantwortlich fur die Krummung
der Raumzeit, die hier aus der Einstein-Beziehung E = Mc2 des “gefangenen“ Teilchens
folgt, die in spharisch symmetrischer Weise die Raumzeit krummen soll. Der damit
verbundene Schwarzschildradius RS ist mit (1.1.8):
RS =2GM
c2=
2GE
c4>∼
Gh
c3R.
Die untere Schranke der Meßgenauigkeit (R ≥ RS) ist demnach durch die Planck-Lange
LP geben:
R >∼
√Gh
c3= LP. (1.1.9)
Nicht nur bei gebundenen Teilchen ist die Meßgenauigkeit nach unten beschrankt.
Will man den Ort eines freien Teilchens bestimmen, so kann man Photonen oder an-
dere hochenergetische Teilchen an dem freien Teilchen streuen (Heisenberg-Mikroskop,
1925). Je genauer die Ortsbestimmung sein soll, desto hoher muß die Energie des streu-
enden Teilchens sein. Wie im oberen Beispiel nimmt dann aber auch dessen Gravita-
tionsfeld zu, welches die Lage des freien Teilchens stort. Die quantitative Auswertung
dieses Effekts kann auf vielfache Weise geschehen. Man erhalt jedoch stets das gleiche
Resultat, daß der Ort des freien Teilchens nicht genauer als die Planck-Lange angegeben
werden kann:
∆x >∼ LP.
Wir haben hier angenommen, daß die Quantentheorie und die Allgemeine Relativitats-
theorie auch auf beliebig kleinen Skalen ihre Gultigkeit beibehalten. Die Quantentheorie
basiert ganz wesentlich auf der Unscharferelation, die aber bei einer Einbeziehung der
Gravitation sicherlich modifiziert werden muß. Andererseits verliert die kontinuierliche
Struktur der Raumzeit auf der Planck-Skala an Bedeutung, wenn man die Quantenna-
tur der Materie berucksichtigt. Dabei ist noch nicht klar, ob neben der quantisierten
Materie auch die Raumzeit an sich quantisiert sein konnte.
1.2 Ist eine Quantisierung der Gravitation
notwendig?
1.2.1 Landau und Peierls (1931)
Die Intention von Landau und Peierls [33, 34] war es aufzuzeigen, daß die damals noch
neue und mathematisch noch nicht ausgereifte Quantenelektrodynamik keine neuen
1.2. IST EINE QUANTISIERUNG DER GRAVITATION NOTWENDIG? 5
meßbaren Eigenschaften wurde voraussagen konnen. Sie betrachteten dazu zunachst
eine Impulsmessung unter Berucksichtigung einer Geschwindigkeitsanderung und der
damit verbundenen Abstrahlung von Energie. Anschließend formulierten sie eine Me-
thode zur Messung des elektrischen Feldes.
Um ihre Argumentation nachvollziehen zu konnen, betrachten wir zunachst ihre
Interpretation der Energie-Zeit-Unscharferelation in Bezug auf Impulsmessungen. Ihrer
Ansicht nach, die sie auf Bohrs Interpretation [7] stutzten, besagt die Energie-Zeit-
Unscharferelation
∆E ∆t > h (1.2.1)
weder, daß die Energie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht genau bekannt sei noch,
daß sie nicht in einer kurzen Zeit beliebig genau gemessen werden konne. Vielmehr
soll sie angeben, daß”...der Energieerhaltungssatz in der Quantenmechanik mit Hilfe
zweier Messungen nur mit einer Genauigkeit der Großenordnung h/∆t nachgepruft
werden kann. ∆t ist das Zeitintervall zwischen den Messungen.“ (Zitat,[32], Seite 158)
Betrachten wir ein System aus zwei schwach miteinander wechselwirkenden Teilen,
die zu einer bestimmten Zeit t1 die genauen Energiewerte E bzw. ε besitzen sollen.
Die Wechselwirkung soll in Form eines zeitlich konstanten Potentials V beschrieben
werden, welches zur Zeit t1 angeschalten und zur Zeit t2 wieder ausgeschalten werden
soll:
V (t) =
0 : t < t1
V = const : t1 ≤ t ≤ t2.(1.2.2)
Nach dieser Storung befindet sich das System in einem Zustand mit den Energiewerten
E ′ und ε′. Mittels Storungstheorie konnen wir die Ubergangswahrscheinlichkeit von den
Anfangs- zu den Endenergiewerten bestimmen (siehe Anhang B.1). In erster Naherung
ist die Ubergangswahrscheinlichkeit mit hω = (E ′ + ε′)− (E + ε) gegeben durch:
|c(1)|2 ∝4 sin2 ωt
2
ω2. (1.2.3)
Bei einer Storungsdauer von ∆t = t2 − t1 sind nur Ubergange von Bedeutung fur die
gilt:
|E ′ + ε′ − E − ε|h
= |ω| ∼ 2π
∆t. (1.2.4)
Es ist wesentlich, daß die Großenordnung der Energieanderung (2πh/∆t) nicht von der
Große der Storung abhangt und daher auch bei beliebig schwachen Wechselwirkungen
auftritt. Die Beziehung (1.2.4) besagt nicht, daß der Energieerhaltungssatz verletzt
wird, da die gleiche Unscharfe auch fur die Wechselwirkungsenergie gilt.
Landau und Peierls betrachteten ein System der Energie E und ein Meßgerat der
Energie ε. Die Wechselwirkungsenergie zwischen den beiden Teilen kann nach obiger
6 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
Uberlegung nur mit einer Genauigkeit von 2πh/∆t angegeben werden. Daraus folgt:
2πh
∆t∼ |E ′ + ε′ − E − ε| ≤ |E − E ′|+ |ε− ε′| (1.2.5)
Sie nahmen den gunstigsten Fall an, in dem ε und ε′ genau bekannt sind. Dann gilt die
Unscharferelation
|E − E ′| >∼h
∆t. (1.2.6)
Im Gegensatz zu obigem Zitat bedeutet ∆t hier die Meßdauer an sich und nicht die
Zeitdifferenz zwischen zwei verschiedenen Messungen. Dieser Widerspruch zeigt sich
auch in dem weiteren Gedankenexperiment von Landau und Peierls, welcher das Meß-
teilchen als ideal reflektierenden Spiegel betrachtet. Wahrend der Impulserhaltungssatz
P ′ + p′ − P − p = 0 (1.2.7)
uneingeschrankt gilt, lautet der Energieerhaltungssatz:
|E ′ − E| >∼h
∆t. (1.2.8)
Der Stoßversuch zwischen freiem zu messendem Teilchen und dem Spiegel entspricht ei-
ner Messung der Dauer ∆t, so die Interpretation des Landau-Peierlschen Stoßprozesses
von Aharonov und Bohm [1].
Aus den Erhaltungssatzen (1.2.7) und (1.2.8) erhalt man mit ∆E =∂E
∂P∆P = v ∆P :
(v′ − v) ∆P >h
∆t. (1.2.9)
Diese Beziehung sagt aus, daß eine Messung des Teilchenimpulses unbedingt mit einer
Geschwindigkeitsanderung verbunden ist und damit auch einer Anderung des Impulses
selbst.
Landau und Peierls betrachteten nun Teilchen mit der Ladung Q, welche eine kleine
Anfangs- und Endgeschwindigkeit (v bzw. v′) besitzen sollten. Diese nicht-relativistisch
bewegten Teilchen strahlen aufgrund ihrer Geschwindigkeitsanderung die Energie ∆E
ab [26]:
∆E =Q2
c3
∫v2dt ∼ Q2
c3
(v′ − v)2
∆t. (1.2.10)
Diese Energieabstrahlung fuhrt mit ∆E = (v′ − v) ∆p zu:
∆p ∆t >Q2
c3(v′ − v) bzw. ∆p ∆t >
Q2
c2. (1.2.11)
1.2. IST EINE QUANTISIERUNG DER GRAVITATION NOTWENDIG? 7
Im Fall eines Elektrons (Q = e) liefert (1.2.11) keine neue Unscharferelation, denn es
folgt aus der Heisenbergschen Unscharferelation ∆p∆x >∼ h unter der Voraussetzung,
daß die Teilchengeschwindigkeit v kleiner ist als die Lichtgeschwindigkeit c:
∆p∆t >∼h
c>e2
c2, (1.2.12)
mit hc > e2. Jedoch folgt aus (1.2.9) zusammen mit (1.2.11) die Beziehung:
∆p∆t >h
c
√Q2
hc. (1.2.13)
Um ein elektrisches Feld zu messen, betrachteten sie die Beschleunigung eines Teil-
chens der Ladung Q und der Masse M , welches sich sehr langsam bewegen sollte. Sie
benutzten die Formel:
Q∆E ∆t > ∆p, (1.2.14)
mit der elektrischen Feldstarke E und vorher festgelegter Genauigkeit ∆p der Impuls-
messung. Setzt man dafur die Beziehung (1.2.13) ein, so erhalt man:
∆E (c∆t)2 >√hc. (1.2.15)
Landau und Peierls [33, 34] zeigten damit, daß kein Experiment durchfuhrbar ist,
welches die Quantisierung des elektrischen Feldes zeigen konnte. Ihr Beweis durch Wi-
derspruch lautete in etwa so:
”Ein Strahlungsfeld ist bestimmt durch seine Energie E. Besteht dieses Feld aus
Lichtquanten, so gibt es eine maximale Frequenz νmax = E/h des Fourier-Spektrums
und damit eine minimale Periodendauer Tmin = 1/νmax. Fuhrt man dann eine Messung
in einem Zeitintervall ∆t Tmin durch, dann kann man die Feldstarke als konstant
annehmen. Alle Messungen mit solch einer kurzen Zeitdauer sind dann Feldmessungen,
die der Beziehung (1.2.15) unterworfen sind. Damit man mit Sicherheit sagen kann, daß
ein Feld E existiert, muß es großer sein als die Unscharfe ∆E . Wenn das Feld von Null
verschieden ist, dann muß es in einer ganzen Umgebung V , die durch die minimale
Wellenlange (hc)/E gegeben ist, von Null verschieden sein. In V ist aber dann die
Energie
E ≈ E2V > (∆E)2
(hc
E
)3
>hc
(c∆t)4
(hc
E
)3
(1.2.16)
enthalten. Daraus folgt, daß:
∆t >h
E, (1.2.17)
im Widerspruch zur Annahme ∆t Tmin = h/E. Eine Quantennatur des Strahlungs-
feldes ist durch diese Argumentationskette nicht nachzuweisen.“
8 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
1.2.2 Bohr und Rosenfeld (1933)
Bohr und Rosenfeld wollten zeigen [8, 9], daß die von Landau und Peierls aufgestellte
zusatzliche Unscharferelation (1.2.15) und damit auch ihre Schlußfolgerung, daß ei-
ne Quantisierung des Strahlungsfelds unnotig sei, nicht stimmt. Sie kritisierten vor
allem Landau und Peierls ungenaue Trennung zwischen System und Meßapparatur,
insbesondere die Verwendung eines einzelnen, elektrisch geladenen Massenpunktes als
Testteilchen, welches durch Strahlungsruckwirkung eine Messung des Feldes verfalscht.
Bohr und Rosenfeld legten ihrer Argumentation zu Grunde, daß im quantenelek-
trodynamischen Formalismus ein Feld keine Funktion von Raumzeit-Punkten, sondern
von einem Raumzeit-Gebiet und der Mittelung daruber sei. Die Frage der sie nach-
gingen war, ob aus diesem Formalismus eindeutige Vorhersagen uber die Meßbarkeit
solcher “Gebiets-Funktionen“ physikalisch moglich sind.
Um eine physikalische Messung eines Feldes durchfuhren zu konnen, mussen nach
Bohr und Rosenfeld einige Voraussetzungen erfullt sein. Sie betrachteten dazu eine
Messung des mittleren elektrischen Feldes in x-Richtung Ex uber ein Raumzeit-Gebiet
mit dem Volumen V und der Dauer T . Entscheidend sind die Voraussetzungen, die
man an die Struktur des Testteilchens stellen muß:
(i) Verwende Testteilchen dessen elektrische Ladung q homogen (ρ = const) uber
das Volumen V verteilt ist und bestimme dessen Impuls p zu Beginn t und p′
zum Ende t′ des Intervalls T . Das gemittelte Feld Ex ist dann bestimmt durch
p′ − p = ρExV T. (1.2.18)
(ii) Die zur Impulsmessung notwendige Zeit ∆t sei gegenuber T zu vernachlassigen:
∆t t′ − t = T .
(iii) Die Verschiebung ∆x aufgrund der Impulsmessung sowie der Beschleunigung in
der Zeit T kann gegenuber der Ausdehung L des Gebiets V ebenfalls außer acht
gelassen werden, da das Testteilchen entsprechend große Masse M besitzen soll:
∆x L. Aufgrund der zu vernachlassigenden Beschleunigung ist eine Strah-
lungsruckwirkung nicht von Belang.
(iv) Damit das Testteilchen als ein klassisches Teilchen angesehen werden kann, mussen
dessen Rander einen raumartigen Abstand besitzen, sodaß keine kausale Verbin-
dung zwischen ihnen besteht: cT < L. Eine strengere Bedingung aus der Ato-
mistik verlangt, daß uT < L gilt, mit der Phasengeschwindigkeit u = λν im
Teilchen und λ = h/p sowie ν = E/h.
Neben diesen Voraussetzungen an die Struktur des Testteilchens, verlangten Bohr und
Rosenfeld noch die folgenden Bedingungen an dessen Dimensionen:
q2 >∼ hc und L >q2
Mc2, (1.2.19)
1.2. IST EINE QUANTISIERUNG DER GRAVITATION NOTWENDIG? 9
wobei letztere dafur verantwortlich ist, daß die Strahlungsruckwirkung vernachlassigt
werden kann.
Jede Impulsmessung ist nun mit einer Unscharfe ∆p verbunden, die die Heisenberg-
sche Unscharferelation ∆p∆x >∼ h erfullt. Aus der Bestimmungsgleichung (1.2.18) fur
das Feld Ex folgt fur die Feldunscharfe ∆Ex zusammen mit der Heisenbergbedingung:
∆Ex >∼h
ρV T∆x, (1.2.20)
bzw. mit den Voraussetzungen cT < L und ∆x L:
∆Ex L2 >hc
q. (1.2.21)
Durch Multiplikation mit L > q2/(Mc2) (siehe 1.2.19) erhalt man daraus:
∆Ex L3 >h
c
q
M. (1.2.22)
Bohr und Rosenfeld schlossen daraus, daß ihre Beziehung (1.2.21) sich wesentlich von-
Landau und Peierls Beziehung (1.2.15) unterscheidet. Dies liegt ihrer Meinung nach
daran, daß in (1.2.21) zusatzlich die Ladung q auftritt, die aber beliebig groß gewahlt
werden kann, wodurch (1.2.21) keine neue Unscharferelation darstellt.
Die Kritik von Bohr und Rosenfeld an der Herleitung von (1.2.15) durch Landau und
Peierls beinhaltete, daß sie die Strahlungsruckwirkung des Testteilchens berucksichtig-
ten. Laßt man aber die wenig begrundete Bedingung (1.2.19) von Bohr und Rosenfeld
weg, so kann man fur q auch die Elektronenladung e verwenden. Fur diese gilt: e2 < hc
und daher folgt aus (1.2.21) die Relation:
∆Ex L2 >hc
e>√hc, (1.2.23)
bzw. mit L < cT :
∆Ex >√hc
c2T 2. (1.2.24)
Nun war nach Voraussetzung T ∆t und daher folgt im ungunstigsten Fall (T = ∆t)
die Beziehung von Landau und Peierls (1.2.15).
1.2.3 Umsetzung auf die Gravitation
Bohr und Rosenfeld konnten Landau und Peierls Untersuchungen nicht ohne zusatzli-
che, wenig motivierte Voraussetzungen widerlegen. Letztlich kamen sie auf das gleiche
Resultat. Borzeszkowski und Treder [57] ubernahmen die Abschatzung von Bohr und
Rosenfeld und zeigten damit, daß Messungen in der Gravitation durch eine fundamen-
tale Lange beschrankt sind. Wir wollen kurz ihre Argumentation nachvollziehen.
10 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
Die Bewegung eines Testteilchens in der Gravitation wird durch die Geodatenglei-
chung
duk
dτ= −Γk00(u0)2 − 2Γk0nu
0un − Γkmnumun, (1.2.25)
beschrieben, mit der Vierergeschwindigkeit uµ = dxµ/dτ und der Eigenzeit τ [38].Wir
setzen voraus, daß sich das Teilchen langsam bewegen soll und konnen daher den letzten
Term in Gleichung (1.2.25) vernachlassigen.
Vergleichen wir die reduzierte Form der Geodatengleichung (1.2.25) mit der Bewe-
gungsgleichung eines geladenen Teilchens der Masse m und der Ladung q in einem
elektromagnetischen Feld:
duk
dτ= − e
m
(F k
0u0 + F k
nun), (1.2.26)
so konnen wir eine gewisse Analogie zwischen den Christoffelsymbolen Γ und dem
elektromagnetischen Feld – dargestellt durch den Feldstarketensor Fµν – feststellen:
F k0 → Γk00 und F k
n → Γk0n. (1.2.27)
Borzeszkowski und Treder verwendeten eine etwas grobere Korrespondenzbeziehung
ohne Rucksicht auf genaue Indizierung der Symbole:
F → c√G
Γ, q →√Gm, (1.2.28)
wobei G die Gravitationskonstante und m die Masse des Testteilchens darstellt. Die
Koeffizienten sind so angepaßt, daß die Dimensionen bei der Korrespondenzbetrachtung
schlussig sind (siehe Anhang A.1.2).
Die Voraussetzungen (i)-(iv) (Abschnitt 1.2.2) an das Testteilchen ubernehmen Bor-
zeszkowski und Treder vollstandig. Aus der Beziehung (1.2.20) schließen sie mit ihrer
Korrespondenz (1.2.28) fur die Genauigkeit ∆Γ des Gravitationsfeldes Γ:
∆Γ ≈ h
c2m∆xT. (1.2.29)
Unter Verwendung der Relationen in (iii) und (iv) erhalt man daraus:
∆Γ >∼h
cL2m. (1.2.30)
Bohr und Rosenfelds zusatzliche Bedingung (1.2.19) an das Testteilchen besagt hier,
daß seine Ausdehung großer sein muß als sein Schwarzschildradius:
L >∼Gm
c2≈ RS. (1.2.31)
Multipliziert man (1.2.30) mit (1.2.31), so folgt:
∆ΓL3 >∼hG
c3= lP. (1.2.32)
Das Gravitationsfeld kann also nur bis auf die Planck-Lange genau gemessen werden. Es
stellt sich dann naturlich die Frage, ob eine Quantentheorie der Gravitation uberhaupt
notwendig ist, wenn letztlich keine Effekte gemessen werden konnen.
1.3. LOKALITAT IN DER QFT 11
1.3 Lokalitat in der QFT
Der Begriff der Lokalitat ist wohl besser bekannt unter dem Namen Nahwirkungsprin-
zip. Nach dem bekannten Newtonschen Gesetz F ∝ m1m2
r2 wird die Verschiebung der
einen Masse instantan von der anderen Masse registriert. Die Gravitationskraft wirkt
aufgrund dieser Formel ohne Zeitverzug uber beliebige Entfernungen, weshalb man
hier auch von Fernwirkung spricht. Bereits bei der Maxwellschen Theorie der Elektro-
dynamik, spatestens aber mit der Speziellen Relativitatstheorie Einsteins wurde klar,
daß die Fernwirkung nur sehr begrenzt physikalisch anwendbar ist. Die Alternative des
Nahwirkungsprinzips bringt den Begriff des Feldes ein.
In der Quantenfeldtheorie ist die Nahwirkung ein fundamentales Prinzip. Schwinger
[46] definierte den Begriff der Lokalitat so:
“Ein lokalisierbares Feld ist ein dynamisches System, welches durch ein
oder mehrere, von Raumzeitkoordinaten abhangige, Feldoperatoren φα(x)
charakterisiert wird. In dieser Aussage enthalten ist die Annahme, daß die
Operatoren xµ untereinander kommutieren:
[xµ, xν ] = 0 (1.3.1)
und vor allem, daß sie mit den Feldoperatoren vertauschen:
[xµ, φα(x)] = 0. (1.3.2)
Die Operatoren xµ entsprechen den Ortsobservablen.“
Betrachten wir also zwei Ortsmessungen, so spielt die Reihenfolge der Messungen keine
Rolle. Berucksichtigen wir jedoch die Gravitation, so ist die Vertauschung nicht mehr
gerechtfertigt [2].
Betrachten wir zwei neutrale Spin-0-Teilchen der Massen m1 und m2. Jegliche Meß-
apparaturen dienen lediglich der Verwirklichung der fundamentalen Vertauschungs-
relationen [xi, pj] = ihδij. Um eventuelle Uberlappungen der quantenmechanischen
Wellenfunktionen zu vermeiden, nehmen wir an, daß die Ausdehung R1,2 der Teilchen
stets wesentlich kleiner ist als deren Comptonwellenlange h/(m1,2c). Sei nun Teilchen
1 durch irgendeine Messung auf eine Kugel mit dem Radius R1 h/(m1c) am Ort ~x1
begrenzt; der Ort von Teilchen 2 sei vollkommen unbestimmt. Zu einer spateren Zeit
∆t h(m1c2) machen wir eine zweite Messung und schranken dabei Teilchen 2 auf eine
Kugel mit dem Radius R2 = h/(m2c) am Ort ~x2 ein. Aufgrund der Unscharferelation
∆p∆x ≥ h besitzt Teilchen 2 durch die Begrenzung auf den Raumbereich R2 ≈ ∆x
den Impuls p >∼ h/R2 und damit die radialsymmetrische Energiedichte:
ρ2(r) =E
4π/3R32
Θ(R2 − r) =
√m2c4 + p2c2
4π/3R32
Θ(R2 − r)
>∼3Θ(R2 − r)
4πR32
hc
R2
, (1.3.3)
12 KAPITEL 1. QUANTENMECHANISCHER MESSPROZESS
wobei wir die Voraussetzung R2 h/(mc) ausgenutzt haben. Die Große ρ1(r) kann in
analoger Weise definiert werden. Diesen Energiedichten kann durch
M =E
c2=
4π
3R3 ρ
c2≈ h
cR(1.3.4)
eine Masse zugeordnet werden. In der Allgemeinen Relativitatstheorie wird durch solch
eine Masse die Raumzeit so gekrummt, daß eine Schwarzschild-Metrik vorliegt. Der
klassische Anteil der Masse kann dabei vernachlassigt werden, da aus der Voraussetzung
R2 h/(mc) folgt, daß:
1
R2
m2c
h⇒ 2Gm2
c2R2
2Gh
R22c3. (1.3.5)
Setzen wir voraus, daß ρ2(r) ρ1(r) ist, so konnen wir die Raumzeit vor der Messung
2 als nahezu flach ansehen. Es gilt dann die Minkowski-Metrik:
ds2 = −dt2 + dr2 + r2dΩ2 (1.3.6)
Nach der Messung 2 liegt aber die Schwarzschild-Metrik vor, die durch ρ2 bestimmt
wird:
ds2 = −[1− 1
r
(2Gh
R2c3
)]dt2 +
[1− 1
r
(2Gh
R2c3
)]−1
dr2 + r2dΩ2. (1.3.7)
Die Positionsbestimmung von Teilchen 1 hangt also davon ab, ob man vor ihr die
Position von Teilchen 2 bestimmt oder erst nach ihr.
Die hier vorgestellte Ortsmessung ist naturlich sehr idealisiert. Dennoch kommt man
nicht umhin, bei einer Vereinigung der Quantentheorie mit der Gravitation, einige fun-
damentale Prinzipien beider Theorien zu hinterfragen. Ein Problem einer Vereinheitli-
chung ist die gegensetzliche Ausgangsposition einer lokalen Theorie der Gravitation auf
der einen Seite und einer nicht-lokalen Quantentheorie auf der anderen Seite. Die Nicht-
Lokalitat zeigt sich insbesondere in dem bekannten EPR-Experiment [18]. Betrachtet
man den Zerfall eines skalaren Teilchens zu zwei Spin-1/2-Teilchen, so besitzen die-
se beiden Teilchen korrelierte Spinprojektionen. Sei z.B. die Spinprojektion des ersten
Teilchens bei einer Messung m(1)z = 1
2, dann folgt fur die Spinprojektion des anderen
Teilchens der Wert m(2)z = −1
2. Diese Korrelation bleibt nun auch dann erhalten, wenn
sich die beiden Teilchen voneinander entfernen. Solang eine flache Minkowski-Raumzeit
vorliegt, in der ein globales Inertialsystem definiert werden kann, ist eine z-Richtung
ausgezeichnet bezuglich der man die Spinprojektion bestimmen kann. Betrachtet man
aber Korrelationen in einem außeren Gravitationsfeld, so ist keine z-Richtung mehr
ausgezeichnet. Borzeszkowski und Mensky zeigten [58], daß durch geeigneten Parallel-
transport eines Koordinatensystems vom einen zum anderen Teilchen eine Korrelation
besteht. Im Allgemeinen ist das jedoch nicht moglich. Lokalisieren wir das eine Teil-
chen bei der Spinmessung auf einen kleinen Bereich, so krummt dies aufgrund obiger
Uberlegungen die Raumzeit. Allerdings ist diese Krummung nicht eindeutig, da die
mit der Impulsunscharfe verbundende Energie ebenfalls nicht exakt angegeben werden
kann.
Kapitel 2
Unruh- und Hawking-Effekt
Die Gravitation als eine der fundamentalen Wechselwirkungen in der Physik wird in
der Quantenfeldtheorie ganz vernachlassigt. Dies ist insofern gerechtfertigt, da sie die
schwachste aller vier Wechselwirkungen ist und bei den geringen Massen der Elementar-
teilchen gegenuber der elektromagnetischen, schwachen und starken Wechselwirkung
einen verschwindenden Beitrag liefert.
Aber nicht nur bei einer angestrebten Vereinheitlichung aller vier fundamentalen
Wechselwirkungen muß letztlich die Gravitation berucksichtigt werden, sondern gerade
in der Nahe von Objekten wie Neutronensternen oder Schwarzen Lochern. Hawking
zeigte zu Beginn der 1970’er Jahre, daß entgegen bisheriger Annahmen, ein Schwarzes
Loch doch strahlen kann. Unruh fand ein paar Jahre spater einen analogen Prozess fur
die flache Raumzeit. Beide Effekte begrunden sich darauf, daß die Quantenfeldtheorie
nicht mehr nur auf einer flachen Minkowski-Raumzeit aufgebaut sein kann, sondern
auch gekrummte Raumzeiten berucksichtigen muß.
2.1 Quantenfelder auf gekrummten Raumzeiten
Ein erster Schritt zu einer Quantentheorie der Gravitation besteht darin, daß man die
Quantenfeldtheorie auf gekrummte Raumzeiten verallgemeinert. Die Gravitation tritt
nur als klassisches Hintergrundsfeld auf. Sie wird zunachst nicht quantisiert und ist nur
fur die Krummung der Raumzeit verantwortlich. Die quantisierten Felder haben keine
Ruckwirkung auf das Gravitationsfeld. Diese Naherung macht Sinn, da quantengravita-
tive Effekte erst in der Großenordnung der Planck-Lange (10−33cm) eine Rolle spielen,
wohingegen die Skala auf der die gewohnliche Quantenfeldtheorie wirkt (≥ 10−17cm)
um ein vielfaches großer ist.
Probleme tauchen aber dann auf, wenn man an dem Teilchenbegriff festhalten will.
Da es keine globale inertiale Beobachter gibt, verliert der Teilchenbegriff seine Eindeu-
tigkeit. Es hangt dann vom jeweiligen Beobachter ab, ob in einem gewissen Gebiet ein
Vakuum vorhanden ist oder sich doch Teilchen befinden.
13
14 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
2.1.1 Quantenfelder auf der Minkowski-Raumzeit
Der Einfachheit halber betrachten wir nur den Fall eines Klein-Gordon-Feldes φ(x),
welches die Feldgleichung (2 +m2
)φ = 0 (2.1.1)
erfullt [6], wobei 2 = ηµν∂µ∂ν der d’Alembert-Operator und ηµν die Minkowski-Metrik
ist. Ein Satz von Losungen der Feldgleichung (2.1.1) ist
uk(x) ∝ ei~k·~x−iωt (2.1.2)
mit ω =√k2 +m2 und k = |~k| =
√k2
1 + k22 + k2
3. Die Moden (2.1.2) sind Eigenfunk-
tionen des Operators ∂/∂t:
∂
∂tuk(x) = −iωuk(x), mit ω > 0. (2.1.3)
Man nennt sie daher auch Moden mit positiver Frequenz, bezogen auf die Zeit t.
Das Skalarfeld quantisiert man nun, indem man φ als Feldoperator behandelt und
die folgenden Kommutatorrelationen fordert:
[φ(t, ~x), φ(t, ~x′)] = 0,
[π(t, ~x), π(t, ~x′)] = 0,
[φ(t, ~x), π(t, ~x′)] = iδ3(~x− ~x′),
(2.1.4)
wobei π = ∂tφ der zu φ konjugierte Impulsoperator ist. Definieren wir auf einer raum-
artigen Gleichzeitigkeitshyperebene Σt folgendes Skalarprodukt
(u1, u2) = i
∫d3x (u∗1∂tu2 − (∂tu
∗1)u2) , (2.1.5)
dann konnen wir die Moden (2.1.2) so wahlen, daß sie die Orthogonalitatsrelation
(uk, uk′) = δ(k, k′) (2.1.6)
bezuglich diesem Skalarprodukt erfullen. Der Feldoperator φ kann dann in den Moden
(2.1.2) entwickelt werden:
φ(x) =
∫dµ(k)
(akuk(x) + a†ku
∗k(x)
). (2.1.7)
Das Integralmaß dµ(k) hangt davon ab, ob es sich bei den uk um ein kontinuierliches
oder ein Punkt-Spektrum handelt. Liegt ein Punkt-Spektrum vor, so ist∫dµ(k) =
∑k
.
Die Kommutatorrelationen (2.1.4) sind dann aquivalent zu:
[ak, ak′ ] = 0,
[a†k, a†k′ ] = 0,
[ak, a†k′ ] = iδkk′ .
(2.1.8)
2.1. QUANTENFELDER AUF GEKRUMMTEN RAUMZEITEN 15
Mittels den Vernichtern ak bzw. den Erzeugern a†k kann man aus dem Vakuumzustand
|0〉 eine Basis fur den zugrundeliegenden Hilbertraum erzeugen. Dabei gilt fur alle k:
ak|0〉 = 0.
2.1.2 Struktur der Raumzeit
Untersuchen wir reelle skalare Felder auf gekrummten Raumen, so mussen wir uns
auf eine global hyperbolische Mannigfaltigkeit M mit entsprechender Metrik gµν be-
schranken [63]. Die dadurch beschriebene Raumzeit enthalt keine Singularitaten und
es existiert daher eine eindeutige Losung der Klein-Gordon-Gleichung. Eine global hy-
perbolische Mannigfaltigkeit definieren wir hier wie folgt:
Sei Σ ⊂ M eine raumartige Hyperflache. Der Abhangigkeitsbereich von Σ
ist definiert durch:
D(Σ) = p ∈M|jede nicht-erweiterbare kausale Kurve durch p schneidet ΣIst D(Σ) =M, dann nennt man Σ eine Cauchy-Flache der Raumzeit und
M global hyperbolisch.
In einer global hyperbolischen Raumzeit kann man eine glatte “Zeitkoordinate“ t
wahlen, so daß jede Hyperflache mit konstantem t eine Cauchy-Flache ist. Dann exi-
stiert eine eindeutige Losung der Klein-Gordon-Gleichung auf einer gekrummten Raum-
zeit [22]:
2gφ+m2φ = 0 (2.1.9)
mit dem d’Alembert-Operator
2g =1√−g
∂µ(√−ggµν∂ν
). (2.1.10)
Der Einfachheit halber verwenden wir in (2.1.9) nur die minimale Kopplung und ver-
nachlassigen weitere Terme wie etwa einen Summanden 16Rφ, der die konforme Invari-
anz sichern wurde.
Da wir nachher eine kanonische Quantisierung durchfuhren, mussen wir die vierdi-
mensionale Raumzeit wieder aufspalten in drei Raumrichtungen und eine Zeitrichtung.
Dies erreichen wir indem wir M in raumartige Cauchyflachen Σt aufteilen und die je-
weiligen zukunftsorientierten Normalenvektoren nµ bestimmen. Die Metrik gµν zerfallt
dann mit einer raumlichen 3-Metrik hµν , die die innere Geometrie von Σt beschreibt,
zu:
gµν = −nµnν + hµν . (2.1.11)
Die Parametrisierung t der Cauchyflachen Σt verwenden wir als Zeitkoordinate, die al-
lerdings noch nichts mit einer Eigenzeit zu tun hat. Das Vektorfeld tµ gibt die “Zeitent-
wicklung“ von der Hyperflache Σt zur infinitesimal benachbarten Hyperflache Σ(t+dt)
16 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
wieder und erfullt auf M die Relation tµ∇µt = 1. Wir konnen tµ in eine “lapse“-
Funktion N und einen “shift“-Vektor Nµ zerlegen:
tµ = Nnµ +Nµ. (2.1.12)
Dabei gibt die Funktion N = N(t, x, y, z) an, wieviel Eigenzeit von Σt zu Σ(t+dt) ver-
geht. Der “shift“-Vektor Nµ = Nµ(t, x, y, z) liegt tangential zur Hyperflache Σt und
gibt Auskunft daruber, wie die Koodinaten der beiden Flachen zueinander in Beziehung
stehen. Die Raumkoordinaten xi(i = 1, 2, 3) passen wir so an, daß sie die Bedingung
tµ∇µxi = 0 erfullen. Dann gilt: Nµ∂µ = N i∂i.
Abbildung 2.1: Die beiden Hyperflachen Σt und Σt+dt stehen uber die “lapse“-
Funktion N und den “shift“-Vektor Nµ in Verbindung [35]. Die Fahne reprasentiert
die Gleichung (2.1.13).
Das Linienelement ds konnen wir bei gegebener Signatur berechnen:
ds2 = hij(dxi +N idt
) (dxj +N jdt
)− (N dt)2 . (2.1.13)
Daraus erhalten wir fur die vierdimensionalen Metrik gµν mit Ni = hijNj:(
g00 g0k
gi0 gik
)=
(−N2 +NrN
r Nk
Ni hik
)(2.1.14)
und entsprechend fur ihre Inverse gµν :(g00 g0k
gi0 gik
)=
(− 1N2
NkN2
NiN2 hik − N iNk
N2
). (2.1.15)
Die Determinante der Vierermetrik gµν erhalt man aus der Dreiermetrik hik mit g =
det gµν und h = dethik zu g = −N2h.
Kehren wir zuruck zur Klein-Gordon-Gleichung (2.1.9). Diese laßt sich aus der
Lagrange-Dichte
LKG =1
2
∫ √−g(gµν∂µφ∂νφ−m2φ2
)(2.1.16)
2.1. QUANTENFELDER AUF GEKRUMMTEN RAUMZEITEN 17
herleiten. Die zur Feldvariablen φ konjugierte Impulsdichte π erhalten wir aus (2.1.9)
unter Berucksichtigung von (2.1.15):
π =∂L
∂φ=
∂L
∂(∂0φ)=
√h
N
(φ−N i∂iφ
)=√h (nµ∇µφ) . (2.1.17)
Wir konnen nun wie im Fall einer flachen Raumzeit fur Losungen der Klein-Gordon-
Gleichung ein Skalarprodukt auf der raumartigen Hyperflache Σ definieren:
(u1, u2) ≡ i
∫Σ
(u∗1π2 − π∗1u2) d3x = (u2, u1)∗ (2.1.18)
Setzt man voraus, daß die Losungen der Klein-Gordon-Gleichung im raumlich Unend-
lichen verschwinden, dann ist dieses Skalarprodukt unabhangig von der Wahl der Hy-
perflache Σ und daher unabhangig von der Zeit [20]. Allerdings ist es i.a. nicht positiv
definit. Wir beschranken uns aber auf den Teilraum des Hilbertraums, der nur Losun-
gen positiver Frequenz beinhaltet. Auf diesem Teilraum ist das Skalarprodukt (2.1.18)
positiv definit. Zur Unterscheidung zwischen positiver und negativer Frequenz benotigt
man stets eine Angabe daruber, auf welchen Zeitparameter sich die Frequenz bezieht.
Liegt eine stationare Raumzeit vor, so gibt es ein globales zeitartiges Killingvektorfeld,
welches eine Zeitkoordinate vorgibt.
Wir wahlen nun einen vollstandigen Satz uk, u∗k′ von Losungen der Klein-Gordon-
Gleichung, die folgende Orthonormalitatsbedingungen erfullen sollen:
(uk, uk′) = δ (k, k′) ,
(u∗k, u∗k′) = −δ (k, k′) und
(uk, u∗k′) = 0.
Hier ist k ein beliebiger Index und nicht notwendigerweise gleich dem Impuls. Wir
konnen jetzt jede beliebige Losung (φ, π) nach diesem Satz entwickeln:
φ =
∫dµ(k)
(akuk + a†ku
∗k
), (2.1.19)
π =
∫dµ(k)
(akπk + a†kπ
∗k
),
mit den Koeffizienten ak = (uk, φ) und a†k = − (uk, φ) und dem Integralmaß dµ(k),
welches wie oben vom Spektrum der uk abhangt.
Aus der Vollstandigkeit der uk zusammen mit den kanonischen Vertauschungsrela-
tionen der Feld- und Impulsoperatoren folgen fur die ak, a†k die gewohnlichen Vertau-
schungsrelationen
[ak, ak′ ] =[a†k, a
†k′
]= 0 und[
ak, a†k′
]= δ(k, k′).
18 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
ak und a†k sind die Erzeuger bzw. Vernichter der Zustande.
Wie im flachen Raum konnen wir aus dem Vakuumzustand |0〉u bezuglich dieser
Basis einen Fock-Raum konstruieren:
ak|0〉u = 0 ∀k.
Die Zustande(|0〉u , a
†k|0〉u , . . .
)stellen eine Basis des Hilbertraums dar. Dabei soll
|0〉u, bezogen auf das positiv definite Skalarprodukt 〈·|·〉 im Hilbertraum, normiert
sein:
u 〈0| 0〉u = 1
Wir haben uns bisher auf eine Wahl der Hyperflachen Σ beschrankt. Allerdings folgt aus
der Allgemeinen Relativitatstheorie, daß wir irgend eine andere raumartige Hyperflache
Σ′ hatten wahlen und auf ihr die Feldoperatoren φ nach dem vollstandigen Satzvp, v
∗p′
entwickeln konnen:
φ =
∫dµ(p)
(bpvp + b†pv
∗p
).
Nun definiert man das Vakuum |0〉v bezuglich dieser Basis mittels dem Vernichter bp:
bk|0〉v = 0 ∀p.
Die Frage ist nun, ob die so definierten Vakua |0〉u und |0〉v den gleichen physikalischen
Sachverhalt darstellen.
Die Unabhangigkeit des Skalarprodukts (2.1.18) von der gewahlten Hyperflache
sorgt dafur, daß beide vollstandige Satze gleichwertig sind. Wir konnen daher auch
den einen Satz nach dem anderen entwickeln. Wenn wir folgenden Ansatz machen:
vp =
∫dµ(k) (α(p, k)uk + β(p, k)u∗k) , (2.1.20)
dann erhalten wir fur die umgekehrte Entwicklung:
uk =
∫dµ(p)
(α∗(p, k)vp − β(p, k)v∗p
). (2.1.21)
Die Großen α und β nennt man Bogoljubov-Koeffizienten und die Transformation von
einer Basis zur anderen entsprechend Bogoljubov-Transformation. Aus dem diskreten
Fall erkennt man leichter, daß es sich bei α und β um Matrizen handelt. Fur diese gilt:
αα† − ββ† = 1 und αβT − βαT = 0. (2.1.22)
Die Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren transformieren sich uber:(b
b†
)=
(α∗ −β∗−β α
)(a
a†
). (2.1.23)
2.2. UNRUH-EFFEKT 19
Das Erstaunliche ist nun, daß der Erwartungswert des Teilchenzahloperators b†b der
Basis v bezogen auf die Basis u nicht verschwindet:
u 〈0|b†b|0〉u =
∫dµ(k)|β(p, k)|2. (2.1.24)
Was in dem einen System als Vakuum erscheint, ist in einem anderen mit Teilchen
“angefullt“.
2.2 Unruh-Effekt
2.2.1 Minkowski- und Rindler-Moden
Betrachten wir ein masseloses Skalarfeld auf der flachen Minkowski-Raumzeit vom
Standpunkt eines inertialen Beobachters, dann reduziert sich die Klein-Gordon-Gleichung
(2.1.9) auf die gewohnliche Wellengleichung in gekrummten Raumzeiten. Mit der No-
tation aus Abschnitt (2.1) laßt sich das skalare Feld φ zerlegen in:
φ =
∫dµ(k)
(aM,kuk + a†M,ku
∗k
),
mit den Minkowski-Erzeugern a†M,k und Vernichtern aM,k und den Moden
uk(t, x) =1√
4π|k|eikx−iωt (ω = |k|)
in (1 + 1)-Dimensionen.
Die Frage ist, welche Aussage ein beschleunigter Beobachter (B) uber das Minkowski-
Vakuum macht. Dazu nehme dieser einen stabilen Detektor mit, dessen Ausdehnung
sich durch die Beschleunigung nicht verandern soll. Weiterhin beschleunige sich B mit
konstanter Eigenbeschleunigung α in x-Richtung (siehe Anhang A.2). Seine Bewegung
laßt sich recht einfach mit sogenannten Rindler-Koordinaten (ρ, τ) parametrisieren. Fur
diese gilt, mit einem Parameter a = const > 0, die Transformation:
x = ρ cosh(aτ), t = ρ sinh(aτ).
Bilden wir die totalen Differentiale dx und dt und setzen diese in das Minkowski-
Linienelement ds2 = −dt2 + dx2 ein, so erhalten wir die Rindler-Metrik:
ds2 = dρ2 − (aρ)2dτ 2. (2.2.1)
Da die Rindler-Metrik unabhangig von τ ist, gibt es ein zugehoriges zeitartiges Killing-
Feld
K = ∂τ =∂t
∂τ
∂
∂t+∂x
∂τ
∂
∂x= aρ cosh(aτ) ∂t + aρ sinh(aτ) ∂x
= a (x∂t + t∂x) .
20 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
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.....
.......
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x
tρ = const
τ = const
H+
H−
Abbildung 2.2: Die Rindlerkoordinaten beschreiben nur den Bereich x > |t|. Kurven
konstanter Beschleunigung entsprechen Hyperbeln. Kurven gleicher Eigenzeit sind Ur-
sprungsgeraden. Die Geraden x = |t| bilden die Horizonte des beschleunigten Beobach-
ters. Die Horizonte H+ und H− der beschleunigten Beobachter sind Killing-Horizonte
des “boost“-Killingfeldes.
Analog der Eigenwertgleichung (2.1.3) konnen wir dann Moden mit positiver Frequenz
bezuglich der Eigenzeit τ auswahlen. Da der Bereich (I) von Abbildung (A.3) global
hyperbolisch und die Hyperebene t = 0 eine Cauchy-Flache ist, konnen wir obiges
Verfahren anwenden.
Das masselose Skalarfeld φ muß auf dem Rindlereck (I) die Gleichung
2Rφ = 0 (2.2.2)
erfullen, wobei 2R der d’Alembert-Operator (2.1.10) in Rindlerkoordinaten ist. Die
Rindler-Metrik (2.2.1) eignet sich aber noch nicht zur Losung der Wellengleichung
(2.2.2). Gunstiger ist die vorherige Koordinatentransformation
ρ = eξa. (2.2.3)
Daraus folgt fur das Differential dρ = aeξadξ und fur das Linienelement in den neuen
Rindlerkoordinaten:
ds2 = a2e2ξa(−dτ 2 + dξ2
). (2.2.4)
Da die Wellengleichung konform invariant ist [6], genugt es, wenn wir
a2e2ξa2Rφ =
(− ∂2
∂τ 2+
∂2
∂ξ2
)φ = 0. (2.2.5)
betrachten. Die Moden dieser Wellengleichung lauten nach Beschrankung auf positive
Frequenzen mit Ω = |p|:
vp =1√4πΩ
eipξ−iΩτ
=1√4πΩ
ρip/ae−iΩτ . (2.2.6)
2.2. UNRUH-EFFEKT 21
In der zweiten Gleichung haben wir auf die ursprunglichen Rindler-Koordinaten zuruck-
transformiert. Das Skalarfeld φ konnen wir dann in den Rindler-Moden vp entwickeln:
φ =
∫dµ(p)
(bpvp + b†pv
∗p
), (2.2.7)
mit den entsprechenden Erzeugern b†p und Vernichtern bp.
Nun fehlen uns noch die Bogoljubov-Koeffizienten β(p, k). Sie bekommen wir aus
der Beziehung (2.1.20):
β(p, k) = − (u∗k, vp)
= −i∫dρ (ukπp − πkvp) . (2.2.8)
Die Integration lauft hier nur uber die Cauchyflache Σt=τ=0 ≡ ΣI im Rindlereck (I)
(siehe Abbildung A.3) bzw. x ≥ 0, t = 0 (siehe Abbildung 2.2).
Die konjugierten Impulse erhalten wir aus den entsprechenden Minkowski- bzw. Rindler-
Lagrange-Dichten LM,R:
πk =∂LM
∂(∂0uk)= −∂tuk und
πp =∂LR
∂(∂0vp)= − 1
aρ∂τvp.
Setzen wir die jeweiligen Impulse in (2.2.8) ein, so erhalten wir zunachst
β(p, k) =1
4π
∞∫0
dρ
(1
aρ
√Ω
ω−√ω
Ω
)eikρρip/a
=1
2πa
√Ω
ωΓ
(ip
a
)ω−
ipa e−
pπ2a
und daraus
|β(p, k)|2 =|p|
2π|k|a2
1
e2πpa − 1
. (2.2.9)
Der Erwartungswert des Teilchenzahloperators b†pbp ist dann bezogen auf das Minkowski-
Vakuum |0〉M
:
M〈0|b†pbp|0〉M =
∫dk|β(p, k)|2 ∝ Ω
e2πΩa − 1
. (2.2.10)
Der Vergleich mit der Planck-Verteilung erlaubt den Schluß, daß fur den beschleunigten
Beobachter das Quantenfeld in einem Gleichgewichtszustand der Temperatur T = ha2πkB
zu sein scheint.
22 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
Bei einer genaueren Untersuchung mußte man auch den Bereich (III) (siehe Abbil-
dung A.3) mit einbeziehen. Dieser stellt ebenfalls eine global hyperbolische Raumzeit
dar. Der Unterschied zum Bereich (I) liegt darin, daß hier die Eigenzeit τ entgegen der
Minkowskizeit t lauft. Wie Unruh und Wald zeigten [55, 60], besteht sogar eine strenge
Korrelation zwischen den Zustanden aus den Bereichen (I) und (III). Der beschleunig-
te Beobachter beschreibt das Minkowski-Vakuum durch eine thermische Dichtematrix
ρtherm der Temperatur T = ha2πkB
[55]:
ρtherm =∏j
N2j
∑nj
e−2πnjωj/a|nj, I 〉 ⊗ 〈nj, I|
mit den Bezeichnungen aus [55]. Den Umstand, daß ein beschleunigter Beobachter das
Minkowski-Vakuum als thermisches Teilchen-Bad “empfindet“, bezeichnet man als den
Unruh-Effekt.
2.2.2 Unruh-DeWitt-Detektor
Bis hierher haben wir noch keine Aussage daruber getroffen, wie der beschleunigte
Beobachter das Vakuum mißt. Unruh (1976) und DeWitt (1979) schlugen als Detektor
ein idealisiertes Punktteilchen vor, welches innere Energieniveaus E besitzen und uber
Monopolwechselwirkung an das Skalarfeld koppeln soll [54, 6]. Die zugehorige Lagrange-
Dichte lautet:
Lint = cm(τ)Φ [x(τ)] . (2.2.11)
Dabei ist c die Kopplungskonstante, m das Monopolmoment des Detektors, xµ seine
Weltlinie und τ seine Eigenzeit.
Nehmen wir eine beliebige Bewegung xµ(τ) des Detektors an, so wird der Detektor
nicht im Grundzustand E0 bleiben; genauso wird das Feld in einen angeregten Zustand
ubergehen. In erster Ordnung Storungstheorie erhalten wir fur die Ubergangsamplitude
A vom Vakuumzustand |0M , E0 〉 zu einem beliebigen Zustand |Ψ, E 〉
A ∝ ic 〈E,Ψ|∞∫
−∞
m(τ)Φ [xµ(τ)] dτ |0M , E0 〉 . (2.2.12)
Unter dem Vakuumzustand |0M 〉 verstehen wir hier das Minkowski-Vakuum in der
asymptotisch flachen Raumzeit. Integriert wird uber die Eigenzeit.
Wenden wir den Zeitentwicklungsoperator auf den Monopoloperator an, so gilt:
m(τ) = eiH0τm(0)e−iH0τ . (2.2.13)
2.2. UNRUH-EFFEKT 23
Der Hamiltonoperator H0 bezieht sich nur auf die inneren Zustande des Punktteilchens.
Seine Eigenwerte sind gegeben durch H0|E 〉 = E|E 〉. Damit faktorisiert die Ubergangs-
amplitude zu
A ∝ ic 〈E|m(0)|E0 〉∞∫
−∞
ei(E−E0)τ 〈Ψ|Φ [xµ(τ)] |0M 〉 dτ. (2.2.14)
Ein gleichformig bewegter Beobachter sollte nun keinen Ubergang zu einem angeregten
Zustand bemerken. Dies laßt sich kurz wie folgt zeigen: Entwickelt man das Skalarfeld
wie ublich in den Standardmoden
Φ(t, ~x) =∑k
(akuk + a†ku
∗k
), (2.2.15)
so ergibt sich fur den in dieser Storungsordnung moglichen Ubergang in den Zustand
|Ψ〉 = |1~k 〉 bei gleichformiger Bewegung ~x = ~x0 + ~vt = ~x0 + ~vτ(1− v2)−1/2:
A ∝ 1√4πω
e−i~k· ~x0 δ
(E − E0 + (ω − ~k · ~v)(1− v2)−1/2
). (2.2.16)
Diese Ubergangsamplitude verschwindet aber, da E − E0 > 0 und ~k · ~v ≤ |~k||~v| < ω
und deshalb das Argument der δ-Funktion stets großer Null ist. Dies war auch zu
erwarten, da das Minkowski-Linienelement unter Poincare-Transformationen invariant
ist und daher das Killingfeld ∂t gleich bleibt. Dieses Killingfeld bestimmt aber die
Moden und deren Frequenzen, welche ebenfalls gleich bleiben. Aus den Uberlegungen
in Abschnitt (2.2.1) kann man dann schließen, daß das Minkowski-Vakuum invariant
bezuglich gleichformiger Bewegungen oder allgemeiner invariant gegenuber Poincare-
Transformationen ist.
Mochte man sich kompliziertere Bewegungen xµ(τ) ansehen, so ist es geschick-
ter, wenn man zur Ubergangswahrscheinlichkeit P ubergeht. Dabei sollen nun alle
Ubergange berucksichtigt werden:
P ∝ c2∑E
| 〈E|m(0)|E0 〉 |2F (E − E0) . (2.2.17)
Die ”Antwort”-Funktion (”response-function”) F ist unabhangig von den Details des
Detektors und stellt – bildlich gesprochen – ein Warmebad dar. Im Wesentlichen be-
steht sie aus der Wightman-Funktion G+(x, x′) = 〈0|Φ(x)Φ(x′)|0〉, die die Autokorre-
lation des Skalarfeldes angibt:
F (E) =
∞∫−∞
dτ
∞∫−∞
dτ ′ e−iE(τ−τ ′)G+ (x(τ), x(τ ′)) . (2.2.18)
Beschrankt man sich auf masselose Skalarfelder, so ergibt sich fur die Wightman-
Funktion nach geeignetem Verschieben der Singularitaten:
〈0|Φ(x)Φ(x′)|0〉 = − 1
4π
1
(t− t′ − iε)2 − (~x− ~x′)2 . (2.2.19)
24 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
Wie man sieht, ist die Wightman-Funktion nur von der Zeitdifferenz t − t′ abhangig
und deshalb invariant bezuglich Zeittranslationen. Dies aber heißt, daß der Detektor
im Gleichgewicht mit dem Feld φ ist. Dann ist aber die Absorptionsrate des Detektors
konstant. Verschwindet die Rate nicht, so divergiert die ”response”-Funktion, da uber
ein unendliches Zeitintervall integriert wird. Um dieses Problem zu umgehen, schaltet
man entweder die Kopplung zwischen Monopol und Feld fur τ → ±∞ adiabatisch
aus oder betrachtet die Ubergangswahrscheinlichkeit je Einheits-Eigenzeit. Gleichung
(2.2.17) reduziert sich dann mit ∆τ = τ − τ ′ auf:
c2∑E
| 〈E|m(0)|E0 〉 |2∞∫
−∞
d(∆τ)e−ih
(E−E0)∆τG+(∆τ). (2.2.20)
Die interessante Bewegung ist die gleichformige Beschleunigung des Detektors, die man
gunstigerweise in Rindler-Koordinaten angibt. Wir verwenden hier ein wenig andere
Rindlerkoordinaten:
x =1
ρcosh τ, t =
1
ρsinh τ, (2.2.21)
wobei ρ die Eigenbeschleunigung und τ/ρ die Eigenzeit des Detektors sind. Mit diesen
Rindler-Koordinaten und der Vereinfachung x′ = 0 ergibt sich fur die Wightman-
Funktion (2.2.19):
G+(τ) = 〈0|Φ(τ)Φ(0)|0〉 = − ρ2
16π2
1
sinh2(τ2− iρε
2
) , (2.2.22)
und daher erhalt man fur die Ubergangswahrscheinlichkeit:
c2
2π
∑E
| 〈E|m(0)|E0 〉 |2ω
e2πω/ρ − 1. (2.2.23)
Hier erkennen wir den Planck-Faktor(e2πω/ρ − 1
)−1=(eβhω − 1
)−1wieder, wobei
β = 1kBT
und kB der Boltzmann-Faktor ist. Aus dem Vergleich erhalt man fur die
Temperatur T :
T =hρ
2πkB(2.2.24)
Das Gleichgewicht zwischen dem beschleunigten Detektor und dem Feld φ im Vaku-
umzustand ist das gleiche, wie wenn der Detektor unbeschleunigt einem Warmebad
der Temperatur (2.2.24) ausgesetzt wurde.
Wie man sieht, ist die Temperatur nur von der Beschleunigung abhangig und nicht
von der Geschwindigkeit.
2.3. HAWKING-EFFEKT 25
2.2.3 Physikalische Interpretation
Der Unruh-Effekt erscheint auf den ersten Blick paradox zu sein. Ein inertialer und ein
gleichformig beschleunigter Beobachter widersprechen einander, wenn es um die Frage
geht, ob sich ein Skalarfeld in einem gewissen Raumbereich nun in einem Vakuum-
zustand befindet oder nicht. Von ihrem jeweiligen Standpunkt aus betrachtet haben
beide Recht. Aus der Sicht der Quantenfeldtheorie spielt der Teilchen-Begriff eine un-
tergeordnete Rolle. Er dient in der Regel nur zur Kennzeichnung von Zustanden.
Betrachtet man den Erwartungswert 〈ψ|Tµν |ψ 〉 des Energie-Impuls-Tensors Tµν in
einem beliebigen Zustand |ψ 〉, so gilt aufgrund der Tensoreigenschaft von Tµν :
〈ψ|Tµν |ψ 〉 = 〈ψ|T ′µν |ψ 〉 , (2.2.25)
wobei Tµν der Energie-Impuls-Tensor in Minkowski-Koordinaten und T ′µν der entspre-
chende Tensor in z.B. Rindler-Darstellung ist. Wenn also der inertiale Beobachter in der
Minkowski-Raumzeit keine Teilchen mißt, so sollte der beschleunigte Beobachter auch
keine Teilchen messen. Das Warmebad in welchem sich der beschleunigte Beobachter
befindet, kann nicht dem Warmebad der klassischen Thermodynamik gleichen.
Will man am Teilchenbegriff weiterhin festhalten, so konnte man die asymptotisch
flache Raumzeit dazu verwenden, ein globales Vakuum zu definieren. Die Rechtferti-
gung dafur ware die in der Quantenfeldtheorie stets getroffene Annahme, daß jegliche
Wechselwirkung im raumlich und zeitlich Unendlichen verschwindet. Man konnte dann
einen naturlichen Teilchenbegriff definieren.
In Abschnitt (2.2.2) haben wir den Unruh-DeWitt-Detektor betrachtet. Im “Teilchen-
bild“ mußte man den Meßvorgang wie folgt beschreiben: Befindet sich das skalare
Quantenfeld im Minkowski-Vakuum, dann wird der beschleunigte Beobachter (B) die-
sen Zustand durch eine thermische Dichtematrix beschreiben. Der Detektor von (B)
wird daher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in einen angeregten Zustand uber-
gehen und dies als Teilchendetektion beschreiben. Der inertiale Beobachter beschreibt
dies aber als Emission eines Teilchens durch den Detektor begleitet von der Anderung
des Detektorzustands aufgrund der Abstrahlung.
2.3 Hawking-Effekt
Der Unruh-Effekt basierte auf der Beobachtung des Minkwoski-Vakuums von einem be-
schleunigten Beobachter aus. Nun sollte aufgrund des Aquivalenzprinzips ein ahnlicher
Effekt auf gekrummten Raumzeiten existieren. Historisch gesehen wurde dieser Effekt
von Hawking vor dem Unruh-Effekt entdeckt [21]. Er untersuchte dabei den Kollaps
eines spharisch-symmetrischen Sterns hin zu einem Schwarzen Loch. Der Außenraum
solch eines Schwarzen Lochs wird durch die Schwarzschild-Metrik beschrieben:
ds2 = −(
1− 2GM
r
)dt2 +
(1− 2GM
r
)−1
dr2 + r2dΩ2, (2.3.1)
26 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
mit dΩ2 = dθ2 + sin2 θ dφ2.
Um die Analogie zwischen diesen beiden Effekten zu unterstreichen, entwickeln wir
die Schwarzschild-Metrik in der Koordinate r um den Horizont r = 2GM . Fuhren
wir zusatzlich die neue Koordinate ρ ein mit ρ2
8GM= r − 2GM und verwenden die
Oberflachengravitation κ (Gl. A.3.7), dann erhalten wir fur das Linienelement:
ds2 = −κ2ρ2dt2 + dρ2 +1
4κ2dΩ2. (2.3.2)
Entscheidend sind die ersten beiden Terme, die verglichen mit (2.2.1), fur κ = a iden-
tisch sind. Wir konnen daher die Vermutung außern, daß wieder eine Temperatur ins
Spiel kommt. Diesmal tritt an die Stelle der Beschleunigung a die Oberflachengravita-
tion κ.
Betrachten wir ein Klein-Gordon-Feld auf einem Schwarzschild-Hintergrund, so konnen
wir den mathematischen Apparat aus (2.1) ubernehmen und aufgrund der spharischen
Symmetrie das Feld φ in einen Radial- und einen Winkelanteil zerlegen:
φ(x) =f(t, r)
rYlm(θ, φ). (2.3.3)
Die Klein-Gordon-Gleichung schreibt sich dann mit diesem Ansatz unter Verwendung
der “Schildkroten“-Koordinate r∗ = r + 2GM ln | r2GM− 1| (A.4) wie folgt:
∂2f
∂t2− ∂2f
∂r2∗
+ V (r∗)f = 0, (2.3.4)
mit dem Potential V (r∗) =(1− 2GM
r
) [ l(l+1)r2 + 2GM
r3 +m2].
Betrachten wir den Fall m = 0, so verschwindet das Potential sowohl fur r → 2GM
als auch fur r → ∞ und es liegt jeweils die freie Wellengleichung vor. Da wir speziell
auf diese Grenzen zuruckgreifen, veranschaulichen wir uns die Schwarzschild-Raumzeit
durch die Penrose-Darstellung in Kruskal-Koordinaten (siehe auch Abbildung A.5):
Abbildung 2.3: Durch eine konforme Transformation laßt sich die komplette Kruskal-
Raumzeit darstellen [28, 35].
2.3. HAWKING-EFFEKT 27
Der fur uns interessante Teil ist der Bereich (I). Betrachten wir das Klein-Gordon-
Feld als klassische Welle im Bereich (I), so muß diese entweder aus dem Unendlichen
J − oder aus dem Bereich (IV) (Weißes Loch) gekommen sein. Schließlich kann die
Welle entweder in das Schwarze Loch (II) oder ins Unendliche J + laufen. Wie in der
Streutheorie haben wir als Anfangs- und Endbedingung asymptotisch eine ebene Wel-
le, die wahrend ihrer Propagation an einem Potential “gestreut“ wird. Es ist daher
plausibel, daß eine Losung der Gleichung (2.3.4) entweder durch die Randbedingun-
gen auf dem Weißloch-Horizont und J − oder durch die Randbedingungen auf dem
Schwarzloch-Horizont und J + eindeutig bestimmt wird [59].
Wir wollen hier nicht die komplizierte Rechnung von Hawking [21, 59] nachvoll-
ziehen, sondern lediglich auf einige wichtige Punkte zu sprechen kommen. Zunachst
beschranken wir uns auf Losungen fω der Gleichung (2.3.4) mit positiver Frequenz
ω > 0, die wir auf J + und J − wohl definieren konnen. In der Nahe des Horizonts laßt
sich eine Losung fω aufgrund des verschwindenden Potentials V (r∗) in “einlaufende“
und “auslaufende“ ebene Wellen zerlegen:
fω = ae−iωu + be−iωv = f (out)
ω + f (in)
ω ,
mit den Nullkoordinaten u = t−r∗ und v = t+r∗. Nahe dem Horizont geht u→∞ und
daher oszilliert f (out)ω sehr stark. Aus der Optik ist bekannt, daß fur sehr hohe Frequenzen
sich die Wellenoptik auf die Geometrische Optik vereinfachen laßt. Analog dazu konnen
wir auch hier von “Lichtstrahlen“ bzw. Strahlen der skalaren Welle sprechen.
Hawking (1975) zeigte anhand eines nach J + auslaufenden Strahls γ, den er bis J −zuruckverfolgte (Abbildung 2.4), wie sich dessen Frequenz andert.
Danach ist ein Mode positiver Frequenz auf J + eine Mischung aus positiver und
negativer Frequenz auf J −. Fur das Verhaltnis der Bogoljubov-Koeffizienten α und β
erhielt er:
βωω′ = −e−πω/καωω′ .
Daraus folgt mit der Beziehung (2.1.22):
|β|2 =1
e2πω/κ − 1,
Die Anzahl emitierter Teilchen je Einheitszeit ist im Frequenzintervall [ω, ω + dω]:
dω
2π
1
e2πω/κ − 1.
Dies entspricht einer Planck-Verteilung der Hawking-Temperatur
TBH =hκ
2πkB
,
mit der Oberflachengravitation κ und der Boltzmann-Konstanten kB. Die Hawking-
Temperatur (2.3.5) folgt aus der Unruh-Temperatur (2.2.24) durch die Substitution der
28 KAPITEL 2. UNRUH- UND HAWKING-EFFEKT
Abbildung 2.4: Das Penrose-Diagramm zeigt den Kollaps eines Sterns zu einem
Schwarzen Loch. Die linke vertikale Linie entspricht dabei dem Koordinatenursprung.
γ beschreibt einem “Lichtstrahl“, der von J + aus bis J − zuruckverfolgt wird. γH kenn-
zeichnet den Grenzstrahl, der auf dem Horizont bleibt [28].
Beschleunigung ρ zur Oberflachengravitation κ. Im Fall eines Schwarzschild Schwarzen
Lochs mit der Oberflachengravitation κ = (4GM)−1 erhalt man fur TBH:
TBH ≈ 10−6 MM
K, (2.3.5)
dabei ist M ≈ 2 · 1030kg die Sonnenmasse. Je großer die Masse des Schwarzen Lochs
ist, desto kuhler ist dessen Hawking-Temperatur.
Nehmen wir an, daß die ins Unendliche abgestrahlte Energie gleich der Massenab-
nahme des Schwarzen Lochs ist, dann konnen wir mit dem Stefan-Boltzmann-Gesetz
eine Abschatzung fur dessen Lebensdauer machen. Die Massenabnahme des Schwarzen
Lochs ist einerseits proportional zur Flache A, die wiederum proportional zum Qua-
drat der Masse des Lochs ist. Andererseits ist sie zur vierten Potenz der abgestrahlten
Strahlungsleistung proportional:
dM
dt∝ −AT 4
BH ∝ −M2
(1
M
)4
= − 1
M2. (2.3.6)
Daraus folgt nach Integration fur M < M0:
tLeben(M) ∝M30 −M3, (2.3.7)
mit der Anfangsmasse M0. Der Endzustand kann allerdings mit den heutigen Mitteln
nicht erklart werden. Sinkt die Masse auf einen Wert unterhalb der Planck-Masse, so
kann nicht mehr vorausgesetzt werden, daß die obigen Berechnungen noch Gultigkeit
besitzen.
Kapitel 3
Gravitation als Quantenfeldtheorie
3.1 Gravitation ohne Geometrie
Betrachtet man die Allgemeine Relativitatstheorie vom Standpunkt eines Teilchenphy-
sikers, so soll auch die Gravitation, wie die anderen drei Wechselwirkungen, durch Aus-
tausch von Wechselwirkungsteilchen, hier Gravitonen, beschrieben werden. Die Geom-
trie, die in der ART fur die Gravitation verantwortlich gemacht wird, tritt in den
Hintergrund. Der Schauplatz ist nun, wie in der relativistischen Quantentheorie, die
Minkowski-Raumzeit.
Die Eigenschaften der Gravitation, die auch in einer ”Gravitonen-Theorie” auftau-
chen mussen, sind [16]:
i) unendliche Reichweite
ii) 1/r2-Abhangigkeit
iii) anziehend
iv) koppelt mit gleicher Starke an jegliche Materie (schwaches Aquivalenzprinzip)
Diese Forderungen legen die Eigenschaften eines Gravitons fest. So muß deren Mas-
se verschwinden, um die unendliche Reichweite zu garantieren. Der Spin kann nicht
halbzahlig sein, da dies die Drehimpulserhaltung verletzen wurde. Ein Austausch von
zwei Gravitonen ware dann zwar denkbar, jedoch erhielte man dann eine falsche radia-
le Abhangigkeit. Um die Theorie nicht mutwillig kompliziert zu machen, beschrankt
man sich auf ganzzahlige Spins. In der Quantenelektrodynamik sind die Photonen, die
Spin-1 besitzen, die Trager der Wechselwirkung. Sie sind aber verantwortlich fur die
Abstoßung gleichnamiger Ladungen. Damit ist ein Graviton mit Spin-1 aus dem Ren-
nen. Weinberg zeigte [62], daß fur Spins großer als 2 keine niederenergetische Losung
moglich ist, da es keine erhaltenen statischen Großen fur die Massen gibt. Im Weiteren
sei das masselose Spin-2-Feld als Graviton-Feld bezeichnet.
29
30 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
3.2 Hilbert’s Wirkungsprinzip
Hilbert zeigte 1915, kurz vor Erscheinen der Arbeit von Einstein, wie sich dessen Glei-
chungen aus einem Wirkungsprinzip herleiten lassen [35]. Die einfachst mogliche Wir-
kung setzt sich aus der Lagrangefunktion
Lg =c3
16πGR (3.2.1)
zusammen, wobei c die Lichtgeschwindigkeit, G die Newtonsche Gravitationskonstante
und R der Riemannsche Krummungsskalar darstellen. Die Wirkung ist damit
W =
∫d4x√−g[R
2κ2+ LM(A, gµν)
](3.2.2)
mit κ2 = 8πG/c3, g ≡ det(gµν) und der kovarianten Lagrange-Funktion der Mate-
riefelder LM , die nur von der Metrik gµν und nicht von deren Ableitungen abhangen
soll.
Im Gegensatz zum Wirkungsprinzip in der klassischen Mechanik oder der Elek-
trodynamik, wo nur erste Ableitungen auftauchen, gibt es in der Lagrangefunktion
(3.2.1) auch zweite Ableitungen. Palatini schlug (1919) vor, nicht nur die Komponen-
ten des Metrik-Tensors gab als unabhangige Variablen zu betrachten, sondern zusatz-
lich die affinen Konnexionen Γλµν . Dies ahnelt in der klassischen Mechanik der Wahl
der unabhangigen Koordinaten x und p = mx und vereinfacht hier die Herleitung der
Einstein-Gleichung deutlich. Die Variation von (3.2.1) nach gµν und Γλµν liefert zunachst
einen Term, der beide Großen koppelt, jedoch verschwindet dieser nach partieller, ko-
varianter Integration. Es folgt dann
Gµν =8πG
c3
(gµνLM − 2
δLMδgµν
)=
8πG
c3Tµν (3.2.3)
Die Identifikation der Klammer mit dem Energie-Impuls-Tensor geht einher mit der
Ersetzung der flachen Metrik ηµν in LM durch die Metrik gµν und dem Ubergang von
der gewohnlichen zur kovarianten Ableitung. Das Problem dabei ist, daß bei der kova-
rianten Ableitung wieder Christoffelsymbole auftauchen und die bisherige Herleitung
zerstoren. Ausnahmen davon sind das skalare und das elektromagnetische Feld, denn
hier kurzen sich diese Christoffelsymbole weg. Daher werden hier auch nur diese Felder
verwendet.
3.3 Die linearisierte Lagrange-Dichte
Aus der Quantenfeldtheorie ist bekannt, daß es verschiedene Arten gibt, wie man ei-
ne bestehende klassische Feldtheorie quantisieren kann. Im wesentlichen sind dies die
kanonische und die kovariante Quantisierung. Dabei wird vorausgesetzt, daß sich die
3.3. DIE LINEARISIERTE LAGRANGE-DICHTE 31
jeweilige Theorie entweder in einer Hamilton- oder einer Lagrange-Funktion schreiben
laßt.
Ausgangspunkt fur die Herleitung eines Gravitonfeldes ist die lineare Entwicklung
der Lagrange-Dichte
LG =√−gR, (3.3.1)
wobei wir jetzt, verglichen mit (3.2.2), 2κ2 = 1 setzen. Es gelten folgende Definitionen
fur die Christoffelsymbole Γµνλ und den Riemann-Tensor Rµνρσ:
Γµνλ =1
2gµρ (gρν,λ + gρλ,ν − gνλ,ρ) , (3.3.2)
Rµνρσ = Γµνσ,ρ − Γµνρ,σ + ΓµρλΓ
λνσ − ΓµσλΓ
λνρ. (3.3.3)
Der Ricci-Tensor ergibt sich dann zu Rµν = Rαµαν und der Krummungsskalar R =
gµνRµν . Ein “,“ bezeichnet die gewohnliche Ableitung ∂µ = ∂/∂xµ.
Lineare Entwicklung heißt nun, daß der Metrik-Tensor gµν als Linearkombination der
flachen Minkowski-Metrik ηµν = diag(−1, 1, 1, 1) und einem symmetrischen Tensorfeld
hµν geschrieben wird:
gµν = ηµν + hµν . (3.3.4)
Das Tensorfeld gµν ergibt sich dann aus der Forderung gµνgνρ !
= δ ρµ zu
gµν = ηµν − hµν + hµλh νλ +O(h3). (3.3.5)
Setzen wir (3.3.4) in (3.3.2) und (3.3.3) ein, so erhalten wir der Reihe nach Terme der
Ordnung h1 beziehungsweise Terme der Ordnung h2. Die jeweilige Ordnung steht in
Klammern. Der Ubersicht halber sind die meisten Terme nicht ausmultipliziert.
Γµνλ ≈ Γµνλ(h1) + Γµνλ(h
2), (3.3.6)
Rµνρσ ≈ Rµ
νρσ(h1) +Rµνρσ(h2). (3.3.7)
Fur die Christoffelsymbole bekommen wir
Γµνλ(h1) =
1
2
(hµν,λ + hµλ,ν − h µ
νλ,
), (3.3.8)
Γµνλ(h2) = −1
2hµρ (hρν,λ + hρλ,ν − hνλ,ρ) , (3.3.9)
fur den Riemann-Tensor
Rµνρσ(h1) = Γµνσ,ρ(h
1)− Γµνρ,σ(h1)
=1
2
(hµσ,νρ + h µ
νρ, σ − h µνσ, ρ − hµρ,νσ
),
32 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Rµνρσ(h2) = Γµνσ,ρ(h
2)− Γµνρ,σ(h2) + Γµρλ(h1)Γλνσ(h1)− Γµσλ(h
1)Γλνρ(h1)
= −1
2hµκ,ρ (hκν,σ + hκσ,ν − hνσ,κ)−
1
2hµκ (hκν,σρ + hκσ,νρ − hνσ,κρ)
+1
2hµκ,σ (hκν,ρ + hκρ,ν − hνρ,κ) +
1
2hµκ (hκν,ρσ + hκρ,νσ − hνρ,κσ)
+1
4
(hµρ,λ + hµλ,ρ − h µ
ρλ,
) (hλν,σ + hλσ,ν − h λ
νσ,
)−1
4
(hµσ,λ + hµλ,σ − h µ
σλ,
) (hλν,ρ + hλρ,ν − h λ
νρ,
),
und fur den Ricci-Tensor
Rµν(h1) = Rα
µαν(h1) =
1
2
(hαν,µα + h α
µα, ν − h αµν, α − hαα,µν
)Rµν(h
2) = −1
2hακ,α (hκν,σ + hκσ,ν − hνσ,κ)−
1
2hακ (hκσ,να − hνσ,κα)
+1
2hακ,σ (hκν,α + hκα,ν − hνα,κ) +
1
2hακ (hκα,νσ − hνα,κσ)
+1
4
(hαα,λ + hαλ,α − h α
αλ,
) (hλµ,ν + hλν,µ − h λ
µν,
)−1
4
(hαν,λ + hαλ,ν − h α
νλ,
) (hλµ,α + hλα,µ − h λ
µα,
).
Fur den Krummungsskalar erhalten wir schließlich
R = gµνRµν ≈ (ηµν − hµν)Rµν ,
R(h1) = ηµνRµν(h1) = hµα,µα − hα µ
α, µ,
R(h2) = ηµνRµν(h2)− hµνRµν(h
1)
= −1
2hακ,α
(2h ν
κν, − hνν,κ)− 1
2hακ
(h νκν, α − hνν,κα
)+
1
2hακ,ν
(h νκ ,α + h ν
κα, − hνα,κ)
+1
2hακ
(h νκα, ν − h ν
να,κ
)+
1
4hαα,λ
(2hλν,ν − hν λ
ν,
)− 1
4
(hαν,λ + hα ν
λ, − hν αλ,
) (hλµ,α + hλα,µ − h λ
µα,
)−1
2hνσ
(hασ,να − h α
νσ, α − hαα,νσ + h ανα, σ
).
Die Determinante ergibt sich zu
g ≡ det(gµν) ≈ −1− hαα,
und daraus
√−g =
√1 + hαα ≈ 1 +
1
2hαα.
3.4. DIE ART ALS EICHTHEORIE 33
Damit erhalten wir fur die Lagrange-Dichte der Gravitation
L = L (h1) + L (h2) =√−gR ≈
(1 +
1
2hαα
)R,
L (h1) = R(h1) = hµα,µα − hα µα, µ,
L (h2) = R(h2) +1
2hααR(h1) ∼ LG,
wobei wir nach partieller Integration und Vernachlassigung von Oberflachentermen die
gesuchte Lagrange-Dichte bekommen
LG =1
4
(hαµ,λh
λαµ, − hαα,λhµ λ
µ, + 2hαα,λhλ µµ, − 2hαµ,λh
λµ,α
). (3.3.10)
Prinzipiell von Interesse ist auch noch L (h3). Dieser Term wird zur Bestimmung des
3er-Vertex in der Quantenfeldtheorie gebraucht. Er entsteht aus den folgenden Elemen-
ten, die wir hier aber nicht weiter berechnen, sondern nur der Vollstandigkeit halber
angeben wollen
Γµνλ(h3) =
1
2hµτh ρ
τ (hρν,λ + hρλ,ν − hνλ,ρ) ,
Rµνρσ(h3) = Γµνσ,ρ(h
3)− Γµνρ,σ(h3),
Rνσ(h3) = Rανασ(h3),
R(h3) = ηµνRµν(h3)− hµνRµν(h
2) + hµτh ντ Rµν(h
1),
L (h3) = R(h3) +1
2hααR(h2)− 1
4hαβh
βαR(h1).
3.4 Die ART als Eichtheorie
Aus der klassischen Elektrodynamik [26] kennen wir schon die Eichtransformationen
des Viererpotentials
Aµ −→ A′µ = Aµ + ∂µλ, (3.4.1)
mit einer beliebigen skalaren Funktion λ(x). Der Feldstarketensor F µν = ∂µAν − ∂νAµbleibt unter (3.4.1) erhalten und damit auch die freie Lagrange-Dichte
LED = −FµνF µν . (3.4.2)
Die Eichtransformation (3.4.1) andert also nichts am physikalischen Gehalt des mit
LED beschriebenen Systems. Wie wir sehen werden, ubernehmen in der Allgemeinen
Relativitatstheorie die Koordinatentransformationen die Rolle der Eichtransformatio-
nen.
34 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
3.4.1 Koordinatentransformationen
Ein Prinzip der klassischen Allgemeinen Relativitatstheorie ist, daß alle Beobachter
gleichberechtigt sind. Insbesondere ist die Theorie invariant unter Koordinatentrans-
formationen
xµ −→ ξµ (xν) . (3.4.3)
Die Metrik gµν ist ein Tensor und geht daher unter Koordinatentransformationen uber
zu
gµν −→ g′µν = XαµX
βν gαβ (ξ(x)) , (3.4.4)
mit
Xαµ =
∂ξα
∂xµ. (3.4.5)
Eine infinitesimale Koordinatentransformation, die nur um eine kleine Große εα von
der Identitat abweicht, laßt sich schreiben als
ξα = xα + κεα(x), (3.4.6)
wobei κ ein jetzt noch beliebiger Parameter ist. Dann sind die Transformationsmatrizen
Xαµ = δαµ + κ
∂εα
∂xµ. (3.4.7)
In der linearisierten Naherung, in der die Metrik nach kleinen Storungen hµν von der
flachen Metrik ηµν entwickelt wird
gµν = ηµν + κhµν + . . . , (3.4.8)
lautet die infinitesimale Koordinatentransformation
gµν −→ g′µν = gµν + κελ∂λgµν + κgαν∂µεα + κgµβ∂νε
β (3.4.9)
= gµν + κ£εgµν ,
oder fur die Storung allein
hµν −→ h′µν = hµν + ∂µεν + ∂νεµ + κ(hαν∂µε
α + hµβ∂νεβ + ελ∂λhµν
).(3.4.10)
= hµν + κ£εhµν
Die Hintereinanderausfuhrung zweier infinitesimaler Koordinatentransformationen
sollte nun wieder eine sein. Betrachten wir dazu zwei Transformationen der Art (3.4.6)
so ist die Hintereinanderausfuhrung (der Ubersicht halber mit unteren Indizes)
ξ′′µ = ξ′µ (ξν(x)) = ξµ(x) + κε′µ (ξν(x))
= xµ + κεµ(x) + κε′µ(x) + κ2∂ε′µ∂xα
εα, (3.4.11)
3.5. BEWEGUNGSGLEICHUNGEN 35
wohingegen die umgekehrte Hintereinanderausfuhrung sich zu
ξµ = ξµ (ξ′ν(x)) = ξ′µ(x) + κεµ (ξ′ν(x))
= xµ + κε′µ(x) + κεµ(x) + κ2 ∂εµ∂xα
ε′α (3.4.12)
ergibt. Wie man sieht, unterscheiden sich (3.4.11) und (3.4.12) im letzten Term. Be-
trachtet man Koordinatentransformationen nur bis erster Ordnung, so tritt dieser letzte
Term nicht auf und zwei Transformationen sind kommutativ. Ab der zweiten Ordnung
muß dieser Term berucksichtig werden und zwei Transformationen sind dann nicht
mehr kommutativ. Eine Hintereinanderausfuhrung zweier Koordinatentransformatio-
nen sollte sich wieder in der Form (3.4.6) schreiben lassen, mit
εα = εα + ε′α +1
2cαβγε
βε′γ, (3.4.13)
wobei die Strukturkoeffizienten cαβγ auch Ableitungsoperatoren beinhalten konnen und
sich aus folgender Rechnung ergeben:
Fuhren wir dafur zunachst eine Transformation (3.4.10) mit ε und dann mit ε′ durch.
h′µν muß sich aber auch aus einer Transformation mit (3.4.13)ergeben, wodurch wir die
cαβγ bestimmen. Es genugt naturlich, wenn wir uns dafur die Terme die bilinear in ε
und ε′ sind anschauen.
Die Gruppenstruktur der Koordinatentransformationen (3.4.3), sowie die Aquivalenz
physikalischer Zustande unter diesen Transformationen entspricht der Eichfreiheit der
Allgemeinen Relativitatstheorie.
3.4.2 Eichinvarianz der linearisierten Lagrange-Dichte
Betrachten wir zunachst Koordinatentransformationen bis zur ersten Ordnung, so re-
duziert sich (3.4.10), da sowohl εα in (3.4.6) als auch hµν in (3.4.8) kleine Großen sein
sollen, auf
hµν −→ h′µν = hµν + ∂µεν + ∂νεµ. (3.4.14)
Nach einer langeren Rechnung sehen wir, daß (3.3.10), bis auf quadratische Terme
in ε und Oberflachenterme, invariant unter dieser Koordinatentransformation bleibt.
Eine etwas muhsamere Rechnung ist es, will man die Invarianz bezuglich Koordina-
tentransformationen zweiter Ordnungen (3.4.10) zeigen, doch auch sie wird mit Erfolg
gekront.
3.5 Bewegungsgleichungen
Die Lagrange-Dichte (3.3.10) beinhaltet nur erste Ableitungen, es konnen also die Be-
wegungsgleichungen aus den gewohnlichen Euler-Lagrange-Gleichungen
∂c∂LG
∂hab,c− ∂LG
∂hab= 0 (3.5.1)
36 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
bestimmt werden [25] . Beachtet man die Symmetrie von hµν , so erhalten wir nach
kurzer Rechnung
2hab − ηab2h+ ηabh ,cdcd + h,ab − hλa,bλ − hλb,aλ = 0. (3.5.2)
Kontrahieren wir (3.5.2) mit ηµν , so ergibt sich
2h− ∂α∂βhαβ = 0, (3.5.3)
und folglich kann (3.5.2) reduziert werden auf
2hab + ∂a∂bh− ∂b∂λhλa − ∂a∂λhλb = 0. (3.5.4)
Wie oben bemerkt, bleibt L unter Eichtransformationen (3.4.14) invariant. Dies laßt
sich nun zur Vereinfachung der Bewegungsgleichungen verwenden, indem wir eine be-
stimmte Eichung wahlen. Hier ist die Eichung von Fock und DeDonder gunstig
∂µhµν − 1
2∂νhαα = 0. (3.5.5)
Sie reduziert (3.5.4) auf die einfache und bereits aus anderen Theorien bekannte Form
2hµν = 0, (3.5.6)
und stellt an die Eichfunktion εν(x) aus (3.4.14) die Bedingung
2εν(x) = 0. (3.5.7)
Zahlen wir die unabhangigen Freiheitsgrade, die von einem symmetrischen Tensor mit
4 × 4 Eintragen ubrig bleiben, so kommen wir von anfanglichen zehn, abzuglich vier
aus der Fock-DeDonder-Eichung (3.5.5) und weiteren vier aus der Bedingung (3.5.7),
auf lediglich zwei.
Die allgemeine Losung von (3.5.6) erhalten wir durch einen Ansatz von ebenen
Wellen, die sich in z-Richtung aubreiten und den Impuls pµ = (p0, 0, 0, p3) tragen
sollen. Mit einem symmetrischen Tensor ζµν ist dann
hµν = ζµνeipx − ζ∗µνe−ipx. (3.5.8)
Aus dem relativistischen Energiesatz ergibt sich, unter der Voraussetzung, daß die
Ruhemasse verschwindet, die Bedingung pµpµ = 0. Die Fock-DeDonder-Eichung stellt
die Bedingung
pµζµν − 1
2pνζαα = 0. (3.5.9)
Berechnen wir daraus die ζµν , so stellt sich heraus, daß lediglich ζ11 und ζ12 von phy-
sikalischer Bedeutung sind. Ihre Linearkombination
ζ± = ζ11 ∓ iζ12 (3.5.10)
transformiert sich unter raumlichen Drehungen wie Zustande der Helizitat ±2. Dies
laßt den Schluß zu, daß hµν tatsachlich masselose Spin-2 Teilchen beschreibt, die wir
im weiteren als Gravitonen bezeichnen werden.
3.6. ANKOPPLUNG VON MATERIEFELDERN 37
3.6 Ankopplung von Materiefeldern
Wir betrachten hier der Einfachheit halber vorwiegend skalare Felder. Solange wir die
Gravitation noch nicht ins Spiel bringen, gilt die aus der Quantenfeldtheorie bekannte
Lagrangedichte skalarer Felder.
Lφ = −1
2∂µφ∂µφ−
1
2m2φ2. (3.6.1)
Nun wollen wir hier aber die Gravitation berucksichtigen. Dies erreichen wir durch die
sogenannte Minimale Kopplung, bei der die normale Ableitung ∂µ durch die kovariante
Dµ ersetzt wird und die Lagrange-Dichte mit√−g multipliziert werden muß. Es konnen
aber auch noch weitere Terme auftreten. Insgesamt erhalten wir
Lφ =√−g[−1
2DµφDµφ−
1
2m2φ2 + aRφ2 + . . .
]. (3.6.2)
Der letzte Term in (3.6.2) sichert fur a = 1/6 die konforme Invarianz der Klein-Gordon-
Gleichung in gekrummten Raumzeiten.
In der linearisierten Naherung erhalten wir fur die Lagrange-Dichte
Lφ ≈ (1 + hαα)
(−1
2gµν∂
µφ∂νφ− 1
2m2φ2 + a(h αβ
αβ, − h α, α)φ2
)(3.6.3)
∼ −1
2∂µφ∂µφ−
1
2m2φ2 +
1
2hαα
(−1
2∂µφ∂µφ−
1
2m2φ2
)(3.6.4)
+1
2hµν∂
µφ∂νφ+ a(hαβ∂
α∂β − h∂2)φ2,
wobei wir in (3.6.3) den Term proportional zu a zweimal partiell integriert haben. Da
wir, wie oben bereits bemerkt, nur den Austausch von einem Graviton berucksichtigen
wollen, durfen hier auch nur Terme linear in h auftreten. Gleichung (3.6.3) kann auch
wie folgt geschrieben werden:
Lφ ≈ −1
2∂µφ∂µφ−
1
2m2φ2 − hµνT µν , (3.6.5)
mit
T µν =1
4ηµν(∂αφ∂αφ+m2φ2
)− 1
2∂µφ∂νφ− a∂µ∂νφ2 + aηµν∂2φ2. (3.6.6)
Der letzte Term in (3.6.5) entspricht der Kopplung des skalaren Felds an das Gravita-
tionsfeld.
3.7 Pfadintegralmethode
Fur die spatere Herleitung der Feynman-Regeln bedarf es eines kurzen Einblicks in
die Pfadintegralmethode. Sie ermoglicht es, relativ schnell aus der Lagrange-Dichte die
38 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Propagatoren und Vertizes zu berechnen. Der erste Schritt ist dabei die prinzipielle
Umsetzung von Matrixelementen in Pfadintegrale. Fugt man kunstlich einen Quell-
term hinzu, so kann man aus einem Funktionalintegral alle Matrixelemente mittels
Funktionalableitung erzeugen.
Die Pfadintegralmethode laßt sich auch auf die Quantenfeldtheorie ubertragen, wo-
bei wir hier auf die damit verbundenen Probleme nicht naher eingehen wollen.
3.7.1 Ubergangsmatrixelemente als Pfadintegrale
Betrachtet man ein quantenmechanisches System mit lediglich einem freien Parameter
[40], so ist die Ubergangsamplitude fur den Ubergang vom Ortseigenzustand |x〉 zur
Zeit t in den Zustand |x′ 〉 zur Zeit t′ uberzugehen mit dem Hamiltonoperator H gegeben
durch:
〈x′, t′|x, t〉 = 〈x′| exp
(− ihH(t′ − t)
)|x〉 . (3.7.1)
Dabei ist |x, t〉 der Eigenzustand des Ortsoperators XH im Heisenbergbild und |x〉 der
Eigenzustand des Ortsoperators XS im Schrodingerbild.
Das Zeitintervall t′ − t wird nun in (n+ 1) kleine Zeitintervalle ε aufgeteilt, wobei ε
nachher gegen Null laufen soll:
t′ − t = (n+ 1)ε,
tj = jε+ t (j = 1, . . . , n).
Es kann dann fur jedes Zeitintervall tj− tj−1 die Ubergangsamplitude〈xj, tj|xj−1, tj−1 〉berechnet werden. Ist der Hamiltonoperator H = H(X, P ) von der Form H = f(P ) +
g(X) und verwendet man die Vollstandigkeitsrelation∫dxj|xj, tj 〉 〈xjtj| = 1, so erhalt
man nach kurzer Rechnung:
〈x′, t′|x, t〉 = limn→∞
∫ n∏j=1
dxj
∫ n+1∏j=1
dpj2πh
exp
i
h
n+1∑j=1
[pj(xj − xj−1)
− H(pj, xj−1)(tj − tj−1)]
,
mit der Hamiltonfunktion H. Im Grenzfall n → ∞(ε → 0) laßt sich dies in einer
kompakten Notation schreiben:
〈x′, t′|x, t〉 =
∫DxDp2πh
exp
i
h
∫ t′
t
[px−H(p, x)] dτ
, (3.7.2)
mit dem Funktionalintegralmaß Dx =∏
τ dx(τ). Integriert wird uber alle Phasenraum-
wege, die die Randbedingungen x(t) = x und x(t′) = x′ erfullen.
3.7. PFADINTEGRALMETHODE 39
Ist der Hamiltonoperator von der einfachen Form
H =1
2mP 2 + V (X),
so kann die Integration uber den Impuls ausgefuhrt werden und aus (3.7.2) wird
〈x′, t′|x, t〉 =1
N
∫Dx2πh
exp
(i
hS[x]
), (3.7.3)
wobei S[x] =∫ t′tL(x, x′)dτ das Wirkungsintegral fur den Pfad x(τ), L(x, x) = 1
2mx2−
V (x) die Lagrangefunktion und N der Normierungsfaktor ist. Fur letzteren gilt:
1
N=
∫Dp exp
(− ih
∫ t′
t
p2
2mdτ
). (3.7.4)
3.7.2 Erzeugendes Funktional
Im Weiteren ist es wichtig, Matrixelemente von Zeitgeordneten Operatoren zu betrach-
ten. Man erhalt zum Beispiel folgende Relation:
〈x′, t′|TX(t1) . . . X(tN)|x, t〉 =
∫DxDp2πh
x(t1) . . . x(tN) exp
i
h
∫ t′
t
[px−H(p, x)]dτ
,
mit der Definition des Zeitordnungsoperators
TX(t1)X(t2) =
X(t1)X(t2) : t1 > t2X(t2)X(t1) : t2 > t1
.
Fugt man nun einen Quellterm J(τ) ein:
〈x′, t′|x, t〉J :=
∫DxDp2πh
exp
i
h
∫ t′
t
[px−H(p, x) + hJ(τ)x(τ)]dτ
, (3.7.5)
so kann 〈x′, t′|x, t〉J als Erzeugendenfuntional verwendet werden:
〈x′, t′|TX(t1) . . . X(tN)|x, t〉 =
(1
i
)NδN
δJ(t1) . . . δJ(tN)
∣∣∣∣J=0
〈x′, t′|x, t〉J . (3.7.6)
Dabei ist die Funktionalableitung eines Funktionals
F [J ] =
∫dt′f(t′)J(t′) (3.7.7)
definiert als:
δF [J ]
δJ(t)= f(t). (3.7.8)
40 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Von besonderem Interesse sind vor allem in der Quantenfeldtheorie Vakuum–Vakuum
Ubergange. Nimmt man an, daß die Lagrange-Funktion des Systems zeitunabhangig
ist, dann kann die Wellenfunktion des Vakuums beschrieben werden durch: φ0(x, t) =
〈x, t|0〉. Den Vakuumerwartungswert eines zeitgeordneten Produkts aus Ortsoperatoren
erhalt man dann aus:
〈0|TX(t1) . . . X(tN)|0〉 =
(1
i
)NδN
δJ(t1) . . . δJ(tN)
∣∣∣∣J=0
W [J ],
mit
W [J ] = 〈0|0〉J =
∫dx′ dx φ∗0(x′, t′) 〈x′, t′|x, t〉J φ0(x, t).
Das Funktional W [J ] ist das entscheidende Objekt in der Pfadintegralmethode, da aus
ihm alle Greenfunktionen berechnet werden konnen.
3.7.3 Pfadintegrale in der Quantenfeldtheorie
In einer Feldtheorie werden die Pfade x(τ) ersetzt durch Feldfunktionen φ(x), wobei
nun die Freiheitsgrade durch den kontinuierlichen Parameter x gekennzeichnet werden.
Die zentralen Objekte in der Quantenfeldtheorie sind die Greenfunktionen:
G(n)(x1, . . . , xn) = 〈0|Tφ(x1) . . . φ(xn)|0〉 .
In Analogie zur Quantenmechanik laßt sich fur die normierte Greenfunktion folgende
Beziehung postulieren:
G(n)(x1, . . . , xn) =〈0|Tφ(x1) . . . φ(xn)|0〉
〈0|0〉
= N
∫Dφ φ(x1) . . . φ(xn) exp
i
h
∫d4xL
, (3.7.9)
mit der Normierungskonstanten
1
N=
∫Dφ exp
i
h
∫d4xL
.
Ebenso kann man durch einen zusatzlichen Quellterm J(x) ein Erzeugendenfunktional
konstruieren:
W [J ] = N
∫Dφ exp
i
h
∫d4x[L + hJ(x)φ(x)]
(3.7.10)
=∞∑n=0
in
n!
∫dx1 . . . dxnG
n(x1, . . . , xn)J(x1) . . . J(xn),
und damit ist
G(n)(x1, . . . , xn) =
(1
i
)nδn
δJ(x1) . . . δJ(xn)
∣∣∣∣J=0
W [J ]. (3.7.11)
3.7. PFADINTEGRALMETHODE 41
3.7.4 Wirkungen mit quadratischer Feldabhangigkeit
In den Fallen, wo die klassische Wirkung quadratisch in der Feldvariablen Φ(x) ist:
S =1
2
∫d4x d4yΦ(x)A(x, y)Φ(y), (3.7.12)
laßt sich das Erzeugendenfunktional W [J ] schreiben als [40]:
W [J ] = exp
[(i
2h
)h2
∫d4x d4y J(x)G(x, y)J(y)
], (3.7.13)
wobei G(x, y) die Greenfunktion der klassischen Feldgleichung∫A(x, y)Φ(y) d4y = −hJ(x) (3.7.14)
ist und die Bedingungen G(t)t→±∞−→ 0 und dG(t)
dt
t→±∞−→ 0 erfullen muß. Als Beispiel dient
hier die Theorie eines freien Skalarfeldes mit der Lagrange-Dichte
LΦ =1
2
(∂µΦ∂µΦ−m2Φ2
)+
1
2iεΦ2. (3.7.15)
Der zusatzliche Term 12iεΦ2 in (3.7.15) ist notwendig, damit das Funktionalintegral
wohl-definiert ist und die Randbedingungen fur die Greenfunktion erfullt sind.
Der kinetischen Term in (3.7.17) laßt sich nach der Produktregel umschreiben zu:
∂µΦ∂µΦ = ∂µ (Φ∂µΦ)− Φ∂µ∂µΦ. (3.7.16)
Der Divergenzterm ∂µ (Φ∂µΦ) kann im Wirkungsintegral vernachlassigt werden. Die
Wirkung S lautet dann:
S =1
2
∫d4x d4yΦ(x)
[−∂µ∂µ −m2 + iε
]δ(x− y)Φ(y) (3.7.17)
Vergleicht man (3.7.12) mit (3.7.17), dann ist
A(x, y) = −[∂µ∂
µ +m2 − iε]δ(x− y) (3.7.18)
und setzt man A(x, y) in die klassische Feldgleichung (3.7.14) ein, so gilt(∂µ∂
µ +m2 − iε)
Φ(x) = hJ(x). (3.7.19)
Die Losung dieser Gleichung ist:
Φ(x) = h
∫d4y G(x− y)J(y), (3.7.20)
wobei die Greenfunktion G(x− y) die Gleichung[∂µ∂
µ +m2 − iε]G(x− y) = δ(x− y) (3.7.21)
42 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
erfullt. Die Ableitungen ∂µ beziehen sich auf die Variable x. Bildet man die Fourier-
Transformation von G(x − y) und δ(x − y), so kann diese Gleichung einfach gelost
werden. Mit
G(x− y) =1
(2π)4
∫d4kG(k) exp [−ik(x− y)] (3.7.22)
und
δ(x− y) =
∫d4k exp [−ik(x− y)] (3.7.23)
erhalt man
G(k) = − 1
k2 −m2 + iε(3.7.24)
Dies ist der Propagator eines skalaren Teilchens im Impulsraum.
3.7.5 Ein-Teilchen-Irreduzible Green-Funktion
Die vollen Greenfunktionen G(n)(x1, . . . , xn) (siehe Gleichung 3.7.9) enthalten auch sol-
che Terme, die in zwei oder mehrere Funktionen faktorisieren. Im Feynman-Diagramm
stellen sie separierte Teile dar, fur die jeweils getrennt eine Impulserhaltung gilt.
Die Ein-Teilchen-Irreduziblen (engl. one-particle-irreducible, 1PI) Green-Funktionen
Γ(n)(x1, . . . , xn) geben in niedrigster Ordnung bei geeigneter Eichung die Vertizes der
Lagrange-Funktion an. Man erhalt die 1PI-Funktionen durch funktionale Ableitung
des Erzeugendenfunktionals Γ[φ]:
Γ(n)(x1, . . . , xn) =δnΓ[φ]
δφ(x1) . . . δφ(xn)
∣∣∣∣φ=0
, (3.7.25)
welches wiederum aus
Γ(φcl) = Z[J ]− h∫d4x J(x)φcl(x) (3.7.26)
hervorgeht. Das Funktional der zusammenhangenden Greenfunktionen Z[J ] erhalt man
aus dem der vollen Greenfunktionen W [J ] uber W [J ] = exp(ihZ[J ]
). Das “klassische“
Feld φcl ist durch die Gleichung
δΓ[φ]
δφ(x)
∣∣∣∣φ=φcl
= −hJ(x) (3.7.27)
definiert. Die Quellfunktion J(x) im Funktional Γ[φcl] kann eliminiert werden, indem
man die Gleichung
φcl(x) =1
h
δZ[J ]
δJ(x)=〈0|φ(x)|0〉J〈0|0〉J
(3.7.28)
nach J(x) auflost und in die Gleichung (3.7.25) einsetzt. Kennt man also das Funktional
Z[J ] bzw. W [J ], so kann man mit (3.7.25) bei geeigneter Normierung die entsprechen-
den Vertizes berechnen.
3.7. PFADINTEGRALMETHODE 43
3.7.6 Faddeev-Popov-Determinante
Die Quantenelektrodynamik (QED) wird beschrieben durch die Lagrange-Dichte [39]:
LQED = −1
4FµνF
µν + ψ (i∂/+ ieA/−m)ψ, (3.7.29)
wobei der Feldstarketensor Fµν gegeben ist durch: Fµν = ∂µAν − ∂νAµ. Wie man leicht
nachrechnen kann ist LQED unter den Eichtransformationen
Aµ(x)g−→ Agµ = Aµ(x)− ∂µΛg(x) (3.7.30)
ψ(x)g−→ ψg = e−iΛ
g(x)ψ(x) (3.7.31)
invariant. Die Eichtransformationen an sich bilden eine Gruppe mit den beliebigen
Funktionen Λg(x) als Gruppenelemente. Die Hintereinanderausfuhrung zweier Eichtrans-
formationen ist wieder eine Eichtransformation, denn es gilt:
Aµ(x)hg−→ Ahµ(x) = Agµ(x)− ∂µΛh(x) = Aµ(x)− ∂µΛg(x)− ∂µΛh(x)
= Aµ(x)− ∂µΛg+h(x)
mit Λg+h(x) := Λg(x) + Λh(x).
Das Erzeugendenfunktional ergibt sich zu:
W =
∫DAµDψDψ exp
(i
∫d4xL + Quellterme
). (3.7.32)
Da nun uber alle Funktionen Aµ integriert wird, werden physikalisch eichinvariante
Systeme mehrfach berucksichtigt.
Betrachtet man den Konfigurationsraum der Aµ(x), so laßt sich dieser in sogenann-
te Orbits aufteilen [40]. Diese entsprechen allen Feldkonfigurationen die durch alle
moglichen Eichtransformationen aus der ursprunglichen Feldkonfiguration Aµ(x) her-
vorgehen, also der AquivalenzklasseAgµ(x)
. Der Integrand von (3.7.32) ist entlang
jedes Orbits konstant, sodaß das Integral proportional zu einer unendlichen Konstante
(dem Volumen der vollen Eichgruppe) ist. Dies ist an und fur sich noch kein Problem,
da diese Konstante normiert werden konnte. Die eigentliche Schwierigkeit liegt bei der
Bestimmung der Propagatoren bei der storungstheoretischen Behandlung von (3.7.32).
Aufgrund der Eichinvarianz konnen diese nicht bestimmt werden.
Das Ziel ist nun, eine Eichung zu fixieren und so in dem Konfigurationsraum eine
Hyperflache zu definieren, die jede Eichgruppe genau einmal schneidet. Die Eichung
wird durch das Funktional
F [Agµ] = 0 (3.7.33)
festgelegt, wobei diese Gleichung fur jedes Aµ genau eine Losung besitzen soll. Als
weiteres benotigt man das auf der Eichgruppe eichinvariante Haar-Maß Dg mit der
Eigenschaft:
Dg != D(gg′). (3.7.34)
44 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Definiert man nun ein Funktional ∆FP[Aµ] durch
1 = ∆FP[Aµ]
∫Dg δ
[F [Agµ]
], (3.7.35)
bzw.
∆−1FP [Aµ] =
∫Dg δ
[F [Agµ]
], (3.7.36)
dann gilt:
∆−1FP [Agµ] =
∫Dg′ δ[F [Agg
′
µ ]3.7.34=
∫D(gg′) δ[F [Agg
′
µ ]
=
∫Dh δ[F [Ahµ] = ∆−1
FP [Aµ]
Diese Eichinvarianz ubertragt sich durch die Beziehung (3.7.35) auf das Funktional
∆FP[Aµ]. Fugt man nun die Identitat (3.7.35) in das Wirkungsintegral (3.7.32) ein
und ordnet die Integrationen um, so kann aufgrund der Eichinvarianz der einzelnen
Faktoren die Gruppen-Integration∫Dg absepariert werden. Dieser unendliche Faktor
kann dann bei weiteren Rechnungen vernachlassigt werden.
Eine große Rolle spielt jetzt aber das eingebrachte Funktional ∆FP[Aµ], das mit
(3.7.35) umgeschrieben werden kann zu:
∆FP[Aµ] = detδF [Agµ]
δg
∣∣∣∣F [Agµ]=0
. (3.7.37)
Man bezeichnet ∆FP[Aµ] auch als Faddeev-Popov-Determinante. Dieser Ausdruck ist,
ohne auf weitere Details eingehen zu wollen, verantwortlich fur die Eichfixierung im
Erzeugendenfunktional. Durch weiter Umformungen kann gezeigt werden, daß letzt-
endlich die ursprungliche Lagrange-Dichte ersetzt werden muß durch die modifizierte
Lagrange-Dichte
Leff = L − 1
2α(F [Aµ])2 , (3.7.38)
die nicht langer eichinvariant ist; α ist eine reelle Konstante.
3.8 Graviton-Propagator
Wie in Abschnitt (3.7.6) gezeigt, mussen wir die vorliegende Eichfreiheit brechen und
der Lagrange-Dichte einen eichfixierenden Term hinzufugen. Dies geschieht hier mit
dem zusatzlichen Term:
1
2C2µ, (3.8.1)
3.8. GRAVITON-PROPAGATOR 45
wobei Cµ eine beliebige vier-komponentige Funktion sein soll, die nicht invariant sein
darf bezuglich der Eichtransformation (3.4.14). Die Bedingung Cµ = 0 legt dann die
Eichung fest und bestimmt so die Funktion εα [51].
Legen wir hier nun folgendes Cµ fest:
Cµ = ∂νhµν −1
2∂µh
νν , (3.8.2)
dann erhalten wir fur die Lagrange-Dichte:
L = LG +1
2C2µ
=1
4hαµ,λh
λαµ, −
1
8hαα,λh
µ λµ,
=1
2hαβ,λVαβµνh
µν,λ, (3.8.3)
mit
Vαβµν =1
2δαµδβν −
1
4δαβδµν . (3.8.4)
Wie man leicht sieht, ist die Lagrange-Dichte quadratisch in den Feldern hµν . Um
den Propagator zu erhalten, mussen wir noch partiell integrieren und konnen dabei
Oberflachenterme die im Unendlichen verschwinden vernachlassigen:
⇒ L = −1
2hαβVαβµν∂
2hµν . (3.8.5)
Damit das Verfahren von Abschnitt (3.7.4) direkt anwendbar ist, konnen wir eine
etwas unubersichtliche Reduzierung der Indizes vornehmen [56]. Tabelle (3.1) zeigt
die Indexzuordnung (µν → i) zwischen dem symmetrischen Tensor hµν und der neuen
zehnkomponentigen Große ψi, (i = 1, . . . , 10):
h 11 22 33 44 12 13 14 23 24 34
ψ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Tabelle 3.1: Zuordnung der Komponenten des symmetrischen Tensors hµν zu den
neuen Komponenten der 10-komponentigen Große ψi
Die Lagrange-Dichte (3.8.5) sieht in der neuen Formulierung wie folgt aus:
L = −1
2ψiVij∂
2ψj = −1
2ψiAijψ
j. (3.8.6)
Die Matrix Vij setzt sich zusammen aus
Vij =1
4
1 −1 −1 −1
−1 1 −1 −1
−1 −1 1 −1
−1 −1 −1 1
fur 1 ≤ i, j ≤ 4,
46 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Vij = δij fur i, j ≥ 5,
Vij = 0 sonst.
Die Inverse der Matrix Vij konnen wir nun leicht berechnen und wie oben setzt sie sich
aus drei Teilen zusammen:
(V −1)ij =
1 −1 −1 −1
−1 1 −1 −1
−1 −1 1 −1
−1 −1 −1 1
fur 1 ≤ i, j ≤ 4,
(V −1)ij = δij fur i, j ≥ 5,
(V −1)ij = 0 sonst.
Setzen wir den Operator Aij = Vij∂2 in (3.7.12) ein und gehen anschließend wieder
zur alten Indexschreibweise zuruck, so erhalten wir fur den Graviton-Propagator in
Impulsdarstellung den Ausdruck:
∆Gαβµν(k) =
δαµδβν + δανδβµ − δαβδµνk2 − iε
. (3.8.7)
Anstatt die Matrix Vij in die neue Indexschreibweise zu transformieren, kann man auch
die Einheitsmatrix 1Iij = δij umschreiben:
1Iαβµν =1
2(δαµδβν + δανδβµ) (3.8.8)
mit der Indexzuordnung aus Tabelle (3.1).
3.9 Der 3er-Vertex
Weinberg zeigte, daß das Aquivalenzprinzip in der Quantenfeldtheorie als “low-energy“-
Theorem auftaucht [11, 16]. Dieses besagt, daß bei genugend kleiner Frequenz jedes
System auf gleiche Weise und mit gleicher Starke an Gravitonen koppelt. Dann mussen
Gravitonen aber auch an sich selbst koppeln, was die hochgradige Nichtlinearitat der
Gravitation widerspiegelt. Es existieren also auch ohne Berucksichtigung von Materie
Graviton-Vertizes beliebiger Ordnung N (N ≥ 3). Um die Selbstwechselwirkung in
Form einer Lagrange-Dichte zu beschreiben, benotigen wir eine unendliche Reihe von
Termen:
LG = L(2) + κL(3) + κ2L(4) + . . . . (3.9.1)
3.10. DIVERGENZEN 47
p1, α1β1
p2, α2β2
p3, α3β3
Abbildung 3.1: Der 3er-Graviton Vertex ist symmetrisch in jedem Indexpaar αβ und
bleibt unverandert unter beliebigen Permutationen der Impuls-Index-Triplets.
Die Berechnung der verschiedenen Vertizes ist außerst langwierig und kompliziert [13,
16]. Dies kommt unter anderem daher, weil die Vertizes symmetrisch in jedem Index-
paar αβ und unverandert bezuglich beliebiger Permutationen der Impuls-Index-Triplets
pαβ sein mussen (siehe auch Abb. 3.1).
Der 3er-Vertex besitzt 171 Terme, die sich allerdings auf 11 reduzieren, wenn man nur
kombinatorisch unterschiedliche Terme zahlt. Der 4er-Vertex dagegen besteht bereits
aus 2850 Termen, die jedoch immerhin auf 28 reduziert werden konnen.
Von entscheidender Bedeutung ist, daß alle Vertizes Vn(n ≥ 3) quadratisch im Im-
puls sind:
Vn ∝ p2. (3.9.2)
3.10 Divergenzen
Probleme in einer Quantenfeldtheorie tauchen dann auf, wenn man uber geschlossene
Schleifen integrieren muß. Ein anschauliches Beispiel aus der Quantenelektrodynamik
ist die Elektron-Selbstenergie. Sie taucht als erste Korrektur zum freien Elektronpropa-
gator auf und entspricht der Emission und anschließenden Reabsorption eines virtuellen
Photons. Entwickeln wir die Elektron-Zwei-Punkt-Funktion bis zur zweiten Ordnung
in der Kopplungskonstanten, so erhalten wir folgendes Schaubild:
〈Ω|Tψ(x)ψ(y)|Ω〉 = x y+ x y
+ . . . ,
wobei |Ω〉 der Grundzustand in der Wechselwirkungstheorie ist [39]. Der zweite Sum-
mand stellt das Feynman-Diagramm der Elektron-Selbstenergie dar:
pkp
p− k
Abbildung 3.2: Feynman-Diagramm der Elektron-Selbstenergie.
48 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Mittels Feynman-Regeln konnen wir den Beitrag der Schleife angeben:
−iΣ2(p) = (−ie)2
∫d4k
(2π)4γµ
i(k/+m0)
k2 −m20 + iε
γµ−i
(p− k)2 − µ2 + iε, (3.10.1)
wobei die Infrarotdivergenz durch Hinzufugen einer kleinen Photonmasse µ regularisiert
wurde. Die Integration lauft von −∞ bis +∞. Die Gleichung (3.10.1) divergiert, da
die Impulspotenz des Zahlers (k5) die des Nenners (k4) ubersteigt.
3.11 Oberflachlicher Divergenzgrad
3.11.1 Wie divergent sind Feynman-Graphen?
Auch ohne direkten Bezug auf eine spezielle Quantenfeldtheorie ist es moglich, eine
vorlaufige Aussage daruber zu treffen, ob eine Theorie renormierbar ist oder nicht.
Betrachten wir dazu ein Feynman-Diagramm, welches aus folgenden Teilen zusammen-
gesetzt ist [14]:
Lext : Anzahl externer Linien
Lint : Anzahl interner Linien
VN : Anzahl Vertizes N-ter Ordnung – Verknupfung von N Linien (N ≥ 3)
Wie man sich schnell klarmachen kann, gilt folgende topologische Beziehung:
Lext + 2Lint =∑N
VNN, (3.11.1)
wobei die Summe uber alle N -Vertizes (N ≥ 3) lauft. Diese Relation wollen wir uns
kurz anhand von ’N=4’-er Vertizes an einem kleinen Schaubild klar machen. Dieses
Schaubild braucht keinem physikalischen Prozeß zu entsprechen, sondern dient lediglich
zur Veranschaulichung der Beziehung (3.11.1):
v1 v2
Abbildung 3.3: Topologie von 4er-Vertizes mit zwei externen und drei internen Linien.
Es gilt Lext = 2, Lint = 3, N = 4 und V4 = 2. Jeder Vertex besitzt vier ’Beine’.
Davon entspricht je ein Bein einer externen Linie; bleiben je noch drei Beine, die mit
anderen Vertizes verbunden sein mussen. Diese Bindung ubernimmt eine interne Linie,
die damit zwei Beine ’verbraucht’.
3.11. OBERFLACHLICHER DIVERGENZGRAD 49
Die Anzahl Lloop der Schleifen in einem Diagramm ist gegeben durch:
Lloop = Lint −∑N
VN + 1. (3.11.2)
Der Oberflachliche Divergenzgrad D ist nun definiert als:
D = (Impulspotenz im Zahler)− (Impulspotenz im Nenner). (3.11.3)
Am Beispiel eines reellen Skalarfeldes mit λφn-Wechselwirkung wollen wir das Diver-
genzverhalten von Feynmangraphen untersuchen. Die entsprechende Lagrange-Dichte
ist gegeben durch [39]:
Lφ =1
2∂µφ∂
µφ− 1
2m2φ2 − λ
n!φn, (3.11.4)
und die Wirkung S in d Dimensionen:
S =
∫ddxL . (3.11.5)
Aufgrund der λφn-Wechselwirkung treffen sich an jedem Vertex n Linien. Da es sich
hier nur um Vertizes n-ter Ordnung handelt, vereinfacht sich die topologische Beziehung
(3.11.1) zu:
Lext + 2Lint = nVn. (3.11.6)
Die Anzahl der Schleifen (3.11.2) reduziert sich entsprechend auf:
Lloop = Lint − Vn + 1. (3.11.7)
Betrachten wir ein Schleifenintegral in d Dimensionen, dann bringt jedes Schleifen-
Integral∫ddk eine Impulspotenz d in den Zahler und jede interne Linie (∝ k−2) eine
Impulspotenz 2 in den Nenner. Damit setzt sich der oberflachliche Divergenzgrad wie
folgt zusammen:
D = dL− 2Lint. (3.11.8)
Verwenden wir die Beziehungen (3.11.6) und (3.11.7), dann folgt fur D:
D = d+
(nd− 2
2− d)Vn −
d− 2
2Lext. (3.11.9)
Betrachten wir den Fall n = 4, d = 4 mit den dazugehorigen Feynman-Regeln [40]
(siehe Tabelle 3.2), so erhalten wir fur den oberflachlichen Divergenzgrad die einfache
Relation:
D = 4− Lext. (3.11.10)
50 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Propagator p
i
p2 −m2 + iε
Schleifen-Integral
∫d4k
(2π)4
Vertex q
p
r
s
−iλ, p+q+r+s = 0
Tabelle 3.2: Feynman-Regeln der λφ4-Theorie.
Aus dem oberflachlichen Divergenzgrad konnen wir bereits eine vorlaufige Einteilung
in Punkto Renormierbarkeit einer Quantenfeldtheorie vornehmen. Eine Theorie ist
super-renormierbar: wenn sie nur eine endliche Zahl an oberflachlich
divergenten Feynmangraphen besitzt,
renormierbar: wenn nur eine endliche Zahl an Amplituden ober-
flachlich divergieren; es tauchen jedoch in allen
Ordnungen Storungstheorie Divergenzen auf,
nicht-renormierbar: alle Amplituden sind in einer ausreichend hohen
Ordnung Storungstheorie divergent.
3.11.2 Dimensionen in der Lagrange-Dichte
Mit der Festlegung h = c = 1 muß auch das Wirkungsintegral
S =
∫ddx L (3.11.11)
dimensionslos sein (siehe Anhang A.1.1). Da das Differential dx aufgrund obiger Fest-
legung die Dimension (Masse)−1 = M−1 besitzt, muß die Lagrange-Dichte L die Di-
mension Md haben. Als Beispiel schauen wir uns wieder die Lagrange-Dichte aus dem
vorherigen Abschnitt (3.11.1) an:
Lφ =1
2∂µφ∂
µφ− 1
2m2φ2 − λ
n!φn. (3.11.12)
Aus dem kinetischen Term 12∂µφ∂
µφ, wie auch aus dem potentiellen Term 12m2φ2 er-
halten wir fur die Dimension des skalaren Felds:
[φ] = Md−2
2 (3.11.13)
3.11. OBERFLACHLICHER DIVERGENZGRAD 51
Die Dimension des Wechselwirkungsterms Lw = λn!φn muß wie die ungestorte Lagrange-
Dichte ebenfalls Md sein, woraus fur die Kopplungskonstante λ folgt:
[λ] = Md−n(d−2)/2. (3.11.14)
Fur die λφ4-Theorie in d = 4 Raumzeit-Dimensionen folgt, daß die Kopplungskonstante
λ dimensionslos ist.
Wir konnen die obige Einteilung in verschiedene Grade der Renormierbarkeit auch
in Abhangigkeit der Kopplungskonstanten einer Theorie umschreiben. Betrachten wir
ein beliebiges Diagramm mit N externen Linien [39]. Solch ein Diagramm kann zum
Beispiel durch eine ηφN -Wechselwirkung zustande kommen. Die Kopplungskonstante
η besitzt nach obiger Uberlegung die Dimension d − N(d − 2)/2. (Da alle Einheiten
in Potenzen der Masse ausgedruckt werden konnen, genugt die Angabe der Potenz.)
Behalten wir dies zunachst im Hinterkopf und betrachen ein Diagramm einer λφn-
Wechselwirkung mit N externen Beinen in entsprechender Ordnung. Die Dimension
der Kopplungskonstanten λ haben wir bereits in (3.11.14) angegeben. Nun konnen
wir an Stelle des eigentlichen Feynman-Diagramms ein effektives Diagramm der ηφN -
Wechselwirkung einsetzen. Dabei gilt fur die Dimensionen der Graphen:
V
[d− n
(d− 2
2
)]+D = d−N
(d− 2
2
). (3.11.15)
Das eigentliche Diagramm mit V n-Vertizes und “innerer“ Dimension D, wird also
durch einen N -Vertex mit entsprechender Dimension ersetzt. Die Große D stimmt mit
dem oberflachlichen Divergenzgrad fur N = Lext und Vn = V uberein. Die Beziehung
(3.11.15) gleicht der weiter oben hergeleiteten Beziehung (3.11.9). Betrachten wir nun
zum Beispiel eine Kopplungskonstante mit negativer Dimension [λ] < 0. Dann folgt
daraus:
a := n
(d− 2
2
)− d > 0, (3.11.16)
bzw. fur n in Abhangigkeit der Dimension d:
n >2d
d− 2. (3.11.17)
Aus der Gleichung (3.11.15) erhalten wir damit fur den oberflachlichen Divergenzgrad:
D = d+ aV − a+ d
nN. (3.11.18)
Nun steigt aber V mit der Ordnung der Storungstheorie und so wird der oberflachliche
Divergenzgrad ab einer entsprechenden Ordnung sicher positiv. Die Theorie ist dann
nicht renormierbar.
52 KAPITEL 3. GRAVITATION ALS QUANTENFELDTHEORIE
Allgemein kann man zeigen: Eine Theorie ist
super-renormierbar: wenn die Kopplungskonstante positive Dimension
besitzt,
renormierbar: wenn die Kopplungskonstante dimensionslos ist,
nicht-renormierbar: wenn die Kopplungskonstante negative Dimension
besitzt.
Eine φ4-Theorie ist daher in d = 3 Dimensionen super-renormierbar, in d = 4 Dimen-
sionen renormierbar und in d = 5 Dimensionen nicht mehr renormierbar.
Der oberflachliche Divergenzgrad kann kein endgultiges Resultat uber die Renor-
mierbarkeit einer Theorie liefern. Liegt der Theorie zum Beispiel eine Eichinvarianz
zugrunde wie es in der Quantenelektrodynamik der Fall ist, so kann dadurch der Di-
vergenzgrad auf einen effektiven Divergenzgrad reduziert werden. In einer Quanten-
feldtheorie der Gravitation funktioniert die Reduktion trotz Eichinvarianz nicht [16].
3.12 Nicht-Renormierbarkeit der ART
Wir wollen nun der Frage nachgehen, wie divergent Feynman-Graphen in einer Quan-
tenfeldtheorie der Gravitation sind. Dazu verwenden wir den in Abschnitt (3.11.1) be-
trachteten oberflachlichen Divergenzgrad. Wir haben bisher die Dimension der Raum-
zeit variabel gehalten, was auf den ersten Blick nur wenig Sinn zu haben scheint.
Bevor man jedoch die eigentliche Renormierung durchfuhren kann, muß man die je-
weiligen Amplituden, wie z.B. die in (3.10.1), regularisieren. Damit die Eichinvarianz
einer Theorie dabei nicht verloren geht, wie dies bei der Pauli-Villars-Regularisierung
der Fall ist, verwendet man die dimensionale Regularisierung. Diese Methode setzt die
Raumzeit-Dimension ins Komplexe fort und variiert gleichzeitig die Dimension in einer
ε-Umgebung. Wir wollen uns aber hier der vierdimensionalen Raumzeit widmen und
setzen daher d = 4 fest.
In den Abschnitten (3.8.7) und (3.9) haben wir den Graviton-Propagator und den
Graviton-3er-Vertex bereits kennengelernt. Lassen wir die Wechselwirkung mit Mate-
riefeldern noch außer acht, dann gelten fur die einzelnen Komponenten eines Feynman-
Diagramms aus lauter Gravitonen:
3er-Vertex : V ∝ p2,
interne Linie (Propagator) : Lint ∝ 1p2 ,
Schleife : Lloop ∝∫d4p.
Damit ist der Oberflachliche Divergenzgrad nach (3.11.3):
D = 4Lloop + 2V − 2Lint, (3.12.19)
3.12. NICHT-RENORMIERBARKEIT DER ART 53
und zusammen mit der topologischen Beziehung (3.11.2) erhalten wir schließlich:
D = 2(Lloop + 1). (3.12.20)
Eine Quantenfeldtheorie der Gravitation scheint nicht renormierbar zu sein, da der
oberflachliche Divergenzgrad mit wachsender Ordnung der Diagramme immer mehr
zunimmt und so die Zahl der Divergenzen unbegrenzt steigt.
Der Weg uber die Dimensionen wie in Abschnitt (3.11.2) fuhrt uns zuruck zur
Lagrange-Dichte (3.3.1):
LG =1
2κ2
√−gR. (3.12.21)
In linearisierter Naherung hat die Lagrange-Dichte LG, unter Berucksichtigung der
Kopplungskonstanten κ (siehe Gleichung 3.4.8) folgende Gestalt (3.3.10):
LG =1
8
(hαµ,λh
λαµ, − hαα,λhµ λ
µ, + 2hαα,λhλ µµ, − 2hαµ,λh
λµ,α
). (3.12.22)
Damit besitzt das Gravitonfeld hµν die Dimension M1. Viel wichtiger ist jedoch die
Tatsache, daß die Kopplungskonstante κ ∝√G eine negative Dimension besitzt:[√
G]
= M−1.
Auch hier wird mit den vorherigen Uberlegungen deutlich, daß eine Quantenfeldtheorie
der Gravitation nicht renormierbar ist.
Eine genauere Untersuchung, inwieweit eine Quantenfeldtheorie der Gravitation re-
normierbar ist, fuhrten Gerard t’Hooft und M. Veltman zu Beginn der 1970er Jah-
re durch (siehe z.B. [50, 52]). Sie benutzten dabei die von DeWitt 1967 entwickel-
te “Hintergrundfeld“-Methode [13] und konnten damit den sogenannten “Lagrange-
Gegenterm“ ∆LG in erster Ordnung berechnen. Fur ein reines Gravitationsfeld erhiel-
ten sie [52]:
∆LG =
√g
ε
(1
120R2 +
7
20RαβR
αβ
),
mit ε = 8π2(n−4). Die Große n gibt die Dimension der Raumzeit an. Setzt man in diese
Beziehung die Hintergrundfeld-Gleichung Rµν = 0 ein, so verschwindet der Gegenterm.
Dann ist aber die Quantenfeldtheorie der Gravitation ohne weitere Materiefelder in
erster Ordnung renormierbar.
Koppelt die Gravitation aber zum Beispiel an ein Skalarfeld, so lautet der Gegen-
term:
∆LG,scal =
√g
ε
203
80R2.
Jedoch hebt dieser Gegenterm keinen in der Lagrange-Dichte vorkommenden Term
weg. Die Theorie ist folglich nicht-renormierbar.
Kapitel 4
Absorption von
Gravitationsstrahlung
Smolin behauptete in seinem Artikel [47], daß es in der linearisierten Allgemeinen Rela-
tivitatstheorie nicht moglich sei, einen Detektor zu bauen, mit dem man den Quanten-
zustand eines Gravitationsfeldes verlaßlich bestimmen kann. Wir wollen uns in diesem
Kapitel der Absorption von Gravitationswellen widmen, ohne auf deren Entstehung
einzugehen, und Konsequenzen aufzeigen, welche die obige Vermutung fur eine Quan-
tentheorie der Gravitation mit sich bringen wurde.
In Abschnitt (4.1) wollen wir uns kurz Smolin’s Vermutung anschauen. Legen wir
diese auf den Fall der klassischen Absorption von Gravitationsstrahlung um, so finden
wir keine Materie, welche die positive Energiebedingung erfullt und die einmal in Gra-
vitationsstrahlung umgewandelte Energie wieder voll absorbieren konnte. In den fol-
genden Abschnitten wollen wir uns diesen Sachverhalt klarmachen: Deshalb betrachten
wir in (4.3) zunachst die elastischen Eigenschaften eines Korpers [49]. Dazu benotigen
wir ein Verschiebungsfeld, das die Bewegung einzelner Massenelemente des Korpers
beschreibt. In dem Verschiebungsfeld sind außer Deformationen auch reine Translatio-
nen und Drehungen enthalten, die bei den weiteren Berechnungen außer acht gelassen
werden konnen. Wir definieren daher den Deformationstensor, der die letzten beiden
Transformationen ausschließt. Deformiert man einen Korper, so treten Spannungen
auf. Diese wiederum konnen Energie speichern, wie man anhand einer einfachen Fe-
der sieht. Lenkt man diese aus ihrer Ruhelage heraus, so erfahrt sie eine der Auslen-
kung proportionale Ruckstellkraft, die im linearen Bereich durch das Hookesche Gesetz
beschrieben wird. Ubersetzt auf einen Festkorper heißt das, daß im linearen Bereich
Spannungstensor und Deformationstensor miteinander verknupft sind. Mit Hilfe des
Hookeschen Gesetzes und der Impulsbilanz ist es moglich, elastische Wellen in einem
Festkorper zu beschreiben. In unserem Fall werden diese durch Gravitationswellen aus-
gelost. In Abschnitt (4.4) wollen wir deshalb kurz auf die mathematische Beschreibung
einer Gravitationswelle eingehen und anschließend in Abschnitt (4.5) deren klassische
Absorption berechnen.
54
4.1. VERMUTUNG VON SMOLIN 55
Die Absorption von Gravitationsstrahlung kann auch auf quantenmechanische Weise
beschrieben werden, wobei die Existenz von sogenannten Gravitonen bereits vorausge-
setzt wird. In (4.6) verschaffen wir uns einen kleinen Einblick in den Gravitoelektrischen
Effekt, der das gravitative Pendant zum Photoelektrischen Effekt darstellt. Die Anre-
gung von Phononen ist eine weitere Moglichkeit der Absorption, die wir in Abschnitt
(4.7) betrachten wollen.
Welche Konsequenzen Smolin’s Vermutung fur eine Quantentheorie der Gravitation
hat, fassen wir in (4.8) zusammen.
4.1 Vermutung von Smolin
Smolin außert folgende Vermutung [47]:
Betrachte ein Gebiet R einer raumartigen Cauchy-Flache, auf der eine Ver-
teilung aus freien Gravitonen und Materie, die die positive Energiebedin-
gung erfullt, gegeben ist. Wenn 〈N〉 die Zahl der Gravitonen im Anfangszu-
stand ist und wennNc(t) die Zahl der Ereignisse – Absorption oder Streuung
eines Gravitons durch die Materie – bis zur Zeit t angibt, dann gilt:
Nc(t)
〈N〉< 1, (4.1.1)
fur alle Zeiten t, die in der Zukunft der Anfangskonfiguration liegen. In
Worten heißt dies, daß nur eine gewisse Zahl von Gravitonen in endlicher
Zeit mit der Materie wechselwirken.
Fur die Thermodynamik bedeutet das aber, daß ein System, welches sowohl aus Ma-
terie als auch aus Gravitationsstrahlung besteht, in endlicher Zeit kein thermodyna-
misches Gleichgewicht erreichen kann, da nur ein gewisser Teil der Strahlung mit der
Materie wechselwirkt. Da kein Gleichgewichtszustand erreichbar ist, sind Prozesse, die
Gravitationsstrahlung berucksichtigen, stets irreversibel. Man kann ihnen daher eine
intrinsische Entropie zuordnen.
4.2 Grundvoraussetzung fur die Absorption
Ausgangspunkt hierfur ist eine Gravitations- oder Gravitonwelle der Wellenlange λ,
die auf einen noch nicht genauer spezifizierten Detektor trifft. Dieser habe die Dichte ρ
und in Einfallsrichtung der Welle die Lange L > λ. Weiterhin soll die Ausdehnung des
Detektors L großer sein als dessen Schwarzschildradius RS =(
4π3ρG)−1/2
. Sowohl bei
der klassischen als auch bei der quantenmechanischen vollen Absorption einer Welle
muß die Absorptionslange L(λ)abs, die von der Wellenlange abhangt, deutlich kleiner
sein als die Lange des Detektors LDet:
L(λ)abs LDet. (4.2.1)
56 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
Wie wir hier an drei Beispielen zeigen wollen, gilt jedoch
L(λ)abs > LDet, (4.2.2)
daher kann nicht die ganze Gravitationsstrahlung absorbiert werden.
4.3 Elastische Eigenschaften eines Mediums
4.3.1 Das Verschiebungsfeld
Um die Deformation eines Korpers beschreiben zu konnen, moge jedes Massenelement
durch einen Ortsvektor ~ai bestimmt sein. Eine Deformation ordnet dann jedem Massen-
element einen Verschiebungsvektor ~si(~al) zu, sodaß der neue Ort des Massenelements
gegeben ist durch:
~xi = ~ai + ~si(~al) (4.3.1)
Abbildung 4.1: Deformation eines Korpers [49]: a) undeformierter Anfangszustand;
b) deformierter Endzustand
Damit der Korper durch die Deformation nicht zerrissen wird, muß die Funktion
~xi(~al) stetig und eindeutig umkehrbar sein. Da fur jedes Massenelement der Verschie-
bungsvektor im allgemeinen anders sein wird, bezeichnet man ~si(~al) auch als Verschie-
bungsfeld. Dieses beinhaltet naturlich auch reine Translationen oder Rotationen, die
nichts zur Deformation beitragen und im nachsten Schritt absepariert werden sollen.
4.3.2 Der Deformationstensor
Betrachten wir zwei infinitesimal benachbarte Massenelemente ai und ai + dai. Der
Index i(i = 1, 2, 3) bezeichnet nun die kartesischen Koordinaten eines Massenelementes.
4.3. ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN EINES MEDIUMS 57
Durch eine Deformation (4.3.1) andert sich der Abstand der beiden Massenelemente
um (uber gleiche Indizes wird summiert)
ds2nachher − ds2
vorher = dxidxi − daidai = 2εikdaidak (4.3.2)
mit
dxi = dai +∂si∂al
dal =
(δil +
∂si∂al
)dal (4.3.3)
und dem Deformationstensor
εik(al) =1
2
(∂si∂ak
+∂sk∂ai
+∂sm∂ai
∂sm∂ak
). (4.3.4)
Dieser ist, wie wir direkt ablesen konnen, symmetrisch (εik = εki) und aufgrund des
letzten Terms nicht linear. Er bildet den symmetrischen Anteil des Distorsions- oder
Verschiebungstensors ∂si/∂al
∂si∂ak
= εik +Dik. (4.3.5)
Der antisymmetrische Anteil Dik beinhaltet starre Rotationen. Der Deformationstensor
εik laßt sich auch als Funktion von x darstellen. Dazu mussen wir lediglich das Verschie-
bungsfeld si als Funktion von x auffassen und entsprechend dai = (δik − ∂si/∂xk) dxkin (4.3.2) einsetzen:
εik(xl) =1
2
(∂si∂xk
+∂sk∂xi− ∂sm∂xi
∂sm∂xk
). (4.3.6)
Die einzelnen Komponenten des Deformationstensors haben folgende Bedeutung:
Die relative Langenanderung in der Richtung von ei = daids
ergibt sich zu
ε =dsnachher − dsvorher
dsvorher
≈ εikeiek, (4.3.7)
woraus wir insbesondere fur die relativen Langenanderungen entlang der Koordinaten-
achsen ei(i = x, y, z)
εx = ε11, εy = ε22, εz = ε33 (4.3.8)
bekommen. Die Außerdiagonalelemente εik, i 6= k des Deformationstensors beschreiben
Scherungen zwischen den ai- und ak-Achsen. Volumenanderungen Θ werden in linearer
Naherung durch
Θ =Vnachher − Vvorher
Vvorher
=dx1dx2dx3
da1da2da3
− 1 ≈ ε11 + ε22 + ε33 =∂sk∂xk
, (4.3.9)
die Spur des Deformationstensors, bzw. die Divergenz des Verschiebungsvektors, ange-
geben.
58 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
4.3.3 Der Spannungstensor und das elastische Potential
An einem Korper konnen sowohl Volumenkrafte angreifen, als auch bei Deformationen
Flachenkrafte. Betrachten wir ein Volumenelement ∆V , so laßt sich fur dieses eine
Bilanz der Impulsanderung aufstellen:∫∆V
ρd~v
dtdV =
∫∆V
ρ~FdV +
∫∂(∆V )
~P (n)df. (4.3.10)
Dabei ist ρ~v die Impulsdichte, ρ~F die Kraftdichte der Volumenkraft und ~P (n) die
Flachenkraft oder Spannung mit der gleichen Orientierung wie die Flachennormale ~n.
Die Flachenkraft ~P (n) ist im allgemeinen nicht parallel zur Flachennormalen, kann aber
naturlich in zu ~n senkrechte und parallele Komponenten mit den dafur entsprechenden
Bezeichnungen Tangential- und Normalspannung zerlegt werden.
Abbildung 4.2: Kleine Schnittflache im Innern des deformierten Korpers mit den an
ihr angreifenden Spannungsvektoren ~P (n) und ~P (−n); ~n Normaleneinheitsvektor.
Befindet sich der Korper im statischen Gleichgewicht und wirken keine Volumen-
krafte auf ihn, reduziert sich (4.3.10) auf den letzten Term. Bildet man davon den
Grenzwert
lim∆V→0
1
∆V
∫∂(∆V )
~P (n)df, (4.3.11)
so kommt man auf die Beziehung
P(n)i = P
(j)i nj = σijnj, (i = 1, 2, 3), (4.3.12)
mit dem Spannungstensor σij, der im weiteren stets als symmetrisch angenommen
wird. Mit dem Spannungstensor laßt sich das Oberflachenintegral aus (4.3.10) in ein
Volumenintegral umformen. Es ergibt sich daraus die Bewegungsgleichung
ρdvidt
=∂σij∂xj
+ ρFi, (i = 1, 2, 3). (4.3.13)
4.3. ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN EINES MEDIUMS 59
Bei der Deformation eines Korpers wird von den Spannungen Arbeit geleistet, die
sich bei kleinen Verschiebungen dsi zu
dA =
∫∂(∆V )
P(n)i dsidf =
∫∂(∆V )
σijdssnjdfGauß=
∫∆V
∂
∂xj(σjidsi) dV (4.3.14)
ergeben. Weiterhin erhalten wir aus der Definition des Deformationstensors (4.3.4) in
linearer Naherung und aus der Symmetrie des Spannungstensors die Relation
σij∂si∂xj
= σijεij. (4.3.15)
In (4.3.14) eingesetzt, erhalten wir fur die geleistete Arbeit
dA =
∫V
σijdεijdV. (4.3.16)
Da die Energiedichte σijdεij unabhangig vom Zustandekommen der Deformation ist,
muß eine Funktion Φ(εik) existieren mit
dΦ(εik) =∂Φ
∂εikdεik = σikdεik. (4.3.17)
Φ heißt das elastische Potential. Es wird so normiert, daß fur den undeformierten
Zustand Φ = 0 gilt.
4.3.4 Die Energiebilanz
Wie aus der klassischen Mechanik bekannt, kommen wir durch skalare Multiplikation
der Bewegungsgleichung mit der Geschwindigkeit auf die Energiebilanz:
viρdvidt
= vi∂σij∂xj
+ viρFi. (4.3.18)
Mit Hilfe der substantiellen Zeitableitung
d~v
dt=∂~v
∂t+(~v · ~∇
)~v (4.3.19)
und der Kontinuitatsgleichung
∂ρ
∂t+∇ · (ρ~v) = 0 (4.3.20)
erhalten wir die Bilanzgleichung fur die Dichte der kinetischen Energie ρ~v2/2:
∂
∂t
(ρ2~v2)
+∂
∂xj
(ρ2~v2vj − σijvi
)= −σij
∂vi∂xj
+ viρFi. (4.3.21)
Der Vektor der Energiestromdichte (Poynting-Vektor) Sj = ρ2~v2vj−σijvi setzt sich aus
einem konvektiven Anteil und einem durch Spannungen ubertragenen Anteil zusam-
men. Der letztere wird uns spater noch bei der Absorption interessieren.
60 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
4.3.5 Das Hookesche Gesetz
Da wir Gravitationswellen betrachten, die nur kleine Auslenkungen aus der Ruhelage
eines Massenelementes hervorrufen, bleiben wir bei den auftretenden Spannungen und
Deformationen im linearen Bereich. Die Spannung ist dann eine lineare Funktion der
Deformation
σij = Cijklεkl. (4.3.22)
Das ist das Hookesche Gesetz. Die Cijkl sind die elastischen Moduln, die einen Tensor
4. Stufe bilden. Aus der Symmetrie von σij und εkl folgt
Cijkl = Cjikl = Cijlk. (4.3.23)
Mit dem elastischen Potential Φ und der Vertauschbarkeit der zweiten Ableitungen
kann eine weitere Beziehung fur die elastischen Moduln hergeleitet werden. Nach (4.3.17)
gilt
∂Φ
∂εij= σij = Cijklεkl, (4.3.24)
daraus erhalten wir
Cijkl =∂2Φ
∂εij∂εkl=
∂2Φ
∂εkl∂εij= Cklij. (4.3.25)
Die Symmetrierelationen (4.3.23) und (4.3.25) reduzieren die anfanglichen 81 Kom-
ponenten des Tensors Cijkl auf lediglich 21 unabhangige Großen. Naturlich konnen
zusatzliche Symmetrien des Korpers die Zahl der unabhangigen Moduln weiter verrin-
gern.
Liegt der Fall eines isotropen elastischen Korpers vor, so muß der Tensor Cijklbezuglich jeder Drehung invariant sein und hat daher die allgemeine Gestalt
Cijkl = λδijδkl + µδikδjl + νδilδjk. (4.3.26)
Unter Verwendung der Symmetrierelation (4.3.25) Cijkl = Cjikl zeigt sich, daß µ = ν
sein muß. Das Hookesche Gesetz vereinfacht sich dann zu
σij = 2µεij + λδijεll. (4.3.27)
Die Koeffizienten λ und µ heißen Lamesche Moduln. Eine etwas bekanntere Große ist
der Youngsche Elastizitatsmodul E, der die Proportionalitat zwischen Spannungsvektor
und relativer Langenanderung angibt. Er setzt sich aus den Lameschen Moduln wie
folgt zusammen:
E =µ(2µ+ 3λ)
µ+ λ. (4.3.28)
4.3. ELASTISCHE EIGENSCHAFTEN EINES MEDIUMS 61
...........................................................................................................................................................................................................................................................................x1
.................................................................... ~P
........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Abbildung 4.3: Der Youngsche Modul ist die Proportionalitatskonstante zwischen
relativer Langenanderung ε1 und Spannungsvektor |~P | = Eε1.
4.3.6 Elastische Wellen
Da wir auf die Absorption von Gravitationswellen in elastischen Korpern abzielen,
mussen wir uns auch kurz elastische Wellen in solch einem Korper anschauen. Betrach-
ten wir einen elastischen isotropen Korper konstanter Dichte ρ. Unter Vernachlassigung
des quadratisch konvektiven Terms in (4.3.19) erhalten wir als Bewegungsgleichung
fur die Komponenten des Verschiebungsvektors ohne außeres Kraftfeld (~F = 0) mit
(4.3.13):
ρ∂2si∂t2− µ ∂2si
∂xj∂xj− (µ+ λ)
∂2sj∂xi∂xj
= 0. (4.3.29)
Setzt man als Losung eine ebene Welle mit Ausbreitungsrichtung ~k = (k, 0, 0) an
sl = Alei(kx−ωt), (4.3.30)
so erhalt man aus der Bewegungsgleichung (4.3.29) ein lineares Gleichungssystem fur
die Amplituden Al. Wie sich zeigen laßt, erhalt man zwei Arten von Wellen mit je
unterschiedlichen Amplituden und Phasengeschwindigkeiten. Fur longitudinale Wellen
erhalten wir als Phasengeschwindigkeit:
clong =
√2µ+ λ
ρ(4.3.31)
und fur transversale Wellen:
ctrans =
õ
ρ, (4.3.32)
oder aquivalent dazu
µ = ρ c2trans und λ = ρ
(c2
long − 2c2trans
). (4.3.33)
Da λ und µ beide großer Null sind, gilt auch folgende Beziehung:
ctrans
clong
=1√
2 + λµ
<1√2. (4.3.34)
62 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
4.4 Gravitationswellen
4.4.1 Linearisierte Einsteingleichungen
Ahnlich dem Vorgehen bei der Beschreibung des Gravitonfeldes in Kapitel (3.3 ), wollen
wir hier die Vakuum-Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitatstheorie
Rµν −1
2gµνR = 0 (4.4.1)
in linearer Naherung betrachten. Die Metrik gµν weicht dabei nur wenig von der flachen
Minkowski-Metrik ηµν ab:
gµν = ηµν + hµν . (4.4.2)
Fur die Christoffelsymbole erhalten wir damit:
Γµνλ =1
2
(hµν,λ + hµλ,ν − h µ
νλ,
)(4.4.3)
und fur den Riemann-Tensor entsprechend:
Rµνρσ = Γµνσ,ρ − Γµνρ,σ (4.4.4)
=1
2
(hµσ,νρ + h µ
νρ, σ − h µνσ, ρ − hµρ,νσ
). (4.4.5)
Den Ricci-Tensor erhalten wir durch Kontraktion: Rµν = Rαµαν . Die daraus folgenden
linearisierten Feldgleichungen sind dann
hαν,µα + h αµα, ν − h α
µν, α − hαα,µν − ηµν(hαβ,αβ − hα β
α, β
)= 0. (4.4.6)
In Abschnitt (3.3) haben wir Gleichung (4.4.6) bereits kennengelernt. Hier fuhren wir
aber zunachst neue Variablen ψµν ein, definiert durch:
ψµν ≡ hµν −1
2ηµνh. (4.4.7)
Die linearisierten Feldgleichungen (4.4.6) schreiben sich in den neuen Variablen als
ψαν,µα + ψ αµα, ν − ψ α
µν, α − ηµνψαβ,αβ = 0. (4.4.8)
Die Eichfreiheit, die wir in Abschnitt (3.4) kennengelernt haben, besteht auch hier. Bei
geeigneter Wahl, hier der Fock-DeDonder-Eichung
∂νψµν = 0, (4.4.9)
oder ausgedruckt in den alten Variablen
h νµν, −
1
2h,µ = 0, (4.4.10)
konnen die Feldgleichungen (4.4.8) zur bekannten Wellengleichung
2ψµν = 0 (4.4.11)
entkoppelt werden, mit der zusatzlichen Bedingung an die Eichfunktion εν :
2εν(x) = 0. (4.4.12)
4.4. GRAVITATIONSWELLEN 63
4.4.2 Ebene Wellen
Die einfachste Losung der linearisierten Gleichungen (4.4.11) ist eine monochromati-
sche, ebene Welle [35]
ψµν = Aµν exp (ikαxα) (4.4.13)
mit komplexer Amplitude Aµν und nullartigem Wellenvektor kµ. Physikalisch relevant
ist jeweils nur der Realteil von ψµν , der in der weiteren Betrachtung erst am Ende
verwendet und deshalb bis dahin nicht explizit ausgeschrieben wird. Die Eichung (4.4.9)
fordert die Relation
Aµνkν = 0. (4.4.14)
Die Frequenz der Welle ist gegeben durch:
ω ≡ ck0 = c√k2x + k2
y + k2z . (4.4.15)
Wie bereits im Fall der Gravitonen bleiben nur zwei unabhangige Komponenten von
Aµν bestehen, da einerseits (4.4.14) und andererseits die Eichbedingung (4.4.12) die
anfanglichen zehn Komponenten reduzieren.
Betrachten wir als Spezialfall eine unendlich ausgedehnte ebene Welle. Sie bewege
sich mit konstanter Vierergeschwindigkeit uµ in eine Richtung. Nun ist es moglich, eine
Eichung oder ein Koordinatensystem so zu finden, daß gilt:
Aµνuν = 0. (4.4.16)
Wir erreichen dies durch geeignete Wahl der Konstanten Cµ in der Eichfunktion
εµ = iCµ exp (ikαxα) , (4.4.17)
die wir noch aus (4.4.12) zu bestimmen hatten. Neben den vier Zwangsbedingungen
(4.4.14) bekommen wir durch (4.4.16) weitere drei hinzu – die in dieser Beziehung
vermeintlich vierte Bedingung ist bereits in kµ(Aµνuν) = 0 enthalten. Damit letztlich
nur zwei unabhangige Großen in Aµν auftauchen, kann eine weitere Zwangsbedingung
auferlegt werden, die Spurfreiheit der Amplitudenmatrix:
Aµµ = 0. (4.4.18)
Insgesamt haben wir acht Zwangsbedingungen:
Aµνuν = Aµαk
α = A αα = 0. (4.4.19)
Wahlen wir nun speziell ein Lorentz-System, in dem u0 = 1 und uj = 0 ist (c = 1,
j = 1, 2, 3), dann außern sich diese Zwangsbedingungen in Form von Relationen fur ψ:
64 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
a) nur raumliche Komponenten sind von Null verschieden:
ψµ0 = ψµνuν = Aµνu
ν exp (ikαxα) = 0, (4.4.20)
b) raumliche Komponenten sind divergenzfrei (Aµ0 = 0):
∂jψij = iAijkj exp (ikαx
α) = iAµνkν exp (ikαx
α) = 0, (4.4.21)
c) raumliche Komponenten sind spurfrei:
ψ jj = Ajj exp (ikαx
α) = Aµµ exp (ikαxα) = 0. (4.4.22)
Die Eichung, die diese Relationen ermoglicht, nennt man transversal-spurfreie Eichung.
Transversal deshalb, weil aus (b) folgt, daß die ebene Welle (4.4.13) transversal zu ihrer
Ausbreitungsrichtung ist:
0 = ∂jψij = iψijkj. (4.4.23)
An Stelle von (4.4.13) konnen wir ψµν mit einer komplexen Amplitude a und einem
Polarisationstensor eµν auch wie folgt schreiben:
ψµν = aeµν exp (ikαxα) . (4.4.24)
In transversal-spurfreier Eichung gilt aufgrund der Bedingung (4.4.20):
eµ0 = 0. (4.4.25)
4.4.3 Polarisation einer ebenen Welle
Betrachten wir nun eine ebene monochromatische Welle, die sich in z-Richtung aus-
breitet (setze c = 1)
ψµν = Aµν exp (ikαxα) = Aµν exp (−iω(t− z)) (4.4.26)
mit kα = k0(1, 0, 0, 1) und ω = k0. Die Relationen (4.4.20-4.4.22) schranken nun die
unabhangigen Komponenten von ψµν ein.
Aus (4.4.20) folgt direkt, daß Aµ0 = 0 gelten muß. Mit (4.4.21) verschwinden zusatz-
lich alle Ak3. Es bleiben nur noch die Komponenten A12 = A21, A11 und A22 ubrig,
wobei die letzteren zwei aufgrund der Spurfreiheit (4.4.22) miteinander verknupft wer-
den zu A11 = −A22.
Wie aus der Elektrodynamik bekannt, laßt sich eine Welle entweder in zwei linear
polarisierte oder in zwei zirkular polarisierte Wellen zerlegen. Im Fall unserer zu be-
trachtenden Gravitationswelle erhalten wir ebenfalls zwei lineare Polarisationen, die
4.4. GRAVITATIONSWELLEN 65
hier durch die Einheitstensoren
e+ ≡ e1 ⊗ e1 − e2 ⊗ e2 =
0 0 0 0
0 1 0 0
0 0 −1 0
0 0 0 0
, (4.4.27)
e× ≡ e1 ⊗ e2 + e2 ⊗ e1 =
0 0 0 0
0 0 1 0
0 1 0 0
0 0 0 0
, (4.4.28)
mit den Vektoren e1 = (0, 1, 0, 0) und e2 = (0, 0, 1, 0) gegeben sind. Wieder analog zur
Elektrodynamik konnen wir die Tensoren fur die zirkulare Polarisation definieren:
eR =1
2(e+ + ie×) (4.4.29)
eL =1
2(e+ − ie×) . (4.4.30)
Deformation eines Rings aus Testteilchen
ω(t− z) e+ e× eR eL
2nπ ......................
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(2n+ 1
2
)π •
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(2n+ 1)π
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(2n+ 3
2
)π •
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Abbildung 4.4: Unterschiedliche Wirkung der Polarisationen einer Gravitationswelle
auf einen Ring von Testteilchen.
66 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
Mit diesen Polarisationstensoren konnen wir eine ebene Wellen entweder in zwei
linear polarisierte Wellen
ψµν = (A+(e+)µν + A×(e×)µν) exp (ikαxα) (4.4.31)
oder in zwei zirkular polarisierte Wellen
ψµν = (AR(eR)µν + AL(eL)µν) exp (ikαxα) (4.4.32)
zerlegen. Deren Wirkung auf eine kreisformige Anordnung von Testteilchen wird in
Abbildung (4.4) veranschaulicht.
4.5 Absorption einer Graviationswelle
In diesem Abschnitt wollen wir die Wirkung einer Gravitationswelle auf ein elastisches
Medium untersuchen. Dabei ist von besonderem Interesse, wo eine Wechselwirkung
stattfindet und womit die Gravitationswelle letztlich wechselwirkt [17]. Unser “Gerust“
stellt die flache Minkowski-Raumzeit dar mit der Metrik ηµν und der Signatur (−+++).
4.5.1 Bewegungsgleichung des elastischen Korpers
Der elastische Korper, auf den die Gravitationswelle auftreffen soll, wird durch seine
Dichteverteilung ρ(x) und seine 21 unabhangigen elastischen Moduln Cijkl mit den
Symmetrierelationen (4.3.23, 4.3.25) beschrieben.
Die Auslenkung eines Massenelements m am Ort xi, (i = 1, 2, 3) zur Zeit t = x0 ist
gegeben durch
zj(x), (j = 1, 2, 3). (4.5.1)
Da wir von relativistischen Geschwindigkeiten absehen wollen, konnen wir die Bewe-
gung des Korpers durch die gewohnliche Lagrange-Funktion L = T − V beschreiben.
Der kinetische Teil der Lagrangefunktion laßt sich direkt hinschreiben:
T =1
2
∫ρzj z
jdτ. (4.5.2)
“·“ entspricht dabei der Zeitableitung ∂/∂t und dτ dem Volumenelement dx dy dz. Die
Potentielle Energie V erhalten wir durch Integration und unter Verwendung der Sym-
metrierelation fur die elastischen Moduln Cijkl aus dem elastischen Potential (4.3.17):
V =
∫φdτ =
∫1
2Cijklεijεkldτ. (4.5.3)
Beschranken wir uns auf den linearen Teil des Deformationstensors εik(x) in (4.3.6), so
vereinfacht sich (4.5.3) aufgrund der Symmetrie von εik zu:
V =1
2
∫Cijklz
i,jzk,ldτ. (4.5.4)
4.5. ABSORPTION EINER GRAVIATIONSWELLE 67
Der zu unserem Korper gehorende Energie-Impuls-Tensor setzt sich aus der Energie-
dichte T00, der Impulsdichte T0k und dem Spannungstensor Tik zusammen:
T00 =1
2ρzj z
j +1
2Cijklz
i,jzk,l, (4.5.5)
T0k = ρzk, (4.5.6)
Tik = −σik = −Cijklzk,l. (4.5.7)
Die Beziehung fur die Impuls-Erhaltung T νjν, = 0 liefert die Bewegungsgleichung fur
unseren elastischen Korper:
∂
∂t(ρzj) =
∂
∂xkσik. (4.5.8)
Sehr wichtig wird die Randbedingung
σjknk = 0, (4.5.9)
wobei nk der Normalenvektor auf der Oberflache des elastischen Korpers ist. Außere
Krafte sollen keine vorhanden sein. Die Bewegungsgleichung und die Randbedingung
erhalt man auch aus der Variation der Lagrange-Funktion nach dem Verschiebungs-
vektor zi.
4.5.2 Wechselwirkung Gravitationswelle – Medium
In der linearisierten Gravitationstheorie wird die Wechselwirkung zwischen der Materie
– vertreten durch ihren Energie-Impuls-Tensor Tµν – und dem Gravitationsfeld hµνdurch Hinzufugen eines Terms
LW = −1
2hµνTµν (4.5.10)
in die Lagrange-Funktion beschrieben. Dies haben wir fur den Fall der Quantenfeld-
theorie in Kapitel (3.3) gezeigt. Unter Verwendung der transversal-spurfreien Eichung
aus dem Abschnitt (4.4.2) reduziert sich (4.5.10) auf die raumlichen Komponenten
LW =1
2hijTij =
1
2hijσij. (4.5.11)
Der zusatzliche Wechselwirkungsterm hat naturlich Auswirkungen sowohl auf die Be-
wegungsgleichung als auch auf die Randbedingung. Beide Ausdrucke kann man aus der
Variation der Lagrange-Funktion Lges = L+ LW nach den zi bestimmen und erhalt so
die neue Bewegungsgleichung:
∂
∂t(ρzj) =
∂
∂xk
[Cjkmn(zm,n − 1
2hmn)
](4.5.12)
68 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
und die neue Randbedingung:
nk[Cjkmn(zm,n − 1
2hmn)
]= 0. (4.5.13)
Betrachten wir wieder einen isotropen elastischen Korper mit den elastischen Moduln
(4.3.26), so erhalten wir aus der Bewegungsgleichung (4.5.12) unter Berucksichtigung
der Spur- und Divergenzfreiheit von hµν (4.4.21,4.4.22)
∂
∂t
(ρzj)
=∂
∂xj
(λzm,m
)+
∂
∂xk
(µ(zj,k + zk,j)
)− ∂µ
∂xkhjk (4.5.14)
und als Randbedingung
λnjzm,m + µnk(zj,k + zk,j − hjk
)= 0. (4.5.15)
Als wichtiges Resultat konnen wir hier festhalten, daß eine Gravitationswelle hjk mit
einem elastischen Korper nur dort wechselwirkt, wo ein Gradient im Scherungsmodul
µ vorhanden ist, wie in (4.5.14) deutlich wird. Auch am Rand des elastischen Korpers
tritt eine Wechselwirkung nur mit µ auf.
4.5.3 Absorption einer ebenen Gravitationswelle
Betrachten wir einen elastischen isotropen Korper mit konstanten Lameschen Moduln,
der den gesamten Halbraum x3 ≥ 0 ausfullen soll (Normalenvektor ~n zeigt in x3-
Richtung), so findet nach (4.5.14) keine Absorption im Innern des Korpers statt und
wir konnen uns allein auf den Randeffekt konzentrieren. Eine ebene, rechts-zirkular
polarisierte Gravitationswelle
hjk = aRjk exp(iklxl − iωt
)(4.5.16)
mit Amplitude a und Wellenvektor kj = ωc
[sinϑ, 0, cosϑ] laufe nun unter einem Ein-
fallswinkel ϑ aus negativer x3-Richtung ein.
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............................
............................
.........................................
................................. x3
x1
ϑ
~k
.................................................................. ................
~n
..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Abbildung 4.5: Gravitationswelle mit Wellenvektor ~k lauft von negativer x3-Richtung
auf das elastische Medium, welches den gesamten Halbraum x3 ≥ 0 erfullt, ein.
4.5. ABSORPTION EINER GRAVIATIONSWELLE 69
Der Polarisationstensor Rjk geht aus (4.4.29) durch Drehung um den Winkel ϑ
R = (eR)gedreht = D−1 eR D (4.5.17)
mit der Drehmatrix
D =
cosϑ 0 − sinϑ
0 1 0
sinϑ 0 cosϑ
(4.5.18)
hervor. In Komponenten geschrieben lautet R:
Rjk =1
2
cos2 ϑ i cosϑ − cosϑ sinϑ
i cosϑ −1 −i sinϑ
− cosϑ sinϑ −i sinϑ sin2 ϑ
. (4.5.19)
Trifft die Gravitationswelle auf den Rand des Mediums (x3 = 0), so lost sie dort eine
Korperwelle aus, die sich in eine longitudinale und eine transversale Welle zerlegen laßt:
zj = ξjL exp (ipnxn − iωLt) + ξjT exp (iqnxn − iωT t) (4.5.20)
mit den Amplituden ξjL und ξjT und den Wellenzahlen pj und qj. Dabei zeigt die Am-
plitude ξjL in Richtung von pj; ξjT ist dagegen senkrecht zu qj.
Wie aus der Brechung einer elektromagnetischen Welle an einem Dielektrikum be-
kannt ist, muß neben der eigentlichen Randbedingung noch zusatzlich gefordert werden,
daß die Phasen der Wellen zu allen Zeiten t und auf dem ganzen Rand x3 = 0 gleich
sind. Daraus folgt einerseits fur die Frequenzen
ω = ωL = ωT (4.5.21)
und andererseits fur die Wellenzahlen
pn = qn = kn (n = 1, 2). (4.5.22)
Wellenzahl, Ausbreitungsgeschwindigkeit und Frequenz hangen wie folgt zusammen:
pjpj =ω2
c2long
, qjqj =ω2
c2trans
, kjkj =ω2
c2. (4.5.23)
Eine plausible Annahme ist, daß sowohl die Ausbreitungsgeschwindigkeit der longitudi-
nalen als auch der transversalen Korperwelle sehr viel kleiner ist als die Ausbreitungs-
geschwindigkeit c der Gravitationswelle:
clong, ctrans c. (4.5.24)
Da aber aufgrund der Beziehung (4.5.22) p1, p2, q1, q2 alle von der Großenordnung(ωc
)sind, konnen diese nach Einsetzen in (4.5.23) gegenuber den Komponenten p3 und q3
vernachlassigt werden, die somit
p3 =ω
clong
und q3 =ω
ctrans
(4.5.25)
70 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
sind. Die Ausbreitung der Korperwelle ist daher nahezu senkrecht zur Randflache. Auf-
grund der Verhaltnisse zwischen den Amplituden der longitudinalen und transversalen
Korperwellen und deren Ausbreitungsrichtung erhalten wir
ξ1L = ξ2
L = 0, und ξ3T = 0. (4.5.26)
Setzen wir nun die bis hierher gewonnenen Resultate mit dem Ansatz (4.5.20) fur
die Korperwelle in die Randbedingung (4.5.15) ein, so erhalten wir als Bestimmungs-
gleichung fur die Amplituden der Wellen
λδj3z3,3 + µ
(zj,3 + z3,j
)= µh3j
⇒ iδj3 (λ+ 2µ)ω
clong
ξ3L + iµ
ω
ctrans
ξjT = aµR3j (4.5.27)
und daraus mit den Lameschen Moduln (4.3.33)
ξ1T = −iactrans
ωR31
ξ2T = −iactrans
ωR32
ξ3L = −ia c
2trans
ωclong
R33.
Die elastische Welle setzt sich also wie folgt zusammen:
z1 = ξ1T exp
(iq3x
3 − iωt)
(4.5.28)
z2 = ξ2T exp
(iq3x
3 − iωt)
(4.5.29)
z3 = ξ3L exp
(ip3x
3 − iωt)
(4.5.30)
Der durch die Gravitationswelle im Medium induzierte Energiefluß bestimmt sich aus
dem Betrag des Poynting-Vektors aus (4.3.21). Zu beachten ist, daß nun nur der phy-
sikalisch relevante Realteil der Welle einen Energieubertrag liefert.
Q = 〈S3〉x3=0 = 〈−σi3vi〉x3=0
=⟨(µ(zi,3 + z3,i) + λδi3z
l,l)zi⟩x3=0
=1
2ρω2ctrans
[|ξ1L|2 + |ξ2
L|2]
+ ρω2clong|ξ3T |2
=1
2ρc3
trans|a|2(|R31|2 + |R32|2 +
ctrans
clong
|R33|2)
=1
8ρc3
trans|a|2 sin2 ϑ
[cos2 ϑ+ 1 +
ctrans
clong
sin2 ϑ
](4.5.31)
4.5. ABSORPTION EINER GRAVIATIONSWELLE 71
4.5.4 Energiefluß einer Gravitationswelle
Um das Verhaltnis zwischen auftreffender und absorbierter Strahlung zu bestimmen,
benotigen wir noch den Energiefluß der Gravitationswelle. Sofern kein Gravitationsfeld
vorhanden ist, gilt fur Materie die Energie-Impulserhaltung
T νµν, = 0.
Mochte man nun die Energie eines Gravitationsfeldes bestimmen, so muß man sich auf
ein bestimmtes Koordinatensystem festlegen, da sonst das Gravitationsfeld stets lokal
wegtransformierbar ist. Die in diesem System erhaltene Vierer-Impulsgroße [31]
P µ =1
c
∫(−g) (T µν + tµν) dSν
setzt sich aus dem Energie-Impulstensor T µν der Materie und dem Energie-Impuls-
Pseudotensor tµν des Gravitationsfeldes zusammen. Der Energiefluß einer ebenen, rechts-
zirkular polarisierten Gravitationswelle, die sich in z-Richtung ausbreitet
hjk = aeRjk exp (ikz − iωt) , (4.5.32)
ist gegeben durch
F = ct03 =c4
32πG
(∂h11
∂z
∂h11
∂t+∂h22
∂z
∂h22
∂t+ 2
∂h12
∂z
∂h12
∂t
).
Auch hier mussen wir berucksichtigen, daß nur der Realteil der Gravitationswelle zum
Energieflußbeitragt. Da weiterhin die Gravitationswelle unter einem Winkel ϑ auf das
elastische Medium auftrifft (Abb.4.5), gilt
F =c3|a|2ω2
32πG
((<eR11)2 + (<eR22)2 + 2(<eR12)2
)=
c3|a|2ω2
64πG| cosϑ|
mit <eRjk =Realteil von eRjk.
Als Ergebnis konnen wir nun festhalten, daß beim Auftreffen einer Gravitationswelle
mit dem Energiefluß F auf ein elastisches, isotropes Medium nur der Anteil ε = QF
in
elastische Energie umgesetzt wird. Mit (4.5.31) ist ε gegeben durch:
ε =Q
F=
(8πGρ
ω2
)(c3
trans
c
)3sin2 ϑ
| cosϑ|
[cos2 ϑ+ 1 +
ctrans
clong
sin2 ϑ
]. (4.5.33)
Wollen wir einen Gravitationswellendetektor bauen, so bekommen wir gegebenenfalls
auch von dessen anderen Randern einen Beitrag zur Absorption. Weiterhin konnten
sich durch Uberlagerung von gegenlaufig induzierten oder reflektierten Wellen stehende
Wellen ausbilden. Auf beides wollen wir nicht eingehen, sondern nur pro forma dem
72 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
elastischen Medium eine Ausdehnung L zuschreiben. Ersetzen wir dessen Dichte ρ
durch seine Masse M und sein Volumen L3 und verwenden die Beziehung ω = 2π cλg
,
so konnen wir Gleichung (4.5.33) umformen zu:
ε =
(2GM
c2L
)(λgL
)2 (ctrans
c
)3
f(ϑ), (4.5.34)
mit
f(ϑ) =1
π
sin2 ϑ
| cosϑ|
[cos2 ϑ+ 1 +
ctrans
clong
sin2 ϑ
]. (4.5.35)
Betrachten wir die Winkelabhangigkeit f(ϑ) der Absorptionsrate ε, so sehen wir sofort,
daß sie fur θ → π2
divergiert.
.................................................................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................................
........................................ϑ
dA
............................................. ................
Fg ........................................................................................
........................................................................................
....................
Abbildung 4.6: Der von einer Gravitationswelle transportierte mittlere Energiefluß
trifft auf die Flache dA des Mediums.
Berechnen wir aber die von einem Flachenelement dA absorbierte Energie dE, so
verschwindet der divergente Faktor wieder:
dE = ε ~Fg · d ~A = ε cosϑFg dA. (4.5.36)
Die effektive Absorptionsrate εeff ist mit f(ϑ) = cosϑ f(ϑ) also:
εeff =
(2GM
c2L
)(λgL
)2 (ctrans
c
)3
f(ϑ). (4.5.37)
Die Funktion f(ϑ) (siehe Abb. 4.7) ist durch ihr Maximum an der Stelle π/2 nach oben
beschrankt und kann mit (4.3.34) abgeschatzt werden:
f(π
2
)=
1
π
(1 +
ctrans
clong
)≤ 1 + 2−1/2
π. (4.5.38)
Da die Ausdehnung L des Detektors sicherlich großer sein muß als dessen Schwarz-
schildradius RS = 2GMc2
, ist der erste Faktor kleiner Eins. Der Detektor wird fur Wel-
lenlangen λg, die großer sind als seine Lange L in Einfallsrichtung, transparent. Weiter-
hin gibt es keine Konfiguration irgendeiner stabilen Materie, deren transversale Pha-
sengeschwindigkeit ctrans die Lichtgeschwindigkeit c ubersteigt. Es gibt folglich keine
stabile Materie, die Gravitationsstrahlung total absorbieren konnte.
4.6. GRAVITOELEKTRISCHER EFFEKT 73
................................................................
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................
ϑ
f(ϑ)
π2
1
Abbildung 4.7: Die Winkelabhangigkeit f(ϑ) des Absorptionskoeffizienten εeff ist stets
kleiner Eins.
4.6 Gravitoelektrischer Effekt
Der gravitoelektrische Effekt ist vom Prinzip her gleich wie der photoelektrische Effekt,
jedoch ubernehmen hier jetzt die Gravitonen die Rolle der Photonen.
Trifft ein Graviton auf einen Detektor, der aus lauter Atomen bestehen soll, so
wird dieses mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein gebundenes Elektron aus einem
Atom herauslosen. Die Absorptionslange in solch einem Detektor bestimmt sich aus
der Anzahl n der Atome pro Einheitsvolumen und dem Wirkungsquerschnitt σ(λ)abs
fur die Wechselwirkung zwischen einem Graviton und einem Atom:
L(λ)abs =1
nσ(λ)abs
(4.6.1)
Wie verhalt sich nun die Absorptionslange zur Lange des Detektors?
Um die Wechselwirkung zwischen Graviton und Atom zu beschreiben, benotigen
wir den entsprechenden Hamilton-Operator der Wechselwirkung Hint. Wie bereits im
klassischen Fall in Abschnitt (4.5.2) verwenden wir die transversal-spurfreie Eichung
und konnen so Hint auf die raumlichen Komponenten reduzieren:
Hint = κ
∫d3xTij(x)hij(x), (4.6.2)
mit der Planck-Lange κ. Das Gravitonfeld hij laßt sich in Normalmoden zerlegen
hij(~x, t) =∑~k,s
H†~k,seij~k,s
exp(i~k · ~x− iω~kt
)√V
+ h.c. (4.6.3)
Summiert wird uber ein Volumen V ; eij~k,s sind die beiden zu ~k orthogonalen Polarisations-
tensoren. H†~k,s ist der Erzeuger eines Gravitons mit Impuls ~k und Polarisation s. Fur
ihn gilt
〈N~k,s|H†~k,s|N~k,s − 1〉 =
(4πhcN~k,s
ω~k
)1/2
(4.6.4)
74 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
mit N~k,s =Anzahl Teilchen mit Impuls ~k und Polarisation s. Bei der Bestimmung
der raumlichen Komponenten des Energie-Impuls-Tensor eines n-Teilchen-Systems ist
darauf zu achten, daß Orts- und Impulsoperatoren nicht vertauschen
Tij(x) =1
2
n∑a=1
[p
(a)i p
(a)j
2m(a)δ3(x(a) − x) + δ3(x− x(a))
p(a)i p
(a)j
2m(a)
]. (4.6.5)
Terme proportional zu δij wurden vernachlassigt, da hij in (4.6.2) spurfrei ist. Um nun
die Absorptionsrate bestimmen zu konnen, verwenden wir Fermis Goldene Regel. In
welchen Zustand das angeregte Elektron springt, ist hier nicht von Bedeutung. Gege-
ben sei lediglich die Dichte ρ(En) der Endzustande mit der Energie En. Dann ist der
Wirkungsquerschnitt:
σabs(~k) =4π2κ2
ω~k| 〈n|Tij(~k)eij~k,s|0〉 |
2 × ρ(En) (4.6.6)
Als Beispielsystem soll uns hier ein wasserstoffahnliches Atom dienen, dessen Elektron
durch den einfachen Hamiltonoperator
H =p2
2m+e2
r(4.6.7)
beschrieben werde. Treffen wir noch einige weitere vereinfachende Annahmen:
So soll die Wellenlange λg des Gravitons sehr viel großer sein als der Bohrsche Radius
a0, woraus folgt, daß auch der Endzustand des Elektrons eine Wellenlange besitzt, die
wesentlich großer ist als a0. Fur die Dichte der Endzustande soll gelten, daß ρ(En) ∼L3keme ist. Die Große me stellt dabei die Masse und ke ∼ λ−1
final den Impuls des Elektrons
dar. Die Dichte des Detektors sei ρ = nmAtom und mit dem Schwarzschildradius RS =
2GM = 2GρL3 erhalten wir fur das Verhaltnis R = L/L(λ)abs:
R =
(RS
L
)(me
mAtom
)(λgλfinal
)(a0
L
)×
[α2 +
(a0
λg
)41
α2+ 2
(a0
λg
)2]
(4.6.8)
Der Schwarzschildradius RS des Detektors muß sicher kleiner sein als seine Ausdehnung
L. Die Masse des Elektrons me ist naturlich viel kleiner als die Masse eines ganzen
Atoms. Auch der Bohrsche Radius a0 ist sicher kleiner als die Lange des Detektors.
Aus der Impulserhaltung folgt, daß der Impuls des Elektrons im Endzustand nicht
großer sein kann als der Impuls der Gravitationswelle. So gilt: λg < λfinal. Der letzte
Faktor in (4.6.8) ist mit der Feinstrukturkonstanten α ≈ 1137
und obiger Forderung
a0 λg, kleiner Eins (es genugt bereits das Verhaltnis a0/λg < 0.085).
Grundvoraussetzung fur die vollstandige Absorption ist, daß die Absorptionslange
L(λ)abs deutlich kleiner ist als die Lange L des Detektors. Wir haben hier aber gezeigt,
daß das Verhaltnis R kleiner als Eins und daher die Absorptionslange großer als die
Detektorlange ist. Es ist daher nicht moglich, einen Detektor zu bauen, der die gesamte
Gravitationsstrahlung mittels dieses Effekts absorbieren konnte.
4.7. PHONONEN-ANREGUNG 75
4.7 Phononen-Anregung
Eine weitere Moglichkeit der Absorption von Gravitationsstrahlung ist die Anregung
von Gitterschwingungen, sogenannten Phononen, durch eine Gravitationswelle. Der
Prozess niedrigster Ordnung ist der, bei dem durch Absorption eines Gravitons zwei
Phononen erzeugt werden. Fur das VerhaltnisR = LLabs
(Detektor- zur Absorptionlange)
erhalt man nach Peierls [37]:
R =
(RS
L
)(λC
L
)(Ω− ω
Ω
)(ω
ωD
)3
, (4.7.9)
wobei RS = 2GM/c2 der Schwarzschildradius, λC die Compton-Wellenlange eines
Atoms des Detektors, ωD die Debye-Frequenz, Ω die Frequenz der Gravitationswel-
le, ω die Frequenz des einen und Ω − ω die Frequenz des anderen Phonons ist. Der
Schwarzschildradius des Detektors muß sicherlich kleiner sein als seine Ausdehnung.
Die Compton-Wellenlange eines Atoms kann man durch die eines Elektrons abschatzen:
λC,Atom < λC,Elektron =h
mec≈ 2, 4 · 10−12m. (4.7.10)
Bei einem Atomradius von etwa 0, 5A = 0, 5 ·10−10m gilt sicherlich λC L. Fur ω > 0
ist auch der dritte Faktor in (4.7.9) stets kleiner Eins. Die Debye-Frequenz ωD ist
die Maximalfrequenz, welche sich in einem elastischen Korper ausbreiten kann. Diese
grundet sich darauf, daß sich in einem Gitter keine Schwingungen ausbreiten konnen,
deren Wellenlange kleiner ist als die Gitterkonstante. Daher gilt auch (ω/ωD) ≤ 1. Wie
bereits beim Gravitoelektrischen Effekt und der klassischen Absorption kann man auch
nicht durch Phononenanregung einen Detektor fur Gravitationsstrahlung bauen, der
diese vollstandig absorbiert.
Vergleichen wir die drei Beziehungen (4.5.37, 4.6.8, 4.7.9) fur die Absorptionsver-
halten der verschiedenen Detektoren, so fallt der gemeinsame Faktor (RS/L) auf, der
den Schwarzschildradius des Detektors zu dessen Ausdehung in Beziehung setzt. Die-
ser muß kleiner als Eins sein, da es sich sonst bei allen drei Detektoren um Schwarze
Locher handelt, die zwar alles absorbieren, jedoch nicht als Detektoren zu gebrauchen
sind.
Die anderen Faktoren sind im wesentlichen Detektor spezifisch oder hangen zusatz-
lich noch von der Wellenlange der Gravitationsstrahlung ab. Es ist aber von großer
Bedeutung, daß in allen drei Formeln Faktoren auftreten, die eine vollstandige Absorp-
tion der Gravitationsstrahlung unmoglich machen.
4.8 Konsequenzen
Da es in naher Zukunft außerst unwahrscheinlich ist, Gravitonen experimentell direkt
zu beobachten, bleibt es der Theorie uberlassen, ein Argument zu finden, weshalb die
76 KAPITEL 4. ABSORPTION VON GRAVITATIONSSTRAHLUNG
Gravitation uberhaupt quantisiert werden soll. Ein Argument fur eine Quantisierung
konnte dem ahneln, mit welchem die Quantisierung der elektromagnetischen Strahlung
begrundet wird. Dieses Argument wollen wir im folgenden kurz darstellen.
Ende des 19.Jhdt. gab es fur die Warmestrahlung des Schwarzen Korpers zwei Mo-
delle, die entweder den niedrigen oder den hohen Frequenzbereich des Spektrums be-
schreiben konnten. Bekannt war bereits durch Kirchhoff und Wien, daß die spektrale
Energiedichte ων nur eine Funktion der Frequenz ν und der Temperatur T sein konnte:
ων ≡ f(ν, T ) = ν3g( νT
).
Wien gab fur den hohen Frequenzbereich eine theoretisch nicht gut begrundete Bezie-
hung fur g(νT
)an. Den niedrigen Frequenzbereich konnten Rayleigh und Jeans um 1900
mittels des klassischen Gleichverteilungssatzes relativ gut beschreiben. Dieser besagt,
daß im thermodynamischen Gleichgewicht auf jeden Freiheitsgrad der Bewegung die
Energie 12kBT entfallt, dabei ist kB die Boltzmann-Konstante und T die Temperatur.
Rayleigh und Jeans zerlegten das elektromagnetische Strahlungsfeld eines Hohlraums,
der einen Schwarzen Korper idealisiert, in stehende elektromagnetische Wellen und
zahlten ab, wie viele solcher stehenden Wellen in diesen Hohlraum hineinpassen. Ihr
nach der klassischen Theorie exaktes Resultat fur die Funktion g ist:
g( νT
)=
(8πkBc3
)T
ν.
Dies kann aber nicht die ganze Wahrheit sein. Berechnen wir die gesamte raumliche
Energiedichte, so divergiert diese. Man spricht dann von einer Ultraviolettkatastrophe:
ω =
∞∫0
ωνdν =8πkBT
c3
∞∫0
ν2dν →∞.
Planck unternahm daraufhin einen sehr mutigen Schritt: Er ersetzte die tatsachlich
emittierenden und absorbierenden Wandatome durch elektrisch geladene, lineare, har-
monische Oszillatoren, die, jeder fur sich, eine bestimmte Eigenfrequenz besitzen. Das
elektromagnetische Feld im Hohlraum tauscht mit diesen Oszillatoren so lange Energie
aus, bis sich ein Gleichgewichtszustand ausbildet. Das wirklich revolutionare daran war
die Erkenntnis, daß die Oszillatoren sich nur in solchen Zustanden befinden konnen,
deren Energie ganzzahlige Vielfache eines elementaren Energiequants e0 sind. Daher
konnen sie auch nur gequantelte Energiepakete absorbieren oder emittieren. Planck
zeigte damit, daß die mittlere Energie pro Freiheitsgrad nicht 12kBT ist, sondern
E =hν
exp( hνkBT
)− 1.
Das Spektrum des Schwarzen Korpers war damit erklart.
4.8. KONSEQUENZEN 77
Wie wir gesehen haben, kann kein thermodynamisches Gleichgewicht erreicht werden
und so findet in diesem Sinne auch keine Ultraviolettkatastrophe statt. Dann konnen
wir aber auch nicht auf eine Quantisierung schließen, wie Planck es bei der elektroma-
gnetischen Strahlung machte.
Die Transformation einer beliebigen Form von Energie in Gravitationsstrahlung ist
immer ein irreversibler Prozeß. Wie wir gesehen haben, ist es nicht moglich, die Strah-
lung wieder vollstandig zu absorbieren. Dies hat aber auch Auswirkungen auf die quan-
tenmechanische Beschreibung eines Systems. So gibt es keinen Detektor, der den Quan-
tenzustand eines Gravitationsfeldes bestimmen konnte. Da nicht die ganze Strahlung
absorbiert wird, geht stets ein Teil der Information verloren. Eine Messung kann daher
nicht entscheiden, ob ein reiner oder ein gemischter Zustand vorliegt, sofern beide ein
etwa gleiches Spektrum besitzen. Mit dem Verlust an Information uber das System ist
es auch nicht moglich, eine unitare Zeitentwicklung anzugeben. Das formale Gebaude
der Quantentheorie sturzt zusammen.
Nun muß aber berucksichtig werden, daß wir die obigen Betrachtungen in der linea-
risierten Allgemeinen Relativitatstheorie gefuhrt haben. Diese kann aber zum Beispiel
fur Vorgange nahe eines Schwarzen Lochs sicher nicht genugen. Es besteht daher die
Moglichkeit, daß in einer vollen nichtlinearen Theorie ein physikalisch realistisches Me-
dium existiert, das auch starke Gravitationsstrahlung vollstandig absorbiert.
Anhang A
Klassische Theorie
A.1 Einheiten und Dimensionen
A.1.1 Einheiten
Wir verwenden in den Rechnungen im Kapitel (3) uber die Nichtrenormierbarkeit der
ART Einheiten, fur die gilt:
h = c = 1.
Mit den Abkurzungen fur die Dimensionen
Abkurzung Dimension
L Lange
T Zeit
E Energie
M Masse
K Kraft
erhalten wir fur die Lichtgeschwindigkeit
[c] =L
T!
= 1 ⇒ L = T. (A.1.1)
Lange und Zeit besitzen also die gleiche Dimension. Eine Wirkung ist generell das Pro-
dukt aus Energie mal Zeit, wobei die Energie unter anderen als Produkt aus Kraft mal
Weg angenommen werden kann. Legt man neben der Dimension der Geschwindigkeit,
auch die Dimension der Wirkung fest, so gilt
[h] = E · T = K · L · T = K · L2 != 1 ⇒ K = L−2 (A.1.2)
Andererseits konnen wir auch fur die Energie die Einsteinbeziehung E = mc2 einsetzen,
dann folgt aus h = c
[c] =L
T= E · T = M · L
2
T 2· T ⇒ L = M−1 (A.1.3)
78
A.1. EINHEITEN UND DIMENSIONEN 79
Von besonderem Interesse ist die Dimension der Newtonschen Gravitationskonstante,
die wir mit obiger Festlegung uber das Newton’sche Kraftgesetz erhalten
Newton [F ] = [G] ·M2L−2 != K = L−2 ⇒ [G] = M−2 (A.1.4)
A.1.2 Dimensionen
In SI-Einheiten besitzen die Naturkonstanten die Dimensionen:
[G] =m3
kg · s2, [h] = kg · m2
sund [c] =
m
s. (A.1.5)
Die von Borzeszkowski und Treder ([57]) aufgestellten Korrespondenzbeziehungen
F → c2
GΓ, (A.1.6)
Q →√GM, (A.1.7)
q →√Gm, (A.1.8)
sind in Hinsicht der Dimensionen nicht ganz korrekt. Betrachten wir die Bewegungs-
gleichung eines Teilchens der Masse m und der Ladung q in einem elektromagnetischen
Feld [44]:
dpk
dτ= qF k
n
dxn
dτ, (A.1.9)
mit dem Feldstarketensor F 0k = −1
cEk und F k
n = −Bm (k, n,m = 1, 2, 3 und zyklisch).
Dann erhalten wir als die Dimension des Feldstarketensorskg
C·s2. Andererseits erhalten
wir aus der Geodatengleichung
d2xk
dτ 2+ Γkij
dxj
dτ
dxk
dτ= 0 (A.1.10)
fur die Dimension der Christoffelsymbole [Γ] = 1m. Aus der Beziehung q2 >∼ hc (1.2.19)
erhalten wir hier als Dimension der Ladung [C] = ms√
kg ·m. Daraus konnen wir
schließen, daß die Zuordnungen (A.1.7) und (A.1.8) in Punkto Dimensionen korrekt
sein mussen. Allerdings muß dann die Beziehung (A.1.6) wie folgt lauten:
F → c√G
Γ. (A.1.11)
A.1.3 Planck-Skala
Max Planck fiel bei der Betrachtung der Naturkonstanten h, G und c auf, daß bei einer
Kombination dieser drei Großen, sich eine naturliche Skala ergibt. Dabei stellt h das
nach ihm benannte Planck’sche Wirkungsquantum,G die Newtonsche Gravitationskon-
stante und c die Lichtgeschwindigkeit dar. Ihm zu Ehren wurde sie als Planck-Skala
bezeichnet und beinhaltet folgende Großen:
80 ANHANG A. KLASSISCHE THEORIE
Lange : Lp ≡√Gh
c3' 1.62× 10−33cm
Zeit : Tp ≡Lpc
=
√Gh
c5' 0.54× 10−43sec
Masse : Mp ≡h
cLp=
√hc
G' 2.18× 10−5g
Energie : Ep ≡√hc5
G' 1.22× 1019GeV
A.2 Beschleunigung in der SRT und ART
Wir wollen uns hier eine kurze Herleitung der gleichformigen Beschleunigung in der Spe-
ziellen (SRT) und Allgemeinen Relativitatstheorie (ART) anschauen. Ausgehend von
der Lorentz-Transformation erhalten wir zunachst die Geschwindigkeitstransformation
und anschließend die sogenannte Eigenbeschleunigung. Im Minkowski-Diagramm stel-
len sich die Bahnen gleichformig beschleunigter Beobachter als Hyperbeln dar. Diese
lassen sich mittels Rindlerkoordinaten einfacher beschreiben.
A.2.1 Die Lorentz-Transformation
Der Grundpfeiler der SRT sind die Lorentz-Transformationen (LT), die wir hier der
Einfachheit halber nur in einer raumlichen Dimension behandeln. Dazu betrachten wir
zwei Koordinatensysteme S und S ′, die sich relativ mit der Geschwindigkeit v bewegen.
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S S ′
x x′v
Abbildung A.1: Das Koordinatensystem S ′ bewege sich relativ zum System S mit
der Geschwindigkeit v entlang der gemeinsamen x-Richtung.
Die Koordinaten des Systems S ′ ergeben sich nun aus denen des Systems S mittels den
Lorentz-Transformationen
x′ = γ (x− vt) , (A.2.1)
t′ = γ(t− vx
c2
)(A.2.2)
A.2. BESCHLEUNIGUNG IN DER SRT UND ART 81
mit γ = 1√1−β2
und β = vc. Die Umkehrtransformationen von (A.2.1) und (A.2.2) erge-
ben sich einfach daraus, daß man gestrichene und ungestrichene Variablen vertauscht
und das Vorzeichen von v umkehrt.
A.2.2 Geschwindigkeitstransformation
Welche Geschwindigkeit u = dxdt
mißt nun ein Beobachter im System S, wenn sich ein
Teilchen mit der Geschwindigkeit u′ = dx′
dt′bezuglich des Systems S ′ bewegt?
Aus den totalen Differentialen der Transformation S ′ → S:
dx = γ (dx′ + v dt′) und dt = γ(dt′ +
v
c2dx′)
(A.2.3)
erhalten wir:
u =dx
dt=dx′ + v dt′
dt′ + vc2dx′
=u′ + v
1 + vu′
c2
. (A.2.4)
Die Geschwindigkeiten werden also nicht einfach nur addiert, wie es der Alltagserfah-
rung entspricht, sondern es tritt zusatzlich ein Faktor auf, der garantiert, daß c die
maximal mogliche Geschwindigkeit ist.
A.2.3 Beschleunigungen
Der nachste Schritt ist die Transformation von Beschleunigungen. Dies ist nicht mehr
ganz so einfach, da beschleunigte Bezugssysteme nicht mehr gleichberechtigt sind, wie
man sich anhand des Zwillingsparadoxons uberlegen kann.
Der Trick ist nun, daß wir uns zu jedem Zeitpunkt ein sich parallel zu S ′ bewegendes
System S ′′ denken, welches sich eben zu diesem Zeitpunkt mit der gleichen Geschwin-
digkeit bewegt wie S ′. Wir fuhren dann eine LT zwischen S und S ′′ aus, wobei jetzt
v = const die Geschwindigkeit des Systems S ′′ bezuglich des Ausgangssystems S dar-
stellt. Das totale Differential der Geschwindigkeitstransformation (A.2.4) ist:
du =du′′
1 + u′′vc2
− u′′ + v(1 + u′′v
c2
)2
v
c2du′′ =
1
γ(v)2(1 + u′′v
c2
)2du′′. (A.2.5)
Weiterhin betrachten wir nur den Ursprung von S ′′, so daß u′′ = 0 und v = u gilt und
daher aus (A.2.5) du = γ(u)−2du′′ folgt.
Mit der Eigenbeschleunigung α = du′′
dt′′des Systems S ′ bezogen auf dessen momentanes
Ruhsystem S ′′ und der Zeittransformation dt′′ = dtγ(u)
folgt:
du = γ(u)−3α dt (A.2.6)
bzw.
α = γ(u)3du
dt, (A.2.7)
wobei u die Geschwindigkeit des beschleunigten Systems S ′ bezuglich des Systems S
angibt.
82 ANHANG A. KLASSISCHE THEORIE
A.2.4 Gleichformige Beschleunigung
Ein wichtiger Spezialfall ist die gleichformige Beschleunigung, bei der α = const > 0
ist. Um die Bahnkurve des Teilchens im System S zu bestimmen, mussen wir zweimal
integrieren, was wir leicht durch Trennung der Variablen tun konnen. Im ersten Schritt
erhalten wir so
α
t∫t0=0
dt′ =
u∫u0=0
du′(1− u′ 2
c2
) 32
=⇒ αt =u(
1− u2
c2
) 12
.
Da α = const > 0 ist, haben t und u dasselbe Vorzeichen. Auflosen nach u ergibt
u =dx
dt= ± αt√
1 + α2t2
c2
,
wobei aufgrund der Vorzeichens die negative Losung entfallt. Mit x(t0) = x0 folgt:
x− x0 =c2
α
√1 +
α2t2
c2− c2
α
oder nach kurzer Umformung:(x− x0 + c2
α
)2
(c2
α
)2 − (ct)2(c2
α
)2 = 1.
Diese Gleichung stellt eine Hyperbel dar, weshalb wir hier auch von hyperbolischer Be-
wegung sprechen. Um das Besondere dieser Bewegung anschaulich darzustellen, wahlen
wir den Punkt x0 entsprechend der Beschleunigung: x0 = c2
αwodurch sich (A.2.8) ver-
einfacht zu:
x2 − (ct)2 =c4
α2. (A.2.8)
Aufgrund der speziellen Wahl x0 = c2
αbefinden sich alle Hyperbeln in den Bereichen
x ≥ |ct| oder x ≤ −|ct|. Die Geraden ct = x und ct = −x nennt man Horizonte.
A.2.5 Rindler-Koordinaten
Die Hyperbeln aus Abbildung (A.2) lassen sich auch anders beschreiben. Betrachten
wir hierzu folgende Koordinatentransformation, wobei ab jetzt stets c = 1 gelten soll
und a = const einen beliebigen Parameter darstellt:
x = ρ cosh(aτ), t = ρ sinh(aτ). (A.2.9)
A.2. BESCHLEUNIGUNG IN DER SRT UND ART 83
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x
ctα > 0
α < 0
Abbildung A.2: Orbits konstanter Beschleunigung im Minkowski-Diagramm entspre-
chen Hyperbeln. Im Gebiete (III) (siehe Abb.A.3) ist die Zeitrichtung umgedreht, wes-
halb die Beschleunigung α kleiner Null ist.
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x
ct
I
II
III
IV
Abbildung A.3: Die Horizonte von beschleunigten Beobachtern teilen die Minkowski-
Raumzeit in vier Bereiche auf. Der Bereich (I) ist die eigentliche Rindler-Raumzeit, die
in (A.2.5) behandelt wird. (III) erhalt man durch Spiegelung von (I) an der ct-Achse
und Vorzeichenwechsel in den Transformationen (A.2.9). Die Eigenzeit τ lauft hier
entgegen der Minkowskizeit t.
Daraus erhalten wir sofort
x2 − t2 = ρ2. (A.2.10)
Der direkte Vergleich mit der Relation (A.2.8) erlaubt, 1/ρ als Eigenbeschleunigung
aufzufassen. Bilden wir die totalen Differentiale
dx = cosh(aτ) dρ+ aρ sinh(aτ) dτ, (A.2.11)
dt = sinh(aτ) dρ+ aρ cosh(aτ) dτ (A.2.12)
und setzen diese in das Minkowski-Linienelement ds2 = −dt2 + dx2 ein, so gilt
ds2 = dρ2 − (aρ)2dτ 2 (A.2.13)
84 ANHANG A. KLASSISCHE THEORIE
und wir erkennen sofort, daß aρτ die Eigenzeit des Beobachters S ′ entlang einer Hy-
perbel ρ = const darstellt.
Der Vorteil gegenuber der bisherigen impliziten Darstellung ist, daß Hyperbeln nun
durch die Eigenzeit und die Eigenbeschleunigung parametrisiert werden. Punkte glei-
cher Eigenzeit entsprechen Ursprungsgeraden, denn mit τ = const ist
t
x= tanh(aτ) = const. (A.2.14)
Die Koeffizienten der Rindler-Metrik (A.2.13) sind unabhangig von τ . Es existiert
daher ein zeitartiges Killingfeld K = ∂τ = a (x∂t + t∂x) mit K2 = −(aρ)2. Fur a = 1/ρ
stimmt die Killingzeit mit der Eigenzeit des beschleunigten Beobachters uberein.
A.3 Oberflachengravitation
Wir wollen uns den Begriff der Oberflachengravitation am Beispiel eines Kerr-Newman-
Schwarzloches klarmachen.
A.3.1 Kerr-Newman-Metrik
Die Metrik eines Kerr-Newman-Schwarzloches lautet mit der Signatur (− + ++) zu
[59]:
ds2 = −(
∆− a2 sin2 θ
Σ
)dt2 − 2a sin2 θ (r2 + a2 −∆)
Σdtdφ
+
[(r2 + a2)2 −∆ a2 sin2 θ
Σ
]sin2 θ dφ2 +
Σ
∆dr2 + Σdθ2,
mit Σ = r2+a2 cos2 θ und ∆ = r2+a2+Q2−2Mr. M ist die Masse des Schwarzen Lochs,
Q die Ladung und a der Drehimpuls je Masseneinheit. Die Gravitationskonstante ist
hier gleich Eins gesetzt.
Da die Metrik-Koeffizienten unabhangig von den Koordinaten t und φ sind, existie-
ren Killing-Vektorfelder
ξa =
(∂
∂t
)aund ψa =
(∂
∂φ
)a.
Das Schwarze Loch ist also stationar und axialsymmetrisch. Auf dem Horizont (r+ =
M +√M2 −Q2 − a2) sind die Killing-Felder ξa und ψa raumartig:
ξaξa(r+) = gtt(r+) =a2 sin2 θ
2Mr+ −Q2 − a2 sin2 θ> 0 und
ψaψa(r+) = gφφ(r+) =
(r2
+ + a2)2
r2+ + a2 cos2 θ
sin2 θ > 0.
A.3. OBERFLACHENGRAVITATION 85
Die Linearkombination, ebenso ein Killing-Vektorfeld, ist auf r+ jedoch lichtartig:
χa = ξa + ΩHψa, (A.3.1)
mit χaχa(r+) = (gtt + 2ΩHgtφ + Ω2Hgφφ) (r+) = 0 und der Koordinaten-Winkelge-
schwindigkeit ΩH = ar2++a2 auf dem Horizont.
A.3.2 Nullhyperflachen
Sei S(x) eine glatte Funktion, dann stellt S(x) = const eine Familie von Hyperflachen
dar [63]. Vektorfelder senkrecht zu den Hyperflachen sind gegeben durch:
l = f(x) (∂µS) ∂µ (A.3.2)
mit beliebiger, von Null verschiedener Funktion f(x). Ist l nullartig, also l2 = 0, fur
eine spezielle Hyperflache N , dann nennt man N eine Null-Hyperflache.
Im Fall der Kerr-Newman-Metrik haben die Normalenvektoren zu den Hyperflachen
S = r − r+ = r −M −√M2 − a2 −Q2 = const (A.3.3)
die Norm
l2 = f 2gµν∂µS ∂νS = f 2 r2 + a2 +Q2 − 2Mr
r2 + a2 cos2 θ. (A.3.4)
Der Horizont bei r = r+ = M +√M2 − a2 −Q2 ist also eine Null-Hyperflache.
Ein Tangentenvektor t an N ist charakterisiert durch die Bedingung (t, l) = 0. Dann
ist aber auch l selbst ein Tangentenvektor.
A.3.3 Oberflachengravitation
Das Killing-Feld auf dem Horizont ist gegeben durch die Linearkombination (A.3.1).
Da χaχa(r+) = 0, ist χa ein Nullvektor auf dem Horizont; nun ist aber der Horizont
eine Nullflache, und folglich ist χa sowohl tangential als auch orthogonal zum Horizont.
Weiterhin stellt χaχa = const eine Familie von Hyperflachen mit dem Normalenvek-
torfeld ∇a(χbχb
)dar, die den Horizont mit beinhaltet und so gibt es folglich auf dem
Horizont eine Funktion κ, so daß gilt:
∇a(χbχb
)= −2κχa. (A.3.5)
Da χa orthogonal zum Horizont ist, also orthogonal zu einer Hyperflache, gilt nach
dem Satz von Frobenius, der eine Existenzaussage uber hyperflachenorthogonale Vek-
torfelder macht, die Beziehung
χ[a∇bχc ] = 0
86 ANHANG A. KLASSISCHE THEORIE
und nach Einbeziehen der Killing-Gleichung ∇( bχc ) = 0 und Kontraktion mit ∇aχb
erhalt man eine explizite Form fur die Oberflachengravitation
κ2 = −1
2
(∇aχb
)(∇aχb)H . (A.3.6)
Fur ein Kerr-Newman-Schwarzloch ergibt sich
κ =
√M2 − a2 −Q2
2M[M +
√M2 − a2 −Q2
]−Q2
.
Setzt man a = 0 und Q = 0, so erhalt man den Schwarzschild-Fall (Gravitationskon-
stante wieder mit einbezogen):
κ =1
4GM=GM
R20
(A.3.7)
mit R0 =Schwarzschildradius. Man erkennt hier das Newtonsche Gravitationsgesetz
wieder, woraus sich die Bedeutung von κ als Oberflachengravitation ableitet.
A.4 Kruskal-Koordinaten
Die Schwarzschild-Koordinaten haben den Nachteil, daß sie neben der Krummungssin-
gularitat bei r = 0 auch noch eine Koordinatensingularitat beim Schwarzschildhorizont
rS = 2GM aufweisen. Eine gunstigere Wahl sind die Kruskal-Koordinaten. Dazu fuhren
wir zunachst die Schildkroten-Koordinate r∗ = r+2GM ln | r2GM−1| ein. Damit schreibt
sich das Schwarzschildlinienelement
ds2 = −(
1− 2GM
r
)(dt2 − dr2
∗)
+ r2 dΩ2. (A.4.1)
Der Vorteil hierbei ist, daß sich radiale Lichtstrahlen wie auf der flachen Raumzeit
bewegen, da dt = ±dr∗. Die eigentlichen Kruskal-Koordinaten (X,T ) ergeben sich
dann aus folgender Transformation:
X = exp( r∗
4GM
)cosh
t
4GM, (A.4.2)
T = exp( r∗
4GM
)sinh
t
4GM. (A.4.3)
Die inverse Transformation lautet:
X2 − T 2 = exp( r∗
2GM
), (A.4.4)
T
X= tanh
t
4GM. (A.4.5)
A.4. KRUSKAL-KOORDINATEN 87
Abbildung A.4: Die Schwarzschild-Raumzeit laßt sich mit Kruskal-Koordinaten bis
zur Krummungssingularitat bei r = 0 darstellen [59].
Eine meist gunstigere Darstellung der Kruskal-Raumzeit ist die Penrose-Darstellung.
In dieser laßt sich die komplette Raumzeit mit all ihren Randern darstellen:
Abbildung A.5: Durch eine konforme Transformation laßt sich die komplette Kruskal-
Raumzeit darstellen [28, 35].
Anhang B
Quanten-Theorie
B.1 Zeitabhangige Potentiale
Betrachten wir den zeitabangigen Hamilton-Operator H(t) = H0 +V (t) , wobei H0 das
ungestorte Problem beschreibt und V (t) klein sein soll gegenuber H0. Fur V (t) = 0 sei
H0|n〉 = En|n〉 (B.1.1)
vollstandig gelost. Die Frage ist nun, wie sich ein beliebiger Zustand |α〉 =∑n
cn(0)|n〉
unter dem Einfluß des Potentials V entwickelt. Seine zeitliche Entwicklung ist gegeben
durch:
|α, t〉 =∑n
cn(t)e−iEnth |n〉 , (B.1.2)
wobei die Koeffizienten cn(t) nur von der Storung V (t) herruhren sollen.
Das Problem laßt sich am einfachsten im Dirac-Bild berechnen, dabei werden die
Zustande und Operatoren umdefiniert zu:
|α, t〉I := eiH0th |α, t〉S ,
VI := eiH0th V e−
iH0th .
Die Schrodingergleichung im Dirac-Bild reduziert sich auf:
ih∂
∂t|α, t〉I = VI |α, t〉I (B.1.3)
und ein Zustand geht uber in:
|α, t〉I =∑m
cm(t)|m〉 . (B.1.4)
Multiplizieren wir die Schrodingergleichung (B.1.3) mit dem bra-Zustand 〈n| und fugen
die Identitat∑m
|m〉 〈m| = 1I auf der rechten Seite ein, so erhalten wir eine gekoppelte
88
B.1. ZEITABHANGIGE POTENTIALE 89
Differentialgleichung fur die Koeffizienten cn(t):
ihd
dtcn(t) =
∑m
Vnmeiωnmtcm(t), (B.1.5)
mit ωnm = En−Emh
und Vnm = 〈n|V (t)|m〉.Da exakte Losungen meist nicht erhaltlich sind, nahern wir cn(t) durch eine Storungs-
entwicklung an:
cn(t) = c(0)n + c(1)
n + c(2)n + . . . . (B.1.6)
An Stelle der direkten Berechnung der cn(t), laßt sich auch zuerst der Zeitentwicklungs-
operator U im Dirac-Bild in eine Storungsreihe entwickeln und dann daraus die cn(t)
bestimmen. Dabei ist UI definiert durch
|α, t〉 = UI |α, t0 〉 . (B.1.7)
Setzen wir dies in die Schrodingergleichung (B.1.3) ein, so erhalten wir:
ihd
dtUI (t, t0) = VI(t)UI (t, t0) (B.1.8)
und mit der Anfangsbedingung UI (t0, t0) = 1I folgt durch Iteration die Dyson-Reihe:
UI (t, t0) = 1− i
h
t∫t0
dt′VI(t′) +
(− ih
)2t∫
t0
dt′t′∫
t0
dt′′VI(t′)VI(t
′′) + . . . . (B.1.9)
UI kann man so bis zu jeder endlichen Ordnung entwickeln, allerdings ist die Konver-
genz nicht gesichert.
Sei nun UI (t, t0) gegeben und der Anfangszustand des Systems |i〉 sei ein Linearkom-
bination der Eigenfunktionen |n〉 des ungestorten Systems. Dann gilt
|i, t〉I = UI (t, 0) |i〉 =∑n
|n〉 〈n|UI (t, 0) |i〉 =∑n
cn(t)|n〉 . (B.1.10)
Weiterhin ist
〈n|UI (t, t0) |i〉 = eiEnt−Eit0
h 〈n|U (t, t0) |i〉 , (B.1.11)
wobei die Ubergangsamplitude dem Ausdruck 〈n|U |i〉 entspricht. Da aber die Uber-
gangswahrscheinlichkeit das Betragsquadrat davon ist, spielt es keine Rolle, daß der
Zeitentwicklungsoperator im Dirac-Bild vorliegt.
Entwickelt man auch hier cn(t) = 〈n|UI (t, t0) |i〉, so liefert der Vergleich mit obiger
Entwicklung
c(0)n (t) = δni,
c(1)n (t) = − i
h
t∫t0
〈n|VI(t′)|i〉 dt′ = −i
h
t∫t0
eiωnit′Vni(t
′)dt′.
90 ANHANG B. QUANTEN-THEORIE
Damit ist die Ubergangswahrscheinlichkeit P fur n 6= i:
P (i→ n) = |c(1)n (t) + c(2)
n (t) + . . . |2.
Betrachten wir nun den Fall der konstanten Storung die zur Zeit t = 0 eingeschaltet
wird:
V (t) =
0 fur t < 0
V = const fur t ≥ 0.
Zur Zeit t0 = 0 sei nur der Eigenzustand |i〉 des ungestorten Systems besetzt. Dann
gilt:
c(0)n = c(0)
n (0) = δni,
c(1)n = i
i
hVni
t∫0
eiωnit′dt′ =
VniEn − Ei
(1− eiωnit
),
⇒ |c(1)n |2 =
4|Vni|2
|En − Ei|2sin2
((En − Ei)t
2h
).
Wenn nun die Energieniveaus etwa von der Großenordnung E ≈ En sind, dann konnen
wir von einem Kontinuum sprechen, das aus Zustanden fast gleicher Energie besteht.
Mit hω ≡ En − Ei ≈ E − Ei verhalt sich |c(1)n |2 ∼ 4 sin2 ωt
2
ω2 =: f(ω, t).
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t2
2πt
−2πt
Abbildung B.1: Die Ubergangswahrscheinlichkeit aus einem Niveau mit der Energie
Ei in ein Niveau der Energie E uberzugehen ist proportional zur Funktion f(ω, t). Mit
zunehmender Zeit wird die “Glocke“ bei ω = 0 schmaler und rasch hoher.
Die Ubergangswahrscheinlichkeit von einem Anfangszustand |i〉 der Energie Ei in
einen Zustand der Energie E uberzugehen, hangt ganz wesentlich von der Energiedif-
ferenz der beiden Zustande ab. Weiterhin werden mit zunehmender Zeit hauptsachlich
solche Ubergange stattfinden, deren Energiedifferenz kleiner als 2πh/t ist. Wichtig ist
hier noch, daß auch bei beliebig kleinen Potentialen Ubergange stattfinden.
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